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Biologische Therapien und Krebs - the European Oncology Nursing ...

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Die Produktion wurde ermöglicht durch einen<br />

Ausbildungs-Beitrag der Firma F. Hoffmann-La Roche Ltd<br />

<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />

Ein<br />

Lehrmittel<br />

für<br />

Pflegefachfrauen<br />

in<br />

der<br />

Onkologie-Pflege


Die Produktion wurde ermöglicht durch einen<br />

Ausbildungs-Beitrag der Firma F. Hoffmann-La Roche Ltd


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Einführung in dieses Hilfsmittel<br />

Kapitel 1. <strong>Krebs</strong>: die Geschichte bis heute<br />

● Einführung: <strong>Krebs</strong> – eine Last 1.1<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 1.2<br />

● Internationale Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>-Häufigkeit 1.3<br />

● Veränderungen in der <strong>Krebs</strong>inzidenz über die Zeit 1.5<br />

● Die Auswirkungen von Therapie auf das Überleben 1.8<br />

● <strong>Krebs</strong>vorsorge 1.9<br />

Faktoren in Zusammenhang mit der <strong>Krebs</strong>entstehung 1.9<br />

<strong>Krebs</strong>-Überwachung <strong>und</strong> Screening 1.10<br />

Prophylaktische Operationen <strong>und</strong> Chemoprävention 1.11<br />

● <strong>Krebs</strong>behandlung im historischen Blickwinkel 1.12<br />

Chirurgie 1.12<br />

Radio<strong>the</strong>rapie 1.13<br />

Hormonelle (endokrine) Therapie 1.14<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie 1.14<br />

<strong>Biologische</strong> Therapie (Immuno<strong>the</strong>rapie) 1.19<br />

● Zusammenfassung 1.19<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 1.20<br />

Kapitel 2. Zellwachstumskontrolle <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />

● Einführung 2.1<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 2.2<br />

● Übersicht über die Zellteilung 2.3<br />

Einführung 2.3<br />

Der Zellzyklus 2.4<br />

Ablauf der Zellteilung 2.5<br />

Mitose 2.6<br />

Meiose 2.7<br />

Die Bedeutung von Mitose <strong>und</strong> Meiose 2.10<br />

● Faktoren <strong>und</strong> Signale, die an der Kontrolle der Zellteilung<br />

beteiligt sind 2.10<br />

Das Zellzyklus-Kontrollsystem 2.10<br />

Wachstumsfaktoren 2.11<br />

Wachstumsfaktor-Rezeptoren 2.14<br />

Notwendigkeit einer Verankerung 2.14<br />

Zell-Seneszenz 2.15<br />

Apoptose – programmierter Zelltod 2.15<br />

● Zusammenfassung 2.16<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 2.17


Inhaltsverzeichnis<br />

Kapitel 3. Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />

● Einführung 3.1<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 3.2<br />

● Molekularbiologie/Genetik – die Gr<strong>und</strong>lagen 3.3<br />

Zellen <strong>und</strong> Gewebe 3.3<br />

DNA 3.3<br />

DNA-Replikation 3.4<br />

Gene 3.4<br />

Chromosomen 3.4<br />

Genom 3.4<br />

Der genetische Code 3.5<br />

RNA 3.5<br />

Proteine 3.6<br />

Warum ist das Verstehen dieser Prozesse wichtig? 3.6<br />

● Onkogene <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Gene 3.6<br />

Onkogene 3.6<br />

Tumor-Suppressor-Gene 3.8<br />

Mismatch-Reparatur-Gene 3.8<br />

● Gen-Anomalien bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong> 3.9<br />

p53 3.9<br />

Ras 3.11<br />

Myc 3.12<br />

HER2 3.12<br />

● Zellsignale 3.13<br />

Das Ziel der Signalisierung 3.15<br />

Signal-Transduktion 3.15<br />

● Signal-Pfade 3.17<br />

HER2 3.17<br />

TGF-/Smad 3.18<br />

Ras <strong>und</strong> Raf-1/ERK2 (MAPK) 3.18<br />

● Tumor-Onkogenese <strong>und</strong> Tumor-Wachstum 3.18<br />

Die Entwicklung eines Tumors 3.18<br />

Zunahme von Mutationen durch Tumorwachstum 3.20<br />

● Zusammenfassung 3.20<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 3.22


Inhaltsverzeichnis<br />

Kapitel 4. Das Immunsystem: Die Basis für alle biologischen<br />

<strong>Therapien</strong><br />

● Einführung 4.1<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 4.2<br />

● Das Immunsystem verstehen 4.3<br />

Was ist eine Immunantwort? 4.3<br />

Was ist ein Antigen? 4.3<br />

Was ist ein Antikörper? 4.3<br />

Die Produktion verschiedener Antikörper 4.5<br />

Antigen-präsentierende Zellen stimulieren Lymphozyten-Klone 4.6<br />

Die Schaffung einer breiten Antikörper-Verschiedenheit 4.7<br />

Die Funktion der Antikörper 4.8<br />

● Das angeborene Immunsystem 4.8<br />

Das Komplement-System – der Domino-Effekt 4.9<br />

Phagozyten 4.10<br />

Natürliche Killerzellen 4.10<br />

● Das erworbene Immunsystem 4.10<br />

● Zellvermittelte Immunantworten 4.10<br />

Lymphozyten 4.11<br />

● Die Produktion von Antikörpern im Labor 4.12<br />

Die Produktion monoklonaler Antikörper im Labor 4.12<br />

● Immunsystem <strong>und</strong> Krankheit 4.15<br />

<strong>Krebs</strong> 4.15<br />

● Zusammenfassung 4.16<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 4.17<br />

Kapitel 5. Technologien zur Ermöglichung biologischer <strong>Therapien</strong><br />

● Einführung 5.1<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 5.2<br />

● Technische Entwicklungen 5.3<br />

Rekombinante DNA-Technologie 5.3<br />

Das Klonen von Genen 5.5<br />

● Gentechnologie 5.10<br />

Tier-Zellkulturen 5.10<br />

Transfektion 5.11<br />

● Die Anwendung neuer Technologien im Kontext von <strong>Krebs</strong> 5.12<br />

Antikörper als molekularbiologische <strong>und</strong> biochemische Instrumente 5.12<br />

Immunhistochemie 5.12<br />

ELISA 5.14<br />

In-situ Hybridisierung 5.14<br />

Polymerase-Kettenreaktion 5.15<br />

● Funktionelle Genetik 5.17<br />

Das „Human-Genom-Projekt“ 5.17<br />

Bioinformatik 5.18<br />

● Zusammenfassung: Anwendung dieser Kenntnisse 5.18<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 5.20


Inhaltsverzeichnis<br />

Kapitel 6. <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> erklärt<br />

● Einführung 6.1<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 6.2<br />

● Warum biologische <strong>Therapien</strong> zur <strong>Krebs</strong>behandlung benützen? 6.3<br />

● Arten biologischer <strong>Therapien</strong> 6.3<br />

Zytokin-Therapie 6.4<br />

Antikörper-Therapie 6.8<br />

<strong>Krebs</strong>impfungen 6.14<br />

Gen<strong>the</strong>rapie 6.17<br />

Zell-basierte Therapie 6.19<br />

● Vergleich zwischen biologischen <strong>Therapien</strong>, welche spezifisch auf<br />

Antigene einwirken <strong>und</strong> solchen, die unspezifisch wirken 6.20<br />

Die Nutzung spezifischer Tumor-Anomalien für gezielte <strong>Therapien</strong> 6.21<br />

Die Vorteile der gezielten Therapie 6.21<br />

● Fallstudie 1: Filgrastim, ein unspezifischer biologischer Wirkstoff<br />

in der Supportiv<strong>the</strong>rapie 6.22<br />

Hämatopoese 6.22<br />

Hämatopoetische Wachstumsfaktoren 6.23<br />

Die Wirkung von Filgrastim in-vivo 6.23<br />

Klinische Anwendung von Filgrastim 6.23<br />

Fallstudie – G-CSF 6.26<br />

Zusammenfassung 6.28<br />

● Fallstudie 2: Rekombinantes IL-2, ein biologischer Wirkstoff<br />

gegen <strong>Krebs</strong> 6.28<br />

Die Wirkung von IL-2 6.28<br />

IL-2 als Antitumor-Therapie 6.28<br />

Fallstudie – IL-2 6.31<br />

Zusammenfassung 6.32<br />

● Fallstudie 3: Die monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie mit<br />

humanisiertem anti-HER2, einer Onkogen-spezifischen<br />

biologischen Antikrebssubstanz 6.32<br />

Die Theorie für die gezielte Einwirkung auf HER2 6.32<br />

Die Entwicklung der HER2-spezifischen gezielten Therapie 6.33<br />

Die Auswahl von Patienten für die Herceptin ® -Therapie 6.33<br />

Klinische Erfahrung mit Herceptin ® 6.34<br />

Fallstudie – Herceptin ® 6.36<br />

Zusammenfassung 6.38<br />

● Schlussfolgerungen 6.38<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 6.40


Inhaltsverzeichnis<br />

Kapitel 7. Die Zukunft der biologischen <strong>Therapien</strong><br />

● Einführung 7.1<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 7.2<br />

● Die genetische Charakterisierung von Tumoren 7.4<br />

Komplementäre DNA Micro-Arrays 7.4<br />

Proteomics 7.5<br />

● Weiterentwicklung schon bestehender Methoden 7.6<br />

Zytokin-Therapie 7.6<br />

Antikörper-Therapie 7.7<br />

<strong>Krebs</strong>impfungen 7.10<br />

Gen-Therapie 7.11<br />

Zell-basierte Therapie 7.12<br />

● Neue Methoden, die auf die Tumor-Angiogenese ausgerichtet sind 7.12<br />

● Zusammenfassung: Auswirkungen für Patienten mit <strong>Krebs</strong> 7.16<br />

● Fragen zur Selbsteinschätzung 7.18<br />

Anhang<br />

● Antworten auf die Fragen zur Selbsteinschätzung 8.1<br />

● Glossar 8.17<br />

● Bibliografie 8.27


Vorwort<br />

Die Ausübung der onkologischen Krankenpflege stellt viele Herausforderungen an die<br />

Pflegefachfrauen <strong>und</strong> das Fachpersonal im Ges<strong>und</strong>heitswesen. Wachsende wissenschaftliche<br />

Kenntnisse haben unser Verstehen der Prozesse, die mit <strong>Krebs</strong> in Zusammenhang stehen,<br />

verbessert <strong>und</strong> somit eine bessere Spezifikation <strong>und</strong> massgeschneiderte <strong>Therapien</strong> ermöglicht.<br />

Zudem werden die zunehmend aufkommenden Kenntnisse des menschlichen Genom-Projektes<br />

zu einer gr<strong>und</strong>legenden Veränderung in den Therapiearten führen. Als Folge davon benötigen<br />

wir als Fachpersonal im Ges<strong>und</strong>heitswesen eine fortlaufende Anpassung unserer Kenntnisse <strong>und</strong><br />

unseres Verständnisses, damit wir unseren Patienten die bestmögliche Unterstützung geben<br />

können. Deshalb ist die <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society erfreut, dieses Hilfsmittel für<br />

Pflegende <strong>und</strong> Fachpersonen im Ges<strong>und</strong>heitswesen unterstützen zu können. Zum ersten Mal<br />

wird darin eine gute Übersicht über <strong>Krebs</strong>genetik <strong>und</strong> biologische <strong>Therapien</strong> dargeboten.<br />

Dieses Unterrichts-Hilfsmittel gibt detaillierte Informationen über die genetischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

von <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> liegt in einem benutzerfre<strong>und</strong>lichen Format vor, mit der Möglichkeit,<br />

Selbstüberprüfungen vorzunehmen <strong>und</strong> so die berufliche Entwicklung zu fördern. Oft sind<br />

wissenschaftliche Informationen nicht für alle Fachpersonen zugänglich <strong>und</strong> unser Lob gilt den<br />

Autoren, die die Barriere der technischen Sprachprobleme überw<strong>und</strong>en haben, aber<br />

gleichzeitig die Informationstiefe bewahrt haben. Die sehr detaillierte Erklärung biologischer<br />

<strong>Therapien</strong> gibt dem Leser nicht nur ausgezeichnete Informationen, sondern auch die<br />

Gelegenheit, die nötige supportive Pflege durch Fallbeispiele kennen zu lernen.<br />

EONS empfiehlt dieses Unterrichts-Hilfsmittel als ausgezeichnetes Mittel für alle Fachpersonen,<br />

die Patienten mit <strong>Krebs</strong> pflegen <strong>und</strong> speziell für solche, die mit der Anwendung biologischer<br />

<strong>Therapien</strong> zu tun haben. Weil die Mitglieder von EONS in Ländern mit vielen verschiedenen<br />

Sprachen arbeiten, sind wir stolz, Ihnen das vorliegende Buch in Deutsch, Spanisch, Italienisch<br />

<strong>und</strong> Französisch präsentieren zu können.<br />

Frühling 2002<br />

Nora Kearney, Lehrerin in Onkologischer Krankenpflege<br />

Past-Präsidentin der <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society<br />

Agnes Glaus, Pflegewissenschaftlerin<br />

Immediate-Past-Präsidentin der <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society<br />

Giel Vaessen, Lehrer in Onkologischer Krankenpflege<br />

Präsident der <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society


Einführung<br />

Einführung in dieses Hilfsmittel<br />

Dieses Hilfsmittel wurde von einer Gruppe erfahrener Onkologiepflegender gestaltet <strong>und</strong><br />

entwickelt <strong>und</strong> dient zur Weiterbildung. Es ist gedacht als Instrument für Pflegeausbildner/innen<br />

von Onkologiepflegenden <strong>und</strong> für alle, die in der Pflege <strong>und</strong> Betreuung onkologischer<br />

Patient/innen tätig sind, <strong>und</strong> soll dazu dienen, das Verständnis der modernsten <strong>Krebs</strong>forschung<br />

<strong>und</strong> -Therapie zu erweitern. Auch für all jene, die das Verständnis der Molekularbiologie <strong>und</strong><br />

<strong>Krebs</strong>genetik auffrischen möchten, wird es eine Hilfe sein. Die Unterlagen zeigen die<br />

wissenschaftlichen Hintergründe von <strong>Krebs</strong> auf <strong>und</strong> beschreiben, wie verbesserte Kenntnisse<br />

von <strong>Krebs</strong>biologie <strong>und</strong> Genetik, vereint mit neuen Fortschritten in der Technologie, zur<br />

Entwicklung einer Gruppe neuer biologischer <strong>Therapien</strong> geführt haben, welche die einmaligen<br />

Möglichkeiten des Immunsystems ausnützen. Diese Kenntnisse sind die Basis, um zu verstehen,<br />

wie diese neue Art von <strong>Krebs</strong>behandlung wirkt <strong>und</strong> wie sie unser Vorgehen in der<br />

Therapiegestaltung potentiell verändern kann. Durch dieses ganze Buch hindurch werden die<br />

beschriebenen Konzepte mit Abbildungen <strong>und</strong> Tabellen illustriert, um das Verständnis zu<br />

erleichtern. Am Anfang <strong>und</strong> Ende jedes Kapitels finden Sie eine Reihe von Fragen, welche den<br />

Benutzern erlaubt, ihren Wissensstand zu überprüfen.<br />

<strong>Krebs</strong> – eine Last<br />

Statistiken zeigen klar, dass <strong>Krebs</strong> unserer heutigen Gesellschaft eine beträchtliche Bürde<br />

auferlegt. Wie in Kapitel 1 beschrieben wird, sind die <strong>Krebs</strong>inzidenz <strong>und</strong> -Mortalität im 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert in der industrialisierten Welt stetig angestiegen, was vor allem auf den Umstand<br />

zurückzuführen ist, dass Menschen heute länger leben <strong>und</strong> die Weltbevölkerung schnell wächst.<br />

Es überrascht nicht, dass <strong>Krebs</strong>-Prävention <strong>und</strong> -Behandlung unter den wichtigsten Themen<br />

klinischer Forschung zu finden sind. Massnahmen wie verbessertes <strong>und</strong> intensiveres Screening<br />

hatten in den letzten Jahrzehnten grosse Auswirkungen auf das Überleben. Auch wurden durch<br />

die Entwicklung von verbesserten Hormonen <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapeutika Fortschritte in der<br />

Behandlung von <strong>Krebs</strong> gemacht. Diese verschiedenen Therapiearten können sehr wirkungsvoll<br />

sein, aber immer wieder wird ihre Anwendung eingeschränkt durch ihre einschneidende<br />

Wirkungsweise <strong>und</strong> ihre Toxizität, sowie durch die allgemeinen Auswirkungen auf den ganzen<br />

Körper. Die Gesamt-Überlebensraten, die in den letzten Jahren kaum verbessert worden sind,<br />

beweisen auch, dass der klinische Vorteil dieser nicht-spezifischen, vor allem<br />

chemo<strong>the</strong>rapeutischen Behandlungen beschränkt ist. Neue Therapiemöglichkeiten mit<br />

zusätzlichen klinischen Vorteilen, aber weniger oder gleicher Toxizität, finden also einen<br />

berechtigten Platz. Eine Behandlungsart, die diese Eigenschaften aufweist, ist die biologische<br />

Therapie.<br />

Die normale Funktion der Zelle<br />

Vernünftige <strong>the</strong>rapeutische Strategien, zum Beispiel diejenigen, die auf ein bestimmtes Molekül<br />

in einer Zelle abzielen, bedingen gute Kenntnisse über die Abläufe in den Zellen <strong>und</strong> darüber,<br />

wie Zellprozesse fehlerhaft ablaufen können. Kapitel 2 gibt einen Überblick über die Prozesse,<br />

die während des normalen Zellwachstums <strong>und</strong> der Proliferation über den Zellzyklus ablaufen.<br />

Dieses Kapitel zeigt auch, wie der Zellzyklus kontrolliert wird <strong>und</strong> was passieren kann, wenn<br />

diese Regulationsfunktionen geschädigt sind. Eine der wichtigsten Folgen einer defekten<br />

Regulation des Zellzyklus (<strong>und</strong> somit einer unkontrollierten Zellvermehrung) ist <strong>Krebs</strong>.<br />

1


Einführung<br />

Molekularbiologie, Genetik <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />

Kapitel 3 gibt einen Überblick über die Molekularbiologie <strong>und</strong> die Genetik der Zelle, bevor<br />

Zellveränderungen <strong>und</strong> Abnormalitäten beschrieben werden, welche einen Zusammenbruch der<br />

Kontrolle des Zellwachstums <strong>und</strong> die Produktion maligner Zellen zur Folge haben.<br />

Wissenschaftler wissen schon seit mehr als zwei Jahrzehnten, dass <strong>Krebs</strong> eine genetische<br />

Krankheit ist <strong>und</strong> dass eine Veränderung der DNA dazu führen kann, dass eine Zelle sich<br />

unkontrolliert zu teilen beginnt. Die meisten <strong>Krebs</strong>erkrankungen sind die Folge eines Wechsels<br />

in der Zell-DNA, welcher auch Mutation genannt wird. Kapitel 3 zeigt, wie eine Mutation den<br />

Beginn der <strong>Krebs</strong>erkrankung kennzeichnet <strong>und</strong> dass zwei Haupttypen von Genen, die Proto-<br />

Onkogene <strong>und</strong> die Tumor-Suppressor-Gene, sehr anfällig für Mutationen sind <strong>und</strong> oft mit <strong>Krebs</strong><br />

in Verbindung gebracht werden. Die Proteine, die von diesen Genen produziert werden, sind<br />

wichtige Faktoren, die an komplexen Vorgängen beteiligt sind, welche die normalen Kontrollen<br />

bei der Zellteilung durchführen. Dieses Kapitel gibt einen Überblick darüber, wie<br />

Abnormalitäten bei diesen Pfaden bei Tumorwachstum <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>entwicklung mitwirken. Auch<br />

werden die Fähigkeiten von <strong>Krebs</strong>zellen, sich vom Primärtumor zu lösen oder zu metastasieren,<br />

beschrieben <strong>und</strong> es wird gezeigt, dass die Apoptose oder der Zelltod ein kritischer Punkt in der<br />

<strong>Krebs</strong>entwicklung ist.<br />

Ein kleiner Teil von <strong>Krebs</strong>arten wird vererbt, so dass Mutationen von einer Generation zur<br />

nächsten weitergegeben werden. Es wird angenommen, dass dies bei etwa 5–10% aller<br />

Mammakarzinome der Fall ist, welche mit einer vererbten Genveränderung in Verbindung<br />

gebracht werden, nämlich BRCA1 <strong>und</strong> BRCA2. Allerdings muss noch intensiver erforscht<br />

werden, wie hoch das Risiko ist, das mit solchen Genveränderungen verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> wie<br />

weit ein genetisches Screening sinnvoll ist. Die Aufgaben der Pflegenden im Umgang mit<br />

Patientinnen mit Genveränderungen oder mit dem genetischen Screening würden den Rahmen<br />

dieser Arbeit sprengen. Aber in der Bibliografie im Anhang 8 finden Sie Literaturhinweise zu<br />

diesem Thema.<br />

Das Immunsystem als Basis für biologische <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie<br />

Das Verständnis des Immunsystems ist speziell wichtig für die biologische Therapie, weil es die<br />

Basis für alle biologischen <strong>Therapien</strong> ist. Kapitel 4 versucht zu vermitteln, warum biologische<br />

<strong>Therapien</strong> machbar wurden <strong>und</strong> Gegenstand von <strong>the</strong>rapeutischer <strong>Krebs</strong>forschung sind, <strong>und</strong> wie<br />

die Kenntnisse des Immunsystems für die <strong>the</strong>rapeutischen Ansätze genutzt werden können. Die<br />

f<strong>und</strong>amentalen Wirkungsweisen des Immunsystems wie Immunantwort, Antigene <strong>und</strong> Antikörper<br />

<strong>und</strong> ihre speziellen Funktionen werden beschrieben, <strong>und</strong> es wird erklärt, wie Antikörper im<br />

Labor für den klinischen Gebrauch hergestellt werden können.<br />

Von der Theorie zur Therapie: spezifische Technologien für die Entwicklung<br />

biologischer <strong>Therapien</strong><br />

Unser verbessertes Verständnis der molekularen Geschehnisse, die den biologischen Prozessen<br />

unterliegen, hilft uns, die <strong>Therapien</strong> zu verstehen, die auf spezifische Molekularfehler bei<br />

<strong>Krebs</strong>zellen zielen. Beträchtliche technologische Fortschritte in Molekularbiologie <strong>und</strong><br />

Biotechnologie haben es möglich gemacht, neue Methoden zu entwickeln <strong>und</strong> den<br />

<strong>Krebs</strong>patienten zugänglich zu machen. Kapitel 5 beschreibt revolutionäre Forschungstechniken<br />

wie die DNA-Sequenzierung <strong>und</strong> widmet einer Prozedur, welche rekombinante DNA-<br />

Technologie genannt wird, in der klinischen Praxis besondere Aufmerksamkeit. Es wird auch<br />

gezeigt, wie technische Fortschritte die Entwicklung von Tests zur Suche von Faktoren ermöglicht<br />

haben, welche in der Pathogenese von <strong>Krebs</strong> eine Rolle spielen. Die Entdeckung <strong>und</strong><br />

2


Einführung<br />

Entwicklung neuer <strong>Therapien</strong>, die das Wachstum <strong>und</strong> die Ausbreitung von <strong>Krebs</strong> verhüten, ist<br />

ebenfalls Thema dieses Kapitels.<br />

<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong>: was ist möglich <strong>und</strong> wohin gehen wir?<br />

Das Gr<strong>und</strong>prinzip für den Gebrauch biologischer <strong>Therapien</strong> ist ihre Spezifität <strong>und</strong> ihre<br />

Fähigkeit, gezielt auf Tumore zu wirken. Kapitel 6 gibt eine detaillierte Übersicht über die<br />

verschiedenen Arten von biologischen Mitteln, die schon erforscht worden sind, wie Zytokine,<br />

Antikörper, Gen<strong>the</strong>rapien <strong>und</strong> Impfungen. Das Kapitel illustriert den Gebrauch dieser Mittel als<br />

supportive oder direkte Antikrebs<strong>the</strong>rapien <strong>und</strong> das Potential für zukünftige Entwicklungen.<br />

Mehrere repräsentative biologische Wirkstoffe wie Granulozyten-stimulierender Faktor<br />

(Filgrastim), rekombinantes Interleukin-2 <strong>und</strong> Herceptin ® werden detailliert beschrieben.<br />

Fallstudien illustrieren die Unterschiede zwischen den nicht-spezifischen supportiven<br />

Wirkstoffen, wie Filgrastim, nicht-spezifischen biologischen Wirkstoffen mit Antikrebs-Aktivität<br />

wie Interleukin-2, <strong>und</strong> auf den Tumor zielgerichteten Wirkstoffen, die die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />

revolutionieren, wie Herceptin ® .<br />

Kapitel 7 weist in die Zukunft. Dramatische Veränderungen stehen bevor in der Art, wie <strong>Krebs</strong><br />

behandelt wird. Eine gr<strong>und</strong>legende Abkehr von toxischen, nicht-spezifischen Wirkstoffen, hin zu<br />

einer Reihe neuer Wirkstoffe, die auf tumor-spezifische Proteine abzielen, wird stattfinden. Die<br />

Forschung legt eine immer grösser werdende Reihe neuer <strong>Therapien</strong> vor. Weiter verbessert die<br />

genetische Charakterisierung von Tumoren unser Verständnis darüber, warum zwei Tumoren<br />

derselben Art sich verschieden verhalten können, <strong>und</strong> verhilft so zu massgeschneiderten<br />

<strong>Therapien</strong> je nach Tumor-Charakteristik. Es ist vorauszusehen, dass die klinisch erhältlichen<br />

biologischen <strong>Therapien</strong> in den nächsten fünf Jahren ausgebaut werden, eine Entwicklung, die<br />

grossen Einfluss auf die zukünftige Behandlung von <strong>Krebs</strong>patienten haben wird. Kapitel 7<br />

betrachtet die Rolle, die eine wachsende genetische Charakterisierung von Tumoren haben wird<br />

<strong>und</strong> diskutiert die zukünftige Entwicklung von schon bestehenden Methoden wie Zytokin- <strong>und</strong><br />

Antikörper-<strong>Therapien</strong>. Zuletzt werden auch neue Betrachtungsweisen aufgezeigt.<br />

Fortschritte in biologischen <strong>Therapien</strong> beeinflussen je länger je mehr die Praxis von<br />

Onkologiepflegenden. Die Gr<strong>und</strong>-Prinzipien <strong>und</strong> präklinischen Studien, die in diesem<br />

Ausbildungshilfsmittel vorgestellt werden, stellen die Basis für Verständnis <strong>und</strong> erfolgreiche<br />

Anwendung neuer <strong>Krebs</strong>behandlungen im klinischen Rahmen dar. Als solche sollten sie für alle<br />

Onkologiepflegenden von Interesse sein.<br />

Wir hoffen, dass Sie dieses Weiterbildungs-Hilfsmittel interessant, instruktiv <strong>und</strong> vor allem<br />

hilfreich für ihre Arbeit finden werden.<br />

3


<strong>Krebs</strong>: die Geschichte bis heute<br />

1<br />

Einführung: <strong>Krebs</strong> – eine Last<br />

Die Häufigkeit von <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> die <strong>Krebs</strong>mortalität sind während des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

in der industrialisierten Welt stetig gestiegen. Die Hauptgründe sind zunehmendes Alter <strong>und</strong><br />

Bevölkerungswachstum: die Wahrscheinlichkeit, an <strong>Krebs</strong> zu erkranken, steigt mit<br />

zunehmendem Alter <strong>und</strong> die absolute Zahl von Erkrankungen steigt mit dem<br />

Bevölkerungswachstum. Möglicherweise trägt auch eine bessere Diagnostik zur höheren<br />

Anzahl erkannter <strong>Krebs</strong>fälle bei. Was auch immer die Gründe für die Zunahme sind, das<br />

menschliche Leid, das durch <strong>Krebs</strong> verursacht wird, ist enorm, <strong>und</strong> die Kosten für die<br />

Behandlung <strong>und</strong> Pflege von <strong>Krebs</strong>patienten tragen zur Kostenexplosion im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

bei.<br />

Das Ausmass der Probleme, die durch <strong>Krebs</strong> verursacht werden, wird in einem kurzen<br />

Überblick über die Daten von internationalen epidemiologischen Studien ersichtlich.<br />

Umfassende Daten sind erhältlich von Organisationen wie der International Agency for<br />

Research on Cancer (IARC), der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) <strong>und</strong> vom US<br />

Surveillance, Epidemiology and End Results (SEER) Programm, welches vom National Cancer<br />

Institute (NCI) verwaltet wird. Diese Organisationen verfügen über grosse Datenbanken<br />

bezüglich <strong>Krebs</strong>-Inzidenz <strong>und</strong> Mortalität. Etliche europäische Länder haben ebenfalls nationale<br />

<strong>Krebs</strong>-Register eingerichtet, während Daten von Entwicklungsländern nur begrenzt erhältlich<br />

sind. Vergleiche zwischen verschiedenen Ländern sind möglich durch Daten der IARC.<br />

1.1


1<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. <strong>Krebs</strong> stellt ein globales Ges<strong>und</strong>heitsproblem dar, aber es gibt Unterschiede zwischen den<br />

verschiedenen Ländern bezüglich Häufigkeit, <strong>Krebs</strong>art <strong>und</strong> Mortalität. Welche Einflüsse sind<br />

für diese Unterschiede verantwortlich?<br />

2. <strong>Krebs</strong>prävention kann unterteilt werden in primäre, sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> tertiäre Prävention.<br />

Geben Sie bitte vier Beispiele für die primäre Prävention, drei für die sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> zwei<br />

für die tertiäre.<br />

3. Therapeutische Möglichkeiten sind stark abhängig vom Tumorstadium. Zählen Sie bitte drei<br />

Hauptgründe für chirurgische Behandlungen auf <strong>und</strong> erklären Sie diese.<br />

4. Andere Therapiemöglichkeiten sind Radio<strong>the</strong>rapie, Hormon<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />

Erklären Sie kurz das Hauptziel dieser drei Therapiearten <strong>und</strong> ihre wichtigsten<br />

Nebenwirkungen.<br />

5. Beschreiben Sie Methoden zur Verbesserung der Spezifität <strong>und</strong> Zielgenauigkeit von<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapien.<br />

Die Antworten auf diesen Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.1.<br />

1.2


1<br />

Internationale Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>-Häufigkeit<br />

In der europäischen Union (EU) im Jahr 1996, dem ersten Jahr, aus dem Daten erhältlich sind<br />

● wurden mehr als 1,5 Millionen <strong>Krebs</strong>erkrankungen diagnostiziert<br />

● starben 925’146 Menschen an <strong>Krebs</strong>, eine Häufigkeit von fast 250 Fällen auf 100’000<br />

Menschen.<br />

Tabelle 1.1 zeigt eine Darstellung verschiedener <strong>Krebs</strong>arten, ihre Häufigkeit <strong>und</strong> die Todesfälle<br />

in der EU.<br />

Was diese Tabelle nicht zeigt, sind die zum Teil beträchtlichen Unterschiede zwischen einzelnen<br />

Ländern der EU. So ist zum Beispiel die altersangepasste Mortalitätsrate in Österreich bei<br />

Männern 154,7 <strong>und</strong> bei Frauen 92,9 auf 100’000 Menschen, während sie in Grossbritannien<br />

180,2 bei Männern <strong>und</strong> 126,9 bei Frauen auf 100’000 Personen ist.<br />

Es bestehen zum<br />

Teil beträchtliche<br />

Unterschiede<br />

zwischen einzelnen<br />

Ländern der<br />

EU.<br />

Tabelle 1.1. Anzahl <strong>Krebs</strong>erkrankungen <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>todesfälle für<br />

alle <strong>Krebs</strong>arten in der EU 1996.<br />

Ort Anzahl Erkrankungen Anzahl Todesfälle<br />

Alle Lokalisationen* 1’541’987 925’146<br />

Kolorektal 213’103 110’669<br />

Brust 209’548 76’030<br />

Lunge 191’348 180’570<br />

Prostata 134’865 55’704<br />

Fortpflanzungsorgane 109’008 43’544<br />

Magen 74’965 59’088<br />

Lymphom 59’800 27’041<br />

M<strong>und</strong>höhle <strong>und</strong> Pharynx 55’638 19’930<br />

Nieren 43’137 21’773<br />

Pankreas 38’349 43’510<br />

Leukämie 36’616 28’647<br />

Melanom 33’886 8’415<br />

Leber 28’369 33’354<br />

Hirn <strong>und</strong> ZNS 26’444 20’832<br />

Larynx 26’061 10’740<br />

Ösophagus 24’778 23’061<br />

Multiples Myelom 18’130 14’086<br />

Schilddrüse 14’131 3’150<br />

Andere 208’611 145’002<br />

*Keine der oben erwähnten geschätzten Zahlen von <strong>Krebs</strong>erkrankungen beinhaltet nicht-invasive<br />

<strong>Krebs</strong>erkrankungen oder Basalzell- <strong>und</strong> Schwammzell-Hautkrebs. Aber Hautkrebs ist häufiger als jede andere<br />

<strong>Krebs</strong>art, <strong>und</strong> die Melanome machen nur 10% aller in Europa diagnostizierten Hautkrebse aus. Für das Jahr<br />

2000 wurde die Diagnostizierung von über 1,3 Millionen Basalzell- <strong>und</strong> Schwammzell-Hautkrebsen allein in den<br />

USA erwartet.<br />

ZNS = Zentrales Nervensystem<br />

Daten von der EUCAN Database (www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm).<br />

1.3


1<br />

Die Probleme, die<br />

weltweit durch<br />

<strong>Krebs</strong> verursacht<br />

werden, sind<br />

gross.<br />

Die Probleme, die weltweit durch <strong>Krebs</strong> verursacht werden, sind gross. Hier einige Zahlen zur<br />

geschätzten <strong>Krebs</strong>häufigkeit <strong>und</strong> Mortalität für das Jahr 2000 in den USA:<br />

● etwa 1’220’100 neue <strong>Krebs</strong>erkrankungen werden diagnostiziert<br />

● etwa 552’200 Menschen sterben an <strong>Krebs</strong>, das sind mehr als 1’500 täglich<br />

● etwa jeder vierte Todesfall ist auf <strong>Krebs</strong> zurückzuführen.<br />

<strong>Krebs</strong> ist also die zweitgrösste Todesursache in den USA, gleich hinter den Herztodesfällen.<br />

Die Unterschiede<br />

in den <strong>Krebs</strong>-<br />

Mortalitäts-Raten<br />

können nicht nur<br />

in der EU<br />

beobachtet<br />

werden, sondern<br />

auch<br />

international.<br />

Die Unterschiede in den <strong>Krebs</strong>-Mortalitätsraten können nicht nur in der EU beobachtet werden,<br />

sondern auch international. Tabelle 1.2 zeigt die Anzahl <strong>Krebs</strong>-Todesfälle in einigen<br />

ausgewählten Ländern der Welt zwischen 1994 <strong>und</strong> 1997. Die Gesamtzahl der Todesfälle ist<br />

in allen Ländern vor allem bei Männern fast gleich, mit der beachtenswerten Ausnahme von<br />

Russland. Jedoch zeigen die Zahlen der Karzinomerkrankungen von verschiedenen Organen<br />

grosse Unterschiede in verschiedenen Ländern. So ist zum Beispiel die Häufigkeit von<br />

Magenkrebs in China, Japan <strong>und</strong> Russland hoch, während M<strong>und</strong>karzinome in Frankreich sehr<br />

viel häufiger sind. Brustkrebstodesfälle sind in Japan <strong>und</strong> China dafür niedrig. Solche<br />

Unterschiede zeigen, dass Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel die Ernährung, die<br />

<strong>Krebs</strong>entwicklung beeinflussen können.<br />

Tabelle 1.2. Altersangepasste <strong>Krebs</strong>todesraten pro 100’000<br />

Personen in einigen ausgewählten Ländern der Welt 1994–97.<br />

Alle<br />

Lokalisationen M<strong>und</strong> Kolorektal Brust Prostata<br />

Land Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Frauen Männer<br />

Frankreich 188,2 84,8 11,3 1,3 16,6 9,6 19,6 15,8<br />

Deutschland 169,5 103,3 6,5 1,2 20,8 14,0 21,7 16,6<br />

Spanien 173,2 79,8 7,0 0,9 16,4 10,0 17,5 13,9<br />

England 164,2 116,5 2,9 1,1 18,0 11,6 24,5 16,6<br />

Russland 237,1 107,6 9,1 1,1 18,2 12,6 16,1 7,2<br />

Australien 156,7 98,2 4,1 1,2 20,2 13,3 19,9 19,0<br />

Japan 155,2 75,7 3,1 0,8 17,1 9,9 7,7 5,1<br />

China 149,9 83,5 2,6 1,1 7,9 6,4 5,0 NE<br />

USA 156,0 108,3 3,2 1,1 15,2 10,4 20,0 15,9<br />

Kanada 156,2 106,6 3,8 1,3 16,1 10,3 21,5 16,4<br />

Lunge Uterus Magen Leukamie<br />

Land Männer Frauen Cervix Andere Männer Frauen Männer Frauen<br />

Frankreich 46,5 6,1 1,6 3,4 7,2 2,8 5,6 3,3<br />

Deutschland 45,4 9,4 2,8 2,8 12,0 6,3 5,5 3,5<br />

Spanien 48,7 3,9 1,8 2,5 6,6 3,5 4,5 3,2<br />

England 46,6 20,5 3,0 2,1 9,5 3,9 4,7 3,0<br />

Russland 70,5 7,0 5,0 4,9 36,9 15,3 5,1 3,5<br />

Australien 38,8 13,6 2,6 1,7 6,6 2,7 6,1 3,6<br />

Japan 31,7 8,5 1,9 2,0 30,2 12,3 4,1 2,5<br />

China 37,3 15,8 3,0 NE 26,9 12,7 3,7 3,0<br />

USA 52,3 26,6 2,4 2,5 4,4 2,0 6,3 3,7<br />

Kanada 50,0 23,0 1,9 2,2 6,2 3,0 5,5 3,2<br />

NE = nicht erhältlich<br />

Daten von der EUCAN Database (www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm) <strong>und</strong> der WHO.<br />

1.4


1<br />

Die internationalen Unterschiede in der Inzidenz ausgewählter <strong>Krebs</strong>arten sind in Abbildung 1.1<br />

graphisch dargestellt. Die Unterschiede in der Inzidenz von Brust- <strong>und</strong> Prostatakrebs zwischen<br />

China oder Japan <strong>und</strong> Westeuropa <strong>und</strong> Nordamerika sind beachtlich <strong>und</strong> liegen zwischen dem<br />

dreifachen <strong>und</strong> mehr als dreissigfachen. Beachten Sie auch die Häufigkeit von Melanomen bei<br />

australischen Männern <strong>und</strong> von Lungenkrebs bei Frauen in Hongkong.<br />

Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />

(für 100'000 Frauen)<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

(A)<br />

Japan<br />

Ungarn<br />

Hongkong<br />

Spanien<br />

Finnland<br />

Australien<br />

Schweden<br />

Kanada<br />

USA – Weisse<br />

China<br />

Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />

(für 100'000 Frauen)<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

(B)<br />

Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />

(für 100'000 Männer)<br />

(C)<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Japan<br />

Ungarn<br />

Hongkong<br />

Spanien<br />

Finnland<br />

Australien<br />

Schweden<br />

Kanada<br />

USA – Weisse<br />

China<br />

Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />

(für 100'000 Männer)<br />

China<br />

Japan<br />

Ungarn<br />

Hongkong<br />

Spanien<br />

Finnland<br />

Australien<br />

Schweden<br />

Kanada<br />

USA – Weisse<br />

(D)<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

China<br />

Japan<br />

Ungarn<br />

Hongkong<br />

Spanien<br />

Finnland<br />

Australien<br />

Schweden<br />

Kanada<br />

USA – Weisse<br />

5<br />

0<br />

Abbildung 1.1. Internationale Unterschiede in der Inzidenz von ausgewählten <strong>Krebs</strong>arten: (A)<br />

Lungenkrebs bei Frauen; (B) Brustkrebs bei Frauen; (C) Prostatakrebs bei Männern; <strong>und</strong> (D)<br />

Melanome bei Männern. Reproduziert mit Erlaubnis von Tannock IF, Hill RP, Herausgeber. The Basic<br />

Science of <strong>Oncology</strong>, 3rd ed. New York: McGraw-Hill; 1998. Seite 16.<br />

Solche Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>inzidenz sind auch innerhalb bestimmter Länder sichtbar. So<br />

hat zum Beispiel die EUROCARE II Studie gezeigt, dass die relative Inzidenz von laryngealem<br />

Karzinom zwischen 11,6 in Tarragona <strong>und</strong> 18,2 in Baskenland variiert, beides Regionen in<br />

Spanien. Diese Unterschiede zeigen, dass Umweltfaktoren wie zum Beispiel Ernährung <strong>und</strong><br />

Tabakkonsum oder auch genetische Unterschiede eine Rolle spielen.<br />

Veränderungen in der <strong>Krebs</strong>inzidenz über die Zeit<br />

Die <strong>Krebs</strong>inzidenz variiert nicht nur zwischen verschiedenen Ländern, sondern auch über die<br />

Zeit. Abbildung 1.2 zeigt, wie stark die Veränderung über die zweite Hälfte des 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts in ausgesuchten Ländern Europas war.<br />

1.5


1<br />

Standard-Mortalitätsrate<br />

Standard-Mortalitätsrate<br />

Standard-Mortalitätsrate<br />

Standard-Mortalitätsrate<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

(A)<br />

1952<br />

1956<br />

(C)<br />

(E)<br />

1980<br />

(G)<br />

1960<br />

1964<br />

1968<br />

1972<br />

1982<br />

1984<br />

1986<br />

Jahr<br />

Jahr<br />

1976<br />

1980<br />

1984<br />

1988<br />

1992<br />

1996<br />

1968<br />

1972<br />

1976<br />

1980<br />

1984<br />

1988<br />

1992<br />

1996<br />

Jahr<br />

1952<br />

1956<br />

1960<br />

1964<br />

1968<br />

1972<br />

Jahr<br />

1988<br />

1990<br />

1992<br />

1994<br />

1996<br />

1976<br />

1980<br />

1984<br />

1988<br />

1992<br />

1996<br />

Standard-Mortalitätsrate<br />

Standard-Mortalitätsrate<br />

220<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

(B)<br />

(D)<br />

1952<br />

1956<br />

1960<br />

1964<br />

England<br />

Frankreich<br />

Deutschland<br />

Italien<br />

Die Niederlande<br />

Spanien<br />

1968<br />

1972<br />

Jahr<br />

Jahr<br />

1976<br />

1980<br />

1984<br />

1988<br />

1992<br />

1996<br />

1968<br />

1972<br />

1976<br />

1980<br />

1984<br />

1988<br />

1992<br />

1996<br />

Abbildung 1.2. Standardisierte <strong>Krebs</strong>mortalitätsraten für alle <strong>Krebs</strong>arten (A, Frauen; B, Männer), Lungenkrebs (C, Frauen;<br />

D, Männer), Kolonkarzinom (E, Frauen; F, Männer) <strong>und</strong> Mammakarzinom (G, nur Frauen) in ausgewählten Ländern<br />

Europas. Daten von der EUCAN database (www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm).<br />

Standard-Mortalitätsrate<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

(F)<br />

1980<br />

1982<br />

1984<br />

1986<br />

Jahr<br />

1988<br />

1990<br />

1992<br />

1994<br />

1996<br />

1.6


1<br />

Die Grafiken zeigen, dass die Mortalitätsraten für alle <strong>Krebs</strong>arten in diesen Ländern ihren<br />

Höhepunkt in den 1970er Jahren hatten, <strong>und</strong> dass sie seitdem bei Männern <strong>und</strong> Frauen<br />

gesunken sind. Allerdings ist es interessant, dass die Mortalitätsrate von Lungenkrebs bei<br />

Männern in den letzten Jahren gesunken ist, während sie bei Frauen weiterhin ansteigt. Dies ist<br />

eine Folge des steigenden Tabakkonsums bei Frauen in der EU <strong>und</strong> wurde auch in den USA<br />

beobachtet (Abbildung 1.3).<br />

80<br />

(A)<br />

Rate für 100'000 Frauen<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Kolon <strong>und</strong> Rektum<br />

Ovarien<br />

Lungen <strong>und</strong> Bronchien<br />

Pankreas<br />

Brust<br />

Magen<br />

Uterus<br />

0<br />

1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990<br />

Jahr<br />

80<br />

(B)<br />

Rate für 100'000 Männer<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Kolon <strong>und</strong> Rektum<br />

Leber<br />

Lungen <strong>und</strong> Bronchien<br />

Pankreas<br />

Prostata<br />

Magen<br />

0<br />

1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990<br />

Jahr<br />

Abbildung 1.3. Altersangeglichene <strong>Krebs</strong>mortalitätsraten für: (A) Frauen <strong>und</strong> (B) Männer nach<br />

Organbefall in den USA 1930–96. Reproduziert mit Erlaubnis von der American Cancer Society<br />

(www3.cancer.org).<br />

1.7


1<br />

Die Auswirkungen von Therapie auf das Überleben<br />

Bis heute hatte<br />

die Behandlung<br />

von Karzinomen<br />

auf die<br />

Gesamtüberlebensraten<br />

nur<br />

wenig Einfluss,<br />

auch wenn<br />

<strong>Therapien</strong> das<br />

Überleben<br />

verlängern<br />

können.<br />

Die Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>inzidenz zwischen verschiedenen Ländern <strong>und</strong> Regionen <strong>und</strong> die<br />

Veränderungen der Mortalitätsraten über die Zeit zeigen den Einfluss von<br />

Umweltveränderungen <strong>und</strong> verschiedenen Lebensstilen, aber auch den Effekt, den<br />

Früherkennung <strong>und</strong> Screening haben. Allerdings hatte bis heute die Behandlung von<br />

Karzinomen auf die Gesamtüberlebensraten nur wenig Einfluss, auch wenn <strong>Therapien</strong> das<br />

Überleben verlängern. So überlebt ein <strong>Krebs</strong>patient heute länger mit der Behandlung, aber das<br />

Endresultat ist dasselbe – Tod durch <strong>Krebs</strong>.<br />

Die Überlebensrate über eine vorgegebene Zeit nach Diagnosestellung ist ein wichtiger<br />

Parameter, um die Wirksamkeit von <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien zu beurteilen. So können die Unterschiede<br />

der 5-Jahres-Überlebensraten Hinweise geben, wie sich diagnostische, erzieherische,<br />

diätetische <strong>und</strong> am meisten wohl <strong>the</strong>rapeutische Massnahmen auswirken. Tabelle 1.3 zeigt die<br />

Veränderungen in den 5-Jahres-Überlebensraten in der Zeit von 1978 bis 1989 in Europa.<br />

Tabelle 1.3. Veränderungen in den 5-Jahres-Überlebensraten in<br />

Europa nach Jahr <strong>und</strong> Diagnose, 1978–89.<br />

Relative 5-Jahres-Überlebensrate (%)<br />

Ort 1978–80 1984–86 1987–89<br />

Hirn 18 18 21<br />

Brust (Frauen) 66 71 72<br />

Kolon 40 48 48<br />

Ösophagus 5 8 9<br />

Hodgkin-Lymphom 66 73 73<br />

Nieren 44 47 50<br />

Chronisch Lymphatische<br />

Leukämie 53 63 66<br />

Leber 3 3 6<br />

Lunge* 27 29 29<br />

Melanom** 75 80 84<br />

Multiples Myelom 27 30 27<br />

Non-Hodgkin Lymphom 43 46 50<br />

Ovarien 30 35 33<br />

Pankreas 4 4 4<br />

Rektum 38 42 46<br />

Magen 17 21 21<br />

Hoden 79 86 92<br />

Knochen 40 55 53<br />

Weichteile 55 60 59<br />

Uterus (Cervix) 61 63 64<br />

Uterus (Corpus) 75 75 75<br />

*Es sind nur 1-Jahres-Überlebensraten erhältlich <strong>und</strong> hier aufgeführt.<br />

**Es sind nur 5-Jahres-Überlebensraten für 15–44-jährige erhältlich <strong>und</strong> hier aufgeführt.<br />

Daten von der EUROCARE II Studie.<br />

1.8


1<br />

Es ist sofort erkennbar, dass die 5-Jahres-Überlebensraten für <strong>Krebs</strong>arten wie Leber-, Pankreas<strong>und</strong><br />

Ösophagus-<strong>Krebs</strong> sehr schlecht sind, obschon sich die Überlebensrate für Ösophaguskrebs<br />

in diesen 10 Jahren nahezu verdoppelt hat. Auch die 5-Jahres-Überlebensraten für andere<br />

<strong>Krebs</strong>arten sind in diesen 10 Jahren angestiegen, so zum Beispiel für Hodenkrebs,<br />

Knochenkrebs <strong>und</strong> chronische lymphatische Leukämie. Dies ist fast ausschliesslich auf eine<br />

verbesserte Früherkennung <strong>und</strong> Frühintervention zurückzuführen. Bei einigen <strong>Krebs</strong>arten, wie<br />

zum Beispiel Pankreas-, Lungen- <strong>und</strong> Gebärmutterkrebs oder dem multiplen Myelom sind<br />

zwischen 1979 <strong>und</strong> 1989 keine Verbesserungen sichtbar.<br />

Vermutlich werden sich die Überlebensraten bei einigen Tumorerkrankungen in den nächsten<br />

Jahrzehnten nochmals verbessern. Ein erfreuliches Beispiel dafür ist die Entwicklung beim<br />

Brustkrebs in England in den letzten fünf Jahren, wo sich das verbesserte Screening positiv auf<br />

die Überlebenszeiten ausgewirkt hat. Die Entdeckung einiger auslösender Faktoren <strong>und</strong> der<br />

vermehrte Gebrauch von Antikrebs<strong>the</strong>rapien haben vermutlich ebenfalls ihren Teil zu dieser<br />

Entwicklung beigetragen.<br />

<strong>Krebs</strong>vorsorge<br />

Bevor wir auf die Geschichte der <strong>Krebs</strong>behandlung zu sprechen kommen, ist es sicher sinnvoll,<br />

ein Kapitel der <strong>Krebs</strong>vorsorge zu widmen, denn wie vorher gezeigt wurde, haben die folgenden<br />

Präventivmassnahmen Entscheidendes dazu beigetragen, die Überlebensraten zu erhöhen:<br />

● Prävention (primäre Prävention)<br />

● Früherfassung (sek<strong>und</strong>äre Prävention) zu einem Zeitpunkt, wo die Behandlung noch grössere<br />

Aussichten auf Erfolg hat<br />

● Prophylaktische Operationen, z.B. Mastektomie, oder Chemoprävention (tertiäre Prävention).<br />

Pflegefachfrauen haben eine wichtige Aufgabe in der <strong>Krebs</strong>prävention <strong>und</strong> sollten Wert auf<br />

regelmässige Überwachung <strong>und</strong> Screening legen. Sie haben eine Schlüsselrolle in der Erkennung<br />

von Hochrisikopersonen <strong>und</strong> können Lebensstil, Familiengeschichte <strong>und</strong> Risiken an Arbeitsplätzen<br />

oder in der Umwelt richtig einschätzen. Ihr Einsatz in der Prävention sollte auch die Beratung <strong>und</strong><br />

Begleitung derjenigen Personen einschliessen, die ein höheres <strong>Krebs</strong>risiko haben.<br />

Faktoren in Zusammenhang mit der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />

Viele der primär <strong>und</strong>/oder sek<strong>und</strong>är verursachenden Faktoren (Karzinogene), die in der<br />

<strong>Krebs</strong>entstehung (Karzinogenese) eine Rolle spielen, sind erkannt worden. Die Karzinogenese<br />

kann in verschiedene Phasen eingeteilt werden: Initiation, Promotion <strong>und</strong> Transformation, so wie<br />

in Kapitel 2 <strong>und</strong> 3 beschrieben. Der Schlüssel zur Primärprävention ist die Vermeidung von<br />

Faktoren, die zur Initiation <strong>und</strong> Promotion von Tumoren führen können. Epidemiologische<br />

Studien haben entscheidend zur Erkennung dieser Umweltfaktoren beigetragen, die nun zum<br />

Ziel von Präventivmassnahmen wurden.<br />

Rauchen<br />

Zigarettenrauchen ist verantwortlich für mehr als 3 / 4 aller Lungenkrebserkrankungen <strong>und</strong> für etwa<br />

30% aller <strong>Krebs</strong>todesfälle. Wer täglich 2 oder mehr Pakete Zigaretten raucht, hat ein 15- bis<br />

25-mal höheres Risiko, an <strong>Krebs</strong> zu sterben als ein Nichtraucher.<br />

Tabakgenuss ohne Rauchen<br />

Der Gebrauch von Kautabak oder das Sniffen erhöht das Risiko von M<strong>und</strong>-, Larynx-, Hals- <strong>und</strong><br />

Ösophaguskrebs.<br />

. . . die 5-Jahres-<br />

Überlebensraten<br />

für <strong>Krebs</strong>arten<br />

wie Leber-,<br />

Pankreas- <strong>und</strong><br />

Ösophagus-<strong>Krebs</strong><br />

sind sehr schlecht<br />

. . .<br />

Zigarettenrauchen<br />

ist<br />

verantwortlich für<br />

mehr als 3 / 4 aller<br />

Lungenkrebserkrankungen<br />

<strong>und</strong> für<br />

etwa 30% aller<br />

<strong>Krebs</strong>todesfälle.<br />

1.9


1<br />

Alkohol<br />

Karzinome im Bereich von M<strong>und</strong>, Larynx, Pharynx, Ösophagus <strong>und</strong> Leber sind häufiger bei<br />

schweren Alkoholikern.<br />

Sonnenbestrahlung<br />

Sonnenlicht ist ein wichtiger Faktor in der Entstehung zahlreicher Hautkrebsarten, vor allem des<br />

Melanoms. Geographische Zonen mit erhöhter UV-Belastung haben hohe Raten von<br />

Melanomerkrankungen, zum Beispiel Australien.<br />

Östrogen<br />

Östrogen-Ersatz<strong>the</strong>rapien können das Risiko von Brustkrebserkrankungen erhöhen. Dieses Risiko<br />

muss aber sorgfältig gegen die Vorteile abgewogen werden.<br />

Bestrahlung<br />

Starke Exposition zu ionisierenden Strahlen, z.B. Röntgenstrahlen, kann das <strong>Krebs</strong>risiko<br />

erhöhen. Übermässiger Kontakt zu Radon, einem radioaktiven Gas, in Häusern sollte<br />

vermieden werden, weil es das Lungenkrebsrisiko erhöht. Besonders Raucher, die diesem Gas<br />

ausgesetzt sind, sind gefährdet.<br />

Berufsrisiken<br />

Zahlreiche Industriemittel, wie zum Beispiel Nickel, Chrom, Asbest <strong>und</strong> Vinylchlorid erhöhen<br />

das <strong>Krebs</strong>risiko.<br />

Ernährung<br />

Bei adipösen Personen scheint das Risiko von <strong>Krebs</strong>erkrankungen in Bereich von Kolon, Brust<br />

<strong>und</strong> Gebärmutter erhöht zu sein. Zu hoher Fettkonsum kann zur Entstehung von Brust-, Kolon-,<br />

<strong>und</strong> Prostatakarzinomen führen. Faserreiche Ernährung kann helfen, das Risiko von<br />

Kolonkarzinomen zu senken. Eine vielseitige Ernährung mit viel Gemüse <strong>und</strong> Früchten, die die<br />

Vitamine A <strong>und</strong> C enthalten, senkt das Risiko für eine Vielzahl von <strong>Krebs</strong>arten. Gepökelte,<br />

geräucherte <strong>und</strong> mit Nitrit behandelte Lebensmittel wurden mit Ösophagus- <strong>und</strong><br />

Magenkarzinomen in Verbindung gebracht.<br />

Der <strong>European</strong> Code Against Cancer wird in Tabelle 1.4 dargestellt <strong>und</strong> empfiehlt einfache<br />

Massnahmen, die auf den oben erwähnten Faktoren beruhen, <strong>und</strong> die helfen können,<br />

bestimmte <strong>Krebs</strong>arten zu vermeiden <strong>und</strong> die allgemeine Ges<strong>und</strong>heit zu erhöhen.<br />

<strong>Krebs</strong>-Überwachung <strong>und</strong> Screening<br />

Eine grosse Anzahl von Untersuchungen für die sek<strong>und</strong>äre Prävention, d.h. die Früherkennung<br />

von <strong>Krebs</strong> bei Personen mit durchschnittlichem Risiko, die noch keine Symptome zeigen, können<br />

durchgeführt werden. Diese sind von Land zu Land verschieden, je nach finanziellen Mitteln<br />

<strong>und</strong> Prioritäten. Die Tests für Brust- <strong>und</strong> Gebärmutterkrebs in Tabelle 1.4 sind relativ einfach <strong>und</strong><br />

können entscheidend zur Früherkennung <strong>und</strong> somit zur Überlebensrate beitragen. Andere Test<br />

<strong>und</strong> Screening-Verfahren sind:<br />

● Sigmoidoskopie <strong>und</strong> Polyp-Entfernung bei Kolorektal-Karzinom<br />

● Stuhltest auf verborgenes Blut für <strong>Krebs</strong> des Verdauungstraktes<br />

● Digitale Rektaluntersuchung für Prostatakarzinom<br />

● Mammographie <strong>und</strong> Ultraschall für Brustkrebs<br />

● Tumormarker für Ovarialkarzinom, z.B. CA125-Spiegel im Blut.<br />

1.10


1<br />

Tabelle 1.4. Die 10 Empfehlungen des “<strong>European</strong> Code Against<br />

Cancer„<br />

Bestimmte <strong>Krebs</strong>arten können vermieden <strong>und</strong> die allgemeine Ges<strong>und</strong>heit<br />

verbessert werden, wenn Sie einen gesünderen Lebensstil haben.<br />

1. Rauchen Sie nicht. Wenn Sie Raucher sind, sollten Sie so schnell wie möglich<br />

aufhören zu rauchen. Rauchen Sie nicht in der Gegenwart anderer. Wenn Sie nicht<br />

rauchen, experimentieren Sie nicht mit Tabak.<br />

2. Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie Ihren Konsum, egal ob Sie Bier, Wein<br />

oder Spirituosen trinken.<br />

3. Essen Sie mehr frische Früchte <strong>und</strong> Gemüse. Essen Sie regelmässig faserhaltige,<br />

ballastreiche Nahrungsmittel.<br />

4. Vermeiden Sie Übergewicht, bewegen Sie sich regelmässiger <strong>und</strong> essen Sie<br />

fettärmer.<br />

5. Vermeiden Sie übermässige Sonnenbestrahlung <strong>und</strong> vermeiden Sie Sonnenbrände,<br />

v.a. bei Kindern.<br />

6. Seien Sie strikt in der Vermeidung von jeglichem Kontakt mit bekannten<br />

krebsfördernden Stoffen. Befolgen Sie alle Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sicherheitsinstruktionen<br />

im Umgang mit Substanzen, die krebsfördernd sein können.<br />

Auch andere <strong>Krebs</strong>arten können geheilt werden,<br />

wenn sie früh entdeckt werden<br />

7. Suchen Sie einen Arzt auf, wenn Sie einen Knoten spüren, eine W<strong>und</strong>e haben, die<br />

nicht heilt (auch im M<strong>und</strong>), einen Leberfleck der sich in Grösse, Aussehen oder<br />

Farbe verändert oder bei aussergewöhnlichen Blutungen.<br />

8. Suchen Sie einen Arzt auf, wenn Sie ein chronisches Problem haben (z.B. chronischen<br />

Husten oder Heiserkeit), eine Veränderung in Stuhl- oder Urinausscheidungen<br />

feststellen oder ungewollt Gewicht verlieren.<br />

Für Frauen<br />

9. Lassen Sie regelmässig einen Gebärmutterhalsabstrich machen. Nehmen Sie an<br />

Vorsorgeprogrammen für Gebärmutterhalskrebs teil.<br />

10. Untersuchen Sie regelmässig Ihre Brüste. Lassen Sie regelmässig eine<br />

Mammographie machen, wenn Sie über 50 sind.<br />

Die Häufigkeit, mit der solche Vorsorgeuntersuchungen routinemässig gemacht werden, <strong>und</strong> das<br />

Alter, in dem damit begonnen wird, variiert von Land zu Land, obwohl internationale<br />

Empfehlungen existieren. Häufigkeit, Umfang <strong>und</strong> Art der Untersuchungen sollten bei Personen<br />

mit erhöhtem <strong>Krebs</strong>risiko erweitert werden. Gentests wie BRCA1 <strong>und</strong> BRCA2 bei Frauen mit<br />

einer Familienbelastung durch Brustkrebs können zeigen, welche Frauen tatsächlich ein<br />

erhöhtes <strong>Krebs</strong>risiko durch eine Gen-Anomalie aufweisen.<br />

Prophylaktische Operationen <strong>und</strong> Chemoprävention<br />

Die tertiäre Prävention, mit Hilfe chirurgischer oder medikamentöser Massnahmen, ist für<br />

Hochrisikopersonen von Bedeutung. So ist zum Beispiel die prophylaktische beidseitige<br />

Mastektomie eine Präventionsmöglichkeit für Frauen mit einem sehr hohen Risiko für Brustkrebs.<br />

Es wurde gezeigt, dass diese Massnahme bei jungen Frauen, die eine BRCA1 oder BRCA2<br />

Mutation haben, eine Risikoverminderung von bis zu 90% mit sich bringt. Jedoch bedeutet<br />

dieser Schritt einen grossen Einschnitt in Körper <strong>und</strong> Seele, <strong>und</strong> die Entscheidung dafür fällt<br />

vielen Frauen sehr schwer. Daher sind nur wenige Daten vorhanden, die Auskunft geben über<br />

Langzeitwirkungen <strong>und</strong> über die psychologischen <strong>und</strong> sozialen Folgen dieses Eingriffs. Zurzeit<br />

ist die Akzeptanz unter europäischen Frauen für diese Art von Prophylaxe sehr niedrig. Ganz<br />

sicher muss die Entscheidung zur prophylaktischen Operation ganz allein Sache der<br />

1.11


1<br />

Betroffenen sein <strong>und</strong> kann nur nach gründlicher Beratung durch ein multidisziplinäres Team <strong>und</strong>,<br />

wenn nötig, mit genetischen Tests gefällt werden. Pflegefachfrauen müssen sich bewusst sein,<br />

welch komplexe Problematik das Testen von BRCA1 <strong>und</strong> BRCA2 <strong>und</strong> eine nachfolgende<br />

prophylaktische Mastektomie mit sich bringt, um die betroffenen Frauen gut beraten <strong>und</strong><br />

informieren zu können <strong>und</strong> so in der Entscheidungsfindung eine Hilfe zu sein. Eine detaillierte<br />

Beratung ist äusserst wichtig.<br />

Chemoprävention hat zum Ziel, mit Medikamenten die <strong>Krebs</strong>inzidenz bei Menschen, die ein<br />

hohes <strong>Krebs</strong>risiko haben, zu senken. So wurde zum Beispiel die Wirkung von Antiöstrogenen<br />

(Tamoxifen) als Chemoprävention bei erhöhtem Brustkrebsrisiko in drei randomisierten,<br />

kontrollierten Studien untersucht, diese haben aber unterschiedliche Resultate gezeigt. Forscher<br />

vom National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (NSABP) fanden heraus, dass<br />

Tamoxifen die Inzidenz von Brustkrebs fast um die Hälfte senkte, während britische <strong>und</strong><br />

italienische Studien keinen nennenswerten Vorteil von Tamoxifen nachweisen konnten. Diese<br />

verschiedenen Aussagen sind teilweise darauf zurückzuführen, dass Unterschiede bestanden in<br />

der Beurteilung von <strong>Krebs</strong>risiko-Charakteristika, dass die Studiengruppen unterschiedlich gross<br />

waren, dass Hormonersatz<strong>the</strong>rapien verschieden angewandt wurden <strong>und</strong> andere Faktoren nicht<br />

übereinstimmten. Eine laufende NSABP-Studie vergleicht die Effektivität von Raloxifen mit<br />

derjenigen von Tamoxifen bei post-menopausalen Frauen mit erhöhtem Risiko (basierend auf<br />

dem Alter, der Anzahl erstgradiger Verwandter mit Brustkrebs, der Anzahl Kinder <strong>und</strong> dem<br />

Alter der ersten Menstruation).<br />

Der Wert der Tamoxifen-Prophylaxe bleibt kontrovers <strong>und</strong> wegen der Gefahr von<br />

Nebenwirkungen auf die Gefässe (Thromboserisiko) <strong>und</strong> das Endometrium, müssen Frauen,<br />

welche potentielle Kandidatinnen für diese Art der Chemoprävention sind, bezüglich Nutzen<br />

<strong>und</strong> Risiken gut beraten werden. Die Vorteile der prophylaktischen Mastektomie sind verglichen<br />

mit denen der Chemoprävention zurzeit nicht bekannt, weil entsprechende Studien fehlen.<br />

<strong>Krebs</strong>behandlung im historischen Blickwinkel<br />

Die Wahl der<br />

Art der<br />

Tumorbehandlung<br />

ist abhängig<br />

vom Stadium der<br />

Tumorerkrankung<br />

. . .<br />

Heute bietet die<br />

Chirurgie die<br />

grösste<br />

Heilungschance<br />

für viele<br />

<strong>Krebs</strong>arten . . .<br />

Die Wahl der Art der Tumorbehandlung ist abhängig vom Stadium der Tumorerkrankung, d.h.<br />

von der Grösse des Tumors <strong>und</strong> davon, zu welchem Grad er in das umliegende Gewebe<br />

eingedrungen ist <strong>und</strong> ob er Fernmetastasen gebildet hat. Behandlungsmöglichkeiten können in<br />

folgende Klassen eingeteilt werden:<br />

● Chirurgie<br />

● Radio<strong>the</strong>rapie<br />

● Antihormonelle (endokrine) Therapie<br />

● Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

● <strong>Biologische</strong> Therapie (auch Immun<strong>the</strong>rapie genannt).<br />

Chirurgie<br />

Die Chirurgie ist die älteste Form von <strong>Krebs</strong>behandlung. Vor der Entdeckung der Anäs<strong>the</strong>tika<br />

<strong>und</strong> Antisepsis (Methoden wie die Instrumentendesinfektion um Infektionen vorzubeugen), war<br />

die Chirurgie sehr schmerzhaft <strong>und</strong> risikoreich für den Patienten. Heute bietet die Chirurgie die<br />

grösste Heilungschance für viele <strong>Krebs</strong>arten <strong>und</strong> etwa 60% aller <strong>Krebs</strong>patienten haben im<br />

Verlauf ihrer Krankheit irgendeine Art von Operation.<br />

1.12


1<br />

Operative Eingriffe können in mancherlei Hinsicht hilfreich sein:<br />

● Präventiv. Die Entfernung einer Geschwulst, die zwar gutartig ist, aber von der man weiss,<br />

dass sie entarten könnte (z.B. Polypen im Kolon) oder eines Organs (z.B. die<br />

prophylaktische Mastektomie bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko oder die Kolektomie<br />

bei Patienten mit einem hohen Risiko für Kolon-Karzinom wegen einer FAP Genmutation).<br />

● Diagnostisch. Die Entnahme von Gewebsproben zur Diagnosestellung <strong>und</strong> Spezifizierung<br />

der <strong>Krebs</strong>art.<br />

● Staging. Das Feststellen der Ausbreitung der Krankheit, mittels Laparoskopie oder<br />

Laparotomie.<br />

. . . etwa 60%<br />

aller<br />

<strong>Krebs</strong>patienten<br />

haben im Verlauf<br />

ihrer Krankheit<br />

irgendeine Art<br />

von Operation.<br />

● Kurativ. Die Entfernung des Tumors, falls er lokalisiert ist, in der Hoffnung, damit das ganze<br />

<strong>Krebs</strong>gewebe entfernt zu haben. Dies wird als primäre <strong>Krebs</strong>behandlung bezeichnet.<br />

● Palliativ. Die Behandlung von Komplikationen der fortgeschrittenen <strong>Krebs</strong>erkrankung, z.B.<br />

um eine Schmerzkontrolle <strong>und</strong> Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.<br />

● Supportiv. Als Hilfe für die Behandlung, z.B. das Einpflanzen eines Venenzugangs um die<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie zu ermöglichen.<br />

● Wiederaufbau. Wiederherstellen eines Organs entweder aus äs<strong>the</strong>tischen Gründen oder um<br />

die Funktion wieder zu gewährleisten, z.B. Brustrekonstruktion oder Pro<strong>the</strong>sen-Implantation.<br />

Radio<strong>the</strong>rapie<br />

Die Radio<strong>the</strong>rapie nutzt Hochenergiepartikel oder Wellen wie Röntgen- oder Gammastrahlen,<br />

um <strong>Krebs</strong>zellen zu zerstören oder zu beschädigen. Sie ist eine der ältesten <strong>und</strong><br />

kostenwirksamsten <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien <strong>und</strong> es wird geschätzt, dass etwa 50–60% aller<br />

<strong>Krebs</strong>patienten im Laufe ihrer Krankheit bestrahlt werden. Die Bestrahlung wirkt eher lokal, weil<br />

nur Zellen im bestrahlten Bereich betroffen werden. Radio<strong>the</strong>rapie kann in verschiedenen<br />

Krankheitsstadien angewandt werden. Im Frühstadium wird sie mit kurativer Absicht angewandt<br />

oder mit der Absicht, die Krankheit zu kontrollieren. Auch kann sie präoperativ von Nutzen<br />

sein, um die Tumormasse zu verkleinern oder postoperativ, um ein Rezidiv zu verhindern. Im<br />

fortgeschrittenen Stadium ist die Bestrahlung hilfreich, um Symptome zu bekämpfen, z.B.<br />

Schmerzen. Die häufigste Form von Radio<strong>the</strong>rapie ist die externe Radio<strong>the</strong>rapie, d.h.<br />

Radio<strong>the</strong>rapie, die durch einen Bestrahlungsapparat auf den Tumor gerichtet wird. Aber es gibt<br />

auch die Möglichkeit einer inneren Anwendung von Strahlen, indem radioaktive Partikel in den<br />

Tumor platziert werden (Brachy<strong>the</strong>rapie) oder durch Injektion radioaktiver Lösungen<br />

(radioisotope Therapie). Bei gewissen Karzinomen kann Radio<strong>the</strong>rapie kombiniert werden mit<br />

Operation oder Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />

Während die Bestrahlung die <strong>Krebs</strong>zellen zerstören kann, hat sie auch eine Wirkung auf die<br />

umliegenden normalen Zellen. Dieser unspezifische Effekt kann eine Reihe von<br />

Nebenwirkungen verursachen, die in ihrer Stärke stark variieren können, je nach Lokalität <strong>und</strong><br />

Strahlendosis, die aber auch von Person zu Person verschieden sind. Diese sind:<br />

● Müdigkeit<br />

● Hämatologische Toxizität<br />

● Stomatitis<br />

● Appetitverlust<br />

Die<br />

Radio<strong>the</strong>rapie<br />

nutzt Hochenergie-<br />

Partikel oder<br />

Wellen wie<br />

Röntgen- oder<br />

Gammastrahlen,<br />

um <strong>Krebs</strong>zellen<br />

zu zerstören oder<br />

zu beschädigen.<br />

. . . etwa<br />

50–60% aller<br />

<strong>Krebs</strong>patienten<br />

werden im Laufe<br />

ihrer Krankheit<br />

bestrahlt.<br />

1.13


1<br />

● Hautverbrennungen<br />

● Heiserkeit<br />

● Haarverlust<br />

● Schluckbeschwerden<br />

● Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen<br />

● Durchfall.<br />

Hormonelle (endokrine) Therapie<br />

Hormon-Therapie ist die Behandlung mit Medikamenten, die in die Hormonproduktion oder<br />

Hormonwirkung eingreifen oder die chirurgische Entfernung von Hormon produzierenden<br />

Drüsen um <strong>Krebs</strong>zellen zu töten oder ihr Wachstum zu verlangsamen (z.B. die Entfernung der<br />

Ovarien bei Brustkrebs). Bei der medikamentösen Therapie werden normalerweise Mittel<br />

angewandt, die die Produktion oder Wirkung von weiblichen oder männlichen<br />

Geschlechtshormonen beeinflussen. Sie werden benutzt, um das Wachstum von Brust-, Prostataoder<br />

Endometriumkarzinomen zu verlangsamen. Beispiele von Hormon<strong>the</strong>rapien sind<br />

Östrogene (Ethinylestradiol), Anti-Östrogene (Tamoxifen), Aromatasehemmer (Letrozol,<br />

Anastrazol), Progesterone (Medroxyprogesteron, Megestrol), Androgene (Nandrolon) <strong>und</strong> Anti-<br />

Androgene (Aminoglutethimid, Cyproteron).<br />

Hormonelle <strong>Therapien</strong> haben weniger Nebenwirkungen als Chemo<strong>the</strong>rapeutika, weswegen sie<br />

geeignet für prophylaktische Behandlungen sind. Aber viele Frauen verspüren doch<br />

Nebenwirkungen wie:<br />

● Wallungen <strong>und</strong> Schweissausbrüche<br />

● Nausea, Diarrhö <strong>und</strong> Verdauungsbeschwerden<br />

● Gewichtszunahme<br />

● Veränderungen im Menstruationszyklus<br />

● Muskelkrämpfe<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

wirkt, indem sie<br />

schnell teilende<br />

Zellen tötet.<br />

Jedoch besteht<br />

kein absoluter<br />

Unterschied<br />

zwischen der<br />

Zellteilung von<br />

normalen Zellen<br />

<strong>und</strong> der von<br />

<strong>Krebs</strong>zellen.<br />

● Stimmungsschwankungen<br />

● Allergische Reaktionen<br />

● Kopfschmerzen<br />

● Thrombosen.<br />

Es sollte auch beachtet werden, dass die Langzeit<strong>the</strong>rapie mit Tamoxifen mit einem erhöhten<br />

Vorkommen von Endometrium-Karzinomen in Zusammenhang gebracht wird. Jedoch ist diese<br />

<strong>Krebs</strong>art leichter behandelbar als Brustkrebs <strong>und</strong> somit überwiegen die Vorteile von<br />

Langzeitbehandlungen mit Tamoxifen gegenüber den Nachteilen.<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie ist der Gebrauch von Medikamenten zur <strong>Krebs</strong>behandlung.<br />

Chemo<strong>the</strong>rapeutische Medikamente werden oft als antineoplastisch (Antikrebs) <strong>und</strong> zytotoxisch<br />

(zelltötend) beschrieben. Chemo<strong>the</strong>rapie wirkt, indem sie schnell teilende Zellen tötet. Jedoch<br />

1.14


1<br />

besteht kein absoluter Unterschied zwischen der Zellteilung von normalen Zellen <strong>und</strong> der von<br />

<strong>Krebs</strong>zellen. So muss jedes Mal, wenn eine Chemo<strong>the</strong>rapie verabreicht wird, das Gleichgewicht<br />

gef<strong>und</strong>en werden zwischen der Zerstörung von Tumorzellen, um den <strong>Krebs</strong> zu behandeln, <strong>und</strong><br />

dem Bewahren der normalen Zellen, um Nebenwirkungen erträglich zu halten. Es ist wichtig zu<br />

verstehen, dass die zytotoxische Therapie nicht spezifisch auf <strong>Krebs</strong>zellen wirkt.<br />

Es existiert eine grosse Bandbreite an Chemo<strong>the</strong>rapeutika <strong>und</strong> sie können grob in Gruppen,<br />

gemäss Tabelle 1.5, eingeteilt werden. Jede Gruppe wirkt auf eigene Art in verschiedenen<br />

Stadien des Zellzyklus (siehe Kapitel 2 für Details des Zellzyklus). Sie können also in<br />

verschiedenen Kombinationen <strong>und</strong> in verschiedenen Reihenfolgen angewandt werden, um ihren<br />

zytotoxischen Effekt möglichst optimal auszunutzen. Dies erklärt die Komplexität mancher<br />

Standard-Chemo<strong>the</strong>rapien, die in der Praxis angewandt werden <strong>und</strong> bei denen oft drei oder<br />

vier Medikamente nacheinander oder in Kombination verabreicht werden.<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie kann vier Hauptziele haben:<br />

● Reduktion der Tumormasse vor der Operation<br />

● <strong>Krebs</strong>heilung<br />

● Kontrolle der Krankheit (Ausbreitung stoppen)<br />

● Palliation (Symptomlinderung <strong>und</strong> Erhöhung der Lebensqualität, normalerweise ohne<br />

Verlängerung der Lebenszeit).<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie kann in verschiedenen Situationen gegeben werden:<br />

● Neoadjuvant, d.h. vor der Operation bei Primärerkrankung. Dies wird angewandt um die<br />

Tumormasse eines grossen Tumors zu reduzieren, so dass er sicherer <strong>und</strong> mit einer weniger<br />

ausgedehnten Operation entfernt werden kann.<br />

● Adjuvant, d.h. nach der Operation bei Primärerkrankung. Ziel ist, dem erneuten Wachstum<br />

des Tumors vorzubeugen <strong>und</strong> allfällige im Körper verbliebene Zellen nach Operation oder<br />

Bestrahlung abzutöten.<br />

● Als Haupt<strong>the</strong>rapie bei Krankheiten wie Lymphomen oder Leukämien, bei welchen die<br />

Operation nicht möglich ist.<br />

● Bei Metastasen. Hier wird Chemo<strong>the</strong>rapie angewandt, um entweder die Krankheit zu heilen,<br />

zu verhindern dass sie sich weiter ausbreitet oder zur Symptompalliation, je nach <strong>Krebs</strong>art<br />

<strong>und</strong> Ausdehnung der Metastasen. Es können mehrere Therapiezyklen bei Patienten mit<br />

metastasierenden Karzinomen gemacht werden: zuerst die First-Line-Therapie, als erste<br />

Therapie, die auch als aktivste Therapie angesehen wird, danach die Second-Line-Therapie<br />

<strong>und</strong> weitere <strong>Therapien</strong>, wenn die First-Line-Therapie erfolglos war oder die Krankheit wieder<br />

aufflammt.<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie kann auf viele Weisen verabreicht werden, dies hängt einerseits vom Mittel <strong>und</strong><br />

andererseits von der Tumorlokalisation ab:<br />

● intravenös<br />

● oral<br />

● topisch<br />

● intramuskulär<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

kann auf viele<br />

Weisen verabreicht<br />

werden,<br />

dies hängt einerseits<br />

vom Mittel<br />

<strong>und</strong> andererseits<br />

von der<br />

Tumorlokalisation<br />

ab.<br />

1.15


1<br />

Tabelle 1.5. Arten von Chemo<strong>the</strong>rapie-Medikamenten.<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie- Aktionsmechanismus <strong>und</strong><br />

Klasse behandelte <strong>Krebs</strong>arten Beispiele<br />

Alkylierende Wirkstoffe Wirken direkt auf die DNA, um Busulphan,<br />

(Alkylantien) <strong>Krebs</strong>zellen an der Reproduktion zu Carboplatin,<br />

hindern. Werden gegen chronische Cisplatin,<br />

Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphome, Cyclophosphamid,<br />

Morbus Hodgkin, Multiple Myelome Dacarbazin,<br />

<strong>und</strong> gewisse Brust-, Lungen- <strong>und</strong> Ifosfamid<br />

Ovarialkarzinome eingesetzt<br />

Antimetaboliten Haben Auswirkungen auf DNA- 5-Fluoro-Uracil,<br />

<strong>und</strong> RNA- Wachstum. Werden zur Methotrexat,<br />

Behandlung von chronischen<br />

Gemzitabin,<br />

Leukämien <strong>und</strong> von Tumoren der Cytarabin,<br />

Ovarien <strong>und</strong> des GI-Traktes<br />

Fludarabin<br />

eingesetzt<br />

Antitumor-Antibiotika Haben Auswirkungen auf DNA- Bleomycin,<br />

Metabolismus <strong>und</strong> Mitose oder Dactinomycin,<br />

verändern Zellmembranen.<br />

Daunorubicin,<br />

Gebrauch bei einer Vielzahl von Doxorubicin<br />

Karzinomen<br />

Epirubicin<br />

Mitosehemmer Hemmen die Mitose oder hemmen Paclitaxel,<br />

Enzyme, die in der Proteinsyn<strong>the</strong>se Docetaxel,<br />

involviert <strong>und</strong> zur Zellreproduktion Etoposid,<br />

nötig sind. Gebrauch bei einer Vinblastin,<br />

Vielzahl von Karzinomen<br />

Vincristin,<br />

Vinorelbin<br />

Nitroso-Harnstoffe Wirken gleich wie Alkylantien, Nitroso-Harnstoff,<br />

indem sie die zur DNA-Reparatur Carmustin,<br />

bestimmten Enzyme hemmen.<br />

Lomustin<br />

Werden zur Behandlung von<br />

Hirntumoren <strong>und</strong> auch von<br />

Non-Hodgkin-Lymphomen, multiplen<br />

Myelomen <strong>und</strong> Melanomen eingesetzt<br />

Kortikosteroide Natürliche Hormone oder Prednison<br />

hormonähnliche Medikamente, die zur Dexamethason<br />

Behandlung bestimmter Karzinome<br />

(wie Lymphom, Leukämie, multiples<br />

Myelom) gebraucht werden können.<br />

Werden oft benützt, um die Nebenwirkung<br />

anderer Chemo<strong>the</strong>rapeutika zu senken<br />

Andere Verschiedene Wirkungsmechanismen L-Asparaginase,<br />

Amsacrin,<br />

Tretinoin<br />

1.16


1<br />

● subkutan<br />

● intraarteriell<br />

● intrapleural<br />

● intraperitoneal<br />

● intravesikal<br />

● intra<strong>the</strong>kal<br />

● intraläsional.<br />

Von diesen ist die intravenöse Anwendung die Häufigste. Chemo<strong>the</strong>rapeutische Mittel, die auf<br />

diesem Wege verabreicht werden, erreichen normalerweise den ganzen Körper <strong>und</strong> töten<br />

<strong>Krebs</strong>zellen, aber auch ges<strong>und</strong>e Zellen, die sich gerade teilen. So ist eines der Ziele in der<br />

Entwicklung neuer Medikamente, verträglichere Methoden zu finden, z.B. orale Anwendung,<br />

oder Methoden, die nur in dem Körperteil wirken, wo der Tumor sich befindet, z.B.<br />

intraarterielle Injektion bei Leberkrebs <strong>und</strong> intra<strong>the</strong>kale Anwendung bei Tumoren des zentralen<br />

Nervensystems (ZNS).<br />

Grenzen der Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

Chemo<strong>the</strong>rapeutische Medikamente wirken an allen sich schnell teilenden Zellen <strong>und</strong> nicht nur<br />

an den <strong>Krebs</strong>zellen, also werden ges<strong>und</strong>e Zellen, die sich rasch teilen, abgetötet, speziell<br />

epi<strong>the</strong>liale Zellen. Dies sind zum Beispiel die Zellen der Haarfollikel, Zellen in den<br />

Fortpflanzungsorganen <strong>und</strong> im Gastrointestinaltrakt <strong>und</strong> Knochenmarkszellen (Abbildung 1.4).<br />

. . . eines der<br />

Ziele in der<br />

Entwicklung<br />

neuer<br />

Medikamente ist<br />

es, verträglichere<br />

Methoden zu<br />

finden, z.B. orale<br />

Anwendung . . .<br />

Dies erklärt einige der Nebenwirkungen von Chemo<strong>the</strong>rapie:<br />

● Knochenmarkssuppression (reduzierte Zahl von roten <strong>und</strong> weissen Blutkörperchen <strong>und</strong><br />

Blutplättchen), die zu hämatologisch negativen Auswirkungen <strong>und</strong> Infektionen führt.<br />

● Haarausfall<br />

● Appetits- <strong>und</strong> Gewichtsverlust<br />

● Stomatitis <strong>und</strong> Ösophagitis.<br />

Andere Nebenwirkungen sind:<br />

● Geschmacksveränderungen<br />

● Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen<br />

● Verstopfung<br />

● Durchfall<br />

● Müdigkeit<br />

● Herzfehler<br />

● ZNS-Veränderungen<br />

● Lungenschäden<br />

● Störungen in der Fortpflanzung<br />

● Leberschäden<br />

● Nieren- <strong>und</strong> Blasenschäden.<br />

1.17


1<br />

Haarfollikel<br />

Gastrointestinaltrakt<br />

Knochenmark<br />

Fortpflanzungsorgane<br />

Abbildung 1.4. Diagramm mit der Darstellung sich aktiv vermehrender Zellen, welche bei der<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie von Nebenwirkungen betroffen sind.<br />

Oft zwingt eine<br />

Kombination von<br />

mehreren dieser<br />

Nebenwirkungen<br />

zur Reduktion der<br />

Einzel- oder<br />

Gesamtdosis der<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />

Oft zwingt eine Kombination von mehreren dieser Nebenwirkungen zur Reduktion der Einzeloder<br />

Gesamtdosis der Chemo<strong>the</strong>rapie. Viele Strategien sind schon getestet worden, um eine<br />

möglichst hohe, intensive Chemo<strong>the</strong>rapie anwenden zu können <strong>und</strong> so eine optimale Wirkung<br />

zu erzielen. Die Toxizität kann beschränkt werden, indem antiemetische Medikamente gegen<br />

Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen <strong>und</strong> Zytokine zur Stimulation der roten <strong>und</strong> weissen Blutkörperchen<br />

verabreicht werden. Dennoch bleibt die Toxizität der Faktor, der die anwendbaren Dosen der<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie limitiert. Dasselbe gilt auch für die Radio<strong>the</strong>rapie.<br />

Dazu kommt, dass die Bemühungen der Pflegenden, die Nebenwirkungen erträglich für den<br />

Patienten zu halten, viel Zeit <strong>und</strong> finanzielle Mittel erfordern. Spezifischere Antikrebs<strong>the</strong>rapien,<br />

die nur auf die Tumorzellen wirken <strong>und</strong> die ges<strong>und</strong>en, normalen Zellen schonen, wären<br />

weniger toxisch für den Patienten <strong>und</strong> würden weniger finanzielle Mittel benötigen.<br />

1.18


1<br />

<strong>Biologische</strong> Therapie (Immuno<strong>the</strong>rapie)<br />

Die biologische oder Immuno<strong>the</strong>rapie basiert auf verschiedenen Komponenten des<br />

Immunsystems, des natürlichen Abwehrsystems des Körpers gegen Krankheiten. Diese Therapie<br />

zielt direkt auf die <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> ist so spezifischer als Chemo<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> andere<br />

Medikamente, die normalerweise ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> kranke Zellen gleichermassen angreifen. Die<br />

biologische Therapie wendet also Mittel an, die das Immunsystem des Körpers fördern oder<br />

unterstützen oder Teile des Immunsystems verwenden, um Tumorzellen zu vernichten oder das<br />

<strong>Krebs</strong>wachstum zu hemmen. Eine detaillierte Beschreibung der Entwicklung der biologischen<br />

Therapie finden Sie in Kapitel 6.<br />

Zusammenfassung<br />

Es ist offensichtlich, dass präventive Massnahmen grossen Einfluss auf die <strong>Krebs</strong>-<br />

Überlebensraten haben. Sowohl primäre Prävention als auch Früherkennung (sek<strong>und</strong>äre<br />

Prävention) haben die 5-Jahres-Überlebensraten in den letzten Jahrzehnten massiv beeinflusst.<br />

Auch in die Behandlung fortgeschrittener <strong>Krebs</strong>erkrankungen wurde viel investiert <strong>und</strong> bei<br />

einigen Patienten war dies auch erfolgreich. Trotzdem muss gesagt werden, dass unspezifische<br />

Behandlungen, vor allem Chemo<strong>the</strong>rapien, keinen nennenswerten Einfluss auf die<br />

Gesamtüberlebensraten haben. Dies ist ein Gr<strong>und</strong>, weshalb die Forschung sich intensiv auf die<br />

Suche nach spezifischen Mitteln macht, die direkt auf den <strong>Krebs</strong> abzielen <strong>und</strong> somit weniger<br />

toxisch aber wirksamer sind. Im Bereich der Molekularbiologie <strong>und</strong> der Genetik wurden in den<br />

letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte gemacht. Diese erlaubten ein Ausrichten der<br />

<strong>Krebs</strong>behandlung auf die molekularen Fehler, welche spezifisch in <strong>Krebs</strong>zellen zu finden sind.<br />

Die nächsten Kapitel werden folgende Themen behandeln:<br />

Spezifischere<br />

Antikrebs-<br />

<strong>Therapien</strong>, die<br />

nur auf die<br />

Tumorzellen<br />

wirken <strong>und</strong> die<br />

ges<strong>und</strong>en,<br />

normalen Zellen<br />

schonen, wären<br />

weniger toxisch<br />

für den Patienten<br />

<strong>und</strong> würden<br />

weniger<br />

finanzielle Mittel<br />

benötigen.<br />

● Beschreiben von normalem Zellwachstum <strong>und</strong> Zellvermehrung <strong>und</strong> wie diese kontrolliert<br />

werden<br />

● Die Zellveränderungen <strong>und</strong> -Anomalien, die zum Zusammenbruch der Kontrolle von<br />

Zellwachstum <strong>und</strong> zur Produktion maligner Zellen führen<br />

● Erklären, wie das menschliche Immunsystem arbeitet <strong>und</strong> das Potential beschreiben, das in<br />

der Verwendung des Immunsystems für die <strong>Krebs</strong>behandlung liegt<br />

● Aufzeigen wie diese Erkenntnisse in der Entwicklung sowohl unspezifischer als auch<br />

spezifischer biologischer <strong>Therapien</strong> genutzt wurden.<br />

1.19


1<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. <strong>Krebs</strong> stellt ein globales Ges<strong>und</strong>heitsproblem dar, aber es gibt Unterschiede zwischen den<br />

verschiedenen Ländern bezüglich Häufigkeit, <strong>Krebs</strong>art <strong>und</strong> Mortalität. Welche Einflüsse sind<br />

für diese Unterschiede verantwortlich?<br />

2. <strong>Krebs</strong>prävention kann unterteilt werden in primäre, sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> tertiäre Prävention.<br />

Geben Sie bitte vier Beispiele für die primäre Prävention, drei für die sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> zwei<br />

für die tertiäre.<br />

3. Therapeutische Möglichkeiten sind stark abhängig vom Tumorstadium. Zählen Sie bitte drei<br />

Hauptgründe für chirurgische Behandlungen auf <strong>und</strong> erklären Sie diese.<br />

4. Andere Therapiemöglichkeiten sind Radio<strong>the</strong>rapie, Hormon<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />

Erklären Sie kurz das Hauptziel dieser drei Therapiearten <strong>und</strong> ihre wichtigsten<br />

Nebenwirkungen.<br />

5. Beschreiben Sie Methoden zur Verbesserung der Spezifität <strong>und</strong> Zielgenauigkeit von<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapien.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.1.<br />

1.20


Zellwachstumskontrolle <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />

2<br />

Einführung<br />

Um die Entwicklung von <strong>Krebs</strong> zu verstehen <strong>und</strong> damit auch vernünftige Behandlungsansätze zu<br />

finden, ist es nötig, sowohl die innere Funktion von Zellen als auch die Interaktionen zwischen<br />

<strong>und</strong> innerhalb von Zellen zu verstehen. <strong>Krebs</strong>zellen proliferieren (vermehren sich) schnell <strong>und</strong><br />

besitzen spezielle Eigenschaften, die sie befähigen, in umgebende Gewebe einzudringen <strong>und</strong><br />

diese zu besiedeln.<br />

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über den normalen Zellteilungsprozess <strong>und</strong> die<br />

Mechanismen, die ihn kontrollieren. Die normale Überprüfung der Zellreproduktion wird durch<br />

eine Reihe von wichtigen Faktoren gewährleistet, die proliferative oder antiproliferative Signale<br />

an die Zellen schicken. Wachstumsfaktoren, die an Wachstumsfaktor-Rezeptoren binden, sind<br />

äusserst wichtige Signal-Moleküle. Ihre Rolle in Zellwachstum <strong>und</strong> Zellteilung wird diskutiert.<br />

Physikalische Fähigkeiten wie die Verankerung von Zellen an einem Gr<strong>und</strong>gerüst (Matrix) <strong>und</strong><br />

die Zell-Seneszenz (Zellalterung) spielen ebenfalls eine Rolle bei der Kontrolle des<br />

Zellwachstums.<br />

Die Kenntnis dieser Prozesse, welche die normale Zell-Proliferation kontrollieren <strong>und</strong> die<br />

normale Ergänzung von ges<strong>und</strong>en Zellen im Körper gewährleisten, ist entscheidend für das<br />

Verständnis der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>. Veränderungen, die stattfinden, um diese<br />

Kontrollmechanismen zu überwinden <strong>und</strong> welche die aussergewöhnliche Zell-Proliferation<br />

verursachen, werden in späteren Kapiteln beschrieben.<br />

2.1


2<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Welche Eigenschaften unterscheiden <strong>Krebs</strong>zellen von normalen Zellen?<br />

2. Der Zellzyklus ist ein geordneter Ablauf von Ereignissen, bei denen eine Zelle ihren Inhalt<br />

verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt. Was sind die Ziele des Zellzyklus?<br />

3. Die Mitose ermöglicht es den Zellen, zu proliferieren, während die korrekte diploide Zahl<br />

von Chromosomen in jeder Zelle erhalten bleibt. Erklären Sie, wie Chromosomen von einer<br />

Eizelle <strong>und</strong> einem Spermium zusammengefügt werden können, während die korrekte<br />

Chromosomenzahl aufrechterhalten wird.<br />

4. Der Zellzyklus wird durch Prüfstellen <strong>und</strong> spezifische biochemische <strong>und</strong> physikalische<br />

Faktoren, die den Zyklus beeinflussen, gut kontrolliert. Beschreiben Sie die Rolle der<br />

Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> der Zell-Verankerung in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.3.<br />

2.2


2<br />

Übersicht über die Zellteilung<br />

Einführung<br />

Zellteilung, -wachstum, -differenzierung <strong>und</strong> programmierter Zelltod (Apoptose) sind wichtige<br />

Funktionalitäten für eine normal funktionierende Zelle. <strong>Krebs</strong>zellen haben zwei Eigenschaften,<br />

die sie von normalen Zellen unterscheiden:<br />

● Sie proliferieren (vermehren sich) rasch <strong>und</strong> unkontrolliert. Dieses Wachstum wird<br />

neoplastisch genannt.<br />

● Sie haben spezielle Fähigkeiten, die ihnen erlauben, in das umgebende Gewebe<br />

einzudringen <strong>und</strong> es zu besiedeln, was bedeutet, dass die Zellen bösartig sind.<br />

Die meisten Körperzellen sind eukaryotisch, also Zellen, die einen Kern enthalten (Abbildung<br />

2.1). Ausnahmen sind bei den reifen roten Blutkörperchen zu finden. Im Zellkern liegen die<br />

Chromosomen, welche auf ihrer DNA (Desoxyribonukleinsäure, das A steht für englisch acid)<br />

die notwendige Information zur Syn<strong>the</strong>se von Proteinen (Eiweissen) enthalten. Proteine sind<br />

nötig für den Aufbau von Zellen (Zellgerüst), die Kontrolle von Zellprozessen <strong>und</strong> zur Regelung<br />

des Zusammenspiels zwischen den Zellen.<br />

Endoplasmatisches<br />

Retikulum<br />

Lysosomen<br />

Mitochondrien<br />

Mikrotubulus<br />

Zytoplasma<br />

Chromosom<br />

Lipid-<br />

Membranen<br />

Zellkern<br />

Rezeptor<br />

Plasmamembran<br />

Ionen-Pumpe<br />

Abbildung 2.1. Zelle mit den wichtigsten Zellstrukturen, schematisch dargestellt.<br />

Menschliche Zellen besitzen 46 Chromosomen (22 autosomale Paare plus ein Paar Sexual-<br />

Chromosomen) (Abbildung 2.2). Zellen, die zwei Serien genau gleicher Chromosomen<br />

enthalten, also auch zwei Kopien von jedem Gen, werden als diploide Zellen bezeichnet. Jedes<br />

Chromosom besteht aus zwei langen, spiralförmig aufgewickelten DNA-Strängen, die sich<br />

zusammendrehen <strong>und</strong> eine DNA-Doppelspirale formen (Abbildung 2.3). Die DNA besteht aus<br />

vier verschiedenen Gr<strong>und</strong>bausteinen: den Basen Adenin, Cytosin, Thymin <strong>und</strong> Guanin, die sich<br />

locker zu Paaren zusammenfügen. Jeweils drei Basen bilden die Gr<strong>und</strong>bausteine des<br />

genetischen Codes. In ihrer Reihenfolge ist die genetische Information gespeichert. Gene sind<br />

Abschnitte der DNA, die für vererbte physikalische Eigenschaften zuständig sind (wie zum<br />

Beispiel Augen- <strong>und</strong> Haarfarbe) <strong>und</strong>, noch wichtiger, für den Aufbau <strong>und</strong> die Funktion aller<br />

Menschliche<br />

Zellen besitzen<br />

46<br />

Chromosomen.<br />

2.3


2<br />

1–3 4–5 1–3 4–5<br />

6–12 6–12<br />

13–15 16–18 13–15 16–18<br />

19–20 21–22 X–X 19–20 21–22 X–Y<br />

Weiblich<br />

Männlich<br />

Abbildung 2.2. Die 46 menschlichen Chromosomen.<br />

Kurzer Arm<br />

Zentromer<br />

Langer Arm<br />

DNA<br />

Chromosom<br />

Abbildung 2.3. Schematisches Diagramm eines menschlichen Chromosoms mit einer angedeuteten<br />

Doppelspiralstruktur der DNA.<br />

Zellen. Um diese Eigenschaften an die Nachkommen weiterzugeben <strong>und</strong> um die Zellerneuerung<br />

zu gewährleisten <strong>und</strong> damit das Gleichgewicht zwischen Zellwachstum <strong>und</strong> Zelltod im Körper<br />

zu erhalten, machen alle Zellen den Prozess von DNA-Replikation <strong>und</strong> Zellteilung durch.<br />

Der Zellzyklus<br />

Eine normale Abfolge, bei der eine Zelle ihren Inhalt verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt, wird<br />

Zellzyklus genannt. Zellteilung ist bei Erwachsenen lebenswichtig, weil sie dazu dient,<br />

diejenigen Zellen zu ersetzen, die aufgr<strong>und</strong> natürlicher Abnutzung oder durch den<br />

programmierten Zelltod (Apoptose) verloren gehen. Ein erwachsener Mensch muss jede<br />

Sek<strong>und</strong>e mehrere Millionen neuer Zellen produzieren, um eine gleich bleibende Anzahl Zellen<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

2.4


2<br />

Die Ziele des Zellzyklus sind:<br />

● zwei genetisch identische Tochterzellen zu produzieren, indem die DNA in den<br />

Chromosomen der Mutterzelle genau kopiert (repliziert) wird<br />

● die Chromosomen genau zwischen den zwei Tochterzellen zu verteilen<br />

● die zytoplasmatischen Komponenten zu verdoppeln.<br />

Diese Anforderungen bedeuten, dass eine komplexe Serie von Abläufen während des<br />

Zellzyklus zwischen Kern <strong>und</strong> Zytoplasma miteinander koordiniert werden müssen. Die Abläufe<br />

die einen Zellzyklus ausmachen sind in Abbildung 2.4. dargestellt.<br />

Restriktionspunkt<br />

G1-Phase<br />

(zwischen Mitose<br />

<strong>und</strong> DNA-Syn<strong>the</strong>se)<br />

S-Phase<br />

(DNA-Syn<strong>the</strong>se)<br />

Mitose<br />

(Zellteilung)<br />

G2-Phase<br />

(zwischen S-Phase<br />

<strong>und</strong> Mitose)<br />

Abbildung 2.4. Der Zellzyklus.<br />

Ablauf der Zellteilung<br />

Während des Zellzyklus wachsen Zellen, bereiten sich für die Teilung vor <strong>und</strong> teilen sich, um<br />

wieder zwei identische Tochterzellen zu produzieren, die dieselbe genetische Information wie<br />

die Mutterzelle enthalten. Der Zellzyklus besteht aus vier Phasen:<br />

● G1 (Pause 1) (G aus dem englischen für gap = Lücke)<br />

● S (Syn<strong>the</strong>se)<br />

● G2 (Pause 2)<br />

● M (Mitose).<br />

G1, S <strong>und</strong> G2 gehören zusammen zur so genannten Interphase, die vor der Mitose<br />

stattfindet. Wenn eine Zelle die S-Phase erreicht hat, muss sie normalerweise danach in die G2-<br />

Phase eintreten <strong>und</strong> sich in der Mitose teilen.<br />

Der Zyklus beginnt mit der vorbereitenden Phase G1, während der alle zur Zellteilung<br />

benötigten Komponenten zusammengestellt werden. Die DNA-Replikation oder DNA-<br />

Verdoppelung geschieht in der S- oder Syn<strong>the</strong>se-Phase. Die Bildung von Chromatin (DNA <strong>und</strong><br />

Proteine, welche sich an die DNA anlagern, z.B. Histone) geschieht ebenfalls in der S-Phase.<br />

2.5


2<br />

Chromatin enthält zwei identische Sätze von Chromosomen (Chromatide). Nach der S-Phase<br />

tritt die Zelle in die G2-Phase ein, in der Zellwachstum <strong>und</strong> Metabolismus erfolgt, die wiederum<br />

von der M- oder Zellteilungsphase gefolgt wird. Dieser letzte Abschnitt des Zellzyklus geht<br />

einher mit der Kernteilung, einem Prozess der Mitose genannt wird, <strong>und</strong> dem die Zytoplasma-<br />

Teilung folgt.<br />

Mitose<br />

Mitose ist das Stadium der Zellkernteilung in der M-Phase des Zellzyklus. Während der Mitose<br />

ist es entscheidend, dass eine Zelle eine Gesamtzahl von 46 Chromosomen bekommt, also<br />

sollte jede Tochterzelle zwei Kopien von jedem Chromosom erhalten (diploider Zustand). Damit<br />

wir leichter verstehen können, was während der Mitose geschieht, ist der Prozess in vier<br />

Schritte unterteilt: Prophase, Metaphase, Anaphase <strong>und</strong> Telophase (Abbildung 2.5).<br />

Interphase<br />

Frühe Prophase<br />

Späte Prophase<br />

Metaphase<br />

Anaphase<br />

Telophase<br />

Abbildung 2.5. Darstellung der Mitose-Phasen.<br />

Prophase (Anfangsform)<br />

Nach der Replikation jedes Chromosoms, in der S-Phase des Zellzyklus, zieht sich jedes<br />

Chromosom zusammen, wird kürzer <strong>und</strong> dichter aufgewickelt <strong>und</strong> nimmt eine Doppelstrang-<br />

Form an, die es sichtbarer macht. In diesem Stadium besteht jedes Chromosom aus zwei<br />

identischen, längs laufenden Teilen, den Chromatiden. Diese sind zusammengefügt durch eine<br />

Struktur, die Zentromer genannt wird. Gegen das Ende der Prophase löst sich die Kernmembran<br />

auf <strong>und</strong> der Zellkern ist nicht mehr abgrenzbar.<br />

Metaphase (Mittlere Form)<br />

Während der mittleren Phase werden die Kernspindeln, die aus Mikrotubuli bestehen, im<br />

Lichtmikroskop deutlich sichtbar. Diese Spindeln sind Polymere, die beim Ausführen von<br />

Bewegungen der Zellstrukturen mi<strong>the</strong>lfen. Während der Metaphase verlaufen sie vom Zentrum<br />

des Zellkerns auswärts zu den Polen. In der frühen Metaphase scheinen sich die Chromosomen<br />

zu bewegen <strong>und</strong> in einer Fläche rechtwinklig zu den Spindeln aufzureihen (an der Metaphasen-<br />

Platte). Die Chromosomen werden an den Zentromeren zu den Spindelpolen gezogen.<br />

2.6


2<br />

Anaphase<br />

Am Anfang der Anaphase binden die Zentromere die zwei Chromatiden jedes Chromosoms<br />

separat, so dass die einzelnen Chromatiden eine V-förmige Form annehmen. Von diesem<br />

Moment an verhält sich jeder Chromatid wie ein einzelnes Chromosom. Die zwei Chromatiden<br />

eines Chromosoms werden zu den entgegen gesetzten Polen der Zelle gezogen mit dem<br />

unteren Teil der V-Form zum Pol hin.<br />

Telophase (Endform)<br />

Während der Telophase verschwinden die Spindeln <strong>und</strong> die Kernmembran bildet sich wieder<br />

um die beiden vollständigen Chromosomen-Sets. Die Chromosomen entfalten sich wieder zu<br />

Chromatin. Die zwei Tochterzellen enthalten die gleiche Zahl von Chromosomen <strong>und</strong> jede ist<br />

eine identische Kopie der ursprünglichen Mutterzelle. Wenn diese Prozesse abgeschlossen sind,<br />

beginnt der Zellzyklus von neuem mit der Interphase.<br />

Meiose<br />

Wie vorher beschrieben, ist die Mitose die Zellteilung somatischer Zellen mit dem Ziel, die<br />

korrekte Chromosomenzahl (46) in jedem Zellkern zu erhalten. Die sexuelle Reproduktion<br />

schliesst die Kombination <strong>und</strong> das Mischen der Gene von zwei Individuen ein <strong>und</strong> so werden<br />

Zellen geschaffen, die sich genetisch von denen der beiden Eltern unterscheiden. Das<br />

Kombinieren zweier diploider Zellen würde die Chromosomenzahl auf 92 verdoppeln. Dies<br />

wird jedoch verhindert durch den Prozess der Meiose (Reduktionsteilung), die nur in den<br />

Reproduktionsorganen, welche Spermien <strong>und</strong> Eier produzieren, stattfindet.<br />

Die Meiose besteht aus zwei aufeinander folgenden Zell- <strong>und</strong> Kernteilungen, aber nur einer<br />

DNA-Replikation. Es werden vier haploide Tochterzellen aus einer anfänglich diploiden Zelle<br />

produziert. Dies bedeutet, dass jede Tochterzelle 23 Chromosomen hat. Wenn nun ein<br />

Spermium ein Ei befruchtet, wird die diploide Zahl von Chromosomen (46) wieder hergestellt.<br />

Diese Prozesse der Zell- <strong>und</strong> Kernteilung unterscheiden sich von einander <strong>und</strong> werden deshalb<br />

Meiose I <strong>und</strong> Meiose II genannt. Meiose I <strong>und</strong> II werden aber in die gleichen vier Phasen wie<br />

die Mitose eingeteilt:<br />

Prophase I, Metaphase I, Anaphase I, Telophase I, gefolgt von<br />

Prophase II, Metaphase II, Anaphase II <strong>und</strong> Telophase II.<br />

Meiose I<br />

Wie die Mitose, beginnt auch die Meiose I (Abbildung 2.6) mit dem G1-Stadium, während<br />

dem die Zellen sich auf die Teilung vorbereiten. Die Mehrheit der DNA wird während der<br />

prämeiotischen Phase S verdoppelt, obwohl auch im ersten Abschnitt der Prophase der Meiose<br />

I etwas DNA hergestellt wird.<br />

Prophase I<br />

Die Prophase I der Meiose ist anders als die Prophase der Mitose. In der Prophase I werden die<br />

homologen Chromosomen, bestehend aus je zwei Chromatiden, in Paaren aufgestellt. Diese<br />

Chromosomenpaare erscheinen als Einheit von je 4 Chromatiden, von denen immer das<br />

zusammengehörige Chromosomenpaar aneinandergekettet ist. In diesem Stadium sind die<br />

Chromosomenpaare mit der Kernmembran verb<strong>und</strong>en. Wenn sich die Kernmembran auflöst,<br />

werden Spindeln wie in der Mitose gebildet <strong>und</strong> die Chromosomen beginnen sich in der Mitte<br />

2.7


2<br />

Frühe Prophase I<br />

Späte Prophase I<br />

Metaphase I<br />

Frühe Anaphase I<br />

Spätere Anaphase I<br />

Abbildung 2.6. Darstellung der Phasen der Meiose I.<br />

zwischen den zwei Zellpolen aufzureihen (Metaphasen-Platte). Die Prophase I ist die längste<br />

Phase in der Meiose I <strong>und</strong> nimmt etwa 90% der ganzen Meiose in Anspruch. Deshalb wird sie<br />

manchmal in Leptotän, Zygotän, Pachytän, Diplotän <strong>und</strong> Diakinese unterteilt. Diese Ausdrücke<br />

beschreiben die oben genannten Stadien.<br />

Metaphase I<br />

Die Chromosomenpaare sind aufgereiht in der Metaphasenplatte. Die zwei Chromosomen die<br />

ein Paar bilden, werden zur Vorbereitung auf die Anaphase I an Spindelfäden an den zwei<br />

gegenüber liegenden Polen des Zellkerns angeb<strong>und</strong>en.<br />

Anaphase I<br />

Während der Anaphase I werden die Chromosomen zu den Polen gezogen. Im Gegensatz zur<br />

Mitose bleiben die Chromatiden am Zentromer angeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bewegen sich als Einheit. So<br />

werden homologe Zellen zu den zwei Polen gezogen, mit dem Ergebnis, dass die<br />

Chromosomenzahl in jedem neu geformten Zellkern die Hälfte der ursprünglichen Mutterzelle<br />

beträgt.<br />

Telophase I<br />

Eine Kernmembran bildet sich um jedes neue Chromosomenset in den Kernen. Wie oben<br />

erwähnt, sind diese neuen Kerne haploid, enthalten also nur die Hälfte der normalen<br />

Chromosomenzahl. So sind zum Beispiel in den menschlichen Zellen, welche die Spermien<br />

produzieren, die 46 Chromosomen halbiert, so dass in den Tochterzellen nur 23 Chromosomen<br />

verbleiben. Jedoch ist es wichtig zu wissen, dass jedes dieser Chromosomen zwei Chromatiden<br />

enthält.<br />

Nach der Bildung der zwei Zellkerne teilt sich die Zelle <strong>und</strong> bildet zwei Tochterzellen.<br />

Meiose II<br />

Die Meiose II ist gleich wie die Mitose (Abbildung 2.5), aber die betroffenen Zellen sind<br />

haploid statt diploid.<br />

Prophase II<br />

Es bilden sich Spindeln im Kern <strong>und</strong> die Chromosomen beginnen, sich in Richtung der<br />

Metaphasenplatte zu bewegen.<br />

2.8


2<br />

Metaphase II<br />

Die Chromosomen reihen sich mit den Chromatiden in der Metaphasenplatte, in Richtung der<br />

beiden gegenüberliegenden Pole, auf. Es ist wichtig anzumerken, dass jetzt jedes der 23<br />

Chromosomen einzeln ist.<br />

Anaphase II<br />

Die Zentromere spalten sich <strong>und</strong> die zwei Chromatiden, die vorher ein Chromosom gebildet<br />

hatten, werden zu den beiden gegenüber liegenden Polen gezogen.<br />

Telophase II<br />

Zum Schluss bilden sich Kernmembranen um die Chromatiden, welche nun an den Polen liegen<br />

<strong>und</strong> als Chromosomen angesehen werden können. Die Zelle teilt sich <strong>und</strong> bildet zwei haploide<br />

Tochterzellen.<br />

Meiose<br />

Mitose<br />

DNA-Replikation<br />

Meiose I<br />

Homologes<br />

Chromosomenpaar an<br />

der Metaphasenplatte<br />

Zellteilung<br />

Homologe<br />

Chromosomen sind<br />

getrennt an der<br />

Metaphasenplatte<br />

Meiose II<br />

Zellteilung<br />

4 haploide Tochterzellen 2 diploide Tochterzellen<br />

Abbildung 2.7. Vergleich zwischen Mitose <strong>und</strong> Meiose.<br />

2.9


2<br />

Auf diese Art bildet die Meiose vier Tochterzellen aus einer ursprünglichen Mutterzelle (zwei<br />

Tochterzellen werden in der Meiose I gebildet <strong>und</strong> jede davon bildet dann in der Meiose II zwei<br />

zusätzliche Tochterzellen). Jede Tochterzelle enthält eine haploide Chromosomenzahl. In<br />

Abbildung 2.7 werden diese vier Tochterzellen verglichen mit den zwei diploiden Tochterzellen<br />

der Mitose.<br />

Die Bedeutung von Mitose <strong>und</strong> Meiose<br />

Die korrekte Zellteilung (Mitose <strong>und</strong> Meiose) ist entscheidend für die Aufrechterhaltung von<br />

Organfunktion <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Deshalb ist es lebenswichtig, dass die Prozesse, die die<br />

Zellteilung kontrollieren, normal funktionieren, um das Gleichgewicht zwischen Zelltod <strong>und</strong> der<br />

Bildung neuer Zellen zu erhalten. Ein Zusammenbruch dieser Kontrolle kann entweder zu<br />

Organ-Dysfunktion <strong>und</strong> Tod führen, wenn das Gleichgewicht sich zugunsten des Zelltods<br />

verschiebt, oder zu <strong>Krebs</strong>, wenn die Zellreplikation überwiegt. Die Kontrollfunktionen werden in<br />

folgenden Abschnitt erläutert.<br />

Faktoren <strong>und</strong> Signale, die an der Kontrolle der Zellteilung<br />

beteiligt sind<br />

Das Zellzyklus-Kontrollsystem<br />

Die Abfolge der Prozesse im Zellzyklus wird durch ein Zellzyklus-Kontrollsystem überwacht,<br />

welches zyklisch die wichtigen Prozesse der Zellreproduktion auslöst, wie zum Beispiel DNA-<br />

Replikation <strong>und</strong> Chromosomen-Trennung. Proteine, einschliesslich Proteinkinasen,<br />

Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre Rezeptoren arbeiten zusammen, um die wichtigen Prozesse der<br />

Verdoppelung <strong>und</strong> Teilung des Zellinhalts in Gang zu setzen <strong>und</strong> zu koordinieren. Dies schliesst<br />

die Stimulation <strong>und</strong> Hemmung der Gen-Aktivität im Zellkern ein, welche dann durch die<br />

Produktion von Proteinen ihre Wirkung ausüben. Kritische Prüfstellen (Checkpoints) <strong>und</strong><br />

regulierende Signale des Zellzyklus-Kontrollsystems stellen sicher, dass die Zellreproduktion<br />

richtig ausgeführt wird. Rückmeldungen vom Zellzyklus können verhindern, dass das<br />

Kontrollsystem spezifische Prüfstellen jedes Mal durchlaufen muss. Bei Säugetieren ist der<br />

wichtigste Kontrollpunkt im späten G1-Stadium <strong>und</strong> wird „Start“ genannt (Abbildung 2.8). Ein<br />

Anaphase<br />

G2 zu M<br />

M<br />

G2 G1<br />

G0 (Ruhephase)<br />

START oder R-Punkt<br />

S<br />

DNA-Syn<strong>the</strong>se<br />

G1 zu S<br />

Abbildung 2.8. Kontrollstellen im Zellzyklus.<br />

2.10


2<br />

Versagen dieser Kontrollstelle oder das Erwerben von Fähigkeiten, die das Überwinden dieser<br />

Kontrollstelle erlauben, sind wichtig für die Entstehung von <strong>Krebs</strong>. Zusätzlich zu „Start“<br />

beeinflussen auch physikalische Faktoren wie Zellverankerung <strong>und</strong> Seneszenz (Vergreisung) den<br />

Zellzyklus <strong>und</strong> haben auch ihre Rolle in der <strong>Krebs</strong>entstehung.<br />

Kontrollstellen<br />

Entscheidend für die korrekte Funktion des Zellzyklus-Kontrollsystems sind zwei Hauptfamilien<br />

von Proteinen:<br />

● Proteinkinase-Untergruppen genannt zyklin-abhängige Proteinkinasen (Cdk als Abkürzung<br />

für den englischen Ausdruck cyclin-dependent protein kinases)<br />

● Aktivierende Proteine genannt Zykline.<br />

Zykline binden Cdk-Moleküle <strong>und</strong> kontrollieren deren Fähigkeit zu phosphorylieren<br />

(Phosphatgruppen zuzufügen) <strong>und</strong> aktivieren so die dazugehörigen Zielproteine (Abbildung<br />

2.9). Diese zwei Proteinfamilien formen Proteinkomplexe in verschiedenen Kombinationen. Sie<br />

kontrollieren den Zellzyklus durch Phosphorylierung <strong>und</strong> damit Aktivierung von Proteinen<br />

(Kinase-Aktivität). Diese Proteinkomplexe sorgen auch für die Rückmeldung während der<br />

Zellteilung, welche gewährleistet, dass Zellen einen Zellzyklus beenden, bevor sie den nächsten<br />

beginnen.<br />

Kinase-Aktivität<br />

Zyklin<br />

M<br />

P<br />

Abgebautes<br />

Zyklin<br />

G 2<br />

G 1<br />

Cdk<br />

S<br />

Abgebautes<br />

Zyklin<br />

P<br />

Kinase-Aktivität<br />

Zyklin<br />

Abbildung 2.9. Aktivität von Cdk <strong>und</strong> Zyklin Molekülen in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />

Zusätzlich zu den Cdk <strong>und</strong> Zyklin-Molekülen arbeiten noch diverse andere<br />

Kontrollmechanismen, um den Zellzyklus zu kontrollieren. Eine andere wichtige Kontrollfunktion<br />

(p53) wirkt an Zellen mit defekter DNA <strong>und</strong> hindert diese, in die Mitose einzutreten, bis der<br />

Defekt behoben ist. Bei Säugetieren häuft sich dieses Protein p53 in der Zelle mit DNA-<br />

Schädigung an <strong>und</strong> führt so zu einem Zellzyklus-Stopp im G1-Stadium. Wie wir in Kapitel 3<br />

sehen werden, spielen Mutationen im p53-Protein eine wichtige Rolle bei der <strong>Krebs</strong>entstehung.<br />

Wachstumsfaktoren<br />

Bei Säugetieren sind spezifische positive Signale für das Zellwachstum <strong>und</strong> die Zellteilung<br />

notwendig. Viele dieser Signale sind Protein-Wachstumsfaktoren, welche sich an die<br />

2.11


2<br />

entsprechenden Rezeptoren in der Plasmamembran binden <strong>und</strong> so die Zellvermehrung<br />

stimulieren. Diese positiven Signale wirken, indem sie intrazellulär über negative Kontrollpunkte<br />

hinweggehen, welche sonst das Wachstum hindern <strong>und</strong> die Aktivität des Zellzyklus-<br />

Kontrollsystems blockieren würden. Wenn kultivierte Zellen ohne Serum gezüchtet werden,<br />

verfallen sie in einen Zellzyklus-Schlaf, in dem das Zellzyklus-Kontrollsystem daran gehindert<br />

wird, über das G1-Stadium hinauszukommen. Diese Schlaf-Phase ist bekannt als G0 <strong>und</strong> dieses<br />

Verhalten der Zellen wurde durch das Fehlen von Wachstumsfaktoren hervorgerufen.<br />

Wachstumsfaktoren sind:<br />

● Proteine<br />

● Polypeptide (kurze Proteine)<br />

● Steroide.<br />

Wachstumsfaktoren befinden sich in der Blutzirkulation oder nahe bei den Zellen, von denen sie<br />

abgesondert werden. Sie finden sich dort in nur sehr niedriger Konzentration. Trotzdem ist das<br />

Serum eine ergiebige Quelle für Wachstumsfaktoren. Bis heute sind etwa 50 Wachstumsfaktoren<br />

identifiziert worden; einige der wichtigsten sind in Tabelle 2.1 aufgeführt. Wachstumsfaktoren<br />

können in Breit- <strong>und</strong> Schmalspektrum Klassen eingeteilt werden. Diejenigen mit einem breiten<br />

Spektrum, wie in der Familie der Epidermal-Wachstumsfaktoren, beeinflussen das Wachstum<br />

vieler verschiedener Zelltypen, während der Wachstumsfaktor Erythropoietin, der nur die<br />

Vermehrung der Vorläufer roter Blutzellen veranlasst, ein Schmalspektrum-Rezeptor ist.<br />

. . . Ein<br />

spezifischer<br />

„Cocktail“<br />

oder eine<br />

Kombination<br />

verschiedener<br />

Wachstumsfaktoren<br />

wird für die<br />

Zellteilung<br />

benötigt.<br />

Hormone werden<br />

von endokrinen<br />

Zellen<br />

ausgeschieden<br />

<strong>und</strong> spielen eine<br />

wichtige Rolle bei<br />

der Stimulation<br />

der Zellteilung in<br />

hormonabhängigen<br />

Organen . . .<br />

Typischerweise wird ein spezifischer „Cocktail“ oder eine Kombination verschiedener<br />

Wachstumsfaktoren für die Zellteilung benötigt. Wachstumsfaktoren wirken auch als Kontrolle<br />

für das Überleben, die Differenzierung, Migration oder Funktion der Zellen. Studien haben<br />

gezeigt, dass benachbarte Zellen in Konkurrenz um Wachstumsfaktoren stehen <strong>und</strong> dass die<br />

Zelldichte aufgr<strong>und</strong> der Konzentration von Wachstumsfaktoren begrenzt wird.<br />

Die Gene, die durch Wachstumsfaktoren aktiviert werden, können in zwei Gruppen unterteilt<br />

werden: Gene mit früher Antwort <strong>und</strong> solche mit verzögerter Antwort. Die Gene mit früher<br />

Antwort werden innerhalb von 15 Minuten nach der Stimulation mit Wachstumsfaktoren<br />

aktiviert. Dieser Prozess geschieht unabhängig von der Protein-Syn<strong>the</strong>se. Die Gene, die am<br />

besten untersucht sind, sind die früh antwortenden Proto-Onkogene Myc (mitbeteiligt am<br />

Entstehen des Burkitt-Lymphoms <strong>und</strong> des Lungen-, Brust- <strong>und</strong> Zervikalkarzinoms), Fos<br />

(verschlüsselt einen Transkriptionsfaktor, der mit dem Produkt des Jun Proto-Onkogens<br />

zusammenarbeitet <strong>und</strong> die Transkriptionsrate von gewissen andern Genen verändert) <strong>und</strong> Jun.<br />

Im Gegensatz zu den früh antwortenden Genen, werden die verzögert antwortenden Gene<br />

frühestens eine St<strong>und</strong>e nach der Stimulation mit Wachstumsfaktoren hervorgerufen <strong>und</strong> sind<br />

Protein-Syn<strong>the</strong>se-abhängig. Die Faktoren, die diese verzögert antwortenden Gene hervorrufen,<br />

scheinen Produkte von früh antwortenden Genen zu sein, welche, wie schon gesagt, oft<br />

regulierende Funktionen haben. Zu den Genen mit verzögerter Antwort gehören diejenigen,<br />

welche Cdk-Proteine kodieren <strong>und</strong> auch gewisse Zykline. Diese Proteine sind alle an der<br />

Zellzyklus-Regulation mitbeteiligt.<br />

Hormone <strong>und</strong> Wachstumsfaktoren<br />

Hormone werden von endokrinen Zellen ausgeschieden <strong>und</strong> spielen eine wichtige Rolle bei der<br />

Stimulation der Zellteilung in hormonabhängigen Organen, wie zum Beispiel in der Brust, im<br />

Endometrium <strong>und</strong> in den Ovarien. Übermässige Hormonstimulierung geht einher mit vermehrter<br />

Zellteilung, was eine Wachstumsstimulation maligner Tumorzellen bewirken kann, vor allem,<br />

wenn diese Wirkung mit einer Veränderung in der DNA-Struktur einer Zelle kombiniert ist.<br />

2.12


2<br />

Tabelle 2.1. Protein-Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre Aktivitäten<br />

Faktor Verwandte Familienmitglieder Spezifität Charakteristische Tätigkeiten<br />

Platelet-derived growth factor (PDGF) Breit Stimulieren die Proliferation der Bindegewebszellen<br />

[von Thrombozyten gebildeter <strong>und</strong> einiger neuroglialer Zellen<br />

Wachstumsfaktor] – drei Unterformen<br />

Epidermal growth factor (EGF) Transforming growth factor α (TGF-α) Breit Stimulieren die Proliferation vieler Zelltypen; sind<br />

[Epidermaler Wachstumsfaktor] [Transformierender Wachstumsfaktor α] Induktionssignal in der Embryonalentwicklung<br />

Insulin-like growth factor (IGF-I) Insulin-like growth factor II (IGF-II) Breit Fördern das Zellüberleben; stimulieren den<br />

[Insulinähnlicher Wachstumsfaktor I] [Insulinähnlicher Wachstumsfaktor II]; Zellmetabolismus; arbeiten mit andern<br />

Insulin Wachstumsfaktoren zusammen, um die Zell-<br />

Proliferation zu stimulieren<br />

Transforming growth factor β (TGF-β) Aktivine; bone morphogenetic proteins Breit Potenzieren oder hemmen Antworten der meisten<br />

[Transformierender Wachstumsfaktor β] – (BMPs) [Proteine zur Knochen-Entstehung] Zellen auf andere Wachstumsfaktoren, abhängig vom<br />

verschiedene Unterformen Zelltyp; regulieren Differenzierung einiger Zelltypen;<br />

wirken als Induktionssignal in der embryonalen<br />

Entwicklung<br />

Fibroblast growth factor (FGF) Breit Stimulieren Proliferation vieler Zelltypen; hemmen<br />

[Fibroblasten-Wachstumsfaktor] – Differenzierung verschiedener Typen von<br />

verschiedene Unterformen Stammzellen; wirken als Induktionssignal in der<br />

embryonalen Entwicklung<br />

Interleukin-2 (IL-2) Schmal Stimulieren Proliferation aktivierter<br />

Lymphozyten<br />

Nerve growth factor (NGF) Brain-derived neurotrophic factor (BDNF) Schmal Fördern Überleben <strong>und</strong> Nervenzellfunktion; fördern<br />

[Nerven-Wachstumsfaktor] [Hirn/Nerven-Wachstumsfaktor]; Wachstum von spezifischen Nervenzell-Klassen<br />

Neutrophin-3 (NT-3); Neutrophin-4 (NT-4)<br />

Erythropoetin Schmal Fördern Proliferation, Differenzierung<br />

<strong>und</strong> Überleben von Vorläufern der Erythrozyten<br />

Granulocyte colony-stimulating factor (G-CSF) Macrophage colony-stimulating factor Schmal Stimulieren Proliferation, Differenzierung <strong>und</strong><br />

[Wachstumsfaktor für Granulozyten] (M-CSF) <strong>und</strong> granulocyte-macrophage Überleben von neutrophilen Granulozyten<br />

colony-stimulating factor (GM-CSF)<br />

[Wachstumsfaktoren für Makrophagen<br />

<strong>und</strong> Granulozyten]; Interleukin-3 (IL-3)<br />

2.13


2<br />

Zytokine sind Peptid-Hormone, die von Zellen des Immunsystems produziert werden. Sie haben<br />

spezifische Effekte auf die Zellen des Immunsystems. Ihre Wirkung entfalten sie durch Bindung<br />

an spezielle Rezeptoren an der Zelloberfläche. Zytokine wirken schon in kleinsten<br />

Konzentrationen <strong>und</strong> können lokal wirken, entweder an andern Zelltypen (parakrin), am selben<br />

Zelltypus (autokrin) oder systemisch (endokrin). Wie in Kapitel 6 beschrieben, hat die Erkenntnis<br />

über die Auswirkungen der Zytokine auf das Immunsystem zur Entwicklung <strong>the</strong>rapeutischer<br />

Strategien geführt.<br />

Zellen können auf<br />

einen<br />

Wachstumsfaktor<br />

nur antworten,<br />

wenn auch das<br />

dazugehörige<br />

Rezeptor-Protein<br />

vorhanden ist.<br />

Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />

Wachstumsfaktoren üben ihre Wirkung aus, indem sie an Rezeptoren binden, die sich meist an<br />

der Zelloberfläche befinden. Zellen können auf einen Wachstumsfaktor nur antworten, wenn<br />

auch das dazugehörige Rezeptor-Protein vorhanden ist. Die Rezeptor-geb<strong>und</strong>enen<br />

Wachstumsfaktoren bewirken eine Signalübertragung an die Zelle. Die Zelle wird zu einer<br />

Antwort stimuliert, z.B. zur Ausschüttung oder Hemmung von Proteinen, die die Zellfunktion<br />

kontrollieren. In Kapitel 3 werden Sie sehen, wie diese Wachstumskontrolle ausgeübt wird. Dies<br />

geschieht durch die Fähigkeit der Wachstumsfaktor-Rezeptoren, die intrazelluläre<br />

Phosphorylierung zu stimulieren, was wiederum zu Veränderungen in der Gen-Expression führt.<br />

Die Rezeptoren für die meisten Wachstumsfaktoren sind transmembrane tyrosin-spezifische<br />

Proteinkinasen, also Enzyme, welche andere Proteine an Tyrosinen phosphorylieren. Beispiel<br />

dafür ist der menschliche epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor-2 (HER2).<br />

Notwendigkeit einer Verankerung<br />

Physikalische Faktoren beeinflussen den Zellzyklus ebenfalls. Zum Beispiel müssen die meisten<br />

Zellen an eine Basis verankert sein, damit sie sich teilen können. Diese Notwendigkeit ist<br />

gegeben durch eine Verankerungskontrolle, die am G1 Kontrollpunkt arbeitet. Wahrscheinlich<br />

spielen intrazelluläre Signale eine wichtige Rolle in der Regulation des Zellzyklus-Kontrollsystems<br />

vieler Zellarten. Diese Signale werden dort, wo die Zellen aneinander haften, gebildet.<br />

Physischer Kontakt erlaubt den Zellen, miteinander zu kommunizieren. Es ist interessant, dass<br />

<strong>Krebs</strong>zellen in Tumoren spezielle Fähigkeiten haben, die es ihnen erlauben, ohne diese<br />

Verankerungsabhängigkeit zu funktionieren. So können sie sich von der intrazellulären Matrix,<br />

die sie an ihren Ort fixieren würde, loslösen, sich mit den Körperflüssigkeiten an andere Stellen<br />

im Körper begeben (metastasieren) <strong>und</strong> so Metastasen bilden (Abbildung 2.10).<br />

Gutartiger Tumor<br />

im Epi<strong>the</strong>l<br />

Basalmembran<br />

Tumor bricht durch<br />

Basalmembran<br />

Tumorzellen dringen in Kapillare<br />

ein <strong>und</strong> wandern an andere<br />

Stellen (Metastasierung)<br />

. . . die meisten<br />

Zellen müssen an<br />

eine Basis<br />

verankert sein,<br />

damit sie sich<br />

teilen können.<br />

Bindegewebe<br />

Kapillare<br />

Abbildung 2.10. Die Stadien in denen <strong>Krebs</strong>zellen fähig sind, sich von der intrazellulären Matrix<br />

loszulösen <strong>und</strong> zu metastasieren. Copyright 1999 aus: Molecular Biology of <strong>the</strong> Cell von Alberts B<br />

et al. Abgedruckt mit der Erlaubnis von Routledge, Inc., part of The Taylor & Francis Group.<br />

2.14


2<br />

Zell-Seneszenz<br />

Die Vermehrung von Zellen ist nicht nur von der Zellumgebung, sondern auch von der<br />

Geschichte der Zelle abhängig. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zelle ins G0-Stadium<br />

eintritt <strong>und</strong> in einen Ruhezustand kommt, abhängig von der Anzahl Zellteilungen, die sie schon<br />

hinter sich hat. Dies ist beschrieben als Zell-Seneszenz oder Zellalterung. Die Zell-Seneszenz<br />

wird sichtbar, wenn versucht wird, permanente Kulturen normaler Zellen zu züchten, <strong>und</strong> zum<br />

Beispiel Fibroblasten nur etwa 50 Zellteilungen machen, wenn sie in Kulturen gezüchtet<br />

werden.<br />

Ausserdem wird die Proliferation langsamer, wenn die Kultur älter wird. Dies ist jedoch nicht in<br />

der genetischen Veranlagung der Zelle vorgegeben, weil verschiedene Zellen des gleichen Typs<br />

in derselben Zellpopulation zu verschiedenen Zeiten aufhören, sich fortzupflanzen. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass die Reproduktion aufhört, steigt jedoch mit jeder Generation. Dieses<br />

Phänomen scheint einherzugehen mit einer Verkürzung der Telomere, vielleicht wegen eines<br />

Mangels am Enzym Telomerase, welches die Telomere produziert.<br />

Apoptose – programmierter Zelltod<br />

Die meisten Zellen sind so programmiert, dass sie auf eine spezielle Reihe von Signalen<br />

angewiesen sind, um überleben zu können (Abbildung 2.11). Wenn eine Zelle diese<br />

bestimmten Überlebens-Signale nicht mehr bekommt, aktiviert sie ein Suizid-Programm <strong>und</strong> tötet<br />

sich selber. Dieser Prozess wird programmierter Zelltod oder Apoptose genannt. Die Apoptose<br />

wird auch aktiviert durch spezielle Moleküle, die ein Todes-Signal geben. Todes-Signale werden<br />

von aussen zu verschiedenen Organellen im Innern einer Zelle übermittelt. So bringt zum<br />

. . . die<br />

Wahrscheinlichkeit,<br />

dass die<br />

Zelle ins<br />

G0-Stadium<br />

eintritt <strong>und</strong> in<br />

einen<br />

Ruhezustand<br />

kommt, ist<br />

abhängig von<br />

der Anzahl<br />

Zellteilungen, die<br />

sie schon hinter<br />

sich hat.<br />

A<br />

B<br />

Überleben<br />

C<br />

A<br />

B<br />

Teilen<br />

C<br />

A<br />

D<br />

E<br />

B<br />

Differenzieren<br />

C<br />

F<br />

G<br />

Sterben<br />

Abbildung 2.11. Extrazelluläre Signale führen zum Überleben, zur Teilung, zur Differenzierung <strong>und</strong><br />

zum Tod der Zelle.<br />

2.15


2<br />

Beispiel das im Zytosol vorkommende Protein Bid ein Todes-Signal von der Zellmembran zum<br />

Mitochondrium <strong>und</strong> veranlasst die äussere Membran des Mitochondriums, durchlässig zu<br />

werden, was dann zum raschen Zerfall der Zelle führt.<br />

Zusammenfassung<br />

Zellen vermehren sich durch einen hochkomplexen Prozess, den Zellzyklus. Die Kern-Replikation<br />

<strong>und</strong> -Teilung sind wichtige Stadien des Zellzyklus. Zellen die nichts mit der sexuellen<br />

Vermehrung zu tun haben, also die Mehrheit der Zellen, vermehren sich durch Mitose, während<br />

Sexualzellen sich durch Meiose vermehren. Das Zellzyklus-Kontrollsystem überwacht den<br />

Zellzyklus mit einem Hauptkontrollpunkt in der G1-Phase. Zellen vermehren sich normalerweise<br />

erst, wenn sie von andern Zellen spezifische Signale empfangen, die ihnen die Vermehrung<br />

befehlen. Wachstumsfaktoren sind wichtige Moleküle, die den Zellen den Befehl geben, sich zu<br />

vermehren. Zusätzlich müssen die meisten Zellen in einer Unterlage verankert sein, damit sie<br />

sich teilen können. Verschiedene Signal-Kombinationen entscheiden, ob eine Zelle sich teilen,<br />

wachsen, differenzieren oder sterben soll. Im ges<strong>und</strong>en Organismus stellen diese Signale<br />

sicher, dass die Zellzahl gleich bleibt <strong>und</strong> so die Organe normal funktionieren. Der durch ein<br />

Signal verursachte Zelltod wird Apoptose genannt <strong>und</strong> ist ein normaler Weg, die richtige Zahl<br />

von Zellen zu erhalten.<br />

2.16


2<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Welche Eigenschaften unterscheiden <strong>Krebs</strong>zellen von normalen Zellen?<br />

2. Der Zellzyklus ist ein geordneter Ablauf von Ereignissen, bei denen eine Zelle ihren Inhalt<br />

verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt. Was sind die Ziele des Zellzyklus?<br />

3. Die Mitose ermöglicht es den Zellen, zu proliferieren, während die korrekte diploide Zahl<br />

von Chromosomen in jeder Zelle erhalten bleibt. Erklären Sie, wie Chromosomen von einer<br />

Eizelle <strong>und</strong> einem Spermium zusammengefügt werden können, während die korrekte<br />

Chromosomenzahl aufrechterhalten wird.<br />

4. Der Zellzyklus wird durch Prüfstellen <strong>und</strong> spezifische biochemische <strong>und</strong> physikalische<br />

Faktoren, die den Zyklus beeinflussen, gut kontrolliert. Beschreiben Sie die Rolle der<br />

Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> der Zell-Verankerung in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.3.<br />

2.17


Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />

3<br />

Einführung<br />

Für das Verständnis der <strong>Krebs</strong>entstehung ist es essentiell, die wichtigsten molekular-biologischen<br />

<strong>und</strong> genetischen Gr<strong>und</strong>lagen einer Zelle zu kennen. So beginnt dieses Kapitel mit einer<br />

Besprechung der Genetik sowie der Funktionen der Gene <strong>und</strong> insbesondere, wie sie die<br />

Produktion von Proteinen steuern.<br />

Aufbauend darauf werden wir uns dann den Genen zuwenden <strong>und</strong> dem Vorgang, wie Gene<br />

mutieren <strong>und</strong> wie sich Genmutationen in der <strong>Krebs</strong>entstehung auswirken. Das Tumorwachstum<br />

beginnt oft mit einer Mutation (einer Basen-Sequenz-Veränderung der DNA der Zelle). Solche<br />

Veränderungen geschehen häufig, aber normalerweise werden Zellen mit Mutationen von<br />

körpereigenen Kontrollsystemen erkannt <strong>und</strong> vernichtet, bevor sie sich teilen <strong>und</strong> vermehren<br />

können. <strong>Krebs</strong> entsteht, wenn diese abnormen Zellen überleben <strong>und</strong> fähig sind, sich in<br />

genügender Anzahl zu reproduzieren, um eine Krankheit entstehen zu lassen.<br />

<strong>Krebs</strong>zellen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich ohne Einschränkung teilen können, <strong>und</strong><br />

dass sie sich vom Primärtumor loslösen oder metastasieren können <strong>und</strong> via Blut- oder<br />

Lymphbahnen in andere Organe wandern. <strong>Krebs</strong> wurde immer schon als eine Krankheit der<br />

Zellproliferation angesehen. Heute ist es klar, dass das Gleichgewicht zwischen Zellteilung <strong>und</strong><br />

Zelltod (Apoptose) eine wichtige Rolle spielt.<br />

Eine <strong>Krebs</strong>entstehung ist möglich bei:<br />

● unkontrollierter Zellteilung<br />

● mangelnden hemmenden Mechanismen<br />

● einer Kombination von beidem.<br />

Im Speziellen entstehen DNA-Veränderungen in einer Zelle durch eine falsche Substitution<br />

(Ersatz) eines Basenpaars, eine Deletion (Verlust) oder Insertion (Einfügung) einer Base,<br />

beziehungsweise durch Replikation oder Deletion eines ganzen Genes. Besonders<br />

schwerwiegende Gen-Mutationen in Zellen sind solche von Proto-Onkogenen (Gene, welche<br />

normalerweise die Zellproliferation stimulieren) oder von Tumor-Suppressor-Genen (Gene, die<br />

eine Rolle spielen in der Hemmung der Zellproliferation). Mutationen dieser Gene können eine<br />

Überstimulation, beziehungsweise einen Hemmungsverlust der Zellvermehrung bewirken.<br />

Solche veränderte Gene können dann über den Zellzyklus falsche Instruktionen an die<br />

nachfolgenden Zellen weitergeben.<br />

Veränderte Gene üben ihre Wirkung durch Syn<strong>the</strong>se veränderter Proteine aus (Gene kodieren<br />

also für spezielle Proteine, durch welche sie ihren Effekt ausüben). Viele Proteine, welche in der<br />

<strong>Krebs</strong>entstehung eine Rolle spielen, sind im mutierten Zustand einbezogen in einen Prozess, der<br />

Signal-Transduktion genannt wird. Bei diesem Prozess werden Signale, die das Zellwachstum<br />

beeinflussen, von der Außenseite der Zelle zum Zellkern übermittelt. Dieser Prozess beinhaltet<br />

komplexe, miteinander interagierende Reaktionsabläufe. Veränderungen in nur einem dieser<br />

Eiweisse, welche in diesen Reaktionswegen eine Rolle spielen, können die Zellfunktion<br />

nachhaltig beeinflussen <strong>und</strong> die Ausbreitung einer abnormen Zellpopulation auslösen.<br />

In diesem Kapitel werden alle diese Prozesse beschrieben. Als Beispiel werden bedeutende<br />

Proto-Onkogene, Tumor-Suppressor-Gene <strong>und</strong> Signal-Transduktionsabläufe gebraucht, um die<br />

Auswirkung von Mutationen auf eine Zelle zu illustrieren.<br />

3.1


3<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Genetische Elemente <strong>und</strong> Prozesse können in einer hierarchischen <strong>und</strong> folgerichtigen<br />

Reihenfolge dargestellt werden. Vervollständigen Sie das folgende Fliessdiagramm, indem<br />

Sie die passenden Begriffe von der unten stehenden Liste einfügen. Die zwei Sternchen<br />

stehen für die zwei Mutations-Wege, die unkontrolliertes Zellwachstum <strong>und</strong> invasives<br />

Tumorwachstum bewirken können. Bitte nennen Sie diese.<br />

DNA Chromosomen Translation Protein<br />

Genom<br />

(Gesam<strong>the</strong>it der Gene)<br />

Gene<br />

**<br />

mRNA<br />

Transkription<br />

Basen<br />

2. Wie kann ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgewandelt werden? Welche Arten von<br />

Prozessen werden von den bekannten Proto-Onkogenen kontrolliert?<br />

3. Beschreiben Sie, wie Mutationen zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen können, <strong>und</strong> benützen<br />

Sie dazu einerseits das Tumor-Suppressor-Gen p53 <strong>und</strong> andererseits den Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptor HER2 als Beispiel.<br />

4. Was ist eine Signal-Transduktion <strong>und</strong> was bewirkt sie?<br />

5. Zählen Sie kurz die wichtigsten Stadien <strong>und</strong> Ereignisse bei einem typischen Signal-<br />

Transduktions-Ablauf auf <strong>und</strong> benützen Sie dazu einen Wachstumsfaktor als ersten Schritt.<br />

6. Beschreiben Sie die Rolle von Genmutationen bei der Auslösung von <strong>Krebs</strong>.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.5.<br />

3.2


3<br />

Molekularbiologie/Genetik – die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Molekular- <strong>und</strong> Zellbiologie studieren die Moleküle, die eine funktionstüchtige Zelle ausmachen<br />

<strong>und</strong> die verschiedenen Prozesse, in denen diese Moleküle eine Rolle spielen. Zugleich<br />

konzentriert sich die Molekulargenetik auf die molekularen Vorgänge, die der Struktur <strong>und</strong><br />

Funktion der Gene zugr<strong>und</strong>e liegen, die so genannten Basiseinheiten der Vererbung. Es ist<br />

nützlich, die relevanten Schlüsselelemente <strong>und</strong> Konzepte in diesem Forschungsgebiet zu<br />

rekapitulieren, bevor wir die Forschungsmethoden diskutieren, welche bei der Untersuchung<br />

von Zellen auf molekularer <strong>und</strong> genetischer Ebene zur Anwendung kommen.<br />

Zellen <strong>und</strong> Gewebe<br />

Tiere <strong>und</strong> Menschen sind aus Zellen aufgebaut. Zellen sind kleine Einheiten, umgeben von einer<br />

dünnen Membran. Sie sind in Gruppen (Gewebe) organisiert, die zusammenarbeiten durch<br />

spezialisierte Kommunikationsnetzwerke (Zell-Signale), um spezielle Funktionen auszuführen. Die<br />

zentralen Moleküle in den zellulären Prozessen sind Nukleotide oder Basen (welche sich<br />

zusammenfügen <strong>und</strong> so die DNA [Desoxy-Ribonukleinsäure, das A steht für englisch acid=Säure]<br />

oder RNA [Ribonukleinsäure] bilden), Aminosäuren (welche sich zu Proteinen zusammenfügen),<br />

Zucker oder Fettsäuren. Der Zellkern enthält den größten Teil der DNA <strong>und</strong> RNA.<br />

DNA<br />

Ein DNA-Molekül besteht aus zwei Strängen, die sich umeinander winden <strong>und</strong> so einer<br />

Wendeltreppe gleichen (Abbildung 3.1). Dieses Gebilde wird Doppelhelix genannt. Die Seiten<br />

der Leiter sind aus Zucker- <strong>und</strong> Phosphat-Molekülen <strong>und</strong> werden durch stickstoffhaltige<br />

Moleküle, so genannte Basen, zusammengehalten. Jeder Strang ist eine lineare Anordnung sich<br />

wiederholender gleicher Einheiten genannt Nukleotiden, von denen jeder aus einer Zucker-,<br />

einer Phosphat- <strong>und</strong> einer Stickstoff-haltigen Base besteht. In der DNA sind die Basen Adenin<br />

(A), Thymin (T), Cytosin (C) <strong>und</strong> Guanin (G). Die Reihenfolge der Basen wird Sequenz genannt.<br />

Eine Sequenz beinhaltet die genaue genetische Anleitung, welche zur Bildung eines<br />

besonderen Organismus benötigt wird.<br />

Die Reihenfolge<br />

der Basen wird<br />

Sequenz<br />

genannt. Eine<br />

Sequenz<br />

beinhaltet die<br />

genaue<br />

genetische<br />

Anleitung, welche<br />

zur Bildung eines<br />

besonderen<br />

Organismus<br />

benötigt wird.<br />

A–G<br />

C–G<br />

I–A<br />

G–C<br />

A–I<br />

C–G<br />

T–A<br />

B–G<br />

A–T<br />

C–G<br />

I–A<br />

G–C<br />

A–I<br />

C–G<br />

T–A<br />

A–G<br />

A–T<br />

C G<br />

T A<br />

A<br />

G C<br />

G G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

T<br />

C–G<br />

C–G<br />

G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C A C–G<br />

T<br />

C–G<br />

G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

C–G<br />

Abbildung 3.1. DNA-Struktur <strong>und</strong> -Replikation.<br />

3.3


3<br />

DNA-Replikation<br />

Wie schon in Kapitel 2 beschrieben, reproduzieren sich tierische Zellen durch einen Prozess,<br />

der Mitose genannt wird. Dies schließt die Verdoppelung des Zellinhaltes <strong>und</strong> die Teilung ein,<br />

mit dem Ziel zwei Tochterzellen zu bilden. Jedes Mal, wenn eine Zelle sich teilt, wird das<br />

vollständige Genom genau verdoppelt <strong>und</strong> dann auf die zwei Tochterzellen verteilt. Vor der<br />

Zellteilung wird die DNA kopiert. Das DNA-Molekül dreht sich auf <strong>und</strong> ermöglicht die<br />

Entstehung eines neuen Stranges durch Anlagerung von Nukleotiden, die an jeden der<br />

getrennten Stränge passen (Abbildung 3.1). Jede Tochterzelle erhält einen alten <strong>und</strong> einen<br />

neuen DNA-Strang.<br />

Ein Gen ist eine<br />

spezifische<br />

Sequenz von<br />

Basen, welche<br />

die notwendige<br />

Information zur<br />

Eiweissproduktion<br />

beinhaltet.<br />

Gene<br />

Jedes DNA-Molekül enthält viele Gene, welche die physikalischen <strong>und</strong> funktionellen Einheiten<br />

der Vererbung sind. Ein Gen ist eine spezifische Sequenz von Basen, welche die notwendige<br />

Information zur Eiweissproduktion beinhaltet. Viele Gene kodieren für spezifische<br />

funktionstüchtige Proteine. Das Gen <strong>und</strong> das dazugehörige Protein tragen denselben Namen,<br />

d.h. das p53-Gen kodiert für das p53-Eiweiss.<br />

Chromosomen<br />

Im Zellkern ist die DNA mit Proteinmolekülen verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann Chromosomen bilden.<br />

Chromosomen bestehen ungefähr zu gleichen Anteilen aus Proteinen <strong>und</strong> DNA. Die Gene sind<br />

linear in ihrer gesamten Länge angeordnet. Der Zellkern der meisten menschlichen Zellen<br />

enthält zwei Sätze von Chromosomen (total 46 Stück), von denen je ein Satz von jedem<br />

Elternteil stammt.<br />

Genom<br />

Die komplette Instruktion (Matrize, Entwurfsvorlage) für die Produktion eines Organismus wird<br />

Genom genannt. Das menschliche Genom besteht schätzungsweise aus 30’000 Genen.<br />

Menschliche Gene variieren stark in ihrer Länge <strong>und</strong> enthalten oft Tausende von Basen. Jedoch<br />

nur etwa 10% des Genoms enthält für ein Eiweiss kodierende Gensequenzen (Exons). Zwischen<br />

den Exons sind Gensequenzen eingefügt, die keine kodierende Funktion haben, genannt<br />

Introns. Wie später beschrieben, ist ein gross angelegtes Projekt, das „Human-Genom-<br />

Projekt“*, am Laufen <strong>und</strong> hat die Sequenz <strong>und</strong> Position der 30’000 Gene des menschlichen<br />

Körpers enthüllt (siehe Kapitel 5).<br />

Die genetische Information wird von einer Zellgeneration zur nächsten weitergegeben durch<br />

strikte Paarung der komplementären Basen: A paart sich mit T <strong>und</strong> G paart sich mit C. Dieser<br />

Mechanismus stellt sicher, dass der neue Strang ein genaues Ebenbild des alten ist <strong>und</strong><br />

reduziert so das Risiko von Fehlern auf ein Minimum.<br />

Die DNA-Replikation ist ein sehr präziser Vorgang mit diversen Kontrollmechanismen, die<br />

sicherstellen, dass falsch platzierte Nukleotide entfernt werden. Trotzdem geschehen genetische<br />

Fehler, genannt Mutationen. Die Konsequenzen solcher Fehler können riesig sein, weil schon<br />

ein Wechsel eines einzelnen Nukleotids wichtige Auswirkungen auf die Zellfunktion haben<br />

kann. Mutationen können beim Menschen eine Veranlagung für <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> andere komplexe<br />

Krankheiten schaffen.<br />

*Weitere Informationen zum Human-Genom-Projekt sind erhältlich im Internet unter:<br />

http://www.ornl.gov/TechResources/Human_Genome/home.html<br />

3.4


3<br />

Der genetische Code<br />

Der genetische Code ist eine Serie spezifischer Sequenzen aus drei DNA-Basen (Codons)<br />

(Abbildung 3.2), welche die Aminosäurezusammensetzung für ein spezielles Eiweiss<br />

bestimmen. So lenken die Codons die Proteinsyn<strong>the</strong>se einer Zelle, indem sie für das<br />

Aneinanderreihen von Aminosäuren verantwortlich sind. Die Protein-Syn<strong>the</strong>se-Maschinerie einer<br />

Zelle übersetzt die Codons in einen Strang von Aminosäuren, schliesslich entsteht das<br />

Eiweissmolekül, für welches die DNA kodiert hat. Die proteinkodierenden Instruktionen der<br />

Gene werden durch die Messenger-RNA (Boten -RNA oder mRNA) übermittelt, welche als<br />

vorübergehendes Übermittlungs-Molekül funktioniert.<br />

Erste Base<br />

U<br />

G<br />

A<br />

G<br />

UUU<br />

UUC Phe<br />

UUA<br />

UUG Leu<br />

CUU<br />

CUC<br />

CUA<br />

CUG<br />

AUU<br />

AUC<br />

AUA<br />

AUG<br />

GUU<br />

GUC<br />

GUA<br />

GUG<br />

Zweite Base<br />

U C A G<br />

UCU<br />

UAU<br />

UAC<br />

Tyr UGU<br />

UCC<br />

UGC Cys<br />

Ser<br />

UCA<br />

UAA<br />

UAG<br />

TERM UGA<br />

UCG<br />

UGG<br />

CCU<br />

CAU<br />

CAC<br />

His CGU<br />

CCC<br />

CGC<br />

Leu<br />

Pro<br />

Arg<br />

CCA<br />

CAA<br />

CAG<br />

Glin CGA<br />

CCG<br />

CGG<br />

ACU<br />

AAU<br />

AAC<br />

Asn AGU<br />

IIle ACC<br />

AGC<br />

Ser<br />

Thr<br />

ACA<br />

AAA<br />

AAG Lys AGA<br />

Met ACG<br />

AGG Arg<br />

Val<br />

GCU<br />

GCC<br />

GCA<br />

GCG<br />

Ala<br />

GAU<br />

GAC<br />

Asp<br />

GAA<br />

GAG Glu<br />

GGU<br />

GGC<br />

GGA<br />

GGG<br />

TERM<br />

Trp<br />

Gly<br />

Der genetische<br />

Code ist eine<br />

Serie spezifischer<br />

Sequenzen aus<br />

drei DNA-Basen,<br />

welche die<br />

Aminosäurenzusammensetzung<br />

für ein<br />

spezielles Eiweiss<br />

bestimmen.<br />

Abbildung 3.2. Die Codons werden aus den vier Nukleotiden (Bestandteile der DNA) gebildet <strong>und</strong><br />

kodieren für Aminosäuren. TERM steht für Termination: Diese Codons signalisieren für das Ende eines<br />

Exons.<br />

RNA<br />

RNA ist ein einstrangiges Molekül, das in einem Vorgang, Transkription genannt, von einer<br />

DNA-Vorlage syn<strong>the</strong>tisiert wird (Abbildung 3.3). Es entsteht die mRNA, welche die Information<br />

für die Protein-Syn<strong>the</strong>se trägt. Der Vorgang, durch welchen die mRNA zur Proteinproduktion<br />

führt, wird Translation genannt, weil in diesem Stadium die Codons die Aminosäuren<br />

bestimmen, welche in das Eiweiss eingebaut werden. Die mRNA ist unerlässlich, wenn<br />

genetische Information den Zellkern verlassen muss.<br />

Die Aminosäuren werden von speziellen RNA, den tRNA, an die mRNA herangeführt. Jedes<br />

tRNA-Molekül hat eine gefaltete dreidimensionale Gestalt, die zusammengehalten wird durch<br />

entsprechende Basenpaare, ähnlich wie die DNA-Doppelhelix. Diese zusätzliche Paarung<br />

veranlasst das tRNA-Molekül, sich zu entfalten <strong>und</strong> als Adaptor zwischen den Codons zu<br />

agieren.<br />

RNA ist ein<br />

einstrangiges<br />

Molekül, das in<br />

einem Vorgang,<br />

Transkription<br />

genannt, von<br />

einer DNA-<br />

Vorlage<br />

syn<strong>the</strong>tisiert wird.<br />

Die Anlage der tRNA Moleküle an die mRNA bedarf eines Ribosoms, welches einen Komplex<br />

von mehr als 50 verschiedenen Proteinen, assoziiert mit einer anderen Klasse von RNA,<br />

genannt ribosomale RNA (rRNA), darstellt (Abbildung 3.3).<br />

3.5


3<br />

Abbildung 3.4. Die Mechanismen, die die Umformung eines Proto-Onkogens in ein Onkogen ermöglichen.<br />

Copyright 1999. Aus: Molecular Biology of <strong>the</strong> Cell by Alberts et al. Reproduziert mit Erlaubnis von<br />

Routledge, Inc., part of The Taylor & Francis Group.<br />

der Kontrolle des Zellwachstums <strong>und</strong> der Zell-Proliferation zu tun haben. Diese Proto-Onkogene<br />

kommen in normalen ges<strong>und</strong>en Zellen vor, können aber durch Mutation, infolge Einwirkung<br />

eines Karzinogens wie Sonnenstrahlen, Bestrahlung oder Viren, transformiert werden in<br />

Onkogene (Gene, die pathologische Veränderungen verursachen können, welche zu<br />

abnormem Zellwachstum führen, was für <strong>Krebs</strong> typisch ist). Eine Mutation, die ein Proto-<br />

Onkogen in ein Onkogen umformt, benötigt nur eine mutierte Kopie (der beiden Kopien) eines<br />

Proto-Onkogens. Dementsprechend wird dies eine dominante Antwort genannt.<br />

Wie wird ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgeformt?<br />

Bis heute wurden ungefähr 60 Proto-Onkogene identifiziert. Die meisten dieser Gene<br />

verschlüsseln Teile der Mechanismen, die das interaktive Verhalten der Zellen im Körper<br />

regulieren. Sehr oft sind sie wichtige Komponenten der Zell-Signalwege, bei welchen sie die<br />

Kontrolle über Zellteilung, Differenzierung <strong>und</strong> Zelltod haben. Zum Beispiel ist das Proto-<br />

Onkogen HER2, welches den HER2-Rezeptor verschlüsselt, bekannt für seine wichtige Rolle im<br />

normalen Wachstum <strong>und</strong> in der Entwicklung des Brustgewebes.<br />

Die Umformung eines Proto-Onkogens in ein Onkogen kann auf drei Arten geschehen:<br />

● Punktmutation oder Deletion<br />

● Gen-Amplifikation<br />

● Chromosomen-Neu-Anordnung (Abbildung 3.4).<br />

Eine Punktmutation oder Deletion kann die Protein-kodierenden Regionen so verändern, dass sie<br />

ein Protein hervorbringen, das hyperaktiv ist, oder sie kann in einer Genregion vorkommen,<br />

welche die Expression kontrolliert, was zu einer Gen-Überexpression führen kann.<br />

Punktmutationen sind charakteristisch für das Ras-Onkogen. Gen-Amplifikationen, bei denen<br />

multiple Kopien eines Gens produziert werden, geschehen auf der Basis zahlreicher Fehler im<br />

Verlauf des Chromosomen-Replikations-Prozesses. Chromosomale Neu-Anordnungen bestehen<br />

am häufigsten aus Translokationen, bei welchen Chromosomen abbrechen <strong>und</strong> das genetische<br />

Material entweder von einem Chromosom zum andern transferiert, zwischen Chromosomen<br />

Gen-<br />

Amplifikationen,<br />

bei denen<br />

multiple Kopien<br />

eines Gens<br />

produziert<br />

werden,<br />

geschehen auf<br />

der Basis<br />

zahlreicher Fehler<br />

im Verlauf des<br />

Chromosomen-<br />

Replikations-<br />

Prozesses.<br />

3.7


3<br />

ausgetauscht oder innerhalb von Chromosomen neu positioniert wird. Die daraus entstehende<br />

Gen-Veränderung verursacht eine abnorme Gen-Expression.<br />

Diese Arten von Veränderungen sind häufig die Folge von Tumor-Initiatoren oder Tumor-<br />

Promotoren. Tumor-Initiatoren sind Substanzen (wie zum Beispiel Benzopyren, ein Bestandteil<br />

von Tabak), die bei einer Erstexposition noch keine sichtbaren Schäden verursachen, die aber<br />

bei chronischer Exposition die Entwicklung von <strong>Krebs</strong> fördern. Im Gegensatz dazu können<br />

Tumor-Promotoren <strong>Krebs</strong> verursachen, wenn sie nach dem Kontakt mit einem Tumor-Initiator<br />

wiederholt angewandt werden. Ein Beispiel dafür sind die Phorbol-Ester, welche sich in<br />

Pflanzenölen befinden. Eine kontinuierliche Exposition zu Tumor-Promotoren stimuliert die<br />

unangepasste Zell-Proliferation, jedoch nicht die <strong>Krebs</strong>entwicklung. <strong>Krebs</strong> entwickelt sich, wenn<br />

weitere Mutationen vorkommen, bevor der Tumor-Promotor unwirksam gemacht wird. Also<br />

können <strong>Krebs</strong>krankheiten infolge Gen-Veränderungen durch Umweltfaktoren entstehen.<br />

Tumor-Suppressor-<br />

Gene kommen in<br />

normalen Zellen<br />

vor <strong>und</strong> hemmen<br />

normalerweise<br />

eine übermässige<br />

Zell-Proliferation.<br />

Das Mismatch-<br />

Reparatur-System<br />

ist ein DNA-<br />

Korrekturlese-<br />

System, das<br />

fehlerhafte DNA-<br />

Nukleotiden<br />

erkennen <strong>und</strong><br />

korrigieren kann.<br />

Tumor-Suppressor-Gene<br />

Tumor-Suppressor-Gene kommen in normalen Zellen vor <strong>und</strong> hemmen normalerweise eine<br />

übermässige Zell-Proliferation. Der Verlust der Funktion von Tumor-Suppressor-Genen, als Folge<br />

einer Mutation, spielt ebenfalls eine Rolle in der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>. Im Gegensatz zu den<br />

aktivierenden Mutationen, die aus Proto-Onkogenen Onkogene generieren, verlieren die Tumor-<br />

Suppressor-Gene ihre Funktion bei <strong>Krebs</strong>zellen. Ähnlich wie die Onkogene, haben die Tumor-<br />

Suppressor-Gene verschiedene Funktionen in der Wachstumsregulation, der Differenzierung <strong>und</strong><br />

der Apoptose (dem programmierten Zelltod). Wie weiter unten erwähnt (siehe Seite 3.10),<br />

nimmt man an, dass das Produkt des Tumor-Suppressor-Gens p53 den Prozess des<br />

programmierten Zelltodes reguliert.<br />

Mismatch-Reparatur-Gene<br />

Zunehmende Evidenz leitet zur Annahme, dass neben den Proto-Onkogenen <strong>und</strong> den Tumor-<br />

Suppressor-Genen auch DNA-Reparatur-Gene eine wichtige Rolle in der Entwicklung von <strong>Krebs</strong><br />

spielen. Das Mismatch-Reparatur-System ist ein DNA-Korrekturlesesystem, das fehlerhafte<br />

DNA-Nukleotiden erkennen <strong>und</strong> korrigieren kann. Dieses wichtige System kann Fehler<br />

reparieren <strong>und</strong> das Genom mit einem 100- bis 1’000 fachen Schutz gegen Mutationen<br />

ausstatten. Es bewahrt so das Genom vor Rekombinationen zwischen nicht homologen<br />

Regionen der DNA. Anders als bei den Nukleotid- <strong>und</strong> bei den Basen-Aubchnitt-Reparaturen,<br />

bei welchen Nukleotiden erkannt werden, die chemisch verändert oder fusioniert wurden,<br />

entdecken Mismatch-Reparatur-Systeme Veränderungen an der Aussenseite der DNA-Helix,<br />

welche aus einer Fehlanlage von nicht komplementären Basen-Paaren resultiert. Das System<br />

entfernt fehlerhafte Nukleotid-Sequenzen vom neuen Strang (Abbildung 3.5). Während bei der<br />

Mismatch-Reparatur-Funktion vor allem Mutationen verhindert <strong>und</strong> Fehler korrigiert werden,<br />

werden ebenfalls DNA-geschädigte Zellen zum Zelltod geführt. Kürzliche Erkenntnisse haben<br />

gezeigt, dass die Mismatch-Reparatur-Proteine auch in andere Prozesse involviert sind, zum<br />

Beispiel bei veränderten Basen oder anderen Typen von DNA-Schädigungen, wie Strang-<br />

Abbrüchen der DNA. Die fehlerhafte Mismatch-Reparatur führt zu einer Zunahme von<br />

spontanen Mutationen.<br />

Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine Anzahl von Mismatch-Reparatur-Genen,<br />

wie MSH2, MLH1, MLH2, PMS1 <strong>und</strong> PMS2, bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>, wie zum Beispiel<br />

bei Kolorektal-, Endometrial- <strong>und</strong> Magenkrebs eine Rolle spielen. So produzieren zum Beispiel<br />

das MLH1- <strong>und</strong> MSH2-Gen normalerweise Proteine, die Fehler beseitigen können. Aber wenn<br />

die MLH1- <strong>und</strong> MSH2-Gene defekt sind, werden die Reparatur-Proteine nicht produziert. Als<br />

3.8


3<br />

Fehlerhaftes Basen-Paar wird durch<br />

das Reparatursystem erkannt<br />

Fehlerhafte Base wird entfernt<br />

Korrekte Base mit Anlage der<br />

DNA-Sequenz wird resyn<strong>the</strong>tisiert<br />

Abbildung 3.5. Das Mismatch-Reparatur-System erkennt <strong>und</strong> ersetzt fehlerhafte DNA-Nukleotide.<br />

Folge davon können DNA-Fehler während der Replikation übersehen werden, was zu einer<br />

Häufung von <strong>Krebs</strong>-auslösenden Mutationen führen kann. Bis vor kurzem hat man<br />

angenommen, dass MLH1- <strong>und</strong> MSH2-Defekte primär zu einem kolorektalen Karzinom führen<br />

würden. Inzwischen hat man aber nachweisen können, dass diese beschädigten Gene<br />

ebenfalls bei Personen mit anderen Tumorformen, inklusive Brustkrebs <strong>und</strong> Endometriumkrebs,<br />

vorkommen.<br />

Gen-Anomalien bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong><br />

Es wird angenommen, dass <strong>Krebs</strong> die Folge einer Reihe von Mutationen in Onkogenen <strong>und</strong><br />

Tumor-Suppressor-Genen ist. Die entsprechenden Mutationen variieren von Tumor zu Tumor. Die<br />

Genmutationen beeinflussen die Produktion von regulierenden Wachstumsproteinen <strong>und</strong><br />

bringen die Zellteilung aus dem Gleichgewicht, was zum Wachstum von Tumoren führt.<br />

Tabelle 3.1 zeigt eine Anzahl von Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Genen, die bis heute<br />

identifiziert werden konnten, <strong>und</strong> die eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong> spielen.<br />

Die Schlüsselbeispiele p53, Myc, Ras <strong>und</strong> HER2 sind unten aufgeführt.<br />

p53<br />

p53 ist ein potenter, Tumor-unterdrückender, multifunktionaler, sequenzspezifischer, DNAbindender<br />

Transkriptionsfaktor, der eine zentrale Rolle im komplexen Netzwerk der Signalpfade<br />

darstellt. Es handelt sich um ein kurzlebiges Protein, das sich als Antwort auf verschiedene<br />

Signale (verursacht durch verschiedene Stressoren, die sich schädigend auf das Genom<br />

auswirken, inklusive Schädigung der DNA, Unterbruch der DNA- oder RNA-Syn<strong>the</strong>se <strong>und</strong><br />

Nukleotidzerstörung) vermehrt (siehe Abbildung 3.6). Diese Signale verursachen auch eine<br />

p53-Aktivierung, wenngleich zu sagen ist, dass die verantwortlichen Mechanismen für die<br />

Induktion <strong>und</strong> Aktivierung von p53 als Antwort auf stressbezogene Stimuli heute noch nicht<br />

vollständig geklärt sind. Aktiviertes p53 ist involviert in die Kontrolle von DNA-Reparaturen vor<br />

der DNA-Replikation <strong>und</strong> in die Induktion des programmierten Zelltodes von Zellen mit DNA-<br />

Anomalien, die nicht repariert werden können. Diese Fähigkeit von p53, zelluläre Antworten<br />

auf DNA-Schädigungen zu koordinieren, bedeutet, dass es die Erhaltung der genetischen<br />

Stabilität fördert <strong>und</strong> so als „Genom-Wächter“ dient.<br />

Es wird<br />

angenommen,<br />

dass <strong>Krebs</strong> die<br />

Folge einer Reihe<br />

von Mutationen in<br />

Onkogenen <strong>und</strong><br />

Tumor-Suppressor-<br />

Genen ist.<br />

p53 ist ein<br />

potenter, Tumorunterdrückender,<br />

multifunktionaler,<br />

sequenzspezifischer,<br />

DNA-bindender<br />

Transkriptionsfaktor…<br />

3.9


3<br />

Tabelle 3.1. Beispiele von Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-<br />

Genen.<br />

Wachstumsfaktoren<br />

Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptoren<br />

Cytoplasma-Proteine<br />

Kernproteine<br />

Tumor-Suppressoren<br />

Transformierender Wachstumsfaktor-α (TGF-α)<br />

Amphiregulin<br />

Thrombozyten-Wachstumsfaktor (PDGF)<br />

Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF)<br />

Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor (IGF-I)<br />

Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR oder HER1)<br />

HER2, HER3, HER4<br />

Met<br />

Thrombozyten-Wachstumsfaktor-Rezeptor (PDGF-R)<br />

Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor-I-Rezeptor (IGF-I-R)<br />

Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren (FGFR)<br />

Ret<br />

Ras<br />

Abl<br />

Myc<br />

fos<br />

jun<br />

ski<br />

rel<br />

myb<br />

p53<br />

Rb<br />

Stimuli<br />

Geschädigte DNA<br />

DNA/RNA-Syn<strong>the</strong>se-Stopp<br />

Nukleotid-Verbrauch<br />

Zunahme von p53 an<br />

Menge <strong>und</strong> Aktivität<br />

Transkriptions-aktives<br />

p53<br />

Wachstumsstopp<br />

Apoptose<br />

Genetische Stabilität<br />

Abbildung 3.6. Übersicht der p53-Signale bei der Aufrechterhaltung der genetischen Integrität.<br />

3.10


3<br />

p53 <strong>und</strong> DNA-Schädigungen<br />

Die normale Funktion von p53 befähigt die Zellen, eine DNA-Schädigung zu bewältigen. Das<br />

Produkt des p53-Gens beugt unkontrollierter Tumorzell-Proliferation vor, indem es die Zelle in<br />

Laufe des Zellzyklus stoppt, wenn sie eine Chromosomen-Anomalie aufweist. Es ist wichtig zu<br />

wissen, dass diese kritische Aktion vor der DNA-Replikation stattfindet. Dieser zeitliche<br />

Unterbruch im Zellzyklus erlaubt die Reparatur der DNA <strong>und</strong> verhindert damit den Einbau des<br />

Fehlers in frisch syn<strong>the</strong>tisierte Zellen. p53 induziert auch eine Apoptose, wenn Zellen<br />

Anomalien enthalten, die nicht repariert werden können. Ein intaktes Set von p53 abhängigen<br />

Funktionen erhält die genetische Integrität aufrecht, indem es geschädigte Zellen eliminiert,<br />

indem es entweder den Zellzyklus unwiderruflich anhält oder den Zelltod einleitet. Also führt der<br />

Verlust oder die Inaktivierung von p53 zum Verlust dieser Überwachungsfunktion, wodurch es<br />

unmöglich wird, eine konstante Anzahl von Zellen aufrecht zu erhalten, weil die Apoptose nicht<br />

mehr stattfindet.<br />

Die Induktion eines temporären Stopps im Zellzyklus durch aktives p53 wird durch die<br />

Beeinflussung von anderen spezifischen Genen, die den Zellzyklus regulieren, bewirkt. Zu<br />

diesen Genen gehört p21, das mithilft, den Zellzyklus zu stoppen <strong>und</strong> bcl2, welches den Eintritt<br />

in die Apoptose verhindert.<br />

Das Produkt des<br />

p53-Gens beugt<br />

unkontrollierter<br />

Tumorzell-<br />

Proliferation vor,<br />

indem es die<br />

Zelle in Laufe des<br />

Zellzyklus stoppt,<br />

wenn sie eine<br />

Chromosomen-<br />

Anomalie<br />

aufweist.<br />

p53 <strong>und</strong> Kontrolle des Zellzyklus<br />

p53 reguliert die Entwicklung des Zellzyklus an verschiedenen Punkten. Es fördert den<br />

G1-Stopp als Antwort auf DNA-Schädigungen, die durch UV- oder Gamma-Strahlen,<br />

chemo<strong>the</strong>rapeutische Medikamente <strong>und</strong> Nukleotid-Entfernung ausgelöst worden sind. Zusätzlich<br />

ist p53 direkt an der Erhaltung des Gleichgewichtes des Zentrosoms beteiligt. Fehlerhafte<br />

Zentrosomen-Duplikation kann p53 aktivieren, was zum Unterbruch in G1 oder G2 führen<br />

kann. Ein anderer, potentiell durch p53 verursachter Stopp, ist die G2-M-Transition, wo die<br />

Überexpression von p53 den Eintritt in die Mitose verhindern kann. Diese Eigenschaft von p53<br />

bewahrt Zellen vor dem Eintritt in die Mitose <strong>und</strong> somit vor der Replikation von beschädigter<br />

oder inkomplett syn<strong>the</strong>tisierter DNA.<br />

p53-Mutationen <strong>und</strong> die Entwicklung von <strong>Krebs</strong><br />

Mutationen im p53 Tumor-Suppressor-Gen sind die häufigsten genetischen Schäden bei<br />

menschlichen Tumoren, sie kommen bei über 50% aller <strong>Krebs</strong>formen vor. So weisen mehr als<br />

die Hälfte aller menschlichen <strong>Krebs</strong>erkrankungen einen Zusammenhang mit dem Verlust der<br />

p53-Funktion auf. Forschungsresultate lassen vermuten, dass ungefähr ein Drittel der Brustkrebs-<br />

Erkrankungen mit Veränderungen im p53-Gen verb<strong>und</strong>en sind. Mutationen, die die Anbindung<br />

von p53 an DNA verhindern oder welche mit der Fähigkeit interferieren, die DNA-Replikation<br />

aufzuhalten, behindern den durch p53 gelenkten Anhaltemechansimus bei der Teilung von<br />

Zellen, welche karzinogene Mutationen enthalten. Dies führt nicht nur zur unkontrollierten<br />

Zellteilung, sondern auch zur Förderung von karzinogenen Mutationen bei der Zellteilung. Es ist<br />

deshalb nicht überraschend, dass p53-Mutationen mit Tumoren in Verbindung gebracht werden,<br />

die einen hohen Grad an Aggressivität aufweisen.<br />

Ras<br />

Die Proteinfamilie Ras ist behilflich bei der Weitergabe von Signalen des Rezeptors Tyrosin-<br />

Kinase an den Zellkern, um die Proliferation <strong>und</strong> Differenzierung der Zelle zu stimulieren.<br />

Mutationen des Ras-Gens, die eine Hyperaktivität des Genproduktes bewirken, zerstören die<br />

normale Kontrolle über die Zell-Proliferation, was die Bildung von <strong>Krebs</strong>zellen zulässt. Ungefähr<br />

30% der menschlichen <strong>Krebs</strong>erkrankungen, so Tumoren der Lunge, des Ohren-, Nasen- <strong>und</strong><br />

Mutationen im<br />

p53 Tumor-<br />

Suppressor-Gen<br />

sind die<br />

häufigsten<br />

genetischen<br />

Schäden bei<br />

menschlichen<br />

Tumoren, sie<br />

kommen bei über<br />

50% aller<br />

<strong>Krebs</strong>formen vor.<br />

3.11


3<br />

Halsbereichs, des Kolons <strong>und</strong> der Schilddrüse, weisen Mutationen in einem Ras-Gen auf. Bei<br />

andern Tumorformen wie Brustkrebs sind Ras-Mutationen selten, aber Ras könnte pathologisch<br />

aktiviert werden durch die Überexpression von Wachstumsfaktor-Rezeptoren <strong>und</strong> ihre<br />

entsprechenden Signale.<br />

Myc<br />

Myc ist ein Frühantwort-Gen, das seine eigene Transkription reguliert. Diese Art von Regulation<br />

wird negatives Feedback genannt. Die meisten, wenn nicht alle Arten von menschlichen<br />

Malignomen wurden in Zusammenhang gebracht mit der Amplifikation <strong>und</strong>/oder<br />

Überexpression des c-Myc Proto-Onkogens. Studien in den vergangenen Jahren haben zudem<br />

gezeigt, dass das c-Myc-Gen das Wachstum regulieren kann, sowohl im Sinne der Zellgrösse<br />

als auch im Kontext der Gewebedifferenzierung. Es ist mittlerweile bekannt, dass das c-Myc-<br />

Gen in die häufigsten Aspekte der zellulären Funktionen, inklusive Replikation, Wachstum,<br />

Metabolismus, Differenzierung <strong>und</strong> Apoptose mit einbezogen ist. C-Myc spielt eine wichtige<br />

Rolle bei Brustkrebs <strong>und</strong> bei den Wirkungsmechanismen der Hormone, die bei der Ätiologie<br />

von Brustkrebs eine Rolle spielen.<br />

HER2<br />

HER2 ist ein anderes wichtiges Proto-Onkogen. Üblicherweise befinden sich zwei Kopien des<br />

HER2-Gens in allen normalen epi<strong>the</strong>lialen Zellen. HER2 kann aber bei einem Teil von<br />

<strong>Krebs</strong>arten einer Amplifikation unterliegen, wobei multiple Kopien des HER2-Gens produziert<br />

werden. HER2 kodiert für einen transmembranen Wachstumsfaktor-Rezeptor, der bei der<br />

Kontrolle von Zellreplikation, -Wachstum, -Differenzierung <strong>und</strong> -Überleben wichtig ist. HER2 ist<br />

einer von vier Wachstumsfaktor-Rezeptoren der HER-Familie (HER1, HER2, HER3 <strong>und</strong> HER4).<br />

Eine<br />

Amplifikation des<br />

HER2-Gens führt<br />

zu einer<br />

übermässigen<br />

Produktion des<br />

Rezeptor-Proteins<br />

<strong>und</strong> erhöht die<br />

intrazelluläre<br />

Signalwirkung,<br />

was zu<br />

unkontrolliertem<br />

Zellwachstum<br />

führt.<br />

Forschungen haben gezeigt, dass HER2 stark mit andern HER-Proteinen interagiert <strong>und</strong> so das<br />

Zellwachstum fördert. Eine Amplifikation des HER2-Gens führt zu einer übermässigen<br />

Produktion des Rezeptor-Proteins <strong>und</strong> erhöht die intrazelluläre Signalwirkung, was zu<br />

unkontrolliertem Zellwachstum führt. HER2 ist bei ungefähr 20% aller Brustkrebserkrankungen<br />

(bezeichnet als HER2-positive Tumoren) überexprimiert. HER2-positive Zellen sind bekannt<br />

dafür, dass sie viele Kennzeichen von Tumorzellen aufweisen wie unkontrolliertes Zellwachstum,<br />

erhöhte DNA-Syn<strong>the</strong>se <strong>und</strong> erhöhte Gefahr der Metastasierung (Abbildung 3.7). Dies ist<br />

Abbildung 3.7. Die Wirkung von HER2-Gen-Amplifikation auf die menschliche Brustkrebszelle.<br />

3.12


3<br />

wahrscheinlich bedingt durch die vermehrten Wachstums-Signale, infolge der Präsenz der<br />

vermehrten HER2-Rezeptoren.<br />

In der Klinik weisen etwa 20% der Frauen mit Brustkrebs einen HER2-positiven Status auf. Diese<br />

Frauen haben eine schlechte Prognose (Abbildung 3.8). Weitere Beobachtungen weisen darauf<br />

hin, dass der HER2-Status das Ansprechen auf übliche <strong>Therapien</strong> für Brustkrebs beeinflussen<br />

kann. Studien lassen vermuten, dass HER2-positive Frauen gegenüber Hormon<strong>the</strong>rapien, wie<br />

zum Beispiel Tamoxifen, resistent sind; hingegen eher behandelbar mit optimalen Dosen von<br />

anthracyklinhaltigen <strong>Therapien</strong>. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass HER2 die<br />

Angriffsfläche für den humanisierten monoklonalen Antikörper Herceptin ® darstellt.<br />

Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien Überlebens<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Log rank p=0.001<br />

0<br />

0 12 24 36 48 60 72<br />

Zeit (Monate)<br />

In der Klinik<br />

weisen etwa 20%<br />

der Frauen mit<br />

Brustkrebs einen<br />

HER2-positiven<br />

Status auf. Diese<br />

Frauen haben<br />

eine schlechte<br />

Prognose.<br />

Abbildung 3.8. HER2-positive Brustkrebspatientinnen haben eine schlechtere krankheitsfreie<br />

Überlebenszeit als Patientinnen, die HER2-negativ sind. Reproduziert mit Erlaubnis von Seshadri et al.<br />

J Clin Oncol 1993:1936–42.<br />

Mehrere Studien haben gezeigt, dass andere Onkogene zusammen mit HER2 bei Tumoren<br />

überexprimiert sind. So gibt es zum Beispiel oft Verbindungen zwischen der Überexpression<br />

von HER2, p53 <strong>und</strong> c-Myc bei Brustkrebs. Die Testung für die Kombination von HER2- <strong>und</strong><br />

p53-Überexpression kann helfen, Patienten in verschiedene Risikogruppen zu klassifizieren.<br />

Zellsignale<br />

Proto-Onkogene <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Gene üben ihre Wirkung in der Kontrolle der<br />

Zellreplikation über intrazelluläre Signalpfade aus. Ein Proto-Onkogen wie HER2 kodiert für<br />

einen Rezeptor, der, wenn er stimuliert ist, eine Reihe von Vorgängen innerhalb der Zelle<br />

triggert (auslöst). Dieser Prozess ist bekannt als Signal-Transduktion <strong>und</strong> stellt sicher, dass die<br />

Zellen fähig sind, auf die lokale Umgebung, in der sie sich befinden, zu antworten. Auf diesem<br />

Weg werden extrazelluläre Stimuli empfangen, verstanden <strong>und</strong> an den Kern übermittelt, mit<br />

dem Ziel, eine angepasste zellspezifische Antwort zu aktivieren. Die Regulation solcher<br />

Antworten wird in erster Linie durch Signal-Transduktionen kontrolliert.<br />

Alle biologischen Prozesse sind das Resultat von integrierten <strong>und</strong> konzertierten molekularen<br />

Vorgängen. Zum Beispiel besteht eine emzymatische Reaktion aus einer Serie von Schritten. So<br />

ist die gesamte Protein-Aktivierung eine Kette von Vorgängen, von denen jeder als Signal für<br />

Proto-Onkogene<br />

<strong>und</strong> Tumor-<br />

Suppressor-Gene<br />

üben ihre<br />

Wirkung in der<br />

Kontrolle der<br />

Zellreplikation<br />

über<br />

intrazelluläre<br />

Signalpfade aus.<br />

3.13


3<br />

den nächsten dient. Diese Signalserien, die wie mit einem Domino-Effekt ausgerüstet sind,<br />

haben darum den Namen Signal-Kaskade (Abbildung 3.9). Auch die Signal-Transduktion ist<br />

eine Form von Signal-Kaskade.<br />

In den letzten Jahren wurde auf dem Gebiet der Signal-Transduktion intensiv Forschung<br />

betrieben. Zellsignal-Forschung wurde durch neue Technologien vorangetrieben. Der<br />

bemerkenswerteste Fortschritt geschah im Gebiet der Gentechnologie (beschrieben in Kapitel 5)<br />

<strong>und</strong> in der Entwicklung <strong>und</strong> Verfügbarkeit eines breiten Spektrums von Signal-Substraten,<br />

-Inhibitoren, -Analogen, -Agonisten <strong>und</strong> -Proteinen. Die medizinische Forschung im Bereich der<br />

Zellsignale wurde in den letzten Jahren intensiviert, weil Anomalien bei der Zellsignalisierung<br />

bei vielen Krankheiten festgestellt wurden. Ein gutes Beispiel dafür ist der HER2-Rezeptor bei<br />

Brustkrebs <strong>und</strong> der mit ihm verwandte HER1-Rezeptor bei <strong>Krebs</strong> im Ohren-, Nasen- <strong>und</strong><br />

Halsbereich.<br />

Signalisierender Ligand<br />

Rezeptor<br />

Zellmembran<br />

Rezeptor wird durch die<br />

Anbindung des Liganden<br />

aktiviert<br />

Der aktivierte Rezeptor<br />

stimuliert die Produktion<br />

von Boten-Molekülen<br />

Erstellen von Gen-Kopien<br />

Boten-Moleküle<br />

stimulieren Kinasen<br />

Jedes Kinase-Molekül<br />

kann phosphorylieren<br />

<strong>und</strong> dabei verschiedene<br />

Enzyme aktivieren<br />

Erstellen von Gen-Kopien<br />

Jedes Enzym-Molekül<br />

katalysiert die<br />

Veränderung eines<br />

passenden Produktes<br />

Erstellen von Gen-Kopien<br />

Abbildung 3.9. Zusammenfassung der wichtigsten Schritte der Signal-Transduktion.<br />

3.14


3<br />

Das Ziel der Signalisierung<br />

Das Hauptziel der Signal-Prozesse ist, eine Nachricht aus der Zellumgebung an eine Zielzelle<br />

zu übermitteln. Die meisten Signaltransduktionen werden von Rezeptoren, an die ein<br />

spezifisches Protein (Ligand) bindet, vermittelt. Die meisten Rezeptoren sind transmembrane<br />

Proteine, die aktiviert werden, wenn der Ligand sich an sie bindet, <strong>und</strong> die dann eine ganze<br />

Reihe von intrazellulären Signalen produzieren, die das Verhalten der Zielzelle verändern.<br />

Einige Rezeptorproteine kommen aber auch innerhalb der Zellen vor. Jede Zelle ist<br />

programmiert, auf spezifische Kombinationen von Signalmolekülen zu reagieren. Viele Zellen<br />

benötigen mehrere Signale, um überleben zu können, dazu noch zusätzliche Signale, um sich<br />

zu teilen <strong>und</strong> noch andere, um sich zu differenzieren. Wenn die benötigten Signale ausfallen,<br />

werden die meisten Zellen einer Form von Zell-Selbstmord unterzogen, bekannt als<br />

programmierter Zelltod oder Apoptose.<br />

Signal-Transduktion<br />

Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre entsprechenden Rezeptoren bilden die obersten zwei Stufen im<br />

Signalpfad <strong>und</strong> übertragen Botschaften in Form extrazellulärer Stimuli von der Zelloberfläche<br />

zum Zellkern. Die Überbringer der Botschaften in diesen Signalwegen sind die<br />

Signaltransduktoren <strong>und</strong> Aktivatoren der Transkription, die bekannt sind als STATs. STATs sind<br />

Proteine, die eine Familie von Transkriptionsfaktoren enthalten, <strong>und</strong> durch eine Tyrosin-Kinase<br />

aktiviert werden. Nach der Aktivierung migrieren diese Transkriptionsfaktoren in den Zellkern,<br />

wo sie die Gen-Expression regulieren. Dieser Prozess wird Signal-Transduktion genannt. Die<br />

Komponenten, die zu diesem Prozess beitragen, werden unten beschrieben.<br />

Proteinkinasen<br />

Proteinkinasen wirken als molekulare Schalter für eine Vielzahl von zellulären Prozessen. Der<br />

„Schalter“-Effekt wird durch die Phosphorylierung spezifischer Tyrosine oder Serine/Threonine<br />

am gewünschten Protein ausgelöst (Abbildung 3.10). Dieser Prozess der Phosphorylierung führt<br />

zur Aktivierung des Zielproteins. Intrazelluläre Proteinkinasen sind normalerweise das Ziel von<br />

sek<strong>und</strong>ären Überbringungs-Molekülen (z.B. cAMP, cGMP, Diacylglycerol), spielen aber auch<br />

ATP ADP<br />

Proteinkinasen<br />

wirken als<br />

molekulare<br />

Schalter für eine<br />

Vielzahl von<br />

zellulären<br />

Prozessen.<br />

Proteinkinase<br />

Inaktives<br />

Protein<br />

Tyrosin-,<br />

Serin- oder<br />

Threonin-Reste<br />

Aktiviertes<br />

Protein<br />

P<br />

Phosphat<br />

ATP<br />

ADP<br />

Proteinkinase<br />

Aktiviertes<br />

Protein<br />

Tyrosin-,<br />

Serin- oder<br />

Threonin-Reste<br />

Inaktives<br />

Protein<br />

P<br />

Phosphat<br />

Abbildung 3.10. Proteinkinasen aktivieren/inaktivieren Proteinziele durch die Phosphorylierung von<br />

Tyrosin, Serin oder Threonin-Aminosäuren.<br />

3.15


3<br />

kritische Rollen bei andern Signalereignissen. So sind zum Beispiel Mitogen-aktivierte<br />

Proteinkinasen (MAPK) wichtige Bestandteile der durch PDGF (von Thrombozyten freigesetzter<br />

Wachstumsfaktor) induzierten Signalkaskaden, welche die cAMP-abhängige Proteinkinase<br />

aktivieren.<br />

Zusätzlich scheint es auch beträchtliche Interaktionen zwischen Proteinkinasen in verschiedenen<br />

Signalkaskaden zu geben. Zum Beispiel ist bekannt, dass PKA die MAPK-Aktivität hemmt <strong>und</strong><br />

dass Proteinkinase C (PKC) PKA hemmen kann.<br />

Der wichtigste<br />

Mechanismus,<br />

durch welchen<br />

eine Zelle<br />

extrazelluläre<br />

Stimuli empfängt<br />

<strong>und</strong> als Folge<br />

davon eine<br />

intrazelluläre<br />

Signalreihe<br />

auslöst, geschieht<br />

durch Membran-<br />

Rezeptoren.<br />

Rezeptoren – wichtige Moleküle bei der Zellsignalisierung<br />

Der wichtigste Mechanismus, durch welchen eine Zelle extrazelluläre Stimuli empfängt <strong>und</strong> als<br />

Folge davon eine intrazelluläre Signalreihe auslöst, geschieht durch Membran-Rezeptoren.<br />

Einige der Hauptrezeptoren, die in die intrazelluläre Signalisierung einbezogen sind, sind<br />

Rezeptor-Tyrosinkinasen, Rezeptor-verwandte Tyrosinkinasen (RATK) <strong>und</strong> G-Protein-Komplexe.<br />

Zur Familie der Tyrosinkinase-Rezeptoren gehören HER2, der epidermale Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptor (EGF-R), der Insulin-Rezeptor <strong>und</strong> der PDGF-Rezeptor. Diese wichtigen Rezeptoren<br />

haben viele gemeinsame strukturelle Merkmale: alle besitzen eine extrazelluläre Ligandspezifische<br />

Binde-Region oder eine intrazellulär katalytische Region mit intrinsischer<br />

Tyrosinkinase-Aktivität. Die Ligand-Bindung in der extrazellulären Region aktiviert die Aktivität<br />

der Rezeptor-Tyrosinkinase, was zu einer Vielzahl von Effekten führt.<br />

Signalisierung durch Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />

Der durch den Liganden aktivierte Rezeptor muss die Information an den Kern übermitteln, so<br />

dass die Zelle auf das Signal antworten kann. Dieser Übermittlungsprozess involviert oft die<br />

physikalische Bewegung von Proteinen. Nur wenn die Proteinsignale den Kern erreichen,<br />

erfolgt eine Antwort der Gene, welche die Upregulation (Erhöhung) oder die Downregulation<br />

(Verminderung) der Gentranskription beinhaltet (Abbildung 3.11). Tatsächlich können aber die<br />

Rezeptor-Signalisierung <strong>und</strong> die Übermittlung von Information durch Proteine durch andere<br />

Mechanismen beeinflusst werden, die das Endresultat in Bezug auf die Gentranskription<br />

verändern.<br />

Wachstumsfaktoren<br />

Effektor-<br />

Proteine<br />

P<br />

P<br />

Proteinkinase-<br />

Aktivität<br />

Phosphorylierung<br />

<strong>und</strong> Aktivierung<br />

von Effektor-Proteinen<br />

Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptoren<br />

P<br />

Induktion<br />

der Gen-<br />

Transkription<br />

Aktivierte,<br />

in den Zellkern<br />

transferierte<br />

Proteine<br />

Zellkern<br />

Abbildung 3.11. Schematische Darstellung der Signalisierung durch Wachstumsfaktor-Rezeptoren.<br />

3.16


3<br />

Signal-Pfade<br />

HER2<br />

HER2 ist ein Mitglied der Familie der humanen epidermalen Wachstumsrezeptoren, welche aus<br />

vier ähnlichen Rezeptoren besteht. Diese Rezeptoren interagieren miteinander. Anomalien des<br />

HER2-Rezeptors, die eine Überstimulation der Übermittlungspfade von zellulären<br />

Wachstumsfaktor-Signalen hervorrufen, spielen eine Rolle bei einer Anzahl von<br />

<strong>Krebs</strong>krankheiten, insbesondere bei Brustkrebs.<br />

Die Struktur von HER2<br />

Das HER2-Protein hat drei Domänen oder Regionen, die folgende Anteile umfassen:<br />

● eine extrazelluläre Domäne, die in der Liganden-Bindung tätig ist<br />

● einen transmembranen Bereich für die Signalisierung<br />

● einen intrazellulären Bereich mit Tyrosinkinase-Aktivität (Abbildung 3.12).<br />

HER2-Signal-Transduktion<br />

Kleine Mengen des HER2-Rezeptors sind normalerweise an der Oberfläche von epi<strong>the</strong>lialen<br />

Zellen exprimiert <strong>und</strong> spielen eine Rolle im normalen Zellwachstum <strong>und</strong> in der Zellteilung. HER2<br />

verbindet sich mit anderen HER-Rezeptoren, um aktiv werden zu können. Der<br />

Anbindungsprozess triggert eine festgelegte Reihenfolge von Ereignissen, die wiederum einen<br />

Informationsfluss durch den Signal-Transduktionspfad bewirken. So wird sichergestellt, dass die<br />

Signale von der Zellmembran durch das Zytoplasma zum Zellkern übermittelt werden<br />

(Abbildung 3.11). Die Gen-Aktivierung geschieht dann als Folge dieses Signal-Transduktions-<br />

Prozesses.<br />

Inhibition der HER2-Signal-Transduktion<br />

Wie schon erwähnt, wird HER2 in etwa 20% der Brustkrebserkrankungen überexprimiert. So<br />

hat eine Anzahl von Patientinnen mit Brustkrebs multiple Kopien des HER2-Gens, was zu einer<br />

Plasma-<br />

Membran<br />

Zytoplasma<br />

Extrazelluläre<br />

Domäne (632 Aminosäuren)<br />

Ligand-bindende Stelle<br />

Transmembrane Domäne<br />

(22 Aminosäuren)<br />

Intrazelluläre Domäne<br />

(580 Aminosäuren)<br />

Tyrosinkinase-Aktivität<br />

Anomalien des<br />

HER2-Rezeptors,<br />

die eine<br />

Überstimulation<br />

der<br />

Übermittlungspfade<br />

von zellulären<br />

Wachstumsfaktor-<br />

Signalen<br />

hervorrufen,<br />

spielen eine Rolle<br />

bei einer<br />

Anzahl von<br />

<strong>Krebs</strong>krankheiten,<br />

insbesondere bei<br />

Brustkrebs.<br />

…eine Anzahl<br />

von Patientinnen<br />

mit Brustkrebs hat<br />

multiple Kopien<br />

des HER2-Gens,<br />

was zu einer<br />

Überexpression<br />

des HER2-<br />

Proteins, zu<br />

erhöhter<br />

Signalabgabe an<br />

den Zellkern <strong>und</strong><br />

zu onkogener<br />

Transformation<br />

normaler Zellen<br />

führt.<br />

Abbildung 3.12. Modell des HER2-Proteins.<br />

3.17


3<br />

Überexpression des HER2-Proteins, zu erhöhter Signalabgabe an den Zellkern <strong>und</strong> zu<br />

onkogener Transformation normaler Zellen führt.<br />

Nimmt man die Signalfunktion von HER2 weg, wird die Wachstumssignalisierung schwächer,<br />

was das maligne Wachstum potentiell reduziert. Anti-HER2-monoklonale Antikörper (MAbs) wie<br />

Herceptin ® können eine HER2-Reduktion in Brustkrebszellen verursachen. Dieser Mechanismus<br />

könnte die Antikrebs-Wirkung von <strong>Therapien</strong> wie Herceptin ® , die auf HER2 abzielen,<br />

unterstützen. Dies wird in den Kapiteln 6 <strong>und</strong> 7 beschrieben. Die wachstumshemmende<br />

Wirkung von verschiedenen anti-HER2-MAbs bei Brustkrebs korreliert mit ihrer Fähigkeit, HER2<br />

zu binden <strong>und</strong> es von der Zelloberfläche zu entfernen. Diese Aktivität hindert HER2 daran, mit<br />

andern HER-Proteinen zu interagieren, wodurch die Wachstumssignale, welche die Entwicklung<br />

von <strong>Krebs</strong>zellen fördern, vermindert werden.<br />

TGF-β/Smad<br />

Der Signalpfad des transformierenden Wachstumsfaktors β (TGF-β) enthält drei wichtige<br />

Elemente: TGF-β-Proteine, transmembrane Rezeptoren <strong>und</strong> Signalproteine, die Smad genannt<br />

werden. Der Prozess der Signaltransduktion wird durch die Anbindung extrazellulärer TGF-β an<br />

die Membran-Rezeptoren initiiert, worauf die Aktivität der Rezeptor-Proteinkinase spezifische<br />

Smad-Proteine phosphoryliert. Die aktivierten Smad-Proteine werden in den Zellkern transferiert,<br />

wo sie die Transkription spezifischer Gene induzieren. Ein Fehler auf diesem Pfad kann eine<br />

unkontrollierte Proliferation von Zellen auslösen <strong>und</strong> so die Entstehung von <strong>Krebs</strong> fördern.<br />

Ras <strong>und</strong> Raf-1/ERK2 (MAPK)<br />

Wie oben bereits erwähnt wurde, stimulieren die Proteinprodukte von Onkogenen eine<br />

unkontrollierte Zellproliferation. Die Onkogenese durch das Ras-Gen geschieht, wenn Ras-GTPbindende<br />

Proteine (p21 Ras-Familie) interagieren. Die Kinase-Aktivität dieser aktivierten<br />

Moleküle beeinflusst eine Vielzahl von Signalpfaden. Ras (Ras-GTP)-Proteine werden reguliert<br />

durch Ras GTPase-aktivierende Proteine (GAPs), was die Hydrolyse von Ras-geb<strong>und</strong>enem GTP<br />

moduliert. Im Gegensatz dazu werden onkogene Ras-Proteine (p21 Ras Proteine) nicht durch<br />

GAPs inaktiviert, was zur konstanten Stimulation von einseitigen Signalelementen <strong>und</strong> somit zu<br />

unkontrolliertem Zellwachstum führt.<br />

Tumor-Onkogenese <strong>und</strong> Tumor-Wachstum<br />

Wenn Tumoren<br />

die Fähigkeit<br />

haben, ins<br />

umliegende<br />

Gewebe zu<br />

infiltrieren, haben<br />

sie bösartigen<br />

Charakter <strong>und</strong><br />

man bezeichnet<br />

sie als maligne.<br />

Die Entwicklung eines Tumors<br />

Wenn Tumoren die Fähigkeit haben, ins umliegende Gewebe zu infiltrieren, haben sie<br />

bösartigen Charakter <strong>und</strong> man bezeichnet sie als maligne. Solche Tumoren können auch<br />

metastasieren oder Fernmetastasen bilden, weil Zellen durch die Blutbahn oder das<br />

lymphatische System transportiert werden.<br />

Tumoren werden normalerweise erst entdeckt, wenn sie schon relativ gross sind (etwa 10 8 oder<br />

10 9 Zellen) (Abbildung 3.13). Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor bereits vor<br />

der Entdeckung metastasiert hat, was wiederum die Behandlung erschwert. Es ist offensichtlich,<br />

dass ein Tumor umso kleiner ist, je früher er entdeckt wird. Dies verbessert die Prognose <strong>und</strong><br />

das Resultat für den Patienten, vor allem, wenn der Tumor entdeckt wird, bevor Metastasen<br />

entstanden sind. Je ausgedehnter die Metastasierung, desto schwieriger ist die Beseitigung des<br />

Tumors.<br />

Das Wachstum von Tumorzellen ist wichtig im Zusammenhang mit der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>.<br />

Tumoren wachsen exponentiell (Abbildung 3.13), weil jede Zellteilung die Anzahl der Zellen<br />

3.18


3<br />

Durchmesser des Tumors (mm)<br />

100<br />

10<br />

1<br />

0.1<br />

0<br />

1 10 20 30 40 50<br />

Verdoppelung der<br />

Anzahl Tumorzellen<br />

Abbildung 3.13. Exponentielles Tumorwachstum.<br />

Normal<br />

HER2-Rezeptor-<br />

Protein<br />

HER2<br />

mRNA<br />

Tod des Patienten<br />

(10 12 Zellen)<br />

Tumor erstmals palpabel<br />

(10 9 Zellen)<br />

Tumor erstmals im Röntgen<br />

sichtbar (10 8 Zellen)<br />

verdoppelt, so dass aus zwei Zellen vier werden, aus vier acht, dann 16, 32, 64 <strong>und</strong> so weiter.<br />

Die Entwicklung eines Tumors aus einer nicht-malignen Vorstufe zu einem invasiven Tumor <strong>und</strong><br />

zu einer metastasierenden Erkrankung benötigt viele aufeinander folgende Mutationen <strong>und</strong> eine<br />

natürliche Selektion. Eine einzelne Mutation ist also meist noch nicht ausreichend um <strong>Krebs</strong> zu<br />

verursachen, sondern es scheint, dass <strong>Krebs</strong> erst durch mehrere von einander unabhängige<br />

Faktoren entsteht.<br />

Die Schritte der Tumorentwicklung können in Zusammenhang gebracht werden mit Mutationen,<br />

die spezifische Onkogene aktivieren <strong>und</strong> spezifische Tumor-Suppressor-Gene inaktivieren. Zum<br />

Beispiel sind der Verlust der Funktion von p53 <strong>und</strong> die Überexpression von HER2 häufige<br />

Ereignisse in der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>. Eine HER2 Gen-Amplifikation (Abbildung 3.14) führt<br />

zu onkogenetischer Transformation durch vermehrte Transkription (Syn<strong>the</strong>se von RNA) des<br />

HER2-Gens, welche zur Vermehrung der HER2 mRNA Mengen führt.<br />

Amplifikation/Überexpression<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Die Entwicklung<br />

eines Tumors aus<br />

einer nichtmalignen<br />

Vorstufe<br />

zu einem<br />

invasiven Tumor<br />

<strong>und</strong> zu einer<br />

metastasierenden<br />

Erkrankung<br />

benötigt viele<br />

aufeinander<br />

folgende<br />

Mutationen <strong>und</strong><br />

eine natürliche<br />

Selektion.<br />

Die Schritte der<br />

Tumorentwicklung<br />

können in<br />

Zusammenhang<br />

gebracht werden<br />

mit Mutationen,<br />

die spezifische<br />

Onkogene<br />

aktivieren <strong>und</strong><br />

spezifische Tumor-<br />

Suppressor-Gene<br />

inaktivieren.<br />

Zytoplasma<br />

Zytoplasma-<br />

Membran<br />

Zellkern<br />

HER2 DNA<br />

1 = vermehrte Genkopien<br />

2 = erhöhte mRNA-Transkription<br />

3 = erhöhte Expression von<br />

Zelloberflächen-Rezeptorproteinen<br />

Abbildung 3.14. Indikatoren des HER2-Status.<br />

3.19


3<br />

Der genaue Mechanismus, welcher der HER2-Amplifikation unterliegt, <strong>und</strong> der Weg wie dies zur<br />

Bösartigkeit von <strong>Krebs</strong> beiträgt, ist bis jetzt nicht bekannt. Was auch immer die Ursachen dafür<br />

sind, die Konsequenzen der HER2-Amplifikation sind eine Höherregulation von Zellwachstum <strong>und</strong><br />

eine onkogene Transformation (siehe Abbildung 3.7). <strong>Biologische</strong> <strong>the</strong>rapeutische Strategien mit<br />

dem Ziel der Beeinflussung von tumorspezifischen molekularen Anomalien werden in Kapitel 6<br />

<strong>und</strong> 7 beschrieben.<br />

Zunahme von Mutationen durch Tumorwachstum<br />

Mutationen sind wichtige Eigenschaften von <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> ermöglichen deren eindrückliche<br />

Fähigkeit, kontinuierlich zu wachsen <strong>und</strong> menschliche Abwehrmechanismen zu umgehen. Wie<br />

schon früher beschrieben, ist dies oft das Resultat einer Exposition von Tumor-Initiatoren <strong>und</strong><br />

Tumor-Promotoren. Die Hypo<strong>the</strong>se des Mutator-Phänotyps schreibt dieses Phänomen einer<br />

wachsenden Zahl von Fehlern in der DNA-Replikation zu. Entsprechend dieser Theorie spielen<br />

DNA-Polymerasen, DNA-Reparatur-Enzyme <strong>und</strong> andere Moleküle eine wichtige Rolle. Als Folge<br />

davon können andere Gene, die für die Aufrechterhaltung der Stabilität des Genoms <strong>und</strong> für die<br />

Kontrolle der Proliferation verantwortlich sind, mutiert werden.<br />

Zusammenfassung<br />

Tumoren sind wachsende Massen nicht normaler Zellen. So lange diese neoplastischen Zellen in<br />

einer einzigen Masse zusammen bleiben, ist der Tumor lokalisiert. Die neoplastische <strong>und</strong> maligne<br />

Natur von <strong>Krebs</strong>zellen bedeutet, dass sie sich auch ohne wachstumsfördernde Signale vermehren<br />

<strong>und</strong> die menschlichen Abwehrmechanismen umgehen. Die Umwandlung einer normalen Zelle in<br />

eine maligne Zelle ist die Folge von genetischen Mutationen, üblicherweise in Folge der<br />

Einwirkung eines Karzinogens. Eine einzelne Mutation (eine Sequenz-Veränderung der DNA)<br />

genügt meist nicht zur Auslösung von <strong>Krebs</strong>. Es weist einiges darauf hin, dass die Entwicklung<br />

von <strong>Krebs</strong> im Allgemeinen von mehreren unabhängigen Störungen in derselben Zelle abhängt.<br />

Tumoren wachsen exponentiell <strong>und</strong> das Fortschreiten eines Tumors beinhaltet mehrere<br />

Mutationsr<strong>und</strong>en <strong>und</strong> auch eine natürliche Selektion. Dies erhöht die Fehlerquote in der DNA-<br />

Replikation im Laufe des Tumorwachstums.<br />

Ein Proto-Onkogen ist ein Gen mit normalen Funktionen in der Kontrolle der Zellproliferation, das<br />

sich mutieren <strong>und</strong> ein Onkogen werden kann. Ein Tumor-Suppressor-Gen ist ein Antiproliferations-<br />

Gen in einer normalen Zelle. Es wird angenommen, dass <strong>Krebs</strong> als Folge einer Serie von<br />

Mutationen in Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Genen entsteht. Beispiele dafür sind HER2, ein<br />

Proto-Onkogen, <strong>und</strong> p53, ein Tumor-Suppressor-Gen. Diese Gene haben sehr wichtige Rollen bei<br />

Brustkrebs <strong>und</strong> Kolorektalkrebs. Neuere Entdeckungen weisen darauf hin, dass Mismatch-<br />

Reparatur-Gene ebenfalls eine Rolle spielen bei der Prädisposition von Zellen für Mutationen. Die<br />

Apoptose, ein Mechanismus des Zelltodes, ist ein biologischer Vorgang, welcher eine wichtige<br />

Rolle in der Entwicklung der Homöostase <strong>und</strong> in vielen Krankheitsprozessen spielt. Beschädigte<br />

<strong>und</strong> überflüssige Zellen auf eine präzise <strong>und</strong> systematische Art zu vernichten, ist ein wichtiger<br />

Bestandteil normaler Entwicklung. Einige <strong>Krebs</strong>arten scheinen Zelltod-Abfolgen zu verhindern,<br />

was in exzessiver <strong>und</strong> unkontrollierter Proliferation endet.<br />

Gene, die in der Entstehung von <strong>Krebs</strong> eine Rolle spielen, kodieren oft Moleküle wie<br />

Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre Rezeptoren, welche normalerweise die Zellreplikation stimulieren<br />

oder Faktoren, die zur Verursachung des Zelltods (Apoptose) beitragen. Wachstumsfaktoren<br />

beinhalten Proteine, Peptide (kleine Proteine) oder Steroid-Hormone. Wenn sie an die<br />

entsprechenden Rezeptoren an der Zelloberfläche geb<strong>und</strong>en sind, aktivieren Wachstumsfaktoren<br />

3.20


3<br />

eine Kommunikation oder einen Signalpfad, Signaltransduktion genannt, der die Zelle zu einer<br />

Antwort stimuliert, entweder über die Expression oder die Hemmung von Proteinen.<br />

Eine gut bekannte <strong>und</strong> gut beschriebene Familie von Wachstumsfaktor-Rezeptoren ist die<br />

Gruppe der Tyrosinkinase-Rezeptoren, welche das Zellwachstum <strong>und</strong> die Differenzierung<br />

kontrollieren. Eines der am besten erforschten Mitglieder dieser Familie ist HER2, das eine<br />

wichtige Rolle in der Zellsignalisation spielt <strong>und</strong> dessen Anomalien einen engen<br />

Zusammenhang mit der Prognose von Brust- <strong>und</strong> anderem <strong>Krebs</strong> haben. HER2 wird bei der<br />

biologischen Therapie mit Herceptin ® inaktiviert (siehe Kapitel 6).<br />

Im Gegensatz dazu befähigt p53 die Zellen, gut mit DNA-Schäden umzugehen <strong>und</strong> verhütet<br />

die unkontrollierte Proliferation von Tumorzellen, indem die DNA-Replikation während dem<br />

Zellzyklus angehalten wird, was die Reparatur von chromosomalen Anomalien erlaubt oder den<br />

Zelltod herbeiführt. Der Verlust oder die Inaktivierung von p53 bewirkt, dass dieser<br />

Überwachungsmechanismus nicht funktioniert, <strong>und</strong> vermindert die Fähigkeit, durch Apoptose<br />

die Zellzahl zu regulieren. p53-Mutationen bewirken, dass andere Mutationen an Tochterzellen<br />

weitergegeben werden können, <strong>und</strong> sind deshalb sehr wichtig in der Entstehung von <strong>Krebs</strong>. Sie<br />

betreffen mehr als 50% aller <strong>Krebs</strong>arten <strong>und</strong> werden in Verbindung gebracht mit einer hohen<br />

klinischen Aggressivität. Leider sind heute noch keine spezifisch auf p53 zugeschnittenen<br />

<strong>Therapien</strong> verfügbar.<br />

3.21


3<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Genetische Elemente <strong>und</strong> Prozesse können in einer hierarchischen <strong>und</strong> folgerichtigen<br />

Reihenfolge dargestellt werden. Vervollständigen Sie das folgende Fliessdiagramm, indem<br />

Sie die passenden Begriffe von der unten stehenden Liste einfügen. Die zwei Sternchen<br />

stehen für die zwei Mutations-Wege, die unkontrolliertes Zellwachstum <strong>und</strong> invasives<br />

Tumorwachstum bewirken können. Bitte nennen Sie diese.<br />

DNA Chromosomen Translation Protein<br />

Genom<br />

(Gesam<strong>the</strong>it der Gene)<br />

Gene<br />

**<br />

mRNA<br />

Transkription<br />

Basen<br />

2. Wie kann ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgewandelt werden? Welche Arten von<br />

Prozessen werden von den bekannten Proto-Onkogenen kontrolliert?<br />

3. Beschreiben Sie, wie Mutationen zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen können, <strong>und</strong> benützen<br />

Sie dazu einerseits das Tumor-Suppressor-Gen p53 <strong>und</strong> andererseits den Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptor HER2 als Beispiel.<br />

4. Was ist eine Signal-Transduktion <strong>und</strong> was bewirkt sie?<br />

5. Zählen Sie kurz die wichtigsten Stadien <strong>und</strong> Ereignisse bei einem typischen Signal-<br />

Transduktions-Ablauf auf <strong>und</strong> benützen Sie dazu einen Wachstumsfaktor als ersten Schritt.<br />

6. Beschreiben Sie die Rolle von Genmutationen bei der Auslösung von <strong>Krebs</strong>.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.5.<br />

3.22


Das Immunsystem: Die Basis für alle biologischen <strong>Therapien</strong><br />

4<br />

Einführung<br />

In den vorherigen Kapiteln haben wir gezeigt, dass <strong>Krebs</strong> eine biologische Gr<strong>und</strong>lage hat <strong>und</strong><br />

dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber ständig erweitert werden. Kapitel 4 gibt nun<br />

die Gr<strong>und</strong>lage zum Verständnis, warum immunologische <strong>Therapien</strong> machbar <strong>und</strong> zum Fokus<br />

<strong>the</strong>rapeutischer <strong>Krebs</strong>forschung wurden. Immunologische <strong>Therapien</strong> haben das Ziel,<br />

<strong>the</strong>rapeutischen Nutzen zu bringen durch Ausnutzen des Immunsystems, indem auf spezifische<br />

zelluläre Antworten abgezielt wird.<br />

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über das Immunsystem <strong>und</strong> zeigt besonders die Teile,<br />

welche Anwendungsmöglichkeiten für immunologische <strong>Therapien</strong> bieten. Die möglichen Wege,<br />

wie <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> andere Erkrankungen die Immunsystem-Erkennung überwinden, werden<br />

ebenfalls aufgezeigt. Und es wird erklärt, wie die Kenntnisse über das Immunsystem im<br />

<strong>the</strong>rapeutischen Rahmen angewandt werden können.<br />

4.1


4<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Definieren <strong>und</strong> beschreiben Sie die Ergebnisse einer Immunantwort <strong>und</strong> geben Sie an,<br />

warum die korrekte Identifikation eines Stoffes als fremd <strong>und</strong> potentiell schädlich so wichtig<br />

ist.<br />

2. Zeichnen <strong>und</strong> beschriften Sie ein generalisiertes Antikörper-Molekül <strong>und</strong> geben Sie an,<br />

welche Teile an Antigene <strong>und</strong> welche an andere Zellen des Immunsystems binden.<br />

3. Beschreiben Sie, wie Antikörper als Antwort auf einen Fremdstoff gebildet werden, <strong>und</strong><br />

zählen Sie die drei Hauptwege auf, wie sie wirken.<br />

4. Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen richtig oder falsch sind, <strong>und</strong> wenn sie falsch<br />

sind, geben Sie die richtige Antwort:<br />

a. Das angeborene (oder natürliche) Immunsystem antwortet schnell auf fremde<br />

Organismen.<br />

b. Wenn es einmal geprägt wurde von einem ersten Antigen-Kontakt, hat das erworbene<br />

Immunsystem ein Antigen-Gedächtnis <strong>und</strong> ist fähig, die Stärke <strong>und</strong> Effektivität der<br />

Antwort auf nachfolgende Reize mit demselben Antigen zu erhöhen.<br />

c. Die zellvermittelte Immunantwort ist Antikörper-abhängig.<br />

d. T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen, die durch ein Antigen stimuliert worden sind, sind morphologisch<br />

nicht zu unterscheiden.<br />

e. T-Zellen werden so genannt, weil sie im Thymus reifen.<br />

5. Beschreiben Sie, wie ein einzelner Typ von Antikörpern (monoklonaler Antikörper MAb) im<br />

Labor hergestellt werden kann <strong>und</strong> geben Sie zwei Vorteile von MAbs gegenüber<br />

polyklonalen Antikörpern an.<br />

6. Sowohl normale wie auch nicht normale Aktivitäten des Immunsystems können Krankheit<br />

erzeugen. Ergänzen Sie die folgenden Sätze mit dem passendsten Beispiel von Erkrankung<br />

aus der Liste:<br />

Allergische Reaktionen Autoimmun Immunüberwachung<br />

Immunabwehrschwäche- Perniziöse Anämie Tuberkulose<br />

Erkrankungen<br />

a. Bei ……………….………. widersteht das Bakterium der Zerstörung durch Makrophagen<br />

<strong>und</strong> vermehrt sich stattdessen innerhalb des Makrophagen. Wenn der Makrophag<br />

schlussendlich platzt, breitet sich das Bakterium aus, Lysosomen-Inhalt strömt aus <strong>und</strong><br />

verursacht Schäden am Gewebe des Wirts.<br />

b. ………………..………. geschehen wegen einer übermässigen T-Zell-Antwort auf ein<br />

schwach immunogenes Antigen.<br />

c. Mangel an T- <strong>und</strong> B-Zellen aus verschiedenen Gründen, inklusive T-Zell-Zerstörung, kann<br />

………………………. verursachen.<br />

d. Wenn das Immunsystem Komponenten der Wirts-Zellen angreift, dann können<br />

………………………. Erkrankungen wie ………………………. entstehen.<br />

e. Der Prozess, bei dem das Immunsystem des Körpers fähig ist, Zellen mit ungewöhnlichen<br />

Typen oder Mengen von Proteinen an ihrer Zelloberfläche zu finden <strong>und</strong> sich dagegen<br />

zu wehren, ist bekannt als ……………………….<br />

7. Obwohl viele <strong>Krebs</strong>zellen ungewöhnliche Gene oder aussergewöhnliche Mengen von<br />

Antigenen an ihrer Oberfläche haben, ist die Immunabwehr dort ineffektiv. Geben Sie zwei<br />

mögliche Erklärungen dafür.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.7.<br />

4.2


4<br />

Das Immunsystem verstehen<br />

Der menschliche Organismus hat zwei physikalische Barrieren, um sich gegen Angriffe durch<br />

Bakterien, Viren, Pilze <strong>und</strong> Parasiten zu wehren: die Haut <strong>und</strong> die Schleimhautmembranen,<br />

welche den Verdauungstrakt, die Atemwege <strong>und</strong> die Fortpflanzungsorgane überziehen. Wenn<br />

aber diese zwei physikalischen Barrieren durchbrochen werden, haben Menschen noch zwei<br />

andere Verteidigungsebenen:<br />

● das angeborene Immunsystem, das schnell auf fremde Organismen reagiert<br />

● das erworbene Immunsystem, das sich verändern kann, um auf fremde Organismen zu<br />

reagieren.<br />

Wichtige Eigenschaften des Immunsystems sind:<br />

● es ist ein komplexes <strong>und</strong> hoch entwickeltes Netzwerk, das viele verschiedene Arten von<br />

Zellen einschliesst, die miteinander interagieren. Dies sind Lymphozyten (T- <strong>und</strong> B-Zellen, die<br />

so genannt werden, weil sie zuerst als Zelltypen erkannt worden sind, die im Thymus <strong>und</strong><br />

der Bursa Fabrici, einem Organ in den Vögeln, reifen), Phagozyten <strong>und</strong> dendritische Zellen<br />

(Tabelle 4.1)<br />

● sein Zweck ist einfach: Eindringlinge finden <strong>und</strong> töten<br />

● es ist hochspezifisch <strong>und</strong> kann unterscheiden zwischen fremden <strong>und</strong> eigenen Molekülen<br />

● es kann sich anpassen <strong>und</strong> sich erinnern (immunologisches Gedächtnis).<br />

Was ist eine Immunantwort?<br />

Die Reaktion der Zellen <strong>und</strong> Moleküle des Immunsystems, die auf das Eindringen eines fremden<br />

Stoffes folgt, wird Immunantwort genannt. Viele der Reaktionen des Immunsystems führen zur<br />

Zerstörung <strong>und</strong> Eliminierung eindringender Organismen <strong>und</strong> der toxischen Moleküle, die diese<br />

produzieren. Weil Immunantworten destruktiv sind, ist es wichtig, dass sie nur als Antwort auf<br />

fremde Moleküle geschehen <strong>und</strong> nicht als Antwort auf den Wirt selber. Manchmal versagt das<br />

Immunsystem <strong>und</strong> kann nicht mehr zwischen fremden <strong>und</strong> eigenen Molekülen unterscheiden;<br />

solche autoimmunen Erkrankungen können fatal sein.<br />

Es existieren zwei Klassen von Immunantworten:<br />

● humorale Antikörper-Antworten, hervorgerufen durch B-Zellen<br />

● zellvermittelte Immunantworten, einschliesslich Antikörper-abhängige zellvermittelte<br />

Zytotoxizität (ADCC), hervorgerufen durch T-Zellen.<br />

Die Reaktion der<br />

Zellen <strong>und</strong><br />

Moleküle des<br />

Immunsystems,<br />

die auf das<br />

Eindringen eines<br />

fremden Stoffes<br />

folgt, wird<br />

Immunantwort<br />

genannt.<br />

Was ist ein Antigen?<br />

Jede Substanz, die fähig ist, eine Immunantwort hervorzurufen, wird Antigen genannt. Dies<br />

schliesst eine ganze Reihe von Substanzen ein, von simplen Chemikalien, Zucker <strong>und</strong> kleinen<br />

Peptiden zu Proteinen. Antigene können entweder als freie Moleküle oder in die Membranen<br />

von Parasiten, Bakterien oder Viren integriert vorkommen. Die dreidimensionale Struktur <strong>und</strong><br />

spezifische Beschaffenheit des Antigens triggert die Produktion von Antikörpern, die sich an das<br />

Antigen binden.<br />

Was ist ein Antikörper?<br />

Antikörper sind Immunoglobulin (Ig)-Proteine, die von B-Zellen produziert werden. B-Zellen sind<br />

weisse Blutkörperchen (oder Lymphozyten), die im Knochenmark vorkommen. Jede B-Zelle hat<br />

Rezeptoren an ihrer Oberfläche, die spezifisch sind für ein einziges Antigen. Bei Kontakt mit<br />

Antikörper sind<br />

Immunoglobulin-<br />

Proteine, die von<br />

B-Zellen<br />

produziert<br />

werden.<br />

4.3


4<br />

Tabelle 4.1 Zusammenfassung der Hauptfunktionen von Zellen, die im<br />

Immunsystem eine Rolle spielen.<br />

Zelltyp<br />

Neutrophile<br />

Basophile<br />

Eosinophile<br />

B-Zellen<br />

Plasmazellen<br />

Zytotoxische T-Zellen<br />

T-Helfer-Zellen<br />

Suppressor-T-Zellen<br />

Natürliche<br />

Killerzellen (NK)<br />

Memory T- <strong>und</strong><br />

B-Zellen<br />

(Gedächtniszellen)<br />

Makrophagen<br />

Monozyten<br />

Dendritische Zellen<br />

Mastzellen<br />

Hauptfunktionen<br />

Phagozytose<br />

Setzen Stoffe frei, die bei einer Entzündung eine Rolle spielen<br />

Setzen Histamin <strong>und</strong> andere Botenstoffe frei, die bei der Entzündung wichtig sind<br />

Ähnliche Funktion im Blut, wie sie Mastzellen im Gewebe haben<br />

Zerstören Parasiten-Würmer<br />

Sind Teil unmittelbarer allergischer Reaktionen<br />

Lösen Antikörper-bedingte Immunreaktionen durch Binden spezifischer Antigene an<br />

ihre Plasmamembran-Rezeptoren aus<br />

Wenn sie aktiviert sind, verwandeln sie sich in Plasmazellen, welche Antikörper<br />

produzieren<br />

Produzieren Antikörper<br />

Binden an Antikörper <strong>und</strong> zerstören direkt Zellen<br />

Scheiden Zytokine aus, welche B-Zellen, zytotoxische T-Zellen, NK-Zellen,<br />

Makrophagen <strong>und</strong> andere T-Helferzellen aktivieren<br />

Binden an Antigene, welche von Makrophagen präsentiert werden<br />

Hemmen B-Zellen <strong>und</strong> zytotoxische T-Zellen<br />

Binden direkt <strong>und</strong> unspezifisch an Virus-infizierte Zellen <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> töten sie<br />

Handeln als Killerzellen in ADCC<br />

Leicht aktivierbare T- <strong>und</strong> B-Zellen, die auf die Wiederbegegnung mit einem Antigen<br />

reagieren, welchem das System schon mal ausgesetzt war, indem sie eine schnelle<br />

<strong>und</strong> spezifische Antwort produzieren<br />

Zelltyp, der bei Impfungen aktiviert wird, welche eine lebenslange Immunität<br />

bewirken<br />

Phagozytose <strong>und</strong> intrazelluläre Zerstörung<br />

Extrazelluläre Zerstörung durch Sekretion toxischer Substanzen<br />

Verarbeiten Antigene <strong>und</strong> präsentieren diese an T-Helfer-Zellen<br />

Scheiden Zytokine aus, welche bei Entzündungen, Aktivierung von T-Helfer-Zellen<br />

<strong>und</strong> bei Verletzungen eine Rolle spielen<br />

Die Funktionen im Blut sind gleich wie die der Makrophagen im Gewebe<br />

Treten ins Gewebe ein <strong>und</strong> verwandeln sich in Makrophagen<br />

Verarbeiten Antigene <strong>und</strong> präsentieren diese den T-Helfer-Zellen<br />

Setzen Histamine <strong>und</strong> andere an Entzündungsreaktionen beteiligte Substanzen frei<br />

4.4


4<br />

dem entsprechenden Antigen <strong>und</strong> Co-Stimulation von B-Helfer-Zellen reifen die B-Zellen zu<br />

Antikörper-Fabriken, genannt Plasma-Zellen (für weitere Details siehe Seite 4.7).<br />

Es gibt fünf Klassen von Antikörpern, von denen jeder eine spezielle Funktion ausübt.<br />

● IgA ist das zweithäufigste Ig. Schutzfunktion im Bereich der äusseren Körperoberfläche<br />

(Schleimhäute).<br />

● IgD wird von sich entwickelnden B-Zellen produziert <strong>und</strong> kommt nur auf der Oberfläche<br />

dieser Zellen vor.<br />

● IgE ist an allergischen Histamin-Reaktionen beteiligt.<br />

● IgM ist die erste Antikörper-Klasse, welche reifende B-Zellen produziert. Während die<br />

B-Zellen sich entwickeln, wechseln sie zur Herstellung anderer Antikörper-Klassen.<br />

● IgG ist die grösste Ig-Klasse <strong>und</strong> wird in grossen Mengen produziert. IgG kann das<br />

Komplementsystem (siehe Seite 4.9) aktivieren, Phagozytose durch Makrophagen oder<br />

Neutrophile induzieren <strong>und</strong> ADCC stimulieren.<br />

Antikörper-Struktur<br />

Ein Antikörper ist ein Molekül, das geformt ist wie ein Y mit einer Antigen-bindenden Region<br />

(welche Fab genannt wird) an jedem Ende der beiden Arme des Y. Zwei verschiedene Proteine,<br />

die schwere Kette <strong>und</strong> die leichte Kette, bilden die Arme (siehe Abbildung 4.1). Dank der Fab-<br />

Regionen an jedem Ende der Antikörper-Arme kann jeder Antikörper gleichzeitig zwei Antigene<br />

binden. Weil die Antigen-bindenden Regionen an jedem Arm identisch sind, binden sie<br />

dasselbe Antigen. Zusätzlich bestimmt die Fc-Region (am Stamm des Y) die biologischen<br />

Eigenschaften des Antikörpers <strong>und</strong> kann zum Beispiel an spezielle Rezeptoren (Fc-Rezeptoren)<br />

binden, welche sich an den Oberflächen von Zellen wie Makrophagen befinden.<br />

Die Produktion verschiedener Antikörper<br />

Die menschlichen Antikörper-Antworten schliessen die Produktion von Antikörpern mit ein,<br />

welche im Blutstrom zirkulieren <strong>und</strong> in andere Körperflüssigkeiten eindringen, wo sie speziell an<br />

Leichte Kette<br />

Variable Region (bildet die Fab-Region)<br />

Disulphid-Brücken<br />

Schwere Kette<br />

Konstante Region (mit Fc-Region)<br />

Abbildung 4.1. Die Struktur eines typischen Antikörper-Moleküls.<br />

Ein Antikörper ist<br />

ein Molekül, das<br />

geformt ist wie<br />

ein Y mit einer<br />

Antigenbindenden<br />

Region (welche<br />

Fab genannt<br />

wird) an jedem<br />

Ende der beiden<br />

Arme<br />

des Y.<br />

Die menschlichen<br />

Antikörper-<br />

Antworten<br />

schliessen die<br />

Produktion von<br />

Antikörpern mit<br />

ein, welche im<br />

Blutstrom<br />

zirkulieren <strong>und</strong> in<br />

andere<br />

Körperflüssigkeiten<br />

eindringen,<br />

wo sie speziell an<br />

das fremde<br />

Antigen<br />

anbinden,<br />

welches sie auch<br />

induzierte.<br />

4.5


4<br />

Schätzungsweise<br />

100 Millionen<br />

verschiedener<br />

Antikörper sind<br />

nötig, um den<br />

Organismus vor<br />

jedem möglichen<br />

Eindringling zu<br />

schützen.<br />

das fremde Antigen anbinden, welches sie auch induzierte. Diese Bindung inaktiviert das<br />

Antigen <strong>und</strong> „markiert“ es für die Zerstörung durch Zellen, welche Phagozyten genannt werden,<br />

oder induziert ein Antigen-zerstörendes System von Blutproteinen, genannt Komplement,<br />

welches Sie weiter unten beschrieben finden (Seite 4.9).<br />

Schätzungsweise 100 Millionen verschiedener Antikörper sind nötig, um den Organismus vor<br />

jedem möglichen Eindringling zu schützen. Ein spezieller Prozess namens klonale Selektion<br />

befähigt B-Zellen zur Produktion einer derart grossen Zahl verschiedener Antikörper-Typen. Jede<br />

B-Zelle produziert Antikörper, die nur einen Typ Fab haben. Und jede Fab ist nur spezifisch für<br />

ein einziges Antigen. Jede B-Zelle zeigt ihre Antikörper an ihrer Oberfläche. Diese Antikörper<br />

sind bekannt als B-Zell-Rezeptoren <strong>und</strong> signalisieren der B-Zelle, wenn ihr zugehöriges Antigen<br />

anwesend ist. So agieren B-Zell-Rezeptoren wie Antennen auf der Suche nach dem korrekten<br />

Signal.<br />

Der Teil eines Antigens, der mit der Antigen-bindenden Zone eines Antikörper-Moleküls oder<br />

eines Lymphozyten-Rezeptors zusammenpasst, heisst Epitop. Die meisten Antigene haben eine<br />

Anzahl verschiedener Epitope <strong>und</strong> stimulieren die Produktion von mehr als einem Antikörper.<br />

Diese Epitope variieren in der Stärke ihrer Antigen-Eigenschaften. Diejenigen mit den stärksten<br />

Antigen-Eigenschaften dominieren die Gesamt-Antwort <strong>und</strong> werden immunodominant genannt.<br />

Die wichtigste<br />

Aufgabe von<br />

Antigenpräsentierenden<br />

Zellen ist die<br />

Aktivierung von<br />

T-Helferzellen.<br />

Antigen-präsentierende Zellen stimulieren Lymphozyten-Klone<br />

Auch wenn ein Antigen viele Antikörper-produzierende B-Zell-Klone stimuliert, wird nur ein sehr<br />

kleiner Anteil der totalen Lymphozyten-Population stimuliert. Um sicherzustellen, dass die<br />

richtigen Lymphozyten-Populationen dem Antigen ausgesetzt werden, werden Antigene in den<br />

sek<strong>und</strong>ären Lymphorganen gesammelt (Abbildung 4.2). Dort zirkulieren dauernd T- <strong>und</strong><br />

B-Zellen. Eine der häufigsten Arten von Antigen-präsentierenden Zellen sind dendritische Zellen.<br />

Die wichtigste Aufgabe von Antigen-präsentierenden Zellen ist die Aktivierung von T-<br />

Helferzellen. Diese Aktivierung ist nötig, damit die T-Helferzellen proliferieren, sich<br />

differenzieren <strong>und</strong> so das Wachstum anderer T-Helferzellen <strong>und</strong> B-Zellen stimulieren <strong>und</strong> damit<br />

sie zytotoxische T-Zellen zur Vernichtung einer infizierten Zelle stimulieren <strong>und</strong> Makrophagen<br />

Adenoid-Drüsen<br />

Tonsille<br />

Lymphbahnen<br />

Peyer’sche Drüsen<br />

im Dünndarm<br />

Lymphknoten<br />

Milz<br />

Blinddarm<br />

Abbildung 4.2. Organe <strong>und</strong> Gewebe des lymphatischen Systems.<br />

4.6


4<br />

aktivieren. Diese Stimulation wird via Zytokin-Sekretion angeregt, z.B. werden Interleukin-2<br />

(IL-2) <strong>und</strong> Interleukin-4 (IL-4) durch T-Helferzellen ausgeschieden <strong>und</strong> stimulieren das Wachstum<br />

von T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen (<strong>und</strong> bringt sie dazu, dass sie ihre Produktion auf IgE-Antikörper<br />

umstellen), während die Produktion von IL-1 <strong>und</strong> Interferon-γ Makrophagen aktiviert.<br />

Wenn ein B-Zell-Rezeptor sein Ziel-Antigen erkennt <strong>und</strong> die nötigen Signale von einer T-Helfer-<br />

Zelle ebenfalls vorhanden sind, bindet es an das Antigen. Dies stimuliert die B-Zelle zur Teilung<br />

<strong>und</strong> zur Produktion von Tausenden (ungefähr 20’000) identischen B-Zellen (klonale Expansion).<br />

Diese Gruppe identischer Zellen wird ein B-Zell-Klon genannt <strong>und</strong> seine Produktion braucht<br />

ungefähr eine Woche. Alle Zellen im Klon haben die identische Antigen-Spezifität.<br />

Die Schaffung einer breiten Antikörper-Verschiedenheit<br />

Antikörper bestehen aus zwei Paaren von identischen Untereinheiten, genannt leichte <strong>und</strong><br />

schwere Ketten, welche chemisch aneinander geb<strong>und</strong>en sind. Sowohl die leichten als auch die<br />

schweren Ketten eines Ig-Moleküls haben konstante <strong>und</strong> variable Regionen. Grosse Teile sind in<br />

allen Antikörpern gleich, solche Teile werden konstante (K) Regionen genannt. Innerhalb der<br />

variablen Region am amino-terminalen Ende der leichten <strong>und</strong> schweren Ketten, die zusammen<br />

die antigen-bindende Region bilden, bestehen Unterschiede von Antikörper zu Antikörper. Es<br />

gibt drei kurze hypervariable Regionen, welche für die Antikörper-Spezifität verantwortlich sind,<br />

<strong>und</strong> die deshalb sehr unterschiedlich sind.<br />

Leichte <strong>und</strong> schwere Ketten sind aus sich wiederholenden Segmenten oder Bereichen gemacht<br />

(Abbildung 4.3), von denen jeder eine kompakte Funktionseinheit bildet. Eine leichte Kette<br />

besteht aus einem variablen (V L ) <strong>und</strong> einem konstanten (K L ) Bereich, während die meisten<br />

schweren Ketten aus einem variablen Bereich (V H ) <strong>und</strong> drei konstanten Bereichen (K H 1, K H 2, <strong>und</strong><br />

K H 3) bestehen. Die variablen Bereiche sind verantwortlich für die Antigen-Bindung, während die<br />

konstanten Bereiche der schweren Ketten (ausser K H 1) die Fk-Region formen, welche andere<br />

biologische Eigenschaften des Antikörpers bestimmt.<br />

Antikörper<br />

bestehen aus<br />

zwei Paaren von<br />

identischen<br />

Untereinheiten,<br />

genannt leichte<br />

<strong>und</strong> schwere<br />

Ketten, welche<br />

chemisch<br />

aneinander<br />

geb<strong>und</strong>en sind.<br />

Die schweren Ketten von Antikörpern in unreifen B-Zellen bestehen aus vier Typen von Modulen<br />

(V, D, J, <strong>und</strong> K). Es gibt zahlreiche verschiedene Typen von jedem dieser individuellen Module<br />

Hypervariable<br />

Region<br />

V L<br />

Leichte Kette<br />

K L<br />

V H<br />

K1 H<br />

Gelenk<br />

K H<br />

2<br />

K H3<br />

Schwere Kette<br />

Abbildung 4.3. Antikörper Bereichs-Struktur.<br />

4.7


4<br />

(Abbildung 4.4). Ebenso gibt es auch Unterschiede bei den Modulen der leichten Ketten. Diese<br />

Vielfalt sorgt für genug Module, so dass durch Mischen <strong>und</strong> Zusammenfügen etwa 10 Millionen<br />

verschiedene Kombinationen von schweren <strong>und</strong> leichten Ketten geschaffen werden können. Die<br />

Antikörper-Vielfalt wird zudem noch grösser durch Hinzufügen oder Weglassen von kleinen<br />

DNA-Stücken in der Verbindungsregion, wenn die Module zusammengefügt werden.<br />

Antikörper<br />

identifizieren <strong>und</strong><br />

binden Antigene<br />

über ihre Fab-<br />

Regionen <strong>und</strong><br />

markieren sie für<br />

die Zerstörung.<br />

Die Funktion der Antikörper<br />

Antikörper identifizieren <strong>und</strong> binden Antigene über ihre Fab-Regionen <strong>und</strong> markieren sie für die<br />

Zerstörung. Ihre freie Fc-Region (der Stamm) kann an Fc-Rezeptoren an der Oberfläche von<br />

Phagozyten (Zellen welche Eindringlinge zerstören) binden. Dies bildet eine Brücke zwischen<br />

dem Antigen <strong>und</strong> dem Phagozyten, so dass das Antigen zerstört werden kann.<br />

Gen-Abschnitt<br />

für die schwere<br />

Kette unreifer B-Zellen<br />

Ungefähr 100<br />

verschiedene V-Segmente<br />

V 2 V n D 1 D n J 1 J n K m K n<br />

>4<br />

D-Segmente<br />

6<br />

J-Segmente<br />

Ungefähr 10<br />

K-Segmente<br />

V 1<br />

V 2 D 1 J 4 K m<br />

Selektion<br />

Gen-Abschnitt für<br />

die schwere Kette<br />

reifer B-Zellen<br />

Abbildung 4.4. Die zufällige Auswahl von V, D, J <strong>und</strong> K Segmenten schafft eine grosse Antikörper-<br />

Vielfalt.<br />

Antikörper arbeiten auf drei Weisen:<br />

● Neutralisierung durch Blockieren der biologischen Aktivität ihres Zielmoleküls<br />

Das angeborene<br />

Immunsystem<br />

produziert nicht<br />

nur schnelle<br />

Antworten auf<br />

normale<br />

Eindringlinge,<br />

sondern aktiviert<br />

<strong>und</strong> kontrolliert<br />

auch das<br />

erworbene<br />

Immunsystem.<br />

● Opsonisation von Bakterien <strong>und</strong> damit Einleiten derer Zerstörung durch eine Immunantwort<br />

● Komplement-Aktivierung mit direkter Zerstörung der Zellstruktur (Lyse) durch das<br />

Komplementsystem <strong>und</strong> Förderung der Phagozytose.<br />

Das angeborene Immunsystem<br />

Das angeborene Immunsystem produziert nicht nur schnelle Antworten auf normale<br />

Eindringlinge, sondern aktiviert <strong>und</strong> kontrolliert auch das erworbene Immunsystem. Es ist<br />

wichtig zu wissen, dass, anders als das erworbene Immunsystem, das angeborene<br />

Immunsystem keine Erinnerung an eine Begegnung mit einem fremden Antigen behält.<br />

Es gibt drei Komponenten des angeborenen Immunsystems:<br />

● Komplement-System<br />

● Phagozyten<br />

● natürliche Killer-Zellen.<br />

4.8


4<br />

Das Komplement-System – der Domino-Effekt<br />

Das Komplement-System agiert sehr schnell auf eigene Faust <strong>und</strong> in Zusammenarbeit mit<br />

Antikörpern, um vor Infektionen zu schützen. Es besteht aus etwa 20 verschiedenen Proteinen,<br />

die zusammenarbeiten, um Eindringlinge zu zerstören <strong>und</strong> um anderen Immunsystem-Zellen wie<br />

den Makrophagen das Signal zum Angriff zu geben. Die löslichen Komplement-Proteine<br />

werden hauptsächlich von der Leber produziert <strong>und</strong> zirkulieren im Blut <strong>und</strong> in der<br />

extrazellulären Flüssigkeit. Bevor das Komplement-System funktionieren kann, muss es durch<br />

Antikörper-Antigen-Komplexe oder Mikroorganismen aktiviert werden. Die Komplement-Proteine<br />

machen eine Serie von Protein-Spaltungs-Reaktionen (proteolytischen Reaktionen) durch<br />

(Abbildung 4.5), danach folgt eine Reihe von Angriffen auf die Membran, es entstehen Löcher<br />

im Mikroorganismus <strong>und</strong> dieser wird getötet. Oder es werden Komplement-Anteile, die nahe an<br />

die Zielzellen geb<strong>und</strong>en sind, von einem spezifischen Rezeptor von Neutrophilen oder<br />

Makrophagen erkannt, <strong>und</strong> so wird die Phagozytose eingeleitet. Andere Komponenten sind<br />

löslich <strong>und</strong> ziehen weisse Blutzellen auf die Zielseite. Das Komplement ist also verantwortlich für<br />

die ganzen Vorgänge, die die Membran angreifen <strong>und</strong> so direkt gegen Zielzellen wirken. Es<br />

aktiviert ebenfalls die akute Entzündungsantwort.<br />

Das Komplement-<br />

System agiert<br />

sehr schnell auf<br />

eigene Faust<br />

<strong>und</strong> in<br />

Zusammenarbeit<br />

mit Antikörpern,<br />

um vor<br />

Infektionen zu<br />

schützen.<br />

Antikörper an<br />

Antigen geb<strong>und</strong>en<br />

Mikro-Organismus<br />

Komplement-Aktivierung<br />

Komplement-<br />

Aktivierungs-<br />

Kaskade<br />

oder<br />

Direkte<br />

Löcherung<br />

der Membran<br />

Aufbieten von<br />

Makrophagen<br />

Abbildung 4.5. Der Vorgang des Komplements <strong>und</strong> seine Rolle in der Elimination der Zielzellen.<br />

4.9


4<br />

Phagozyten<br />

Zwei Arten von Phagozyten arbeiten zusammen um Zellen zu töten: Makrophagen <strong>und</strong><br />

Neutrophile. Makrophagen sind bewegliche Zellen, die als Abfallsammler, als Antigenpräsentierende<br />

Zellen <strong>und</strong> als Killer von fremden Organismen funktionieren. Makrophagen<br />

spielen auch eine wichtige Rolle in der Syn<strong>the</strong>se von Zytokinen, vor allem vom Tumor-Nekrose-<br />

Faktor-α (TNF-α) <strong>und</strong> IL-1. Sie sind in fast allen Geweben vorhanden.<br />

Neutrophile sind kurzlebige (5 Tage) Zellen, die im Blut in sehr grosser Zahl zirkulieren.<br />

Neutrophile sind wichtige Killerzellen. Wenn sie aktiviert werden durch Zytokine, die von<br />

Makrophagen produziert wurden, erhalten sie ein Signal, die Blutbahn zu verlassen <strong>und</strong> ins<br />

Gewebe zu kommen, wo sie dann direkt am Ort der Infektion angreifen.<br />

Natürliche<br />

Killerzellen sind<br />

grosse granuläre<br />

Lymphozyten, die<br />

zytotoxisch sind<br />

ohne vorherige<br />

Stimulation.<br />

Natürliche Killerzellen<br />

Natürliche Killerzellen (NK) sind grosse granuläre Lymphozyten, die zytotoxisch sind ohne<br />

vorherige Stimulation. Sie können ebenfalls die Blutbahn verlassen <strong>und</strong> in infizierte Gewebe<br />

eintreten. NK Zellen exprimieren an ihrer Oberfläche keine Antikörper oder T-Zell-Rezeptoren.<br />

Wichtig ist, dass sie Zytokine produzieren <strong>und</strong> Rezeptoren für Immunoglobulin exprimieren. NK<br />

Zellen können Tumorzellen, durch Viren infizierte Zellen, Bakterien, Parasiten <strong>und</strong> Pilze töten.<br />

Sie töten, indem sie Löcher bohren <strong>und</strong> spezifische Enzyme absondern, was zum Absterben der<br />

Zelle führt (Apoptose). NK Zellen vermitteln ADCC, also eine Zelltötung, die abhängig ist von<br />

der Anwesenheit oder Aktivität von Antikörpern. IFN-α <strong>und</strong> IFN-β sind Proteine, die von<br />

verschiedenen Zellen als Antwort auf eine virale Infektion freigesetzt werden <strong>und</strong> NK Zellen<br />

aktivieren.<br />

Das erworbene Immunsystem<br />

Nach dem ersten<br />

Kontakt mit einem<br />

Antigen erfolgt<br />

die primäre<br />

Immunantwort,<br />

<strong>und</strong> nach dieser<br />

erwirbt das<br />

Immunsystem<br />

lebenslange<br />

Immunität auf das<br />

Antigen.<br />

Eine zweite Stufe der Immunität wird vom erworbenen Immunsystem gewährleistet. Diese<br />

zusätzliche Stufe der Abwehr wird mit jeder Begegnung mit einem spezifischen Antigen stärker<br />

<strong>und</strong> effektiver. Nach dem ersten Kontakt mit einem Antigen erfolgt die primäre Immunantwort,<br />

<strong>und</strong> nach dieser erwirbt das Immunsystem lebenslange Immunität auf das Antigen. Dieses<br />

Antigen-spezifische Gedächtnis führt zu einer schnelleren <strong>und</strong> längeren Immunantwort bei einer<br />

nächsten Begegnung mit dem Antigen. Dieses Antigen-Gedächtnis ist die Basis für Impfungen<br />

gegen infektiöse Krankheiten wie Masern <strong>und</strong> Mumps.<br />

Das angeborene Immunsystem verstärkt die Effektivität der erworbenen Immunantwort, indem es<br />

die Antwort auf den Ort des Eindringens/der Infektion richtet. Der Unterschied zwischen<br />

angeborener <strong>und</strong> erworbener Immunität liegt in der Antigen-Spezifität von Lymphozyten. Sie<br />

exprimieren Zelloberfächen-Rezeptoren, die einzelne Teile des Antigens (bekannt als Antigen-<br />

Epitope) erkennen. Das grosse Repertoire an verschiedenen Antigen-Spezifitäten macht das<br />

Immunsystem fähig, auf praktisch alle potentiellen Antigene zu antworten.<br />

Zellvermittelte Immunantworten<br />

Diese Art von Immunantwort beinhaltet die Produktion spezialisierter Zellen, die mit fremden<br />

Antigenen an der Oberfläche anderer Wirtszellen reagieren. Diese reagierende Zelle tötet eine<br />

infizierte Wirtszelle oder einen fremden Organismus, bevor die Infektion sich ausbreiten kann.<br />

Oder die reagierende Zelle sondert chemische Signale ab, die spezielle Killerzellen, genannt<br />

Makrophagen, aktivieren, welche Eindringlinge zerstören.<br />

4.10


4<br />

Lymphozyten<br />

Die hauptsächlich am Immunsystem beteiligten Zellen sind in Tabelle 4.1 aufgeführt. Eine<br />

Gruppe von weissen Blutzellen, genannt Lymphozyten, ist verantwortlich für die hohe Spezifität<br />

des Immunsystems. Lymphozyten werden in hoher Zahl im Blut, in der Lymphe <strong>und</strong> in den<br />

Lymphorganen wie Thymus, Lymphknoten, Milz <strong>und</strong> Blinddarm gef<strong>und</strong>en. Lymphozyten<br />

exprimieren Rezeptoren mit unterschiedlicher Affinität für Antigene. Die Zelle mit der höchsten<br />

Affinität für das häufigste Antigen wird also einen Wachstumsvorteil haben <strong>und</strong> deshalb<br />

vorzugsweise Nachkommen produzieren. Dieser wichtige Vorgang wird vom Antigen gesteuert<br />

<strong>und</strong> klonale Expansion genannt. Lymphozyten können entweder T-Zellen oder B-Zellen sein.<br />

B-Zellen<br />

B-Zellen entwickeln sich im Knochenmark des Erwachsenen oder in der Leber des Fötus <strong>und</strong><br />

sind verantwortlich für die Produktion von Antikörpern (humorale Immunantwort) <strong>und</strong> von<br />

löslichen Proteinen, genannt Zytokine. Sich entwickelnde B-Zellen produzieren immer zuerst<br />

IgM-Antikörper, aber wenn sie sich weiterentwickeln, können sie auch auf die Produktion<br />

anderer Antikörper-Klassen umschwenken (Abbildung 4.6).<br />

Unreife B-Zelle, die einen<br />

Antikörper für ein<br />

spezifisches Antigen exprimiert<br />

B-Zelle begegnet einem<br />

Antigen, das sich an der<br />

Zelloberfläche an einen<br />

Antikörper bindet<br />

(IgM oder IgD)<br />

B-Zellen<br />

entwickeln sich<br />

im Knochenmark<br />

des Erwachsenen<br />

oder in der Leber<br />

des Fötus <strong>und</strong><br />

sind<br />

verantwortlich für<br />

die Produktion<br />

von Antikörpern<br />

<strong>und</strong> von löslichen<br />

Proteinen,<br />

genannt Zytokine.<br />

B-Zelle reift <strong>und</strong> scheidet<br />

grosse IgM Antikörper aus,<br />

welche im Plasma zirkulieren<br />

Reife B-Zelle wird einer klonalen<br />

Expansion unterzogen, um eine<br />

grosse Anzahl von identischen<br />

B-Zellen zu produzieren<br />

IgG IgA IgE<br />

Antikörper-Expression verändert<br />

sich so, dass verschiedene<br />

Klassen derselben<br />

Antigen-Spezifität produziert<br />

werden<br />

Abbildung 4.6. Der Wechsel von Antikörper-Klassen, die durch B-Zellen während ihrer Reifung<br />

produziert werden. IgM-Antikörper werden zuerst produziert, gefolgt von IgA, IgE <strong>und</strong> IgG-<br />

Antikörpern.<br />

4.11


4<br />

T-Zellen<br />

T-Zellen werden im Knochenmark produziert, aber sie reifen im Thymus. Sie helfen anderen<br />

T- <strong>und</strong> B-Zellen <strong>und</strong> sind auch verantwortlich für die zellvermittelte Immunität, inklusive ADCC.<br />

T-Zellen sind auch verschiedenartig <strong>und</strong> werden einer klonalen Selektion unterzogen. Die<br />

Proliferation benötigt ungefähr eine Woche <strong>und</strong> ist spezifisch. Wie B-Zellen haben auch T-Zellen<br />

ein Antikörper-ähnliches Molekül an ihrer Oberfläche, den T-Zell-Rezeptor (TCR). Anders als<br />

B-Zellen, welche alle organischen Moleküle erkennen können, erkennen T-Zellen nur Protein-<br />

Antigene. Sie erkennen spezifisch Peptid-Fragmente von Antigenen, welche an MHC (major<br />

histocompatibility complex) Moleküle geb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> von Antigen-präsentierenden Zellen<br />

präsentiert werden. So erkennen T-Zellen verarbeitete Antigene. T-Zell-Rezeptoren werden nicht<br />

wie die Antikörper der B-Zellen ins Blut abgegeben.<br />

Es gibt zwei verschiedene Arten von T-Zellen:<br />

● T-Helfer-Zellen, welche bei der Aktivierung von B-Zellen <strong>und</strong> Makrophagen helfen<br />

Zytotoxische<br />

T-Zellen töten von<br />

Viren infizierte<br />

Zellen, indem sie<br />

Löcher in sie<br />

machen.<br />

● Zytotoxische T-Zellen, welche direkt in der Infektionsabwehr mitarbeiten.<br />

Zytotoxische T-Zellen töten von Viren infizierte Zellen, indem sie Löcher in sie machen. T-Helfer-<br />

Zellen helfen den zytotoxischen T- <strong>und</strong> B-Zellen, indem sie Proteine (genannt Zytokine)<br />

produzieren. Von T-Zellen kommende Zytokine erhöhen die Antigen-präsentierende Aktivität von<br />

Makrophagen <strong>und</strong> dendritischen Zellen. Dieses erhöhte Aufkommen von Antigenen führt zu<br />

einer positiven Feedback-Schlaufe, bis alle Antigen-Moleküle eliminiert sind.<br />

Die Produktion von Antikörpern im Labor<br />

Antikörper können sehr einfach hergestellt werden, indem kleine Mengen eines Antigens<br />

mehrmals einem Tier, wie einer Maus oder einem Kaninchen, injiziert werden. Dies stimuliert<br />

die B-Zellen des Tieres, so dass sie Antikörper zum Antigen produzieren. Diese können vom<br />

Antikörper-reichen Serum (genannt Antiserum) des Tiers gewonnen werden. Jedoch enthält<br />

dieses Antiserum eine Mischung verschiedener Antikörper, welche spezifisch für verschiedene<br />

Regionen des Antigen-Moleküls sind. Dies ist bekannt als polyklonale Antwort, weil<br />

verschiedene B-Zell-Klone daran beteiligt sind. Die Heterogenität eines polyklonalen Antiserums<br />

kann reduziert werden durch Reinigung des Antiserums.<br />

Die Produktion monoklonaler Antikörper im Labor<br />

Ein Weg, um die Heterogenität von Antiseren zu vermeiden, ist der Gebrauch einer Technik, die<br />

nur einen einzigen Typen von Antikörper, genannt monoklonaler Antikörper, produziert. Bei<br />

dieser Technik, genannt Hybridom-Technik, wird ein Zellklon von einer einzelnen B-Zelle, die<br />

Antikörper ausscheidet, produziert, so dass ein homogenes Präparat von Antikörpern in grosser<br />

Zahl hergestellt werden kann.<br />

Aber B-Zellen haben in Kulturen nur eine limitierte Lebenszeit. So werden B-Zellen von einem<br />

immunisierten Tier, z.B. einer Maus, mit unsterblichen Zellen von einem B-Zell-Tumor<br />

verschmolzen, so dass eine Mischung, eine Hybridzelle, entsteht (Abbildung 4.7). Diese Zellen<br />

werden genau durchgesehen, <strong>und</strong> diejenigen Hybriden, die sich unendlich in der Kultur<br />

vermehren <strong>und</strong> den Antikörper produzieren können, werden herausgesucht. Diese Hybrid-<br />

Zellen, die beide Kriterien erfüllen, werden Hybridom genannt. Individuelle Hybridom-Klone<br />

produzieren so Antikörper mit einer einzigen Spezifität. Die Antikörper, die aus diesen Klonen<br />

produziert werden, werden dann auf ihre Affinität gegen das Ziel-Antigen überprüft, um so<br />

diejenigen mit der gewünschten Spezifität herauszufinden.<br />

. . . monoklonale<br />

Antikörper, die<br />

von einem<br />

Hybridom<br />

ausgeschieden<br />

worden sind,<br />

haben identische<br />

Antigen-<br />

Bindungszonen<br />

<strong>und</strong> die gleiche<br />

Spezifität . . .<br />

4.12


4<br />

Vorteile von monoklonalen Antikörpern<br />

Anders als polyklonale Antikörper haben monoklonale Antikörper, die von einem Hybridom<br />

ausgeschieden worden sind, identische Antigen-Bindungszonen <strong>und</strong> die gleiche Spezifität,<br />

womit sie brauchbarer sind als konventionelle Antiseren. Zudem werden monoklonale<br />

Antigen A<br />

Eine Maus wird mit dem<br />

gewünschten Antigen<br />

immunisiert, um eine<br />

humorale Antikörper-<br />

Antwort zu produzieren<br />

Anti A<br />

Milz-Zellen<br />

Unsterbliche<br />

(immortalisierte)<br />

B-Zellen<br />

Anti X<br />

Antikörper-produzierende<br />

B-Zellen mit Spezifität<br />

für das gewünschte<br />

Antigen (Antigen A)<br />

<strong>und</strong> für irrelevante<br />

Antigene (Antigen X)<br />

werden von der Milz<br />

geerntet<br />

Antikörper-produzierende<br />

B-Zellen werden mit<br />

unsterblichen B-Zellen<br />

(Tumor-Zellen)<br />

verschmolzen, um eine<br />

Population von<br />

Hybridomzellen zu<br />

produzieren<br />

Hybridomzellen<br />

Versuchsplatte<br />

Individuelle Hybridom-<br />

Zellen werden isoliert<br />

<strong>und</strong> in Kultur vermehrt<br />

(klonale Expansion).<br />

Nur diejenigen<br />

Hybridome mit den<br />

korrekten Genen können<br />

überleben, proliferieren<br />

<strong>und</strong> Antikörper<br />

produzieren<br />

Zelltod<br />

Anti<br />

A<br />

Kein<br />

Antikörper<br />

Anti<br />

X<br />

Versuchsplatte<br />

+ – – – Resultat<br />

Antikörper, die durch<br />

individuelle Klone<br />

produziert wurden,<br />

werden getestet auf<br />

ihre Bindungsaffinität<br />

gegen das bestimmte<br />

Antigen (Antigen A),<br />

um Zellen zu identifizieren,<br />

welche monoklonale<br />

Antikörper mit der<br />

gewünschten Affinität<br />

produzieren<br />

Abbildung 4.7. Die Produktion monoklonaler Antikörper mit der Hybridom-Technik.<br />

4.13


4<br />

Antikörper von einer unsterblichen B-Zell-Linie produziert, was bedeutet, dass die Versorgung<br />

mit dem Antikörper auf lange Zeit gewährleistet ist. Ein anderer wichtiger Vorteil der Hybridom-<br />

Technik zur Produktion monoklonaler Antikörper ist die Möglichkeit der Produktion grösserer<br />

Mengen des monoklonalen Antikörpers. Die wichtigsten Anwendungsarten monoklonaler<br />

Antikörper werden in Tabelle 4.2 dargestellt, <strong>und</strong> einige davon werden auch noch im Detail in<br />

Kapitel 6 beschrieben.<br />

Tabelle 4.2. Klinische Applikationen monoklonaler<br />

Antikörper bei <strong>Krebs</strong>.<br />

Diagnose<br />

● Screening der Körperflüssigkeiten (Serum, Sputum, Ergüsse, Urin, zerebrospinale<br />

Flüssigkeit) auf die Anwesenheit von zirkulierendem TAA (Tumor-assoziiertem<br />

Antigen)<br />

● Nukleares Scannen mit radioaktiven monoklonalen Antikörpern<br />

– Suche nach primären Läsionen oder Metastasen<br />

– Lymphoszintigraphie, um einen Lymphknotenbefall festzustellen.<br />

● Verwendung von radioaktiven monoklonalen Antikörpern mit intraoperativer<br />

γ-Strahlen-Messung<br />

● Immunopathologie<br />

– diagnostisches Dilemma: bösartig oder gutartig<br />

– Differentialdiagnostik der Tumorart<br />

– Subklassifikation des Tumors anhand der TAA-Expression<br />

• Metastasierungspotential<br />

• Spezifische Metastasierungsorte<br />

• voraussichtliches Ansprechen auf spezifische <strong>the</strong>rapeutische Kuren<br />

• Prognose<br />

Monitoring der Krankheitsprogression<br />

● Screening von Körperflüssigkeiten auf zirkulierendes TAA (Tumor-assoziiertes<br />

Antigen)<br />

● Nukleares Scannen mit radiobeladenem Kontrastmittel, um ein Wiederauftreten des<br />

Tumors zu entdecken oder dessen Grösse festzustellen<br />

● Immunopathologie zur Entdeckung okkulter Metastasen<br />

– Aspirationszytologie<br />

– Lymphknoten- oder Knochenmarksbiopsie<br />

– Zytologie von Körperflüssigkeiten<br />

Therapie<br />

● Direkte Zytotoxizität von monoklonalen Antikörpern (z.B. Herceptin ® , MabThera ® )<br />

– Komplement-vermittelt<br />

– Zell-vermittelt<br />

● Medikamentöse Ergänzung von monoklonalen Antikörpern (z.B. Doxorubicin)<br />

● Toxin-Ergänzung von monoklonalen Antikörpern (z.B. Ricin)<br />

● Radionuklid-Ergänzung von monoklonalen Antikörpern<br />

● Ex-vivo Tumor-Entfernung von gesammeltem Knochenmark<br />

● Hemmung von Rezeptoren für Wachstumsfaktoren<br />

4.14


4<br />

Immunsystem <strong>und</strong> Krankheit<br />

Das Immunsystem ist normalerweise dazu da, den Körper vor fremden Organismen zu schützen<br />

<strong>und</strong> so Infektionen <strong>und</strong> Schäden zu verhüten. Jedoch kann die normale Aktivität des<br />

Immunsystems in gewissen Fällen auch Krankheiten verursachen. Ein Beispiel dafür ist die<br />

Tuberkulose, bei welcher das Bakterium der Zerstörung durch die Makrophagen widersteht <strong>und</strong><br />

sich stattdessen im Zytoplasma des Makrophagen vermehrt. Diese Makrophagen platzen<br />

irgendwann, <strong>und</strong> so kann das Bakterium sich hin zu weiteren Makrophagen ausbreiten. Dazu<br />

kommt, dass es durch die Enzym-Aktivität des Zellinhaltes Gewebeschäden verursacht. Ein<br />

anderes Beispiel ist die Sepsis, bei welcher die normalerweise lokalisierte Antwort auf eine<br />

Infektion durch Makrophagen <strong>und</strong> natürliche Killerzellen <strong>und</strong> die Freisetzung von Zytokinen<br />

generalisiert wird <strong>und</strong> die Blutgefässe dazu bringt, durchlässig zu werden. Dies kann zu einem<br />

Blutdruckabfall, Schock <strong>und</strong> Herzversagen führen.<br />

. . . die normale<br />

Aktivität des<br />

Immunsystems<br />

kann in gewissen<br />

Fällen auch<br />

Krankheiten<br />

verursachen.<br />

Andererseits kann eine Fehlfunktion des Immunsystems ebenfalls zu Krankheiten führen. Ein<br />

bekanntes Beispiel dafür sind Allergien. Allergien entstehen durch eine übermässig grosse<br />

T-Zell-Antwort <strong>und</strong> IgE-Freisetzung als Antwort auf ein schwach immunogenes Antigen. Ein<br />

anderes Beispiel sind Immunabwehrerkrankungen wie das schwere kombinierte<br />

Immunschwäche-Syndrom <strong>und</strong> AIDS, welche aufgr<strong>und</strong> von T- <strong>und</strong> B-Zell-Mangel entstehen.<br />

Manchmal attackiert das Immunsystem auch Zellteile des Wirtes. Dies führt zu pathologischen<br />

Veränderungen, welche als Autoimmunität bezeichnet werden. Autoimmun-Reaktionen sind<br />

meist kurzlebig <strong>und</strong> lösen sich von selbst wieder auf. Aber bei 5% der Menschen gibt es eine<br />

chronische Reaktion, diese kann in seltenen Fällen lebensbedrohlich werden. Unter den<br />

Krankheiten mit einer autoimmunen Komponente sind der systemische Lupus Ery<strong>the</strong>matodes, die<br />

Addison Krankheit <strong>und</strong> die perniziöse Anämie zu finden.<br />

Zusätzlich zu diesen Erkrankungen, die wegen Fehlfunktionen des Immunsystems oder wegen<br />

der Unfähigkeit des Organismus, normale Immunfunktionen zu ihrem Ende zu führen,<br />

geschehen, spielt das Immunsystem auch eine Rolle bei <strong>Krebs</strong>.<br />

<strong>Krebs</strong><br />

Wie schon in früheren Kapiteln beschrieben, haben die meisten <strong>Krebs</strong>zellen an ihrer<br />

Zelloberfläche abnorme Moleküle oder aussergewöhnliche Mengen normaler Moleküle. So<br />

wäre es zu erwarten, dass das Immunsystem <strong>Krebs</strong>zellen angreifen würde. Dieser Prozess heisst<br />

Immunüberwachung. So ist es nicht klar, ob die Immunüberwachung eine grosse Rolle beim<br />

Schutz des Körpers gegen <strong>Krebs</strong> spielt. Es ist aber bekannt, dass Menschen, welche<br />

immunsupprimiert sind oder an AIDS leiden, häufiger an Lymphomen, Leukämien <strong>und</strong> mit Viren<br />

verb<strong>und</strong>enen <strong>Krebs</strong>arten erkranken. Die Erkrankungsrate solider Tumoren bei Menschen mit<br />

einem intakten Immunsystem <strong>und</strong> bei solchen, deren Immunsystem defekt ist, ist gleich hoch <strong>und</strong><br />

zeigt, dass die Immunüberwachung keine grosse Rolle in der Abwehr solider Tumoren spielt.<br />

Die Fähigkeit der Immunüberwachung, Tumoren zu erkennen, ist Gegenstand intensiver Studien,<br />

mit der Konzentration auf Makrophagen <strong>und</strong> NK Zellen. Die abnorme Expression von<br />

Oberflächen-Molekülen an Tumorzellen schliesst oft Rezeptoren für TNF-α ein, welcher von<br />

Makrophagen ausgeschieden wird. In-vitro wurde gezeigt, dass die Bindung von TNF-α an diese<br />

Tumorzellen oft eine Tumorzell-Apoptose herbeiführt. Dies wurde bei einem Maus-Sarkom<br />

gezeigt, wo die Blutzufuhr zum Tumor so unterb<strong>und</strong>en wurde. NK Zellen, welche den Tod der<br />

Tumorzellen veranlassen können, scheinen auch Tumorzellen zu wählen, welche eine<br />

aussergewöhnliche Molekülexpression an der Tumorzelloberfläche haben. Allerdings ist das<br />

Ausmass der Aktivität dieser Immunzellen in der Tumorzell-Zerstörung in-vivo noch nicht bekannt.<br />

. . . die meisten<br />

<strong>Krebs</strong>zellen<br />

haben an ihrer<br />

Zelloberfläche<br />

abnorme<br />

Moleküle oder<br />

aussergewöhnliche<br />

Mengen normaler<br />

Moleküle.<br />

4.15


4<br />

Das Immunsystem<br />

besteht aus<br />

Millionen von<br />

Lymphozyten-<br />

Klonen, von<br />

denen jeder eine<br />

einzigartige<br />

Zelloberfläche<br />

hat, welche ihn<br />

fähig macht, sich<br />

an ein ganz<br />

bestimmtes<br />

Antigen zu<br />

binden.<br />

. . . die<br />

Immunüberwachung<br />

hat<br />

ihre Grenzen<br />

<strong>und</strong> kann nur<br />

ungenügend der<br />

Entstehung <strong>und</strong><br />

dem Wachstum<br />

von Tumoren<br />

vorbeugen.<br />

Zusammenfassung<br />

Diese Antworten sind ideal für die Erkennung von Tumorzellen, weil sie schnell <strong>und</strong><br />

unterschiedlich sind. Zudem wird die Antwort durch das positive Feedback zwischen<br />

Makrophagen <strong>und</strong> NK Zellen aufrechterhalten <strong>und</strong> verstärkt. Im Gegensatz dazu würden<br />

zytotoxische T-Zellen in der Theorie eine starke Antwort auf Tumorzellen produzieren. Dies wird<br />

jedoch in der Realität nicht beobachtet, vielleicht weil Tumoren sich in Zonen entwickeln, wo<br />

die T-Zell-Überwachung normalerweise nicht stattfindet. Dies geschieht, weil T-Zellen dort nicht<br />

zirkulieren, wo sie eigenen Antigenen begegnen könnten. So ist also eine Tumorzelle, die sich<br />

in der Lunge entwickelt <strong>und</strong> ein nicht normales Eigen-Antigen exprimiert, nicht von der T-Zell-<br />

Überwachung betroffen. Weiter können die meisten Tumorzellen, die mit T-Zellen in Kontakt<br />

kommen, nicht erkannt werden, weil sie keine entsprechenden Antigene präsentieren. So<br />

scheint es wahrscheinlich, dass in den frühen Stadien der Tumorentwicklung T-Zellen entweder<br />

den Tumorzellen gar nicht begegnen oder dass Tumorzellen nur schwach immunogen sind.<br />

Schliesslich macht eine weitere spezifische Eigenschaft der Tumorzellen die Immunüberwachung<br />

ineffektiv. Tumorzellen eignen sich dauernd Mutationen an. Dies kann die Fähigkeit des<br />

Immunsystems, alle Tumorzellen zu erkennen, beeinflussen. In vielen Fällen sind Tumorzellen nur<br />

schwach immunogen, was die Immunantwort auf sie limitiert <strong>und</strong> so die <strong>Krebs</strong>entwicklung<br />

erlaubt.<br />

Auch wenn die Immunantwort auf Tumoren noch nicht vollständig verstanden wird, ist somit<br />

klar, dass die Immunüberwachung ihre Grenzen hat <strong>und</strong> nur ungenügend der Entstehung <strong>und</strong><br />

dem Wachstum von Tumoren vorbeugen kann.<br />

Der Zweck des Immunsystems ist der Schutz gegen alle Fremdkörper, seien es infektiöse<br />

Organismen oder nicht normale Zellen. Zwei Ebenen von Immunität sind aktiv: die angeborene<br />

Immunität <strong>und</strong> die erworbene Immunität. Das Immunsystem besteht aus Millionen von<br />

Lymphozyten-Klonen, von denen jeder eine einzigartige Zelloberfläche hat, welche ihn fähig<br />

macht, sich an ein ganz bestimmtes Antigen zu binden. Das Immunsystem beinhaltet eine<br />

Anzahl verschiedener Zelltypen: Lymphozyten, Phagozyten <strong>und</strong> dendritische Zellen. Von den<br />

Lymphozyten gibt es zwei verschiedenen Arten: B-Zellen <strong>und</strong> T-Zellen. B-Zellen produzieren<br />

Antikörper <strong>und</strong> T-Zellen sind verantwortlich für die zellvermittelte Immunantwort. Antikörper sind<br />

Y-förmige Immunoglobulin-Proteine <strong>und</strong> enthalten leichte <strong>und</strong> schwere Ketten. Es gibt fünf<br />

verschiedene Klassen von Antikörpern, sie binden Antigene <strong>und</strong> schützen so vor Infektionen.<br />

Wenn Tieren wie Kaninchen oder Mäusen mehrmals kleine Mengen von Antigenen injiziert<br />

werden, können diese zur Produktion von Antikörpern stimuliert werden. So entsteht eine<br />

Mischung verschiedener Antikörper, welche spezifisch sind für die verschiedenen Regionen des<br />

Antigen-Moleküls. Im Labor ist es möglich, Antikörper herzustellen, die ein einzelnes Antigen<br />

erkennen, diese werden monoklonale Antikörper genannt. Sie werden gezüchtet, indem man<br />

die Hybridom-Technik benutzt. Diese monoklonalen Antikörper können sowohl diagnostisch als<br />

auch in der <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie genutzt werden.<br />

4.16


4<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Definieren <strong>und</strong> beschreiben Sie die Ergebnisse einer Immunantwort <strong>und</strong> geben Sie an, warum<br />

die korrekte Identifikation eines Stoffes als fremd <strong>und</strong> potentiell schädlich so wichtig ist.<br />

2. Zeichnen <strong>und</strong> beschriften Sie ein generalisiertes Antikörper-Molekül <strong>und</strong> geben Sie an, welche<br />

Teile an Antigene <strong>und</strong> welche an andere Zellen des Immunsystems binden.<br />

3. Beschreiben Sie, wie Antikörper als Antwort auf einen Fremdstoff gebildet werden, <strong>und</strong><br />

zählen Sie die drei Hauptwege auf, wie sie wirken.<br />

4. Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen richtig oder falsch sind, <strong>und</strong> wenn sie falsch<br />

sind, geben Sie die richtige Antwort:<br />

a. Das angeborene (oder natürliche) Immunsystem antwortet schnell auf fremde Organismen.<br />

b. Wenn es einmal geprägt wurde von einem ersten Antigen-Kontakt, hat das erworbene<br />

Immunsystem ein Antigen-Gedächtnis <strong>und</strong> ist fähig, die Stärke <strong>und</strong> Effektivität der Antwort<br />

auf nachfolgende Reize mit demselben Antigen zu erhöhen.<br />

c. Die zellvermittelte Immunantwort ist Antikörper-abhängig.<br />

d. T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen, die durch ein Antigen stimuliert worden sind, sind morphologisch<br />

nicht zu unterscheiden.<br />

e. T-Zellen werden so genannt, weil sie im Thymus reifen.<br />

5. Beschreiben Sie, wie ein einzelner Typ von Antikörpern (monoklonaler Antikörper MAb) im<br />

Labor hergestellt werden kann <strong>und</strong> geben Sie zwei Vorteile von MAbs gegenüber<br />

polyklonalen Antikörpern an.<br />

6. Sowohl normale wie auch nicht normale Aktivitäten des Immunsystems können Krankheit<br />

erzeugen. Ergänzen Sie die folgenden Sätze mit dem passendsten Beispiel von Erkrankung<br />

aus der Liste:<br />

Allergische Reaktionen Autoimmun Immunüberwachung<br />

Immunabwehrschwäche- Perniziöse Anämie Tuberkulose<br />

Erkrankungen<br />

a. Bei ……………….………. widersteht das Bakterium der Zerstörung durch Makrophagen<br />

<strong>und</strong> vermehrt sich stattdessen innerhalb des Makrophagen. Wenn der Makrophag<br />

schlussendlich platzt, breitet sich das Bakterium aus, Lysosomen-Inhalt strömt aus <strong>und</strong><br />

verursacht Schäden am Gewebe des Wirts.<br />

b. ………………..………. geschehen wegen einer übermässigen T-Zell-Antwort auf ein<br />

schwach immunogenes Antigen.<br />

c. Mangel an T- <strong>und</strong> B-Zellen aus verschiedenen Gründen, inklusive T-Zell-Zerstörung, kann<br />

………………………. verursachen.<br />

d. Wenn das Immunsystem Komponenten der Wirts-Zellen angreift, dann können<br />

………………………. Erkrankungen wie ………………………. entstehen.<br />

e. Der Prozess, bei dem das Immunsystem des Körpers fähig ist, Zellen mit ungewöhnlichen<br />

Typen oder Mengen von Proteinen an ihrer Zelloberfläche zu finden <strong>und</strong> sich dagegen zu<br />

wehren, ist bekannt als ……………………….<br />

7. Obwohl viele <strong>Krebs</strong>zellen ungewöhnliche Gene oder aussergewöhnliche Mengen von<br />

Antigenen an ihrer Oberfläche haben, ist die Immunabwehr dort ineffektiv. Geben Sie zwei<br />

mögliche Erklärungen dafür.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.7.<br />

4.17


Technologien zur Ermöglichung biologischer <strong>Therapien</strong><br />

5<br />

Einführung<br />

Die Biologie galt früher als ein relativ unergründlicher Bereich der Wissenschaft mit Forschung,<br />

die primär auf Beobachtungen <strong>und</strong> Klassifizierungen verschiedener Spezies <strong>und</strong> Organismen<br />

beruhte. In den letzten 50 Jahren haben überzeugende technologische Fortschritte in der Zell<strong>und</strong><br />

Molekularbiologie sowie in der Genetik zu neuen Untersuchungsmethoden geführt, die<br />

unser Verständnis über das Verhalten von Zellen <strong>und</strong> von Genen im besonderen erweitern.<br />

Eindrückliche Fortschritte, wie die Entwicklung der rekombinanten DNA-Technologie, führten<br />

dazu, dass es heute möglich ist, bestimmte Regionen aus der DNA herauszuschneiden <strong>und</strong> fast<br />

unbegrenzt zu kopieren. So ist es möglich, die exakten Sequenzen der Basen, welche die DNA<br />

formieren, schnell zu definieren <strong>und</strong> für diesen Bereich genetisch zu bearbeiten oder neu<br />

aufzubauen <strong>und</strong> nachher wieder in die Zellkulturen einzufügen. Ein neu geschaffenes Gen kann<br />

sogar in eine Tier- oder Pflanzenzelle eingesetzt werden, wird so zu einem stabilen Teil von<br />

dessen Erbsubstanz <strong>und</strong> kann mittels Vermehrung weitergegeben werden. In diesem Kapitel<br />

wird das Gelernte vom vorhergehenden Kapitel genutzt, um die verschiedenen Komponenten<br />

der rekombinanten DNA-Technologie aufzuzeigen. Diese Komponenten haben die Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie Forscher Zellen <strong>und</strong> biologische Prozesse untersuchen, revolutioniert <strong>und</strong> neue<br />

Möglichkeiten für medizinische Interventionen eröffnet. Wie später erwähnt wird, ist dieser<br />

Fortschritt entscheidend, weil er die Entwicklungen von Untersuchungsmethoden zur Erforschung<br />

der <strong>Krebs</strong>entstehung sowie die Entdeckung <strong>und</strong> Entwicklung von neuen <strong>Therapien</strong> erleichtert,<br />

wie zum Beispiel zielgerichtete, monoklonale Antikörper-basierte <strong>Therapien</strong> zur Bekämpfung<br />

von <strong>Krebs</strong>erkrankungen.<br />

Die Forscher sind sich darüber im Klaren, dass die Behandlung menschlicher Erkrankungen <strong>und</strong><br />

Beschwerden zukünftig stark durch heute noch unbekanntes molekulares <strong>und</strong> genetisches<br />

Wissen beeinflusst werden wird. Viele Forschungsprojekte werden heute auf internationaler<br />

Ebene durchgeführt, um fehlendes Wissen in möglichst kurzer Zeit vervollständigen zu können.<br />

Das grösste internationale Forschungsprojekt ist das „Human-Genom-Projekt“. Dieses<br />

eindrückliche Forschungsprojekt wird, im Rahmen der neuen Entdeckungen, ebenfalls in diesem<br />

Kapitel vorgestellt.<br />

5.1


5<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Verschiedene Enzyme <strong>und</strong> Technologien werden benutzt, um DNA zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />

manipulieren. Wählen Sie aus der unten stehenden Liste die passenden Enzyme oder<br />

Techniken aus, um die folgenden Aktivitäten auszuführen:<br />

DNA-Sequenzierung<br />

Gel-Elektrophorese<br />

Ligase<br />

Nukleinsäure-Hybridisierung<br />

Polymerase<br />

Restriktionsenzym<br />

Reverse Transkription<br />

DNA-Syn<strong>the</strong>se<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Produziert zusätzliche DNA (cDNA) von Boten-RNA (mRNA)<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Schneidet oder spaltet DNA für die Analyse in Fragmente<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Verbindet DNA-Fragmente<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Separiert DNA-Fragmente entsprechend ihrer Grösse<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Ordnet die Basen-Paare in DNA-Fragmente<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Ermöglicht die genaue Lokalisation der DNA oder RNA<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

2. Das Klonen von Genen ist entscheidend für viele Techniken bei der Analyse von Genen <strong>und</strong><br />

für das Verstehen ihrer Funktion. Beschreiben Sie die gr<strong>und</strong>legenden Schritte für das Klonen<br />

von DNA.<br />

3. Manchmal werden viele Fragmente zur selben Zeit geklont, um eine Art Biblio<strong>the</strong>k von<br />

Klonen aufzubauen. Wie kann ein Klon, welcher ein spezielles DNA-Fragment enthält,<br />

identifiziert werden?<br />

4. Die Fähigkeit, Proteine in grossen Mengen herzustellen, ist eine der Haupterrungenschaften<br />

der Gentechnologie. Beschreiben Sie einige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen der<br />

Gentechnologie, speziell im Bezug auf <strong>Krebs</strong>.<br />

5. Unten finden Sie ein schematisches Diagramm mit den Zielen funktionaler Genetik.<br />

Beschreiben Sie, was das Diagramm darstellt, <strong>und</strong> weisen Sie darauf hin, welche Rolle das<br />

Human-Genom-Projekt <strong>und</strong> die Bioinformatik in diesem Prozess spielen können.<br />

Gen<br />

Eiweiss<br />

Funktion<br />

Struktur<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.10.<br />

5.2


5<br />

Technische Entwicklungen<br />

Rekombinante DNA-Technologie<br />

Die rekombinante DNA-Technologie hat die Art, wie Forscher Zellen <strong>und</strong> deren biologischen<br />

Abläufe untersuchen, revolutioniert <strong>und</strong> hat für die Medizin Türen geöffnet. Die rekombinante<br />

DNA-Technologie umfasst Methoden, die die Untersuchung <strong>und</strong> – besonders wichtig – die<br />

Manipulation von Struktur <strong>und</strong> Funktion der DNA in einer Zelle ermöglichen. Die wichtigsten<br />

Techniken in der rekombinanten DNA-Technologie sind:<br />

● DNA-Syn<strong>the</strong>se, Spaltung <strong>und</strong> Umwandlung unter Anwendung von Enzymen<br />

● DNA-Sequenzierung, eine Technik, welche die Reihenfolge der Basen in der DNA aufzeigt<br />

● Nukleinsäure-Hybridisierung, welche die präzise Lokalisation der DNA oder RNA mit Hilfe<br />

einer Testsubstanz ermöglicht<br />

● Klonen von DNA, was die Produktion einer scheinbar unbegrenzten Anzahl von Kopien<br />

eines spezifischen DNA-Teils ermöglicht<br />

● Gentechnologie, welche ermöglicht, Generationen von abgewandelten Genen in Zellen<br />

oder Organismen zu integrieren.<br />

DNA-Syn<strong>the</strong>se, Spaltung <strong>und</strong> Modifikation unter Anwendung von Enzymen<br />

Enzyme (Eiweisse, welche eine Reaktion einleiten) spielen eine entscheidende Rolle in der<br />

Isolation <strong>und</strong> Manipulation von individuellen Genen in der rekombinanten DNA-Technologie.<br />

DNA kann viele Enzyme syn<strong>the</strong>tisieren, ausschneiden oder umwandeln. DNA-syn<strong>the</strong>tisierende<br />

Enzyme, welche auch DNA-Polymerase genannt werden, produzieren einen neuen DNA-<br />

Strang, ergänzend zum alten Strang (Vorlage) <strong>und</strong> sind in die DNA-Replikation involviert. In<br />

ähnlicher Weise wird eine ergänzende DNA (cDNA) von der mRNA syn<strong>the</strong>tisiert, wobei das<br />

Enzym Transkriptase (Reverse Transcriptase) eine bestimmte Funktion hat. Wie später gezeigt<br />

wird, können mRNA-Moleküle im Labor isoliert werden <strong>und</strong> als Vorlage dienen, um einen<br />

cDNA-Strang zu syn<strong>the</strong>tisieren, welcher dann für die Lokalisierung der korrespondierenden<br />

Gene auf den Chromosomen verwendet werden kann. Weil cDNA nach Vorlage der mRNA<br />

entsteht, enthält sie nur kodierende DNA-Sequenzen (Exons), was vorteilhaft ist für das Ableiten<br />

der Aminosäuren-Sequenz eines Proteins oder für die Produktion grösserer Eiweissmengen mit<br />

Hilfe von Bakterien- oder Hefezellen. (Die DNA des Genoms enthält Exons, die durch nicht<br />

kodierende Sequenzen, genannt Introns getrennt werden. Während der Transkription von DNA<br />

zu RNA werden die Introns weggelassen. So wird ein RNA-Strang produziert, welcher nur noch<br />

kodierende Sequenzen enthält.)<br />

Viele Enzyme, so genannte Restriktionsenzyme, schneiden DNA an einem zufälligen oder<br />

beabsichtigten Ort aus. Ausschneidevorgänge können nur einen oder beide Stränge zur selben<br />

Zeit betreffen. Am Ende des Stranges ist das Enzym Exonuklease <strong>und</strong> inmitten des Stranges das<br />

Enzym Endonuklease zuständig. Ligasen sind ebenfalls wichtige Enzyme in der rekombinanten<br />

DNA-Technologie, weil sie verschiedene DNA-Stränge befähigen, sich zu verbinden <strong>und</strong> neue<br />

DNA-Stränge mit einer unterschiedlichen Zusammensetzung zu bilden.<br />

DNA-Sequenzierung<br />

Die DNA-Sequenzierung ist eine wirkungsvolle <strong>und</strong> sehr wichtige Technik, welche auf der<br />

Technik der Gel-Elektrophorese basiert. Gel-Elektrophorese ist eine Technik, die DNA-Fragmente<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Grösse trennen kann. Eine Mischung von DNA-Fragmenten mit unterschiedlichen<br />

Grössen wird in ein farbloses Gel appliziert, welches ein komplexes Netzwerk von Poren<br />

Enzyme spielen<br />

eine<br />

entscheidende<br />

Rolle in der<br />

Isolation <strong>und</strong><br />

Manipulation von<br />

individuellen<br />

Genen in der<br />

rekombinanten<br />

DNA-Technologie.<br />

Gel-<br />

Elektrophorese ist<br />

eine Technik, die<br />

DNA-Fragmente<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

Grösse trennen<br />

kann.<br />

5.3


5<br />

aufweist, <strong>und</strong> durch welches die DNA schlüpfen kann. DNA hat insgesamt eine negative<br />

Ladung, so dass mit Hilfe von elektrischem Strom im Gel DNA-Fragmente in Richtung der<br />

positiven Elektrode bewegt werden können. Je kürzer das Fragment, desto schneller kann es<br />

durch das Gel wandern. Die DNA-Fragmente trennen sich aufgr<strong>und</strong> ihrer unterschiedlichen<br />

Grösse. Normalerweise wird eine Färbung verwendet, um die DNA <strong>und</strong> damit das Resultat<br />

sichtbar zu machen. Wenn ein Referenz-Fragment mit bekannter Länge sich neben einem<br />

unbekannten DNA-Fragment befindet, ist es möglich, die Länge des Fragments zu bestimmen.<br />

Durch die DNA-<br />

Sequenzierung<br />

kann die exakte<br />

Reihenfolge der<br />

Basen-Paare in<br />

einem DNA-<br />

Segment festgelegt<br />

werden.<br />

Durch die DNA-Sequenzierung kann die exakte Reihenfolge der Basen-Paare in einem DNA-<br />

Segment festgelegt werden. Abbildung 5.1 zeigt einen kleinen Teil einer Darstellung einer<br />

Fluoreszenz-basierten Gel-Sequenzierung. Jede Spitze korrespondiert mit einem durch<br />

Fluoreszenz bezeichneten DNA-Fragment, welches mit einer bestimmten Base endet. Auf diese<br />

Weise können Forscher DNA-Sequenzen ermitteln. Diese Information erlaubt es festzustellen,<br />

wo ein Gen (Mapping) sich befindet <strong>und</strong> für welches Protein es kodiert. Wenn die DNA<br />

manipuliert wird, dient dies auch der Überprüfung, ob einzelne Schritte in einem Vorgang<br />

erfolgreich waren. Das Erkennen der DNA-Sequenz gibt uns Auskunft über das Eiweiss, für<br />

welches die DNA kodiert.<br />

C AAC A A T G A T T T T A G A<br />

G G AAT G A T G C<br />

Abbildung 5.1. Ausschnitt aus einer Darstellung einer Fluoreszenz-basierten Gel-Sequenzierung.<br />

Es gibt<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

zwei<br />

Sequenzierungsverfahren,<br />

welche<br />

nach ihren<br />

Erfindern benannt<br />

sind: Maxam-<br />

Gilbert <strong>und</strong><br />

Sanger.<br />

Es gibt gr<strong>und</strong>sätzlich zwei Sequenzierungsverfahren, welche nach ihren Erfindern benannt sind:<br />

Maxam-Gilbert <strong>und</strong> Sanger. Beide Methoden basieren auf der sehr exakten Trennung von DNA-<br />

Molekülen mit Hilfe der Gel-Elektrophorese. Beispielsweise können Fragmente, die sich in der<br />

Grösse nur durch ein einzelnes Nukleotid unterscheiden, getrennt werden. Sie unterscheiden<br />

sich primär dadurch, wie Familien von DNA-Fragmenten, die auf dem Original-DNA-Molekül<br />

basieren, produziert werden. Inzwischen sind beinahe alle Schritte in diesen<br />

Sequenziermethoden automatisiert.<br />

Bei der Maxam-Gilbert-Sequenzierungsmethode werden Chemikalien benutzt, die die DNA bei<br />

bestimmten Basen aufspaltet. So entstehen Fragmente von verschiedener Länge. Im Gegensatz<br />

dazu wird bei der Sanger-Sequenzierungsmethode ein enzymatisches Verfahren verwendet, um<br />

DNA-Ketten von verschiedener Länge in vier verschiedenen Reaktionsschritten zu syn<strong>the</strong>tisieren,<br />

indem die DNA-Replikation an einer der vier Basen gestoppt <strong>und</strong> dann die Länge der<br />

Fragmente bestimmt wird.<br />

5.4


5<br />

Kürzlich wurde auch die auf kapillarer <strong>und</strong> ultradünner Elektrophorese basierende<br />

Sequenzierung entwickelt. Beide Methoden erhöhen die Rate der Fragment-Trennung. Mit einer<br />

gellosen Sequenzierungstechnologie der dritten Generation erhofft man sich eine effizientere<br />

Arbeitsweise <strong>und</strong> erwartet, dass sie bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms<br />

angewandt werden kann.<br />

Nukleinsäure-Hybridisierung<br />

Die Information der DNA-Sequenz ist ebenfalls hilfreich, weil sie die Generierung einer<br />

Hybridisierungsprobe speziell für eine bestimmte Sequenz erlaubt. Nukleinsäuren-<br />

Hybridisierung entspricht einer Technik, die die präzise Lokalisation von DNA (Sou<strong>the</strong>rn Blot)<br />

oder RNA (Nor<strong>the</strong>rn Blot) mit Hilfe einer Probe erlaubt (Abbildung 5.2). Die Hybridisierung ist<br />

wichtig für verschiedene diagnostische Zwecke, welche weiter unten besprochen werden.<br />

Das Klonen von Genen<br />

Ein Klon ist eine Gruppe von identischen Genen, Zellen oder Organismen, die vom selben<br />

Vorläufer abstammen. Die Fähigkeit, Gene zu klonen, hat weitgehende Einflüsse auf die<br />

Forschung. Das Klonen von Genen besteht aus der Isolation spezieller DNA-Segmente von<br />

ihrem Wirtorganismus <strong>und</strong> deren Vermehrung (Amplifizierung) im gleichen oder einem<br />

Inkubation<br />

Die komplementäre (ergänzende)<br />

Einzelstrang-Probe ist radioaktiv markiert<br />

AGCCA<br />

TGTGC<br />

ACACG<br />

TCGGT<br />

Einzelstrang-DNA, getrennt <strong>und</strong><br />

immobilisiert an einer Membran<br />

AGCCA<br />

TCGGT<br />

TGTGC<br />

ACACG<br />

Die Probe wird hybridisiert (gekreuzt)<br />

mit der immobilisierten,<br />

komplemetären DNA auf der Membran<br />

Radioaktive Signale auf einem Röntgenfilm<br />

werden mit Autoradiographie erkannt<br />

Röntgenfilm<br />

Die DNA-Fragmente werden als<br />

Bänder auf einem Film sichtbar gemacht<br />

Abbildung 5.2 Nukleinsäuren-Hybridisierungstechnik.<br />

5.5


5<br />

unterschiedlichen Wirt, mit dem Ziel, identische Kopien zu produzieren. Das Klonen erlaubt die<br />

Analyse von Gen-Sequenzen. Umgekehrt erlaubt dieses Wissen die Ableitung einer Protein-<br />

Sequenz, für welche die DNA kodiert. Trotzdem ist es nötig, die Aminosäuren-Sequenz mit der<br />

eines besser charakterisierten Eiweisses zu vergleichen, um die dreidimensionale Struktur des<br />

Eiweisses bestimmen zu können. Wenn Eiweisse einen hohen Grad an Sequenz-Ähnlichkeit<br />

aufweisen (Homologie), wird angenommen, dass auch die Funktion ähnlich ist.<br />

Die gr<strong>und</strong>sätzliche Klon-Methode<br />

Die wesentlichen Schritte um ein Gen zu klonen (Abbildung 5.3):<br />

1. Ein Fragment der DNA, welches das zu klonende Gen enthält, wird in ein zirkuläres DNA-<br />

Molekül, genannt Vektor, eingesetzt. Das Einfügen eines zu untersuchenden Gens in den<br />

Vektor produziert eine Chimäre beziehungsweise ein rekombinantes DNA-Molekül.<br />

2. Der Vektor dient als Transportmittel, um das Gen in die Wirtzelle zu transportieren. In der<br />

Wirtzelle vervielfacht sich der Vektor in zahlreiche identische Kopien, nicht nur von sich<br />

selbst, sondern auch von dem Gen, in dem er sich befindet.<br />

Fremde DNA<br />

Gen für<br />

Antibiotika-<br />

Resistenz<br />

Plasmid<br />

PstI<br />

PstI<br />

Ausgewählte Region<br />

PstI<br />

1. Schritt<br />

PstI<br />

PstI<br />

Haftende<br />

Enden<br />

Hybridisierung mit<br />

Hilfe von DNA-Ligase<br />

Rekombinante<br />

DNA<br />

Insertion (Einfügen)<br />

von DNA<br />

2. Schritt<br />

Bakterienzelle<br />

Bakterien-<br />

Chromosom<br />

Klonen<br />

3. Schritt<br />

Klon<br />

4. Schritt<br />

Bakterien beschichten ein<br />

Antibiotika-enthaltendes Medium<br />

Nur Bakterien mit der rekombinanten<br />

DNA können wachsen<br />

Kultur<br />

DNA-<br />

Reinigung<br />

Abbildung 5.3. Gr<strong>und</strong>sätzliche Methode für das Klonen von Genen in einem Plasmid.<br />

5.6


5<br />

3. Wenn die Wirtzelle sich teilt, enthalten die neuen Zellen Kopien des rekombinanten DNA-<br />

Moleküls <strong>und</strong> die weitere Vektor-Reproduktion findet statt.<br />

4. Durch viele Zellteilungen werden eine Kolonie oder ein Klon von identischen Wirtzellen<br />

produziert. Jede Zelle im Klon enthält eine oder mehrere Kopien des rekombinanten DNA-<br />

Moleküls. Das Gen im rekombinanten Molekül ist nun geklont.<br />

Plasmide <strong>und</strong> Bakteriophagen<br />

Zwei Typen von natürlich vorkommenden Vektoren werden üblicherweise als Transportmittel<br />

zum Klonen gebraucht: Plasmide <strong>und</strong> Bakteriophagen. Plasmide sind kleine Ringe von DNA,<br />

die in Bakterien <strong>und</strong> einigen anderen Organismen vorkommen. Plasmide replizieren sich<br />

unabhängig von dem Chromosom der Wirtzelle <strong>und</strong> führen fast immer ein oder mehrere Gene<br />

mit sich, die für nützliche Eigenschaften, welche vom Wirt-Bakterium vorgegeben werden,<br />

verantwortlich sind. Ein Beispiel ist die Antibiotika-Resistenz. Ein Antibiotika-Resistenz-Gen ist<br />

hilfreich, da es als wählbarer Marker dient, um sicherzustellen, dass die Bakterien in einer<br />

Kultur ein bestimmtes Plasmid enthalten. Kleine Plasmide benutzen gelegentlich einige der Wirt-<br />

Enzyme für die Replikation (Vervielfältigung), während grössere oft Gene in sich tragen, welche<br />

für die Enzyme kodieren, die sie für die Replikation brauchen. Wenige Arten eines Plasmids<br />

sind in ein Bakterien-Chromosom eingebaut <strong>und</strong> werden Episome genannt.<br />

Zwei Typen von<br />

natürlich<br />

vorkommenden<br />

Vektoren werden<br />

üblicherweise als<br />

Transportmittel<br />

zum Klonen<br />

gebraucht:<br />

Plasmide <strong>und</strong><br />

Bakteriophagen.<br />

Grösse <strong>und</strong> Anzahl der Kopien sind zwei sehr wichtige Eigenschaften eines Plasmids. Eine<br />

Grösse von weniger als 10kb (bezieht sich auf die Anzahl Basen im genetischen Material der<br />

Plasmide, in diesem Fall weniger als 10’000) ist für das Klonen wünschenswert. Grössere<br />

Plasmide neigen zur Instabilität <strong>und</strong> können, im Bestreben eine stabile Grösse zu erhalten, jede<br />

zusätzlich eingefügte DNA abstossen. Die Anzahl Kopien bezieht sich auf die Anzahl Moleküle<br />

eines individuellen Plasmids, die man normalerweise in einer einzelnen Bakterienzelle findet.<br />

Eine grosse Kopienzahl ist für die Produktion einer grossen Menge rekombinanter DNA-<br />

Moleküle wünschenswert.<br />

Bakteriophagen oder Phagen (Viren, welche speziell Bakterien infizieren) sind ebenfalls<br />

geeignete Vektoren zum Klonen. Sie bestehen aus einem DNA- oder manchmal RNA-Molekül,<br />

welches mehrere Gene beinhaltet, einschliesslich solcher, welche zur Phagen-Replikation<br />

benötigt werden. Die Nukleinsäure wird von einer Eiweisshülle, genannt Kapsid, umgeben.<br />

Wenn der Phage das Bakterium infiziert, heftet er sich auf die Aussenseite des Bakteriums <strong>und</strong><br />

injiziert sein DNA-Chromosom in die Zelle. Die Phagen-DNA wird dann repliziert <strong>und</strong> die<br />

Eiweisshülle syn<strong>the</strong>tisiert. Neue Phagen-Partikel sammeln sich <strong>und</strong> werden durch Lyse des<br />

Bakteriums freigesetzt. Während der Infektion wird das DNA-Molekül des Bakteriophagen in<br />

die Wirtzelle injiziert, wo es weiter repliziert wird. M13 <strong>und</strong> λ sind zwei üblicherweise<br />

gebrauchte Typen von Phagen-Vektoren.<br />

Für erfolgreiches<br />

Klonen ist man auf<br />

gereinigte DNA<br />

angewiesen.<br />

Viren werden oft als Transportmittel zum Klonen von Tierzellen benutzt. Üblich sind die bei<br />

Säugetieren vorkommenden Viren, wie Adenoviren <strong>und</strong> Simian-Viren 40 (SV40).<br />

Reinigung der DNA<br />

Für erfolgreiches Klonen ist man auf gereinigte DNA angewiesen. Normalerweise müssen<br />

mindestens drei verschiedene Arten von DNA durch den Gentechniker gereinigt werden. Zuerst<br />

die DNA der ganzen Zelle, die aus Bakterienkulturen oder Tierzellen stammt <strong>und</strong> von der wir<br />

die zu klonenden Gene erhalten. Als zweites wird reine Plasmid-DNA (Vektor-DNA) von<br />

bakterieller chromosomaler DNA gereinigt. Wenn Phagen zum Klonen eingesetzt werden, wird<br />

ausserdem gereinigte Phagen-DNA benötigt.<br />

5.7


5<br />

Um ein<br />

rekombinantes<br />

DNA-Molekül zu<br />

produzieren, ist es<br />

nötig, den Vektor<br />

<strong>und</strong> die zu<br />

klonende DNA an<br />

bestimmten Stellen<br />

zu zerschneiden<br />

<strong>und</strong> sie dann<br />

zusammenzufügen<br />

(Ligation).<br />

Es gibt verschiedene Methoden, um Zell-DNA von Bakterien <strong>und</strong> anderen Organismen zu<br />

reinigen. Den Methoden gemeinsam ist das Sammeln von Zellen <strong>und</strong> deren anschliessende<br />

Öffnung, damit sie ihren Inhalt freisetzen. Das Zell-Extrakt wird dann behandelt, um alle<br />

Zellkomponenten, mit Ausnahme der DNA, zu entfernen. Die unerwünschten Bestandteile<br />

werden Verunreinigungen genannt <strong>und</strong> enthalten Eiweisse <strong>und</strong> RNA. Schlussendlich wird die<br />

DNA in der Lösung konzentriert.<br />

Die Reinigung von Plasmid-DNA erfolgt nach dem gleichen Prinzip, beinhaltet aber zusätzliche<br />

Schritte um die Plasmid-DNA von der bakteriellen chromosomalen DNA zu trennen. Dies kann<br />

durch Zentrifugieren der Mischung von beiden DNAs mit hoher Geschwindigkeit oder mit Hilfe<br />

von Gel-Filtration oder Affinitäts-Chromatographie erfolgen. Die beiden DNA-Typen werden<br />

entsprechend ihrer Grösse <strong>und</strong> ihrer elektrischen Ladung getrennt.<br />

Die Bildung von rekombinanter DNA aus gereinigter DNA<br />

Um ein rekombinantes DNA-Molekül zu produzieren, ist es nötig, den Vektor <strong>und</strong> die zu<br />

klonende DNA an bestimmten Stellen zu zerschneiden <strong>und</strong> sie dann zusammenzufügen<br />

(Ligation). Dabei ist es wichtig, dass die Enden zusammenpassen, damit sie sich erfolgreich<br />

ligieren (verbinden) können <strong>und</strong> dass die Richtung der Insertion (Einfügung) der DNA in den<br />

Vektor korrekt ist.<br />

Die Spaltung gereinigter DNA beim Klonen wird mit Hilfe hochgereinigter Enzyme, genannt<br />

Restriktionsenzyme, durchgeführt. Typ II Restriktions-Endonukleasen schneiden an bestimmten<br />

Stellen, genannt Restriktionsorte. Sie sind die hilfreichsten Schneide-Enzyme beim Klonen aus<br />

Genen (Abbildung 5.4). Restriktionsenzyme werden aus verschiedenen Bakterien isoliert. Ihre<br />

natürliche biologische Funktion ist, die Bakterien vor Angriffen durch Viren-DNA oder durch<br />

andere fremde DNA zu schützen. Sie erkennen kurze DNA-Sequenzen <strong>und</strong> zerschneiden die<br />

DNA-Moleküle an bestimmten Erkennungsorten. Einige Restriktionsenzyme zerschneiden die<br />

DNA nur selten <strong>und</strong> generieren eine kleine Zahl sehr grosser Fragmente (mehrere tausend bis<br />

eine Million Basenpaare). Die Mehrzahl der Restriktionsenzyme aber zerschneiden die DNA<br />

häufiger, in eine grosse Anzahl kleiner Fragmente (weniger als 100 bis über<br />

A<br />

HpaI<br />

5'––N N G T T A A C N N––3'<br />

3'––N N C A A T T G N N––5'<br />

Cut<br />

5'––N N G T T<br />

3'––N N C A A<br />

A A C N N––3'<br />

T T G N N––5'<br />

B<br />

EcoRi<br />

5'––N N G A A T T C N N––3'<br />

3'––N N C T T A A G N N––5'<br />

Cut<br />

5'––N N G A A T T C N N––3'<br />

3'––N N C T T A A G N N––5'<br />

C<br />

Pst I<br />

5'––N N C T G C A G N A––3'<br />

3'––N N G A C G T C N N––5'<br />

Cut<br />

5'––N N C T G C A G N N––3'<br />

3'––N N G A C G T C N N––5'<br />

Abbildung 5.4. DNA-Sequenzen, welche durch drei häufig gebrauchte Typ II Restriktionsenzyme<br />

erkannt werden. Diese Restriktionsenzyme hinterlassen (A) ein stumpfes oder (B <strong>und</strong> C) gestufte<br />

Enden.<br />

5.8


5<br />

1’000 Basenpaare). Individuelle Restriktionsenzyme haben ganz bestimmte, verschiedene<br />

Erkennungsorte, während einige den Erkennungsort miteinander teilen. Üblicherweise haben<br />

sie eine Länge von vier, sechs oder acht Basenpaaren. Seitdem viele H<strong>und</strong>erte von<br />

verschiedenen Restriktionsenzymen charakterisiert werden konnten, kann die DNA zum Klonen<br />

in viele kleine Fragmente mit unterschiedlichen Endungen zerlegt werden.<br />

Je nach Klonforschungsprojekt können Fragmente mit stumpfem Ende (in diesem Fall werden<br />

beide Stränge exakt in der Mitte der Erkennungssequenz zerschnitten) oder Fragmente mit<br />

gestuftem Ende (die Schnittstelle befindet sich innerhalb der Erkennungssequenz, wobei ein<br />

Strang etwas länger bleibt als der andere <strong>und</strong> überhängt) gebildet. Letztgenannter Typ der<br />

Restriktionsreaktion bildet „klebende“ Enden. Eine hilfreiche Eigenschaft der Restriktionsenzyme<br />

ist, dass unterschiedliche Erkennungsorte die gleichen klebenden Enden produzieren, so dass<br />

Fragmente, die durch Spaltung mit zwei unterschiedlichen Enzymen hergestellt wurden, mit<br />

Hilfe ihrer komplementären Enden zusammengefügt werden können.<br />

Bevor die Vektoren zum Klonen eingesetzt werden können, werden die gereinigten Plasmid-<br />

DNA-Ringe zuerst mit einer Restriktions-Endonuklease auseinander geschnitten, um lineare<br />

DNA-Moleküle zu formen. Die zu benutzende zelluläre DNA wird mit der gleichen Restriktions-<br />

Endonuklease geschnitten. Die entstandenen Fragmente, welche das zu klonende Gen<br />

enthalten, werden den Plasmiden beigefügt <strong>und</strong> abgekühlt um rekombinante DNA-Ringe zu<br />

formen. Diese rekombinanten Moleküle werden mit Hilfe einer DNA-Ligase kovalent geb<strong>und</strong>en.<br />

Transfektion<br />

Die rekombinanten Moleküle werden dann mittels eines Verfahrens, das man Transfektion<br />

nennt, in Zellen eingefügt (meist in Bakterien- oder Hefezellen) (Abbildung 5.3). Bei der<br />

Transfektion müssen Zellen eine durchlässigere Membran als üblich besitzen, um die Aufnahme<br />

der DNA zu ermöglichen. Dies wird erreicht durch bestimmte chemische/physikalische<br />

Methoden. Diese Zellen werden als kompetent bezeichnet. Da nur von einem kleinen Teil der<br />

Zellen die DNA tatsächlich aufgenommen wird, ist es nötig, in einem Auswahlverfahren die<br />

Zellen (so genannte Transfektanten) zu identifizieren, die transfiziert worden sind. Hier ist der<br />

Einsatz eines wählbaren Markers hilfreich, der durch ein Plasmid transportiert wird.<br />

Ein wählbarer Marker ist ein Gen, das eine transfizierte Zelle mit neuen Merkmalen ausstattet.<br />

Dies kann eine Antibiotikaresistenz sein, welche bei nicht-transfizierten Zellen nicht vorkommt.<br />

Nur Transfektanten können bei Vorhandensein von Antibiotika wachsen. Diese überlebenden<br />

Zellen sollen eine DNA-Sammlung enthalten, welche einer ungeordneten Reihe von geklonten<br />

DNA-Fragmenten entspricht.<br />

Die<br />

rekombinanten<br />

Moleküle werden<br />

mittels eines<br />

Verfahrens, das<br />

man Transfektion<br />

nennt, in Zellen<br />

(meist in<br />

Bakterien- oder<br />

Hefezellen)<br />

eingefügt.<br />

Die Auswahl des gewünschten Klons<br />

Nur wenige der überlebenden Bakterien werden das rekombinante Plasmid mit dem zu<br />

isolierenden Gen enthalten. Es gibt verschiedene Ansätze, um die gewünschten Klone in der<br />

DNA-Sammlung zu identifizieren. Eine Möglichkeit ist, ein Stück saugfähiges Papier in die<br />

Kultur mit den wachsenden Bakterienkolonien einzutauchen. Die Zellen bleiben am Papier<br />

kleben <strong>und</strong> werden mit einer radioaktiven DNA-Probe, welche die Sequenz des gesuchten<br />

Gens beinhaltet, untersucht. Die radioaktive Probe hybridisiert zum entsprechenden Gen <strong>und</strong><br />

kann dann durch die Exposition des Papiers auf einem fotografischen Film sichtbar gemacht<br />

werden. Dieser Prozess der Hybridisierung ist eine Form von Screening.<br />

Eine andere Screening-Methode um die Ech<strong>the</strong>it von Bakterien-Klonen zu prüfen, ist die in-vitro<br />

Translation. Bei dieser Methode wird die geklonte DNA benutzt, um die komplementären<br />

mRNA-Moleküle von einem Gemisch aus zellulärer mRNA zu reinigen. Dieser Prozess wird<br />

5.9


5<br />

Hybrid-Selektion genannt. Die produzierten Eiweisse werden dann mit denen verglichen, die<br />

man erwartet.<br />

Eine Genbank ist<br />

eine Sammlung<br />

einer genügenden<br />

Menge Klone, die<br />

mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit<br />

jedes einzelne<br />

Gen eines<br />

bestimmten<br />

Genoms von<br />

einem<br />

Organismus<br />

enthalten.<br />

Die Genbank<br />

Eine Genbank ist eine Sammlung einer genügenden Menge Klone, die mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit jedes einzelne Gen eines bestimmten Genoms von einem Organismus<br />

enthalten. Genbanken werden durch Reinigung der zellulären DNA hergestellt. Dies geschieht<br />

durch Zerteilen der DNA mit Hilfe von Restriktionsenzymen, um eine Serie von Fragmenten zu<br />

produzieren, die man in einen passenden Vektor klont. Es ist ebenfalls möglich, Chromosomenspezifische<br />

Sammlungen anzulegen, die aus Fragmenten bestehen, welche von der DNA eines<br />

bestimmten Chromosoms abstammen.<br />

Gentechnologie<br />

Um die Struktur <strong>und</strong> Funktion von einzelnen Proteinen, wie Onkoproteinen, zu studieren, ist es<br />

nötig, genügend Proteine zur Verfügung zu haben. Die meisten Proteine in einer tierischen<br />

Zelle, inklusive solcher mit sehr wichtigen Funktionen, sind nur in kleinen Mengen vorhanden.<br />

Das macht es schwierig oder gar unmöglich, das reine Protein zu isolieren. Einer der<br />

wichtigsten Beiträge des DNA-Klonens <strong>und</strong> der Gentechnologie für die Zellbiologie ist, dass es<br />

nun möglich ist, Zellproteine auch in grossen Mengen zu produzieren. Die Gentechnologie<br />

wendet rekombinante DNA-Technologie an, um das Gen für das gewünschte Eiweiss zu klonen<br />

<strong>und</strong> es in ein speziell hoch replizierendes Stück der DNA, einem so genannten Expressions-<br />

Vektor, einzusetzen. Dieser kann dann grosse Mengen des Proteins produzieren.<br />

Die Gentechnologie hat wichtige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen. Zum Beispiel ist das Klonen<br />

aller Gene für einen bestimmten biosyn<strong>the</strong>tischen Pfad <strong>und</strong> deren Überexpression eine<br />

Möglichkeit, um eine bestimmte intrazelluläre Komponente zu vermehren. Im Gegensatz dazu<br />

ist es möglich, einen Pfad zu unterbrechen, um zu verhindern, dass ein bestimmtes Produkt<br />

hergestellt wird. Es ist wichtig zu wissen, dass Gentechnologie nicht auf Proteine begrenzt ist.<br />

Sie kann eine Überexpression aller zu klonenden Gene ermöglichen.<br />

. . . kürzlich<br />

haben Fortschritte<br />

in der<br />

Gentechnologie<br />

nicht-menschliche<br />

Quellen von<br />

Antikörpern wie<br />

Herceptin ® <strong>und</strong><br />

MabThera ®<br />

ermöglicht.<br />

Zudem ermöglicht die Gentechnologie den Aufbau von Proteinen von jeder gewünschten<br />

Sequenz. Zum Beispiel haben kürzlich Fortschritte in der Gentechnologie nicht-menschliche<br />

Quellen von Antikörpern wie Herceptin ® <strong>und</strong> MabThera ® ermöglicht. Humanisierte monoklonale<br />

Maus-Antikörper (MAbs) machen Gebrauch von der Reverse-Transkriptase Polymerase<br />

Kettenreaktion (RT-PCR, siehe Seite 5.15), um entweder variable oder hypervariable Regionen<br />

des Antikörpers von der mRNA oder einem Hybridom (zum Beispiel von einer Maus) zu klonen,<br />

<strong>und</strong> dann diese mit konstanten menschlichen Regionen zu fusionieren. Als Folge davon sind<br />

mehr als 90% der Aminosäuren-Sequenzen des humanisierten MAb mit derjenigen des<br />

menschlichen Proteins identisch. Auf diese Weise kann eine Neutralisierung durch das<br />

menschliche Immunsystem vermieden werden. Durch die Wahl der entsprechenden Region für<br />

die schwere Kette als Klonpartner, könnten mit diesem Ansatz Antikörper mit bestimmter Ziel-<br />

Funktion entwickelt werden. Die daraus entstehenden Klone können dann in Zellkulturen grosse<br />

Mengen von modifizierten Antikörpern produzieren. Die Gr<strong>und</strong>lagen der Tier-Zellkulturen <strong>und</strong><br />

die Methode, rekombinante Gene in Tierzellen einzuführen, werden unten beschrieben.<br />

Tier-Zellkulturen<br />

Unter angepassten Bedingungen können die meisten Tierzellen in einer Gewebekulturschale<br />

leben, sich teilen <strong>und</strong> differenzierte Eigenschaften aufweisen. Diese Art von Kultur wird in-vitro-<br />

Kultur genannt. In dieser künstlichen Umgebung ist es möglich, die Zellen unter dem Mikroskop<br />

5.10


5<br />

zu beobachten oder sie biochemisch zu analysieren, wenn verschiedene spezifische Moleküle,<br />

wie zum Beispiel Hormone oder Wachstumsfaktoren, zugefügt oder entfernt werden. Es ist<br />

ebenfalls möglich, die Interaktionen zwischen verschiedenen Zelltypen zu untersuchen. Eine<br />

wichtige Anwendung von Zellkulturen ist ihre Nutzung zur Produktion von grossen Mengen<br />

bestimmter Zellen, die ein genetisch bearbeitetes Gen enthalten. Wie in Kapitel 6 beschrieben<br />

wird, werden gezüchtete Zellen auch in der Zell-Therapie, als <strong>Krebs</strong>-Impfungen zur Stimulation<br />

einer Immunantwort auf einen Tumor, erforscht.<br />

Zellen werden in Kultur-Gefässen wie in Platten oder Flaschen in einer Nährlösung, genannt<br />

Medium, gezüchtet. Ein wesentlicher Bestandteil des Mediums ist Serum, weil dieses<br />

Wachstumsfaktoren, Steroid-Hormone <strong>und</strong> andere Faktoren, die für Wachstum <strong>und</strong> Proliferation<br />

wichtig sind, enthält. Die Zellen in der Zellkultur wachsen am Boden der Platten als einfache<br />

Zellschicht (Monolayer) <strong>und</strong> das Medium deckt sie zu. Für ein normales Wachstum <strong>und</strong> für die<br />

Proliferation ist es wichtig, dass die Zellen verankert sind. Das Medium wird in bestimmten<br />

Intervallen ausgewechselt, um sicherzustellen, dass die Zellen nicht verhungern oder durch<br />

Abfallprodukte aus ihrem eigenen Stoffwechsel vergiftet werden. Wenn sich die Zellen geteilt<br />

haben <strong>und</strong> die gesamte Fläche in der Kulturplatte bedecken, beenden die Zellen ihre Teilungen.<br />

Die Zellkultur kann dann aufgeteilt werden, um neue Kulturen anzulegen, die wieder wachsen<br />

<strong>und</strong> proliferieren können.<br />

Eine wichtige<br />

Anwendung von<br />

Zellkulturen ist<br />

ihre Nutzung zur<br />

Produktion von<br />

grossen Mengen<br />

bestimmter Zellen,<br />

die ein genetisch<br />

bearbeitetes Gen<br />

enthalten.<br />

Kulturen, die aus Gewebe eines Organismus hergestellt werden, nennt man primäre Kulturen.<br />

Primäre Kulturen haben eine begrenzte Lebensdauer <strong>und</strong> unterliegen dem Prozess der<br />

Umwandlung, der zur Bildung einer Zell-Linie führt. Zell-Linien können aus <strong>Krebs</strong>zellen<br />

hergestellt werden, unterscheiden sich aber von solchen aus normalen Zellen. Zum Beispiel<br />

wachsen Zell-Linien oft, ohne an der Oberfläche zu haften <strong>und</strong> können in der Kulturschale bis<br />

zu einer wesentlich höheren Dichte als normale Zellen proliferieren. In normalen Zellen können<br />

experimentell ähnliche Eigenschaften durch Transformation mit einem Tumor-induzierenden Virus<br />

oder einer chemischen Substanz induziert werden. Dies führt zu einer transformierten Zell-Linie<br />

wie die Zell-Linie des chinesischen Hamster-Ovars (CHO) oder der Baby-Hamster-Niere (BHK).<br />

Zell-Linien können normalerweise geteilt <strong>und</strong> unendlich gezüchtet werden. Neben vielen andern<br />

Anwendungsmöglichkeiten sind sie nützlich zur Produktion von monoklonalen Antikörpern <strong>und</strong><br />

für das Studium der Aktivität bestimmter Gene.<br />

Transfektion<br />

Wie oben erwähnt, ist die Transfektion eine Technik, die angewandt wird, um fremde Moleküle,<br />

wie DNA, in Zellen einzubringen. Sie ist ein wirksames Werkzeug für das Studium <strong>und</strong> die<br />

Kontrolle der Gen- <strong>und</strong> Eiweiss-Expression. Zellen können so transfiziert werden, dass sie ein<br />

Gen nur für eine kurze Zeit (vorübergehende Transfektion) oder permanent (stabile Transfektion)<br />

exprimieren. Verschiedene Gene können zusammen transfiziert werden mit der Möglichkeit,<br />

Interaktionen zwischen diesen Genen zu untersuchen. Dieses System bietet uns eine künstliche<br />

Umgebung, in der Gen-Interaktionen untersucht werden können.<br />

Bei der Isolierung einer einzelnen Tierzelle, welche ein rekombinantes Gen (gentechnisch<br />

hergestellt) enthalten kann, <strong>und</strong> welcher das Wachstum zu einer großen Kolonie erlaubt wurde,<br />

ist es möglich, einen Klon zu bilden, der aus genetisch identischen Zellen besteht. Es ist<br />

ebenfalls möglich, zwei Zellen zusammenzufügen, um eine kombinierte Zelle mit zwei<br />

separaten Zellkernen zu bilden, welche schlussendlich zusammenschmelzen, um eine Hybrid-<br />

Zelle mit nur einem Zellkern zu bilden.<br />

. . . die<br />

Transfektion ist<br />

eine Technik, die<br />

angewandt wird,<br />

um fremde<br />

Moleküle, wie<br />

DNA, in Zellen<br />

einzubringen.<br />

5.11


5<br />

Die Anwendung neuer Technologien im Kontext von <strong>Krebs</strong><br />

. . . ist die HER2-<br />

Überexpression<br />

die erste Tumorassoziierte<br />

Anomalie, deren<br />

Rolle in<br />

Pathogenese <strong>und</strong><br />

Prognose entdeckt<br />

wurde, <strong>und</strong> die<br />

erfolgreich<br />

angewandt<br />

wird, um<br />

massgeschneidert<br />

zu <strong>the</strong>rapieren.<br />

Antikörper sind<br />

durch ihre genaue<br />

Antigen-Spezifität<br />

sehr hilfreiche<br />

Instrumente in der<br />

Forschung <strong>und</strong> in<br />

vielen<br />

Testverfahren.<br />

Alle Krankheiten haben eine genetische Komponente, ob diese nun vererbt ist oder eine<br />

Antwort des Körpers auf die Umgebungsbelastung darstellt. Deshalb ist bei der Beurteilung<br />

eines <strong>Krebs</strong>patienten die Untersuchung von produzierten Onkogenen oder Proteinen<br />

(Onkoproteine) eine wichtige Ergänzung zur Untersuchung physischer Parameter, wie zum<br />

Beispiel Tumorgrösse, Krankheitsstadium bei der Diagnose oder Grad des Lymphknotenbefalls.<br />

Um Faktoren der <strong>Krebs</strong>pathogenese zu untersuchen, werden typischerweise Tumorgewebe oder<br />

Serum gebraucht. Zum Beispiel sind Tumormarker (wie CA-125 <strong>und</strong> CA 15-3) Moleküle, die als<br />

Hilfe zur Diagnosestellung oder zur Überwachung der Therapie für Ovarial- oder Brustkrebs<br />

verwendet werden können. Tumormarker werden bei bestimmten Tumorerkrankungen in die<br />

Blutbahn abgegeben <strong>und</strong> können so im Serum nachgewiesen werden.<br />

Der klinische Wert biologischer Marker wird seit vielen Jahren untersucht. Heute gut etablierte<br />

Marker sind zum Beispiel der Östrogen-Rezeptor-Status (ER) <strong>und</strong> der Progesteron-Rezeptor-Status<br />

(PgR) für die Einschätzung der Prognose <strong>und</strong> des Ansprechens auf die Therapie bei Brustkrebs.<br />

Ausserdem das Prostata-spezifische Antigen (PSA) bei der Verlaufskontrolle von Prostatakrebs<br />

<strong>und</strong> das Philadelphia-Chromosom als ein spezifischer Marker der chronisch myeloischen<br />

Leukämie. Erst kürzlich wurde der Stellenwert von Markern wie HER2 intensiv untersucht. Wie<br />

auch in Kapitel 6 diskutiert wird, ist die HER2-Überexpression die erste Tumor-assoziierte<br />

Anomalie, deren Rolle in Pathogenese <strong>und</strong> Prognose entdeckt wurde, <strong>und</strong> die erfolgreich<br />

angewandt wird, um massgeschneidert zu <strong>the</strong>rapieren. Dies deutet auf die zunehmende<br />

Wichtigkeit hin, Tumor-assoziierte Anomalien sehr genau zu untersuchen, um die<br />

Patientenbehandlung zu optimieren.<br />

Ein Pathologe wendet eine Vielzahl von speziellen Techniken für die Untersuchung von Faktoren<br />

an, die mit <strong>Krebs</strong> zusammenhängen. Diese diagnostischen Tests beinhalten Analysen der<br />

relevanten Gene (DNA oder RNA) oder Proteine, die durch die DNA produziert werden.<br />

Antikörper als molekularbiologische <strong>und</strong> biochemische Instrumente<br />

Antikörper sind durch ihre genaue Antigen-Spezifität sehr hilfreiche Instrumente in der<br />

Forschung <strong>und</strong> in vielen Testverfahren. Mit Fluoreszenz-Färbung versehen, sind sie von<br />

unschätzbarem Wert bei der Lokalisation bestimmter Moleküle in Zellen mittels Fluoreszenz-<br />

Mikrokopie. Sie können auch bei der Suche <strong>und</strong> Quantifizierung von Molekülen in<br />

Zellextrakten, sowie bei der Identifizierung bestimmter Proteine nach deren Trennung mit<br />

Elektrophorese, angewendet werden.<br />

Die Sensitivität von Antikörpern zur Entdeckung bestimmter Moleküle in Zellen <strong>und</strong> im Gewebe<br />

ist häufig durch die Signal-Amplifikations-Methode erhöht. Dies ist ein Verfahren, bei welchem<br />

zwei Antikörper benutzt werden, um ein Antigen zu entdecken. Der erste Antikörper bindet sich<br />

an das Antigen. Anstatt einen Marker wie eine Fluoreszenz-Färbung an den primären<br />

Antikörper zu binden, um das Antigen nachzuweisen, wird ein zweiter Antikörper gebraucht,<br />

der ein Marker-Molekül besitzt, das den geb<strong>und</strong>enen primären Antikörper erkennt. Viele<br />

Systeme, bei denen unterschiedliche Arten von Marker-Molekülen angewandt werden, sind<br />

erhältlich. Zum Beispiel kann ein Enzym als Marker-Molekül gebraucht werden. Dies ist ein sehr<br />

sensitives System <strong>und</strong> erlaubt das Finden selbst kleinster Mengen von Antigenen.<br />

Immunhistochemie<br />

Wie der Name andeutet, ist die Immunhistochemie (IHC) eine Technik, die Antikörper, Gewebe<br />

5.12


5<br />

<strong>und</strong> Chemie einbezieht. Dieses Verfahren kann für die Analyse des Expressionsgrades von<br />

Proteinen in einem Gewebe verwendet werden.<br />

IHC ist eine relativ einfache Methode, bei der eine Vielzahl allgemein gebräuchlicher<br />

Reagenzien <strong>und</strong> Fixiermittel benützt werden, <strong>und</strong> kann an frischem, gefrorenem <strong>und</strong><br />

konserviertem Gewebe angewendet werden. Bei dieser Technik wird ein Antikörper verwendet,<br />

der spezifisch ist für ein bestimmtes Antigen, zum Beispiel HER2. Für IHC-Testmethoden wurde<br />

eine Vielzahl von Mäuse-Antikörpern produziert mit dem Ziel, den Antikörper zu identifizieren,<br />

der genauestens unterscheidet zwischen Patienten, die ein spezifisches Antigen besitzen oder<br />

nicht. Der Antikörper ist oft mit Fluoreszenzfarbe, radioaktiv oder mit einem Enzym wie zum<br />

Beispiel Peroxidase markiert. Im letzten Fall wird das Gewebe, das typischerweise in Paraffin<br />

eingebettet ist, mit dem passenden Antikörper, der mit Peroxidase markiert ist, inkubiert. Der<br />

bestimmte Antikörper findet das Antigen im Tumorpräparat <strong>und</strong> bindet sich daran. Die Probe<br />

wird dann mit einer chemischen Substanz (Diaminobenzidin, DAB) in der Gegenwart von<br />

Wasserstoffperoxyd bearbeitet <strong>und</strong> es entsteht eine blickdichte Ablagerung, welche<br />

mikroskopisch sichtbar gemacht werden kann (DAB-Methode). Alternativ kann auch die<br />

Peroxidase-Antiperoxidase Methode (PAP) benützt werden. Das Endresultat ist eine<br />

Gewebeprobe, die gefärbte <strong>und</strong> ungefärbte Zellen aufweist.<br />

Die Interpretation von solchen durch IHC gefärbten Proben ist oft qualitativ <strong>und</strong> abhängig vom<br />

Prozentsatz der für das bestimmte Antigen positiv gefärbten Zellen, sowie von der Intensität der<br />

Färbung. Die Interpretation kann so auch zwischen verschiedenen Untersuchern variieren. Als<br />

Beispiel sei hier der üblicherweise für HER2-Überexpression angewandte Test DAKO<br />

HercepTest ® erwähnt. Bei diesem wird eine Beurteilungsskala von 0 bis 3+ angewandt. 0 <strong>und</strong><br />

1+ bezeichnen eine Gradierung, die normalerweise keine Färbung oder nur wenige, schwach<br />

gefärbte Zellen aufweist, während bei 3+ die Mehrheit der Zellen stark gefärbt ist<br />

(Abbildung 5.5). Tatsächlich gibt es aber zwischen den Pathologen <strong>und</strong> den Labors<br />

Unterschiede in der Bestimmung der Stufe 2+, wegen der subjektiven Einschätzung des<br />

Auswertungssystems.<br />

0<br />

1+<br />

IHC ist eine relativ<br />

einfache Methode,<br />

bei der eine<br />

Vielzahl<br />

allgemeingebräuchlicher<br />

Reagenzien <strong>und</strong><br />

Fixiermittel<br />

benützt<br />

werden . . .<br />

2+<br />

3+<br />

IHC Images courtesy of MJ Kornstein, MD, Medical College of Virginia<br />

Abbildung 5.5. Beispiel von Zellmembran-Färbungen für HER2 mit IHC mit der entsprechenden<br />

Auswertung (Scores).<br />

5.13


5<br />

Automatisierte zelluläre, bildgebende Systeme (ACIS) wurden als neue Technologie entwickelt<br />

<strong>und</strong> sind so konstruiert, dass sie die Fehlerquote, die sich mit der individuellen Interpretation<br />

einer Färbung ergibt, ausschalten. ACIS kombiniert Software für die farb-basierte Darstellung<br />

mit der automatisierten Roboter-Mikroskop-Technologie <strong>und</strong> wurde beschrieben als genauere<br />

Methode im Gegensatz zur qualitativen Einschätzung (Scoring).<br />

Der Vorteil von<br />

ELISA ist, dass die<br />

Untersuchung mit<br />

Blut <strong>und</strong> nicht mit<br />

Tumorgewebe<br />

gemacht werden<br />

kann . . .<br />

ELISA<br />

Diese Technik einer Enzym-geb<strong>und</strong>enen, immunabsorbierenden Untersuchung (enzyme-linked<br />

immunosorbent assay = ELISA) ist für Gewebe-Homogenate <strong>und</strong> Seren geeignet. Genau wie<br />

bei IHC, wird bei dieser Methode ein Antikörper <strong>und</strong> ein quantifizierbares Enzym benutzt, um<br />

Proteine zu entdecken. Der Vorteil von ELISA ist, dass die Untersuchung mit Blut <strong>und</strong> nicht mit<br />

Tumorgewebe gemacht werden kann <strong>und</strong> daher, wegen der einfacheren Materialgewinnung,<br />

auch wiederholt durchgeführt werden kann. Die Zusammenhänge zwischen den Tumorspezifischen<br />

Markern im Serum (wie HER2) <strong>und</strong> der effektiven Anzahl von Tumorzellen wird<br />

derzeit diskutiert <strong>und</strong> ist kontrovers. Es scheint wahrscheinlich, dass eine engere Beziehung<br />

zwischen Serumspiegel <strong>und</strong> Tumorgrösse als zwischen Serumspiegel <strong>und</strong> Tumorexpression eines<br />

Markers besteht. Deshalb wird der ELISA-Test eher für die Messung von Tumormarkern wie z.B.<br />

PSA zur Kontrolle eines Krankheitsverlaufs angewandt, als für die Erkennung von Tumoren,<br />

welche grosse Mengen von Markern exprimieren.<br />

In-situ Hybridisierung<br />

In-situ Hybridisierung (ISH) ist eine Technik, die angewandt wird, um bestimmte Nukleinsäuren-<br />

Sequenzen im Gewebe, in Zellen oder in Chromosomen nachzuweisen. Bei dieser Methode<br />

werden Nukleinsäure-Proben verwendet, welche eine ganz bestimmte Nukleotid-Sequenz<br />

aufweisen, die in der Lage sind, sich spezifisch an komplementäre Nukleotid-Sequenzen in der<br />

DNA oder RNA zu binden (oder hybridisieren). Die Probe enthält eine Erkennungssubstanz,<br />

welche die Lokalisierung der gesuchten Nukleinsäure ermöglicht. ISH-Lokalisierung wird im<br />

Allgemeinen durch fluoreszierende Marker (Fluoreszenz in-situ Hybridisierung, FISH) <strong>und</strong> mit<br />

der Fluoreszenz-Mikroskopie, sowie mit chromogenen (farbproduzierenden) Markern<br />

(chromogene in-situ Hybridisierung, CISH) <strong>und</strong> einem Hellfeld-Mikroskop erreicht. Die ISH-<br />

Resultate werden verwendet, um das Vorkommen oder Fehlen von Genen, die Amplifizierung<br />

eines Gens oder die Umstrukturierung von Chromosomen (Translokation) zu ermitteln. Es<br />

handelt sich also um eine sehr wertvolle Technik in der Diagnostik von Genen, die in der<br />

<strong>Krebs</strong>entstehung eine Rolle spielen (Onkogene).<br />

FISH<br />

FISH bedient sich fluoreszierender Marker, welche einer Probe beigefügt werden, die sich an<br />

das entsprechende Gen bindet. Mit Hilfe des Fluoreszenz-Mikroskops werden die Lokalisation<br />

der Gene sowie die Anzahl der vorhandenen Kopien ermittelt. Bei der Anwendung von<br />

verschieden gefärbten Fluoreszenz-Markern <strong>und</strong> von zwei oder mehr Proben zum gleichen<br />

Zeitpunkt, können verschiedene Hybridisierungssignale entsprechend ihrer unterschiedlichen<br />

Färbung unterschieden werden. Diese Technik ist hilfreich beim Vergleich der Anzahl<br />

verschiedener Zielobjekte in einer Zelle, zum Beispiel der Anzahl von Genen <strong>und</strong><br />

Chromosomen, welche ein bestimmtes Gen enthalten. So weisen zum Beispiel ungefähr 20%<br />

der Patientinnen mit Brustkrebs mehrere Kopien des HER2 Gens auf (das bedeutet, das Gen<br />

wird amplifiziert) (Abbildung 5.6). Andere Brustkrebs-Zellen weisen wieder multiple Kopien des<br />

Chromosoms 17 auf (Aneuploidie), auf dem das HER2-Gen lokalisiert ist, wobei jedes<br />

5.14


5<br />

Abbildung 5.6. FISH-Test zum Nachweis einer Gen-Amplifikation.<br />

Chromosom eine Gen-Kopie enthält. Der physiologische Effekt der Amplifikation <strong>und</strong> Aneuploidie<br />

scheint hier unterschiedlich zu sein <strong>und</strong> diese Eigenschaften müssen unterschieden werden.<br />

Deshalb werden Proben mit roten <strong>und</strong> grünen Fluoreszenz-Markern verwendet. Diese erlauben<br />

eine Einschätzung des Verhältnisses von HER2 Genen zum Chromosom 17 <strong>und</strong> lassen so die<br />

HER2-Amplifikation erkennen. FISH findet ebenfalls Verwendung beim Aufspüren von<br />

chromosomalen Anomalien bei verschiedenen hämatologischen Malignomen <strong>und</strong> soliden<br />

Tumoren. So gibt es Marker zum Auffinden des Philadelphia-Chromosoms <strong>und</strong> der bcr-abl Fusion<br />

bei der chronischen myeloischen Leukämie.<br />

FISH ist allgemein eine spezifische <strong>und</strong> sensitive Testmethode, die Tumore genau <strong>und</strong> zuverlässig<br />

identifizieren kann, indem bestimmte Gen-Anomalien identifiziert werden. Zudem ist die<br />

Interpretation der Resultate objektiv <strong>und</strong> quantitativ. Sie erfordert aber eine Spezial-Ausrüstung,<br />

die derzeit noch nicht überall in Pathologie-Laboratorien vorhanden ist.<br />

Polymerase-Kettenreaktion<br />

Die Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction = PCR) ist ein Verfahren, bei dem ein<br />

spezialisiertes Polymerase-Enzym einen komplementären Strang zu einem bestehenden DNA-<br />

Strang syn<strong>the</strong>tisiert, <strong>und</strong> zwar in einer Mischung, die vier DNA-Basen <strong>und</strong> zwei DNA-Fragmente,<br />

genannt „Primer“, enthält. Die Polymerase-Kettenreaktion beinhaltet das unendliche Kopieren<br />

eines bestimmte DNA-Stückes mit Hilfe des Enzyms DNA-Polymerase. Dieser Prozess ermöglicht<br />

die selektive Amplifikation einer ausgewählten Region eines DNA-Moleküls.<br />

Typischerweise wird die DNA einer Zelle mit kurzen Stücken von DNA (ungefähr 20 Basen lang),<br />

genannt Primer, gemischt, deren DNA-Sequenzen sich an die ausgewählten Sequenzen anlegen.<br />

Die Primer hybridisieren sich zu der gewünschten DNA in der Mischung <strong>und</strong> befähigen die<br />

Enzyme, das gewünschte DNA-Segment zu syn<strong>the</strong>tisieren. Normalerweise wird dafür ein DNA-<br />

Polymerase-I-Enzym von einem Bakterium verwendet, das in heissen Quellen vorkommt <strong>und</strong> Taq-<br />

Polymerase genannt wird. Aufgr<strong>und</strong> seines Ursprungs funktioniert dieses Enzym bei hohen<br />

Temperaturen. Die PCR-Mischung wird erhitzt, um die Stränge der Doppelstrang-DNA, welche die<br />

gewünschte Sequenz enthalten, zu trennen. Dann wird die Mischung abgekühlt, <strong>und</strong> so können<br />

FISH ist allgemein<br />

eine spezifische<br />

<strong>und</strong> sensitive<br />

Testmethode, die<br />

Tumore genau <strong>und</strong><br />

zuverlässig<br />

identifizieren<br />

kann, indem<br />

bestimmte<br />

Gen-Anomalien<br />

identifiziert<br />

werden.<br />

5.15


5<br />

die Primer ihre komplementäre Sequenz am separierten Strang finden <strong>und</strong> sich an sie binden.<br />

Die Polymerase kann die Primer in neue komplementäre Stränge einbauen (Abbildung 5.7).<br />

Durch wiederholte Erhitzungs- <strong>und</strong> Abkühlungszyklen multipliziert sich die gewünschte DNA-<br />

Sequenz exponentiell. Jeder neue Doppelstrang teilt sich <strong>und</strong> bildet so zwei Vorlagen für die<br />

weitere Syn<strong>the</strong>se. In ungefähr einer St<strong>und</strong>e kann in 20 PCR-Schritten das gewünschte Stück<br />

millionenfach amplifiziert werden. Am Ende der PCR ist es üblich, das Produkt unter<br />

Anwendung von Agarose-Gel-Elektrophorese zu analysieren <strong>und</strong> die produzierte DNA zu<br />

färben. Andererseits kann das PCR-Produkt an einen Plasmid- oder einen Bakteriophagen-Vektor<br />

zum Klonen <strong>und</strong> zur weiteren Beurteilung geb<strong>und</strong>en werden.<br />

Eine wichtige Eigenschaft der PCR ist ihre extreme Sensitivität. Wenn die Primer optimal sind,<br />

kann PCR exakte Mengen der gesuchten DNA ermitteln. Dies macht PCR zu einer hoch<br />

wertvollen Technik der Diagnostik. PCR kann ebenfalls für die Amplifikation von RNA verwendet<br />

werden, unter der Bedingung, dass diese zuerst mit Hilfe der Reverse-Transkriptase in eine<br />

Einzelstrang-cDNA konvertiert wird. Diese Methode wird Reverse-Transkriptase PCR genannt<br />

(RT-PCR). Eine Hauptanwendung der RT-PCR ist die Analyse des Ausmasses der Gen-Expression.<br />

Das Reaktions-Gemisch enthält<br />

die ausgewählte DNA-Sequenz<br />

für die Amplifikation, zwei Primer<br />

(P1 <strong>und</strong> P2) <strong>und</strong> hitzebeständige<br />

Taq-Polymerase<br />

Das Reaktions-Gemisch wird auf 95ºC<br />

erhitzt, um die gewünschte DNA zu<br />

denaturieren. Die anschliessende<br />

Abkühlung auf 37ºC erlaubt es den<br />

Primern, die komplementäre Sequenz<br />

der gewünschten DNA zu hybridisieren.<br />

P1<br />

Ausgewählte DNA<br />

Taq<br />

P2<br />

Erster Zyklus<br />

Bei einer Erhitzung auf 72ºC produziert<br />

die Taq-Polymerase komplementäre<br />

Stränge von den Primern<br />

Der erste Syn<strong>the</strong>se-Zyklus<br />

führt zu zwei Kopien der<br />

gewünschten DNA-Sequenz<br />

DNA wird<br />

denaturiert<br />

Primer werden<br />

hybridisiert<br />

Zweiter Zyklus<br />

Neue DNA-Stränge<br />

werden aufgebaut<br />

Der zweite Syn<strong>the</strong>se-<br />

Zyklus führt zu vier Kopien<br />

der gewünschten DNA-Sequenz<br />

Weitere Zyklen<br />

Abbildung 5.7. Überblick über den PCR-Prozess.<br />

5.16


5<br />

Gen<br />

Eiweiss<br />

Funktion<br />

Struktur<br />

Abbildung 5.8. Verständnis der Gen-Funktion.<br />

Funktionelle Genetik<br />

Bis vor kurzem wurden Untersuchungen über die Funktion von Genen nur in einem sehr<br />

beschränkten Zusammenhang durchgeführt. So wurde zum Beispiel nur ein einzelnes Gen oder<br />

ein Reaktionsablauf auf einmal untersucht. Mit Hilfe der bedeutenden Fortschritte in der<br />

Forschung <strong>und</strong> in der Technik, haben sich die Methoden zur Untersuchung der Gen-Funktionen<br />

schnell entwickelt. Man nennt dies funktionelle Genetik. Mit diesem Studium versucht man sich<br />

einen Überblick über die Genom-Funktionen inklusive des Expressionsprofils auf der mRNA-<br />

Ebene <strong>und</strong> der Protein-Ebene zu verschaffen. Funktionelle Genetik setzt das Wissen über die<br />

Genom-Struktur, die Anordnung <strong>und</strong> die Sequenz der Gene voraus. Um die Funktion der Gene<br />

zu verstehen, bedarf es ebenfalls einer Analyse der dreidimensionalen Strukturen des Proteins,<br />

für welches die Gene kodieren (Abbildung 5.8).<br />

Das Hauptziel der funktionellen Genetik ist die Entwicklung neuer Technologien, um Gen-<br />

Expressionen schnell <strong>und</strong> in grossem Umfang studieren zu können. Funktionelle Genetik soll<br />

Biologen ein neues <strong>und</strong> umfassendes Verständnis der komplexen Systeme verschaffen <strong>und</strong> den<br />

Zusammenhang zwischen DNA-Sequenz <strong>und</strong> ihrer Funktion vereinfachen. DNA-Sequenz-Daten<br />

vermehren sich in phänomenaler Weise mit dem Ziel, eine genaue Sequenz des vollständigen<br />

menschlichen Genoms bis zum Jahr 2002 vorlegen zu können.<br />

Wie auch in Kapitel 7 besprochen wird, erwartet man, dass die Proteomik der funktionellen<br />

Genetik folgen wird. Der Begriff Proteom bezieht sich auf den kompletten Satz von Proteinen,<br />

welches durch das Genom exprimiert <strong>und</strong> später modifiziert wird. Mit Hilfe des Studiums von<br />

Proteinen aus einer globalen Sichtweise erhoffen sich Biologen eine Klärung über die Ursachen<br />

vieler Krankheiten <strong>und</strong> deren potentielle <strong>Therapien</strong>.<br />

Das „Human-Genom-Projekt“<br />

Das Human-Genom-Projekt (HGP) ist ein internationales Projekt, das seit 1990 bestrebt ist, alle<br />

menschlichen Gene zu identifizieren. Primäres Ziel des HGP ist die Erstellung einer Reihe von<br />

Diagrammen (Karten) von jedem menschlichen Chromosom. Der erste Schritt dieses Projektes ist<br />

abgeschlossen <strong>und</strong> der nächste, in welchem die Basen-Sequenzen der DNA-Fragmente<br />

bestimmt werden, ist gegenwärtig in Bearbeitung. Aufgr<strong>und</strong> des Entwurfs der Basen-Sequenzen<br />

ist bereits bekannt, dass das Genom 30’000 bis 35’000 Gene enthält. Die Ergebnisse des<br />

Projektes werden eine wertvolle Informationsquelle für die Entwicklung von Instrumenten im<br />

. . . funktionelle<br />

Genetik . . . ist<br />

das Studium, mit<br />

dem man sich<br />

einen Überblick<br />

über die Genom-<br />

Funktionen<br />

inklusive des<br />

Expressionsprofils<br />

auf der mRNA-<br />

Ebene <strong>und</strong> der<br />

Protein-Ebene zu<br />

verschaffen<br />

versucht.<br />

Das Human-<br />

Genom-Projekt ist<br />

ein internationales<br />

Projekt, das seit<br />

1990 bestrebt ist,<br />

alle menschlichen<br />

Gene zu<br />

identifizieren.<br />

5.17


5<br />

Verfahren, bei<br />

denen Daten über<br />

Gene <strong>und</strong> Proteine<br />

ausgearbeitet <strong>und</strong><br />

ausgewertet<br />

werden (wie zum<br />

Beispiel die Daten<br />

aus dem HGP),<br />

werden<br />

Bioinformatik<br />

genannt.<br />

Studium der Humanbiologie <strong>und</strong> Medizin. Parallelstudien laufen an ausgewählten<br />

Modellorganismen, wie dem Bakterium E. coli, um die Vergleichsinformationen, die für das<br />

Verständnis der Funktion des Human-Genoms nötig sind, zu liefern. Dieses Verfahren wird<br />

vergleichende Genetik genannt.<br />

Man erwartet, dass die Daten des HGP als Quelle biomedizinischer Wissenschaften des 21.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> für die Medizin einen unschätzbaren Gewinn darstellen werden. Weil der<br />

Umgang mit einem derart grossen Daten-Pool den intensiven Einsatz von Computern erfordert,<br />

ist die Entwicklung von Datenbanken eine der Hauptaufgaben des HGP.<br />

Bioinformatik<br />

Verfahren, bei denen Daten über Gene <strong>und</strong> Proteine ausgearbeitet <strong>und</strong> ausgewertet werden<br />

(wie zum Beispiel die Daten aus dem HGP), werden Bioinformatik genannt. Da mehr <strong>und</strong> mehr<br />

Genome sequenziert werden, wird es immer klarer, dass die Dechiffrierung dieser Sequenzen<br />

eine enorme Herausforderung darstellt.<br />

Die jüngsten Fortschritte in der Genetik ermöglichen eine Ausweitung des Angebotes der<br />

Zielobjekte für potentielle <strong>Krebs</strong>medikamente. Die Pharmakogenetik bedient sich vieler<br />

genetischer Techniken, um die Medikamentenentwicklung voranzutreiben. Es werden<br />

verschiedene Methoden angewandt, um das menschliche Genom zu durchsuchen. Ziel ist es,<br />

Verbindungen von genetischen Varianten, Medikamentenwirkung <strong>und</strong> Sicherheit zu finden. Es<br />

wird erwartet, dass diese Verfahren neue <strong>the</strong>rapeutische Ansätze zur biologischen<br />

<strong>Krebs</strong>behandlung aufzeigen werden.<br />

Zusammenfassung: Anwendung dieser Kenntnisse<br />

. . . die<br />

rekombinante<br />

DNA-Technologie<br />

revolutionierte die<br />

Art, wie Forscher<br />

Zellen <strong>und</strong> ihre<br />

biologischen<br />

Abläufe<br />

untersuchen.<br />

Die Kenntnis der Funktions- <strong>und</strong> Interaktionsmechanismen zwischen verschiedenen Molekülen<br />

einer Zelle ermöglicht den Forschern die Entwicklung von Behandlungsmethoden für<br />

Krankheiten, bei welchen die zellulären Prozesse versagen. Eine Vielzahl von technischen<br />

Fortschritten hat die Entwicklung biologischer Tumor<strong>the</strong>rapien erst möglich gemacht.<br />

Insbesondere die rekombinante DNA-Technologie revolutionierte die Art, wie Forscher Zellen<br />

<strong>und</strong> ihre biologischen Abläufe untersuchen. Die rekombinante DNA-Technologie umfasst eine<br />

Reihe von Techniken, welche die Untersuchung <strong>und</strong>, noch wichtiger, die Manipulation von<br />

Struktur <strong>und</strong> Funktion der Zell-DNA ermöglichen. Das Klonen von Genen ist der Eckpfeiler<br />

dieser Technologie. Diese Methode verwendet einen Vektor, um eine gewünschte DNA-Sequenz<br />

in einer Wirtzelle, wie Bakterien, Viren oder Hefezellen, zu amplifizieren. Plasmide <strong>und</strong> Viren<br />

sind häufig eingesetzte Vektoren. DNA-Fragmente können, nachdem sie in eine passende<br />

Wirtszelle eingesetzt worden sind, analog zu ihrer DNA reproduziert werden. Gentechnologie<br />

beinhaltet das Klonen von Genen für ein bestimmtes Protein <strong>und</strong> dessen Einsetzen in ein sich<br />

speziell schnell replizierendes Stück DNA, genannt Expressions-Vektor. Dieser produziert nun<br />

große Mengen von Eiweissen beziehungsweise von gewünschten Molekülen. Die Methode ist<br />

nützlich zur Herstellung neuer Proteine, wie zum Beispiel für humanisierte monoklonale<br />

Antikörper. Zellen können in einer künstlichen Umgebung, genannt Zellkultur, gezüchtet <strong>und</strong><br />

manipuliert werden.<br />

Rekombinante DNA kann mit Hilfe eines Vorgangs, der Transfektion genannt wird, in Zellen<br />

eingefügt werden. Dies ermöglicht die Produktion grosser Mengen eines bestimmten Moleküls.<br />

Die Diagnostik von genetischen Veränderungen, die im Zusammenhang mit <strong>Krebs</strong> stehen, hat<br />

bedeutende technische Fortschritte gemacht. Mehrere Verfahren stehen nun zur Untersuchung<br />

von Anomalien in Genen oder Proteinen im Tumorgewebe oder im Serum zur Verfügung. Ein<br />

5.18


5<br />

Pathologe wendet dabei verschiedene spezielle Untersuchungstechniken an, um Faktoren, die<br />

mit <strong>Krebs</strong> in Verbindung stehen, zu testen. Diese diagnostischen Tests beinhalten die Analyse<br />

der relevanten Gene (DNA oder RNA) oder des Proteins, welches durch diese DNA produziert<br />

wird. So ist es möglich, am Beispiel von HER2 entweder die Anzahl von Kopien des HER2-Gens<br />

(Amplifikation) oder die Überexpression von HER2 zu untersuchen. Die am meisten<br />

verwendeten Tests sind IHC <strong>und</strong> FISH. PCR ist ein weiteres, nützliches diagnostisches Verfahren.<br />

Dank intensiver Forschung <strong>und</strong> Optimierung der Untersuchungstechnik hat das Studium der<br />

Gen-Funktionen, auch funktionelle Genetik genannt, rasche Fortschritte gemacht. Bei der<br />

funktionellen Genetik versucht man einen Überblick über die Gen-Funktion <strong>und</strong> die<br />

Expressionsprofile auf der Ebene der mRNA <strong>und</strong> der Eiweisse zu erhalten. Funktionelle Genetik<br />

setzt das Wissen über die Genom- Struktur, die Anordnung der Gene (Mapping) <strong>und</strong> die Gen-<br />

Sequenzierung voraus. Die funktionelle Genetik hat das Ziel, neue Technologien<br />

hervorzubringen, um die Gen- Expression in großem Ausmaß <strong>und</strong> kurzer Zeit zu untersuchen.<br />

Das HGP ist ein internationales Projekt mit dem Ziel, alle Gene der DNA-Sequenz zu<br />

identifizieren. Es ermöglicht die Entwicklung von Hilfsmitteln, um diese Information in der<br />

Biologie <strong>und</strong> Medizin des Menschen anzuwenden. Damit werden riesige Mengen Daten<br />

generiert. Mit der Bioinformatik werden die Daten über Gene <strong>und</strong> Proteine, welche durch das<br />

HGP hervorgebracht werden, bearbeitet <strong>und</strong> interpretiert.<br />

Die Forschung im Bereich Molekularbiologie <strong>und</strong> Genetik gewinnt an Relevanz in der<br />

Diagnostik <strong>und</strong> Therapie menschlicher Erkrankungen. Wenn Patienten von diesen Erkenntnissen<br />

profitieren sollen, ist es wichtig, dass die Fachleute die genetische Medizin, wie andere<br />

Aspekte der Medizin, in die klinische Praxis einbringen können. Der rasche Fortschritt in der<br />

Entwicklung biologischer <strong>Therapien</strong> ist eine direkte Folge des verbesserten Verständnisses aus<br />

der Molekularbiologie von normalen <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>zellen. Die Behandlung von Patienten mit Hilfe<br />

dieser Methoden wird immer wichtiger. Das öffentliche Interesse an den gentechnologischen<br />

Fortschritten, zusammen mit der immensen Flut neuer Erkenntnisse aus dem Human-Genom-<br />

Projekt, gibt den betreuenden Ärzten <strong>und</strong> Pflegenden eine zentrale Rolle in der Weitergabe<br />

dieser Entdeckungen an ihre Patienten.<br />

Das öffentliche<br />

Interesse an den<br />

gentechnologischen<br />

Fortschritten,<br />

zusammen mit der<br />

immensen Flut<br />

neuer Erkenntnisse<br />

aus dem Human-<br />

Genom-Projekt,<br />

gibt den<br />

betreuenden<br />

Ärzten <strong>und</strong><br />

Pflegenden eine<br />

zentrale Rolle in<br />

der Weitergabe<br />

dieser<br />

Entdeckungen an<br />

ihre Patienten.<br />

5.19


5<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Verschiedene Enzyme <strong>und</strong> Technologien werden benutzt, um DNA zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />

manipulieren. Wählen Sie aus der unten stehenden Liste die passenden Enzyme oder<br />

Techniken aus, um die folgenden Aktivitäten auszuführen:<br />

DNA-Sequenzierung<br />

Gel-Elektrophorese<br />

Ligase<br />

Nukleinsäure-Hybridisierung<br />

Polymerase<br />

Restriktionsenzym<br />

Reverse Transkription<br />

DNA-Syn<strong>the</strong>se<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Produziert zusätzliche DNA (cDNA) von Boten-RNA (mRNA)<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Schneidet oder spaltet DNA für die Analyse in Fragmente<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Verbindet DNA-Fragmente<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Separiert DNA-Fragmente entsprechend ihrer Grösse<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Ordnet die Basen-Paare in DNA-Fragmente<br />

Gen<br />

Eiweiss<br />

Funktion<br />

Struktur<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

Ermöglicht die genaue Lokalisation der DNA oder RNA<br />

………………………………………………………………………………….............................<br />

2. Das Klonen von Genen ist entscheidend für viele Techniken bei der Analyse von Genen <strong>und</strong><br />

für das Verstehen ihrer Funktion. Beschreiben Sie die gr<strong>und</strong>legenden Schritte für das Klonen<br />

von DNA.<br />

3. Manchmal werden viele Fragmente zur selben Zeit geklont, um eine Art Biblio<strong>the</strong>k von<br />

Klonen aufzubauen. Wie kann ein Klon, welcher ein spezielles DNA-Fragment enthält,<br />

identifiziert werden?<br />

4. Die Fähigkeit, Proteine in grossen Mengen herzustellen, ist eine der Haupterrungenschaften<br />

der Gentechnologie. Beschreiben Sie einige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen der<br />

Gentechnologie, speziell im Bezug auf <strong>Krebs</strong>.<br />

5. Unten finden Sie ein schematisches Diagramm mit den Zielen funktionaler Genetik.<br />

Beschreiben Sie, was das Diagramm darstellt, <strong>und</strong> weisen Sie darauf hin, welche Rolle das<br />

Human-Genom-Projekt <strong>und</strong> die Bioinformatik in diesem Prozess spielen können.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.10.<br />

5.20


<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> erklärt<br />

6<br />

Einführung<br />

Die vorherigen Kapitel haben ein Verständnis dafür vermittelt, wie <strong>Krebs</strong> sich entwickelt <strong>und</strong> wie<br />

das Immunsystem mit den Herausforderungen umgeht. Die technischen Fortschritte, welche die<br />

Verwendung dieser Kenntnisse für Forschungszwecke möglich gemacht haben, wurden<br />

ebenfalls beschrieben. Diese Fortschritte haben zur Erkenntnis geführt, dass biologische<br />

Methoden grosses <strong>the</strong>rapeutisches Potential haben. Dieses Kapitel beschreibt die verschiedenen<br />

Arten biologischer Substanzen, die als <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien erforscht wurden. Dies sind:<br />

● Zytokine<br />

● Antikörper<br />

● Gen-Therapie<br />

● Impfungen.<br />

Mehrere aktuell verwendete biologische Wirkstoffe (Granulozyten-Kolonisierungs-stimulierender<br />

Faktor [G-CSF, Filgrastim], Rekombinantes Interleukin-2 [IL-2] <strong>und</strong> Herceptin ® ) werden detailliert<br />

beschrieben. Diese Wirkstoffe werden erklärt, um den Unterschied zu illustrieren zwischen den<br />

nicht-spezifischen Mitteln wie Filgrastim, die schon länger als supportive <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien in<br />

Gebrauch sind, <strong>und</strong> den gezielt auf Tumoren wirkenden Stoffen wie Herceptin ® , welche eine<br />

eigentliche Revolution in der <strong>Krebs</strong>behandlung darstellen.<br />

6.1


6<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Geben Sie zwei Gründe an, weshalb biologische Methoden für die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />

entwickelt <strong>und</strong> benützt werden, indem Sie ihre potentiellen Vorteile gegenüber<br />

konventionellen <strong>Therapien</strong> beschreiben.<br />

2. Geben Sie in der unten stehenden Tabelle an, welche biologische Therapie den ebenfalls<br />

unten beschriebenen Wirkungseffekt A-G hat. Als Beispiel ist die Zytokin-Therapie<br />

aufgeführt.<br />

Therapie<br />

Zytokin-Therapie<br />

Antikörper-basierte Therapie<br />

<strong>Krebs</strong>-Impfung<br />

Gen-Therapie<br />

Zell-basierte Therapie<br />

Wirkungsweisen<br />

A, E, F, G<br />

A. Tötet <strong>Krebs</strong>zellen ab<br />

B. Unterbricht oder kontrolliert Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen<br />

C. Verändert das Wachstums-Verhalten von <strong>Krebs</strong>zellen<br />

D. Blockiert Prozesse, die zur Umwandlung einer normalen Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle führen<br />

E. Steigert die Fähigkeit des Körpers, eine normale Zelle, die durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder<br />

Bestrahlung geschädigt oder zerstört worden ist, zu reparieren oder zu ersetzen<br />

F. Steigert die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem<br />

G. Erhöht die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen, <strong>und</strong> fördert<br />

so die Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen.<br />

3. Erklären Sie den Unterschied zwischen gezielten (spezifischen) <strong>und</strong> nicht-gezielten<br />

(unspezifischen) biologischen <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> erörtern Sie die Vorteile der gezielten<br />

<strong>Therapien</strong>.<br />

4. Zytokine sind verantwortlich für die normale Funktion von diversen physiologischen<br />

Prozessen, welche das Ergebnis oder Teil einer Immunreaktion sind. Definieren Sie, was ein<br />

Zytokin ist <strong>und</strong> geben Sie vier Beispiele der Prozesse, die sie beeinflussen.<br />

5. Erklären Sie, warum die Humanisierung von Antikörpern so wichtig ist für ein höheres<br />

<strong>the</strong>rapeutisches Potential.<br />

6. Beschreiben Sie drei mögliche Wirkungsweisen monoklonaler Antikörper, durch welche sie<br />

ihre Antikrebs-Wirkung entfalten.<br />

7. Zählen Sie die Phasen in der Entwicklung einer biologischen Therapie auf, indem Sie die<br />

Faktoren beschreiben, die einen bestimmten biologischen Marker zu einem attraktiven<br />

<strong>the</strong>rapeutischen Angriffsziel machen.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.12.<br />

6.2


6<br />

Warum biologische <strong>Therapien</strong> zur <strong>Krebs</strong>behandlung benützen?<br />

Wie in Kapitel 1 aufgezeigt wurde, können für die Behandlung von <strong>Krebs</strong> verschiedene<br />

<strong>the</strong>rapeutische Mittel wirksam sein. Jedoch sind diese oft invasiv, wie zum Beispiel die<br />

Chirurgie, oder mit hoher Toxizität verb<strong>und</strong>en, wie die Chemo- <strong>und</strong> Radio<strong>the</strong>rapie. Dazu<br />

kommt, dass die klinischen Vorteile dieser <strong>Therapien</strong> nun an ihre Grenzen angekommen zu sein<br />

scheinen. Deshalb werden neue <strong>the</strong>rapeutische Mittel benötigt, die zusätzliche klinische<br />

Fortschritte mit weniger oder gleicher Toxizität versprechen. Eine Vielzahl von Wirkstoffen<br />

wurde getestet, inklusive pflanzliche <strong>und</strong> tierische Substanzen, welche Medikamente wie<br />

Paclitaxel (gewonnen aus der Rinde der pazifischen Eibe) hervorgebracht haben; aber<br />

biologische <strong>Therapien</strong> sind besonders attraktiv, weil:<br />

● die körpereigenen Abwehrmechanismen spezifische Antworten auf spezifische<br />

Herausforderungen produzieren, wie zum Beispiel Antikörper-Reaktionen auf Antigen-<br />

Herausforderungen<br />

● durch den Gebrauch von Molekülen, die im Körper vorkommen, Probleme mit Reaktionen<br />

auf körperfremde Stoffe vermieden werden können.<br />

<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> waren über die letzten 20 Jahre Inhalt intensiver Forschungen. Dies führte<br />

zur Entwicklung einer Reihe von Methoden, von denen einige schon im klinischen Einsatz sind.<br />

. . . neue<br />

<strong>the</strong>rapeutische<br />

Mittel werden<br />

benötigt, die<br />

zusätzliche<br />

klinische<br />

Fortschritte mit<br />

weniger oder<br />

gleicher Toxizität<br />

versprechen.<br />

Arten biologischer <strong>Therapien</strong><br />

Der Ausdruck „biologische Therapie“ wird gebraucht, um eine ganze Reihe von entwickelten<br />

Wirkstoffen zu beschreiben: Zytokine <strong>und</strong> Antikörper, gentechnisch veränderte Moleküle <strong>und</strong><br />

zelluläre Bestandteile des Immunsystems. Alle diese nutzen die Fähigkeit des menschlichen<br />

Immunsystems, auf spezifische zelluläre Prozesse einzuwirken, bilden aber verschiedene<br />

Gruppen <strong>the</strong>rapeutischer Strategien, die wie folgt klassifiziert werden können:<br />

● Zytokin-<strong>Therapien</strong><br />

● Antikörper-<strong>Therapien</strong><br />

● <strong>Krebs</strong>impfungen<br />

● Gen-<strong>Therapien</strong><br />

● Zell-basierte <strong>Therapien</strong>.<br />

Wie in Kapitel 4 beschrieben wurde, ist es das Ziel vieler biologischer <strong>Therapien</strong>, die Fähigkeit<br />

des Patienten zur Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen zu fördern. Wirkstoffe, die im Labor oder im<br />

Körper selbst hergestellt werden, werden zur Stärkung, Lenkung oder Wiederherstellung der<br />

natürlichen Abwehrkraft des Körpers benützt. Andere biologische Präparate sind Wirkstoffe,<br />

die auf natürlich vorkommenden Molekülen wie Antikörpern basieren. Diese Mittel können<br />

massgeschneidert werden, so dass sie auf spezifische Anomalien in <strong>Krebs</strong>zellen abzielen,<br />

indem sie deren Funktion verändern oder sie am Überleben hindern. Solche <strong>Therapien</strong> werden<br />

auch als Immuno<strong>the</strong>rapien bezeichnet.<br />

<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> können benützt werden, um:<br />

● <strong>Krebs</strong>zellen zu töten<br />

● Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen, zu unterbrechen oder zu kontrollieren<br />

● die Wachstumsmuster von <strong>Krebs</strong>zellen zu verändern<br />

Diese Mittel<br />

können<br />

massgeschneidert<br />

werden, so dass<br />

sie auf<br />

spezifische<br />

Anomalien in<br />

<strong>Krebs</strong>zellen<br />

abzielen, indem<br />

sie deren<br />

Funktion<br />

verändern oder<br />

sie am Überleben<br />

hindern.<br />

6.3


6<br />

● Prozesse, die zur Bildung einer <strong>Krebs</strong>zelle aus einer normalen Zelle führen, zu blockieren<br />

● die Fähigkeit des Körpers, durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder Bestrahlung beschädigte oder<br />

zerstörte Zellen zu reparieren oder zu ersetzen, zu fördern<br />

● der Ausbreitung von <strong>Krebs</strong>zellen vorzubeugen<br />

● die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem zu steigern<br />

● die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen zu steigern, <strong>und</strong> somit<br />

die Tötung von <strong>Krebs</strong>zellen zu fördern.<br />

Die verschiedenen Arten biologischer <strong>Therapien</strong> werden unten im Detail beschrieben.<br />

Zytokine sind<br />

verantwortlich für<br />

die normale<br />

Funktion diverser<br />

physiologischer<br />

Prozesse, die das<br />

Resultat oder ein<br />

Teil von<br />

Immunreaktionen<br />

sind . . .<br />

Zytokin-Therapie<br />

Zytokine sind Proteine, die von einer Zelle durch Syn<strong>the</strong>se aufgebaut <strong>und</strong> freigesetzt werden<br />

<strong>und</strong> dann mit Rezeptoren anderer Zellen interagieren, normalerweise um die Immunantwort zu<br />

regulieren. In-vitro Studien haben gezeigt, dass Zytokine verantwortlich sind für die normale<br />

Funktion diverser physiologischer Prozesse, die das Resultat oder ein Teil von Immunreaktionen<br />

sind, wie:<br />

● Fieber<br />

● Hämatopoese<br />

● normale T- <strong>und</strong> B-Zell-Entwicklung<br />

● Erzeugung normaler IgE-Mengen<br />

● Anfälligkeit auf Gelenksentzündung<br />

● Chemotaxis, d.h. Anziehung eines bestimmten Zelltyps an einen bestimmten Ort.<br />

Viele Zytokine<br />

werden als<br />

Supportiv-<br />

Therapie benützt,<br />

um die Schwere<br />

oder Häufigkeit<br />

des Auftretens<br />

von<br />

Chemo<strong>the</strong>rapieinduzierter<br />

Toxizität zu<br />

verringern. Sie<br />

ermöglichen so<br />

eine optimale<br />

Dosierung<br />

der Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

. . .<br />

Wegen des weiten Wirkungsfeldes von Zytokinen in klinisch relevanten Prozessen wurde viel<br />

Forschung auf das klinische Potential dieser Stoffe angewandt. Diese Forschung wurde durch<br />

die rekombinante DNA-Technologie möglich (siehe Kapitel 5), welche es erlaubt, Zytokine im<br />

Labor herzustellen.<br />

Einige Zytokine, die auf ihr <strong>the</strong>rapeutisches Potential bei <strong>Krebs</strong> untersucht wurden, sind in<br />

Tabelle 6.1 aufgeführt. Die Wirkungsweisen der verschiedenen Zytokine, die in dieser Tabelle<br />

aufgelistet wurden, sind sehr komplex. Die Zytokine werden von vielen verschiedenen Zelltypen<br />

freigesetzt <strong>und</strong> haben Auswirkungen auf viele Zellprozesse. Interaktionen zwischen Zytokinen<br />

verändern diese Auswirkungen (Abbildung 6.1).<br />

Die Freisetzung von Zytokinen ist normalerweise auf gewisse Stellen im Körper beschränkt, wo<br />

sie eine örtliche Antwort stimulieren. Also bewirkt eine systemische Anwendung sowohl die<br />

gewünschte Antwort als auch unerwünschte Antworten, die sich, wegen der nicht-selektiven<br />

Stimulation <strong>und</strong>/oder Hemmung als Nebenwirkungen manifestieren.<br />

Zytokine als Supportiv-Therapie<br />

Viele Zytokine werden als Supportiv-Therapie benützt, um die Schwere oder Häufigkeit des<br />

Auftretens von Chemo<strong>the</strong>rapie-induzierter Toxizität zu verringern. Sie ermöglichen so eine<br />

optimale Dosierung der Chemo<strong>the</strong>rapie in der Menge, in der sie am wirkungsvollsten ist. In<br />

dieser Situation werden Zytokine benutzt, um die Zellpopulation zu einer schnelleren Erholung<br />

zu stimulieren, z.B. neutrophile Zellen, die durch eine Chemo<strong>the</strong>rapie, welche alle momentan<br />

sich teilenden Zellen angreift, beschädigt wurden. Einige der zytotoxischen Medikamente, wie<br />

die Taxane <strong>und</strong> Vinorelbin, verursachen eine Neutropenie (tiefe Anzahl von Neutrophilen), was<br />

6.4


6<br />

Tabelle 6.1. Zytokine mit <strong>the</strong>rapeutischer Anwendung bei <strong>Krebs</strong>.<br />

Zytokin Aktivität Gebrauch bei <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie<br />

Interleukin-1 (IL-1) Hauptmediator bei Entzündung Vorbeugung von Chemo<strong>the</strong>rapieinduzierter<br />

Thrombozytopenie<br />

Direkte Aktivität bei Injektion in den<br />

Tumor<br />

Interleukin-2 (IL-2) Induktion der T-Zell-Proliferation Behandlung des malignen Melanoms<br />

<strong>und</strong> Nierenzellkarzinoms<br />

Ex-vivo Expansion von Killerzellen<br />

<strong>und</strong> Tumor-infiltrierenden T-Zellen<br />

Interleukin-4 (IL-4) Aktivator des B-Zell-Wachstums Möglicher direkter Antitumor-Effekt<br />

via Apoptose<br />

Erforscht als Gen-Therapie für<br />

Tumoren des zentralen<br />

Nervensystems (ZNS)<br />

Interleukin-12 (Il-12) Förderung der Proliferation von Erforscht für Aktivität gegen<br />

zytotoxischen T-Zellen <strong>und</strong> der Nierenzell-Karzinom <strong>und</strong> Melanom<br />

natürlichen Killer-Zellen<br />

Interferon-α Stimuliert Immunfunktion Behandlung von Nierenkrebs,<br />

Melanom, karzinoiden Tumoren <strong>und</strong><br />

einigen Arten von Lymphomen<br />

Granulozyten-Makrophagen- Stimuliert die Produktion von Vorbeugung von Chemo<strong>the</strong>rapie-<br />

Kolonie-stimulierender Makrophagen <strong>und</strong> neutrophilen bedingten Infektionen<br />

Faktor (GM-CSF) Zellen Erlaubt höhere Dosierung von Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

(Sargramostim)<br />

Vermindert den Schweregrad von<br />

Infektionen bei Patienten mit Neutropenie<br />

Behandlung von febriler Neutropenie<br />

Granulozyten-Kolonie- Stimuliert die Bildung neutrophiler Vorbeugung von Chemo<strong>the</strong>rapiestimulierender<br />

Faktor Zellen bedingten Infektionen<br />

(G-CSF) (Filgrastim)<br />

Erlaubt höhere Dosierung von<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

Vermindert den Schweregrad von<br />

Infektionen bei Patienten mit<br />

Neutropenie<br />

Behandlung von febriler Neutropenie<br />

Thrombopoetin Stimuliert die Reifung von Vermindert die Inzidenz von<br />

Megakaryozyten<br />

Thrombozytopenie (tiefe Zahl von<br />

Blutplättchen) während der<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

Erythropoetin Stimuliert das Wachstum von Vermindert den Bedarf an<br />

Vorläufern roter Blutzellen<br />

Bluttransfusionen während der<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie (Erythropoese)<br />

Tumor-Nekrose Zytotoxizität <strong>und</strong> Wirkung auf Möglicher Nutzen bei Melanom <strong>und</strong><br />

Tumor-Mikro-Vaskularisierung Leberkarzinom, wenn Techniken, die<br />

die zu behandelnde Zone isolieren,<br />

angewendet werden<br />

6.5


IL-12<br />

6<br />

Verschiedene Klassen von T-Helfer-<br />

Zellen setzen verschiedene Zytokine frei,<br />

was zur Regulierung von Antworten führt<br />

Aktivierter Makrophag stimuliert<br />

B-Zellen, Immunoglobuline via<br />

Zytokin-Stimulation freizusetzen<br />

T H<br />

–ve TGF-α<br />

IFN-γ<br />

Block<br />

T H<br />

T H<br />

T H<br />

IL-4<br />

IL-13<br />

IL-10<br />

–ve<br />

IFN-γ<br />

IFN-γ<br />

B<br />

B<br />

Ig-produzierende<br />

B-Zelle<br />

IL-12<br />

IFN-γ<br />

NK<br />

IFN-γ<br />

IL-12<br />

Aktivierter<br />

Makrophag<br />

IL-4<br />

T H<br />

T H 2<br />

T H<br />

IFN-γ<br />

Makrophag<br />

1<br />

Zahlreiche Zytokine<br />

beeinflussen, welche Klassen<br />

von T-Helfer-Zellen sich entwickeln<br />

T-Helfer-Zellen werden durch IL-12 stimuliert,<br />

welches durch Makrophagen freigesetzt wird.<br />

Sie stimulieren wiederum andere Makrophagen<br />

Abbildung 6.1. Illustration der Komplexität der Wirkungen von Zytokinen auf zelluläre Prozesse,<br />

gezeigt am Beispiel eines aktivierten Makrophagen <strong>und</strong> von T-Helfer-Zellen (T H ). Dieses stellt nur<br />

einen kleinen Teil der möglichen Wirkungsweisen von Zytokinen im Immunsystem dar.<br />

Das Hauptziel<br />

dieser Zytokinbasierten<br />

Ansätze<br />

für die<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapie<br />

ist die Stimulation<br />

des<br />

körpereigenen<br />

Immunsystems zur<br />

Zerstörung der<br />

<strong>Krebs</strong>zellen, <strong>und</strong><br />

nicht unbedingt<br />

eine direkte<br />

Wirkung auf<br />

<strong>Krebs</strong>zellen.<br />

den Patienten anfälliger für Infektionen macht <strong>und</strong> deshalb potentiell lebensgefährlich ist.<br />

Deshalb ist die schnelle Erholung der neutrophilen Zellen hilfreich. Die Neutropenie kann mit<br />

Filgrastim (rekombinantes G-CSF) bekämpft werden (siehe Fallstudie 1). Ein anderer<br />

Nebeneffekt von Chemo<strong>the</strong>rapeutika (z.B. von Cisplatin) ist die Anämie. Diese kann erfolgreich<br />

mit rekombinantem menschlichem Erythropoetin (Epoetin) behandelt werden. Erythropoetin ist<br />

eine Form eines Zytokins, das von einem in Säugetier-Zellkulturen eingepflanzten menschlichen<br />

Gen produziert wird.<br />

Epoetin induziert die Produktion roter Blutzellen, indem es die Teilung <strong>und</strong> Differenzierung von<br />

entsprechenden Vorläuferzellen im Knochenmark stimuliert. Diese Supportiv-Therapie bringt eine<br />

grosse Verbesserung der Lebensqualität für die behandelten Patienten mit sich.<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapie mit Zytokinen<br />

Unter den Zytokinen, die (im Gegensatz zu Supportiv<strong>the</strong>rapien) als Antikrebs-Wirkstoffe<br />

eingesetzt werden, sind Interferon-α (IFN-α) <strong>und</strong> IL-2. Diese Mittel sind Standard-Behandlungs-<br />

Optionen bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> bei Melanom, wurden aber auch für<br />

eine Reihe anderer Tumorarten erforscht, inklusive hämatologische maligne Erkrankungen.<br />

Das Hauptziel dieser Zytokin-basierten Ansätze für die Antikrebs<strong>the</strong>rapie ist die Stimulation des<br />

körpereigenen Immunsystems zur Zerstörung der <strong>Krebs</strong>zellen, <strong>und</strong> nicht unbedingt eine direkte<br />

Wirkung auf <strong>Krebs</strong>zellen. Die Stimulation einer Antitumor-Immunantwort ist möglich, weil<br />

gewisse Tumoren schwach immunogen sind. Jedoch ist die Immunantwort, die durch diese<br />

6.6


6<br />

Tumoren ohne Zytokin-Therapie erzeugt wird, limitiert <strong>und</strong> wahrscheinlich ungenügend, um eine<br />

Wirkung auf den Tumor zu haben (siehe Kapitel 4). Ersatz oder Zusatz von Zytokinen<br />

ermöglicht eine Verstärkung der Immunantwort, was eine Antitumor-Aktivität zur Folge hat.<br />

Die Zytokine, die zum Gebrauch als Antitumor<strong>the</strong>rapie anerkannt sind (IFN-α, IL-2) werden<br />

normalerweise subkutan verabreicht <strong>und</strong> haben den Vorteil, dass sie unter Umständen vom<br />

Patienten selber oder von einem Helfer oder Verwandten verabreicht werden können. In einigen<br />

Fällen ist eine intravenöse (i.v.) Anwendung zu Beginn der Therapie nötig, was einen<br />

Spitalaufenthalt erforderlich macht. Subkutan (s.c.) verabreicht, sind Interferone wirksam bei<br />

Nierenkarzinom, Melanom <strong>und</strong> karzinoiden Tumoren, während Interleukine bei<br />

Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> Melanom angewandt werden. (Für weitere Informationen bezüglich<br />

Interleukine, siehe weiter unten: rekombinantes IL-2.)<br />

Die Behandlung mit IFN-α hat eine bekannte Ansprechrate von 10–20% bei Patienten mit<br />

fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, dem häufigsten <strong>Krebs</strong> der Niere. Dies ist ein<br />

bemerkenswertes Ansprechen, wenn man mit der konventionellen Chemo<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong><br />

Hormon<strong>the</strong>rapie vergleicht, wo die Ansprechrate nicht mehr als 10% beträgt. Ein<br />

Langzeitüberleben ist jedoch selten (etwa 10% der Patienten überleben 3 Jahre oder länger)<br />

<strong>und</strong> die Toxizität ist bei der hoch dosierten Interferon-α Behandlung (9 bis 10x10 6 E/Tag<br />

dreimal wöchentlich), welche für das Ansprechen nötig ist, ausgeprägt. Eine<br />

Kombinations<strong>the</strong>rapie ist nicht sinnvoll, haben doch Studien gezeigt, dass die Resultate von<br />

IFN-α als Mono<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> in Kombination mit Chemo<strong>the</strong>rapie wie Vinblastin dieselben sind.<br />

Kürzlich wurde gezeigt, dass der Nutzen der Behandlung mit IFN-α von Risikofaktoren<br />

abhängig ist (wie vom Allgemeinzustand, erfolgter Nephrektomie oder Serum-Chemie), wobei<br />

etwa 30% der Patienten ohne Risikofaktoren drei Jahre überleben.<br />

Die Resultate der IFN-α-Behandlung bei Melanomen sind besser <strong>und</strong> erreichen bei 40% der<br />

Patienten Rezidivfreiheit nach 5 Jahren <strong>und</strong> eine 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 45%. Auch<br />

hier sind hohe Dosierungen von IFN-α nötig (20 ME/m 2 /Tag i.v., fünfmal wöchentlich für 4<br />

Wochen, danach 10 ME/m 2 s.c. dreimal wöchentlich für 11 Monate) <strong>und</strong> die Toxizität ist<br />

beträchtlich (schwere Granulozytopenie bei bis zu 45% der Patienten, schwere Lebertoxizität<br />

bei 30%, ausgeprägte Fatigue bei 25%). Studien über die Einstellung der Patienten bezüglich<br />

Toxizität haben gezeigt, dass die meisten bereit sind, für den Preis der Rezidivfreiheit auch<br />

schwere Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen. Trotzdem konnte IFN-α wegen der hohen<br />

Toxizität nicht als adjuvante Therapie eingeführt werden <strong>und</strong> hat zu einer Anzahl von Studien<br />

geführt, die die Wirksamkeit niedrigerer Dosierungen untersuchen.<br />

Wie schon oben erwähnt, ist die Anwendung von Zytokinen wie IFN-α <strong>und</strong> IL-2 mit einer Reihe<br />

von Nebenwirkungen verb<strong>und</strong>en. Diese erfolgen auf Gr<strong>und</strong> der direkten oder indirekten<br />

Wirkung von Zytokinen auf andere Immunfunktionen, welche nicht das eigentliche Ziel der<br />

Therapie sind. So wurden Techniken untersucht, die die Anwendung der Zytokine auf nur ein<br />

Organ beschränken: direkte Injektion in Tumoren; Gebrauch an immunprivilegierten Orten wie<br />

dem zentralen Nervensystem (ZNS); Anwendung spezialisierter Techniken, die den zu<br />

behandelnden Tumor isolieren. Leider konnten bis heute auch die intensiven Studien keine<br />

alternative Methoden zur Zytokin-Anwendung hervorbringen, die denselben direkten Antitumor-<br />

Effekt haben wie die systemische Hochdosis-Therapie <strong>und</strong> gleichzeitig weniger toxisch sind.<br />

Insgesamt ist die Zytokin-Therapie die am meisten angewandte biologische Therapiemethode<br />

bei <strong>Krebs</strong>. Ihre Nutzung als Supportiv<strong>the</strong>rapie ist weit verbreitet <strong>und</strong> normalerweise auch gut<br />

verträglich, <strong>und</strong> gewisse Zytokine haben eine wichtige Antitumorwirkung bei der Behandlung<br />

von Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> Melanom.<br />

Die Behandlung<br />

mit IFN-α hat eine<br />

bekannte<br />

Ansprechrate von<br />

10–20% bei<br />

Patienten mit<br />

fortgeschrittenem<br />

Nierenzellkarzinom,<br />

dem<br />

häufigsten <strong>Krebs</strong><br />

der Niere.<br />

6.7


6<br />

Buchstäblich<br />

Millionen von<br />

Antikörpern, von<br />

welchen jeder ein<br />

spezifisches<br />

Antigen erkennt,<br />

können von den<br />

B-Zellen des<br />

menschlichen<br />

Immunsystems<br />

produziert<br />

werden.<br />

Antikörper-Therapie<br />

Antikörper bilden einen wichtigen Bestandteil des Immunsystems <strong>und</strong> besitzen die Eigenschaft,<br />

Antigene zu erkennen. Buchstäblich Millionen von Antikörpern, von welchen jeder ein<br />

spezifisches Antigen erkennt, können von den B-Zellen des menschlichen Immunsystems<br />

produziert werden. Das Erkennen eines Antigens durch einen Antikörper, welcher eine<br />

spezifische Anbindungsstelle für genau dieses Antigen hat, führt zur Bindung <strong>und</strong> stimuliert eine<br />

Vielzahl von Antworten wie:<br />

● Aktivierung anderer Komponenten des Immunsystems<br />

● Einleitung der Phagozytose (Prozess, bei dem fremdes Material aufgenommen <strong>und</strong> zerstört<br />

wird)<br />

● Stimulation der zellgesteuerten Immunität.<br />

Entwicklung monoklonaler Antikörper für den <strong>the</strong>rapeutischen Gebrauch<br />

Die Fähigkeit, Antikörper klinisch zu verwenden, ist der Entwicklung der Hybridom-Technik zu<br />

verdanken, bei der Zellklone, welche einen einzigen Typ Antikörper absondern, aus einer<br />

einzelnen Maus-B-Zelle entwickelt werden. Dieser Vorgang wird in Kapitel 5 genauer<br />

geschildert. Die Anwendung monoklonaler Antikörper beinhaltet:<br />

● Forschung in der Pathogenese<br />

● Diagnose<br />

● Prognose<br />

Indem man die<br />

strukturellen<br />

Sequenzen eines<br />

monoklonalen<br />

Antikörpers, die<br />

der Maus<br />

zugehören, durch<br />

menschliche<br />

Sequenzen<br />

ersetzt, ist es<br />

möglich,<br />

monoklonale<br />

Antikörper zu<br />

produzieren, die<br />

mindestens zu<br />

90% menschlich<br />

sind <strong>und</strong> so die<br />

neutralisierenden<br />

Reaktionen zu<br />

vermeiden . . .<br />

● Einschätzung des <strong>the</strong>rapeutischen Ansprechens<br />

● <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie.<br />

Der Gebrauch monoklonaler Antikörper als <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie erfordert noch mehr technische<br />

Fortschritte als nur die Entwicklung monoklonaler Antikörper. Monoklonale Antikörper von<br />

Mäusen werden vom menschlichen Immunsystem als fremd erkannt. Das heisst, dass sie eine<br />

Immunantwort stimulieren <strong>und</strong> schnell neutralisiert <strong>und</strong>/oder zerstört werden. So ist es nötig,<br />

Mittel zur Vorbeugung dieser Immunantwort zu finden, damit monoklonale Antikörper klinisch<br />

wirkungsvoll eingesetzt werden können. Rekombinante DNA-Techniken liefern dafür die<br />

Antwort. Antikörper enthalten sowohl strukturelle als auch Antigen-erkennende Zonen (siehe<br />

Kapitel 4). Strukturelle Sequenzen machen den grössten Teil des Antikörpers aus <strong>und</strong> sind bei<br />

allen Antikörpern derselben Tier-Spezies gleich, während die Antigen-erkennenden Teile<br />

verschieden sind, je nach dem erkannten Antigen. Indem man die strukturellen Sequenzen eines<br />

monoklonalen Antikörpers, die der Maus zugehören, durch menschliche Sequenzen ersetzt, ist<br />

es möglich, monoklonale Antikörper zu produzieren, die mindestens zu 90% menschlich sind<br />

<strong>und</strong> so die neutralisierenden Reaktionen zu vermeiden, die bei einem monoklonalen Antikörper<br />

von der Maus erfolgen würden (Abbildung 6.2).<br />

Angriffspunkte/Ziele für monoklonale Antikörper-Therapie<br />

Es wurde eine Anzahl von Antigenen mit verschiedenen Zielen für die Therapie mit<br />

monoklonalen Antikörpern erforscht. Diese Ziel-Antigene sind normalerweise Antigene, von<br />

denen bewiesen wurde, dass sie für eine oder mehrere <strong>Krebs</strong>arten spezifisch sind <strong>und</strong> die oft<br />

auch mit der Überproduktion eines Rezeptors einhergehen. Einige dieser Ziel-Antigene sind in<br />

Tabelle 6.2 aufgeführt.<br />

6.8


6<br />

a) Schaffung chimerischer<br />

b)<br />

Antikörper (z.B. MabThera ® )<br />

Zur Maus gehörig<br />

V L<br />

C L<br />

V H<br />

C H<br />

Schaffung menschlicher<br />

spezifischer Antikörper (z.B. Herceptin ® )<br />

Zur Maus gehörig<br />

Ergänzende<br />

bestimmende<br />

Regionen<br />

Es wurde eine<br />

Anzahl von<br />

Antigenen mit<br />

verschiedenen<br />

Zielen für die<br />

Therapie mit<br />

monoklonalen<br />

Antikörpern<br />

erforscht.<br />

Menschlich<br />

Menschlicher<br />

Kontext<br />

Abbildung 6.2. Zwei Methoden, um die Immunantwort auf monoklonale Antikörper zu umgehen: a)<br />

Schaffung eines chimerischen Antikörpers, indem variable Sequenzen von der Maus mit menschlichen<br />

konstanten Sequenzen zusammengefügt werden (ungefähr 70% menschliche); b) Schaffung eines<br />

vermenschlichten Antikörpers, indem alle Maus-Sequenzen, ausser den Antigen-erkennenden, ersetzt<br />

werden (ergänzende bestimmende Regionen [CDRs]) mit menschlichen Sequenzen (>90% menschlich).<br />

Die Vorgehensweisen um Antikörper-basierte <strong>Therapien</strong> herzustellen, die auf diese Ziele<br />

gerichtet sind, können wie folgt gruppiert werden:<br />

● direkte monoklonale Antikörper-Methoden („nackter“ Antikörper)<br />

● Immunokonjugate, inklusive Immunotoxine <strong>und</strong> Radio-Immunokonjugate<br />

● bispezifische Antikörper.<br />

Tabelle 6.2. Beispiele für Ziel-Antigene in der Therapie mit<br />

monoklonalen Antikörpern bei <strong>Krebs</strong>.<br />

Ziel<br />

Human epidermal growth factor receptor (HER2)<br />

(Menschlicher epidermaler<br />

Wachstumsfaktor-Rezeptor)<br />

Carzino-embryonales Antigen (CEA)<br />

MUC1<br />

Ganglioside<br />

CD19, CD20, CD22<br />

CD5<br />

Tumor-Typ<br />

Brust, Ovarial, Kolorektal<br />

Kolorektal<br />

Kolorektal, Brust, Ovarial<br />

Melanom<br />

Non-Hodgkin-Lymphom<br />

Chronisch lymphatische<br />

Leukämie, kutanes T-Zell-Lymphom<br />

6.9


6<br />

Monoklonale Antikörper<br />

Der Gebrauch von „nackten“ oder unkonjugierten monoklonalen Antikörpern, um Tumoren<br />

anzugreifen <strong>und</strong> direkte Wirkungen auf Tumorzellen zu erzielen, ist die einfachste der<br />

untersuchten Antikörper-Methoden. Die Wirksamkeit dieser Art von Therapie hängt von<br />

folgenden Faktoren ab:<br />

● von der Auswahl eines geeigneten Ziel-Antigens; also z.B. von einem, das in abnormer<br />

Weise von Tumorzellen, aber nicht von normalen Zellen, exprimiert wird, das ausgeprägt an<br />

der Tumorzelloberfläche vorhanden ist, das stabil ist (nicht variabel durch Punktmutationen<br />

im Gen) <strong>und</strong> das aktiv ist in der Tumorentwicklung <strong>und</strong>/oder Tumorerhaltung<br />

● vom monoklonalen Antikörper, welcher eine hohe Affinität für das Ziel-Antigen haben muss,<br />

aber keine Auswirkungen auf normales Gewebe haben sollte<br />

● vom Tumor-Typ, inklusive Zugänglichkeit durch den Antikörper.<br />

Diese Eigenschaften stellen sicher, dass der monoklonale Antikörper nicht ges<strong>und</strong>e Zellen<br />

angreift, oder aber höchstens minimale Wirkung auf diese hat, während er Tumorzellen effektiv<br />

unterdrückt oder vernichtet. Eine starke Ausprägung von Antigen-Expression durch Tumorzellen<br />

erhöht die Zielgenauigkeit <strong>und</strong> Wirksamkeit des Antikörpers, während die Stabilität des<br />

Antigens sicherstellt, dass der Zielbereich für die Therapie immer vorhanden ist. Die hohe<br />

Affinität des monoklonalen Antikörpers für sein Zielobjekt verbessert auch die Tumorspezifität.<br />

Früher war man der Ansicht, dass die Wirksamkeit der monoklonalen Antikörper<strong>the</strong>rapie eine<br />

Folge der Stimulation der Immunantwort, welche schlussendlich im Zelltod endete, sei. Heute<br />

glaubt man jedoch, dass die Antikrebs-Aktivität monoklonaler Antikörper auf verschiedene<br />

Arten erzeugt wird, nämlich:<br />

● gezielte Regulation nach unten (downregulation), welche zu Funktionsveränderungen führt,<br />

z.B. Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />

● Vorbeugung der Zielaktivierung, z.B. von Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />

● Hemmung intrazellulärer Signalpfade, welche von Ziel-Antigen kontrolliert werden, z.B.<br />

wachstumsstimulierende Signale, welche von einem an seinen Rezeptor bindenden<br />

Wachstumsfaktor produziert werden<br />

● Einleitung von Immunantworten<br />

Der Gebrauch<br />

von „nackten“<br />

oder<br />

unkonjugierten<br />

monoklonalen<br />

Antikörpern, um<br />

Tumoren<br />

anzugreifen <strong>und</strong><br />

direkte<br />

Wirkungen auf<br />

Tumorzellen zu<br />

erzielen, ist die<br />

einfachste der<br />

untersuchten<br />

Antikörper-<br />

Methoden.<br />

Monoklonale<br />

Antikörper-<br />

Therapie wurde<br />

zur klinischen<br />

Realität, als man<br />

chimerische oder<br />

humanisierte<br />

Antikörper<br />

herstellen<br />

konnte . . .<br />

● direkte Antikrebs-Aktivität durch programmierten Zelltod (Apoptose), z.B. Aktivierung von<br />

Faktoren, die Apoptose induzieren als Folge eines Feedbacks gehemmter intrazellulärer<br />

Wachstumsstimulations-Signalpfade.<br />

Monoklonale Antikörper-Therapie wurde zur klinischen Realität, als man chimerische oder<br />

humanisierte Antikörper herstellen konnte, welche die Antigen-Spezifität des elterlichen Mäuse-<br />

Antikörpers beibehalten, aber nicht als fremdes Protein erkannt <strong>und</strong> neutralisiert werden. Diese<br />

Methode hat sich in klinischen Versuchen als effektiv erwiesen, <strong>und</strong> mittlerweile sind zwei<br />

Wirkstoffe für den Routinegebrauch in der Klinik erhältlich:<br />

● MabThera ® , ein chimerischer anti-CD20-Antikörper, der bei ca. 50% der Patienten mit Non-<br />

Hodgkin-Lymphom ein Ansprechen bewirkt <strong>und</strong> gut verträglich ist<br />

● Herceptin ® , ein humanisierter anti-HER2 monoklonaler Antikörper, der eine Steigerung der<br />

Gesamtüberlebensdauer bei Frauen mit HER2-positivem metastasierendem Brustkrebs<br />

bewirkt (siehe detaillierte Beschreibung später in diesem Kapitel) (Abbildung 6.3).<br />

6.10


6<br />

Abbildung 6.3. Repräsentative Struktur eines humanisierten monoklonalen Antikörpers (Mäuse-<br />

Sequenzen sind in Gelb abgebildet).<br />

Diese beiden monoklonalen Antikörper zielen auf Antigene, welche von Tumorzellen in<br />

ausgeprägter Menge exprimiert werden. CD20 wird von fast allen B-Zell-Lymphomen<br />

exprimiert, aber nicht auf Stammzellen, frühen B-Zell-Vorläufern oder kritischen Organen. Diese<br />

Spezifität der Expression zusammen mit seiner Lokalisation auf der Zellmembran, jedoch nicht<br />

im Serum, macht es zum idealen Ziel für monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie.<br />

Die<br />

Nebenwirkungen<br />

der monoklonalen<br />

Antikörper<strong>the</strong>rapie<br />

treten<br />

normalerweise<br />

beim Inf<strong>und</strong>ieren<br />

der Erstdosis auf.<br />

HER2 wird zwar auch von der Mehrheit der Epi<strong>the</strong>lialzellen exprimiert, jedoch wird es von<br />

ungefähr 20% aller Brusttumoren <strong>und</strong> von einigen anderen Tumoren ausgeprägt exprimiert <strong>und</strong><br />

hat eine bewiesene Rolle in der Onkogenese von Brustkrebs. Diese Eigenschaften machen es zu<br />

einem idealen Ziel für die monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie.<br />

Die Nebenwirkungen der monoklonalen Antikörper<strong>the</strong>rapie treten normalerweise beim<br />

Inf<strong>und</strong>ieren der Erstdosis auf. Am häufigsten haben die Patienten Fieber <strong>und</strong> Frösteln<br />

(beobachtet bei bis zu 40% der Patienten), selten Schüttelfröste. Mit angemessener<br />

symptomatischer Therapie <strong>und</strong> Anpassung der Infusionsgeschwindigkeit können diese<br />

Symptome jedoch gut behandelt werden.<br />

Konjugierte Antikörper<br />

Die Bezeichnung konjugierte Antikörper wird benützt, um monoklonale Antikörper zu<br />

beschreiben, die mit Toxinen oder Radionukliden gepaart wurden, um Immunotoxine <strong>und</strong> Radio-<br />

Immunokonjugate herzustellen (Abbildung 6.4). Beide Methoden haben zum Ziel, ein Molekül<br />

freizusetzen, das einen zytotoxischen Effekt spezifisch auf Tumorzellen hat.<br />

Die Toxine, die in Immunotoxinen von Nutzen sind, müssen Zytotoxine (den Zelltod<br />

herbeiführende Stoffe) sein, die erkennen, wo sie die Zelle angreifen können, <strong>und</strong> die erst aktiv<br />

werden, wenn sie in die Zelle aufgenommen worden sind. Diese Eigenschaften sind wichtig,<br />

damit das Toxin nur den Tod derjenigen Zellen verursacht, die das Ziel-Antigen exprimieren,<br />

<strong>und</strong> nicht andere Zellen, die das Toxin nicht aufnehmen (Abbildung 6.5).<br />

Die gebräuchlichsten Toxine dieser Art sind bakteriellen oder pflanzlichen Ursprungs, wie z.B.<br />

Rizin oder die Rizin-A-Untergruppe (pflanzlich), das Pseudomonas-Exotoxin <strong>und</strong> das Diph<strong>the</strong>rie-<br />

Toxin (bakteriell). Das Zusammenfügen dieser Toxine mit Antikörpern kann entweder chemisch<br />

6.11


6<br />

Tumor-<br />

Antigen<br />

Immunisierung mit<br />

Tumor-Antigen<br />

Milz<br />

Unsterbliche<br />

B-Zelle<br />

Entfernung von Milz-Zellen<br />

<strong>und</strong> Verschmelzung mit<br />

unsterblichen B-Zellen,<br />

um Hybridome herzustellen<br />

Bildung von Kolonien aus<br />

einzelnen Hybridom-Zellen<br />

Auswählen von Klonen,<br />

die Antikörper<br />

gegen produzieren<br />

Monoklonaler Antikörper<br />

P<br />

P<br />

Zusammenfügen mit<br />

Radionuklid oder Toxin<br />

Abbildung 6.4. Produktion von konjugierten Antikörpern.<br />

Die<br />

Internalisierung<br />

<strong>und</strong> die<br />

zytotoxische<br />

Aktivität sind<br />

obligatorische<br />

Funktionen für<br />

Toxine, die in der<br />

Immuno<strong>the</strong>rapie<br />

gebraucht<br />

werden können.<br />

durchgeführt werden, oder durch Ersetzen der Bindungs-Sequenzen des Toxins mit dem Antigenerkennenden<br />

Teil eines monoklonalen Antikörpers. Die zweite Technik wird vorgezogen, weil so<br />

ein homogenes Immunotoxin-Produkt entsteht, das weniger immunogen <strong>und</strong> aktiver ist.<br />

Die Immunotoxine, die auf diesem Weg produziert werden, binden sich an geeigneten Stellen<br />

an die Tumorzellen, werden in diese aufgenommen <strong>und</strong> erst dann beginnt die zytotoxische<br />

Aktivität durch Einwirken auf den Zellmetabolismus. Die Internalisierung <strong>und</strong> die zytotoxische<br />

Aktivität sind obligatorische Funktionen für Toxine, die in der Immuno<strong>the</strong>rapie gebraucht<br />

werden können.<br />

Mit Tumoren in Verbindung stehende Antigene, die für die Therapie mit Immunotoxinen<br />

geeignet scheinen, sind folgende:<br />

● CD5 in der Graft-Versus-Host Erkrankung <strong>und</strong> bei chronisch lymphatischer Leukämie<br />

● IL-2 Rezeptor bei hämatologischen Erkrankungen<br />

● CD22 bei B-Zell-Lymphomen <strong>und</strong> Leukämien<br />

6.12


6<br />

AK<br />

Toxin<br />

Rezeptor<br />

Immunotoxin bindet an<br />

Rezeptor an der<br />

Zelloberfläche<br />

Toxin<br />

Aufnahme in die Zelle<br />

Toxin<br />

Antikörper wird vom<br />

Toxin getrennt<br />

Toxin<br />

Hemmung der<br />

Protein-Syn<strong>the</strong>se<br />

Das Toxin wird in die Zelle<br />

transportiert <strong>und</strong> hemmt<br />

die Protein-Syn<strong>the</strong>se<br />

Zelltod<br />

Das Fehlen der<br />

Protein-Syn<strong>the</strong>se<br />

bewirkt den Zelltod<br />

Abbildung 6.5. Der Ablauf der Zelltötung durch ein Immunotoxin.<br />

● Lewis Y Antigen bei Kolorektal-Karzinomen, Brustkrebs <strong>und</strong> anderen Karzinomen<br />

● HER2 bei Brustkrebs<br />

● CD56 bei nicht kleinzelligem Bronchuskarzinom.<br />

In frühen klinischen Studien mit Immunotoxinen wurden Ansprechraten (z.B. Tumorschrumpfung<br />

<strong>und</strong> Verschwinden des Tumors) von bis zu 40% beobachtet, obwohl Raten von 15–25%<br />

üblicher sind. Präklinische Studien hatten jedoch auf bessere Ergebnisse hoffen lassen. Diese<br />

Diskrepanz ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass grosse Tumormassen nicht penetriert<br />

werden können, weil Immunotoxine grosse, wenig bewegliche Moleküle sind <strong>und</strong> keine<br />

Tumorspezifität vorhanden ist. Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Inzidenz der mit dem<br />

Immunotoxin verb<strong>und</strong>enen Toxizität relativ hoch ist, <strong>und</strong> dass bei etwa 60–70% aller Patienten<br />

schwere Nebenwirkungen auftreten. Das „vascular leak syndrome“ (Austritt von Flüssigkeit aus<br />

den Gefässen), welches zu generalisierten Ödemen <strong>und</strong> einer Reihe von Nebenwirkungen wie<br />

Hypotension <strong>und</strong> Pleura-Erguss führt, ist das Hauptproblem. Bis heute hat die Toxizität ein<br />

Fortschreiten der klinischen Anwendung dieser Behandlungsweise verhindert. So verursachte<br />

zum Beispiel das Erb-38-Immunotoxin, welches einen anti-HER2 monoklonalen Antikörper <strong>und</strong><br />

Pseudomonas-Exotoxin enthält, bei der Anwendung bei Brusttumoren mit einer HER2-<br />

Überexpression schwere Lebertoxizität.<br />

Konjugierte Radio-Antikörper stellen einen attraktiven Therapieansatz dar, weil Strahlung<br />

bekannt dafür ist, dass sie Zellen wirksam töten kann. Eine der grossen Herausforderungen bei<br />

der Radio<strong>the</strong>rapie ist die Verhinderung der Schädigung des ges<strong>und</strong>en Gewebes <strong>und</strong> die<br />

ausschliessliche Bestrahlung des Tumorgewebes. Der Gebrauch von konjugierten Radio-<br />

Antikörpern wurde entwickelt, um die Strahlung gezielt auf den Tumor auszurichten.<br />

. . . die Inzidenz<br />

der mit dem<br />

Immunotoxin<br />

verb<strong>und</strong>enen<br />

Toxizität ist relativ<br />

hoch <strong>und</strong> bei<br />

etwa 60–70%<br />

aller Patienten<br />

treten schwere<br />

Nebenwirkungen<br />

auf.<br />

Zwei Arten von Radio-Isotopen sind erhältlich für die Produktion von Radio-Antikörpern: Beta-<br />

Strahler wie Iod-131 <strong>und</strong> Yttrium-90; <strong>und</strong> Alpha-Strahler wie Astatin-211 <strong>und</strong> Actinium-225. Beta-<br />

6.13


6<br />

Strahler produzieren niedrige Strahlen-Dosen über relativ lange Distanzen, was bedeutet, dass sie<br />

potentiell Auswirkungen auf benachbartes ges<strong>und</strong>es Gewebe haben. Deshalb ist ihre Anwendung<br />

auf Situationen beschränkt, bei denen eine Knochenmarktransplantation möglich ist, oder wenn<br />

eine grosse Tumormasse vorhanden ist. Im Gegensatz dazu produzieren Alpha-Strahler hohe<br />

Strahlen-Dosen über eine kurze Distanz. So ist ihre Toxizität selektiver als bei Beta-Strahlern.<br />

Die klinische<br />

Anwendung von<br />

Radio-Immunokonjugaten<br />

hat<br />

sich auf die<br />

hämatologischen<br />

Erkrankungen<br />

ausgerichtet.<br />

Die<br />

Anbindungsorte<br />

der bispezifischen<br />

Antigene sind<br />

spezifisch für ein<br />

Tumorzugehöriges<br />

Antigen <strong>und</strong> ein<br />

Eigen-Antigen an<br />

einer<br />

Immunsystem-<br />

Effektorzelle . . .<br />

<strong>Krebs</strong>impfungen<br />

sind eine Form<br />

von biologischer<br />

Therapie, bei der<br />

das Immunsystem<br />

angeregt wird,<br />

<strong>Krebs</strong>zellen zu<br />

erkennen <strong>und</strong> zu<br />

zerstören.<br />

Die klinische Anwendung von Radio-Immunokonjugaten hat sich auf die hämatologischen<br />

Erkrankungen ausgerichtet. Anti-CD20 monoklonale Antikörper konjugiert mit Beta-Strahlern<br />

wurden gut erforscht in der Behandlung von B-Zell-Lymphomen. Sowohl die Hochdosis-<br />

Behandlungen, welche eine autologe Knochenmarktransplantation erfordern, als auch die<br />

Niedrigdosis-Behandlungen haben sich als wirksam erwiesen, mit komplettem Tumor-<br />

Ansprechen bei etwa 50% der Patienten. Die Versuche mit Iod-131<strong>und</strong> Yttrium-90 auf anti-<br />

CD20 Radio-Immunokonjugaten stehen kurz vor der Auswertung. Studien für die Anwendung<br />

von Radio-Immunokonjugaten zur Behandlung solider Tumoren waren wegen starker Toxizität<br />

<strong>und</strong> limitierter Wirksamkeit weniger erfolgreich.<br />

Bispezifische Antikörper<br />

Normalerweise haben Antikörper zwei Anbindungsorte für dasselbe Antigen. Bispezifische<br />

Antikörper sind mit Hilfe der Gentechnologie entwickelt worden <strong>und</strong> haben zwei<br />

Anbindungsorte für zwei verschiedene Antigene. Die Anbindungsorte der bispezifischen<br />

Antigene sind spezifisch für ein Tumor-zugehöriges Antigen <strong>und</strong> ein Eigen-Antigen an einer<br />

Immunsystem-Effektorzelle, wie T-Zellen, natürliche Killerzellen, Monozyten oder Makrophagen.<br />

Diese Technik ermöglicht direkten Kontakt von Immun-Effektorzellen mit bösartigen Zellen. Dazu<br />

kommt, dass der Angriffspunkt der Effektorzelle für den Antikörper üblicherweise ein Rezeptor<br />

ist, dessen Aktivierung eine Lyse <strong>und</strong>/oder Phagozytose durch die Effektorzelle triggert <strong>und</strong> so<br />

zum Tumorzelltod führt. Die Effektorzellen scheiden Zytokine aus, die benachbarte Tumorzellen<br />

angreifen <strong>und</strong> mehr Effektorzellen an den Tumor heranziehen.<br />

Ein gutes Beispiel eines bispezifischen Antikörpers, der klinisch erprobt wurde, ist MDX-210,<br />

welcher sich an HER2 <strong>und</strong> an einen T-Zell-Rezeptor anbindet. Dieser Antikörper hat in Phase I <strong>und</strong><br />

II Studien bei Frauen mit fortgeschrittenem HER2-positivem Brust- oder Ovarial-Karzinom<br />

ermutigende Resultate hervorgebracht. Dabei wurde jedoch ein Maus-Antikörper benützt <strong>und</strong> es<br />

konnte eine schnelle Immunantwort beobachtet werden. Diese Immunantwort neutralisierte die<br />

Aktivität des bispezifischen Antikörpers. Die menschliche Form von MDX-210, welche MDX-H210<br />

genannt wird, wurde bei fortgeschrittenem Mammakarzinom, Nierenzell-Karzinom, Prostata- <strong>und</strong><br />

Kolorektal-<strong>Krebs</strong> getestet. Vorläufige Resultate dieser Studien zeigen, dass gelegentliches Tumor-<br />

Ansprechen erreicht werden kann, obwohl der grösste Therapieerfolg, der bis heute verzeichnet<br />

werden konnte, bei etwa 45% der Patienten eine Krankheitsstabilisierung ergab.<br />

<strong>Krebs</strong>impfungen<br />

<strong>Krebs</strong>impfungen sind eine Form von biologischer Therapie, bei der das Immunsystem angeregt<br />

wird, <strong>Krebs</strong>zellen zu erkennen <strong>und</strong> zu zerstören. Im Gegensatz zu Impfungen gegen<br />

Infektionskrankheiten, welche als Präventivmassnahme verabreicht werden, um das<br />

Immunsystem gegen ein spezifisches Virus oder Bakterium zu wappnen, werden<br />

<strong>Krebs</strong>impfungen erst nach der Diagnosestellung verabreicht.<br />

Die Hauptziele für <strong>Krebs</strong>impfungen sind:<br />

● Tumor-spezifische Antigene, wie mutierte Formen normaler Zell-Proteine oder ungewöhnlich<br />

exprimierte Proteine<br />

6.14


6<br />

● Differenzierungs-Antigene, welche benützt werden, um die Immunabwehr gegen den Tumor<br />

durch die Stimulation von T-Zell-Antworten zu fördern<br />

● Virale Antigene. Diese Technik macht vom Umstand Gebrauch, dass 15–20% aller Tumoren<br />

viral induziert sind <strong>und</strong> dass diese Tumoren mindestens einige virale Proteine an ihrer<br />

Zelloberfläche exprimieren. Beispiele davon sind das EBNA-1 Protein des Epstein-Barr-Virus<br />

<strong>und</strong> Kern- <strong>und</strong> Oberflächen-Antigene des Hepatitis-B-Virus<br />

● Onkogene wie p53<br />

● Kohlenhydrat-Antigene wie Ganglioside <strong>und</strong> Mucine werden in grossen Mengen durch<br />

Tumorzellen exprimiert <strong>und</strong> erzielen eine starke Immunantwort. Ihre Rolle in intrazellulären<br />

Interaktionen macht sie zu nützlichen Zielantigenen.<br />

Die verschiedenen Formen von <strong>Krebs</strong>impfungen, die erforscht wurden, sind unten beschrieben.<br />

Tumorzell-Lysate <strong>und</strong> ganze Zellen<br />

Tumorzell-Lysate (Extrakte) <strong>und</strong> ganze Zellen, zum Beispiel von Brustkrebs, Leukämie <strong>und</strong><br />

Melanom werden entweder von Tumorzellen des behandelten Patienten oder von andern<br />

Patienten mit gleichen Tumoren, entwickelt. Tumorzell-Lysate <strong>und</strong> ganze Zellen führen zu Zytokin<strong>und</strong><br />

T-Zell-Antworten, welche die Tumor-Abtötung fördern sollen (Abbildung 6.6). Diese<br />

Behandlungsmöglichkeit ist sehr attraktiv, aber um diese Impfstoffe herzustellen ist ein sehr<br />

komplexes Verfahren erforderlich. Die Tumorzellen werden in einem frühen Tumorstadium<br />

gewonnen <strong>und</strong> sehr präzise geklont, um eine beständige Quelle von Tumorzellen zu haben.<br />

Zusätzlich muss auch die Tumor-Charakterisierung sehr präzise gemacht sein, so dass die<br />

Tumor-assoziierten Antigene, die eine Immunantwort stimulieren, qualitativ hoch stehend sind.<br />

Ganzzell- <strong>und</strong> Tumor-Lysat-Impfungen wurden in klinischen Studien schon sehr genau untersucht.<br />

Obschon frühe Versuche bei Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren inklusive<br />

Melanomen <strong>und</strong> Sarkomen Immunantworten mit kleiner Toxizität zeigten, ergaben diese<br />

Antigene<br />

Tumor-<br />

Zelle<br />

Tumor-assoziierte Antigene (Lysate oder<br />

ganze Zellen)<br />

Erfassen durch Antigen-präsentierende<br />

Zelle, Verarbeitung <strong>und</strong> Präsentation<br />

in erkennbarer Form<br />

Ganzzell- <strong>und</strong><br />

Tumor-Lysat-<br />

Impfungen<br />

wurden in<br />

klinischen Studien<br />

schon sehr genau<br />

untersucht.<br />

B<br />

T H<br />

T H<br />

T H<br />

T<br />

Stimulation von Immunzell-Klonen,<br />

inklusive Antikörper-ausscheidende<br />

B-Zellen, T-Zellen <strong>und</strong> Zytokinproduzierende<br />

T-Helfer-Zellen (T H<br />

Zellen)<br />

Zytokine<br />

IgG<br />

IgM<br />

T<br />

T<br />

Zytokine von T H<br />

Zellen stimulieren<br />

weitere Antworten durch B- <strong>und</strong><br />

T-Zellen<br />

Antitumor-Aktivität<br />

Abbildung 6.6. Ablauf der Induktion von Antitumor-Antworten durch Ganzzellen- <strong>und</strong> Tumor-Lysat-<br />

Impfungen. Reproduziert mit der Erlaubnis von Principles and Practice of <strong>the</strong> Biological Therapy of<br />

Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />

6.15


6<br />

Impfungen doch nur einen kleinen klinischen Nutzen. So wurden spätere Versuche bei Patienten<br />

mit kleinen Resterkrankungen <strong>und</strong> bei krankheitsfreien Patienten postoperativ durchgeführt.<br />

Diese Versuche zeigten einigen Nutzen sowohl bei Ganzzell-Impfungen als auch bei Tumor-<br />

Lysat-Versuchen, <strong>und</strong> zwar bei Leukämie, Melanom, Nierenkarzinom <strong>und</strong> anderen Tumorarten.<br />

Modifizierte Tumorzellen<br />

Genetische Modifikation von Tumorzellen vor der Impfung ist eine oft angewandte Therapieart.<br />

Die Einsetzung eines viralen Genoms in Tumorzellen kann folgende Wirkungen haben: es<br />

steigert die Stimulation von T-Zellen, erhöht die Anziehung von Antigen-präsentierenden Zellen<br />

durch Stimulation der Produktion von Zytokinen <strong>und</strong> andern Molekülen oder erhöht die<br />

Präsentation von Antigenen an T-Zellen (Abbildung 6.7). Die ersten Studien benützten dafür<br />

Influenza-Virus infizierte Tumorzell-Lysate <strong>und</strong> zeigten, dass eine Immun-Antwort auf den Tumor<br />

erzeugt werden konnte. So wurden <strong>Krebs</strong>zellen mit darin enthaltenen Zytokin-Genen, wie z.B.<br />

Interleukinen, Interferonen oder Tumor-Nekrose-Faktor-α konstruiert. Ein Ansprechen wurde<br />

beobachtet bei Melanompatienten, welche mit IL-2-transduzierten Tumorzellen behandelt<br />

wurden.<br />

Tumor-spezifische Proteine<br />

Die Anwendung von Tumor-spezifischen Proteinen, um eine Immunantwort hervorzurufen, ist<br />

eine attraktive <strong>und</strong> direkte Art von Impfung. Die Verfeinerung dieser Methode durch Isolierung<br />

von Peptid-Fragmenten, die für die Immunogenität eines Proteins wichtig sind, ist speziell<br />

attraktiv. So können Probleme mit der Verträglichkeit überw<strong>und</strong>en werden, welche bei der<br />

Anwendung von grossen Proteinen auftreten würden, <strong>und</strong> es wird erst noch die Spezifität der<br />

Immunantwort gesteigert. Erste Versuche, bei welchen Peptide von Melanom-assoziierten<br />

Proteinen eingesetzt wurden, zum Beispiel MAGE-1 <strong>und</strong> MART-1, waren erfolglos, weil nur<br />

wenige oder gar keine Patienten ausreichend immunisiert wurden. So wurden Methoden<br />

erforscht, um durch selektive Peptid-Mutation die Immunogenität der Peptide <strong>und</strong> die Rezeptor-<br />

Bindungs-Affinität zu steigern. Nun ist die Immunisierung dank dieser modifizierten Peptide<br />

erfolgreicher <strong>und</strong> bewirkt ein Ansprechen bei Melanom-Patienten.<br />

A) B)<br />

Tumorzellen, die<br />

konstruiert wurden, um<br />

Zytokine zu produzieren,<br />

welche an der APC-<br />

Stimulation beteiligt sind<br />

APC<br />

IL-3<br />

IL-4<br />

GM-CSF<br />

CTL<br />

Antigen-präsentierende<br />

Rezeptoren, die von<br />

Immunzellen erkannt werden<br />

. . . die Isolierung<br />

von Peptid-<br />

Fragmenten, die<br />

für die<br />

Immunogenität<br />

eines Proteins<br />

wichtig sind, ist<br />

speziell attraktiv.<br />

So können<br />

Probleme mit der<br />

Verträglichkeit<br />

überw<strong>und</strong>en<br />

werden, welche<br />

bei der<br />

Anwendung von<br />

grossen Proteinen<br />

auftreten<br />

würden . . .<br />

Tumor-<br />

Zellen<br />

T H<br />

Tumor-<br />

Antigen<br />

CTL<br />

Immunzellen werden direkt<br />

von Tumorzellen, welche Antigene<br />

präsentieren, stimuliert<br />

T H<br />

Antigen wird durch APC an<br />

T H<br />

Zellen <strong>und</strong> CTLs präsentiert<br />

Abbildung 6.7. Mögliche Mechanismen der Tumor-spezifischen Aktivierung von T-Zellen durch<br />

genetisch modifizierte Tumorzellen: A) Erhöhte Zytokin-Produktion <strong>und</strong> B) gesteigerte Antigen-<br />

Präsentation. APC bedeutet Antigen-präsentierende Zelle; CTL Zytotoxische T-Lymphozyten; T H<br />

T-Helfer-Zelle. Reproduziert mit Erlaubnis von von Principles and Practice of <strong>the</strong> Biological Therapy of<br />

Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />

6.16


6<br />

Die Hauptüberlegung bei allen obigen Behandlungsmethoden ist, dass die Impfung dem<br />

Immunsystem in einer Weise präsentiert wird, die eine spezifische Antwort stimuliert, welche<br />

dann direkt auf den Tumor gerichtet werden kann. T-Zell-Immunität ist die <strong>the</strong>rapeutisch<br />

wirksamste Methode, sie verlangt Antigen-präsentierende Zellen, genannt dendritische Zellen.<br />

Dendritische Zellen präsentieren den T-Lymphozyten Antigene auf eine Art, dass sie erkannt<br />

werden können, <strong>und</strong> wenn die T-Lymphozyten einmal aktiviert sind, können sie T-Zellen<br />

aktivieren. Dendritische Zellen sind interessant für <strong>Krebs</strong>-Impfungs-Strategien, <strong>und</strong> ihre<br />

Anwendung für Zell-basierte <strong>Therapien</strong> ist viel versprechend.<br />

Eine andere Überlegung bei der Entwicklung von Impfungen ist die, wie eine erzeugte<br />

Immunantwort möglichst optimal ausgenützt werden kann. Dies wird normalerweise erreicht,<br />

indem Immun-Adjuvantien benutzt werden, vor allem Zytokine, um die Immunantwort zu fördern<br />

<strong>und</strong> zu verlängern. Aber auch Viren, bakterielle Proteine <strong>und</strong> andere Wirkstoffe wurden dazu<br />

eingesetzt.<br />

<strong>Krebs</strong>-Impfungen werden für die Behandlung von vielen verschiedenen <strong>Krebs</strong>arten untersucht, so<br />

für Melanome, Lymphome <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong> von Nieren, Brust, Ovarien, Prostata, Kolon <strong>und</strong> Rektum.<br />

Je nach angestrebtem Therapieziel wird oft auch eine Kombination verschiedener Strategien mit<br />

<strong>Krebs</strong>-Impfungen, Gen<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Zell-basierten <strong>Therapien</strong> zusammen angewandt (siehe<br />

unten).<br />

Gen<strong>the</strong>rapie<br />

Die Gen<strong>the</strong>rapie beinhaltet den Transfer von genetischem Material in einen Tumor mit dem Ziel,<br />

den Tumor zu behandeln. Dies ist attraktiv, weil die meisten Tumoren Gen-Mutationen enthalten,<br />

welche mindestens zum Teil für ihre onkogene Natur verantwortlich sind, <strong>und</strong> deshalb<br />

möglicherweise durch Gen-Transfer-Techniken korrigierbar sind.<br />

Genetisches Material kann in Tumorzellen transferiert werden, indem Plasmide <strong>und</strong> genetisch<br />

veränderte Viren benützt werden. Plasmide bestehen aus nackter DNA, welche so konstruiert<br />

werden kann, dass sie die zu transferierende DNA enthält. Plasmide können in Zellen<br />

eindringen, wo ihre DNA dann in die DNA des Zellkerns integriert wird. Leider ist plasmide<br />

DNA einem Abbau unterworfen, was die Effizienz des Verfahrens limitiert.<br />

Andere Peptide, welche auf ihre Wirkung als Impfung untersucht wurden, wurden von HER2,<br />

dem ras Onkogen <strong>und</strong> dem Prostata-spezifischen Antigen (PSA) abgeleitet. Die Behandlungen,<br />

die auf diesen Peptiden basierten, erwiesen sich aber als ineffektiv. Verschiedene andere<br />

Peptide wurden schon als mögliche Impfstoffe vorgeschlagen, aber noch nicht klinisch getestet.<br />

DNA<br />

DNA-Impfungen sind Plasmide, nackte DNA-Moleküle, die rekombinante DNA enthalten,<br />

welche für Immunogene wie das carcino-embryonale Antigen (CEA) kodieren. Die DNA-<br />

Impfung hat Vorteile gegenüber der Peptid-Impfung bezüglich Stabilität, Immunogenität, Ort der<br />

Immunogen-Expression <strong>und</strong> Bandbreite der erreichten Immun-Antworten. Klinische Versuche mit<br />

DNA-Impfungen bei Melanomen, Lymphomen <strong>und</strong> Kolon-Karzinomen sind in einem frühen<br />

Stadium.<br />

Das grösste <strong>the</strong>oretische Risiko mit dieser Art von Impfstrategie ist, dass die rekombinante DNA<br />

in die Wirts-DNA eingefügt wird <strong>und</strong> dort Mutationen verursacht. Dieser Nachteil wird<br />

berücksichtigt mit dem Versuch, die nackte RNA zum Impfung zu verwenden, weil diese nicht<br />

ins Wirts-Genom aufgenommen wird. Allerdings wurden solche Impfungen bis jetzt erst in-vitro<br />

getestet.<br />

Dendritische<br />

Zellen sind<br />

interessant für<br />

<strong>Krebs</strong>-Impfungs-<br />

Strategien, <strong>und</strong><br />

ihre Anwendung<br />

für Zell-basierte<br />

<strong>Therapien</strong> ist viel<br />

versprechend.<br />

Genetisches<br />

Material kann in<br />

Tumorzellen<br />

transferiert<br />

werden, indem<br />

Plasmide <strong>und</strong><br />

genetisch<br />

veränderte Viren<br />

benützt werden.<br />

6.17


6<br />

Viren wurden für den Gen-Transfer angewandt, weil sie stabiler sind als nackte DNA oder RNA<br />

(Abbildung 6.8). Allerdings muss beachtet werden, dass der Virus nicht selber eine Krankheit<br />

verursacht (einige der Viren, die für Gen-Transfer-Techniken angewandt werden, haben das<br />

Potential, bei Menschen pathogen zu wirken). Dieser Nachteil hat den Gebrauch des viralen<br />

Gen-Transfers limitiert, obwohl die Forschung auf diesem Gebiet weiter geht.<br />

Gen-Transfer-Techniken in der Behandlung von <strong>Krebs</strong> beinhalten:<br />

● Gen-Transfer in Tumorzellen, um die Tumor-Immunogenität zu fördern <strong>und</strong> die onkogenen<br />

Eigenschaften zu reduzieren<br />

● Gen-Transfer von Tumor-Antigen-kodierender DNA in normale Zellen, um eine Immunantwort<br />

auf das Antigen zu fördern<br />

● Gen-Transfer mit dem Ziel, Immunzellen so zu modifizieren, dass sie Antitumor-<br />

Immunantworten zeigen<br />

● Einführen von Selbstmord-Genen, welche nicht toxische Moleküle in toxische Komponenten<br />

umwandeln, <strong>und</strong> so den Zelltod verursachen<br />

● Ersetzen von defekten Tumor-Suppressor-Genen, um so deren Funktion wieder herzustellen<br />

● Gebrauch von „antisense“ Oligonukleotiden, d.h. von Oligonukleotiden, welche<br />

komplementär sind zu bekannten mRNAs, um die Expression von spezifischen<br />

wachstumsfördernden Genen zu eliminieren<br />

● Hemmung von Onkogenen.<br />

Die meisten bis heute durchgeführten klinischen Gen<strong>the</strong>rapie-Studien waren Phase I<br />

Sicherheitsstudien, das heisst erste Versuche, welche nur eine kleine Anzahl Patienten mit<br />

fortgeschrittener Erkrankung einschloss, um zu erforschen, ob die Verträglichkeit eines Mittels so<br />

gut ist, dass grössere Versuche an Patienten gerechtfertigt werden konnten. Diese haben<br />

gezeigt, dass die Wirksamkeit des Gen-Transfers leider nur klein <strong>und</strong> ungenügend <strong>und</strong> die<br />

Dauer der Gen-Expression oft kurz ist. (Zur Diskussion, wie diese Probleme sich vielleicht<br />

überwinden lassen, lesen sie bitte in Kapitel 7). Diese Herausforderungen müssen zuerst<br />

überw<strong>und</strong>en werden, ehe diese Technik für die <strong>Krebs</strong>-Therapie nützlich werden kann.<br />

A) Integrierende Vektoren<br />

B)<br />

Nicht integrierende Vektoren<br />

Retrovirus<br />

Vaccinia-Virus<br />

Adenovirus<br />

Plasmide DNA<br />

Abbildung 6.8. Mechanismen des Gen-Transfers mit viralen Vektoren.<br />

6.18


6<br />

Zell-basierte Therapie<br />

Wie schon in Kapitel 4 gezeigt wurde, beinhaltet das Immunsystem einen humoralen Arm<br />

(Antikörper <strong>und</strong> Komplement) <strong>und</strong> einen zellulären Arm. Die zelluläre Immunität ist wirkungsvoll<br />

im Zerstören von Tumorzellen <strong>und</strong> im Aufrechterhalten der Antitumor-Immunität. So ist der<br />

Transfer von zellulären Komponenten des Immunsystems in dasjenige von <strong>Krebs</strong>patienten eine<br />

potentielle Methode, um die zelluläre Antitumor-Immunfunktion zu fördern. Diese Methode wird<br />

adoptiver Zelltransfer genannt.<br />

Adoptive Zelltransfer-Techniken beinhalten allgemein gesagt das Sammeln von Immunzellen des<br />

Patienten <strong>und</strong> die Züchtung derselben ausserhalb des Körpers (Abbildung 6.9). So werden<br />

allfällige Verminderungen der Zellzahl überw<strong>und</strong>en, welche sich durch die Tumor-Suppression<br />

<strong>und</strong> Immunregulation ergeben könnten. Weiter können passende Immunzellen ausgewählt <strong>und</strong><br />

ihre Eigenschaften mit Mitteln verbessert werden, deren Anwendung am Patienten selber zu<br />

toxisch wären. Diese Selektion ergibt dann Zellpopulationen, welche Antigene an der<br />

Tumorzell-Oberfläche erkennen, <strong>und</strong> so wird eine auf den Tumor zugeschnittene Therapie<br />

ermöglicht. Die weitere Anwendung des Prozesses stellt dann eine grosse Zellpopulation zur<br />

Verfügung.<br />

Oft ist der adoptive Zelltransfer auch eine passive Behandlung, welche die Tumorlyse <strong>und</strong> nicht<br />

die Stimulation des Immunsystems zum Ziel hat. Aber er kann auch als aktive Immunisierungs-<br />

Strategie eingesetzt werden, bei welcher die verabreichten Immunzellen sich vermehren <strong>und</strong><br />

das Wirts-Immunsystem zur Abtötung von Tumorzellen stimuliert wird. Einige der Methoden für<br />

Zell-basierte <strong>Therapien</strong> werden in Tabelle 6.3 beschrieben.<br />

. . . der Transfer<br />

von zellulären<br />

Komponenten des<br />

Immunsystems in<br />

dasjenige von<br />

<strong>Krebs</strong>patienten ist<br />

eine potentielle<br />

Methode, um die<br />

zelluläre<br />

Antitumor-<br />

Immunfunktion zu<br />

fördern.<br />

Tumor-Resektion<br />

Zell-Separation<br />

<strong>und</strong> -Kultur<br />

Tumorzellen<br />

Tumor-infiltrierende Lymphozyten<br />

Genetische Manipulation<br />

Genetische Manipulation /<br />

Aktivierung<br />

Genetisch manipulierte<br />

immunogene Tumorzellen<br />

Genetisch manipulierte<br />

zytotoxische Tumor-infiltrierende<br />

Lymphozyten<br />

Abbildung 6.9. Schematische Illustration der Schritte, die zum adoptiven Zelltransfer nötig sind.<br />

6.19


6<br />

Tabelle 6.3. Zell-basierte Therapie-Methoden für die <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie.<br />

Behandelte<br />

Zell-Typen Aktivitäten/Charakteristika <strong>Krebs</strong>arten<br />

Tumor-infiltrierende Infiltrieren Tumoren <strong>und</strong> verursachen eine Lyse Melanom, Nierenzell-<br />

Lymphozyten Zellpopulationen, welche ein einzelnes Tumor-Antigen Karzinom<br />

erkennen, können gut gezüchtet werden<br />

Lymphokin-aktivierte Lysieren Tumorzellen, aber nicht normale Zellen Melanom, Nierenzell-<br />

Killerzellen Können in-vitro vermehrt <strong>und</strong> aktiviert werden, Karzinom<br />

zusammen mit Zytokinen<br />

Autologe Memory Es wird angenommen, dass sie Tumor-Antigenen ausgesetzt Nierenzell-Karzinom<br />

T-Zellen<br />

waren <strong>und</strong> dass sie potentiell Antitumor-Aktivität haben<br />

Werden mittels monoklonalen Antikörpern gegen CD3<br />

Rezeptoren <strong>und</strong> Zytokine aktiviert<br />

Dendritische Zellen Primäre Antigen-präsentierende Zellen für die von Nierenzell-Karzinom,<br />

T-Zellen vermittelte Immunantwort<br />

Brustkrebs<br />

Können in-vitro gewonnen werden durch Reifung von<br />

Monozyten-Vorläufern unter dem Einfluss von<br />

Kolonie-stimulierenden Faktoren<br />

Stammzellen Haben einen starken Antitumoreffekt durch die Graft-versus- Brustkrebs, Nierenzell-<br />

Tumor Reaktion<br />

Karzinom<br />

Immunsuppression vor der Zell-Gabe ist nötig<br />

Virus-spezifische Lymphoblastoide Zellen, welche Epstein-Barr-Virus-Proteine Lymphoproliferative<br />

zytotoxische exprimieren Erkrankung, Lymphom,<br />

T-Lymphozyten Hohe Immunogenität Morbus Hodgkin<br />

Diese Zell-basierten <strong>the</strong>rapeutischen Methoden werden eingeschränkt durch die Tatsache, dass<br />

die Zellen vom Empfänger selber entnommen werden müssen. Der Gebrauch von Zellen<br />

anderer Spender kann gleiche Reaktionen hervorrufen wie eine Organ-Transplantation <strong>und</strong><br />

bedingt deshalb Immunsuppression.<br />

Klinische Studien dieser verschiedenen Zell-basierten Methoden haben gezeigt, dass Antitumor-<br />

Aktivität erzeugt werden kann. Aber im Moment ist noch nicht klar, ob die Vorteile (gutes<br />

Ansprechen mit reduzierter Toxizität) grösser sind als bei anderen Therapieformen.<br />

Vergleich zwischen biologischen <strong>Therapien</strong>, welche spezifisch<br />

auf Antigene einwirken <strong>und</strong> solchen, die unspezifisch wirken<br />

Die biologische Therapie wird seit vielen Jahren als wichtiger Behandlungs-Fortschritt gefördert.<br />

Interferon wurde 1957 entdeckt <strong>und</strong> als antivirale Substanz eingesetzt. Kolonie-stimulierende<br />

Faktoren wie G-CSF <strong>und</strong> Erythropoetin werden schon lange als Supportiv<strong>the</strong>rapie bei <strong>Krebs</strong><br />

benützt. Aber diese Wirkstoffe haben unterstützende Eigenschaften auf das Immunsystem <strong>und</strong><br />

richten sich nicht direkt gegen Tumoren.<br />

6.20


6<br />

Die Produktion von direkt auf Tumorzellen zielenden Wirkstoffen revolutionierte das Gebiet der<br />

biologischen <strong>Therapien</strong>. Dies war möglich durch Fortschritte im Verständnis der<br />

Molekularbiologie, Tumorbiologie <strong>und</strong> Tumorcharakterisierung.<br />

Zusammenfassend lässt sich darüber sagen:<br />

● Tumorwachstum beginnt mit einer Mutation (Strukturveränderung in der DNA)<br />

● diese genetische Veränderung könnte das Resultat eines inkorrekten Ersatzes einer Base<br />

durch eine andere, einer Auslassung oder Einfügung einer oder mehreren Basen, oder einer<br />

Translokation, Replikation oder Auslassung eines ganzen Gens sein<br />

● das veränderte Gen gibt dann fehlerhafte Instruktionen weiter, was zur Syn<strong>the</strong>se eines<br />

veränderten Proteins oder zur Produktion von zu viel oder zu wenig Protein führt, was<br />

wiederum die Art, wie die Zelle arbeitet, verändert<br />

Die Produktion<br />

von direkt auf<br />

Tumorzellen<br />

zielenden<br />

Wirkstoffen<br />

revolutionierte<br />

das Gebiet der<br />

biologischen<br />

<strong>Therapien</strong>.<br />

● die veränderte Gen-Kodierung wird durch den Zellzyklus an andere Zellen weitergegeben<br />

<strong>und</strong> so wächst die Population unnormaler Zellen.<br />

Wie in Kapitel 3 gezeigt wurde, ist <strong>Krebs</strong> das Resultat einer Serie von Genmutationen, die von<br />

Tumor zu Tumor unterschiedlich sind. Die Genmutationen beeinflussen die Produktion<br />

regulierender Wachstumsproteine. Das Ungleichgewicht in der mengenmässigen Ausprägung<br />

dieser Proteine stimuliert die Zellen, sich unkontrolliert zu vermehren, was zu Tumoren führt.<br />

Die Nutzung spezifischer Tumor-Anomalien für gezielte <strong>Therapien</strong><br />

● Viele der Mutationen bei Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Genen sind spezifisch für<br />

gewisse Tumorarten. Zum Beispiel sind bei Brustkrebs die MUC-1-Gene häufig mutiert.<br />

● Weil diese Mutationen nur bei Tumorzellen vorkommen, sind sie ein gutes Angriffsziel für<br />

tumorspezifische Therapie.<br />

● Idealerweise sind mit dem Tumor in Verbindung stehende Anomalien, die zum Entwickeln<br />

von tumorspezifischen <strong>Therapien</strong> geeignet sind:<br />

– leicht messbar, um eine Patientenauswahl für die Behandlung möglich zu machen<br />

– extrazellulär lokalisiert, so dass sie durch die Therapie erreicht werden können.<br />

● Die gezielte Behandlung spezifischer Tumor-Anomalien ermöglicht die Reduktion von<br />

Nebenwirkungen der Therapie, weil normale Zellen nicht betroffen sind.<br />

● Traditionelle Chemo<strong>the</strong>rapeutika greifen alle sich aktiv teilenden Zellen an <strong>und</strong> haben<br />

deshalb nichtspezifische Wirkungen auf das ZNS, den Gastrointestinaltrakt <strong>und</strong> das<br />

blutbildende System.<br />

Die Vorteile der gezielten Therapie<br />

Die Ausrichtung der Therapie auf spezifische zelluläre Anomalien erweist sich als effektiv bei<br />

der Behandlung von <strong>Krebs</strong>, zum Beispiel bei MabThera ® für CD20-positive Lymphome <strong>und</strong> bei<br />

Herceptin ® für HER2-positive Mammakarzinome. Diese Art Therapie hat eine Reihe von<br />

Vorteilen, weil sie eine individualisierte Behandlung ermöglicht. Weitere Vorteile sind:<br />

● bessere Verträglichkeit <strong>und</strong> weniger Nebenwirkungen dank dem spezifischen Einwirken auf<br />

Tumorzellen<br />

● Erhöhung der Immunantwort des Wirtes<br />

● neue Wirkungsmechanismen, die von denjenigen konventioneller Chemo<strong>the</strong>rapien<br />

verschieden sind, was bedeuten kann, dass die Kombinations<strong>the</strong>rapie die klinischen<br />

Resultate verbessern kann.<br />

Die Ausrichtung<br />

der Therapie auf<br />

spezifische<br />

zelluläre<br />

Anomalien<br />

erweist sich als<br />

effektiv bei der<br />

Behandlung von<br />

<strong>Krebs</strong> . . .<br />

6.21


6<br />

Verbesserungen in der Charakterisierung von Tumoren können also sehr wahrscheinlich die<br />

Anwendung gezielter biologischer <strong>Therapien</strong> bei <strong>Krebs</strong> noch verbessern (siehe Kapitel 7).<br />

Die folgenden Fallstudien illustrieren die Unterschiede zwischen unspezifischen biologischen<br />

Wirkstoffen <strong>und</strong> den neuen, auf bestimmte Tumoreigenschaften ausgerichteten Mitteln, welche<br />

eindrückliche Verbesserungen in der <strong>Krebs</strong>behandlung darstellen.<br />

Fallstudie 1: Filgrastim, ein unspezifischer biologischer Wirkstoff<br />

in der Supportiv<strong>the</strong>rapie<br />

Filgrastim ist eine rekombinante Form von menschlichem G-CSF, einem Zytokin, das<br />

natürlicherweise von Körper produziert wird. G-CSF hat Funktionen in der Kontrolle der<br />

Hämatopoese (der Produktion reifer Blutzellen).<br />

Beim<br />

Erwachsenen<br />

findet die<br />

Hämatopoese<br />

hauptsächlich im<br />

Knochenmark<br />

statt.<br />

Hämatopoese<br />

Beim Erwachsenen findet die Hämatopoese hauptsächlich im Knochenmark statt. Blutzellen<br />

werden aus primitiven Stammzellen gebildet, die sich im Knochenmark befinden <strong>und</strong> die<br />

Vorläufer aller reifen Arten von Blutzellen sind: Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Neutrophile,<br />

Basophile, Eosinophile, Monozyten/Makrophagen, Osteoklasten, Lymphozyten <strong>und</strong><br />

Thrombozyten (Blutplättchen) (siehe Abbildung 6.10). Stammzellen sind einzigartig, indem sie<br />

sich vermehren können, um mehr Stammzellen zu bilden, oder sich differenzieren <strong>und</strong> die<br />

aufgeführten reifen Blutzellen bilden können.<br />

Stammzellen sind also die wichtigsten Zellen der Hämatopoese, weil sie verantwortlich sind für<br />

die Produktion aller Blutzellen. Die Differenzierung der Stammzellen zu reifen Blutzellen<br />

beinhaltet mehrere Schritte. Zellen in verschiedenen Stadien der Entwicklung sind nur fähig,<br />

eine begrenzte Anzahl dieser Art reifer Blutzellen zu bilden.<br />

Wenn das hämatopoetische System ernsthaft durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder Bestrahlung<br />

geschädigt worden ist, sind es die pluripotenten Stammzellen (Zellen, die fähig sich, sich zu<br />

differenzieren <strong>und</strong> so sämtliche Zelltypen zu bilden, die für das hämatopoetische System nötig<br />

Prä-T-Zellen<br />

T-Lymphozyten<br />

Bas-CFC<br />

Basophile<br />

BFU-E<br />

Erythrozyten<br />

Selbst-<br />

Erneuerung<br />

Pluripotente<br />

Stammzellen<br />

Differenzierung<br />

Multipotenter<br />

CFU-S/CFC-Mix<br />

GM-CFC<br />

G-CFC<br />

M-CFC<br />

Neutrophile<br />

Makrophagen<br />

<strong>und</strong><br />

Osteoklasten<br />

Meg-CFC<br />

Thrombozyten<br />

Eos-CFC<br />

Eosinophile<br />

Prä-B-Zellen<br />

B-Lymphozyten<br />

Abbildung 6.10. Stadien der Hämatopoese. Es wird gezeigt, wie die Stammzellen eingeschränkt<br />

werden, sobald sie sich differenzieren, um hämatopoetische Zellen zu bilden.<br />

6.22


6<br />

sind) im Knochenmark, die das System wieder mit neuen Zellen versorgen. Dies wird durch die<br />

Differenzierung dieser Zellen erreicht, indem Progenitor-Zellen generiert werden <strong>und</strong> der<br />

entsprechende Zelltyp produziert wird. Die Neubildung erfolgt dank schneller Proliferation <strong>und</strong><br />

Differenzierung von zirkulierenden Progenitor-Zellen. Deshalb ist das System der<br />

Stammzellerneuerung <strong>und</strong> -Differenzierung sowie der Differenzierung ihrer Progenität von<br />

grossem Interesse für die weitere Forschung in der <strong>Krebs</strong>behandlung.<br />

Hämatopoetische Wachstumsfaktoren<br />

In-vitro-Studien haben anfangs gezeigt, dass Zellen durch unbekannte Faktoren im Nährboden<br />

stimuliert werden können, so dass sie sich differenzieren <strong>und</strong> reife Blutzellen produzieren. Diese<br />

Faktoren konnten erst isoliert werden, als die rekombinante DNA-Technologie es erlaubte, die<br />

Gene, welche für diese Faktoren kodieren, zu isolieren <strong>und</strong> in bakteriellen oder Hefe-<br />

Nährböden in grossen Mengen zu produzieren. Gleichzeitig wurde es möglich, die<br />

verschiedenen Zelltypen des hämatopoetischen Systems sauber zu isolieren. Dies ermöglichte<br />

den Beweis, dass die isolierten Faktoren nur auf gewisse Zelltypen Einfluss hatten.<br />

. . . das System<br />

der Stammzellerneuerung<br />

<strong>und</strong><br />

-Differenzierung<br />

sowie der<br />

Differenzierung<br />

ihrer Progenität ist<br />

von grossem<br />

Interesse für die<br />

weitere Forschung<br />

in der<br />

<strong>Krebs</strong>behandlung.<br />

Es wurde gezeigt, dass G-CSF vorzugsweise die Entwicklung neutrophiler Zellen von ihren<br />

entsprechenden Vorläuferzellen stimuliert. Neutrophile Zellen sind beteiligt an der Antwort auf<br />

Infektionen <strong>und</strong> Gewebsschädigungen. Kleine Mengen von G-CSF, die an den Ort von<br />

Gewebsschädigungen oder bakteriellen Infektionen gebracht werden, stellen die Anwesenheit<br />

von reifen neutrophilen Zellen an diesen Orten sicher.<br />

Die Wirkung von Filgrastim in-vivo<br />

Filgrastim hat eine Wirkung auf zirkulierende Blutzellen, auf die Hämatopoese im Knochenmark<br />

<strong>und</strong> auf Vorläuferzellen in Knochenmark <strong>und</strong> Blut. Diese werden in Tabelle 6.4 gezeigt.<br />

Die Wirkungen, die in Tabelle 6.4 beschrieben sind, haben miteinander gemeinsam, dass sie<br />

die Knochenmarks- <strong>und</strong> Blut-Vorläufer-Zellen amplifizieren <strong>und</strong> die reifen neutrophilen Zellen<br />

früh freisetzen, so dass sich die Zahl der zirkulierenden neutrophilen Zellen erhöht.<br />

Klinische Anwendung von Filgrastim<br />

Die normale Funktion von neutrophilen Zellen zur Bekämpfung von Infektionen zusammen mit<br />

dem in-vivo Effekt von Filgrastim auf die Anzahl der neutrophilen Zellen geben Aufschluss über<br />

dessen klinische Anwendung: die Stimulation der Produktion von neutrophilen Zellen, um<br />

Verluste, z.B. wegen Chemo<strong>the</strong>rapie oder Myeloablation oder aus anderen Gründen, zu<br />

ersetzen.<br />

Tabelle 6.4. In-vivo Auswirkungen von G-CSF.<br />

Betroffener Zelltyp<br />

Zirkulierende Blutzellen<br />

Hämatopoese im Knochenmark<br />

Vorläufer-Zellen im Knochenmark<br />

Vorläufer-Zellen im Blut<br />

Wirkung<br />

Vorübergehende Senkung der Anzahl neutrophiler Zellen, gefolgt von einer<br />

anhaltenden Erhöhung<br />

Vermehrung von Vorläufer-Zellen <strong>und</strong> frühere Freisetzung von reifen Zellen<br />

Erhöhung der absoluten Zahl von Vorläufer-Zellen<br />

Mobilisation peripherer Blut-Vorläufer-Zellen<br />

6.23


6<br />

Neutropenie, also<br />

eine tiefe Anzahl<br />

von neutrophilen<br />

Zellen, kann<br />

lebensbedrohliche<br />

Komplikationen<br />

verursachen . . .<br />

Nach der Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

Chemo<strong>the</strong>rapeutika haben einen zytotoxischen Effekt auf alle sich aktuell teilenden Zellen. Wie<br />

in Kapitel 1 gezeigt, ist diese unspezifische Aktivität verantwortlich für die Nebenwirkungen<br />

dieser Mittel, wenn sie zur <strong>Krebs</strong>behandlung eingesetzt werden. Eines der ges<strong>und</strong>en Organe,<br />

die durch Chemo<strong>the</strong>rapie angegriffen werden, ist das Knochenmark. So ist oft die<br />

Knochenmarktoxizität der Dosis-limitierende Faktor für eine Chemo<strong>the</strong>rapie. Die Neutropenie,<br />

also eine tiefe Anzahl von neutrophilen Zellen, kann lebensbedrohliche Komplikationen<br />

verursachen <strong>und</strong> ist ein häufiger Gr<strong>und</strong> für Anpassungen in der Dosis <strong>und</strong> im<br />

Chemo<strong>the</strong>rapieplan. Diese Änderungen sind aber oft nicht genug wirksam, um eine völlige<br />

Erholung des Knochenmarks zwischen den Chemo<strong>the</strong>rapie-Zyklen zu erlauben.<br />

Bei der Anwendung von Filgrastim in Dosen von 5–12µg/kg/Tag, zusammen mit der<br />

konventionell dosierten Chemo<strong>the</strong>rapie, wird eine Neutropenie vermindert oder manchmal<br />

verhindert (Abbildung 6.11). Dies hat folgende Vorteile:<br />

● Reduktion von Infektionen<br />

● Reduktion der benötigten Antibiotika<br />

● Verkürzung der Hospitalisationsdauer<br />

● ermöglicht die Anwendung der Chemo<strong>the</strong>rapie nach Behandlungsschema.<br />

Filgrastim wird<br />

auch benützt, um<br />

die<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie-<br />

Dosen<br />

aufrechterhalten<br />

zu können oder<br />

um eine Dosis-<br />

Steigerung zu<br />

ermöglichen.<br />

Filgrastim wird auch benützt, um die Chemo<strong>the</strong>rapie-Dosen aufrechterhalten zu können oder um<br />

eine Dosis-Steigerung zu ermöglichen. Dies ist wichtig, weil bekannt ist, dass eine nicht optimal<br />

ANZ (x10 9 /L)<br />

100<br />

10<br />

1<br />

CT CT CT<br />

CT Chemo<strong>the</strong>rapie (Doxorubicin)<br />

75mg/m 2 (mit Filgrastim)<br />

75mg/m 2 (Kontrollgruppe)<br />

0 7 14 21 28 35 42<br />

Zeit (Tage)<br />

Abbildung 6.11. Diese Grafik illustriert das Ansprechen der neutrophilen Zellen auf Filgrastim bei<br />

Patienten, die mit Doxorubicin behandelt werden (ANZ bedeutet absolute Anzahl neutrophiler Zellen).<br />

6.24


6<br />

dosierte Chemo<strong>the</strong>rapie die Wirkung der <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie stark vermindert. Die Unterstützung mit<br />

Filgrastim ermöglicht eine Steigerung der Chemo<strong>the</strong>rapie-Dosen um das 1,3–2fache, verglichen<br />

mit Patienten, die keine Zytokin-Therapie erhalten, was die Wirkung der Behandlung verbessern<br />

kann.<br />

Nach Knochenmarkstransplantation<br />

Patienten, welche eine Knochenmarktransplantation erhalten, unterziehen sich einem Prozess<br />

namens Myeloablation, bei welchem das Immunsystem vor dem Eingriff bewusst zerstört wird,<br />

um Immunreaktionen auf das Transplantat vorzubeugen. Dieser schwere immunsupprimierte<br />

Zustand kann zum Tod führen. Filgrastim konnte die Dauer der Neutropenie bei diesen<br />

Patienten erfolgreich verkürzen, was ähnliche klinische Vorteile brachte wie bei den Patienten<br />

mit Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />

Mobilisation von Blut-Vorläufer-Zellen vor der Behandlung<br />

Das Sammeln von Vorläufer-Zellen aus dem peripheren Blut <strong>und</strong> deren Re-Infusion nach der<br />

Therapie, genannt periphere Blutstammzell-Transplantation, ist eine etablierte Methode, um die<br />

Erholung nach intensiver Chemo<strong>the</strong>rapie bei Patienten mit nicht myeloischen malignen<br />

Erkrankungen zu beschleunigen. Um Vorläufer-Zellen ins periphere Blut zu bringen, wird<br />

Filgrastim in Dosen von 5–10µg/kg/Tag gespritzt, was erwiesenermassen die Zahl der<br />

gesammelten Zellen erhöht (Abbildung 6.12). Diese Behandlung kann sowohl bei Patienten mit<br />

autologer Stammzellretransplantation als auch bei Spendern, deren Zellen als Stammzellspende<br />

benötigt werden, angewandt werden.<br />

GM-CFC/Kultur<br />

10 5<br />

10 4<br />

10 3<br />

10 2<br />

Bandbreite der Anzahl<br />

von peripheren<br />

Blutzellen aus Kulturen<br />

Um Vorläufer-<br />

Zellen ins<br />

periphere Blut zu<br />

bringen, wird<br />

Filgrastim<br />

gespritzt, was<br />

erwiesenermassen<br />

die Zahl<br />

der gesammelten<br />

Zellen erhöht.<br />

10 1<br />

Durchschnitt von<br />

Knochenmarkkulturen<br />

10 0 0 2 4 6 8 10<br />

Dauer der Kultur (Wochen)<br />

Abbildung 6.12. Mobilisation von Blutvorläuferzellen durch Filgrastim.<br />

6.25


6<br />

Fallstudie – G-CSF<br />

John Woodhouse ist ein 34jähriger männlicher Buchhalter, dem es bis im September 2000<br />

ges<strong>und</strong>heitlich gut ging. Er ging zu seinem Hausarzt, nachdem er einen Monat lang unter<br />

Nachtschweiss gelitten <strong>und</strong> 6–7kg abgenommen hatte. Dazu kamen Anämie-Symptome<br />

<strong>und</strong> eine Harnwegsinfektion, welche mit Penicillin behandelt wurde. Sein Hausarzt<br />

verordnete ein Blutbild, welches ein Hb von 8,6, weisse Blutkörperchen (Lc) von 5,2 <strong>und</strong><br />

Plättchen (Tc) von 27 zeigte. Es wurden Blasten gef<strong>und</strong>en. Seine Blutgerinnung war<br />

normal.<br />

Herr Woodhouse wurde an eine <strong>Krebs</strong>-Klinik überwiesen, wo eine Knochenmarkpunktion<br />

vorgenommen wurde. Die Morphologie zeigte 95% Blasten <strong>und</strong> es wurde die Diagnose<br />

einer akuten myeloischen Leukämie (AML) gestellt. Er wurde sofort an eine Abteilung für<br />

Fertilitätsfragen überwiesen, um die Kryo-Konservierung der Samen sicherzustellen, <strong>und</strong><br />

bekam Transfusionen mit roten Blutkörperchen <strong>und</strong> Thrombozyten, um sein Blutbild zu<br />

normalisieren. Er war febril (38,8ºC) <strong>und</strong> bekam Piperacillin, Tazocin <strong>und</strong> Gentamycin, die<br />

Standard<strong>the</strong>rapie bei neutropenem Fieber. Auch wurde mit einer prophylaktischen<br />

antimikrobiellen Therapie begonnen. Er wurde zur weiteren Behandlung ins Royal Free<br />

Hospital in London überwiesen.<br />

Er war fassungslos über seine Diagnose <strong>und</strong> wollte ausser Details über die geplante<br />

Behandlung möglichst wenige Informationen erhalten. Er ist ein Einzelkind, ledig <strong>und</strong><br />

wohnt bei seiner Mutter. Sie ist, ausser einigen Fre<strong>und</strong>en, seine einzige Bezugsperson.<br />

Sein Vater starb an einem Kolon-Karzinom. Er ist Nichtraucher <strong>und</strong> trinkt wenig Alkohol.<br />

Nach seiner Ankunft im Spital wurde Herrn Woodhouse unter Vollnarkose ein Hickman-<br />

Ka<strong>the</strong>ter eingelegt. Die Diagnose wurde nochmals überprüft <strong>und</strong> die AML bestätigt. Die<br />

zytogenetische Analyse war normal <strong>und</strong> die Prognose lautete auf ein „Standard-Risiko“.<br />

So wurde er vollumfänglich über die Therapieoptionen informiert <strong>und</strong> er gab seine<br />

Einwilligung für die AML 12 Studie des UK Medical Research Council für Erwachsene<br />

unter 60 Jahren. Dies ist die Studie, in der die Standard-Therapie für AML in<br />

Grossbritannien geprüft wird. Er entschied sich für die bereits empfohlene Therapie, weil er<br />

es schwierig fand, so viele Informationen in so kurzer Zeit zu verarbeiten. Die Studie<br />

beinhaltet zwei Randomisationen: die erste gibt zwischen zwei Dosen Cytarabin (Ara-C)<br />

eine Kombination genannt DAT, nämlich Daunorubicin, Ara-C <strong>und</strong> Thioguanin, während<br />

die zweite dies zwischen vier oder fünf Therapiezyklen macht <strong>und</strong> als letzten Zyklus eine<br />

Stammzell-Retransplantation oder eine Chemo<strong>the</strong>rapie vorsieht.<br />

Herr Woodhouse wurde mittels Randomisation in den höher dosierten Arm eingeteilt <strong>und</strong><br />

bekam Daunorubicin 50mg/m 2 /Tag, Ara-C 200mg/m 2 /12stündlich <strong>und</strong> Thioguanin<br />

100mg/m 2 /12stündlich. Nach der Chemo<strong>the</strong>rapie war er wie erwartet neutropen <strong>und</strong><br />

hatte eine Fieber-Episode, welche antibiotisch behandelt wurde. Um Tag 15 erholten sich<br />

seine neutrophilen Zellen auf >0,5x10 9 /L. Eine Knochenmarkpunktion bestätigte eine<br />

Vollremission <strong>und</strong> er wurde für einige Tage entlassen, bevor er für den zweiten<br />

Chemo<strong>the</strong>rapiezyklus wieder eintreten musste.<br />

Weil er sich in Remission befand, wurde entschieden, periphere Blutstammzellen zu<br />

sammeln <strong>und</strong> für einen möglichen späteren Gebrauch aufzubewahren, falls er entweder für<br />

eine Stammzell-Retransplatation in der Studie randomisiert würde, oder diese Therapie-<br />

Option zu einem späteren Zeitpunkt selber wählen würde. Zudem könnte irgendwann ein<br />

Stammzell-Aufbau wegen Regenerations-Schwierigkeiten des Knochenmarks nötig werden.<br />

6.26


6<br />

Stammzellen, manchmal auch Vorläufer-Zellen genannt, werden im Knochenmark gebildet<br />

<strong>und</strong> sind die Vorläufer aller Blutzellen. Die Zellen differenzieren sich <strong>und</strong> legen sich somit<br />

auf spezifische Zell-Linien fest, <strong>und</strong> werden demzufolge Erythrozyten, Makrophagen,<br />

Granulozyten oder Lymphozyten. Jede Stammzelle hat die Fähigkeit, sich zu jeder dieser<br />

Arten von Blutzellen zu entwickeln. Diese Zellen sind wichtig für Knochenmark- oder<br />

Stammzell-Transplantation (SCT), weil sie neues Knochenmark <strong>und</strong> neue Blutzellen<br />

erzeugen. Bei Patienten mit AML ist es oft schwierig, diese Zellen peripher zu gewinnen,<br />

weil die Zellen durch vorangegangene Chemo<strong>the</strong>rapien geschädigt sein können.<br />

G-CSF wird natürlicherweise im Körper produziert <strong>und</strong> wirkt stimulierend auf das<br />

Wachstum der weissen Blutkörperchen (Lc). Die DNA-Technologie hat die Herstellung<br />

dieses Wachstumsfaktors als ein rekombinantes Präparat ermöglicht. Filgrastim (r-metHuG-<br />

CSF) ist eine klare, farblose Flüssigkeit, erhältlich in Ampullen als Einzeldosen von 300µg<br />

(1mL) oder 480µg (1,6mL) oder als Fertigspritzen, was den Patienten oder Angehörigen<br />

ermöglicht, das Medikament zu Hause zu injizieren. Am wirkungsvollsten ist die subkutane<br />

Verabreichung. Wenn jedoch die subkutane Verabreichung aus irgendeinem Gr<strong>und</strong><br />

kontraindiziert ist, kann es auch in 50mL Kochsalzlösung als intravenöse Infusion (zentral<br />

oder peripher) über 10–30 Minuten verabreicht werden, oder als Bolus einer laufenden<br />

Kochsalzlösung zugespritzt werden. Mögliche Nebenwirkungen sind Knochenschmerzen,<br />

Gelenkschmerzen, Myalgien, grippeähnliche Symptome <strong>und</strong> Kopfschmerzen. Dies ist die<br />

Folge der erhöhten Leukozyten-Zahl <strong>und</strong> der Fähigkeit von G-CSF, die Bildung von<br />

zusätzlichen Zellen im Knochenmark zu stimulieren. Filgrastim ist indiziert bei<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie-induzierter Neutropenie, wo es die Dauer der Neutropenie verkürzt <strong>und</strong> so<br />

das Infektionsrisiko vermindert. Eine weitere Indikation ergibt sich bei Patienten oder<br />

Spendern, bei denen eine Mobilisation von Stammzellen ins periphere Blut erfolgen soll.<br />

Am Tag 7, nach Beendigung der Chemo<strong>the</strong>rapie, wurde Herrn Woodhouse Filgrastim<br />

(300µg) subkutan in die Bauchdecke gespritzt. Er vertrug die Injektionen gut, ohne lokale<br />

Rötung oder Reaktionen. Zu diesem Zeitpunkt betrugen seine weissen Blutzellen 0,7x10 9 /L<br />

(normal 1,7–7,5x10 9 /L). Am Tag 6 der Anwendung verspürte er minimale<br />

Nebenwirkungen mit leichten Gelenksschmerzen, welche mit Parazetamol 1g gelindert<br />

wurden. Zu diesem Zeitpunkt stieg seine Leukozytenzahl an <strong>und</strong> betrug 8,8x10 9 /L, mit<br />

8,1x10 9 /L neutrophilen Zellen. Am folgenden Tag war die Leukozytenzahl bereits<br />

14,6x10 9 /L.<br />

Der Marker, der normalerweise auf Stammzellen gef<strong>und</strong>en wird, heisst CD34 <strong>und</strong> das<br />

periphere Blut kann auf die Anzahl von CD34-positiven Zellen untersucht werden. Wenn<br />

die Anzahl 20µL oder mehr beträgt, wird üblicherweise mit der ersten Leukapherese<br />

begonnen. Eine Leukapherese ist das Herausfiltern von weissen Zellen aus dem Blut. An<br />

Tag 8 betrug der periphere CD34-Wert 70,6µL. Nun wurden beide Lumen des Hickmann-<br />

Ka<strong>the</strong>ters des Patienten an die Leukapherese-Maschine angeschlossen. Ein Lumen diente<br />

dazu, Blut aus dem Körper des Patienten abzuleiten <strong>und</strong> durch die Zentrifuge fliessen zu<br />

lassen, um die weissen Blutkörperchen zu sammeln. Der Rest des Blutes wurde gemischt<br />

<strong>und</strong> durch das andere Lumen wieder dem Patienten zurückgegeben. Dieser Vorgang<br />

dauerte etwa 4 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Herr Woodhouse hatte keine Nebenwirkungen ausser einem<br />

leichten Kribbeln an den Lippen <strong>und</strong> den Fingerspitzen. Dies wurde verursacht durch eine<br />

Hypokalzämie infolge Anwendung von Zitrat-Dextrose-Säure zur Vorbeugung einer<br />

Verklumpung des Blutes in der Maschine <strong>und</strong> ist eine bekannte Nebenwirkung der<br />

Leukapherese.<br />

6.27


6<br />

Die Stammzellsammlung erwies sich als gut (3,8x10 6 /kg CD34-positive Zellen) <strong>und</strong> mehr<br />

als genügend für die Retransfusion einer peripheren Stammzellsammlung. Die Zellen<br />

wurden tiefgefroren <strong>und</strong> so aufbewahrt für den Fall, dass Herr Woodhouse sie benötigen<br />

würde. Er war fit genug, um nach der Sammlung nach Hause zu gehen <strong>und</strong> nach einer<br />

Woche wieder für seinen dritten Chemo<strong>the</strong>rapie-Zyklus einzutreten. Möglicherweise wird<br />

er seine Stammzellen nie benötigen. Sollte dies aber dennoch der Fall sein, würde sich die<br />

gute Sammlung gelohnt haben. Ein hoher CD34-Wert kann eine schnellere Annahme des<br />

Transplantates ermöglichen.<br />

Zusammenfassung<br />

G-CSF ist ein Zytokin, dessen Funktion in der Kontrolle der Hämatopoese besteht, speziell in der<br />

Reifung von neutrophilen Zellen. Diese sind an der Immunantwort auf Infektionen <strong>und</strong><br />

Gewebsverletzungen beteiligt. Auch sind sie eine der zellulären Komponenten des<br />

Immunsystems, welche durch die nicht-spezifische Wirkung der Chemo<strong>the</strong>rapie auf sich häufig<br />

teilende Zellen geschädigt werden können. Deshalb ist die Fähigkeit, die Erholung der<br />

neutrophilen Zellen zu beschleunigen, klinisch wichtig.<br />

. . . das<br />

rekombinante<br />

G-CSF Filgrastim<br />

hat eine<br />

fördernde<br />

Wirkung auf die<br />

Erholung der<br />

neutrophilen<br />

Zellen.<br />

Rekombinantes<br />

Il-2 wird<br />

gebraucht, um<br />

das Immunsystem<br />

zu stärken <strong>und</strong><br />

zeigt bei<br />

metastasierendem<br />

Nierenzellkarzinom<br />

<strong>und</strong><br />

Melanom eine<br />

Antikrebs-<br />

Wirkung.<br />

Es wurde gezeigt, dass das rekombinante G-CSF Filgrastim eine fördernde Wirkung auf die<br />

Erholung der neutrophilen Zellen hat. Wie die Beispiele über den klinischen Gebrauch von<br />

Filgrastim jedoch zeigen, hat es keine direkte Wirkung gegen <strong>Krebs</strong>, sondern dient als<br />

Supportiv-Therapie. Filgrastim wirkt korrigierend auf einige Nebenwirkungen, die von der<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapie verursacht werden. Zudem sind seine Wirkungen nicht spezifisch auf eine<br />

Tumor-Anomalie ausgerichtet, sondern es ergänzt mehr die Wirkung des natürlich<br />

vorkommenden G-CSF.<br />

Fallstudie 2: Rekombinantes IL-2, ein biologischer Wirkstoff<br />

gegen <strong>Krebs</strong><br />

Rekombinantes Il-2 wird gebraucht, um das Immunsystem zu stärken <strong>und</strong> zeigt bei<br />

metastasierendem Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> Melanom eine Antikrebs-Wirkung. So ist IL-2 nicht<br />

eine supportive Therapie wie Filgrastim, ist aber, wie die untenstehenden Informationen zeigen<br />

werden, auch keine zielgerichtete biologische Therapie.<br />

Die Wirkung von IL-2<br />

Il-2 ist ein Zytokin, das Funktionen in der Kontrolle der Immunantwort ausübt, <strong>und</strong> das sehr<br />

wichtig ist für eine spezifische T-Zell-Aktivierung. Es stimuliert die T-Zell-Proliferation<br />

(Abbildung 6.13) <strong>und</strong> aktiviert natürliche Killerzellen. Es wird normalerweise durch T-Zellen<br />

freigesetzt, nachdem diese in Gegenwart von stimulierenden Faktoren durch Antigene aktiviert<br />

wurden.<br />

Die Stimulation der T-Zell-Proliferation durch IL-2 wird gefolgt von einer klonalen Expansion <strong>und</strong><br />

Differenzierung von T-Zellen, um Effektor-Zellen <strong>und</strong> Erinnerungszellen (Immunzellen, die sich an<br />

das Antigen „erinnern“ <strong>und</strong> zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktiviert werden können) zu<br />

produzieren. Effektor-Zellen haben spezifische Immunaktivität <strong>und</strong> stellen so sicher, dass die<br />

Immunantwort auf ein bestimmtes Antigen aufrechterhalten bleibt.<br />

IL-2 als Antitumor-Therapie<br />

Der menschliche Körper baut eine Immunantwort auf Tumorzellen auf. Diese Antwort ist<br />

normalerweise jedoch sehr limitiert, weil den Tumorzellen spezifische Charakteristika fehlen,<br />

6.28


6<br />

IL-2<br />

T H<br />

T H<br />

Aktivierung<br />

Proliferation<br />

T H<br />

T H<br />

T H<br />

T H<br />

T H<br />

T-Helfer-Zelle<br />

Abbildung 6.13. Durch IL-2 stimulierte T-Zell-Proliferation.<br />

die nötig wären, um eine vollständige Immunantwort auszulösen. Ein Mittel, um die<br />

Immunantwort auf Tumorzellen zu verstärken, ist das Zufügen oder Ersetzen von Faktoren, die<br />

nicht als Antwort auf die Anwesenheit von Tumorzellen produziert werden. Ein solcher Faktor ist<br />

das Zytokin IL-2.<br />

Die Fähigkeit, eine grosse Menge von gereinigtem IL-2 herzustellen, wurde erreicht, als das IL-2-<br />

Gen geklont <strong>und</strong> in das Bakterium Escherichia Coli eingefügt <strong>und</strong> exprimiert wurde. Die<br />

Anwendung dieser gereinigten rekombinanten Form von IL-2 bei Tieren zeigte, dass es fähig<br />

war, die T-Zell-Proliferation <strong>und</strong> die Tumorregression zu stimulieren.<br />

Die anerkannte Anwendung von IL-2 ist im Moment limitiert auf maligne Melanome <strong>und</strong><br />

Nierenzellkarzinome, also auf Tumorarten, die dafür bekannt sind, dass sie schwach<br />

immunogen <strong>und</strong> deshalb empfindlich auf gesteigerte Immunreaktivität sind. Die Ansprechraten<br />

auf IL-2-Mono<strong>the</strong>rapie betragen 15–25% bei Melanom-Patienten, je nach Dosierung <strong>und</strong><br />

Patienten-Charakteristika. Ansprechraten bis 50% wurden bei Kombinations<strong>the</strong>rapien von IL-2<br />

mit andern Mitteln, wie Chemo<strong>the</strong>rapie, beobachtet. Bei Patienten mit Nierenzellkarzinom<br />

wurden bei der Mono<strong>the</strong>rapie Ansprechraten von bis zu 23% erreicht. Diese Ansprechrate<br />

entspricht derjenigen einiger Chemo<strong>the</strong>rapeutika, welche zur Behandlung dieser Krankheit<br />

eingesetzt werden. Üblicherweise handelt es sich um Langzeitremissionen (Abbildung 6.14).<br />

Diese Resultate wurden mit einer Hochdosis-Therapie von IL-2 erreicht (600’000–720’000 IE/kg<br />

alle 8 St<strong>und</strong>en inf<strong>und</strong>iert, bis zu 10 Zyklen mit Wiederholung alle 7–10 Tage). Niedriger<br />

dosierte Bolus-Anwendungen (72’000 IE/kg) scheinen deutlich weniger effektiv zu sein. Aber<br />

die Hochdosis-Therapie verursacht starke Nebenwirkungen (Tabelle 6.5). Die meisten Patienten<br />

bekommen Fieber <strong>und</strong> bis zu 35% entwickeln eine Hypotonie. Viele dieser Nebenwirkungen<br />

entstehen wegen der unspezifischen Wirkungen von IL-2 auf das Immunsystem. So induziert IL-2<br />

zum Beispiel entzündungsfördernde Zytokine, von welchen man annimmt, dass sie eine wichtige<br />

Rolle in der Toxizität von IL-2 spielen. Obwohl die Nebenwirkungen oft mit einer entsprechenden<br />

Therapie unter Kontrolle gebracht werden können, wird nach Mitteln <strong>und</strong> Anwendungsarten<br />

gesucht, die die Sicherheit dieses Wirkstoffes erhöhen. Eine davon ist zum Beispiel die<br />

subkutane Verabreichung (2–30 Millionen IE/m 2 /Tag jede Woche an 5–6 Tagen), welche leider<br />

Die<br />

Ansprechraten<br />

auf IL-2-<br />

Mono<strong>the</strong>rapie<br />

betragen<br />

15–25% bei<br />

Melanom-<br />

Patienten . . .<br />

. . . IL-2 induziert<br />

entzündungsfördernde<br />

Zytokine, von<br />

welchen man<br />

annimmt, dass sie<br />

eine wichtige<br />

Rolle in der<br />

Toxizität von IL-2<br />

spielen.<br />

6.29


6<br />

1.0<br />

0.9<br />

Vollremission (n=21)<br />

0.8<br />

7.0<br />

Remissionsrate<br />

6.0<br />

5.0<br />

4.0<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

Teilremission (n=22)<br />

0<br />

0 12 24 36 48 60 72 84 96 108 120 132 144<br />

Zeit (Monate)<br />

Abbildung 6.14. Vollremission auf die IL-2-Therapie bei Nierenzellkarzinom-Patienten ist oft von<br />

langer Dauer. Reproduziert mit Erlaubnis von Rosenburg et al. Ann Surg 1998; 228:307–19.<br />

bis jetzt nicht die gleiche Wirksamkeit wie die Hochdosis-Anwendung erzielt hat, dafür aber<br />

besser verträglich ist, oder die kontinuierliche intravenöse Infusion<br />

(7’000–50’000 IE/kg/St<strong>und</strong>e), welche offenbar bei niedrigeren Dosen eine reduzierte<br />

Wirksamkeit hat, <strong>und</strong> bei höheren Dosen zwar die gleich gute Wirkung, aber auch die gleich<br />

starke Toxizität zeigt.<br />

Tabelle 6.5. Nebenwirkungen der IL-2-Therapie.<br />

Vascular leak syndrome (generalisierte Ödeme, Gewichtszunahme, pulmonale Stauung,<br />

Hypotonie, Pleuraerguss, Aszites)<br />

Fieber <strong>und</strong> Schüttelfröste<br />

Beeinträchtigte kardiale Funktion<br />

Nierentoxizität<br />

Appetitlosigkeit<br />

Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen<br />

Durchfall<br />

Glossitis <strong>und</strong> Stomatitis<br />

Lebertoxizität<br />

Verhaltensveränderungen <strong>und</strong> Schlafstörungen<br />

Knochen- <strong>und</strong> Gelenkschmerzen<br />

Ery<strong>the</strong>m<br />

Anämie<br />

Infektion<br />

6.30


6<br />

Fallstudie – IL-2<br />

Peter Brown ist ein 46jähriger Mann, bei dem kürzlich ein Nierenzellkarzinom<br />

diagnostiziert wurde. Bei der Diagnosestellung wurden eine 6x10cm grosse Tumormasse<br />

an seiner rechten Niere <strong>und</strong> Metastasen in beiden Lungen festgestellt. Herr Brown wurde<br />

an einen Onkologen überwiesen, der ihm als beste Behandlung in seinem Stadium IL-2<br />

empfahl.<br />

Nach dem Gespräch mit dem Onkologen hatte Herr Brown ein Gespräch mit der<br />

Onkologie-Pflegefachfrau, welche mit ihm das Behandlungsschema <strong>und</strong> die zu<br />

erwartenden Nebenwirkungen besprach. Er wurde auch instruiert darüber, was er selber<br />

zu einem guten Gelingen dieses Behandlungszyklus beitragen könnte. Diese Ratschläge<br />

beinhalteten Informationen über die Nahrungs- <strong>und</strong> Flüssigkeitseinnahme, weil<br />

Appetitlosigkeit zu den häufigen Nebenwirkungen dieser Therapie gehört. Auch wurde<br />

ihm gesagt, wie er mit einer allfälligen Übelkeit umgehen könnte, <strong>und</strong> er wurde bezüglich<br />

Hautpflege beraten. Eine häufige Nebenwirkung von IL-2 ist trockene, schuppige Haut mit<br />

Juckreiz. Herr Brown erhielt eine pflegende Creme <strong>und</strong> eine wasserlösliche Pflegeseife.<br />

Diese helfen, die Haut gut befeuchtet zu erhalten <strong>und</strong> so W<strong>und</strong>sein, Hautrissen <strong>und</strong><br />

trockenem Schuppen vorzubeugen. Bei Juckreiz könnte eine feuchtigkeitsreiche Creme mit<br />

Menthol <strong>und</strong> ein Antihistaminikum verordnet werden.<br />

Bevor die Infusion von IL-2 begonnen wurde, wurden die Vitalzeichen wie Temperatur, Puls,<br />

Atemfrequenz, Blutdruck <strong>und</strong> zentraler Venendruck (ZVD) gemessen. Dies wurde alle vier<br />

St<strong>und</strong>en wiederholt. Zusätzlich wurden auch die Flüssigkeitseinnahme <strong>und</strong> die<br />

Ausscheidung gemessen <strong>und</strong> bilanziert. Der Patient wurde über die Wichtigkeit einer<br />

sorgfältigen Überwachung, um Nebenwirkungen früh feststellen <strong>und</strong> behandeln zu können,<br />

informiert.<br />

Bei Beginn der IL-2-Infusion bekam er ein orales nicht-steroidales entzündungshemmendes<br />

Medikament. Dies wird als Prophylaxe gegen Fieber eingesetzt <strong>und</strong> dem Patienten<br />

während der Behandlung weiterhin verabreicht. Ungefähr 2 St<strong>und</strong>en nach Beginn der<br />

Infusion begann er zu frieren <strong>und</strong> zu zittern. Die Temperatur betrug 36ºC. Das Zittern<br />

entwickelte sich zu einem Schüttelfrost. Als dieser mehr als 20 Minuten andauerte, bekam<br />

Herr Brown 12,5mg Pethidin i.v. Dies stoppte den Schüttelfrost schnell, <strong>und</strong> die Temperatur<br />

betrug nun 38,5ºC. Er erhielt 1g Parazetamol, um die Temperatur zu senken.<br />

An Tag 3 seiner Behandlung sah Herrn Browns Gesicht aufgedunsen aus <strong>und</strong> er beklagte<br />

sich darüber, dass sich seine Kleider eng anfühlten. Sein Körpergewicht war in den letzten<br />

24 St<strong>und</strong>en über 5% angestiegen <strong>und</strong> seine Flüssigkeitsbilanz zeigte, dass er eine<br />

Plusbilanz von 3 Litern hatte, mit einer verminderten Ausscheidungsmenge. Er war leicht<br />

hypoton (100/60mmHg) <strong>und</strong> tachycard bei 105 Schlägen pro Minute. Die ZVD-Messung<br />

ergab 1cmH 2 O (Normalwert 5–8cmH 2 O). Es wurde ein capillary leak syndrome<br />

diagnostiziert, welches einen Mangel an intravaskulärer Flüssigkeit zur Folge hatte. Seine<br />

aktuellen Bluttests wurden engmaschig kontrolliert <strong>und</strong> zeigten einen erhöhten<br />

Harnstoffwert <strong>und</strong> zu niedrige Serum-Albumin-Werte, was die Diagnose bestätigte. So<br />

wurden 200mL konzentrierte Albuminlösung (Albumin 20%) verordnet <strong>und</strong> über eine<br />

St<strong>und</strong>e inf<strong>und</strong>iert. Nachher betrug der ZVD 4,5cmH 2 O <strong>und</strong> der Blutdruck war auf 130/80<br />

gestiegen. Auch seine Urinausscheidung verbesserte sich anhaltend. Am Tag 5 war die<br />

Infusion beendet, ohne dass er noch weitere ernste Nebenwirkungen hatte.<br />

6.31


6<br />

Zusammenfassung<br />

IL-2 ist ein natürlich vorkommendes Zytokin mit einer Reihe von Wirkungen auf das<br />

Immunsystem. In Verbindung mit seiner Rolle als Therapeutikum gegen <strong>Krebs</strong> ist seine wichtigste<br />

Aufgabe die T-Zell-Aktivierung. T-Zellen sind bekannt dafür, dass sie in der Immunantwort auf<br />

gewisse Tumoren eine Rolle spielen. Diese Rolle ist jedoch dadurch limitiert, dass Tumorzellen<br />

nicht alle nötigen Komponenten der Immunantwort stimulieren können. Eine der fehlenden<br />

Komponenten ist IL-2.<br />

Die Anwendung von rekombinantem IL-2 stimuliert eine vollständige T-Zell-Antwort auf schwach<br />

immunogene Tumoren wie Melanome <strong>und</strong> Nierenzellkarzinome. Dies erbringt ein Ansprechen<br />

bei bis zu einem Viertel der Patienten, welches bei vielen Patienten länger anhaltend ist. Weil<br />

aber rekombinantes IL-2 dieselbe Wirkung hat wie natürliches IL-2, ist die Therapie mit vielen<br />

Nebenwirkungen verb<strong>und</strong>en. Diese stehen in Beziehung mit der Wirkung von IL-2 auf andere<br />

Zytokin-Signalwege <strong>und</strong> Komponenten des Immunsystems. Das Fehlen von Spezifität bedeutet,<br />

dass das Potential von rekombinantem IL-2 wegen der Dosis-Limitation wahrscheinlich noch<br />

nicht voll genutzt werden konnte. Trotzdem hat das rekombinante IL-2 eine signifikante <strong>und</strong><br />

nützliche Antikrebswirkung <strong>und</strong> spielt so eine wichtige Rolle in der Behandlung des<br />

Nierenzellkarzinoms.<br />

Fallstudie 3: Die monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie mit<br />

humanisiertem anti-HER2, einer Onkogen-spezifischen<br />

biologischen Antikrebssubstanz<br />

Das humanisierte<br />

anti-HER2<br />

Herceptin ® ist ein<br />

monoklonaler<br />

Antikörper <strong>und</strong><br />

wurde entwickelt,<br />

um auf das HER2-<br />

Onkogen<br />

einzuwirken.<br />

Das humanisierte anti-HER2 Herceptin ® ist ein monoklonaler Antikörper <strong>und</strong> wurde entwickelt,<br />

um auf das HER2-Onkogen einzuwirken. Von diesem ist bekannt, dass es mitwirkt in der<br />

Entwicklung einer ganzen Reihe von <strong>Krebs</strong>arten. Klinische Versuche haben gezeigt, dass<br />

Herceptin ® bei der Behandlung von HER2-positivem metastasierendem Mammakarzinom<br />

wirksam ist <strong>und</strong> eine signifikante Steigerung der Überlebensdauer bewirkt.<br />

Die Theorie für die gezielte Einwirkung auf HER2<br />

Wie in Kapitel 3 beschrieben, ist HER2 ein Proto-Onkogen, das für einen Rezeptor an der<br />

Zelloberfläche mit wachstumsstimulierender Aktivität kodiert. Die Amplifizierung dieses Gens<br />

<strong>und</strong> die darauf folgende Überexpression seines kodierenden Proteins (HER2 Positivität)<br />

geschieht früh in der Entwicklung des Brustkrebses, betrifft aber die normalen Zellen nicht.<br />

HER2-positive Zellen weisen viele Eigenschaften von Tumorzellen auf, wie zum Beispiel<br />

unkontrolliertes Zellwachstum, erhöhte DNA-Syn<strong>the</strong>se <strong>und</strong> erhöhtes Metastasierungspotential,<br />

wahrscheinlich aufgr<strong>und</strong> gesteigerter Wachstumssignale. Ungefähr 20% der Frauen mit<br />

Brustkrebs sind HER2-positiv. Sie haben:<br />

● eine schlechte Prognose mit reduzierter Gesamtüberlebensdauer<br />

. . . HER2 ist ein<br />

neues <strong>und</strong><br />

wichtiges<br />

<strong>the</strong>rapeutisches<br />

Ziel.<br />

● veränderte Ansprechbarkeit auf die normalerweise angewandten <strong>Therapien</strong> bei Brustkrebs,<br />

wie Anthrazykline <strong>und</strong> Tamoxifen.<br />

Diese Beobachtungen zeigen, dass HER2-Positivität eine Schlüsselrolle in der Pathogenese von<br />

Brustkrebs einnimmt. Das Blockieren der Aktivität des HER2-Gens in Tumorzellen hat ziemlich<br />

wahrscheinlich direkte Antikrebs-Wirkung <strong>und</strong> beeinflusst dabei die normalen Zellen nicht. So<br />

ist HER2 ein neues <strong>und</strong> wichtiges <strong>the</strong>rapeutisches Ziel.<br />

6.32


6<br />

Die Entwicklung der HER2-spezifischen gezielten Therapie<br />

Bevor Herceptin ® entwickelt wurde, hatten schon zahlreiche Studien gezeigt, dass monoklonale<br />

Antikörper gegen HER2 das Wachstum von Tumoren <strong>und</strong> Zellen, welche hohe Mengen von<br />

HER2 exprimierten, verhindern konnten. So war es eine wohlüberlegte Strategie, monoklonale<br />

Antikörper gegen HER2 zu entwickeln. Dieser von den Mäusen kommende monoklonale<br />

Antikörper 4D5 zeigte eine antiproliferative Wirkung spezifisch auf HER2-positive Zellen; HER2-<br />

negative Zellen waren unsensibel auf 4D5. Aber 4D5 ist ein Mäuse-Antikörper, <strong>und</strong> wie in<br />

Kapitel 5 beschrieben wird, werden diese Antikörper vom menschlichen Immunsystem als fremd<br />

erkannt <strong>und</strong> neutralisiert. Es musste ein Weg gef<strong>und</strong>en werden, diese Immunantwort zu<br />

überwinden.<br />

So wurden rekombinante DNA-Techniken angewandt, um von 4D5 alles ausser der Sequenz,<br />

welche HER2 erkennt, durch menschliche Sequenzen zu ersetzen (siehe Abbildungen 6.2 <strong>und</strong><br />

6.3). Der humanisierte monoklonale Antikörper ist bekannt als rekombinanter humaner<br />

monoklonaler Antikörper (rhaMab) HER2, Trastuzumab oder Herceptin ® <strong>und</strong> ist zu 95%<br />

menschlich <strong>und</strong> nur zu 5% von der Maus. Dies überwindet das Problem der Immunantworten,<br />

weil der monoklonale Antikörper nicht länger als fremdes Protein erkannt wird. Herceptin ® :<br />

● bindet dreimal stärker an HER2 als 4D5<br />

● beugt der Proliferation von HER2-positiven Zelllinien wirksam vor<br />

● beeinflusst die Proliferation von HER2-negativen Zelllinien nicht<br />

● verhindert HER2-positives Tumorwachstum in 50% bei Mäusen<br />

● verstärkt die Wirkung chemo<strong>the</strong>rapeutischer Mittel, dank positiver Interaktionen zwischen<br />

dem Aktionsmechanismus von Herceptin ® <strong>und</strong> diesen Mitteln.<br />

Die Auswahl von Patienten für die Herceptin ® -Therapie<br />

Die präklinischen Erfahrungen haben gezeigt, dass Herceptin ® nur bei HER2-positiven Zellen<br />

wirkt. Dies zeigt, dass Herceptin ® auch nur gegen HER2-positive Tumoren wirksam sein kann,<br />

<strong>und</strong> führt so das Konzept der speziell auf bestimmte Tumoren zielenden Behandlungen in die<br />

klinische Praxis ein. Dies verlangte nach einer Technik, die HER2-positiven Tumoren zu<br />

erkennen, weil vermutlich nur sie auf Herceptin ® ansprechen würden. Den HER2-Status zu<br />

ermitteln gehört also zur Voraussetzung für eine Therapie mit Herceptin ® . Dies ist wichtig, weil<br />

genau das die Herceptin ® -Therapie wesentlich von einer Therapie mit Filgrastim oder IL-2<br />

unterscheidet, bei denen es nicht nötig ist, bei der Patienten-Selektion nach einem spezifischen<br />

Onkogen zu suchen. Die Techniken, um den HER2-Status zu ermitteln, sind Immunohistochemie<br />

(IHC) <strong>und</strong> Fluoreszenz in-situ Hybridisierung FISH (siehe Kapitel 5).<br />

Die präklinischen<br />

Erfahrungen<br />

haben gezeigt,<br />

dass Herceptin ®<br />

nur bei HER2-<br />

positiven Zellen<br />

wirkt.<br />

6.33


6<br />

Frühe klinische<br />

Versuche mit<br />

Herceptin ® . . .<br />

zeigten, dass ein<br />

Ansprechen des<br />

Tumors erreicht<br />

werden konnte<br />

<strong>und</strong> dass die<br />

Behandlung gut<br />

toleriert wurde.<br />

Klinische Erfahrung mit Herceptin ®<br />

Frühe klinische Versuche mit Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> in Kombination mit Cisplatin bei<br />

Frauen mit vorbehandeltem HER2-positivem metastasierendem Mammakarzinom zeigten, dass<br />

ein Ansprechen des Tumors erreicht werden konnte <strong>und</strong> dass die Behandlung gut toleriert<br />

wurde. Weiter entwickelten die Patientinnen keine neutralisierenden Antikörper auf Herceptin ® .<br />

Diese Studien waren die Gr<strong>und</strong>lage für die Einführung grösserer klinischer Studien von<br />

Herceptin ® . Zwei Hauptstudien sind mittlerweile durchgeführt worden:<br />

● eine Phase II Studie von Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie bei Frauen mit HER2-positivem<br />

Brustkrebs, welche schon eine oder zwei Chemo<strong>the</strong>rapie-Zyklen für die metastasierende<br />

Erkrankung erhalten hatten (H0649g)<br />

● eine randomisierte Phase III Studie von Paclitaxel oder Anthrazyklin/Cyclophosphamid mit<br />

oder ohne Herceptin ® als Erst<strong>the</strong>rapie bei HER2-positivem metastasierendem<br />

Mammakarzinom (H0648g).<br />

Bei der ersten dieser Studien erbrachte Herceptin ® Ansprechraten von 18% respektive 21% bei<br />

Patientinnen, welche stark HER2-positiv in der IHC respektive HER2-positiv in der FISH waren.<br />

Die Überlebensdauer betrug in beiden Fällen 16,4 Monate (Abbildung 6.15).<br />

1.0<br />

Wahrscheinlichkeit<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

n=166<br />

16,4 Monate<br />

0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45<br />

Zeit (Monate)<br />

Abbildung 6.15. Die Überlebensdauer stark HER2-positiver Brustkrebspatientinnen mit Metastasen,<br />

welche mit Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie behandelt wurden.<br />

. . . Herceptin ®<br />

steigerte die<br />

Überlebensdauer<br />

bis zu 45% . . .<br />

Bei der Phase III Studie wurde gezeigt, dass die Kombination von Herceptin ® mit<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie die Resultate signifikant verbesserte. Es wurden Ansprechraten bis zu 60%<br />

beobachtet. Speziell beachtenswert war, dass Herceptin ® die Überlebensdauer bis zu 45%<br />

steigerte (Abbildung 6.16). Eine solche Steigerung der Überlebensdauer war seit Jahren mit<br />

einer neuen Therapie für metastasierendes Mammakarzinom nicht mehr beobachtet worden.<br />

Damit konnte man beweisen, dass eine auf HER2 zielende Antikrebs-Strategie sehr effektiv war.<br />

Wie oben beschrieben, hat die IL-2-Therapie zwar eine Antikrebs-Wirkung, aber auch sehr<br />

viele Nebenwirkungen. Im Gegensatz dazu sind die Nebenwirkungen von Herceptin ® mild:<br />

schwaches bis mittleres Fieber <strong>und</strong> Frösteln, was bei der ersten Dosis bei etwa 40% der<br />

Patientinnen vorkommt (Abbildung 6.17). Andere Nebenwirkungen sind meist leicht, kommen<br />

nur selten vor <strong>und</strong> treten ebenfalls nur im Zusammenhang mit der ersten Anwendung auf. Im<br />

Gegensatz zu der unspezifischen Wirkung von Chemo<strong>the</strong>rapeutika, die viele Nebenwirkungen<br />

wie schwere Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen, Haarausfall oder Veränderungen des Blutbilds auslösen,<br />

verursacht Herceptin ® keine solchen Nebenwirkungen.<br />

6.34


6<br />

Wahrscheinlichkeit der Überlebenszeit<br />

1.0<br />

Herceptin ® + CT<br />

0.8<br />

CT alleine<br />

p


6<br />

…Herceptin ® wird<br />

heute in der<br />

Behandlung von<br />

Frauen mit stark<br />

HER2-positivem<br />

metastasierendem<br />

Mammakarzinom<br />

anerkannt…<br />

Dank dieser Erkenntnisse wird Herceptin ® heute in der Behandlung von Frauen mit stark HER2-<br />

positivem metastasierendem Mammakarzinom anerkannt:<br />

● als Erstlinien<strong>the</strong>rapie in Kombination mit Paclitaxel<br />

● als Mono<strong>the</strong>rapie bei Frauen, welche zuerst Anthrazykline <strong>und</strong> Taxane erhalten haben.<br />

Fallstudie – Herceptin ®<br />

Am 28 April 1996 erhielt Gill Harris, eine 36jährige verheiratete Frau mit Brustkrebs, die<br />

Mitteilung, dass ihre <strong>Krebs</strong>erkrankung nicht auf die Chemo<strong>the</strong>rapie angesprochen hatte.<br />

Sie war durch diesen Bescheid völlig aufgewühlt <strong>und</strong> zerstört. Da dies schon die<br />

Zweitlinien<strong>the</strong>rapie gewesen war, waren ihre Therapie-Optionen für eine wirksame<br />

Behandlung minimal. Verständlicherweise war sie schockiert <strong>und</strong> verharrte in einem<br />

Zustand der eingeschränkten Kommunikation. Sie hasste es, ins Spital zu kommen, krank<br />

zu sein <strong>und</strong> hasste sich selber. Sie wollte nur zu Hause sein, ihr dreieinhalbjähriges Kind<br />

versorgen <strong>und</strong> die Freuden des Familienlebens geniessen.<br />

Zu dieser Zeit führte Genentech Inc. eine multinationale Phase III Studie des<br />

rekombinanten, humanisierten anti-HER2 monoklonalen Antikörpers Herceptin ® bei<br />

Brustkrebs-Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren durch, welche nach zwei aufeinander<br />

folgenden Chemo<strong>the</strong>rapiezyklen ein Rezidiv erlitten hatten.<br />

Nachdem sie über diese Studie informiert worden war, wurde ihr ein Informationsblatt mit<br />

nach Hause gegeben, das sie mit ihrem Ehemann lesen sollte. Es wurde ihr mitgeteilt, dass<br />

sie in der darauf folgenden Woche mit all ihren Fragen zurückkehren sollte, <strong>und</strong> dass bis<br />

dann auch ihr HER2-Status bekannt sein würde.<br />

Das histopathologische Institut diagnostizierte das Brustgewebe von Frau Harris als stark<br />

HER2-positiv.<br />

Frau Harris kehrte die folgende Woche mit vielen Fragen zurück, vor allem mit Fragen<br />

über den Behandlungsablauf <strong>und</strong> wie sie diesen mit ihrem Familienleben in<br />

Übereinstimmung bringen könnte. Sie war weiterhin gefühlsmässig in einem Tief <strong>und</strong> nicht<br />

sehr gesprächsbereit. Klinisch war ihr Karnofsky Performance Status (KPS) 80%, <strong>und</strong> trotz<br />

der schweren Erkrankung mit mehreren Knochen-Metastasen an verschiedenen Stellen, mit<br />

Hautmetastasen an der Brustwand <strong>und</strong> drei grossen Bef<strong>und</strong>en in der Leber waren ihre<br />

einzigen Symptome eine leichte Müdigkeit <strong>und</strong> eine depressive Stimmung mit häufigen<br />

negativen Gedanken über die Zukunft. Es wurde ihr eine psychologische Beratung<br />

angeboten, aber sie lehnte eine solche ab.<br />

Nachdem sie in die Behandlung eingewilligt hatte, bekam Frau Harris am folgenden Tag<br />

einen Behandlungstermin. Man sagte ihr, dass die möglichen Nebenwirkungen bei der<br />

ersten Therapie Frösteln <strong>und</strong>/oder Schüttelfrost wären, <strong>und</strong> dass sie mit einer<br />

Behandlungsdauer von mindestens eineinhalb St<strong>und</strong>en rechnen müsse.<br />

Als sie am Behandlungstag in der Tagesklinik erschien, war sie verständlicherweise nervös.<br />

Es wurde ihr aber versichert, dass immer eine Pflegende anwesend sein würde. Als<br />

Prämedikation erhielt sie eine St<strong>und</strong>e vor der Infusion 1g Parazetamol. Ihre Vitalzeichen<br />

wurden gemessen <strong>und</strong> waren normal. Sie wurde eingeladen, sich während der<br />

Infusions<strong>the</strong>rapie bequem auf ein Bett zu legen.<br />

6.36


6<br />

Um 15 Uhr wurde das Herceptin ® , das in 250mL physiologischer Kochsalzlösung gelöst<br />

war, durch ein Y-Stück an die Infusionsleitung angeschlossen. An der anderen Zuleitung<br />

war ein Beutel mit 500mL Kochsalzlösung angeschlossen, die als Spülung dienen sollte.<br />

Die Infusion wurde in einer solchen Geschwindigkeit gestartet, dass sie über 90 Minuten<br />

einlaufen sollte. Nach 20 Minuten fühlte sich Frau Harris sehr kalt <strong>und</strong> ihre Temperatur<br />

senkte sich auf 35ºC. Die Herceptin ® -Infusion wurde gestoppt <strong>und</strong> nur noch Spüllösung<br />

inf<strong>und</strong>iert. Die Patientin bekam eine zusätzliche Wolldecke, um das Kältegefühl zu lindern.<br />

Trotzdem begann sie zu zittern <strong>und</strong> klagte über zunehmendes Frieren. Nach 5 Minuten<br />

wurde das Zittern intensiver <strong>und</strong> generalisierter. Sie bekam 12,5mg Pethidin i.v. Fünf<br />

Minuten später dauerte der Schüttelfrost immer noch an <strong>und</strong> es wurden weitere 12,5mg<br />

Pethidin verabreicht. Einige Minuten später nahm dann der Schüttelfrost langsam ab <strong>und</strong><br />

verschwand allmählich ganz. Nach 30 Minuten Pause wurde die Herceptin ® -Infusion<br />

wieder gestartet <strong>und</strong> in 1 St<strong>und</strong>e <strong>und</strong> 10 Minuten zu Ende inf<strong>und</strong>iert. Temperatur, Puls,<br />

Respiration <strong>und</strong> Blutdruck wurden alle 30 Minuten während der Behandlung <strong>und</strong> bis eine<br />

St<strong>und</strong>e nach der Behandlung gemessen.<br />

Der Ehemann holte die Patientin ab <strong>und</strong> es wurde beiden versichert, dass bei den<br />

folgenden wöchentlichen Behandlungen mit der halben Dosis dieselben Symptome<br />

wahrscheinlich nicht mehr auftreten würden.<br />

Bis zur Woche 3 veränderte sich Frau Harris von einer nie lächelnden, stillen Pessimistin zu<br />

einer glücklichen, vergnügten Person mit einem grossen Lebensenthusiasmus. Ihr KPS stieg<br />

von 80% auf 100% an. Nun waren die Hautläsionen zwar noch sichtbar, aber nicht mehr<br />

messbar.<br />

Nach 8 Wochen wurden alle messbaren Metastasen geprüft <strong>und</strong> als auf Herceptin ®<br />

ansprechend beurteilt. Die Hautläsionen waren kaum mehr sichtbar <strong>und</strong> die Leberbef<strong>und</strong>e<br />

waren um mehr als 50% kleiner geworden, was als Teilremission gewertet werden konnte.<br />

Die Knochenmetastasen waren stabil.<br />

Bis Woche 16 waren alle Hautläsionen <strong>und</strong> zwei der Lebermetastasen komplett<br />

verschw<strong>und</strong>en. Frau Harris war überglücklich. Sie hatte kürzlich wieder zu arbeiten<br />

begonnen <strong>und</strong> der ganzen Familie ging es gut.<br />

In Woche 36 fühlte Frau Harris einen leichten Knochenschmerz in der rechten Hüfte.<br />

In Woche 48 zeigte ein Ultraschall der Knochen neue Knochenmetastasen, was auf eine<br />

Progredienz der Krankheit schliessen liess. Das Herceptin ® wurde gestoppt. Die Patientin<br />

bekam palliative Radio<strong>the</strong>rapie an den Stellen, wo sie Knochenschmerzen hatte.<br />

Später bekam sie Hirnmetastasen <strong>und</strong> starb auf tragische Weise im November 1997.<br />

Obwohl diese Geschichte ein trauriges Ende hat, müssen wir annehmen, dass der Nutzen<br />

der Herceptin ® -Therapie für die Patientin <strong>und</strong> ihre Familie sehr hoch war. Erstens hatte<br />

Herceptin ® sichtbare Wirkung auf die Metastasen, <strong>und</strong> weil die Krankheitsherde kleiner<br />

wurden, stiegen die Energiereserven der Patientin sichtbar. Zweitens verspürte Frau Harris,<br />

ausser dem Schüttelfrost bei der ersten Dosis, keine andern Nebenwirkungen. Sie hatte<br />

keinen Haarverlust, keine Übelkeit, keine Müdigkeit, alles Symptome, die bei Patienten mit<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie häufig sind.<br />

Am wichtigsten aber war sicher die Lebensqualität, welche Frau Harris <strong>und</strong> mit ihr der<br />

ganzen Familie während fast einem Jahr geschenkt war. So wird die Tochter, auch wenn<br />

6.37


6<br />

sie den Schmerz des Verlustes der Mutter erfahren hat, eine gute Erinnerung an ihre Mutter<br />

haben, wie sie sie lächelnd <strong>und</strong> in gutem Zustand an ihrem ersten Schultag zur Schule<br />

brachte.<br />

Zusammenfassung<br />

Herceptin ® hat eine direkte Antitumor-Wirkung gegen eine spezifische Zellpopulation: jene, die<br />

HER2-positiv ist. Weil normale Zellen nicht HER2-positiv sind, heisst das, dass Herceptin ® nur<br />

gegen HER2-positive Tumorzellen wirkt. Dies hat Folgen für die Behandlung von Patienten.<br />

Die genaue<br />

Auswahl der<br />

richtigen<br />

Patienten bewahrt<br />

diese davor, einer<br />

unnützen<br />

Therapie<br />

ausgesetzt zu<br />

werden <strong>und</strong><br />

gewährleistet<br />

einen optimalen<br />

Einsatz von<br />

Herceptin ® .<br />

Bei allen <strong>Krebs</strong>patienten, bei denen man eine Herceptin ® -Therapie in Betracht zieht, muss zuerst<br />

der HER2-Status ihres Tumors bestimmt werden. Nur die Tumoren, die stark HER2-positiv sind,<br />

sind für die Therapie geeignet. So werden nur die Patienten mit Herceptin ® <strong>the</strong>rapiert, bei<br />

denen es auch wahrscheinlich ist, dass sie darauf ansprechen. Die genaue Auswahl der<br />

richtigen Patienten bewahrt diese davor, einer unnützen Therapie ausgesetzt zu werden <strong>und</strong><br />

gewährleistet einen optimalen Einsatz von Herceptin ® . Herceptin ® wird normalerweise, wegen<br />

seiner Tumor-Spezifität, gut vertragen.<br />

Diese Art von zielgerichteter Therapie ist eine neue Entwicklung in der <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie mit<br />

biologischen Wirkstoffen. <strong>Therapien</strong> wie Filgrastim <strong>und</strong> IL-2 haben offensichtlich eine wichtige<br />

Aufgabe in der wirksamen Behandlung einer Reihe von Tumorarten. Das Potential von<br />

Interleukinen <strong>und</strong> Interferonen ist noch nicht voll ausgeschöpft. Jedoch haben alle diese<br />

Wirkstoffe generalisierte stimulierende Wirkungen auf das Immunsystem <strong>und</strong> haben so eher<br />

Antitumor-Aktivität als spezifische Antitumor-Wirkung. Im Gegensatz dazu haben Stoffe wie<br />

Herceptin ® direkte <strong>und</strong> gezielte Antitumor-Wirkung. Solche gezielten Wirkstoffe sind ein<br />

Fortschritt in der Entwicklung biologischer <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> dieser Fortschritt baut auf den<br />

Erkenntnissen auf, die durch die Anwendung unspezifischer biologischer Wirkstoffe gewonnen<br />

wurden.<br />

Schlussfolgerungen<br />

<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> weisen ein hohes Potential an Wirksamkeit <strong>und</strong> Verträglichkeit auf. Sie<br />

wurden in den vergangenen Jahrzehnten intensiv erforscht. Viele der Fortschritte sind das<br />

Resultat der rekombinanten DNA-Technik, die es ermöglichte, die genetische Struktur der Zellen<br />

zu manipulieren. Dies hat die Manipulation von Viren <strong>und</strong> Plasmiden ermöglicht, so dass<br />

<strong>Krebs</strong>antigene gebildet werden konnten, die eine Immunantwort zu stimulieren vermögen. Die<br />

in-vitro-Produktion grosser Mengen von reinen Zytokinen, Antikörpern <strong>und</strong> andern<br />

Immunmolekülen wurde möglich, genauso wie die gentechnische Herstellung menschlicher<br />

Zellen, welche wiederum eine Immunantwort auf einen Tumor zu stimulieren vermögen.<br />

Obwohl sehr viele Wirkstoffe als Antikrebs<strong>the</strong>rapeutika untersucht wurden, werden bis heute<br />

erst Zytokine <strong>und</strong> monoklonale Antikörper in der klinischen Praxis angewandt. Es ist zu<br />

beachten, dass die Wirkung der Zytokine nicht auf Tumorzellen beschränkt ist, sondern dass sie<br />

das Immunsystem stimulieren <strong>und</strong> auch andere als die zur Antikrebs-Aktivität erwünschten<br />

Wirkungen haben. Dies zeigt sich an den vielen Nebenwirkungen, die mit Zytokin-<strong>Therapien</strong><br />

einhergehen <strong>und</strong> an ihrer breiten Anwendung bei vielen andern Krankheiten.<br />

Im Gegensatz dazu haben monoklonale Antikörper Wirkung auf ein ganz bestimmtes Antigen.<br />

Mit zunehmenden Erkenntnissen der Tumor-Biologie wurde erkannt, dass viele Tumorzellen<br />

6.38


6<br />

Anomalien aufweisen, die für die Onkogenese verantwortlich sind <strong>und</strong> die in normalen Zellen<br />

nicht vorhanden sind. Dies stützt das Konzept, dass ein gezieltes Einwirken auf diese<br />

Anomalien ein wirkungsvolles Mittel zur Tumor-Zerstörung oder Suppression sein würde. Die<br />

Entwicklung des chimerischen Antikörpers MabThera ® <strong>und</strong> des humanisierten anti-HER2<br />

monoklonalen Antikörpers Herceptin ® zeigten, dass dieses Konzept klinischen Nutzen bringen<br />

kann.<br />

Herceptin ® <strong>und</strong> MabThera ® sind wahrscheinlich nur die ersten einer neuen Generation von<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapien, die die Behandlung auf der individualisierten Basis spezifischer<br />

Tumorcharakteristika erlauben. Eine Folge dieses Trends wird es sein, dass spezifische Tests zur<br />

Identifikation von Tumorcharakteristika entwickelt <strong>und</strong> angewandt werden, so dass die am<br />

wahrscheinlichsten wirksame Therapie ausgewählt werden kann. Zudem werden die Patienten<br />

davon profitieren, dass gezielte <strong>Therapien</strong> längere Überlebenszeiten ermöglichen <strong>und</strong> die<br />

Nebenwirkungen weniger intensiv sind.<br />

Herceptin ® <strong>und</strong><br />

MabThera ® sind<br />

wahrscheinlich<br />

nur die ersten<br />

einer neuen<br />

Generation von<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapien,<br />

die<br />

die Behandlung<br />

auf der<br />

individualisierten<br />

Basis spezifischer<br />

Tumor-<br />

Charakteristika<br />

erlauben.<br />

6.39


6<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Geben Sie zwei Gründe an, weshalb biologische Methoden für die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />

entwickelt <strong>und</strong> benützt werden, indem Sie ihre potentiellen Vorteile gegenüber<br />

konventionellen <strong>Therapien</strong> beschreiben.<br />

2. Geben Sie in der unten stehenden Tabelle an, welche biologische Therapie den ebenfalls<br />

unten beschriebenen Wirkungseffekt A-G hat. Als Beispiel ist die Zytokin-Therapie<br />

aufgeführt.<br />

Therapie<br />

Zytokin-Therapie<br />

Antikörper-basierte Therapie<br />

<strong>Krebs</strong>-Impfung<br />

Gen-Therapie<br />

Zell-basierte Therapie<br />

Wirkungsweisen<br />

A, E, F, G<br />

A. Tötet <strong>Krebs</strong>zellen ab<br />

B. Unterbricht oder kontrolliert Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen<br />

C. Verändert das Wachstums-Verhalten von <strong>Krebs</strong>zellen<br />

D. Blockiert Prozesse, die zur Umwandlung einer normalen Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle führen<br />

E. Steigert die Fähigkeit des Körpers, eine normale Zelle, die durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder<br />

Bestrahlung geschädigt oder zerstört worden ist, zu reparieren oder zu ersetzen.<br />

F. Steigert die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem<br />

G. Erhöht die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen, <strong>und</strong> fördert<br />

so die Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen.<br />

3. Erklären Sie den Unterschied zwischen gezielten (spezifischen) <strong>und</strong> nicht-gezielten<br />

(unspezifischen) biologischen <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> erörtern Sie die Vorteile der gezielten<br />

<strong>Therapien</strong>.<br />

4. Zytokine sind verantwortlich für die normale Funktion von diversen physiologischen<br />

Prozessen, welche das Ergebnis oder Teil einer Immunreaktion sind. Definieren Sie, was ein<br />

Zytokin ist <strong>und</strong> geben Sie vier Beispiele der Prozesse, die sie beeinflussen.<br />

5. Erklären Sie, warum die Humanisierung von Antikörpern so wichtig ist für ein höheres<br />

<strong>the</strong>rapeutisches Potential.<br />

6. Beschreiben Sie drei mögliche Wirkungsweisen monoklonaler Antikörper, durch welche sie<br />

ihre Antikrebs-Wirkung entfalten.<br />

7. Zählen Sie die Phasen in der Entwicklung einer biologischen Therapie auf, indem Sie die<br />

Faktoren beschreiben, die einen bestimmten biologischen Marker zu einem attraktiven<br />

<strong>the</strong>rapeutischen Angriffsziel machen.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.12.<br />

6.40


Die Zukunft der biologischen <strong>Therapien</strong><br />

7<br />

Einführung<br />

Die aktuelle Forschung beschert uns einen kontinuierlichen Fluss von Informationen über die<br />

genetischen Gr<strong>und</strong>lagen von <strong>Krebs</strong>. Diese Erkenntnisse wurden zuerst bei der Anwendung<br />

unspezifischer <strong>Therapien</strong>, wie rekombinanter Interleukine <strong>und</strong> Interferone in der Behandlung<br />

von Melanomen <strong>und</strong> Nierenzellkarzinomen, umgesetzt. Wie aber der Erfolg der gezielten<br />

Therapie mit Herceptin ® für die Behandlung HER2-positiver Mammakarzinome <strong>und</strong> mit<br />

MabThera ® beim Non-Hodgkin-Lymphom beweist, eröffnet sich ein weites Gebiet für neue<br />

massgeschneiderte <strong>Therapien</strong>. Die genetische Charakterisierung von Tumoren wird unser<br />

Verständnis für das unterschiedliche Verhalten von Tumoren erweitern <strong>und</strong> so auf spezifische<br />

Tumoren massgeschneiderte <strong>Therapien</strong> möglich machen. Diese Individualisierung wird bei der<br />

Behandlung von <strong>Krebs</strong>patienten sicher Fortschritte durch verbesserte Wirksamkeit <strong>und</strong><br />

verminderte Toxizität bringen.<br />

Die Aussicht auf die Entwicklung existierender sowie neuer biologischer <strong>Therapien</strong> ist viel<br />

versprechend. Viele Strategien bedürfen noch beträchtlicher Fortschritte, bevor sie klinisch<br />

wirksam werden können, wie zum Beispiel die Zell-basierte Therapie, die Gen<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong><br />

<strong>Krebs</strong>impfungen. Andere Methoden, wie zum Beispiel die Therapie mit monoklonalen<br />

Antikörpern haben bereits Wirksamkeit gezeigt, aber ihre Anwendung steckt noch in den<br />

Anfängen. Dabei ist eine mögliche Methode, die Einwirkung auf die Angiogenese im Tumor,<br />

noch gar nicht berücksichtigt. Diese basiert auf dem Prinzip, dass Tumore wachsen können,<br />

weil sie in der Lage sind, selber ein Blutversorgungssystem aufzubauen.<br />

In diesem Kapitel werden einige dieser Möglichkeiten im Detail beschrieben, um das Potential<br />

solcher biologischer <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien aufzuzeigen:<br />

● genetische Charakterisierung von Tumoren<br />

● weitere Entwicklung bereits bestehender Methoden<br />

● neue Möglichkeiten: Wirkstoffe zur Anti-Angiogenese.<br />

7.1


7<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Es ist bekannt, dass Tumoren durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen entstehen.<br />

Beschreiben Sie, welche Methoden angewandt werden könnten, um Kombinationen<br />

verschiedener genetischer Veränderungen in einem Tumor zu erkennen.<br />

2. Beschreiben Sie die praktischen klinischen Auswirkungen von Gen-Expressions-Profilen.<br />

3. Fügen Sie die am meisten zutreffende Aussage in die unten folgenden Sätze ein.<br />

Zell-Signalwege <strong>und</strong> Signal-Transduktion<br />

das Studium der Gen-Expression<br />

Tausende von Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip<br />

Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-Netzwerken<br />

Strategien für die Zubereitung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong><br />

a) Proteomics ist das Studium von ……………………..…………..<br />

b) Die Protein-Expression in individuellen Zellen kann studiert werden, indem man ein Chip-<br />

System benützt, das im Wesentlichen ……………………………………….. aufweist.<br />

c) Der Vergleich von Protein-Expressionen zwischen Gewebsproben eines individuellen<br />

Patienten kann angewandt werden in der Entwicklung von ………………………..………<br />

d) Proteomics kann auf verschiedene Arten angewandt werden, zum Beispiel in Studien von<br />

………………………………………..<br />

e) Die Beziehungen zwischen Protein-Interaktionen <strong>und</strong> ihre Komplexität bedeuten, dass<br />

Proteomics wahrscheinlich mehr Wissen über die Zellfunktion hervorbringen wird, als<br />

………………………………………..<br />

4. Einige Fortschritte basieren auf der Weiterentwicklung existierender Methoden. Schlagen<br />

Sie je einen möglichen Weg vor, wie Zytokin-<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> Antikörper-<strong>Therapien</strong> verbessert<br />

werden könnten.<br />

7.2


7<br />

5. Die Angiogenese – die Bildung neuer Blutgefässe – ist entscheidend für das Tumor-<br />

Wachstum. Fügen Sie die jeweils passende Bezeichnung in das unten stehende Diagramm<br />

ein, welches die Schlüsselereignisse beschreibt, die zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong> zur<br />

Metastasierung führen.<br />

Angiogenese-Faktoren<br />

Metastase<br />

Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />

Proliferation <strong>und</strong> Invasion<br />

6. Erläutern Sie kurz die möglichen Auswirkungen, die biologische <strong>Therapien</strong> auf die Pflege<br />

<strong>und</strong> Betreuung der Patienten aus der Sicht einer Onkologie-Pflegenden haben könnten.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie auf Seite 8.14.<br />

7.3


7<br />

Die genetische Charakterisierung von Tumoren<br />

Tumoren sind<br />

bekannt dafür,<br />

dass sie multiple<br />

Genmutationen<br />

<strong>und</strong><br />

chromosomale<br />

Anomalien<br />

aufweisen, von<br />

denen viele zur<br />

Aggressivität des<br />

Tumors beitragen.<br />

Tumoren sind bekannt dafür, dass sie multiple Genmutationen <strong>und</strong> chromosomale Anomalien<br />

aufweisen, von denen viele zur Aggressivität des Tumors beitragen. Obwohl man bei gewissen<br />

Anomalien, wie der HER2-Überexpression/Amplifikation, weiss, dass sie eine wichtige Rolle in<br />

Bezug auf die Tumoreigenschaften spielen, ist anzunehmen, dass eine Kombination genetischer<br />

Defekte für das Verhalten eines bestimmten Tumors ausschlaggebend ist. Zudem können<br />

mehrere solche Defekte bei gewissen Tumoren in spezifischen Kombinationen auftreten.<br />

Bis vor kurzem war es nicht möglich, gleichzeitig nach mehreren genetischen Anomalien im<br />

Tumor zu suchen. Die Fortschritte in der Technologie haben es nun aber ermöglicht, eine grosse<br />

Anzahl von Genen zu durchsuchen, um festzustellen, wie sie in normalen <strong>und</strong> erkrankten Zellen<br />

exprimiert sind <strong>und</strong> um Anomalien, die im Zusammenhang mit der Krankheit stehen, zu<br />

identifizieren. Es ist anzunehmen, dass solche Gen-Expressions-Profile die bisherige<br />

<strong>Krebs</strong>diagnostik <strong>und</strong> die Entwicklung von <strong>Krebs</strong>medikamenten revolutionieren werden.<br />

Komplementäre DNA-Micro-Arrays<br />

Komplementäre DNA (cDNA) ist eine DNA, die von einer mRNA-Schablone syn<strong>the</strong>tisiert<br />

worden ist. Die cDNA kann verwendet werden, um Genom-DNA zu testen <strong>und</strong> so Gene zu<br />

identifizieren. Micro-Arrays sind Chips, welche bis zu 400’000–500’000 einzelne cDNAs<br />

enthalten. Mit der Anwendung dieser Micro-Arrays ist es möglich:<br />

● mutierte Gene in Tumorzellen zu identifizieren<br />

● die Expression buchstäblich Tausender von Genen in einem Tumor zu untersuchen, indem<br />

der mRNA-Gehalt von Tumorzellen untersucht wird<br />

● die Gen-Expression unter verschiedenen Konditionen, wie zum Beispiel unter Stimulation mit<br />

Wachstumsfaktoren oder medikamentöser Therapie, zu untersuchen.<br />

Die Fähigkeit, zu definieren, welche Gene durch einen Tumor exprimiert sind <strong>und</strong> unter welchen<br />

Umständen, <strong>und</strong> wie diese Expression sich im Laufe der Zeit verändert, birgt eine Reihe<br />

herausfordernder Auswirkungen in sich.<br />

● Prognose. In einem kürzlich erschienenen Bericht wurde mitgeteilt, dass ein Micro-Array mit<br />

18.000 cDNAs, die zur Identifikation von Genen bei der Entwicklung von normalen <strong>und</strong><br />

unnormalen Lymphozyten dienlich sind, zwischen zwei Untergruppen von grossen B-Zell-<br />

Lymphomen unterscheiden konnte. Eine davon hatte die charakteristische Gen-Expression<br />

von B-Zellen aus Lymphknoten <strong>und</strong> wies eine relativ gute Prognose auf. Die andere hatte die<br />

charakteristische Gen-Expression von aktivierten B-Zellen <strong>und</strong> die Prognose war relativ<br />

schlecht. Dieser prognostische Wert war unabhängig von der Standard-Messung der<br />

Prognose.<br />

● Tumor-Staging. Nachdem nun mehr Informationen über Veränderungen der Gen-Expression<br />

verfügbar werden, nimmt man an, dass diese einen Zusammenhang mit den verschiedenen<br />

Stadien in der Entwicklung eines Tumors haben. Dies ist einerseits prognostisch wichtig, weil<br />

das Tumorstadium im engen Zusammenhang mit der Prognose steht. Andererseits hat diese<br />

Information prädiktiven Wert, weil damit die Therapie individueller zugeschnitten werden<br />

kann.<br />

● Identifizieren <strong>the</strong>rapeutischer Ziele. Die rasche Identifikation von Genen <strong>und</strong> Mechanismen,<br />

die zur Tumorentstehung führen, wird die Entwicklung angepasster Medikamente mit Hilfe<br />

von Micro-Arrays fördern; z.B. durch Identifikation eines möglichen Faktors, der die<br />

7.4


7<br />

<strong>Krebs</strong>entstehung fördert <strong>und</strong> durch die Entwicklung eines <strong>the</strong>rapeutischen Mittels, das<br />

spezifisch mit diesem Faktor interagiert.<br />

● Massgeschneiderte Behandlung. Die Identifikation von Tumor-Subpopulationen mit<br />

charakteristischen Gen-Expressions-Profilen wird zu einer massgeschneiderten Therapie für<br />

den individuellen Patienten führen. So kann ein Micro-Array, der über mehr als 1’000<br />

Mutationen im Tumor-Suppressor-Gen p53 Auskunft gibt, den Ärzten wichtige Hinweise für<br />

die individuell zugeschnittene Therapie vermitteln.<br />

Der Einsatz von Micro-Arrays zur Unterscheidung der Gen-Expressions-Profile kann in allen<br />

Stadien der <strong>Krebs</strong>diagnose <strong>und</strong> -Behandlung nützlich sein. Gene sind aber nur durch die<br />

Proteine, für welche sie kodieren, aktiv. Protein-Interaktionen sind komplex <strong>und</strong> kontrollieren die<br />

Gen-Expression. Deshalb hat das Studium der Protein-Expression an Bedeutung gewonnen.<br />

Proteomics<br />

Proteomics ist das Studium der Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle des Protein-Netzwerks der Zelle.<br />

Die Protein-Expression ist dynamisch <strong>und</strong> wichtig für die Aufrechterhaltung der Zellfunktion,<br />

entsprechend der genetisch gesteuerten Vorgabe. Proteomics beschäftigt sich mit der Aktivität<br />

<strong>und</strong> Veränderung im Protein-Netzwerk.<br />

Das Untersuchen der Protein-Expression in individuellen Zellen ist ein komplexer Prozess, der<br />

erst kürzlich durch die Entwicklung der Laser-erfassten Mikrodissektion möglich wurde. Damit<br />

können reine Zellpopulationen von spezifischen mikroskopisch definierten Regionen eines<br />

Gewebes oder Tumors isoliert <strong>und</strong> auf Film übertragen werden, während ihre Morphologie<br />

intakt bleibt. Die Anwendung von Immuno-Assay-Protein-Arrays, bei welchen Tausende von<br />

Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip sind, hat die genaue Messung der<br />

zellulären Expression von Tausenden von Proteinen zur gleichen Zeit möglich gemacht.<br />

Proteomics ist das<br />

Studium der<br />

Form, Funktion<br />

<strong>und</strong> Kontrolle des<br />

Protein-Netzwerks<br />

der Zelle.<br />

Diese Techniken, die den cDNA-Micro-Arrays ähnlich sind, ermöglichen die Identifikation von<br />

Fluktuationen bei Proteinen in ges<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bösartigen Zellen <strong>und</strong> auch die Erkennung der<br />

Entwicklung vom prä-malignen zum malignen Stadium. Das Vergleichen der Proteinexpression<br />

zwischen mehreren Gewebsproben von einem einzelnen Patienten kann folgenden<br />

Erkenntnissen dienen:<br />

● neue biologische Erkenntnisse über die <strong>Krebs</strong>entwicklung<br />

● Hinweise für neue diagnostische <strong>und</strong> prognostische Marker<br />

● Strategien für massgeschneiderte <strong>Therapien</strong>.<br />

Ein Beispiel für die Anwendung von Proteomics ist das Studium der Signaltransduktion. Die<br />

Bindung eines Wachstumsfaktors an eine Zelle verursacht die Aktivierung <strong>und</strong> Modifikation des<br />

Zelloberflächen-Proteinrezeptors, <strong>und</strong> so geschieht die unmittelbare Antwort auf Protein-Ebene.<br />

Der Rezeptor muss dann die Information an den Zellkern weiterleiten, so dass die Zelle auf das<br />

Signal reagieren kann. Dieser Übermittlungsprozess schliesst oft die physikalische Bewegung<br />

von Proteinen mit ein. In diesem Moment, also erst wenn die Proteinsignale den Zellkern<br />

erreicht haben, geschieht die Gen-Antwort mit Höher- oder Tiefer-Regulierung der<br />

Gentranskription. Allerdings können die Rezeptor-Signalisierung <strong>und</strong> die Proteine, die<br />

Informationen übermitteln, durch andere Protein-Signalwege beeinflusst werden, die das<br />

Endresultat bezüglich Gentranskription verändern. Diese einfache Beschreibung zeigt bereits,<br />

dass Proteomics sehr wahrscheinlich detailliertere Informationen über die Zellfunktion liefern<br />

kann als das Studium der Genexpression.<br />

7.5


7<br />

Eine andere Anwendung von Proteomics ist das Studium der Auswirkungen von <strong>Therapien</strong> auf<br />

Die Analyse der<br />

cDNA Micro-<br />

Arrays hat schon<br />

gezeigt, dass<br />

Herceptin ®<br />

Veränderungen<br />

in den<br />

Genexpressions-<br />

Profilen von<br />

Tumoren bewirkt<br />

<strong>und</strong> dass diese<br />

Veränderungen<br />

anders sind als<br />

diejenigen, die<br />

durch einen<br />

Proteinkinase-<br />

Hemmer<br />

verursacht<br />

werden.<br />

die Zell-Signalwege. Zum Beispiel ist vom humanisierten monoklonalen Antikörper Herceptin ®<br />

bekannt, dass er die HER2-Signalwege verändert. Es ist jedoch momentan noch nicht genau<br />

bekannt, wie es zur klinischen Wirkung dieser Therapie kommt. Die Analyse der cDNA-Micro-<br />

Arrays hat schon gezeigt, dass Herceptin ® Veränderungen in den Genexpressions-Profilen von<br />

Tumoren bewirkt <strong>und</strong> dass diese Veränderungen anders sind als diejenigen, die durch einen<br />

Proteinkinase-Hemmer verursacht werden. Es ist jedoch nicht bekannt, wie dies mit der Protein-<br />

Signalisierung zusammenhängt. Dies ist das Ziel der Proteomics-Untersuchungen.<br />

Weiterentwicklung schon bestehender Methoden<br />

Aus der Beschreibung der verschiedenen Methoden, bei denen biologische Wirkstoffe zur<br />

<strong>Krebs</strong>behandlung eingesetzt werden, wird ersichtlich, dass weitere Entwicklungen <strong>und</strong><br />

Verfeinerungen nötig sind, um ihr volles Potential auszuschöpfen. Für einige Methoden braucht<br />

es ein besseres Verständnis darüber, wie die durch die Therapie beeinflussten Systeme<br />

funktionieren <strong>und</strong> welche physiologischen Mechanismen betroffen sind. Für andere, in der<br />

Praxis erfolgreich eingesetzte Methoden (wie zum Beispiel das gezielte Angreifen des HER2-<br />

Onkogens durch den humanisierten monoklonalen Antikörper Herceptin ® ), muss noch der<br />

optimale Gebrauch des Mittels definiert werden. Mögliche Entwicklungen jeder der in Kapitel 6<br />

beschriebenen Methoden werden unten aufgeführt.<br />

Zytokin-Therapie<br />

Bis heute wurde die Zytokin<strong>the</strong>rapie als Supportiv<strong>the</strong>rapie im Rahmen von Chemo<strong>the</strong>rapien<br />

angewandt, oder sie hatte generalisierte Wirkungen auf das Immunsystem, von denen nur<br />

einige wirklich für die Antitumor-Aktivität nötig sind. So konzentrieren sich viele aktuelle<br />

Forschungen darauf, Wege zu entwickeln, wie die Zytokin-Wirkung ausschliesslich auf den<br />

Tumor gelenkt werden könnte.<br />

Der einfachste Weg, die Zytokin-Wirkung auf den Tumor zu richten, ist, Zytokine direkt in den<br />

Tumor zu injizieren. Bei Interleukin-2 (IL-2) hat diese Methode bei einer Reihe von Tumoren eine<br />

Tumorregression <strong>und</strong> eine Verlangsamung des Wachstums bewirkt. Dieser Effekt geschieht dank<br />

der Anhäufung von Makrophagen <strong>und</strong> T-Zellen, obwohl bei Tierversuchen gezeigt wurde, dass<br />

auch nicht-T-Zell-Antworten eine Rolle spielen. Die intratumorale Injektion erzeugt eine Antigenspezifische<br />

Immunität, die auch zu Regressionen von fernen Metastasen führen kann. Eine<br />

weitere Verfeinerung dieser Methode ist der Gebrauch von Liposomen, Mikrosphären <strong>und</strong><br />

Mitteln mit Langzeit-Wirkung, um die <strong>the</strong>rapeutische Wirkung zu verlängern. Es ist auch<br />

möglich, Adenovirus-Vektoren herzustellen, welche Zytokine exprimieren. Diese können dann in<br />

Tumoren injiziert werden, was zu einer lokalen Freisetzung von Zytokinen führt.<br />

Eine andere Methode besteht darin, Tumorzellen genetisch so zu verändern, dass sie Zytokine<br />

wie IL-2, Interferon-α (IFN-α) <strong>und</strong> Kolonie-stimulierende Faktoren, oder auch die Kombinationen<br />

von mehr als einem dieser Wirkstoffe, exprimieren. Die Injektion solcher Zellen in den<br />

ursprünglichen Spender kann zur Tumorregression <strong>und</strong> zu einer systemischen Immunantwort<br />

führen, durch die sich auch andere Tumoren rückbilden können. Dies basiert wahrscheinlich<br />

darauf, dass Zytokin-exprimierende Tumorzellen eine zytotoxische T-Lymphozyten-Antwort<br />

auslösen.<br />

Schliesslich kann ein gezieltes Angreifen des Tumors auch mit der Bildung von Zytokin-Fusions-<br />

Proteinen erreicht werden. Der Fusions-Protein-Partner ist normalerweise ein Antikörper, der auf<br />

einen Marker ausgerichtet ist, welcher spezifisch von einem bestimmten Tumor exprimiert wird.<br />

Diese Methode ist bis jetzt aber erst im Tierversuch getestet worden.<br />

7.6


7<br />

Antikörper-Therapie<br />

Zusammen mit der Zytokin-Therapie sind Antikörper-<strong>Therapien</strong> bis heute die einzigen<br />

biologischen Antikrebs-<strong>Therapien</strong>, die klinisch Erfolg gezeigt haben. Zudem sind die Antikörper-<br />

<strong>Therapien</strong> MabThera ® <strong>und</strong> Herceptin ® die einzigen auf bestimmte Antigene zielenden<br />

<strong>Therapien</strong>, die im Moment klinisch zugelassen sind für die Antikrebs<strong>the</strong>rapie. Aber auch hier<br />

bleibt noch viel zu lernen, sowohl bei der Frage, wie Wirkstoffe für den klinischen Gebrauch<br />

ausgewählt werden, als auch bei der Optimierung der Anwendung solcher nachweislich<br />

klinisch wirksamer Mittel.<br />

Die gezielte Auswahl der <strong>Therapien</strong><br />

Die bereits existierenden Methoden der Antikörper-Produktion, vor allem die der Entwicklung<br />

humanisierter monoklonaler Antikörper, welche vom menschlichen Immunsystem als nicht-fremd<br />

erkannt werden, scheinen eine hohe Affinität für ihr Ziel entwickeln zu können. Dies zeigt sich in<br />

der grossen Zahl humanisierter <strong>und</strong> chimerischer monoklonaler Antikörper-<strong>Therapien</strong>, welche im<br />

Moment für so verschiedene <strong>Krebs</strong>arten wie Leukämien, Lungenkarzinome <strong>und</strong> Melanome<br />

erforscht werden. Eine der grössten Herausforderungen in der Antikörper-Therapie ist<br />

möglicherweise die Identifikation von geeigneten Therapie-Zielen, zum Beispiel die Identifikation<br />

von Molekülen, die spezifisch von allen oder einem Teil der <strong>Krebs</strong>arten exprimiert werden, die<br />

eine wichtige Rolle in der Tumorentwicklung spielen <strong>und</strong> die für Antikörper erreichbar sind.<br />

Diese Ziel-Identifikation hat sich bei vielen Tumorarten als problematisch erwiesen.<br />

Zusammen mit<br />

der Zytokin-<br />

Therapie sind<br />

Antikörper-<br />

<strong>Therapien</strong> bis<br />

heute die<br />

einzigen<br />

biologischen<br />

Antikrebs-<br />

<strong>Therapien</strong>, die<br />

klinisch Erfolg<br />

gezeigt haben.<br />

Ein Beispiel ist die Anwendung von Antikörpern, die auf den IL-2-Rezeptor-α (IL-2Rα) zielen.<br />

Diese Antikörper haben einigen Erfolg gezeigt, indem sie die Funktion von IL-2Rα hemmen <strong>und</strong><br />

indem sie unabhängig von der Anwesenheit von IL-2 in einigen Leukämien eine T-Zellstimulierende<br />

Aktivitäten haben. Einige Leukämien exprimieren aber andere IL-2Rs <strong>und</strong> sprechen<br />

auf andere Zytokine an. Diese werden von den anti-IL-2Rα-Antikörpern nicht wirksam beeinflusst.<br />

Ein Weg, dieses Problem zu umgehen, wäre die Einwirkung auf Rezeptoren oder Elemente der<br />

Signal-Übermittlungswege, welche allen IL-2 gemeinsam sind. Beispiele dafür sind IL-2, IL-15Rβ<br />

<strong>und</strong> Jak3. Jak3 ist Inhalt intensiver Forschung, weil es in der Zytokin-Signalisierung bei<br />

Lymphozyten <strong>und</strong> hämatopoetischen Zellen eine Rolle spielt, nicht aber bei nicht<br />

immunologischen Zellen.<br />

Die Anwendung von Antikörpern um andere <strong>Therapien</strong> zu optimieren<br />

Andere Entwicklungen auf dem Gebiet der Antikörper-Therapie schliessen den Gebrauch von<br />

Antikörpern ein, durch die eine konventionelle Therapie noch gezielter auf Tumoren<br />

ausgerichtet werden kann. Beispiele dafür sind:<br />

● der Gebrauch von Antikörpern, um Lipid-umschlossene Medikamente auf Tumoren zu bringen<br />

● die Transfektion von Zellen mit Genen, welche für Antikörper oder Antikörperfragmente<br />

kodieren, so dass Zellen den Antikörper exprimieren (bekannt als intrabodies). Der<br />

Antikörper wird ins Zellzytoplasma freigesetzt, bindet onkogene Proteine <strong>und</strong> senkt die<br />

Onkogen-Expression. Diese Methode wurde bei HER2 angewandt <strong>und</strong> verursacht den<br />

Zelltod durch Apoptose<br />

● Einzelketten-Antikörper-Fragmente, die an Gene geb<strong>und</strong>en werden, könnten ein Weg sein,<br />

mit der Gen-Therapie genau auf maligne Zellen zu zielen. Diese Methode wurde<br />

angewandt, um das Thymidinkinase-Gen auf Zellen zu richten, die eine Überexpression an<br />

karzino-embryonalem Antigen (CEA) aufweisen. Wenn sie durch Ganciclovir aktiviert wird,<br />

ist Thymidinkinase ein Suizid-Gen, das den Zelltod verursacht.<br />

Andere<br />

Entwicklungen<br />

auf dem Gebiet<br />

der Antikörper-<br />

Therapie<br />

schliessen den<br />

Gebrauch von<br />

Antikörpern ein,<br />

durch die eine<br />

konventionelle<br />

Therapie noch<br />

gezielter auf<br />

Tumoren<br />

ausgerichtet<br />

werden kann.<br />

7.7


7<br />

. . . die<br />

Wirkung von<br />

Immunotoxinen<br />

war kleiner als<br />

erwartet <strong>und</strong> ihre<br />

signifikante<br />

Toxizität erwies<br />

sich als grosses<br />

Problem.<br />

Die Entwicklung von Immunotoxinen<br />

Wie in Kapitel 6 beschrieben, war die Wirkung von Immunotoxinen kleiner als erwartet <strong>und</strong><br />

ihre signifikante Toxizität erwies sich als grosses Problem. Dies führte zu einem Umdenken über<br />

den Gebrauch von Immunotoxinen. Gegenwärtig richtet sich die Forschung auf ihren Gebrauch<br />

bei minimaler Resterkrankung, vor allem als adjuvante Therapie, wo zwei oder drei<br />

Anwendungen mit niedriger Dosierung ausreichend sind. Diese Methode limitiert die Toxizität,<br />

weil hohe Dosen nicht nötig sind, <strong>und</strong> überwindet so die Probleme, die im Zusammenhang mit<br />

der Immunantwort auf Immunotoxine bei Mehrfachanwendungen auftreten. Andere<br />

Möglichkeiten, die Wirksamkeit <strong>und</strong> Verträglichkeit von Immunotoxinen zu verbessern, sind:<br />

● die Antikörpergrösse zu verkleinern, um die Immunogenität zu verringern <strong>und</strong> die<br />

Gewebepenetration zu vergrössern<br />

● die Erforschung verschiedener Toxine, die entweder kleiner als existierende Inhaltsstoffe sind<br />

oder die nicht auf Proteinen basieren <strong>und</strong> so weniger immunogen sind. Beispiele dafür sind<br />

Pilztoxine wie Mitogillin, menschliche „Toxine“ wie der Tumornekrose-Faktor <strong>und</strong> zytolytische<br />

Toxine, die nicht internalisiert werden müssen, weil sie die Zellmembran schädigen<br />

● die Entwicklung neuer Applikations-Methoden, speziell von Zellen, die an Tumoren anbinden<br />

<strong>und</strong> Immunotoxine ausscheiden<br />

● der Gebrauch von Kombinationen von Immunotoxinen mit dem Ziel, heterogene Tumorzell-<br />

Populationen abzutöten, die nach dem Abbau der Tumormasse noch verbleiben<br />

● der Gebrauch von Mitteln, die die Wirkung von Immunotoxinen verstärken<br />

Der rasche<br />

Fortschritt bei der<br />

Entwicklung<br />

biologischer<br />

Wirkstoffe <strong>und</strong><br />

ihre darauf<br />

folgende<br />

Einführung in die<br />

Klinik bringen es<br />

mit sich, dass die<br />

effektivste<br />

Anwendungsweise<br />

noch gar<br />

nicht gef<strong>und</strong>en<br />

wurde <strong>und</strong> dass<br />

die optimalste<br />

Anwendung in<br />

Kombination mit<br />

anderen Mitteln<br />

noch geprüft<br />

werden muss.<br />

● die Anwendung von Immunotoxinen in Kombination mit oder vor der Chemo<strong>the</strong>rapie, um<br />

den Vorteil der Chemo<strong>the</strong>rapie-sensibilisierenden Wirkung auszunützen.<br />

Die meisten dieser Methoden wurden bisher erst am Tiermodell getestet. Die klinische<br />

Entwicklung braucht ein sorgfältiges Vorgehen, um zu verhindern, dass die schweren<br />

Toxizitätsprobleme früherer Anwendungen sich wiederholen.<br />

Die Optimierung der Anwendung vorhandener monoklonaler Antikörper<strong>the</strong>rapien: das Beispiel<br />

Herceptin ®<br />

Von grossem Interesse ist auch das Erkennen des optimalen Gebrauchs eines monoklonalen<br />

Antikörpers in der klinischen Praxis. Der rasche Fortschritt bei der Entwicklung biologischer<br />

Wirkstoffe <strong>und</strong> ihre darauf folgende Einführung in die Klinik bringen es mit sich, dass die<br />

effektivste Anwendungsweise noch gar nicht gef<strong>und</strong>en wurde <strong>und</strong> dass die optimalste<br />

Anwendung in Kombination mit anderen Mitteln noch geprüft werden muss. Dies gilt natürlich<br />

auch für bereits existierende Chemo<strong>the</strong>rapeutika. So ist zum Beispiel der optimale Gebrauch<br />

des Taxans Paclitaxel in der Behandlung von Brustkrebs immer noch kontrovers <strong>und</strong> seine<br />

Anwendung als adjuvante Therapie als Teil der sequentiellen Therapie mit Anthrazyklinen ist<br />

erst in Nordamerika, nicht aber im Rest der Welt etabliert. Von noch grösserem Interesse ist die<br />

beste Anwendungsart biologischer Wirkstoffe, weil diese neuartigen Therapeutika <strong>und</strong> ihr<br />

Potential für die Wegleitung zur Gestaltung zukünftiger <strong>Therapien</strong> wichtig sind. Am Beispiel<br />

Herceptin ® kann gezeigt werden, welche vielfältigen Aspekte zu bedenken sind, wenn der<br />

optimale Gebrauch von biologischen Mitteln untersucht wird.<br />

Der genaue Wirkungsmechanismus von Herceptin ® muss erst noch definiert werden,<br />

unterscheidet sich aber von demjenigen aller andern Antikrebs-Wirkstoffe im klinischen<br />

Gebrauch bei der Behandlung von Brustkrebs, indem er Zellsignalwege <strong>und</strong> Genexpression<br />

7.8


7<br />

beeinflusst. Dies legt den Schluss nahe, dass zytotoxische Wirkstoffe <strong>und</strong> Herceptin ® sehr<br />

wahrscheinlich sich ergänzende Auswirkungen auf <strong>Krebs</strong>zellen haben. Dieses Potential voll<br />

auszuschöpfen könnte bedeuten, dass Kombinationen ohne vorgängige Testversuche<br />

angewandt würden oder dass sie einen anderen Ansatz, entsprechend dem Patienten <strong>und</strong> den<br />

Tumorcharakteristika erfordern könnten.<br />

Einige Hinweise auf das wahrscheinliche Ansprechen von Patienten auf Herceptin ®<br />

Kombinations<strong>the</strong>rapien können aus präklinischen Studien gewonnen werden (Tabelle 7.1).<br />

Obwohl diese Daten bezüglich Wirksamkeit nur beschränkte Aussagen machen können, geben<br />

sie doch Hinweise auf Kombinationen, für welche weitere Untersuchungen sinnreich scheinen.<br />

. . . zytotoxische<br />

Wirkstoffe <strong>und</strong><br />

Herceptin ® haben<br />

sehr<br />

wahrscheinlich<br />

sich ergänzende<br />

Auswirkungen auf<br />

<strong>Krebs</strong>zellen.<br />

Tabelle 7.1. Die Wirkung von Herceptin ® <strong>und</strong> verschiedenen<br />

Chemo<strong>the</strong>rapeutika bei HER2-positiven Brustkrebs-Zell-<br />

Linien.<br />

Kombinationseffekt<br />

Synergie Addition Antagonismus<br />

Vinorelbin Doxorubicin Methotrexat<br />

Docetaxel/Carboplatin Paclitaxel Gemzitabin<br />

Docetaxel Epirubicin 5-Fluorouracil<br />

Etoposid<br />

Vinblastin<br />

Cyclophosphamid<br />

Paclitaxel/Carboplatin<br />

Thiotepa<br />

Cisplatin<br />

Liposomales Doxorubicin<br />

Kürzliche Resultate klinischer Studien von Herceptin ® werden in Tabelle 7.2 gezeigt. Die<br />

Ansprechraten mit Herceptin ® plus Vinorelbin oder wöchentlich Paclitaxel sind höher als<br />

diejenigen mit 3-wöchentlich Paclitaxel oder Anthrazyklin/Cyclophosphamid. Auch werden<br />

andere Kombinationen, wie zum Beispiel mit Hormonen oder anderen Anthrazyklinen als<br />

Doxorubicin <strong>und</strong> Platin-Analoge untersucht.<br />

Eine andere interessante Forschungsfrage bezieht sich auf die Häufigkeit der Anwendung von<br />

Herceptin ® . Seit mehr über die Wirkungsweise von Herceptin ® im Körper bekannt wird, wird<br />

offensichtlich, dass höhere Dosen länger im Körper verbleiben. Dies war Anlass zu einer<br />

Studie, bei der Herceptin ® alle drei Wochen verabreicht wurde (8mg/kg Initialdosis, dann<br />

6mg/kg wöchentlich). Man konnte nachweisen, dass diese Verabreichungsart gut toleriert<br />

wurde <strong>und</strong> dass die Serum-Konzentrationen von Herceptin ® mit denjenigen früherer Herceptin ® -<br />

Studien vergleichbar waren.<br />

Die optimale Zeiteinteilung für die Verabreichung von Herceptin ® , ob bei der adjuvanten<br />

Behandlung oder bei metastasierender Erkrankung, ist ebenfalls Gegenstand von weiteren<br />

Untersuchungen. Wie bei den meisten neuen <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien wurde bis jetzt bei den Herceptin ® -<br />

Studien vor allem Beachtung auf die Behandlung von metastasierenden Erkrankungen gelegt.<br />

Die HER2-Anomalien entwickeln sich aber früh in der Brustkrebsentstehung <strong>und</strong> ganz sicher<br />

7.9


7<br />

Tabelle 7.2. Die Wirksamkeit von Herceptin ® als<br />

Mono<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> in verschiedenen Kombinationen bei<br />

HER2-positiven Patientinnen.<br />

Herceptin ® -Behandlung (%) Anzahl Ansprechrate (%)<br />

Erstlinien<strong>the</strong>rapie Herceptin ® + 3-wöchentlich<br />

Paclitaxel* 92 49<br />

Herceptin ® + wöchentlich Paclitaxel 95 80,5<br />

Herceptin ® + Vinorelbin* 30 80<br />

Herceptin ® + Capecitabin 18 47<br />

Zweit/Drittlinien<strong>the</strong>rapie Herceptin ® als<br />

Mono<strong>the</strong>rapie* 172 18<br />

Erstlinien<strong>the</strong>rapie Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie* 87 35<br />

*Daten für stark HER2-positive Patientinnen.<br />

Da HER2-positive<br />

Patientinnen unter<br />

einer aggressiven<br />

Erkrankung leiden<br />

<strong>und</strong> in allen<br />

Stadien eine<br />

schlechte<br />

Prognose haben,<br />

wäre es logisch,<br />

diese Tumoren<br />

schon in einem<br />

frühen Stadium<br />

mit einer auf sie<br />

zugeschnittenen<br />

Therapie zu<br />

behandeln.<br />

lange bevor die Krankheit invasiv wird. Da HER2-positive Patientinnen unter einer aggressiven<br />

Erkrankung leiden <strong>und</strong> in allen Stadien eine schlechte Prognose haben, wäre es logisch, diese<br />

Tumoren schon in einem frühen Stadium mit einer auf sie zugeschnittenen Therapie zu<br />

behandeln. So gibt es nun seit kurzem Studien, die die Wirksamkeit <strong>und</strong> Sicherheit von<br />

Herceptin ® als adjuvante Therapie für primären Brustkrebs untersuchen (die HERA-Studie in<br />

Europa <strong>und</strong> die NSABP <strong>und</strong> Intergroup Studien in Nordamerika).<br />

Schliesslich ist es auch wichtig, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass auch andere<br />

<strong>Krebs</strong>arten als das Mammakarzinom HER2-positiv sein können, wie zum Beispiel Blasen-,<br />

Pankreas- <strong>und</strong> Magenkrebs. Das bedeutet, dass Herceptin ® auch bei diesen Tumorarten<br />

wirksam sein könnte.<br />

Die oben angeführten Studien zeigen das Ausmass der immer weiter gehenden Forschung, die<br />

nötig ist, um das volle Potential eines biologischen Wirkstoffes auszuschöpfen. So liegt in der<br />

Kombination mit anderen Mitteln ein grosses Potential, die Resultate zu verbessern <strong>und</strong> die<br />

Verträglichkeit zu steigern. Auch eine Erweiterung des Anwendungsgebietes ist gut möglich.<br />

Wenn ein biologischer Wirkstoff sich klinisch als wirksamer <strong>und</strong> verträglicher erweist als die<br />

Standard<strong>the</strong>rapie, ist es sinnvoll, diesen so schnell <strong>und</strong> sicher wie möglich in die Praxis<br />

einzuführen, gleichzeitig aber die Forschung weiter zu betreiben, um eine möglichst breite<br />

Anwendung zu ermöglichen.<br />

<strong>Krebs</strong>impfungen<br />

Man stellt sich die Zukunft der Methode mit <strong>Krebs</strong>impfungen folgendermassen vor:<br />

● Erforschung der Wirkung bei gleichzeitiger Anwendung von Chemo<strong>the</strong>rapie, Zytokinen oder<br />

anderen Mitteln mit der Impfung.<br />

● Gleichzeitige Verabreichung dendritischer Zellen mit Tumor-Lysat-Impfungen. Diese Methode<br />

hat Antitumor-Aktivität bei Patienten mit Melanomen gezeigt.<br />

7.10


7<br />

● Entwicklung von Virus-Vakzinen. Dazu werden Viren wie die Poxviren, die schon gut<br />

erforscht worden sind für die Impfungen gegen andere Krankheiten, verwendet. Die<br />

Begründung, Virus-Vakzine zu verwenden, ist die, dass Antigene, welche keine<br />

Immunantwort stimulieren, wenn sie alleine verabreicht werden, dies tun, wenn sie von Viren<br />

exprimiert werden. Ein Beispiel dafür ist das karzinoembryonale Antigen, das alleine<br />

verabreicht keine Immunantwort stimuliert, aber eine starke Immunantwort hervorruft, wenn<br />

es mit dem Vaccinia-Virus zusammen verabreicht wird. Andere mögliche Entwicklungen<br />

beziehen sich auf Veränderungen von Antigenen, um sie vor der Expression in Viren <strong>und</strong><br />

multiplen Antigenen immunogener zu machen.<br />

● Anwendung von Adenoviren als Vektor (siehe Kapitel 6), um Antigen-präsentierende Zellen,<br />

wie dendritische Zellen oder Tumorzellen, genetisch zu verändern (Abbildung 7.1).<br />

Adenoviren transferieren Gene wirksamer in dendritische oder Tumorzellen als andere<br />

Transfer-Methoden. Die Expression des transferierten Gens durch die dendritischen Zellen<br />

führt in diesem Fall zur Tumorantigen-Produktion <strong>und</strong> so zu einer kontinuierlichen Versorgung<br />

mit Antigenen für T-Zellen. Im Fall von Tumorzellen könnte der in-vivo oder in-vitro<br />

Gentransfer Zytokin-Gene miteinbeziehen, die die Immunogenität des Tumors erhöhen. Diese<br />

beiden Methoden sind bis jetzt experimentell <strong>und</strong> erst am Tiermodell erforscht worden.<br />

A)<br />

1. Klonen der<br />

Zytokin-Gene<br />

APC<br />

Zytokin-Gen<br />

4. Zytotoxische<br />

T-Zellen<br />

lysieren<br />

Tumor<br />

T-Zelle<br />

Adenovirus<br />

2. Infektion von Tumorzellen mit<br />

adenoviralem Vektor, der für<br />

Zytokine kodiert<br />

Tumorzelle<br />

3. Modifizierte Tumorzellen<br />

stimulieren T-Zellen<br />

B)<br />

2. Infizieren von APCs Adenovirus<br />

mit adenoviralem Vektor,<br />

der für TAA kodiert<br />

APC<br />

3. Modifizierte APCs<br />

stimulieren T-Zellen<br />

T-Zelle<br />

TAA-Gen<br />

1. Klonen des<br />

TAA-Gen<br />

Tumorzelle<br />

4. Zytotoxische Zellen lysieren<br />

Tumor<br />

Abbildung 7.1. Genetische Veränderung von Tumorzellen mittels Adenoviren. A) Gentransfer direkt in<br />

eine Tumorzelle; B) Gentransfer in Antigen-präsentierende Zellen (APCs), was zur T-Zell-Stimulation<br />

<strong>und</strong> Tumor-Lyse führt. Reproduktion mit der Erlaubnis von Principles and Practice of <strong>the</strong> Biological<br />

Therapy of Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />

Gen-Therapie<br />

Wie schon erwähnt, haben die meisten klinischen Therapieversuche bis anhin wenig<br />

Wirksamkeit beim Gentransfer <strong>und</strong>/oder nur kurze Dauer der Expression gezeigt. Diese Hürde<br />

muss überw<strong>und</strong>en werden, <strong>und</strong> dies kann nur durch weitere Gr<strong>und</strong>lagenforschung an der<br />

Verbesserung von Vektorsystemen geschehen. Weiter müssen auch die Verabreichungs-<br />

Methoden untersucht werden, um solide Organe wirksam zu erreichen <strong>und</strong> sicher zu stellen,<br />

7.11


7<br />

dass die angezielten Zellen exponiert sind. Es ist unwahrscheinlich, dass eine einzige<br />

Verabreichungstechnik bei allen Tumoren wirksam sein wird, aber bei einigen sind Fortschritte<br />

erkennbar.<br />

Andere Entwicklungen werden sich auf verschiedene mögliche Ziele für die Genmanipulation<br />

beziehen. Zellarten, die momentan als mögliche Ziele für Genmanipulation untersucht werden,<br />

sind:<br />

● Lymphozyten, die für eine adoptive Immuno<strong>the</strong>rapie gebraucht werden könnten, zum<br />

Beispiel indem man Patienten Immunität zuführt, statt die aktive Immunität zu stimulieren. Das<br />

Ziel des Gentransfers ist die Wirkungssteigerung von adoptiver Immunität oder die<br />

Verbesserung der Sicherheit. Beispiele von Genen, die transferiert werden können, sind<br />

solche, die für T-Zell-Rezeptoren kodieren, um die T-Zell-Spezifität <strong>und</strong> die Suizidgene so zu<br />

verändern, dass die Toxizität in einem bestimmten Behandlungsstadium reduziert wird.<br />

● Stammzellen, deren Modifikation einen potentiellen Langzeiteffekt auf den Krankheitsprozess<br />

bei <strong>Krebs</strong>patienten haben könnte. Beispiele für eine potenziell sinnreiche Modifikation sind<br />

der Transfer von Chemo<strong>the</strong>rapie-resistenten Genen <strong>und</strong> Gen-Ersatz bei Störungen wegen<br />

Fehlens eines einzelnen Gens.<br />

. . . p53 <strong>und</strong><br />

Faktoren in den<br />

von p53<br />

vermittelten<br />

Signalwegen<br />

könnten zu guten<br />

Angriffspunkten in<br />

der Entwicklung<br />

von Wirkstoffen<br />

gegen <strong>Krebs</strong><br />

werden.<br />

Gen-Therapie mit p53<br />

Wegen seiner wichtigen Rolle von p53 in Zellzyklus-Checkpoints <strong>und</strong> der Apoptose <strong>und</strong> wegen<br />

der Häufigkeit von p53-Mutationen bei menschlichen <strong>Krebs</strong>erkrankungen wurde p53 als<br />

potentielles Ziel von Antikrebs<strong>the</strong>rapien ausgewählt. So könnten p53 <strong>und</strong> Faktoren in den von<br />

p53 vermittelten Signalwegen zu guten Angriffspunkten in der Entwicklung von Wirkstoffen<br />

gegen <strong>Krebs</strong> werden. Ein Weg könnte das Untersuchen der Mechanismen sein, die in die<br />

normale Regulation der p53-Bildung involviert sind. Man kann sich vorstellen, dass die<br />

Wiederherstellung von spezifischer DNA-Bindung durch p53 zur Aktivierung des „wild-type“-<br />

p53-Gens führt <strong>und</strong> dabei die Zell-Proliferation <strong>und</strong> Apoptose-Induktion bewirkt. Derzeit wird in<br />

präklinischen Studien das <strong>the</strong>rapeutische Potential von Viren-gesteuerter Antitumor-Gen<strong>the</strong>rapie<br />

mit p53 untersucht. Diese Studien zeigen, dass ein Gen-Ersatz von p53 ein neuer Ansatz in der<br />

Therapie von <strong>Krebs</strong>, zum Beispiel beim anaplastischen Wilms-Tumor sein könnte.<br />

Zell-basierte Therapie<br />

Wie schon in Kapitel 6 aufgeführt, überschneiden sich Zell-basierte <strong>Therapien</strong>, <strong>Krebs</strong>impfungen<br />

<strong>und</strong> Gen-Therapie in vielen Aspekten. So sind die Zukunftsaussichten ähnlich wie die früher<br />

beschriebenen Behandlungsformen. Spezifische Entwicklungen werden sich vermutlich auf<br />

dendritische Zellen konzentrieren, speziell auf Techniken, die eine Tumor-Antigen-Ladung dieser<br />

Zellen erreichen, so dass starke T-Zell-Antworten stimuliert werden. Dies beinhaltet auch die<br />

genetische Modifikation von Immunzellen, um immunokompetente Effektorzellen zu<br />

produzieren.<br />

Angiogenese ist<br />

die Bildung neuer<br />

Blutgefässe.<br />

Neue Methoden, die auf die Tumor-Angiogenese ausgerichtet<br />

sind<br />

Angiogenese ist die Bildung neuer Blutgefässe. Dieser Prozess wird reguliert durch eine Familie<br />

von vaskulären endo<strong>the</strong>lialen Wachstumsfaktoren (auf englisch vascular endo<strong>the</strong>lial growth<br />

factor, VEGF) <strong>und</strong> Rezeptoren, welche vermutlich auch in der Lymphangiogenese (Bildung neuer<br />

7.12


7<br />

Lymphbahnen) <strong>und</strong> bei der Bildung von Angiopoetinen eine Rolle spielen. Die Angiogenese geschieht<br />

primär während der embryonalen Entwicklung, aber auch unter streng kontrollierten physiologischen<br />

Bedingungen, wie bei der W<strong>und</strong>heilung <strong>und</strong> während des Menstruationszyklus. Die Kontrolle der<br />

Angiogenese ist ein komplexer Ablauf, <strong>und</strong> während der W<strong>und</strong>heilung basiert sie auf der Kurzzeit-<br />

Expression angiogener Inhibitoren <strong>und</strong> Stimulatoren wie den VEGFs.<br />

Eine Disregulation der Angiogenese kann bei verschiedenen Krankheiten beobachtet werden, <strong>und</strong><br />

eine der wichtigsten davon ist <strong>Krebs</strong>. Die Angiogenese ist essentiell für das Tumorwachstum. Ohne sie<br />

können Tumoren nicht grösser als ungefähr 2mm werden. Bei dieser Grösse gleicht der Zelltod die<br />

aggressive Zell-Proliferation, die für Tumoren charakteristisch ist, aus. Solide Tumoren, die grösser als<br />

ungefähr 2mm sind, finden Wege, invasiv ins umliegende Gewebe einzudringen <strong>und</strong> das Wachstum<br />

von Blutgefässen zu stimulieren, womit sie die Ernährung des Tumors gewährleisten. Dies wird durch<br />

eine Reihe von Mechanismen erreicht, die die Expression von Metalloproteasen mit einschliesst,<br />

welche die Gewebsinvasion ermöglichen, <strong>und</strong> auch mittels angiogener Faktoren, die vaskuläre<br />

endo<strong>the</strong>liale Zellen aktivieren <strong>und</strong> stimulieren (Abbildung 7.2). Die Angiogenese erlaubt aber nicht<br />

nur das Tumorwachstum über 2mm, sondern potenziert auch die Metastasierung, weil Tumorzellen so<br />

überhaupt in die Blutbahn gelangen können.<br />

Die bekannte wichtige Rolle, welche die Angiogenese in der Tumorentwicklung spielt, zusammen mit<br />

der Erkennung verschiedener Faktoren, die bei der Stimulation dieses Prozesses wichtig sind, macht<br />

sie zu einem attraktiven Ziel für die Tumor<strong>the</strong>rapie. Anti-angiogenetische Wirkstoffe können unter<br />

Umständen dauerhaftere Antworten produzieren, weil sie die Blutzufuhr für Tumoren hemmen<br />

(Abbildung 7.3).<br />

Matrix<br />

Tumorzellen<br />

Angiogene<br />

Faktoren<br />

Feedback stimuliert<br />

Tumorwachstum<br />

Produktion von<br />

Metalloprotease<br />

Vaskuläre endo<strong>the</strong>liale<br />

Zellen<br />

Abbau der Matrix<br />

Tumor-Vaskularisation<br />

<strong>und</strong> invasives Wachstum<br />

Metastasierung<br />

Abbildung 7.2. Schematische Darstellung der Abläufe, welche zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong><br />

Metastasierung führen. Tumorzellen setzen angiogene Faktoren frei, welche vaskuläre endo<strong>the</strong>liale<br />

Zellen stimulieren, <strong>und</strong> Metalloproteasen, welche umgebendes Gewebe abbauen, was zu Tumor-<br />

Vaskularisation, invasivem Wachstum <strong>und</strong> Metastasierung führt.<br />

7.13


7<br />

Nur Chemo<strong>the</strong>rapie<br />

Tumorwachstum<br />

Chemo<strong>the</strong>rapie +<br />

anti-angiogenetischer<br />

Wirkstoff<br />

Zeit<br />

Abbildung 7.3. Illustration, welche den möglichen Effekt anti-angiogenetischer Mittel auf die Dauer<br />

des Ansprechens auf die Therapie zeigt.<br />

Es wurde bereits eine ganze Anzahl von Stoffen erforscht, die für die Hemmung der Tumor-<br />

Angiogenese in Frage kommen, <strong>und</strong> viele davon sind biologische Wirkstoffe.<br />

● Marimastat. Ein lösliches hydroxamisches Säure-Derivat, das auf der Struktur von Kollagen<br />

basiert, dem natürlichen Substrat für Matrix-Metalloproteasen. Marimastat ist der einzige<br />

Matrix-Metalloprotease-Hemmstoff, der schon in Phase III Studien untersucht wurde. Die<br />

Resultate waren unterschiedlich, indem eine Studie bei der Behandlung von Patienten mit<br />

Pankreaskarzinom mit Gemzitabin die gleich guten Resultate erzielte, während eine zweite<br />

im Vergleich mit Placebo einen Überlebensvorteil bei Magenkrebs zeigte. Eine dritte Studie<br />

zeigte keinen Vorteil. Die Nebenwirkungen waren vor allem Fatigue <strong>und</strong> eine reversible<br />

Polyarthritis.<br />

● BAY12-9566. Dieser strukturell ausgeprägte Matrix-Metalloprotease-Hemmer ist ein Analog<br />

von Butan-Säure <strong>und</strong> wirkt selektiver als Marimastat, indem er nur die Matrix-<br />

Metalloproteasen 2 <strong>und</strong> 9 hemmt. Aber er schien die Überlebenszeit bei kleinzelligem<br />

Lungenkarzinom zu reduzieren, worauf die weitere Entwicklung gestoppt wurde.<br />

● Anti-VEGF monoklonale Antikörper. rhuMab VEGF ist ein rekombinanter humanisierter<br />

monoklonaler Antikörper, der entwickelt wurde, um den wichtigsten Wachstumsfaktor<br />

(VEGF), der an der Angiogenese beteiligt ist, gezielt anzugreifen. Er erwies sich bis jetzt als<br />

gut verträglich, ähnlich wie andere Antikörper<strong>the</strong>rapien (z.B. Herceptin ® ) <strong>und</strong> erreichte ein<br />

Ansprechen bei <strong>Krebs</strong>patienten.<br />

● Vitaxin. Ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der auf ein Protein gerichtet ist, das für<br />

eine starke Neovaskulatur exprimiert. Vitaxin hat in frühen klinischen Versuchen Antitumor-<br />

Aktivität gezeigt.<br />

● Wachstumsregulierende Protein-Fragmente (Growth regulatory protein fragments). Endostatin<br />

<strong>und</strong> Angiostatin werden durch proteolytische Prozesse im Kollagen <strong>und</strong> Plasminogen<br />

hergestellt. Diese Moleküle sind spezifische <strong>und</strong> potente Hemmer der endo<strong>the</strong>lialen Zell-<br />

Proliferation (Abbildung 7.4).<br />

● IM862. Ein L-Glutamyl-L-Triptophan Dipeptid, welches aus dem Thymus isoliert wird. IM862<br />

hemmt die Angiogenese <strong>und</strong> hat in-vitro immunmodulatorische Eigenschaften. Dieser<br />

Wirkstoff hat bemerkenswerte Aktivität bei Kaposi-Sarkomen gezeigt <strong>und</strong> wird zurzeit auch<br />

bei andern <strong>Krebs</strong>arten untersucht.<br />

7.14


7<br />

Kochsalzlösung<br />

600<br />

Tumorvolumen (mm 3 )<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

Angiostatin<br />

–19 0 4 8 12 16 20 24 28<br />

Behandlungsbeginn<br />

Behandlungstag<br />

Abbildung 7.4. Die Wirkung von Angiostatin auf das Wachstum von Prostatakrebs-Xenografts bei<br />

Mäusen. Bei Mäusen, welche mit Placebos (gestrichelte Linie) behandelt wurden (Kochsalz), wuchsen<br />

die Tumoren schnell, während Angiostatin das Tumorwachstum verlangsamte <strong>und</strong> eine<br />

Tumorregression induzierte. Reproduktion mit der Erlaubnis von Principles and Practice of <strong>the</strong><br />

Biological Therapy of Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />

● Interferon-α. Dieses Zytokin wird schon vielseitig eingesetzt in der <strong>Krebs</strong>behandlung, aber es<br />

ist der erste anti-angiogenetische Wirkstoff, der bei der Behandlung von Hämangiomen <strong>und</strong><br />

fortgeschrittenen Riesenzell-Knochentumoren Aktivität gezeigt hat.<br />

Diese Liste einiger ausgewählter biologischer anti-angiogenetischer Wirkstoffe, die momentan<br />

untersucht werden, zeigt, dass die Erforschung potentieller Anwendungsmöglichkeiten in der<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapie erst in den Anfängen steckt. Zudem wird ersichtlich, dass ein gleiches<br />

Problem mit verschiedenen Methoden angegangen werden kann <strong>und</strong> dass es möglich ist, in<br />

verschiedene Phasen eines komplexen Prozesses einzugreifen.<br />

7.15


7<br />

Zusammenfassung: Auswirkungen für Patienten mit <strong>Krebs</strong><br />

. . . biologische<br />

Methoden in der<br />

<strong>Krebs</strong>behandlung<br />

haben das<br />

Potential,<br />

onkologische<br />

Fachleute mit<br />

einem Reichtum<br />

neuer<br />

<strong>the</strong>rapeutischer<br />

Errungenschaften<br />

auszurüsten.<br />

<strong>Biologische</strong><br />

<strong>Therapien</strong> werden<br />

eine wichtige Rolle<br />

spielen in der<br />

Individualisierung<br />

der <strong>Therapien</strong>,<br />

weil viele dieser<br />

Wirkstoffe für eine<br />

spezifische<br />

Anomalie<br />

massgeschneidert<br />

sind.<br />

Es ist klar ersichtlich, dass biologische Methoden in der <strong>Krebs</strong>behandlung das Potential haben,<br />

onkologische Fachleute mit einem Reichtum neuer <strong>the</strong>rapeutischer Errungenschaften<br />

auszurüsten. Die Erfahrungen mit den relativ wenigen biologischen Wirkstoffen, die für den<br />

klinischen Gebrauch zugelassen sind, weisen darauf hin, dass diese neuen Mittel sehr<br />

wahrscheinlich viele Vorteile <strong>und</strong> eine grosse Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten<br />

bringen werden. Nach unserem Verständnis der komplexen biologischen Abläufe der<br />

Entstehung, Erhaltung <strong>und</strong> Metastasierung von <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> im Erforschen der Funktion unseres<br />

Immunsystems sind rasche Fortschritte zu verzeichnen, wodurch viele der bereits bestehenden<br />

Strategien noch zu verfeinern <strong>und</strong> neue biologische Strategien zu erwarten sind.<br />

Die Aufmerksamkeit gilt den biologischen <strong>Therapien</strong> als fortschrittlichem Weg in der<br />

<strong>Krebs</strong>behandlung, <strong>und</strong> dies wird Auswirkungen haben auf die zukünftige Behandlung von<br />

<strong>Krebs</strong>patienten. Wie die Diskussionen um die Anwendung von Micro-Arrays für Gen-Profile <strong>und</strong><br />

Proteomics aufzeigen, werden Tumoren vermehrt auf der molekularen Ebene charakterisiert<br />

werden. Wenn die Wirkungen von noch mehr Genen <strong>und</strong> Proteinen auf das Verhalten von<br />

<strong>Krebs</strong> bekannt sein werden, wird die Tumor-Charakterisierung ein wichtiges Werkzeug zur<br />

Auswahl der besten Therapie für alle <strong>Krebs</strong>patienten sein. Sie wird Informationen über Wirkung<br />

oder Resistenz oder über den Vorteil gewisser Kombinationen geben. <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong><br />

werden eine wichtige Rolle spielen in der Individualisierung der <strong>Therapien</strong>, weil viele dieser<br />

Wirkstoffe für eine spezifische Anomalie massgeschneidert sind.<br />

Diese Veränderung im <strong>Krebs</strong>management wird die onkologische Praxis beeinflussen, speziell<br />

auch in Bezug auf die Informationen, welche die Patienten dann benötigen werden. Eine Folge<br />

der Tumor-Charakterisierung wird sein, dass zwei Patienten mit klinisch ähnlichen Tumoren<br />

verschiedene <strong>Therapien</strong> erhalten. Die Gründe dafür müssen den Patienten erklärt werden. Viele<br />

Pflegefachfrauen sammeln heute schon die ersten Erfahrungen dafür in der Behandlung von<br />

Frauen mit metastasierendem Mammakarzinom, welche Herceptin ® erhalten. Andere<br />

Veränderungen werden im Bereich der Nebenwirkungen zu finden sein, welche meist leichter<br />

<strong>und</strong> schneller vorübergehend sein werden als diejenigen der traditionellen Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />

Auch die Therapiedauer wird anders sein, vermutlich werden viele biologische Wirkstoffe, vor<br />

allem Antikörper, Zytokine <strong>und</strong> Zell-<strong>Therapien</strong> für längere Zeit bei positiv ansprechenden<br />

Patienten angewandt werden, um eine fortdauernde Tumor-Suppression zu gewährleisten. Dies<br />

verlangt ein Umdenken <strong>und</strong> schliesslich wird das Heilen weniger im Vordergr<strong>und</strong> stehen als die<br />

Vorbeugung der Tumorprogression.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die momentanen Fortschritte in der Technologie,<br />

Tumor-Charakterisierung <strong>und</strong> biologischen Therapie die folgenden Auswirkungen haben<br />

werden:<br />

● Die Anwendung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong>, speziell mit biologischen Wirkstoffen, wird<br />

üblicher werden.<br />

● Die Wirksamkeit der Behandlungen wird erhöht, weil Zell-Signalwege, welche für die<br />

Erhaltung der Tumore wichtig sind, entweder selektiv blockiert oder auch wenn nötig<br />

aktiviert werden können.<br />

● Die Toxizität, die heute bei der <strong>Krebs</strong>behandlung oft gross ist, wird reduziert, weil<br />

<strong>Krebs</strong>zellen selektiv behandelt werden können.<br />

7.16


7<br />

● Die Therapie wird individualisiert, je nach Tumor-Charakterisierung, so dass der Patient eine<br />

massgeschneiderte Behandlung mit dem für ihn bestmöglichen Resultat bekommen kann.<br />

● Onkologiepflegende werden eine wichtige Aufgabe in der Information von Patienten mit<br />

<strong>Krebs</strong> haben in Bezug auf:<br />

– die Auswirkungen zellulärer Faktoren auf die Prognose <strong>und</strong> das Tumorverhalten<br />

– Diagnose, Tumor-Charakterisierung <strong>und</strong> individuelle Behandlung<br />

– die zu erwartenden Auswirkungen der neuen massgeschneiderten biologischen<br />

<strong>Therapien</strong>, mit allen Vorteilen <strong>und</strong> Nebenwirkungen.<br />

7.17


7<br />

Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

1. Es ist bekannt, dass Tumoren durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen entstehen.<br />

Beschreiben Sie, welche Methoden angewandt werden könnten, um Kombinationen<br />

verschiedener genetischer Veränderungen in einem Tumor zu erkennen.<br />

2. Beschreiben Sie die praktischen klinischen Auswirkungen von Gen-Expressions-Profilen.<br />

3. Fügen Sie die am meisten zutreffende Aussage in die unten folgenden Sätze ein.<br />

Zell-Signalwege <strong>und</strong> Signal-Transduktion<br />

das Studium der Gen-Expression<br />

Tausende von Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip<br />

Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-Netzwerken<br />

Strategien für die Zubereitung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong><br />

a) Proteomics ist das Studium von ……………………..…………<br />

b) Die Protein-Expression in individuellen Zellen kann studiert werden, indem man ein Chip-<br />

System benützt, das im Wesentlichen ……………………………………… aufweist.<br />

c) Der Vergleich von Protein-Expressionen zwischen Gewebsproben eines individuellen<br />

Patienten kann angewandt werden in der Entwicklung von ………………………..………<br />

d) Proteomics kann auf verschiedene Arten angewandt werden, zum Beispiel in Studien<br />

von ……………………..…………<br />

e) Die Beziehungen zwischen Protein-Interaktionen <strong>und</strong> ihre Komplexität bedeuten, dass<br />

Proteomics wahrscheinlich mehr Wissen über die Zellfunktion hervorbringen wird,<br />

als ……………………..…………<br />

4. Einige Fortschritte basieren auf der Weiterentwicklung existierender Methoden. Schlagen<br />

Sie je einen möglichen Weg vor, wie Zytokin-<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> Antikörper-<strong>Therapien</strong> verbessert<br />

werden könnten.<br />

7.18


7<br />

5. Die Angiogenese – die Bildung neuer Blutgefässe – ist entscheidend für das Tumor-<br />

Wachstum. Fügen Sie die jeweils passende Bezeichnung in das unten stehende Diagramm<br />

ein, welches die Schlüsselereignisse beschreibt, die zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong> zur<br />

Metastasierung führen.<br />

Angiogenese-Faktoren<br />

Metastase<br />

Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />

Proliferation <strong>und</strong> Invasion<br />

6. Erläutern Sie kurz die möglichen Auswirkungen, die biologische <strong>Therapien</strong> auf die Pflege<br />

<strong>und</strong> Betreuung der Patienten aus der Sicht einer Onkologie-Pflegenden haben könnten.<br />

Die Antworten auf diese Fragen finden Sie auf Seite 8.14.<br />

7.19


Anhang<br />

8<br />

Antworten auf die Fragen zur Selbsteinschätzung<br />

Kapitel 1. <strong>Krebs</strong>: die Geschichte bis heute<br />

1. <strong>Krebs</strong> stellt ein globales Ges<strong>und</strong>heitsproblem dar, aber es gibt Unterschiede zwischen den<br />

verschiedenen Ländern bezüglich Häufigkeit, <strong>Krebs</strong>art <strong>und</strong> Mortalität. Welche Einflüsse sind<br />

für diese Unterschiede verantwortlich?<br />

Verschiedenheiten bezüglich Inzidenz <strong>und</strong> Art der <strong>Krebs</strong>krankheiten reflektieren<br />

Unterschiede in Umweltfaktoren, wie Ernährung <strong>und</strong> Tabakkonsum, welche die<br />

<strong>Krebs</strong>entwicklung beeinflussen, <strong>und</strong> möglicherweise auch genetische Unterschiede zwischen<br />

den Populationen. Auch die Früherkennung <strong>und</strong> Screening-Massnahmen mit folgerichtigen<br />

<strong>the</strong>rapeutischen Interventionen können die <strong>Krebs</strong>mortalität beeinflussen. Allerdings haben<br />

die Gesamtüberlebensraten sich nicht verändert – die Überlebenszeit eines <strong>Krebs</strong>patienten<br />

kann länger werden, aber die Todesursache wird im Allgemeinen weiterhin <strong>Krebs</strong> sein.<br />

2. <strong>Krebs</strong>prävention kann unterteilt werden in primäre, sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> tertiäre Prävention.<br />

Geben Sie bitte vier Beispiele für die primäre Prävention, drei für die sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> zwei<br />

für die tertiäre.<br />

Massnahmen der primären Prävention basieren auf den verursachenden Wirkstoffen<br />

(Karzinogenen), welche in der Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung von <strong>Krebs</strong> (Karzinogenese) eine<br />

Rolle spielen. Dies sind in erster Linie Umwelt- <strong>und</strong> Lebensstil-Faktoren. Präventive<br />

Massnahmen sind:<br />

● Nichtrauchen<br />

● übermässige Sonnenexposition vermeiden<br />

● mässiger Alkoholgenuss<br />

● ges<strong>und</strong>e Ernährung<br />

● regelmässige Bewegung <strong>und</strong> Vermeiden von Gewichtszunahme<br />

● Vermeiden von bekannten Karzinogenen, wo dies möglich ist <strong>und</strong> Ergreifen aller nötigen<br />

Sicherheitsmassnahmen, wo dies nicht möglich ist.<br />

Sek<strong>und</strong>äre Prävention bedeutet die frühe Entdeckung, um damit die Wirksamkeit der<br />

Behandlung zu maximieren. Folgende Massnahmen sind dafür zu empfehlen:<br />

● Aufklärungskampagnen, damit das Bewusstsein in der Bevölkerung wächst. Dazu<br />

gehören die Anleitung zur Selbstuntersuchung <strong>und</strong> die Information, bei welchen<br />

Symptomen der Arzt frühzeitig aufgesucht werden muss.<br />

● <strong>Krebs</strong>-Vorsorge <strong>und</strong> Screening:<br />

– Zervix-Abstrich<br />

– Sigmoidoskopie<br />

– Stuhluntersuchungen auf unsichtbares Blut<br />

– Digitale Rektaluntersuchung<br />

– Mammographie.<br />

8.1


8<br />

● Tests auf biochemische Tumormarker (z.B. CA125-Bestimmung im Blut bei Ovarialkrebs)<br />

oder auf mögliche prädisponierende genetische Faktoren (z.B. BRCA1- <strong>und</strong> BRCA2-Gen<br />

bei Brustkrebs) bei Hochrisiko-Personen.<br />

Tertiäre Prävention basiert auf chirurgischen oder medikamentösen Massnahmen, welche bei<br />

Personen mit hohem <strong>Krebs</strong>risiko in Erwägung gezogen werden. Solche Massnahmen sind<br />

zum Beispiel:<br />

● prophylaktische chirurgische Eingriffe (z.B. Mastektomie bei Frauen mit hohem Risiko<br />

wegen familiärem Mammakarzinom)<br />

● Chemoprävention (d.h. Verabreichung von Chemo<strong>the</strong>rapie an Hochrisiko-Personen).<br />

Diese Methode ist zurzeit Gegenstand der Forschung. Allfälliger Nutzen <strong>und</strong> Schaden<br />

müssen sorgsam gegeneinander abgewogen werden.<br />

3. Therapeutische Möglichkeiten sind stark abhängig vom Tumorstadium. Zählen Sie bitte drei<br />

Hauptgründe für chirurgische Behandlungen auf <strong>und</strong> erklären Sie diese.<br />

● Prävention – die Entfernung einer Geschwulst, welche zwar nicht maligne ist, von der<br />

aber bekannt ist, dass sie sich zu einem malignen Tumor entwickeln kann.<br />

● Diagnostik – Entnahme von Gewebsproben für die Laboruntersuchung zur Bestätigung<br />

der Diagnose <strong>und</strong> zur Identifikation des <strong>Krebs</strong>es.<br />

● Staging – zur Feststellung der Ausbreitung der Krankheit.<br />

● Kurativ – die Entfernung des Tumors, wenn er lokalisiert ist, in der Hoffnung auf<br />

vollständige Entfernung des krebsartigen Gewebes.<br />

● Palliativ – die Behandlung der Komplikationen bei der fortgeschrittenen Erkrankung wie<br />

Schmerz, <strong>und</strong> Verbesserung der Lebensqualität.<br />

● Supportiv – um die Behandlung zu unterstützen, zum Beispiel mit einem Gefässzugang,<br />

um die Verabreichung von Chemo<strong>the</strong>rapie zu erleichtern.<br />

● Wiederherstellung – um das Erscheinungsbild einer Person oder die Funktion eines<br />

Körperteils oder Organs zu verbessern.<br />

4. Andere Therapiemöglichkeiten sind Radio<strong>the</strong>rapie, Hormon<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />

Erklären Sie kurz das Hauptziel dieser drei Therapiearten <strong>und</strong> ihre wichtigsten<br />

Nebenwirkungen.<br />

● Radio<strong>the</strong>rapie benützt Hochenergie-Partikel oder Strahlen wie Röntgen- oder<br />

Gammastrahlen, um <strong>Krebs</strong>zellen zu schädigen oder zu zerstören. Während<br />

Radio<strong>the</strong>rapie <strong>Krebs</strong>zellen zerstören kann, hat sie auch Auswirkungen auf die<br />

umgebenden normalen Zellen. Diese unspezifische Wirkung kann eine Anzahl von<br />

Nebenwirkungen haben, wie Müdigkeit, hämatologische Toxizität, Stomatitis,<br />

Hautschäden, Appetitverlust, Heiserkeit, Haarverlust, Schluckbeschwerden, Nausea <strong>und</strong><br />

Erbrechen <strong>und</strong> Durchfall. Diese Nebenwirkungen sind in ihrer Inzidenz unterschiedlich je<br />

nach Bestrahlungsort <strong>und</strong> -Dosis, <strong>und</strong> sind auch von Mensch zu Mensch verschieden.<br />

● Hormon<strong>the</strong>rapie ist die Behandlung mit Medikamenten, die in die Hormonproduktion<br />

oder -Aktivität eingreifen, oder die chirurgische Entfernung Hormon produzierender<br />

Drüsen, um <strong>Krebs</strong>zellen zu zerstören oder ihr Wachstum zu verlangsamen. Obwohl sie<br />

weniger Nebenwirkungen hat als Chemo<strong>the</strong>rapie, verspüren Patienten folgende<br />

Nebenwirkungen: Wallungen <strong>und</strong> Schweissausbrüche, Nausea, Diarrhö <strong>und</strong><br />

8.2


8<br />

Verdauungsbeschwerden, Gewichtszunahme, Veränderungen im Menstruationszyklus,<br />

Muskelkrämpfe, Stimmungsschwankungen, allergische Reaktionen, Kopfweh <strong>und</strong><br />

Thrombose-Neigung.<br />

● Chemo<strong>the</strong>rapie (zytotoxische) ist der Gebrauch von Medikamenten zur <strong>Krebs</strong>behandlung<br />

<strong>und</strong> wirkt zerstörend auf sich schnell teilende Zellen. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zu<br />

finden zwischen dem Angreifen <strong>und</strong> Töten von <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> der Zerstörung von<br />

normalen Zellen. Die unspezifischen Eigenschaften der Chemo<strong>the</strong>rapie bedeuten, dass<br />

sie mit beträchtlichen Nebenwirkungen verb<strong>und</strong>en ist wie: Knochenmark-Suppression,<br />

welche zu hämatologischen Beeinträchtigungen (zu tiefe Leukozyten-, Erythrozyten- <strong>und</strong><br />

Thrombozytenzahl) <strong>und</strong> Infektionen führt, Haarverlust, Appetit- <strong>und</strong> Gewichtsverlust,<br />

Stomatitis <strong>und</strong> Ösophagitis, Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen, Verstopfung,<br />

Geschmacksveränderungen, Durchfall, Müdigkeit, Herzschäden, ZNS-Veränderungen<br />

<strong>und</strong> Schäden an Lunge, Leber, Nieren <strong>und</strong> Geschlechtsorganen.<br />

5. Beschreiben Sie Methoden zur Verbesserung der Spezifität <strong>und</strong> Zielgenauigkeit von<br />

Antikrebs<strong>the</strong>rapien.<br />

Im Moment ist die biologische oder Immuno<strong>the</strong>rapie eine der Hauptmethoden in der<br />

Entwicklung gezielter <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien. Sie basiert auf Komponenten des Immunsystems <strong>und</strong><br />

ist so gestaltet, dass sie <strong>Krebs</strong>zellen spezifisch angreift, während die normalen Zellen<br />

verschont bleiben <strong>und</strong> wirkt durch die Stimulation oder Nachahmung der natürlichen<br />

Abwehr des Körpers, des Immunsystems.<br />

Kapitel 2. Zellwachstumskontrolle <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />

1. Welche Eigenschaften unterscheiden <strong>Krebs</strong>zellen von normalen Zellen?<br />

<strong>Krebs</strong>zellen haben zwei Eigenschaften, die sie von normalen Zellen unterscheiden: sie<br />

proliferieren (vermehren sich) schnell <strong>und</strong> unkontrolliert <strong>und</strong> werden deshalb als neoplastisch<br />

bezeichnet, <strong>und</strong> sie haben spezielle Charakteristika, die sie befähigen, in umliegendes<br />

Gewebe einzudringen <strong>und</strong> es zu besiedeln, was bedeutet, dass die Zellen maligne sind.<br />

Zellteilung, Wachstum, Differenzierung <strong>und</strong> programmierter Zelltod (Apoptose) sind wichtige<br />

Elemente einer normal funktionierenden Zelle. Ein Zusammenbruch des Gleichgewichtes<br />

zwischen Zelltod <strong>und</strong> Entstehung neuer Zellen kann Krankheit verursachen; Organ-<br />

Dysfunktion <strong>und</strong> Tod, wenn die Apoptose überwiegt, oder <strong>Krebs</strong>, wenn die Zellvermehrung<br />

überwiegt.<br />

2. Der Zellzyklus ist ein geordneter Ablauf von Ereignissen, bei denen eine Zelle ihren Inhalt<br />

verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt. Was sind die Ziele des Zellzyklus?<br />

Die Ziele des Zellzyklus sind:<br />

● genaue Replikation der DNA in den Chromosomen der Elternzellen<br />

● gleichmässige Verteilung der Chromosomen zwischen den beiden Tochterzellen<br />

● Verdoppelung des Zytoplasma-Inhaltes.<br />

8.3


8<br />

3. Die Mitose ermöglicht es den Zellen, zu proliferieren, während die korrekte diploide Zahl<br />

von Chromosomen in jeder Zelle erhalten bleibt. Erklären Sie, wie Chromosomen von einer<br />

Eizelle <strong>und</strong> einem Spermium zusammengefügt werden können, während die korrekte<br />

Chromosomenzahl aufrechterhalten wird.<br />

Der sexuelle Reproduktionszyklus verkörpert eine spezielle Art von Zellteilung genannt<br />

Meiose, welche sicherstellt, dass Eizelle <strong>und</strong> Sperma nur die Hälfte der diploiden Zahl von<br />

Chromosomen (haploid) haben. Die Meiose beinhaltet zwei aufeinander folgende Zellkern-<br />

Teilungen, aber nur eine R<strong>und</strong>e von DNA-Replikation, so dass Eizell- <strong>und</strong> Sperma-<br />

Tochterzellen haploid sind. So bekommt der Embryo, der aus der Befruchtung resultiert, den<br />

vollen diploiden Satz von Chromosomen.<br />

4. Der Zellzyklus wird durch Prüfstellen <strong>und</strong> spezifische biochemische <strong>und</strong> physikalische<br />

Faktoren, die den Zyklus beeinflussen, gut kontrolliert. Beschreiben Sie die Rolle der<br />

Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> der Zell-Verankerung in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />

Wachstumsfaktoren sind Proteine, die an Rezeptoren in der Plasmamembran von avisierten<br />

Zellen anbinden, um die Zell-Proliferation zu beeinflussen (zu stimulieren oder zu hemmen).<br />

Einige Wachstumsfaktoren haben eine breite Spezifität <strong>und</strong> sind fähig, das Wachstum vieler<br />

verschiedener Arten von Zellen zu beeinflussen, während andere nur eine schmale Spezifität<br />

haben <strong>und</strong> nur auf einen bestimmten Zelltyp einwirken. Durch die Anbindung an einen<br />

Partner-Rezeptor aktivieren Wachstumsfaktoren letztlich Gene, welche dann spezifische<br />

Proteine herstellen <strong>und</strong> die Zell-Proliferation beeinflussen. Hormone können auch als<br />

Wachstumsfaktoren agieren: exzessive Hormonstimulation ist mit erhöhter Zellteilung<br />

verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann schliesslich zu malignem Tumorwachstum führen.<br />

Die meisten Zellen müssen an ein F<strong>und</strong>ament verankert sein, bevor sie sich teilen können.<br />

Wahrscheinlich benötigen die Zellen physikalischen Kontakt, so dass sie kommunizieren<br />

können <strong>und</strong> so sicherstellen, dass die Zellzyklen innerhalb eines Organs synchronisiert<br />

bleiben. <strong>Krebs</strong>zellen haben spezielle Eigenschaften, die ihnen die Ausnahme von der Regel<br />

erlauben <strong>und</strong> sie von einer Verankerung unabhängig machen. So können sie sich ablösen<br />

<strong>und</strong> Blutgefässe oder andere Körper-Transportwege benützen, um in andere Organe zu<br />

gelangen <strong>und</strong> in andere Gewebe einzudringen (metastasieren), die fern von der Stelle des<br />

Primärtumors sind.<br />

8.4


8<br />

Kapitel 3. Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />

1. Genetische Elemente <strong>und</strong> Prozesse können in einer hierarchischen <strong>und</strong> folgerichtigen<br />

Reihenfolge dargestellt werden. Vervollständigen Sie das folgende Fliessdiagramm, indem<br />

Sie die passenden Begriffe von der unten stehenden Liste einfügen. Die zwei Sternchen<br />

stehen für die zwei Mutations-Wege, die unkontrolliertes Zellwachstum <strong>und</strong> invasives<br />

Tumorwachstum bewirken können. Bitte nennen Sie diese.<br />

Genom<br />

Chromosomen<br />

Gene<br />

**<br />

DNA<br />

mRNA<br />

Protein<br />

Transkription<br />

Translation<br />

Basen<br />

**Zwei Mutationswege sind:<br />

● genetische Mutationen, welche ein Proliferations-Gen hyperaktiv machen<br />

● genetische Mutationen, welche ein Antiproliferations-Gen inaktivieren.<br />

2. Wie kann ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgewandelt werden? Welche Arten von<br />

Prozessen werden von den bekannten Proto-Onkogenen kontrolliert?<br />

Proto-Onkogene können durch die Anwesenheit eines Karzinogens (wie zum Beispiel<br />

Sonnenlicht, radioaktive Strahlung oder Viren) in Onkogene transformiert werden. Die<br />

Mutationen, die daraus folgen, entstehen meist durch Punktmutationen, Deletionen oder Gen-<br />

Amplifikation. Proto-Onkogene sind oft Gene, welche Teile der Mechanismen kodieren, die<br />

die Zellteilung, Differenzierung oder den Zelltod regulieren. (Mutationen in Tumor-<br />

Suppressor-Genen <strong>und</strong> Mismatch-Reparatur-Genen können ebenfalls eine Rolle in der<br />

Entwicklung von <strong>Krebs</strong> spielen.)<br />

8.5


8<br />

3. Beschreiben Sie, wie Mutationen zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen können, <strong>und</strong> benützen<br />

Sie dazu einerseits das Tumor-Suppressor-Gen p53 <strong>und</strong> andererseits den Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptor HER2 als Beispiel.<br />

p53 ist ein wirkungsvoller Tumor-Suppressor-Transkriptionsfaktor, welcher normalerweise<br />

Zellen befähigt, mit DNA-Schäden erfolgreich umzugehen. Er tut dies, indem er der<br />

Proliferation vorbeugt <strong>und</strong> den Zellzyklus so lange anhält, bis die DNA repariert ist, bevor<br />

die Replikation stattfindet. Wenn die DNA nicht repariert werden kann, leitet p53 die<br />

Apoptose ein. Mutationen, welche p53 an der Bindung an die DNA hindern, hemmen seine<br />

Fähigkeit, die DNA-Replikation zu verhindern oder die Apoptose bei Zellen mit irreparablen<br />

DNA-Schäden einzuleiten <strong>und</strong> können so zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen.<br />

HER2 kodiert ein Mitglied aus der Familie der transmembranen Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptoren, welche in der Kontrolle der Zellreplikation, des Zellwachstums, der<br />

Differenzierung <strong>und</strong> des Zell-Überlebens eine Rolle spielen. Eine HER2 Gen-Amplifikation<br />

führt dazu, dass einzelne Zellen mehr als zwei Kopien des Gens aufweisen. Dies führt zu<br />

stark erhöhter HER2-Rezeptor-Ausprägung <strong>und</strong> somit zur exzessiven Stimulation von<br />

Signalwegen <strong>und</strong> zur unkontrollierten Zell-Proliferation.<br />

4. Was ist eine Signal-Transduktion <strong>und</strong> was bewirkt sie?<br />

Signal-Transduktion ist der Prozess, bei welchem die Stimulation eines bestimmten Rezeptors<br />

eine Serie von Ereignissen in der Zelle auslöst, was zu einer Gen- <strong>und</strong> Protein-Antwort führt.<br />

Sie stellt sicher, dass Zellen fähig sind, auf ihre Mikro-Umgebung zu reagieren, indem<br />

extrazelluläre Stimuli empfangen, verstanden <strong>und</strong> zum Zellkern übermittelt werden <strong>und</strong> somit<br />

angepasste zellspezifische Antworten aktiviert werden.<br />

5. Zählen Sie kurz die wichtigsten Stadien <strong>und</strong> Ereignisse bei einem typischen Signal-<br />

Transduktions-Ablauf auf <strong>und</strong> benützen Sie dazu einen Wachstumsfaktor als ersten Schritt.<br />

Schritt 1: Der extrazelluläre Wachstumsfaktor (Ligand) bindet an seinen spezifischen<br />

Rezeptor an der Zellmembran.<br />

Schritt 2: Die Ligand-Bindung aktiviert den Rezeptor, was die Stimulation des Enzyms<br />

Tyrosinkinase bewirkt.<br />

Schritt 3: Die Tyrosinkinase phosphoryliert <strong>und</strong> aktiviert Mediatoren im Signal-<br />

Transduktionsweg.<br />

Schritt 4: Als Resultat davon wird die Gen-Expression im Zellkern reguliert.<br />

6. Beschreiben Sie die Rolle von Genmutationen bei der Auslösung von <strong>Krebs</strong>.<br />

Die Tumor-Progression von einer nicht-malignen Läsion zum invasiven Tumor <strong>und</strong> bis zur<br />

metastasierenden Tumorerkrankung beinhaltet viele aufeinander folgende R<strong>und</strong>en von<br />

Mutationen <strong>und</strong> natürlicher Selektion. Während dieses Prozesses erwerben sich Zellen,<br />

welche von einer Mutterzelle mit einer einzigen Mutation abstammen, weitere Mutationen<br />

<strong>und</strong> werden zunehmend aggressiver. Es wird also angenommen, dass die Entwicklung von<br />

<strong>Krebs</strong> normalerweise mehrere voneinander unabhängige seltene Ereignisse in derselben<br />

Zelle benötigt. Mutationen in gewissen Zellen (Proto-Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressoren)<br />

haben mehr Wirkung als solche in anderen Zellen, welche keine Schlüsselstellen in der<br />

Kontrolle der Zell-Signalisierung haben.<br />

8.6


8<br />

Kapitel 4. Das Immunsystem: Die Basis für alle biologischen <strong>Therapien</strong><br />

1. Definieren <strong>und</strong> beschreiben Sie die Ergebnisse einer Immunantwort <strong>und</strong> geben Sie an,<br />

warum die korrekte Identifikation eines Stoffes als fremd <strong>und</strong> potentiell schädlich so wichtig<br />

ist.<br />

Eine Immunantwort ist die Antwort, die durch die Zellen <strong>und</strong> Moleküle des Immunsystems auf<br />

das Eindringen eines fremden Stoffes (Antigens) erfolgt. Das Ergebnis ist die Eliminierung<br />

<strong>und</strong> Zerstörung des eingedrungenen Stoffes <strong>und</strong> aller damit verb<strong>und</strong>enen toxischen Stoffe.<br />

Wenn es einmal aktiviert ist, ist das Immunsystem sehr effizient bei der Entfernung von<br />

Eindringlingen, <strong>und</strong> deshalb ist es sehr wichtig, dass es sich nicht gegen harmlose oder<br />

körpereigene Stoffe wendet.<br />

2. Zeichnen <strong>und</strong> beschriften Sie ein generalisiertes Antikörper-Molekül <strong>und</strong> geben Sie an,<br />

welche Teile an Antigene <strong>und</strong> welche an andere Zellen des Immunsystems binden.<br />

Variable Region (Fab) – bindet das Antigen<br />

Konstante Region (Fc) – bindet an Immunzellen<br />

3. Beschreiben Sie, wie Antikörper als Antwort auf einen Fremdstoff gebildet werden, <strong>und</strong><br />

zählen Sie die drei Hauptwege auf, wie sie wirken.<br />

Antigene haben spezifische Antigen-Determinanten (Epitope), welche es ermöglichen, dass<br />

sie durch Zellen des Immunsystems erkannt werden. Spezielle Zellen, genannt Antigenpräsentierende<br />

Zellen, sammeln Antigene in lymphatischen Organen, wo sie den B- <strong>und</strong><br />

T-Zellen ausgesetzt sind. Beim Kontakt werden T-Zellen aktiviert, proliferieren <strong>und</strong><br />

differenzieren, töten infizierte Zellen <strong>und</strong> aktivieren andere Zellen wie die B-Zellen, welche<br />

in der Immunabwehr helfen. Jede B-Zelle ist fähig, ein spezifisches Antigen zu erkennen <strong>und</strong><br />

dagegen Antikörper zu bilden. Wenn eine B-Zelle ihr zugehöriges Antigen erkennt <strong>und</strong><br />

wenn auch entsprechende T-Zell-Signale vorhanden sind, bindet sie an das Antigen. Nach<br />

der Bindung proliferiert die B-Zelle rasch <strong>und</strong> produziert Tausende identischer B-Zell-Klone,<br />

die alle spezifische Antikörper für das Antigen produzieren.<br />

8.7


8<br />

Antigene wirken durch:<br />

● Neutralisierung – indem sie die biologische Aktivität der Zielmoleküle blockieren<br />

● Opsonisation – indem sie das Antigen bezeichnen <strong>und</strong> so andere Zellen des<br />

Immunsystems zur Hilfe holen, die dann das Antigen entfernen <strong>und</strong> zerstören<br />

● Komplement-Aktivierung – indem sie eine ganze Reihe von Enzymen aktivieren, was mit<br />

dem Tod des Mikroorganismus endet.<br />

4. Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen richtig oder falsch sind, <strong>und</strong> wenn sie falsch<br />

sind, geben Sie die richtige Antwort:<br />

● Das angeborene (oder natürliche) Immunsystem antwortet schnell auf fremde<br />

Organismen.<br />

RICHTIG<br />

● Wenn es einmal geprägt wurde von einem ersten Antigen-Kontakt, hat das erworbene<br />

Immunsystem ein Antigen-Gedächtnis <strong>und</strong> ist fähig, die Stärke <strong>und</strong> Effektivität der Antwort<br />

auf nachfolgende Reize mit demselben Antigen zu erhöhen.<br />

RICHTIG<br />

● Die zellvermittelte Immunantwort ist Antikörper-abhängig.<br />

FALSCH. Diese Art von Immunantwort schliesst die Produktion spezialisierter Zellen mit<br />

ein, die fähig sind, direkt auf die Zellen, die das Antigen präsentieren, zu reagieren <strong>und</strong><br />

sie zu töten. Die Zellen, welche in diese Antwort involviert sind, können Chemikalien<br />

ausscheiden, die spezielle Killerzellen (Makrophagen) aktivieren, die Eindringlinge<br />

zerstören.<br />

● T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen, die durch ein Antigen stimuliert worden sind, sind morphologisch<br />

nicht zu unterscheiden.<br />

FALSCH. Obschon jungfräuliche, unstimulierte T- <strong>und</strong> B-Zellen sehr ähnlich sind,<br />

unterscheiden sie sich nach der Stimulierung durch Antigene: B-Zellen differenzieren sich<br />

<strong>und</strong> werden zu grossen Plasma-Zellen, welche die Antigen-Produktionsstätte des<br />

Immunsystems darstellen.<br />

● T-Zellen werden so genannt, weil sie im Thymus reifen.<br />

RICHTIG<br />

5. Beschreiben Sie, wie ein einzelner Typ von Antikörpern (monoklonaler Antikörper MAb) im<br />

Labor hergestellt werden kann <strong>und</strong> geben Sie zwei Vorteile von MAbs gegenüber<br />

polyklonalen Antikörpern an.<br />

Lymphozyten eines immunisierten Tiers werden verschmolzen mit unsterblichen Zellen eines<br />

B-Lymphozyten-Tumors, so dass unsterbliche Hybrid-Zellen (Hybridome) entstehen. Diese<br />

Zellen werden in einer Weise gezüchtet, dass jede Hybridom-Zelle eine Zellkultur produziert.<br />

Diese vermehren sich endlos <strong>und</strong> produzieren so einen Typ Antikörper. Individuelle<br />

Hybridom-Klone können so zur endlosen <strong>und</strong> stabilen Quelle eines monoklonalen<br />

Antikörpers werden.<br />

8.8


8<br />

Vorteile der Hybridom-Technik sind folgende:<br />

● die Unsterblichkeit der Hybridom-Zell-Linie bedeutet, dass die Antikörper-Produktion stabil<br />

<strong>und</strong> dauerhaft ist<br />

● die Antikörper haben eine uniforme Spezifität, was bedeutet, dass die Wirkstoffe mehr<br />

nützen als weniger spezifische polyklonale Antikörper <strong>und</strong> dass keine Notwendigkeit zur<br />

Reinigung des benötigten Antikörpers aus einer heterogenen Mischung besteht<br />

● grosse Mengen des MAb können produziert werden.<br />

6. Sowohl normale wie auch nicht normale Aktivitäten des Immunsystems können Krankheit<br />

erzeugen. Ergänzen Sie die folgenden Sätze mit dem passendsten Beispiel von Erkrankung<br />

aus der Liste:<br />

Allergische Reaktionen Autoimmun Immunüberwachung<br />

Immunabwehrschwäche- Perniziöse Anämie Tuberkulose<br />

Erkrankungen<br />

● Bei Tuberkulose widersteht das Bakterium der Zerstörung durch Makrophagen <strong>und</strong><br />

vermehrt sich stattdessen innerhalb des Makrophagen. Wenn der Makrophag<br />

schlussendlich platzt, breitet sich das Bakterium aus, Lysosomen-Inhalt strömt aus <strong>und</strong><br />

verursacht Schäden am Gewebe des Wirts.<br />

● Allergische Reaktionen geschehen wegen einer übermässigen T-Zell-Antwort auf ein<br />

schwach immunogenes Antigen.<br />

● Mangel an T- <strong>und</strong> B-Zellen aus verschiedenen Gründen, inklusive T-Zell-Zerstörung, kann<br />

Immunabwehrschwäche-Erkrankungen verursachen.<br />

● Wenn das Immunsystem Komponenten der Wirts-Zellen angreift, dann können<br />

autoimmune Erkrankungen wie perniziöse Anämie entstehen.<br />

● Der Prozess, bei dem das Immunsystem des Körpers fähig ist, Zellen mit ungewöhnlichen<br />

Typen oder Mengen von Proteinen an ihrer Zelloberfläche zu finden <strong>und</strong> sich dagegen<br />

zu wehren, ist bekannt als Immunüberwachung.<br />

7. Obwohl viele <strong>Krebs</strong>zellen ungewöhnliche Gene oder aussergewöhnliche Mengen von<br />

Antigenen an ihrer Oberfläche haben, ist die Immunabwehr dort ineffektiv. Geben Sie zwei<br />

mögliche Erklärungen dafür.<br />

● Tumoren können sich an Stellen entwickeln, welche nicht vom Immunsystem überwacht<br />

werden, weil T-Zellen Zonen vermeiden, wo sie eigenen Antigenen begegnen könnten.<br />

● Tumorzellen können Antigene auf eine Weise präsentieren, die von den T-Zellen nicht<br />

erkannt werden kann.<br />

● Tumorzellen erwerben immer neue Mutationen. Dies beeinflusst die Fähigkeit der T-<br />

Zellen, diese aufzuspüren <strong>und</strong> zu erkennen.<br />

8.9


8<br />

Kapitel 5. Technologien zur Ermöglichung biologischer <strong>Therapien</strong><br />

1. Verschiedene Enzyme <strong>und</strong> Technologien werden benutzt, um DNA zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />

manipulieren. Wählen Sie aus der unten stehenden Liste die passenden Enzyme oder<br />

Techniken aus, um die folgenden Aktivitäten auszuführen:<br />

DNA-Sequenzierung Gel-Elektrophorese Ligase<br />

Nukleinsäure-Hybridisierung Polymerase Restriktionsenzym<br />

Reverse Transkription<br />

DNA-Syn<strong>the</strong>se. Polymerase<br />

Produziert zusätzliche DNA (cDNA) von Boten-RNA (mRNA). Reverse Transkription<br />

Schneidet oder spaltet DNA für die Analyse in Fragmente. Restriktionsenzym<br />

Verbindet DNA-Fragmente. Ligase<br />

Separiert DNA-Fragmente entsprechend ihrer Grösse. Gel-Elektrophorese<br />

Ordnet die Basen-Paare in DNA-Fragmente. DNA-Sequenzierung<br />

Ermöglicht die genaue Lokalisation der DNA oder RNA. Nukleinsäure-Hybridisierung<br />

2. Das Klonen von Genen ist entscheidend für viele Techniken bei der Analyse von Genen <strong>und</strong><br />

für das Verstehen ihrer Funktion. Beschreiben Sie die gr<strong>und</strong>legenden Schritte für das Klonen<br />

von DNA.<br />

Schritt 1: Die DNA wird von der Zelle isoliert <strong>und</strong> gereinigt.<br />

Schritt 2: Die gereinigte DNA wird in Stücke unterteilt mit Hilfe von Restriktionsenzymen.<br />

Schritt 3: Ein DNA-Fragment, welches das Gen enthält, das geklont werden soll, wird in ein<br />

zirkuläres DNA-Molekül, genannt Vektor, eingefügt. So wird ein rekombinantes DNA-<br />

Molekül hergestellt.<br />

Schritt 4: Der Vektor dient als Transportmittel, welches das Gen in die Wirtzelle transportiert.<br />

In der Wirtzelle vermehrt sich der Vektor <strong>und</strong> stellt zahlreiche identische Kopien her, nicht<br />

nur von sich selbst, sondern auch von dem Gen, in welchem er sich befindet.<br />

Schritt 5: Wenn sich die Wirtzelle teilt, enthalten die neuen Zellen Kopien des<br />

rekombinanten DNA-Moleküls, <strong>und</strong> weitere Vektor-Reproduktion findet statt.<br />

Schritt 6: Nach einer grossen Zahl von Zellteilungen ist eine Kolonie oder ein Klon<br />

identischer Wirtzellen entstanden. Jede enthält eine oder mehrere Kopien des<br />

rekombinanten DNA-Moleküls. Das Gen, das vom rekombinanten Molekül getragen wird, ist<br />

nun geklont.<br />

3. Manchmal werden viele Fragmente zur selben Zeit geklont, um eine Art Biblio<strong>the</strong>k von<br />

Klonen aufzubauen. Wie kann ein Klon, welcher ein spezielles DNA-Fragment enthält,<br />

identifiziert werden?<br />

Das Screening der Gen-Sammlung kann den Klon, welcher das gesuchte DNA-Fragment<br />

enthält, identifizieren. Ein Stück saugfähiges Papier wird in die Kultur mit wachsenden<br />

Kolonien eingetaucht. Diese kann dann mit einer radioaktiven DNA-Probe, welche die<br />

Sequenz des gesuchten Gens enthält, getestet werden. Die radioaktive Probe hybridisiert<br />

zum entsprechenden DNA-Fragment <strong>und</strong> kann dann sichtbar gemacht werden, indem das<br />

saugfähige Papier auf einen fotografischen Film exponiert wird.<br />

8.10


8<br />

Eine andere Screening-Methode ist die in-vitro Translation, bei welcher die geklonte DNA<br />

benützt wird, um ihre komplementäre mRNA aus einem Gemisch zellulärer mRNA<br />

herauszufiltern (Hybrid-Selektion). Die produzierten Proteine werden verglichen mit denen,<br />

die man erwartet hatte.<br />

4. Die Fähigkeit, Proteine in grossen Mengen herzustellen, ist eine der Haupterrungenschaften<br />

der Gentechnologie. Beschreiben Sie einige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen der<br />

Gentechnologie, speziell im Bezug auf <strong>Krebs</strong>.<br />

● Gentechnologie kann benützt werden, um ein bestimmtes Gen in einem vorgegebenen<br />

biosyn<strong>the</strong>tischen Pfad zu überexprimieren <strong>und</strong> somit eine bestimmte intrazelluläre<br />

Komponente zu vermehren.<br />

● Der Pfad kann unterbrochen werden, so dass gewisse Produkte nicht hergestellt werden.<br />

● Proteine können speziell konstruiert werden, so dass sie eine bestimmte Struktur <strong>und</strong><br />

Funktion aufweisen.<br />

Weil <strong>Krebs</strong> eine genetische Komponente hat, können Tests für Onkogene <strong>und</strong>/oder<br />

Onkoproteine (diejenigen Proteine, welche von Onkogenen kodiert werden) helfen, den<br />

Tumor zu definieren, zu diagnostizieren <strong>und</strong> die Graduierung festzustellen. In einigen Fällen<br />

kann das Vorhandensein oder das Nicht-Vorhandensein eines biologischen Markers<br />

prognostischen Wert haben <strong>und</strong> eine Hilfe für das Bestimmen der Behandlungsmethode sein.<br />

So dienen der Östrogen-Rezeptor, der Progesteron-Rezeptor <strong>und</strong> der HER2-Status als<br />

wichtige biologische Marker bei <strong>Krebs</strong>-Erkrankungen.<br />

5. Unten finden Sie ein schematisches Diagramm mit den Zielen funktionaler Genetik.<br />

Beschreiben Sie, was das Diagramm darstellt, <strong>und</strong> weisen Sie darauf hin, welche Rolle das<br />

Human-Genom-Projekt <strong>und</strong> die Bioinformatik in diesem Prozess spielen können.<br />

Gen<br />

Eiweiss<br />

Funktion<br />

Struktur<br />

Die funktionale Genetik hat zum Ziel, eine Übersicht über die Gen-Funktionen, mit<br />

Expressionsprofilen auf der Ebene von mRNA <strong>und</strong> Proteinen zu erhalten. Voraussetzung<br />

dafür ist die Kenntnis der Reihenfolge, Lokalisation (gene map) <strong>und</strong> Sequenz der Gene.<br />

Daraus können die mRNA <strong>und</strong> von ihr abhängige Proteine identifiziert werden. Die<br />

Kenntnisse über die dreidimensionale Struktur des Proteins helfen dabei, die mögliche<br />

Funktion des Proteins zu identifizieren <strong>und</strong> dies kann wiederum beim Verstehen der Gen-<br />

Funktion helfen. (Gene können zu Familien gehören, welche eine Homologie entweder auf<br />

der Ebene der DNA-Sequenz oder auf der Protein-Ebene aufweisen. So können Erkenntnisse<br />

über die Funktion des Genes <strong>und</strong> seines Produkts helfen, die Funktion anderer verwandter<br />

oder homologer Gene zu verstehen, auch wenn diese von einer anderen Spezies sind.) Das<br />

Human-Genom-Projekt hat zum Ziel, alle menschlichen Gene zu identifizieren. Diese grosse<br />

Menge an Daten muss dann durch einen Prozess der Bioinformatik interpretiert <strong>und</strong><br />

analysiert werden.<br />

8.11


8<br />

Kapitel 6. <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> erklärt<br />

1. Geben Sie zwei Gründe an, weshalb biologische Methoden für die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />

entwickelt <strong>und</strong> benützt werden, indem Sie ihre potentiellen Vorteile gegenüber<br />

konventionellen <strong>Therapien</strong> beschreiben.<br />

● <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> nützen die existierenden Systeme des Körpers, um spezifische<br />

Antworten auf spezifische Herausforderungen zu produzieren, womit die Toxizität, die<br />

bei unspezifischeren Behandlungen vorkommt, umgangen wird.<br />

● Durch die Anwendung molekulargenetischer, körpereigener <strong>Therapien</strong> können Probleme,<br />

welche als Reaktionen auf körperfremde Stoffe auftreten, vermieden werden.<br />

● <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> sind nicht-invasiv.<br />

● Konventionelle <strong>Therapien</strong> scheinen an der Grenze ihrer <strong>the</strong>rapeutischen Wirksamkeit<br />

angelangt zu sein.<br />

2. Geben Sie in der unten stehenden Tabelle an, welche biologische Therapie den ebenfalls<br />

unten beschriebenen Wirkungseffekt A-G hat. Als Beispiel ist die Zytokin-Therapie<br />

aufgeführt.<br />

Therapie<br />

Zytokin-Therapie<br />

Antikörper-basierte Therapie<br />

<strong>Krebs</strong>-Impfung<br />

Gen-Therapie<br />

Zell-basierte Therapie<br />

Wirkungsweisen<br />

A, E, F, G<br />

A, B, C, F, G<br />

F, G<br />

B, D, F<br />

A, G<br />

A. Tötet <strong>Krebs</strong>zellen ab<br />

B. Unterbricht oder kontrolliert Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen<br />

C. Verändert das Wachstums-Verhalten von <strong>Krebs</strong>zellen<br />

D. Blockiert Prozesse, die zur Umwandlung einer normalen Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle führen<br />

E. Steigert die Fähigkeit des Körpers, eine normale Zelle, die durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder<br />

Bestrahlung geschädigt oder zerstört worden ist, zu reparieren oder zu ersetzen<br />

F. Steigert die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem<br />

G. Erhöht die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen, <strong>und</strong> fördert<br />

so die Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen.<br />

3. Erklären Sie den Unterschied zwischen gezielten (spezifischen) <strong>und</strong> nicht-gezielten<br />

(unspezifischen) biologischen <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> erörtern Sie die Vorteile der gezielten<br />

<strong>Therapien</strong>.<br />

Eine nicht-gezielte biologische Therapie ist eine solche, die supportive Wirkung auf das<br />

Immunsystem oder nicht-spezifische Antitumor-Wirkung hat, die aber den Tumor nicht direkt<br />

angreift. Gezielte <strong>Therapien</strong> sind spezifisch für Tumorzellen, weil sie nur auf mit dem Tumor<br />

in Zusammenhang stehende Anomalien ausgerichtet sind <strong>und</strong> so eine direkte Antikrebs-<br />

Wirkung haben.<br />

8.12


8<br />

Gezielte <strong>Therapien</strong> haben folgende Eigenschaften:<br />

● sie werden besser toleriert, weil sie nur die Tumorzelle angreifen<br />

● sie sind in ihren Wirkungsmechanismen von den konventionellen Cheom<strong>the</strong>rapien<br />

verschieden, was bedeuten könnte, dass Kombinations<strong>the</strong>rapien noch wirksamer sind<br />

● sie sind fähig, die Wirts-Immunantwort zu erhöhen<br />

● sie können die Patientenbehandlung individualisieren.<br />

4. Zytokine sind verantwortlich für die normale Funktion von diversen physiologischen<br />

Prozessen, welche das Ergebnis oder Teil einer Immunreaktion sind. Definieren Sie, was ein<br />

Zytokin ist <strong>und</strong> geben Sie vier Beispiele der Prozesse, die sie beeinflussen.<br />

Zytokine sind Proteine, die durch eine Zelle syn<strong>the</strong>tisiert <strong>und</strong> freigesetzt werden <strong>und</strong> mit<br />

Rezeptoren anderer Zellen interagieren, normalerweise um die Immunantwort zu regulieren.<br />

Zytokine sind involviert in:<br />

● die normale Entwicklung von T- <strong>und</strong> B-Zellen<br />

● die Chemotaxis, d.h. die Anziehung eines bestimmten Zelltyps an einen bestimmten Ort<br />

● Bildung einer normalen IgE-Menge<br />

● Hämatopoese<br />

● die Anfälligkeit für Gelenksentzündungen.<br />

5. Erklären Sie, warum die Humanisierung von Antikörpern so wichtig ist für ein höheres<br />

<strong>the</strong>rapeutisches Potential.<br />

Die meisten monoklonalen Antikörper werden von Maus-Hybridomen entwickelt, was<br />

bedeutet, dass der daraus resultierende Antikörper ein fremdes Protein für den Menschen ist.<br />

So werden sie vom menschlichen Immunsystem als fremd erkannt, stimulieren eine<br />

Immunantwort <strong>und</strong> werden schnell neutralisiert oder zerstört. Antikörper haben sowohl<br />

strukturelle als auch Antigen-Erkennungs-Sequenzen. Die Genmanipulation erlaubt es, dass<br />

monoklonale Antikörper humanisiert werden, das heisst dass die strukturellen Sequenzen der<br />

Maus durch menschliche ersetzt werden. Die wichtige Antigen-Erkennungs-Sequenz wird<br />

intakt belassen <strong>und</strong> das Resultat ist ein zu mindestens 90% menschlicher Antikörper, ein<br />

humanisierter monoklonaler Antikörper. So wird einer Immunantwort gegen den<br />

humanisierten Antikörper vorgebeugt.<br />

6. Beschreiben Sie drei mögliche Wirkungsweisen monoklonaler Antikörper, durch welche sie<br />

ihre Antikrebs-Wirkung entfalten.<br />

Bei der Antikörper-Therapie werden folgende Antikrebs-Eigenschaften vermutet:<br />

● Tiefer-Regulierung der Aktivität der Zielzelle, was zu Funktionsveränderungen, zum<br />

Beispiel bei Wachstum <strong>und</strong> Proliferation führt<br />

● Vorbeugung einer Aktivierung der Zielzelle<br />

● Induktion einer Immunantwort<br />

● Stimulierung der Apoptose (programmierter Zelltod).<br />

8.13


8<br />

7. Zählen Sie die Phasen in der Entwicklung einer biologischen Therapie auf, indem Sie die<br />

Faktoren beschreiben, die einen bestimmten biologischen Marker zu einem attraktiven<br />

<strong>the</strong>rapeutischen Angriffsziel machen.<br />

Die Basis-Schritte für die Entwicklung einer spezifischen biologischen Therapie sind:<br />

● Identifikation einer Anomalie, die spezifisch für Tumorzellen ist, aber in normalen Zellen<br />

nicht präsent ist<br />

● Identifikation der biologischen Marker, welche eine Schlüsselrolle in der Pathogenese<br />

haben, so dass eine biologische Therapie wirklich eine direkte Wirkung auf das<br />

Tumorwachstum <strong>und</strong> die Tumorerhaltung haben kann<br />

● Identifikation eines Zusammenhangs zwischen dem Angriffsziel <strong>und</strong> dem Resultat für den<br />

Patienten.<br />

Wenn das Angriffsziel identifiziert worden ist:<br />

● Wählen einer biologischen Methode, die das gezielte Angreifen eines spezifischen<br />

Faktors erlaubt (zum Beispiel einen monoklonalen Antikörper)<br />

● in präklinischen Studien testen, ob die spezifische Therapie einen Antitumor-Effekt hat<br />

● weitere präklinische Studien durchführen, um abzuklären, dass wirklich nur Tumorzellen<br />

angegriffen <strong>und</strong> die normalen Zellen nicht beeinflusst werden<br />

● zusätzliche präklinische Studien an Tiermodellen durchführen, um die Wirksamkeit <strong>und</strong><br />

Sicherheit der Therapie zu testen<br />

● Beginn klinischer Studien mit der Therapie.<br />

Kapitel 7. Die Zukunft der biologischen <strong>Therapien</strong><br />

1. Es ist bekannt, dass Tumoren durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen entstehen.<br />

Beschreiben Sie, welche Methoden angewandt werden könnten, um Kombinationen<br />

verschiedener genetischer Veränderungen in einem Tumor zu erkennen.<br />

Die DNA wird zuerst in RNA transkribiert, um dann für die Produktion eines funktionalen<br />

Proteins anzuleiten. So ist die Analyse der RNA ein Weg zur Identifikation von Genen, die<br />

durch einen bestimmten Tumor exprimiert werden. Die komplementäre DNA (cDNA) kann<br />

von einer RNA-Vorlage syn<strong>the</strong>tisiert werden <strong>und</strong> zur Untersuchung der genomischen DNA,<br />

welche von einer Tumor-Probe isoliert wurde, benützt werden. In diesen cDNA-Proben<br />

werden nur diejenigen Gene identifiziert, die vom Tumor exprimiert werden <strong>und</strong> ein<br />

spezifisch auf diesen Tumor zugeschnittenes Gen-Expressions-Profil aufweisen.<br />

2. Beschreiben Sie die praktischen klinischen Auswirkungen von Gen-Expressions-Profilen.<br />

● Expressions-Profile können helfen, Untergruppen von Tumoren mit verschiedener Prognose<br />

zu bestimmen. Ein gewisses Gen-Expressions-Profil könnte auch prognostischen Wert<br />

haben in Bezug auf das Ansprechen auf bestimmte <strong>Therapien</strong>. Dies ermöglicht eine<br />

massgeschneiderte Therapie bei individuellen Tumor-Arten.<br />

● Die Gen-Expression kann sich über die Krankheitszeit verändern <strong>und</strong> so können die<br />

Profile angewandt werden, um Tumoren in Stadien einzuteilen <strong>und</strong> die Therapie gezielt<br />

auszuwählen.<br />

● Die Identifikation neuer <strong>the</strong>rapeutischer Interventionen durch die Kenntnis über das<br />

Vorkommen <strong>und</strong> die Art der Gen-Expression.<br />

8.14


8<br />

3. Fügen Sie die am meisten zutreffende Aussage in die unten folgenden Sätze ein.<br />

Zell-Signalwege <strong>und</strong> Signal-Transduktion<br />

das Studium der Gen-Expression<br />

Tausende von Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip<br />

Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-Netzwerken<br />

Strategien für die Zubereitung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong><br />

● Proteomics ist das Studium von Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-<br />

Netzwerken.<br />

● Die Protein-Expression in individuellen Zellen kann studiert werden, indem man ein Chip-<br />

System benützt, das im Wesentlichen Tausende von Antikörpern einer<br />

bekannten Spezifität auf einem Chip aufweist.<br />

● Der Vergleich von Protein-Expressionen zwischen Gewebsproben eines individuellen<br />

Patienten kann angewandt werden in der Entwicklung von Strategien für<br />

massgeschneiderte <strong>Therapien</strong>.<br />

● Proteomics kann auf verschiedene Arten angewandt werden, zum Beispiel in Studien von<br />

Zell-Signalwegen <strong>und</strong> Signal-Transduktion.<br />

● Die Beziehungen zwischen Protein-Interaktionen <strong>und</strong> ihre Komplexität bedeuten, dass<br />

Proteomics wahrscheinlich mehr Wissen über die Zellfunktion hervorbringen wird als<br />

das Studium der Gen-Expression.<br />

4. Einige Fortschritte basieren auf der Weiterentwicklung existierender Methoden. Schlagen Sie<br />

je einen möglichen Weg vor, wie Zytokin-<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> Antikörper-<strong>Therapien</strong> verbessert<br />

werden könnten.<br />

Zytokin-<strong>Therapien</strong> können wahrscheinlich verbessert werden, indem die Wirkungsmechanismen<br />

alleine auf den Tumor ausgerichtet werden. Dies könnte erreicht werden durch:<br />

● direkte Injektion des Zytokins in den Tumor<br />

● genetische Veränderung von Tumorzellen, so dass sie Zytokine exprimieren<br />

● die Erzeugung von Fusions-Proteinen, indem das Partner-Protein als Tumor-spezifischer<br />

Führer für das anhaftende Zytokin-Molekül wirkt.<br />

Antikörper-<strong>Therapien</strong> könnten verbessert werden durch:<br />

● die Identifikation besserer Ziel-Moleküle, welche geeignete Charakteristika haben, also<br />

z.B. spezifisch durch Tumorzellen exprimiert werden, eine wesentliche Rolle in der<br />

Tumorentwicklung haben <strong>und</strong> für Antikörper erreichbar sind<br />

● die Anwendung von Antikörpern, um konventionelle <strong>Therapien</strong> direkt auf die Tumorstellen<br />

hinzulenken<br />

● Entwicklung effektiver „Doppelzweck-Moleküle“ wie Immunotoxine, z.B. eines<br />

Antikörpers mit tumorspezifischen Eigenschaften, zusammen mit einem zytotoxischen<br />

Wirkstoff<br />

● Optimierung der Anwendung bestehender <strong>Therapien</strong> durch Klärung von Fragen der<br />

Verabreichungsart <strong>und</strong> -Zeit (adjuvant oder bei Metastasierung), Behandlungs-Schema,<br />

<strong>und</strong> Wirksamkeit von Kombinationen.<br />

8.15


8<br />

5. Die Angiogenese – die Bildung neuer Blutgefässe – ist entscheidend für das Tumor-<br />

Wachstum. Fügen Sie die jeweils passende Bezeichnung in das unten stehende Diagramm<br />

ein, welches die Schlüsselereignisse beschreibt, die zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong> zur<br />

Metastasierung führen.<br />

Angiogenese-Faktoren<br />

Metastase<br />

Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />

Proliferation <strong>und</strong> Invasion<br />

Vaskularisation <strong>und</strong> Wachstum<br />

Tumorzellen treten in<br />

die Blutbahn ein<br />

Metastase<br />

Proliferation <strong>und</strong><br />

Invasion<br />

Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />

Angiogene<br />

Faktoren<br />

Tumorzellen<br />

6. Erläutern Sie kurz die möglichen Auswirkungen, die biologische <strong>Therapien</strong> auf die Pflege<br />

<strong>und</strong> Betreuung der Patienten aus der Sicht einer Onkologie-Pflegenden haben könnten.<br />

Die Verbreitung biologischer <strong>Therapien</strong> bedeutet, dass es eine grössere Auswahl an<br />

<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> individuellere, massgeschneiderte Behandlungsformen geben wird. Dies wird<br />

viel Patienten-Information <strong>und</strong> Beratung erfordern. Folgende Informationen sind von<br />

Interesse:<br />

● die Auswirkung von zellulären Faktoren auf Prognose <strong>und</strong> Tumorverhalten<br />

● Diagnose, Tumor-Charakterisierung <strong>und</strong> Individualisierung der Behandlung<br />

● die erwartete Wirkung der massgeschneiderten Behandlungen <strong>und</strong> wie sie sich von den<br />

konventionellen <strong>Therapien</strong> unterscheiden<br />

● das veränderte Behandlungs-Ziel, indem die Verhütung der Tumorprogression mehr im<br />

Zentrum steht als die Heilung<br />

● der Einsatz von Langzeitbehandlungen mit dem Ziel einer langfristigen<br />

Tumorsuppression.<br />

8.16


8<br />

Glossar<br />

ADCC<br />

Adenin<br />

Adjuvant<br />

Allele<br />

Aminosäure<br />

AMP<br />

Amplifikation<br />

Anaphase<br />

Aneuploidie<br />

Angiogenese<br />

Antigen<br />

Antikörper<br />

Apoptose<br />

ATP<br />

Autokrin<br />

Autoimmun-<br />

Erkrankung<br />

Bispezifischer<br />

Antikörper<br />

B-Zelle<br />

(B-Lymphozyt)<br />

Englisch: Antibody-dependent cellular cytotoxicity, auf Deutsch<br />

Antikörper-abhängige zelluläre Zytotoxizität<br />

Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />

Unterstützend. A: Begriff für <strong>Therapien</strong> für primäre<br />

<strong>Krebs</strong>erkrankungen in prophylaktischer Absicht. B: Substanz, welche<br />

die Immunogenität von Antigenen verstärkt<br />

Alternative Formen von Genen, die denselben Platz im Chromosom<br />

einnehmen<br />

Einer der 20 Aufbau-Bestandteile von Proteinen<br />

Adenosinmonophosphat<br />

Vorkommen von mehr als der normalen Zahl von Kopien eines Gens<br />

in einer Zelle<br />

Ein Stadium der Meiose oder Mitose, während welchem die<br />

Chromosomen gegen die Zellpole wandern<br />

Vorhandensein eines Chromosoms zuviel oder zuwenig in Bezug auf<br />

den normalen Chromosomen-Satz<br />

Bildung neuer Blutgefässe, ein Prozess, der wichtig ist für das<br />

Tumorwachstum auf eine Grösse von mehr als 2mm<br />

Ein Molekül, das eine Immunantwort stimuliert<br />

Protein, das spezifisch auf ein fremdes Molekül (Antigen) oder auf<br />

eine Molekül-Region (Epitop) reagiert<br />

Der aktive Prozess, bei welchem der Zelltod eingeleitet wird. Der<br />

richtige Zeitpunkt der Apoptose ist abhängig vom Alter, der<br />

Ges<strong>und</strong>heit oder dem Zustand der Zelle. <strong>Krebs</strong>zellen können sich<br />

diesem natürlichen Prozess des Zelltodes entziehen<br />

Adenosintriphosphat, der häufigste Phosphatspender beim Menschen<br />

<strong>und</strong> als solcher ein wichtiger Energiespeicher für alle Prozesse, die<br />

Energie erfordern<br />

Ausscheidung einer Substanz, wie eines Wachstumsfaktors, die selber<br />

wieder die Sekretionszelle stimuliert<br />

Krankheit, bei der das Immunsystem gegen eigene Moleküle reagiert<br />

Antikörper mit Erkennungsorten für zwei verschiedene Antigene,<br />

meistens ein Antigen, das auf einen Tumor abzielt <strong>und</strong> ein Immunzell-<br />

Membran-Antigen<br />

Eine der beiden wichtigsten Lymphozyten-Klassen. Die B-Zelle scheidet<br />

Antikörper aus, wenn sie durch eine Antigen-Bindung aktiviert worden ist<br />

8.17


8<br />

CA-125<br />

CA 15-3<br />

CD4, CD8,<br />

CD20, etc.<br />

C-erbB-2<br />

Chemotaxis<br />

Chimäre<br />

Chromatin<br />

Chromosom<br />

Cytosin<br />

Deletion<br />

Dendritische<br />

Zellen<br />

Desoxyribonukleinsäure<br />

Differenzierung<br />

Dimer<br />

Diploid<br />

DNA<br />

Tumormarker, der in der Beurteilung von Patientinnen mit<br />

Ovarialkarzinom gebraucht wird<br />

Tumormarker, der gebraucht wird zur Beurteilung der Effektivität von<br />

Brustkrebs-<strong>Therapien</strong>, <strong>und</strong> der dem Krankheitsverlauf folgt<br />

Eine Familie von Glycoproteinen, deren Mitglieder durch spezifische<br />

Arten von Immunzellen exprimiert sind <strong>und</strong> als Rezeptoren,<br />

Differenzierungsantigene, B-Zell-Rezeptoren etc. funktionieren.<br />

Mitglieder dieser Familie werden spezifisch von verschiedenen Typen<br />

von Leukämie oder Lymphomen exprimiert, z.B. CD20<br />

Anderer Name für das HER2 Gen<br />

Anziehung von Zellen an einen bestimmten Ort, oft vermittelt durch<br />

Faktoren wie Zytokine<br />

Ein durch Gentechnik hergestelltes Molekül, das produziert wird, um<br />

DNA aus verschiedenen Quellen zu kombinieren. Das kodierte<br />

Molekül enthält ausgewählte Sequenzen von beiden Elternquellen<br />

Ein Molekül, das DNA, RNA <strong>und</strong> Protein, welches das genetische<br />

Material einer Zelle formt, enthält<br />

Eine Struktur, welche DNA <strong>und</strong> Proteine enthält. In einer diploiden<br />

menschlichen Zelle sind normalerweise 23 Chromosomenpaare<br />

enthalten<br />

Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />

Auslassung, Verlust. In der Gentechnologie: Verlust eines Teils eines<br />

Chromosoms<br />

Einer der Haupttypen Antigen-präsentierender Zellen, welche die<br />

Fähigkeit haben, T-Zellen zu aktivieren<br />

Siehe DNA<br />

Prozess, durch welchen Zellen mit generalisierten Eigenschaften<br />

spezialisiert werden, z.B. die Bildung von Erythrozyten aus<br />

erythroiden Vorläufern<br />

Ein Inhaltsstoff, der aus zwei identischen Molekülen gebildet ist (auch<br />

Homodimer genannt)<br />

Vorhandensein von zwei kompletten Sätzen homologer Chromosomen<br />

Desoxyriblonukleinsäure (Säure auf Englisch acid), kommt beim<br />

Menschen normalerweise als Doppelstrang-Molekül vor, das die<br />

genetische Information kodiert, die nötig ist für die Zellfunktion<br />

DNA-Sequenzierung Technik, die auf der Gel-Elektrophorese basiert <strong>und</strong> bei der die exakte<br />

Anlage der Basen-Paare in einem DNA-Segment aufgezeichnet<br />

werden kann<br />

8.18


8<br />

Elektrophorese<br />

ELISA<br />

Endonuklease<br />

Endoplasmatisches<br />

Retikulum<br />

Epidemiologie<br />

Epitop<br />

ErbB<br />

Erythropoetin<br />

Exon<br />

Exonuklease<br />

Exponentielles<br />

Wachstum<br />

Filgrastim<br />

GMP<br />

Guanin<br />

Hämatopoese<br />

Haploid<br />

Eine Technik, die zur Auftrennung von Molekülen wie Polypeptiden<br />

<strong>und</strong> Oligonukleotiden gebraucht wird. Dies geschieht durch den<br />

Gebrauch eines elektrischen Feldes, welches die Moleküle durch ein<br />

Gel bewegt<br />

Eine sensitive Immuno-Untersuchung, bei welcher ein Enzym, das an<br />

einen Antikörper oder ein Antigen geb<strong>und</strong>en ist, als Marker benützt<br />

wird, zum Nachweis eines spezifischen Proteins, speziell eines<br />

Antigens oder Antikörpers. Wird oft gebraucht als diagnostischer Test,<br />

speziell für Blutproben<br />

Enzym, das DNA oder RNA im Innern des Moleküls spaltet<br />

Ein Netzwerk aus Membranen innerhalb von Zellen, mit<br />

Speicher-, Transport- <strong>und</strong> Proteinsyn<strong>the</strong>se-Funktionen<br />

Das Studium der Häufigkeit <strong>und</strong> Verteilung einer Krankheit, unter<br />

Einbezug der Faktoren, welche bei der Verursachung mitspielen<br />

Eine Antigen-Region, welche die Produktion eines speziellen<br />

Antikörpers stimuliert. Antigene können eine Anzahl verschiedener<br />

Epitope enthalten, von denen jedes die Produktion eines andern<br />

Antikörpers stimuliert<br />

Anderer Name für die Rezeptor-Familie des menschlichenepidermalen<br />

Wachstumsfaktors<br />

Wachstumsfaktor, der die Proliferation roter Blutzell-Vorläufer induziert<br />

Die DNA-Sequenz eines Gens, die ein Protein kodiert<br />

Ein Enzym, das DNA oder RNA am Ende des Strangs abschneidet<br />

Bei jeder Zellteilung wird die Anzahl der Zellen verdoppelt (aus zwei<br />

Zellen werden vier, aus vier acht usw.)<br />

Die rekombinante Form des menschlichen Granulozytenstimulierenden<br />

Faktors, welcher als supportive Therapie eingesetzt<br />

wird, um einer stärker werdenden Neutropenie vorzubeugen<br />

Guanosin-Monophosphat<br />

Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />

Wachstum <strong>und</strong> Reifung der zellulären Blutkomponenten, nämlich der<br />

Erythrozyten, Leukozyten <strong>und</strong> Thrombozyten<br />

Die Anwesenheit von nur einer Serie von Chromosomen in der Zelle<br />

(beim Menschen also 23 Chromosomen). Normalerweise sind zwei<br />

Serien vorhanden (=diploid), also beim Menschen 46 Chromosomen<br />

8.19


8<br />

HER2<br />

Herceptin ®<br />

Heregulin<br />

Heterodimer<br />

Histamin<br />

Homolog<br />

Human Genome<br />

Project (HGP)<br />

Humoral<br />

Humorale<br />

Immunität<br />

Hybridom<br />

Immunokonjugat<br />

Immunogen<br />

Immunoglobulin<br />

Human epidermal growth factor receptor-2, auf Deutsch menschlicher<br />

epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor-2, ein Tyrosin-Kinase-Rezeptor,<br />

der an epidermalen Zellen gef<strong>und</strong>en wird. Das HER2-Gen ist ein<br />

Proto-Onkogen, das bei einer Reihe von Tumoren in grösserer Menge<br />

anzutreffen ist, am wichtigsten davon ist es bei Brustkrebs. HER2<br />

Überexpression ist ein Zeichen für eine aggressive Erkrankung mit<br />

einer schlechten Prognose<br />

Ein humanisierter anti-HER2 monoklonaler Antikörper, welcher eine<br />

signifikante Verbesserung der Behandlung von HER2- positivem<br />

metastasierendem Brustkrebs gebracht hat<br />

Ein allgemeiner Begriff, um die Liganden für HER3 <strong>und</strong> HER4 zu<br />

beschreiben (siehe auch Neuregulin)<br />

Stoff, der gebildet wird durch die Kombination zweier verschiedener,<br />

aber verwandter Moleküle<br />

Ein Molekül, das während allergischer Reaktionen freigesetzt wird. Es<br />

verursacht eine leichte Muskelkontraktion <strong>und</strong> eine erhöhte vaskuläre<br />

Permeabilität<br />

Ähnlich oder gleich in der Sequenz oder Struktur<br />

Internationale, seit 1990 bestehende Untersuchung, bei der alle<br />

menschlichen Gene identifiziert werden sollen<br />

Die Körperflüssigkeiten betreffend/auf dem Wege über<br />

Körperflüssigkeit erfolgend<br />

Der Teil der Immunantwort, der wegen Antikörpern oder dem<br />

Komplement-System im Plasma geschieht<br />

Eine unsterbliche Zell-Linie, welche durch die Fusion zweier<br />

verschiedener Zell-Typen geschieht. Diese Technik wird bei der<br />

Produktion monoklonaler Antikörper gebraucht<br />

Stoff, der gebildet wird durch Anbinden eines Toxins oder<br />

Radionuklids an einen Antikörper mit dem Ziel, eine zielgerichtete<br />

Therapie für eine bestimmte Zelle oder ein bestimmtes Gewebe<br />

herzustellen<br />

Fähig, eine Immunantwort zu produzieren<br />

Eine Protein-Familie, die Antikörper bildet<br />

Immunohistochemie Eine Test-Technik, die bestimmte Ziel-Moleküle identifiziert durch den<br />

Gebrauch von gekennzeichneten Antikörpern<br />

Immuno<strong>the</strong>rapie<br />

Impfung<br />

Therapie, die Antikörper oder andere Bestandteile des Immunsystems<br />

benützt, oder die speziell hergestellte Antigene, welche eine<br />

Immunantwort auf einen Tumor stimulieren, benützt<br />

Im Gebiet der Onkologie: der Gebrauch von Tumorantigenen mit dem<br />

Ziel, eine Immunantwort gegen einen existierenden Tumor zu<br />

stimulieren<br />

8.20


8<br />

Induktion<br />

Insertion<br />

Interferon<br />

Interleukin<br />

Interphase<br />

Intron<br />

In-vitro<br />

Karzinogen<br />

Karzinogenese<br />

Kernsäure-<br />

Hybridisierung<br />

Kinase<br />

Klon<br />

Klonen<br />

Kolonisierungsstimulierender<br />

Faktor<br />

Komplement<br />

Leukozyt<br />

Ligand<br />

Lipophil<br />

Liposom<br />

Einführen, Veranlassen, Auslösung<br />

Hineinpflanzen, Hineinfügen. In der Gentechnologie: Hinzufügung<br />

eines zusätzlichen Segments in ein Chromosom<br />

Eine Zytokin-Klasse, die agiert, um die Protein-Syn<strong>the</strong>se zu verhindern,<br />

<strong>und</strong> die eine Rolle in der Immunfunktion spielt<br />

Eine Familie von Zytokinen, welche die T-Zell-Differenzierung, -Reifung<br />

<strong>und</strong> ihre Antwort auf Antigene fördern<br />

Der Abschnitt im Zellzyklus zwischen zwei Zellteilungen, in dem die<br />

Syn<strong>the</strong>se des Zellinhaltes passiert<br />

Die DNA-Sequenzen eines Gens, die keine Proteine kodieren, aber<br />

die in RNA transkribiert werden<br />

Im (Reagenz-)Glas, d.h. im Versuch ausserhalb des Organismus<br />

A. Substanz, die <strong>Krebs</strong> verursacht, z.B. Dioxin, Bestrahlung<br />

B. <strong>Krebs</strong> erzeugend, kanzerogen<br />

Die Induktion von <strong>Krebs</strong><br />

Technik, welche die präzise Lokalisation von DNA oder RNA erlaubt<br />

Ein Enzym, das Phosphatgruppen von ATP zu einem Molekül wie<br />

einem Protein transferiert<br />

Genetisch einheitliche Nachkommengruppe, die sich von einem<br />

Mutterorganismus (Zelle bzw. Einzeller) durch vegetative Vermehrung<br />

ableitet<br />

A. Isolierung bestimmter Zellklone<br />

B. Gewinnung einer Zellpopulation von Organismen mit identischem<br />

Genotyp<br />

C. Insertion eines Gens oder einer DNA-Sequenz in ein Molekül<br />

mittels Gentechnologie<br />

Eine Gruppe von Zytokinen, welche die Reifung <strong>und</strong> Proliferation<br />

weisser Blutzellen induzieren<br />

Proteine, die an Immunreaktionen beteiligt sind<br />

Weisse Blutzelle. Grosse Untergruppen davon sind Lymphozyten <strong>und</strong><br />

Monozyten<br />

Ein Molekül, das an ein anderes, normalerweise grösseres Molekül<br />

bindet, z.B. an einen Rezeptor. Normalerweise wirkt es aktivierend<br />

Die Eigenschaft, entweder fettlöslich zu sein, oder eine Affinität für Fett<br />

zu haben<br />

Ein kugelförmiges Partikel mit einer Lipid-Doppelschicht, die als<br />

Membran dient, welche einen Stoff, wie zum Beispiel ein<br />

Medikament, einschliesst. Die Einschliessung eines Antikörpers in die<br />

8.21


8<br />

Lipid-Doppelschicht kann Liposome fähig machen, direkt auf<br />

<strong>Krebs</strong>zellen einzuwirken<br />

Lobular-alveolar<br />

Lymphozyt<br />

Lysosom<br />

Mab<br />

MabThera ®<br />

Makrophag<br />

MAP Kinase<br />

Megakariozyt<br />

Meiose<br />

Metaphase<br />

Metastase<br />

Micro-Array<br />

Mikrotubulus<br />

Mismatch-<br />

Reparatur-System<br />

Mitochondrium<br />

Mitose<br />

Begriff, welcher die Struktur der Brust beschreibt, welche in 20 Lobuli<br />

(Lappen) unterteilt ist, die wiederum eine bläschenartige Struktur<br />

(alveolar) aufweisen<br />

Eine Klasse von Leukozyten im Blut, Knochenmark oder lymphatischen<br />

System mit einer wichtigen Rolle in der humoralen <strong>und</strong> zellulären<br />

Immunität<br />

Eine Membran-„Blase“, die hydrolytische Enzyme enthält<br />

Von engl. monoclonal antibody. Monoklonaler Antikörper<br />

Ein chimerischer Antikörper, der auf CD20 wirkt, <strong>und</strong> der in der<br />

Behandlung von CD20-positiven Lymphomen eingesetzt wird<br />

Eine Immunzelle, die in Geweben vorkommt <strong>und</strong> die eine wichtige<br />

Rolle spielt im Abwehrmechanismus des Wirtes, vorallem gegen<br />

Bakterien<br />

Mitogen-aktivierte Proteinkinase, ist involviert in intrazelluläre<br />

Signalabläufe <strong>und</strong> wird stimuliert durch extrazelluläre Proliferations<strong>und</strong><br />

Differenzierungsfaktoren<br />

Grosse Knochenmarkszelle, die für die Thrombozyten- Produktion<br />

nötig ist<br />

Der Prozess der Zellteilung, bei dem Tochterzellen produziert werden<br />

mit nur der Hälfte der normalen Chromosomenzahl<br />

Ein Stadium der Meiose oder Mitose, in dem die Chromosomen in<br />

einer Reihe angeordnet werden<br />

A: die Ausbreitung von <strong>Krebs</strong> von seinem ursprünglichen Ort zu einer<br />

anderen, normalerweise entfernten Stelle<br />

B: ein sek<strong>und</strong>ärer bösartiger Tumor, der weit weg vom Primärtumor<br />

vorkommt<br />

Technologie zur gleichzeitigen Untersuchung vieler Proben auf kleinem<br />

Raum (DNA, RNA, Proteine, Gewebeproben)<br />

Eine hohle zylindrische Struktur, die am Aufbau der Zelle beteiligt ist<br />

DNA-Korrekturlesesystem, das fehlerhafte DNA-Nukleotiden erkennt<br />

<strong>und</strong> korrigiert. Dieses System kann das Genom mit einem<br />

100–1’000fachen Schutz gegen Mutationen ausstatten<br />

Eine zelluläre Organelle, in der die Energiebildung <strong>und</strong> die<br />

Translation von RNA zur Bildung von Proteinen stattfinden<br />

Der Prozess der Zellteilung, bei welchem zwei identische Tochterzellen<br />

mit dem normalen Komplement von Chromosomen entstehen<br />

8.22


8<br />

Modifizieren<br />

Monoklonale<br />

Antikörper<br />

Monozyt<br />

mRNA<br />

Mutation<br />

Myc<br />

Myeloid<br />

Natürliche<br />

Killerzellen<br />

(NK-Zellen)<br />

Neu<br />

Neuregulin<br />

Neutropenie<br />

Neutrophil<br />

NK-Zellen<br />

Nukleotid<br />

Onkogen<br />

Onkogene<br />

Transformation<br />

Organelle<br />

P185 HER2<br />

P53<br />

Verändern, umwandeln<br />

Antikörper, die chemisch <strong>und</strong> immunologisch identisch sind, d.h. die<br />

eine spezifische Region eines bestimmten Antigens erkennen.<br />

Monoklonale Antikörper werden oft in Untersuchungen angewendet<br />

<strong>und</strong> wurden für die Behandlung von <strong>Krebs</strong> eingesetzt, wie z.B.<br />

Herceptin ®<br />

Ein Leukozyt, der grösser ist als Lymphozyten <strong>und</strong> verwandt mit den<br />

Makrophagen<br />

Messenger-RNA, Boten-RNA<br />

Jede erkennbare erbliche Veränderung im genetischen Material, die<br />

an die Tochterzellen weitergegeben wird<br />

Ein Faktor, der in der Regulierung des Zellwachstums eine Rolle spielt,<br />

<strong>und</strong> der häufig erhöht/überexprimiert ist bei vielen menschlichen<br />

<strong>Krebs</strong>erkrankungen<br />

In Bezug auf das Knochenmark<br />

Grosse Lymphozyten, die direkt zytotoxisch auf andere Zellen wirken<br />

Äquivalent des menschlichen HER2 Gens in der Ratte<br />

Eine generelle Bezeichnung für die Liganden von HER3 <strong>und</strong> HER4<br />

(siehe auch Heregulin)<br />

Eine Senkung der Zahl an weissen Blutkörperchen, welche<br />

charakterisiert ist durch den Verlust von Neutrophilen, was zu<br />

lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann, <strong>und</strong> oft durch<br />

zytotoxische Chemo<strong>the</strong>rapie verursacht wird<br />

Ein Leukozyt, der den Namen erhalten hat wegen der Farbe, die er<br />

bei der Romanowsky-Färbung erhält. Er hat eine Aufgabe in der<br />

Immunantwort auf systemische bakterielle Infektionen <strong>und</strong> entzündliche<br />

Störungen<br />

Siehe natürliche Killerzellen<br />

Gr<strong>und</strong>baustein der DNA<br />

A: Ein Gen, das fähig ist, die onkogene Transformation zu<br />

verursachen <strong>und</strong> zu erhalten<br />

B: krebserzeugend<br />

Der Prozess, durch den eine normale Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle<br />

umgewandelt wird<br />

Eine intrazelluläre Struktur mit spezialisierter Funktion. Zellkern <strong>und</strong><br />

Mitochondrium sind zum Beispiel Organellen<br />

Anderer Name für das HER2 Protein<br />

Tumor-Suppressor-Gen, von dem man glaubt, dass es eine Rolle in der<br />

Regulierung der Apoptose spielt, einer Funktion, die bei <strong>Krebs</strong> oft fehlt<br />

8.23


8<br />

Phagen<br />

Phagozyt<br />

Phänotyp<br />

Phosphorylierung<br />

Plasmid<br />

Polymerase<br />

Viren, welche Bakterien infizieren, <strong>und</strong> als Klon-Vektoren nützlich sind<br />

Eine Zelle, die fremde Partikel (z.B. Viren) entfernt, indem sie diese in<br />

sich aufnimmt<br />

Summe der sichtbaren genetischen Eigenschaften einer Zelle<br />

Prozess, durch den Proteine aktiviert werden durch Zufügung von<br />

Phosphat-Gruppen <strong>und</strong> welcher wichtig ist für die intrazellulären<br />

Signalwege<br />

Zirkuläre DNA, die in Bakterien <strong>und</strong> anderen Organismen, die man<br />

für die DNA-Klonung gebrauchen kann, zu finden sind<br />

Enzym, das die Polymerisation verursacht, z.B. die Formation von<br />

Polynukleotiden aus Nukleotiden oder von Polypeptiden aus Peptiden<br />

Polymerase<br />

Kettenreaktion (PCR)<br />

Technik zur Vermehrung von DNA oder RNA<br />

Polyploid<br />

Proliferation<br />

Prophase<br />

Proteinkinasen<br />

Proteomics<br />

Proto-Onkogen<br />

Ras<br />

Rekombinante<br />

DNA-Technologie<br />

Replikation<br />

Reverse<br />

Transkriptase<br />

Rezeptor<br />

Ribosom<br />

RNA<br />

Screening<br />

Anwesenheit eines Vielfachen des normalen Chromosomen-<br />

Komplementes<br />

Vermehrung<br />

Anfangsstadium der Zellteilung in der Meiose oder Mitose<br />

Enzyme, die andere (Enzym-)Proteine phosphorylieren<br />

Studium der Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle der Zellprotein- Netzwerke<br />

Normales zelluläres Gen, das durch Mutation zu einem aktiven<br />

Onkogen wird<br />

Eine Protein-Familie, die mithilft, Signale von den Zellmembran-<br />

Rezeptoren zum Zellkern zu übermitteln<br />

(Rekombination = Bildung einer neuen Gen-Kombination aus<br />

genetisch verschiedenen Genomen.) Rekombinante DNA- Technologie<br />

umfasst verschiedene Techniken, die die Untersuchung <strong>und</strong> die<br />

Manipulation der DNA in einer Zelle ermöglichen. In Kapitel 5<br />

beschrieben<br />

Verdoppelung, Vermehrung<br />

Ein Enzym, das die Syn<strong>the</strong>tisierung von DNA aus RNA ermöglicht<br />

Ein Molekül, oft ein Protein, das sich an der Zelloberfläche befindet<br />

<strong>und</strong> Signale von ausserhalb der Zelle zum Zellkern übermittelt<br />

Zellstruktur, wo die Translation stattfindet<br />

Ribonukleinsäure (Säure auf englisch acid)<br />

A. Auf bestimmte Kriterien ausgerichteter „Siebtest“<br />

B. Auf eine bestimmte Krankheit gerichtete diagnostische Massnahme,<br />

mit dem Ziel, in der Gesamtbevölkerung oder einem besonders<br />

gefährdeten Teil derselben symptomlose Krankheitsträger zu finden<br />

oder bestimmte Krankheitszeichen zu erkennen<br />

8.24


8<br />

Seneszenz<br />

Sigmoidoskopie<br />

Der normale Prozess der Alterung, welcher sowohl bei Organismen<br />

als Ganzes als auch bei Zellen vorkommt<br />

Untersuchung des Kolons mittels eines Endoskopes<br />

Signal-Transduktion Übertragung von Signalen innerhalb von Zellen <strong>und</strong> zwischen Zellen<br />

Substitution<br />

Syn<strong>the</strong>tisieren<br />

Systemisch<br />

TAA<br />

T-Zelle<br />

Telomer<br />

Telophase<br />

Thrombopoetin<br />

Thymin<br />

Transfektant<br />

Transfektion<br />

Transformant<br />

Transformation<br />

Transkription<br />

Translation<br />

Translokation<br />

Tumor-Nekrose-<br />

Faktor α<br />

Tumor-Suppressor-<br />

Gen<br />

Tyrosinkinase<br />

T-Zelle<br />

(T-Lymphozyt)<br />

Überexpression<br />

Ersatz<br />

Herstellen<br />

Den ganzen Körper betreffend oder auf den ganzen Körper<br />

einwirkend (wie z.B. die systemische Anwendung von Chemo<strong>the</strong>rapie)<br />

Tumor-assoziiertes Antigen<br />

Eine der zwei Hauptklassen von Lymphozyten. Ist verantwortlich für<br />

die Zell-Immunität<br />

Definierter Bereich der Chromosomen-Enden<br />

Letztes Stadium der Kernteilung während der Meiose oder Mitose,<br />

während dem neue Kernmembranen gebildet werden<br />

Ein Zytokin, das bei der Reifung von Megakariozyten <strong>und</strong> somit bei<br />

der normalen Thrombozyten-Produktion eine Rolle spielt<br />

Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />

Eine Zelle oder ein Tier, die fremde DNA enthalten<br />

Transfer von DNA, die ein spezifisches Gen enthält, in eine Zelle. Dies<br />

dient zum Studium der Wirkung dieses Gens<br />

Eine Zelle, die Veränderungen erfahren hat, die sie bösartig machen<br />

Wechsel einer Zelle vom Normalzustand zum kanzerösen Zustand<br />

Produktion eines zusätzlichen RNA-Strangs von der Zellkern-DNA<br />

Prozess, bei dem die Sequenz der Boten-RNA in die Aminosäuren-<br />

Sequenz eines Proteins übersetzt wird<br />

Eine Umstellung der Chromosomen, bei welcher genetisches Material<br />

von seiner normalen Stelle an eine andere versetzt wird, was oft Gene<br />

spaltet <strong>und</strong> zu Anomalien führt<br />

Ein Protein <strong>und</strong> Zytokin, das vorzugsweise Tumorzellen tötet <strong>und</strong> eine<br />

grosse Bandbreite von pro-inflammatorischen Aktionen besitzt<br />

Jedes Gen, das normalerweise Zellwachstum, Mutationen oder<br />

Auslassungen verhindert, welche zu ungehemmtem Zellwachstum <strong>und</strong><br />

<strong>Krebs</strong> führen könnten<br />

Ein Enzym, das Proteine aktiviert durch Phosphorylierung der<br />

Aminosäure Tyrosin<br />

Vom Thymus abhängiger Lymphozyt, Träger der zellvermittelten<br />

Immunität<br />

Produktion von merklich mehr als der normalen Menge eines<br />

zellulären Proteins, normalerweise wegen Genamplifikation<br />

8.25


8<br />

Uracil<br />

VEGF<br />

Wachstumsfaktor<br />

Wachstumsfaktor-<br />

Rezeptor<br />

Xenotransplantat<br />

Zellkern<br />

Zellvermittelte<br />

Immunität<br />

Zentromer<br />

Zyklin<br />

Zytokine<br />

Zytoplasma<br />

Zytotoxisch<br />

Eine Base, die in der RNA enthalten ist<br />

Vascular endo<strong>the</strong>lial growth factor, auf deutsch vaskulärer<br />

endo<strong>the</strong>lialer Wachstumsfaktor<br />

Substanz, die das Wachstum von Gewebe oder Knochen stimuliert.<br />

Wachstumsfaktoren können Vitamine, Mineralien oder Hormone sein<br />

<strong>und</strong> üben ihre Funktion über Wachstumsfaktor-Rezeptoren aus. Ein<br />

Beispiel ist der epidermale Wachstumsfaktor<br />

Ein Molekül, oft ein Glycoprotein, das sich an der Zellmembran<br />

befindet, <strong>und</strong> das in der Übermittlung von Signalen, welche von<br />

Wachstumsfaktoren an den Zellkern gesandt werden, eine Rolle spielt<br />

Ein chirurgisches Transplantat von Gewebe einer Spezies in ein<br />

Individuum einer anderen Spezies<br />

Eine Struktur, die durch eine Membran umhüllt ist <strong>und</strong> die genetische<br />

Information der Zelle enthält<br />

Der Teil der Immunantwort, welcher durch Zellen geschieht, wie<br />

T-Zellen <strong>und</strong> Makrophagen<br />

Die Region eines Chromosoms, die an Spindelfasern bindet <strong>und</strong> deren<br />

Aufgabe es ist, die korrekte Verteilung der Chromosomen während<br />

der Mitose <strong>und</strong> Meiose zu arrangieren<br />

Moleküle, die Proteine phosphorylieren <strong>und</strong> einen Teil des<br />

Kontrollmechanismus des Zellzyklus bilden<br />

Kleine Proteine, die durch Zellen freigesetzt werden <strong>und</strong> spezifische<br />

Wirkung auf Zell-Zell-Interaktionen, Kommunikation <strong>und</strong> Verhalten<br />

anderer Zellen haben<br />

Die Substanz lebender Zellen ausserhalb des Zellkerns<br />

Den Zelltod verursachend<br />

8.26


8<br />

Bibliografie<br />

Diese Bibliografie ist nicht als umfassende Auflistung aller Referenz-Literatur,<br />

die zur Herstellung dieses Handbuchs gebraucht wurde, gemeint. Vielmehr<br />

wurde sie geschrieben für alle, die weitere Informationen über die Themen<br />

dieses Buches wünschen.<br />

Kapitel 1<br />

Adams VR. Adverse events associated with chemo<strong>the</strong>rapy for common cancers. Pharmaco<strong>the</strong>rapy<br />

2000;20:S96–S103.<br />

Berrino F, Gatta G, Chessa E, et al. The EUROCARE II Study. Eur J Cancer 1998;34:2139–278.<br />

Boyle P, Veronesi U, Tubiana M, et al. <strong>European</strong> School of <strong>Oncology</strong> Advisory Report to <strong>the</strong> <strong>European</strong><br />

Commission for <strong>the</strong> ‘Europe Against Cancer Programme’ <strong>European</strong> Code Against Cancer. Eur J Cancer<br />

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URL: http://www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm<br />

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Kapitel 2<br />

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Rasmussen H, editor. Cell communication in health and disease: Readings from Scientific American<br />

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