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St. Thomas von Aquin: Über das Böse (Sth I, qu. 48f - deutsch)

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sonderen Übel her. Weiß und schwarz, süß und sauer und dergleichen Konträre werden nur<br />

als besondere verstanden: da sie ja zu gewissen festbestimmten Gattungen gehören. [Deshalb<br />

kann etwas nicht gleichzeitig weiß und schwarz sein.] Das Gute aber umschließt alle Gattungen:<br />

<strong>von</strong> daher kann ein Gut gleichzeitig sein mit der Beeinträchtigung eines anderen Gutes.<br />

Zum Vierten ist zu sagen, <strong>das</strong>s der Prophet „Wehe“ über jene ausruft, die sagen, <strong>das</strong>, was ein<br />

Gut ist, sei genau in dem, worin es gut ist, schlecht. Das aber folgt nicht aus den Voraussetzungen,<br />

wie aus dem eben Gesagten hervorgeht.<br />

Art. 4: Ob <strong>das</strong> Übel <strong>das</strong> ganze Gut zerstört.<br />

So gelangen wir zum Vierten. Es scheint, als zerstöre <strong>das</strong> Übel <strong>das</strong> ganze Gut.<br />

1. Eines <strong>von</strong> Konträren wird nämlich durch <strong>das</strong> andere völlig aufgehoben. Gut und Übel aber<br />

sind Konträre. Folglich kann <strong>das</strong> Übel <strong>das</strong> Gute ganz zerstören.<br />

2. Außerdem sagt Augustinus im „Enchiridion“, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Übel schade, insoweit es <strong>das</strong> Gute<br />

wegnimmt. Aber <strong>das</strong> Gute ist sich selbst ähnlich und gleichgestaltig. Folglich wird es völlig<br />

aufgehoben durch <strong>das</strong> Übel.<br />

3. Außerdem schadet <strong>das</strong> Übel, solange es ist, und tut dem Guten Eintrag. Aber etwas, <strong>von</strong><br />

dem ständig etwas weggenommen wird, ist irgendwann ganz erschöpft, außer es ist unendlich;<br />

was aber <strong>von</strong> keinem geschaffenen Gut gesagt werden kann. Folglich verzehrt <strong>das</strong><br />

Übel <strong>das</strong> Gute völlig.<br />

Aber dagegen steht, was Augustinus im „Enchiridion“ sagt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Übel <strong>das</strong> Gute nicht<br />

ganz aufzehren kann.<br />

Ich antworte, <strong>das</strong>s zu sagen sei, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Übel <strong>das</strong> Gute nicht völlig aufzehren kann. Um dies<br />

einzusehen, muss man überlegen, <strong>das</strong>s es ein dreifaches Gutes gibt. Eines, welches durch<br />

<strong>das</strong> Übel völlig aufgehoben wird: und dies ist <strong>das</strong> dem Übel entgegengesetzte Gute; so<br />

wie <strong>das</strong> Licht völlig durch die Finsternis aufgehoben wird, und <strong>das</strong> Sehvermögen durch die<br />

Blindheit. Es gibt aber ein Gutes, <strong>das</strong> nicht völlig vom Übel aufgehoben und auch nicht<br />

gemindert wird: nämlich <strong>das</strong> Gut, welches <strong>das</strong> Zugrundeliegende des Übels ist; nicht<br />

wird nämlich durch die Dunkelheit <strong>das</strong> Wesen der Luft irgend vermindert. Es gibt aber auch<br />

ein Gutes, <strong>das</strong> zwar durch Übel vermindert, jedoch nicht völlig aufgehoben wird: und<br />

dieses Gut ist die Befähigung des Zugrundeliegenden zum Vollzug dessen, was es ist<br />

[habilitas subiecti ad actum].<br />

Die Verminderung dieses Gutes ist aber nicht wie ein Wegnehmen zu verstehen, wie es die<br />

Verminderung einer Menge ist: sondern im Sinne eines Zurückbleibens [remissio], wie es die<br />

Verminderung bei Eigenschaften und Wesensformen ist. Das Zurückbleiben hinter dieser<br />

[genannten] Befähigung ist zu verstehen im Sinne einer zu ihr konträren Ausdehnung [est<br />

accipienda e contrario intensioni ipsius]. Eine Befähigung dieser Art wird ausgeübt durch die<br />

Eigenschaften, mittels welcher die Materie zum Vollzug instandgesetzt wird; je mehr solcher<br />

Eigenschaften in einem Zugrundeliegenden vorhanden sind, desto mehr kann es an Vollkommenheit<br />

und Wesensform aufnehmen. Und umgekehrt wird die Befähigung durch konträr<br />

wirkende Eigenschaften beeinträchtigt [remittitur]; je mehr solche in der Materie sich<br />

vorfinden und je ausgedehntere, desto mehr sind Fähigkeit und Anlage zum Daseinsvollzug<br />

[potentia ad actum] beeinträchtigt.<br />

Wenn aber konträre Eigenschaften nicht in‘s Unendliche vermehrt und ausgedehnt werden<br />

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