Biologische Therapien und Krebs - the European Oncology Nursing ...
Biologische Therapien und Krebs - the European Oncology Nursing ...
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Die Produktion wurde ermöglicht durch einen<br />
Ausbildungs-Beitrag der Firma F. Hoffmann-La Roche Ltd<br />
<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />
Ein<br />
Lehrmittel<br />
für<br />
Pflegefachfrauen<br />
in<br />
der<br />
Onkologie-Pflege
Die Produktion wurde ermöglicht durch einen<br />
Ausbildungs-Beitrag der Firma F. Hoffmann-La Roche Ltd
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
Einführung in dieses Hilfsmittel<br />
Kapitel 1. <strong>Krebs</strong>: die Geschichte bis heute<br />
● Einführung: <strong>Krebs</strong> – eine Last 1.1<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 1.2<br />
● Internationale Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>-Häufigkeit 1.3<br />
● Veränderungen in der <strong>Krebs</strong>inzidenz über die Zeit 1.5<br />
● Die Auswirkungen von Therapie auf das Überleben 1.8<br />
● <strong>Krebs</strong>vorsorge 1.9<br />
Faktoren in Zusammenhang mit der <strong>Krebs</strong>entstehung 1.9<br />
<strong>Krebs</strong>-Überwachung <strong>und</strong> Screening 1.10<br />
Prophylaktische Operationen <strong>und</strong> Chemoprävention 1.11<br />
● <strong>Krebs</strong>behandlung im historischen Blickwinkel 1.12<br />
Chirurgie 1.12<br />
Radio<strong>the</strong>rapie 1.13<br />
Hormonelle (endokrine) Therapie 1.14<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie 1.14<br />
<strong>Biologische</strong> Therapie (Immuno<strong>the</strong>rapie) 1.19<br />
● Zusammenfassung 1.19<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 1.20<br />
Kapitel 2. Zellwachstumskontrolle <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />
● Einführung 2.1<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 2.2<br />
● Übersicht über die Zellteilung 2.3<br />
Einführung 2.3<br />
Der Zellzyklus 2.4<br />
Ablauf der Zellteilung 2.5<br />
Mitose 2.6<br />
Meiose 2.7<br />
Die Bedeutung von Mitose <strong>und</strong> Meiose 2.10<br />
● Faktoren <strong>und</strong> Signale, die an der Kontrolle der Zellteilung<br />
beteiligt sind 2.10<br />
Das Zellzyklus-Kontrollsystem 2.10<br />
Wachstumsfaktoren 2.11<br />
Wachstumsfaktor-Rezeptoren 2.14<br />
Notwendigkeit einer Verankerung 2.14<br />
Zell-Seneszenz 2.15<br />
Apoptose – programmierter Zelltod 2.15<br />
● Zusammenfassung 2.16<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 2.17
Inhaltsverzeichnis<br />
Kapitel 3. Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />
● Einführung 3.1<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 3.2<br />
● Molekularbiologie/Genetik – die Gr<strong>und</strong>lagen 3.3<br />
Zellen <strong>und</strong> Gewebe 3.3<br />
DNA 3.3<br />
DNA-Replikation 3.4<br />
Gene 3.4<br />
Chromosomen 3.4<br />
Genom 3.4<br />
Der genetische Code 3.5<br />
RNA 3.5<br />
Proteine 3.6<br />
Warum ist das Verstehen dieser Prozesse wichtig? 3.6<br />
● Onkogene <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Gene 3.6<br />
Onkogene 3.6<br />
Tumor-Suppressor-Gene 3.8<br />
Mismatch-Reparatur-Gene 3.8<br />
● Gen-Anomalien bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong> 3.9<br />
p53 3.9<br />
Ras 3.11<br />
Myc 3.12<br />
HER2 3.12<br />
● Zellsignale 3.13<br />
Das Ziel der Signalisierung 3.15<br />
Signal-Transduktion 3.15<br />
● Signal-Pfade 3.17<br />
HER2 3.17<br />
TGF-/Smad 3.18<br />
Ras <strong>und</strong> Raf-1/ERK2 (MAPK) 3.18<br />
● Tumor-Onkogenese <strong>und</strong> Tumor-Wachstum 3.18<br />
Die Entwicklung eines Tumors 3.18<br />
Zunahme von Mutationen durch Tumorwachstum 3.20<br />
● Zusammenfassung 3.20<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 3.22
Inhaltsverzeichnis<br />
Kapitel 4. Das Immunsystem: Die Basis für alle biologischen<br />
<strong>Therapien</strong><br />
● Einführung 4.1<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 4.2<br />
● Das Immunsystem verstehen 4.3<br />
Was ist eine Immunantwort? 4.3<br />
Was ist ein Antigen? 4.3<br />
Was ist ein Antikörper? 4.3<br />
Die Produktion verschiedener Antikörper 4.5<br />
Antigen-präsentierende Zellen stimulieren Lymphozyten-Klone 4.6<br />
Die Schaffung einer breiten Antikörper-Verschiedenheit 4.7<br />
Die Funktion der Antikörper 4.8<br />
● Das angeborene Immunsystem 4.8<br />
Das Komplement-System – der Domino-Effekt 4.9<br />
Phagozyten 4.10<br />
Natürliche Killerzellen 4.10<br />
● Das erworbene Immunsystem 4.10<br />
● Zellvermittelte Immunantworten 4.10<br />
Lymphozyten 4.11<br />
● Die Produktion von Antikörpern im Labor 4.12<br />
Die Produktion monoklonaler Antikörper im Labor 4.12<br />
● Immunsystem <strong>und</strong> Krankheit 4.15<br />
<strong>Krebs</strong> 4.15<br />
● Zusammenfassung 4.16<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 4.17<br />
Kapitel 5. Technologien zur Ermöglichung biologischer <strong>Therapien</strong><br />
● Einführung 5.1<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 5.2<br />
● Technische Entwicklungen 5.3<br />
Rekombinante DNA-Technologie 5.3<br />
Das Klonen von Genen 5.5<br />
● Gentechnologie 5.10<br />
Tier-Zellkulturen 5.10<br />
Transfektion 5.11<br />
● Die Anwendung neuer Technologien im Kontext von <strong>Krebs</strong> 5.12<br />
Antikörper als molekularbiologische <strong>und</strong> biochemische Instrumente 5.12<br />
Immunhistochemie 5.12<br />
ELISA 5.14<br />
In-situ Hybridisierung 5.14<br />
Polymerase-Kettenreaktion 5.15<br />
● Funktionelle Genetik 5.17<br />
Das „Human-Genom-Projekt“ 5.17<br />
Bioinformatik 5.18<br />
● Zusammenfassung: Anwendung dieser Kenntnisse 5.18<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 5.20
Inhaltsverzeichnis<br />
Kapitel 6. <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> erklärt<br />
● Einführung 6.1<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 6.2<br />
● Warum biologische <strong>Therapien</strong> zur <strong>Krebs</strong>behandlung benützen? 6.3<br />
● Arten biologischer <strong>Therapien</strong> 6.3<br />
Zytokin-Therapie 6.4<br />
Antikörper-Therapie 6.8<br />
<strong>Krebs</strong>impfungen 6.14<br />
Gen<strong>the</strong>rapie 6.17<br />
Zell-basierte Therapie 6.19<br />
● Vergleich zwischen biologischen <strong>Therapien</strong>, welche spezifisch auf<br />
Antigene einwirken <strong>und</strong> solchen, die unspezifisch wirken 6.20<br />
Die Nutzung spezifischer Tumor-Anomalien für gezielte <strong>Therapien</strong> 6.21<br />
Die Vorteile der gezielten Therapie 6.21<br />
● Fallstudie 1: Filgrastim, ein unspezifischer biologischer Wirkstoff<br />
in der Supportiv<strong>the</strong>rapie 6.22<br />
Hämatopoese 6.22<br />
Hämatopoetische Wachstumsfaktoren 6.23<br />
Die Wirkung von Filgrastim in-vivo 6.23<br />
Klinische Anwendung von Filgrastim 6.23<br />
Fallstudie – G-CSF 6.26<br />
Zusammenfassung 6.28<br />
● Fallstudie 2: Rekombinantes IL-2, ein biologischer Wirkstoff<br />
gegen <strong>Krebs</strong> 6.28<br />
Die Wirkung von IL-2 6.28<br />
IL-2 als Antitumor-Therapie 6.28<br />
Fallstudie – IL-2 6.31<br />
Zusammenfassung 6.32<br />
● Fallstudie 3: Die monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie mit<br />
humanisiertem anti-HER2, einer Onkogen-spezifischen<br />
biologischen Antikrebssubstanz 6.32<br />
Die Theorie für die gezielte Einwirkung auf HER2 6.32<br />
Die Entwicklung der HER2-spezifischen gezielten Therapie 6.33<br />
Die Auswahl von Patienten für die Herceptin ® -Therapie 6.33<br />
Klinische Erfahrung mit Herceptin ® 6.34<br />
Fallstudie – Herceptin ® 6.36<br />
Zusammenfassung 6.38<br />
● Schlussfolgerungen 6.38<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 6.40
Inhaltsverzeichnis<br />
Kapitel 7. Die Zukunft der biologischen <strong>Therapien</strong><br />
● Einführung 7.1<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 7.2<br />
● Die genetische Charakterisierung von Tumoren 7.4<br />
Komplementäre DNA Micro-Arrays 7.4<br />
Proteomics 7.5<br />
● Weiterentwicklung schon bestehender Methoden 7.6<br />
Zytokin-Therapie 7.6<br />
Antikörper-Therapie 7.7<br />
<strong>Krebs</strong>impfungen 7.10<br />
Gen-Therapie 7.11<br />
Zell-basierte Therapie 7.12<br />
● Neue Methoden, die auf die Tumor-Angiogenese ausgerichtet sind 7.12<br />
● Zusammenfassung: Auswirkungen für Patienten mit <strong>Krebs</strong> 7.16<br />
● Fragen zur Selbsteinschätzung 7.18<br />
Anhang<br />
● Antworten auf die Fragen zur Selbsteinschätzung 8.1<br />
● Glossar 8.17<br />
● Bibliografie 8.27
Vorwort<br />
Die Ausübung der onkologischen Krankenpflege stellt viele Herausforderungen an die<br />
Pflegefachfrauen <strong>und</strong> das Fachpersonal im Ges<strong>und</strong>heitswesen. Wachsende wissenschaftliche<br />
Kenntnisse haben unser Verstehen der Prozesse, die mit <strong>Krebs</strong> in Zusammenhang stehen,<br />
verbessert <strong>und</strong> somit eine bessere Spezifikation <strong>und</strong> massgeschneiderte <strong>Therapien</strong> ermöglicht.<br />
Zudem werden die zunehmend aufkommenden Kenntnisse des menschlichen Genom-Projektes<br />
zu einer gr<strong>und</strong>legenden Veränderung in den Therapiearten führen. Als Folge davon benötigen<br />
wir als Fachpersonal im Ges<strong>und</strong>heitswesen eine fortlaufende Anpassung unserer Kenntnisse <strong>und</strong><br />
unseres Verständnisses, damit wir unseren Patienten die bestmögliche Unterstützung geben<br />
können. Deshalb ist die <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society erfreut, dieses Hilfsmittel für<br />
Pflegende <strong>und</strong> Fachpersonen im Ges<strong>und</strong>heitswesen unterstützen zu können. Zum ersten Mal<br />
wird darin eine gute Übersicht über <strong>Krebs</strong>genetik <strong>und</strong> biologische <strong>Therapien</strong> dargeboten.<br />
Dieses Unterrichts-Hilfsmittel gibt detaillierte Informationen über die genetischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
von <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> liegt in einem benutzerfre<strong>und</strong>lichen Format vor, mit der Möglichkeit,<br />
Selbstüberprüfungen vorzunehmen <strong>und</strong> so die berufliche Entwicklung zu fördern. Oft sind<br />
wissenschaftliche Informationen nicht für alle Fachpersonen zugänglich <strong>und</strong> unser Lob gilt den<br />
Autoren, die die Barriere der technischen Sprachprobleme überw<strong>und</strong>en haben, aber<br />
gleichzeitig die Informationstiefe bewahrt haben. Die sehr detaillierte Erklärung biologischer<br />
<strong>Therapien</strong> gibt dem Leser nicht nur ausgezeichnete Informationen, sondern auch die<br />
Gelegenheit, die nötige supportive Pflege durch Fallbeispiele kennen zu lernen.<br />
EONS empfiehlt dieses Unterrichts-Hilfsmittel als ausgezeichnetes Mittel für alle Fachpersonen,<br />
die Patienten mit <strong>Krebs</strong> pflegen <strong>und</strong> speziell für solche, die mit der Anwendung biologischer<br />
<strong>Therapien</strong> zu tun haben. Weil die Mitglieder von EONS in Ländern mit vielen verschiedenen<br />
Sprachen arbeiten, sind wir stolz, Ihnen das vorliegende Buch in Deutsch, Spanisch, Italienisch<br />
<strong>und</strong> Französisch präsentieren zu können.<br />
Frühling 2002<br />
Nora Kearney, Lehrerin in Onkologischer Krankenpflege<br />
Past-Präsidentin der <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society<br />
Agnes Glaus, Pflegewissenschaftlerin<br />
Immediate-Past-Präsidentin der <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society<br />
Giel Vaessen, Lehrer in Onkologischer Krankenpflege<br />
Präsident der <strong>European</strong> <strong>Oncology</strong> <strong>Nursing</strong> Society
Einführung<br />
Einführung in dieses Hilfsmittel<br />
Dieses Hilfsmittel wurde von einer Gruppe erfahrener Onkologiepflegender gestaltet <strong>und</strong><br />
entwickelt <strong>und</strong> dient zur Weiterbildung. Es ist gedacht als Instrument für Pflegeausbildner/innen<br />
von Onkologiepflegenden <strong>und</strong> für alle, die in der Pflege <strong>und</strong> Betreuung onkologischer<br />
Patient/innen tätig sind, <strong>und</strong> soll dazu dienen, das Verständnis der modernsten <strong>Krebs</strong>forschung<br />
<strong>und</strong> -Therapie zu erweitern. Auch für all jene, die das Verständnis der Molekularbiologie <strong>und</strong><br />
<strong>Krebs</strong>genetik auffrischen möchten, wird es eine Hilfe sein. Die Unterlagen zeigen die<br />
wissenschaftlichen Hintergründe von <strong>Krebs</strong> auf <strong>und</strong> beschreiben, wie verbesserte Kenntnisse<br />
von <strong>Krebs</strong>biologie <strong>und</strong> Genetik, vereint mit neuen Fortschritten in der Technologie, zur<br />
Entwicklung einer Gruppe neuer biologischer <strong>Therapien</strong> geführt haben, welche die einmaligen<br />
Möglichkeiten des Immunsystems ausnützen. Diese Kenntnisse sind die Basis, um zu verstehen,<br />
wie diese neue Art von <strong>Krebs</strong>behandlung wirkt <strong>und</strong> wie sie unser Vorgehen in der<br />
Therapiegestaltung potentiell verändern kann. Durch dieses ganze Buch hindurch werden die<br />
beschriebenen Konzepte mit Abbildungen <strong>und</strong> Tabellen illustriert, um das Verständnis zu<br />
erleichtern. Am Anfang <strong>und</strong> Ende jedes Kapitels finden Sie eine Reihe von Fragen, welche den<br />
Benutzern erlaubt, ihren Wissensstand zu überprüfen.<br />
<strong>Krebs</strong> – eine Last<br />
Statistiken zeigen klar, dass <strong>Krebs</strong> unserer heutigen Gesellschaft eine beträchtliche Bürde<br />
auferlegt. Wie in Kapitel 1 beschrieben wird, sind die <strong>Krebs</strong>inzidenz <strong>und</strong> -Mortalität im 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert in der industrialisierten Welt stetig angestiegen, was vor allem auf den Umstand<br />
zurückzuführen ist, dass Menschen heute länger leben <strong>und</strong> die Weltbevölkerung schnell wächst.<br />
Es überrascht nicht, dass <strong>Krebs</strong>-Prävention <strong>und</strong> -Behandlung unter den wichtigsten Themen<br />
klinischer Forschung zu finden sind. Massnahmen wie verbessertes <strong>und</strong> intensiveres Screening<br />
hatten in den letzten Jahrzehnten grosse Auswirkungen auf das Überleben. Auch wurden durch<br />
die Entwicklung von verbesserten Hormonen <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapeutika Fortschritte in der<br />
Behandlung von <strong>Krebs</strong> gemacht. Diese verschiedenen Therapiearten können sehr wirkungsvoll<br />
sein, aber immer wieder wird ihre Anwendung eingeschränkt durch ihre einschneidende<br />
Wirkungsweise <strong>und</strong> ihre Toxizität, sowie durch die allgemeinen Auswirkungen auf den ganzen<br />
Körper. Die Gesamt-Überlebensraten, die in den letzten Jahren kaum verbessert worden sind,<br />
beweisen auch, dass der klinische Vorteil dieser nicht-spezifischen, vor allem<br />
chemo<strong>the</strong>rapeutischen Behandlungen beschränkt ist. Neue Therapiemöglichkeiten mit<br />
zusätzlichen klinischen Vorteilen, aber weniger oder gleicher Toxizität, finden also einen<br />
berechtigten Platz. Eine Behandlungsart, die diese Eigenschaften aufweist, ist die biologische<br />
Therapie.<br />
Die normale Funktion der Zelle<br />
Vernünftige <strong>the</strong>rapeutische Strategien, zum Beispiel diejenigen, die auf ein bestimmtes Molekül<br />
in einer Zelle abzielen, bedingen gute Kenntnisse über die Abläufe in den Zellen <strong>und</strong> darüber,<br />
wie Zellprozesse fehlerhaft ablaufen können. Kapitel 2 gibt einen Überblick über die Prozesse,<br />
die während des normalen Zellwachstums <strong>und</strong> der Proliferation über den Zellzyklus ablaufen.<br />
Dieses Kapitel zeigt auch, wie der Zellzyklus kontrolliert wird <strong>und</strong> was passieren kann, wenn<br />
diese Regulationsfunktionen geschädigt sind. Eine der wichtigsten Folgen einer defekten<br />
Regulation des Zellzyklus (<strong>und</strong> somit einer unkontrollierten Zellvermehrung) ist <strong>Krebs</strong>.<br />
1
Einführung<br />
Molekularbiologie, Genetik <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />
Kapitel 3 gibt einen Überblick über die Molekularbiologie <strong>und</strong> die Genetik der Zelle, bevor<br />
Zellveränderungen <strong>und</strong> Abnormalitäten beschrieben werden, welche einen Zusammenbruch der<br />
Kontrolle des Zellwachstums <strong>und</strong> die Produktion maligner Zellen zur Folge haben.<br />
Wissenschaftler wissen schon seit mehr als zwei Jahrzehnten, dass <strong>Krebs</strong> eine genetische<br />
Krankheit ist <strong>und</strong> dass eine Veränderung der DNA dazu führen kann, dass eine Zelle sich<br />
unkontrolliert zu teilen beginnt. Die meisten <strong>Krebs</strong>erkrankungen sind die Folge eines Wechsels<br />
in der Zell-DNA, welcher auch Mutation genannt wird. Kapitel 3 zeigt, wie eine Mutation den<br />
Beginn der <strong>Krebs</strong>erkrankung kennzeichnet <strong>und</strong> dass zwei Haupttypen von Genen, die Proto-<br />
Onkogene <strong>und</strong> die Tumor-Suppressor-Gene, sehr anfällig für Mutationen sind <strong>und</strong> oft mit <strong>Krebs</strong><br />
in Verbindung gebracht werden. Die Proteine, die von diesen Genen produziert werden, sind<br />
wichtige Faktoren, die an komplexen Vorgängen beteiligt sind, welche die normalen Kontrollen<br />
bei der Zellteilung durchführen. Dieses Kapitel gibt einen Überblick darüber, wie<br />
Abnormalitäten bei diesen Pfaden bei Tumorwachstum <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>entwicklung mitwirken. Auch<br />
werden die Fähigkeiten von <strong>Krebs</strong>zellen, sich vom Primärtumor zu lösen oder zu metastasieren,<br />
beschrieben <strong>und</strong> es wird gezeigt, dass die Apoptose oder der Zelltod ein kritischer Punkt in der<br />
<strong>Krebs</strong>entwicklung ist.<br />
Ein kleiner Teil von <strong>Krebs</strong>arten wird vererbt, so dass Mutationen von einer Generation zur<br />
nächsten weitergegeben werden. Es wird angenommen, dass dies bei etwa 5–10% aller<br />
Mammakarzinome der Fall ist, welche mit einer vererbten Genveränderung in Verbindung<br />
gebracht werden, nämlich BRCA1 <strong>und</strong> BRCA2. Allerdings muss noch intensiver erforscht<br />
werden, wie hoch das Risiko ist, das mit solchen Genveränderungen verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> wie<br />
weit ein genetisches Screening sinnvoll ist. Die Aufgaben der Pflegenden im Umgang mit<br />
Patientinnen mit Genveränderungen oder mit dem genetischen Screening würden den Rahmen<br />
dieser Arbeit sprengen. Aber in der Bibliografie im Anhang 8 finden Sie Literaturhinweise zu<br />
diesem Thema.<br />
Das Immunsystem als Basis für biologische <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie<br />
Das Verständnis des Immunsystems ist speziell wichtig für die biologische Therapie, weil es die<br />
Basis für alle biologischen <strong>Therapien</strong> ist. Kapitel 4 versucht zu vermitteln, warum biologische<br />
<strong>Therapien</strong> machbar wurden <strong>und</strong> Gegenstand von <strong>the</strong>rapeutischer <strong>Krebs</strong>forschung sind, <strong>und</strong> wie<br />
die Kenntnisse des Immunsystems für die <strong>the</strong>rapeutischen Ansätze genutzt werden können. Die<br />
f<strong>und</strong>amentalen Wirkungsweisen des Immunsystems wie Immunantwort, Antigene <strong>und</strong> Antikörper<br />
<strong>und</strong> ihre speziellen Funktionen werden beschrieben, <strong>und</strong> es wird erklärt, wie Antikörper im<br />
Labor für den klinischen Gebrauch hergestellt werden können.<br />
Von der Theorie zur Therapie: spezifische Technologien für die Entwicklung<br />
biologischer <strong>Therapien</strong><br />
Unser verbessertes Verständnis der molekularen Geschehnisse, die den biologischen Prozessen<br />
unterliegen, hilft uns, die <strong>Therapien</strong> zu verstehen, die auf spezifische Molekularfehler bei<br />
<strong>Krebs</strong>zellen zielen. Beträchtliche technologische Fortschritte in Molekularbiologie <strong>und</strong><br />
Biotechnologie haben es möglich gemacht, neue Methoden zu entwickeln <strong>und</strong> den<br />
<strong>Krebs</strong>patienten zugänglich zu machen. Kapitel 5 beschreibt revolutionäre Forschungstechniken<br />
wie die DNA-Sequenzierung <strong>und</strong> widmet einer Prozedur, welche rekombinante DNA-<br />
Technologie genannt wird, in der klinischen Praxis besondere Aufmerksamkeit. Es wird auch<br />
gezeigt, wie technische Fortschritte die Entwicklung von Tests zur Suche von Faktoren ermöglicht<br />
haben, welche in der Pathogenese von <strong>Krebs</strong> eine Rolle spielen. Die Entdeckung <strong>und</strong><br />
2
Einführung<br />
Entwicklung neuer <strong>Therapien</strong>, die das Wachstum <strong>und</strong> die Ausbreitung von <strong>Krebs</strong> verhüten, ist<br />
ebenfalls Thema dieses Kapitels.<br />
<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong>: was ist möglich <strong>und</strong> wohin gehen wir?<br />
Das Gr<strong>und</strong>prinzip für den Gebrauch biologischer <strong>Therapien</strong> ist ihre Spezifität <strong>und</strong> ihre<br />
Fähigkeit, gezielt auf Tumore zu wirken. Kapitel 6 gibt eine detaillierte Übersicht über die<br />
verschiedenen Arten von biologischen Mitteln, die schon erforscht worden sind, wie Zytokine,<br />
Antikörper, Gen<strong>the</strong>rapien <strong>und</strong> Impfungen. Das Kapitel illustriert den Gebrauch dieser Mittel als<br />
supportive oder direkte Antikrebs<strong>the</strong>rapien <strong>und</strong> das Potential für zukünftige Entwicklungen.<br />
Mehrere repräsentative biologische Wirkstoffe wie Granulozyten-stimulierender Faktor<br />
(Filgrastim), rekombinantes Interleukin-2 <strong>und</strong> Herceptin ® werden detailliert beschrieben.<br />
Fallstudien illustrieren die Unterschiede zwischen den nicht-spezifischen supportiven<br />
Wirkstoffen, wie Filgrastim, nicht-spezifischen biologischen Wirkstoffen mit Antikrebs-Aktivität<br />
wie Interleukin-2, <strong>und</strong> auf den Tumor zielgerichteten Wirkstoffen, die die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />
revolutionieren, wie Herceptin ® .<br />
Kapitel 7 weist in die Zukunft. Dramatische Veränderungen stehen bevor in der Art, wie <strong>Krebs</strong><br />
behandelt wird. Eine gr<strong>und</strong>legende Abkehr von toxischen, nicht-spezifischen Wirkstoffen, hin zu<br />
einer Reihe neuer Wirkstoffe, die auf tumor-spezifische Proteine abzielen, wird stattfinden. Die<br />
Forschung legt eine immer grösser werdende Reihe neuer <strong>Therapien</strong> vor. Weiter verbessert die<br />
genetische Charakterisierung von Tumoren unser Verständnis darüber, warum zwei Tumoren<br />
derselben Art sich verschieden verhalten können, <strong>und</strong> verhilft so zu massgeschneiderten<br />
<strong>Therapien</strong> je nach Tumor-Charakteristik. Es ist vorauszusehen, dass die klinisch erhältlichen<br />
biologischen <strong>Therapien</strong> in den nächsten fünf Jahren ausgebaut werden, eine Entwicklung, die<br />
grossen Einfluss auf die zukünftige Behandlung von <strong>Krebs</strong>patienten haben wird. Kapitel 7<br />
betrachtet die Rolle, die eine wachsende genetische Charakterisierung von Tumoren haben wird<br />
<strong>und</strong> diskutiert die zukünftige Entwicklung von schon bestehenden Methoden wie Zytokin- <strong>und</strong><br />
Antikörper-<strong>Therapien</strong>. Zuletzt werden auch neue Betrachtungsweisen aufgezeigt.<br />
Fortschritte in biologischen <strong>Therapien</strong> beeinflussen je länger je mehr die Praxis von<br />
Onkologiepflegenden. Die Gr<strong>und</strong>-Prinzipien <strong>und</strong> präklinischen Studien, die in diesem<br />
Ausbildungshilfsmittel vorgestellt werden, stellen die Basis für Verständnis <strong>und</strong> erfolgreiche<br />
Anwendung neuer <strong>Krebs</strong>behandlungen im klinischen Rahmen dar. Als solche sollten sie für alle<br />
Onkologiepflegenden von Interesse sein.<br />
Wir hoffen, dass Sie dieses Weiterbildungs-Hilfsmittel interessant, instruktiv <strong>und</strong> vor allem<br />
hilfreich für ihre Arbeit finden werden.<br />
3
<strong>Krebs</strong>: die Geschichte bis heute<br />
1<br />
Einführung: <strong>Krebs</strong> – eine Last<br />
Die Häufigkeit von <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> die <strong>Krebs</strong>mortalität sind während des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
in der industrialisierten Welt stetig gestiegen. Die Hauptgründe sind zunehmendes Alter <strong>und</strong><br />
Bevölkerungswachstum: die Wahrscheinlichkeit, an <strong>Krebs</strong> zu erkranken, steigt mit<br />
zunehmendem Alter <strong>und</strong> die absolute Zahl von Erkrankungen steigt mit dem<br />
Bevölkerungswachstum. Möglicherweise trägt auch eine bessere Diagnostik zur höheren<br />
Anzahl erkannter <strong>Krebs</strong>fälle bei. Was auch immer die Gründe für die Zunahme sind, das<br />
menschliche Leid, das durch <strong>Krebs</strong> verursacht wird, ist enorm, <strong>und</strong> die Kosten für die<br />
Behandlung <strong>und</strong> Pflege von <strong>Krebs</strong>patienten tragen zur Kostenexplosion im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
bei.<br />
Das Ausmass der Probleme, die durch <strong>Krebs</strong> verursacht werden, wird in einem kurzen<br />
Überblick über die Daten von internationalen epidemiologischen Studien ersichtlich.<br />
Umfassende Daten sind erhältlich von Organisationen wie der International Agency for<br />
Research on Cancer (IARC), der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) <strong>und</strong> vom US<br />
Surveillance, Epidemiology and End Results (SEER) Programm, welches vom National Cancer<br />
Institute (NCI) verwaltet wird. Diese Organisationen verfügen über grosse Datenbanken<br />
bezüglich <strong>Krebs</strong>-Inzidenz <strong>und</strong> Mortalität. Etliche europäische Länder haben ebenfalls nationale<br />
<strong>Krebs</strong>-Register eingerichtet, während Daten von Entwicklungsländern nur begrenzt erhältlich<br />
sind. Vergleiche zwischen verschiedenen Ländern sind möglich durch Daten der IARC.<br />
1.1
1<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. <strong>Krebs</strong> stellt ein globales Ges<strong>und</strong>heitsproblem dar, aber es gibt Unterschiede zwischen den<br />
verschiedenen Ländern bezüglich Häufigkeit, <strong>Krebs</strong>art <strong>und</strong> Mortalität. Welche Einflüsse sind<br />
für diese Unterschiede verantwortlich?<br />
2. <strong>Krebs</strong>prävention kann unterteilt werden in primäre, sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> tertiäre Prävention.<br />
Geben Sie bitte vier Beispiele für die primäre Prävention, drei für die sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> zwei<br />
für die tertiäre.<br />
3. Therapeutische Möglichkeiten sind stark abhängig vom Tumorstadium. Zählen Sie bitte drei<br />
Hauptgründe für chirurgische Behandlungen auf <strong>und</strong> erklären Sie diese.<br />
4. Andere Therapiemöglichkeiten sind Radio<strong>the</strong>rapie, Hormon<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />
Erklären Sie kurz das Hauptziel dieser drei Therapiearten <strong>und</strong> ihre wichtigsten<br />
Nebenwirkungen.<br />
5. Beschreiben Sie Methoden zur Verbesserung der Spezifität <strong>und</strong> Zielgenauigkeit von<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapien.<br />
Die Antworten auf diesen Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.1.<br />
1.2
1<br />
Internationale Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>-Häufigkeit<br />
In der europäischen Union (EU) im Jahr 1996, dem ersten Jahr, aus dem Daten erhältlich sind<br />
● wurden mehr als 1,5 Millionen <strong>Krebs</strong>erkrankungen diagnostiziert<br />
● starben 925’146 Menschen an <strong>Krebs</strong>, eine Häufigkeit von fast 250 Fällen auf 100’000<br />
Menschen.<br />
Tabelle 1.1 zeigt eine Darstellung verschiedener <strong>Krebs</strong>arten, ihre Häufigkeit <strong>und</strong> die Todesfälle<br />
in der EU.<br />
Was diese Tabelle nicht zeigt, sind die zum Teil beträchtlichen Unterschiede zwischen einzelnen<br />
Ländern der EU. So ist zum Beispiel die altersangepasste Mortalitätsrate in Österreich bei<br />
Männern 154,7 <strong>und</strong> bei Frauen 92,9 auf 100’000 Menschen, während sie in Grossbritannien<br />
180,2 bei Männern <strong>und</strong> 126,9 bei Frauen auf 100’000 Personen ist.<br />
Es bestehen zum<br />
Teil beträchtliche<br />
Unterschiede<br />
zwischen einzelnen<br />
Ländern der<br />
EU.<br />
Tabelle 1.1. Anzahl <strong>Krebs</strong>erkrankungen <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>todesfälle für<br />
alle <strong>Krebs</strong>arten in der EU 1996.<br />
Ort Anzahl Erkrankungen Anzahl Todesfälle<br />
Alle Lokalisationen* 1’541’987 925’146<br />
Kolorektal 213’103 110’669<br />
Brust 209’548 76’030<br />
Lunge 191’348 180’570<br />
Prostata 134’865 55’704<br />
Fortpflanzungsorgane 109’008 43’544<br />
Magen 74’965 59’088<br />
Lymphom 59’800 27’041<br />
M<strong>und</strong>höhle <strong>und</strong> Pharynx 55’638 19’930<br />
Nieren 43’137 21’773<br />
Pankreas 38’349 43’510<br />
Leukämie 36’616 28’647<br />
Melanom 33’886 8’415<br />
Leber 28’369 33’354<br />
Hirn <strong>und</strong> ZNS 26’444 20’832<br />
Larynx 26’061 10’740<br />
Ösophagus 24’778 23’061<br />
Multiples Myelom 18’130 14’086<br />
Schilddrüse 14’131 3’150<br />
Andere 208’611 145’002<br />
*Keine der oben erwähnten geschätzten Zahlen von <strong>Krebs</strong>erkrankungen beinhaltet nicht-invasive<br />
<strong>Krebs</strong>erkrankungen oder Basalzell- <strong>und</strong> Schwammzell-Hautkrebs. Aber Hautkrebs ist häufiger als jede andere<br />
<strong>Krebs</strong>art, <strong>und</strong> die Melanome machen nur 10% aller in Europa diagnostizierten Hautkrebse aus. Für das Jahr<br />
2000 wurde die Diagnostizierung von über 1,3 Millionen Basalzell- <strong>und</strong> Schwammzell-Hautkrebsen allein in den<br />
USA erwartet.<br />
ZNS = Zentrales Nervensystem<br />
Daten von der EUCAN Database (www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm).<br />
1.3
1<br />
Die Probleme, die<br />
weltweit durch<br />
<strong>Krebs</strong> verursacht<br />
werden, sind<br />
gross.<br />
Die Probleme, die weltweit durch <strong>Krebs</strong> verursacht werden, sind gross. Hier einige Zahlen zur<br />
geschätzten <strong>Krebs</strong>häufigkeit <strong>und</strong> Mortalität für das Jahr 2000 in den USA:<br />
● etwa 1’220’100 neue <strong>Krebs</strong>erkrankungen werden diagnostiziert<br />
● etwa 552’200 Menschen sterben an <strong>Krebs</strong>, das sind mehr als 1’500 täglich<br />
● etwa jeder vierte Todesfall ist auf <strong>Krebs</strong> zurückzuführen.<br />
<strong>Krebs</strong> ist also die zweitgrösste Todesursache in den USA, gleich hinter den Herztodesfällen.<br />
Die Unterschiede<br />
in den <strong>Krebs</strong>-<br />
Mortalitäts-Raten<br />
können nicht nur<br />
in der EU<br />
beobachtet<br />
werden, sondern<br />
auch<br />
international.<br />
Die Unterschiede in den <strong>Krebs</strong>-Mortalitätsraten können nicht nur in der EU beobachtet werden,<br />
sondern auch international. Tabelle 1.2 zeigt die Anzahl <strong>Krebs</strong>-Todesfälle in einigen<br />
ausgewählten Ländern der Welt zwischen 1994 <strong>und</strong> 1997. Die Gesamtzahl der Todesfälle ist<br />
in allen Ländern vor allem bei Männern fast gleich, mit der beachtenswerten Ausnahme von<br />
Russland. Jedoch zeigen die Zahlen der Karzinomerkrankungen von verschiedenen Organen<br />
grosse Unterschiede in verschiedenen Ländern. So ist zum Beispiel die Häufigkeit von<br />
Magenkrebs in China, Japan <strong>und</strong> Russland hoch, während M<strong>und</strong>karzinome in Frankreich sehr<br />
viel häufiger sind. Brustkrebstodesfälle sind in Japan <strong>und</strong> China dafür niedrig. Solche<br />
Unterschiede zeigen, dass Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel die Ernährung, die<br />
<strong>Krebs</strong>entwicklung beeinflussen können.<br />
Tabelle 1.2. Altersangepasste <strong>Krebs</strong>todesraten pro 100’000<br />
Personen in einigen ausgewählten Ländern der Welt 1994–97.<br />
Alle<br />
Lokalisationen M<strong>und</strong> Kolorektal Brust Prostata<br />
Land Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Frauen Männer<br />
Frankreich 188,2 84,8 11,3 1,3 16,6 9,6 19,6 15,8<br />
Deutschland 169,5 103,3 6,5 1,2 20,8 14,0 21,7 16,6<br />
Spanien 173,2 79,8 7,0 0,9 16,4 10,0 17,5 13,9<br />
England 164,2 116,5 2,9 1,1 18,0 11,6 24,5 16,6<br />
Russland 237,1 107,6 9,1 1,1 18,2 12,6 16,1 7,2<br />
Australien 156,7 98,2 4,1 1,2 20,2 13,3 19,9 19,0<br />
Japan 155,2 75,7 3,1 0,8 17,1 9,9 7,7 5,1<br />
China 149,9 83,5 2,6 1,1 7,9 6,4 5,0 NE<br />
USA 156,0 108,3 3,2 1,1 15,2 10,4 20,0 15,9<br />
Kanada 156,2 106,6 3,8 1,3 16,1 10,3 21,5 16,4<br />
Lunge Uterus Magen Leukamie<br />
Land Männer Frauen Cervix Andere Männer Frauen Männer Frauen<br />
Frankreich 46,5 6,1 1,6 3,4 7,2 2,8 5,6 3,3<br />
Deutschland 45,4 9,4 2,8 2,8 12,0 6,3 5,5 3,5<br />
Spanien 48,7 3,9 1,8 2,5 6,6 3,5 4,5 3,2<br />
England 46,6 20,5 3,0 2,1 9,5 3,9 4,7 3,0<br />
Russland 70,5 7,0 5,0 4,9 36,9 15,3 5,1 3,5<br />
Australien 38,8 13,6 2,6 1,7 6,6 2,7 6,1 3,6<br />
Japan 31,7 8,5 1,9 2,0 30,2 12,3 4,1 2,5<br />
China 37,3 15,8 3,0 NE 26,9 12,7 3,7 3,0<br />
USA 52,3 26,6 2,4 2,5 4,4 2,0 6,3 3,7<br />
Kanada 50,0 23,0 1,9 2,2 6,2 3,0 5,5 3,2<br />
NE = nicht erhältlich<br />
Daten von der EUCAN Database (www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm) <strong>und</strong> der WHO.<br />
1.4
1<br />
Die internationalen Unterschiede in der Inzidenz ausgewählter <strong>Krebs</strong>arten sind in Abbildung 1.1<br />
graphisch dargestellt. Die Unterschiede in der Inzidenz von Brust- <strong>und</strong> Prostatakrebs zwischen<br />
China oder Japan <strong>und</strong> Westeuropa <strong>und</strong> Nordamerika sind beachtlich <strong>und</strong> liegen zwischen dem<br />
dreifachen <strong>und</strong> mehr als dreissigfachen. Beachten Sie auch die Häufigkeit von Melanomen bei<br />
australischen Männern <strong>und</strong> von Lungenkrebs bei Frauen in Hongkong.<br />
Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />
(für 100'000 Frauen)<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
(A)<br />
Japan<br />
Ungarn<br />
Hongkong<br />
Spanien<br />
Finnland<br />
Australien<br />
Schweden<br />
Kanada<br />
USA – Weisse<br />
China<br />
Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />
(für 100'000 Frauen)<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
(B)<br />
Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />
(für 100'000 Männer)<br />
(C)<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Japan<br />
Ungarn<br />
Hongkong<br />
Spanien<br />
Finnland<br />
Australien<br />
Schweden<br />
Kanada<br />
USA – Weisse<br />
China<br />
Alterstandardisierte Inzidenzrate<br />
(für 100'000 Männer)<br />
China<br />
Japan<br />
Ungarn<br />
Hongkong<br />
Spanien<br />
Finnland<br />
Australien<br />
Schweden<br />
Kanada<br />
USA – Weisse<br />
(D)<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
China<br />
Japan<br />
Ungarn<br />
Hongkong<br />
Spanien<br />
Finnland<br />
Australien<br />
Schweden<br />
Kanada<br />
USA – Weisse<br />
5<br />
0<br />
Abbildung 1.1. Internationale Unterschiede in der Inzidenz von ausgewählten <strong>Krebs</strong>arten: (A)<br />
Lungenkrebs bei Frauen; (B) Brustkrebs bei Frauen; (C) Prostatakrebs bei Männern; <strong>und</strong> (D)<br />
Melanome bei Männern. Reproduziert mit Erlaubnis von Tannock IF, Hill RP, Herausgeber. The Basic<br />
Science of <strong>Oncology</strong>, 3rd ed. New York: McGraw-Hill; 1998. Seite 16.<br />
Solche Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>inzidenz sind auch innerhalb bestimmter Länder sichtbar. So<br />
hat zum Beispiel die EUROCARE II Studie gezeigt, dass die relative Inzidenz von laryngealem<br />
Karzinom zwischen 11,6 in Tarragona <strong>und</strong> 18,2 in Baskenland variiert, beides Regionen in<br />
Spanien. Diese Unterschiede zeigen, dass Umweltfaktoren wie zum Beispiel Ernährung <strong>und</strong><br />
Tabakkonsum oder auch genetische Unterschiede eine Rolle spielen.<br />
Veränderungen in der <strong>Krebs</strong>inzidenz über die Zeit<br />
Die <strong>Krebs</strong>inzidenz variiert nicht nur zwischen verschiedenen Ländern, sondern auch über die<br />
Zeit. Abbildung 1.2 zeigt, wie stark die Veränderung über die zweite Hälfte des 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts in ausgesuchten Ländern Europas war.<br />
1.5
1<br />
Standard-Mortalitätsrate<br />
Standard-Mortalitätsrate<br />
Standard-Mortalitätsrate<br />
Standard-Mortalitätsrate<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
(A)<br />
1952<br />
1956<br />
(C)<br />
(E)<br />
1980<br />
(G)<br />
1960<br />
1964<br />
1968<br />
1972<br />
1982<br />
1984<br />
1986<br />
Jahr<br />
Jahr<br />
1976<br />
1980<br />
1984<br />
1988<br />
1992<br />
1996<br />
1968<br />
1972<br />
1976<br />
1980<br />
1984<br />
1988<br />
1992<br />
1996<br />
Jahr<br />
1952<br />
1956<br />
1960<br />
1964<br />
1968<br />
1972<br />
Jahr<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
1976<br />
1980<br />
1984<br />
1988<br />
1992<br />
1996<br />
Standard-Mortalitätsrate<br />
Standard-Mortalitätsrate<br />
220<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
(B)<br />
(D)<br />
1952<br />
1956<br />
1960<br />
1964<br />
England<br />
Frankreich<br />
Deutschland<br />
Italien<br />
Die Niederlande<br />
Spanien<br />
1968<br />
1972<br />
Jahr<br />
Jahr<br />
1976<br />
1980<br />
1984<br />
1988<br />
1992<br />
1996<br />
1968<br />
1972<br />
1976<br />
1980<br />
1984<br />
1988<br />
1992<br />
1996<br />
Abbildung 1.2. Standardisierte <strong>Krebs</strong>mortalitätsraten für alle <strong>Krebs</strong>arten (A, Frauen; B, Männer), Lungenkrebs (C, Frauen;<br />
D, Männer), Kolonkarzinom (E, Frauen; F, Männer) <strong>und</strong> Mammakarzinom (G, nur Frauen) in ausgewählten Ländern<br />
Europas. Daten von der EUCAN database (www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm).<br />
Standard-Mortalitätsrate<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
(F)<br />
1980<br />
1982<br />
1984<br />
1986<br />
Jahr<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
1.6
1<br />
Die Grafiken zeigen, dass die Mortalitätsraten für alle <strong>Krebs</strong>arten in diesen Ländern ihren<br />
Höhepunkt in den 1970er Jahren hatten, <strong>und</strong> dass sie seitdem bei Männern <strong>und</strong> Frauen<br />
gesunken sind. Allerdings ist es interessant, dass die Mortalitätsrate von Lungenkrebs bei<br />
Männern in den letzten Jahren gesunken ist, während sie bei Frauen weiterhin ansteigt. Dies ist<br />
eine Folge des steigenden Tabakkonsums bei Frauen in der EU <strong>und</strong> wurde auch in den USA<br />
beobachtet (Abbildung 1.3).<br />
80<br />
(A)<br />
Rate für 100'000 Frauen<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Kolon <strong>und</strong> Rektum<br />
Ovarien<br />
Lungen <strong>und</strong> Bronchien<br />
Pankreas<br />
Brust<br />
Magen<br />
Uterus<br />
0<br />
1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990<br />
Jahr<br />
80<br />
(B)<br />
Rate für 100'000 Männer<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Kolon <strong>und</strong> Rektum<br />
Leber<br />
Lungen <strong>und</strong> Bronchien<br />
Pankreas<br />
Prostata<br />
Magen<br />
0<br />
1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990<br />
Jahr<br />
Abbildung 1.3. Altersangeglichene <strong>Krebs</strong>mortalitätsraten für: (A) Frauen <strong>und</strong> (B) Männer nach<br />
Organbefall in den USA 1930–96. Reproduziert mit Erlaubnis von der American Cancer Society<br />
(www3.cancer.org).<br />
1.7
1<br />
Die Auswirkungen von Therapie auf das Überleben<br />
Bis heute hatte<br />
die Behandlung<br />
von Karzinomen<br />
auf die<br />
Gesamtüberlebensraten<br />
nur<br />
wenig Einfluss,<br />
auch wenn<br />
<strong>Therapien</strong> das<br />
Überleben<br />
verlängern<br />
können.<br />
Die Unterschiede in der <strong>Krebs</strong>inzidenz zwischen verschiedenen Ländern <strong>und</strong> Regionen <strong>und</strong> die<br />
Veränderungen der Mortalitätsraten über die Zeit zeigen den Einfluss von<br />
Umweltveränderungen <strong>und</strong> verschiedenen Lebensstilen, aber auch den Effekt, den<br />
Früherkennung <strong>und</strong> Screening haben. Allerdings hatte bis heute die Behandlung von<br />
Karzinomen auf die Gesamtüberlebensraten nur wenig Einfluss, auch wenn <strong>Therapien</strong> das<br />
Überleben verlängern. So überlebt ein <strong>Krebs</strong>patient heute länger mit der Behandlung, aber das<br />
Endresultat ist dasselbe – Tod durch <strong>Krebs</strong>.<br />
Die Überlebensrate über eine vorgegebene Zeit nach Diagnosestellung ist ein wichtiger<br />
Parameter, um die Wirksamkeit von <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien zu beurteilen. So können die Unterschiede<br />
der 5-Jahres-Überlebensraten Hinweise geben, wie sich diagnostische, erzieherische,<br />
diätetische <strong>und</strong> am meisten wohl <strong>the</strong>rapeutische Massnahmen auswirken. Tabelle 1.3 zeigt die<br />
Veränderungen in den 5-Jahres-Überlebensraten in der Zeit von 1978 bis 1989 in Europa.<br />
Tabelle 1.3. Veränderungen in den 5-Jahres-Überlebensraten in<br />
Europa nach Jahr <strong>und</strong> Diagnose, 1978–89.<br />
Relative 5-Jahres-Überlebensrate (%)<br />
Ort 1978–80 1984–86 1987–89<br />
Hirn 18 18 21<br />
Brust (Frauen) 66 71 72<br />
Kolon 40 48 48<br />
Ösophagus 5 8 9<br />
Hodgkin-Lymphom 66 73 73<br />
Nieren 44 47 50<br />
Chronisch Lymphatische<br />
Leukämie 53 63 66<br />
Leber 3 3 6<br />
Lunge* 27 29 29<br />
Melanom** 75 80 84<br />
Multiples Myelom 27 30 27<br />
Non-Hodgkin Lymphom 43 46 50<br />
Ovarien 30 35 33<br />
Pankreas 4 4 4<br />
Rektum 38 42 46<br />
Magen 17 21 21<br />
Hoden 79 86 92<br />
Knochen 40 55 53<br />
Weichteile 55 60 59<br />
Uterus (Cervix) 61 63 64<br />
Uterus (Corpus) 75 75 75<br />
*Es sind nur 1-Jahres-Überlebensraten erhältlich <strong>und</strong> hier aufgeführt.<br />
**Es sind nur 5-Jahres-Überlebensraten für 15–44-jährige erhältlich <strong>und</strong> hier aufgeführt.<br />
Daten von der EUROCARE II Studie.<br />
1.8
1<br />
Es ist sofort erkennbar, dass die 5-Jahres-Überlebensraten für <strong>Krebs</strong>arten wie Leber-, Pankreas<strong>und</strong><br />
Ösophagus-<strong>Krebs</strong> sehr schlecht sind, obschon sich die Überlebensrate für Ösophaguskrebs<br />
in diesen 10 Jahren nahezu verdoppelt hat. Auch die 5-Jahres-Überlebensraten für andere<br />
<strong>Krebs</strong>arten sind in diesen 10 Jahren angestiegen, so zum Beispiel für Hodenkrebs,<br />
Knochenkrebs <strong>und</strong> chronische lymphatische Leukämie. Dies ist fast ausschliesslich auf eine<br />
verbesserte Früherkennung <strong>und</strong> Frühintervention zurückzuführen. Bei einigen <strong>Krebs</strong>arten, wie<br />
zum Beispiel Pankreas-, Lungen- <strong>und</strong> Gebärmutterkrebs oder dem multiplen Myelom sind<br />
zwischen 1979 <strong>und</strong> 1989 keine Verbesserungen sichtbar.<br />
Vermutlich werden sich die Überlebensraten bei einigen Tumorerkrankungen in den nächsten<br />
Jahrzehnten nochmals verbessern. Ein erfreuliches Beispiel dafür ist die Entwicklung beim<br />
Brustkrebs in England in den letzten fünf Jahren, wo sich das verbesserte Screening positiv auf<br />
die Überlebenszeiten ausgewirkt hat. Die Entdeckung einiger auslösender Faktoren <strong>und</strong> der<br />
vermehrte Gebrauch von Antikrebs<strong>the</strong>rapien haben vermutlich ebenfalls ihren Teil zu dieser<br />
Entwicklung beigetragen.<br />
<strong>Krebs</strong>vorsorge<br />
Bevor wir auf die Geschichte der <strong>Krebs</strong>behandlung zu sprechen kommen, ist es sicher sinnvoll,<br />
ein Kapitel der <strong>Krebs</strong>vorsorge zu widmen, denn wie vorher gezeigt wurde, haben die folgenden<br />
Präventivmassnahmen Entscheidendes dazu beigetragen, die Überlebensraten zu erhöhen:<br />
● Prävention (primäre Prävention)<br />
● Früherfassung (sek<strong>und</strong>äre Prävention) zu einem Zeitpunkt, wo die Behandlung noch grössere<br />
Aussichten auf Erfolg hat<br />
● Prophylaktische Operationen, z.B. Mastektomie, oder Chemoprävention (tertiäre Prävention).<br />
Pflegefachfrauen haben eine wichtige Aufgabe in der <strong>Krebs</strong>prävention <strong>und</strong> sollten Wert auf<br />
regelmässige Überwachung <strong>und</strong> Screening legen. Sie haben eine Schlüsselrolle in der Erkennung<br />
von Hochrisikopersonen <strong>und</strong> können Lebensstil, Familiengeschichte <strong>und</strong> Risiken an Arbeitsplätzen<br />
oder in der Umwelt richtig einschätzen. Ihr Einsatz in der Prävention sollte auch die Beratung <strong>und</strong><br />
Begleitung derjenigen Personen einschliessen, die ein höheres <strong>Krebs</strong>risiko haben.<br />
Faktoren in Zusammenhang mit der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />
Viele der primär <strong>und</strong>/oder sek<strong>und</strong>är verursachenden Faktoren (Karzinogene), die in der<br />
<strong>Krebs</strong>entstehung (Karzinogenese) eine Rolle spielen, sind erkannt worden. Die Karzinogenese<br />
kann in verschiedene Phasen eingeteilt werden: Initiation, Promotion <strong>und</strong> Transformation, so wie<br />
in Kapitel 2 <strong>und</strong> 3 beschrieben. Der Schlüssel zur Primärprävention ist die Vermeidung von<br />
Faktoren, die zur Initiation <strong>und</strong> Promotion von Tumoren führen können. Epidemiologische<br />
Studien haben entscheidend zur Erkennung dieser Umweltfaktoren beigetragen, die nun zum<br />
Ziel von Präventivmassnahmen wurden.<br />
Rauchen<br />
Zigarettenrauchen ist verantwortlich für mehr als 3 / 4 aller Lungenkrebserkrankungen <strong>und</strong> für etwa<br />
30% aller <strong>Krebs</strong>todesfälle. Wer täglich 2 oder mehr Pakete Zigaretten raucht, hat ein 15- bis<br />
25-mal höheres Risiko, an <strong>Krebs</strong> zu sterben als ein Nichtraucher.<br />
Tabakgenuss ohne Rauchen<br />
Der Gebrauch von Kautabak oder das Sniffen erhöht das Risiko von M<strong>und</strong>-, Larynx-, Hals- <strong>und</strong><br />
Ösophaguskrebs.<br />
. . . die 5-Jahres-<br />
Überlebensraten<br />
für <strong>Krebs</strong>arten<br />
wie Leber-,<br />
Pankreas- <strong>und</strong><br />
Ösophagus-<strong>Krebs</strong><br />
sind sehr schlecht<br />
. . .<br />
Zigarettenrauchen<br />
ist<br />
verantwortlich für<br />
mehr als 3 / 4 aller<br />
Lungenkrebserkrankungen<br />
<strong>und</strong> für<br />
etwa 30% aller<br />
<strong>Krebs</strong>todesfälle.<br />
1.9
1<br />
Alkohol<br />
Karzinome im Bereich von M<strong>und</strong>, Larynx, Pharynx, Ösophagus <strong>und</strong> Leber sind häufiger bei<br />
schweren Alkoholikern.<br />
Sonnenbestrahlung<br />
Sonnenlicht ist ein wichtiger Faktor in der Entstehung zahlreicher Hautkrebsarten, vor allem des<br />
Melanoms. Geographische Zonen mit erhöhter UV-Belastung haben hohe Raten von<br />
Melanomerkrankungen, zum Beispiel Australien.<br />
Östrogen<br />
Östrogen-Ersatz<strong>the</strong>rapien können das Risiko von Brustkrebserkrankungen erhöhen. Dieses Risiko<br />
muss aber sorgfältig gegen die Vorteile abgewogen werden.<br />
Bestrahlung<br />
Starke Exposition zu ionisierenden Strahlen, z.B. Röntgenstrahlen, kann das <strong>Krebs</strong>risiko<br />
erhöhen. Übermässiger Kontakt zu Radon, einem radioaktiven Gas, in Häusern sollte<br />
vermieden werden, weil es das Lungenkrebsrisiko erhöht. Besonders Raucher, die diesem Gas<br />
ausgesetzt sind, sind gefährdet.<br />
Berufsrisiken<br />
Zahlreiche Industriemittel, wie zum Beispiel Nickel, Chrom, Asbest <strong>und</strong> Vinylchlorid erhöhen<br />
das <strong>Krebs</strong>risiko.<br />
Ernährung<br />
Bei adipösen Personen scheint das Risiko von <strong>Krebs</strong>erkrankungen in Bereich von Kolon, Brust<br />
<strong>und</strong> Gebärmutter erhöht zu sein. Zu hoher Fettkonsum kann zur Entstehung von Brust-, Kolon-,<br />
<strong>und</strong> Prostatakarzinomen führen. Faserreiche Ernährung kann helfen, das Risiko von<br />
Kolonkarzinomen zu senken. Eine vielseitige Ernährung mit viel Gemüse <strong>und</strong> Früchten, die die<br />
Vitamine A <strong>und</strong> C enthalten, senkt das Risiko für eine Vielzahl von <strong>Krebs</strong>arten. Gepökelte,<br />
geräucherte <strong>und</strong> mit Nitrit behandelte Lebensmittel wurden mit Ösophagus- <strong>und</strong><br />
Magenkarzinomen in Verbindung gebracht.<br />
Der <strong>European</strong> Code Against Cancer wird in Tabelle 1.4 dargestellt <strong>und</strong> empfiehlt einfache<br />
Massnahmen, die auf den oben erwähnten Faktoren beruhen, <strong>und</strong> die helfen können,<br />
bestimmte <strong>Krebs</strong>arten zu vermeiden <strong>und</strong> die allgemeine Ges<strong>und</strong>heit zu erhöhen.<br />
<strong>Krebs</strong>-Überwachung <strong>und</strong> Screening<br />
Eine grosse Anzahl von Untersuchungen für die sek<strong>und</strong>äre Prävention, d.h. die Früherkennung<br />
von <strong>Krebs</strong> bei Personen mit durchschnittlichem Risiko, die noch keine Symptome zeigen, können<br />
durchgeführt werden. Diese sind von Land zu Land verschieden, je nach finanziellen Mitteln<br />
<strong>und</strong> Prioritäten. Die Tests für Brust- <strong>und</strong> Gebärmutterkrebs in Tabelle 1.4 sind relativ einfach <strong>und</strong><br />
können entscheidend zur Früherkennung <strong>und</strong> somit zur Überlebensrate beitragen. Andere Test<br />
<strong>und</strong> Screening-Verfahren sind:<br />
● Sigmoidoskopie <strong>und</strong> Polyp-Entfernung bei Kolorektal-Karzinom<br />
● Stuhltest auf verborgenes Blut für <strong>Krebs</strong> des Verdauungstraktes<br />
● Digitale Rektaluntersuchung für Prostatakarzinom<br />
● Mammographie <strong>und</strong> Ultraschall für Brustkrebs<br />
● Tumormarker für Ovarialkarzinom, z.B. CA125-Spiegel im Blut.<br />
1.10
1<br />
Tabelle 1.4. Die 10 Empfehlungen des “<strong>European</strong> Code Against<br />
Cancer„<br />
Bestimmte <strong>Krebs</strong>arten können vermieden <strong>und</strong> die allgemeine Ges<strong>und</strong>heit<br />
verbessert werden, wenn Sie einen gesünderen Lebensstil haben.<br />
1. Rauchen Sie nicht. Wenn Sie Raucher sind, sollten Sie so schnell wie möglich<br />
aufhören zu rauchen. Rauchen Sie nicht in der Gegenwart anderer. Wenn Sie nicht<br />
rauchen, experimentieren Sie nicht mit Tabak.<br />
2. Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie Ihren Konsum, egal ob Sie Bier, Wein<br />
oder Spirituosen trinken.<br />
3. Essen Sie mehr frische Früchte <strong>und</strong> Gemüse. Essen Sie regelmässig faserhaltige,<br />
ballastreiche Nahrungsmittel.<br />
4. Vermeiden Sie Übergewicht, bewegen Sie sich regelmässiger <strong>und</strong> essen Sie<br />
fettärmer.<br />
5. Vermeiden Sie übermässige Sonnenbestrahlung <strong>und</strong> vermeiden Sie Sonnenbrände,<br />
v.a. bei Kindern.<br />
6. Seien Sie strikt in der Vermeidung von jeglichem Kontakt mit bekannten<br />
krebsfördernden Stoffen. Befolgen Sie alle Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sicherheitsinstruktionen<br />
im Umgang mit Substanzen, die krebsfördernd sein können.<br />
Auch andere <strong>Krebs</strong>arten können geheilt werden,<br />
wenn sie früh entdeckt werden<br />
7. Suchen Sie einen Arzt auf, wenn Sie einen Knoten spüren, eine W<strong>und</strong>e haben, die<br />
nicht heilt (auch im M<strong>und</strong>), einen Leberfleck der sich in Grösse, Aussehen oder<br />
Farbe verändert oder bei aussergewöhnlichen Blutungen.<br />
8. Suchen Sie einen Arzt auf, wenn Sie ein chronisches Problem haben (z.B. chronischen<br />
Husten oder Heiserkeit), eine Veränderung in Stuhl- oder Urinausscheidungen<br />
feststellen oder ungewollt Gewicht verlieren.<br />
Für Frauen<br />
9. Lassen Sie regelmässig einen Gebärmutterhalsabstrich machen. Nehmen Sie an<br />
Vorsorgeprogrammen für Gebärmutterhalskrebs teil.<br />
10. Untersuchen Sie regelmässig Ihre Brüste. Lassen Sie regelmässig eine<br />
Mammographie machen, wenn Sie über 50 sind.<br />
Die Häufigkeit, mit der solche Vorsorgeuntersuchungen routinemässig gemacht werden, <strong>und</strong> das<br />
Alter, in dem damit begonnen wird, variiert von Land zu Land, obwohl internationale<br />
Empfehlungen existieren. Häufigkeit, Umfang <strong>und</strong> Art der Untersuchungen sollten bei Personen<br />
mit erhöhtem <strong>Krebs</strong>risiko erweitert werden. Gentests wie BRCA1 <strong>und</strong> BRCA2 bei Frauen mit<br />
einer Familienbelastung durch Brustkrebs können zeigen, welche Frauen tatsächlich ein<br />
erhöhtes <strong>Krebs</strong>risiko durch eine Gen-Anomalie aufweisen.<br />
Prophylaktische Operationen <strong>und</strong> Chemoprävention<br />
Die tertiäre Prävention, mit Hilfe chirurgischer oder medikamentöser Massnahmen, ist für<br />
Hochrisikopersonen von Bedeutung. So ist zum Beispiel die prophylaktische beidseitige<br />
Mastektomie eine Präventionsmöglichkeit für Frauen mit einem sehr hohen Risiko für Brustkrebs.<br />
Es wurde gezeigt, dass diese Massnahme bei jungen Frauen, die eine BRCA1 oder BRCA2<br />
Mutation haben, eine Risikoverminderung von bis zu 90% mit sich bringt. Jedoch bedeutet<br />
dieser Schritt einen grossen Einschnitt in Körper <strong>und</strong> Seele, <strong>und</strong> die Entscheidung dafür fällt<br />
vielen Frauen sehr schwer. Daher sind nur wenige Daten vorhanden, die Auskunft geben über<br />
Langzeitwirkungen <strong>und</strong> über die psychologischen <strong>und</strong> sozialen Folgen dieses Eingriffs. Zurzeit<br />
ist die Akzeptanz unter europäischen Frauen für diese Art von Prophylaxe sehr niedrig. Ganz<br />
sicher muss die Entscheidung zur prophylaktischen Operation ganz allein Sache der<br />
1.11
1<br />
Betroffenen sein <strong>und</strong> kann nur nach gründlicher Beratung durch ein multidisziplinäres Team <strong>und</strong>,<br />
wenn nötig, mit genetischen Tests gefällt werden. Pflegefachfrauen müssen sich bewusst sein,<br />
welch komplexe Problematik das Testen von BRCA1 <strong>und</strong> BRCA2 <strong>und</strong> eine nachfolgende<br />
prophylaktische Mastektomie mit sich bringt, um die betroffenen Frauen gut beraten <strong>und</strong><br />
informieren zu können <strong>und</strong> so in der Entscheidungsfindung eine Hilfe zu sein. Eine detaillierte<br />
Beratung ist äusserst wichtig.<br />
Chemoprävention hat zum Ziel, mit Medikamenten die <strong>Krebs</strong>inzidenz bei Menschen, die ein<br />
hohes <strong>Krebs</strong>risiko haben, zu senken. So wurde zum Beispiel die Wirkung von Antiöstrogenen<br />
(Tamoxifen) als Chemoprävention bei erhöhtem Brustkrebsrisiko in drei randomisierten,<br />
kontrollierten Studien untersucht, diese haben aber unterschiedliche Resultate gezeigt. Forscher<br />
vom National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (NSABP) fanden heraus, dass<br />
Tamoxifen die Inzidenz von Brustkrebs fast um die Hälfte senkte, während britische <strong>und</strong><br />
italienische Studien keinen nennenswerten Vorteil von Tamoxifen nachweisen konnten. Diese<br />
verschiedenen Aussagen sind teilweise darauf zurückzuführen, dass Unterschiede bestanden in<br />
der Beurteilung von <strong>Krebs</strong>risiko-Charakteristika, dass die Studiengruppen unterschiedlich gross<br />
waren, dass Hormonersatz<strong>the</strong>rapien verschieden angewandt wurden <strong>und</strong> andere Faktoren nicht<br />
übereinstimmten. Eine laufende NSABP-Studie vergleicht die Effektivität von Raloxifen mit<br />
derjenigen von Tamoxifen bei post-menopausalen Frauen mit erhöhtem Risiko (basierend auf<br />
dem Alter, der Anzahl erstgradiger Verwandter mit Brustkrebs, der Anzahl Kinder <strong>und</strong> dem<br />
Alter der ersten Menstruation).<br />
Der Wert der Tamoxifen-Prophylaxe bleibt kontrovers <strong>und</strong> wegen der Gefahr von<br />
Nebenwirkungen auf die Gefässe (Thromboserisiko) <strong>und</strong> das Endometrium, müssen Frauen,<br />
welche potentielle Kandidatinnen für diese Art der Chemoprävention sind, bezüglich Nutzen<br />
<strong>und</strong> Risiken gut beraten werden. Die Vorteile der prophylaktischen Mastektomie sind verglichen<br />
mit denen der Chemoprävention zurzeit nicht bekannt, weil entsprechende Studien fehlen.<br />
<strong>Krebs</strong>behandlung im historischen Blickwinkel<br />
Die Wahl der<br />
Art der<br />
Tumorbehandlung<br />
ist abhängig<br />
vom Stadium der<br />
Tumorerkrankung<br />
. . .<br />
Heute bietet die<br />
Chirurgie die<br />
grösste<br />
Heilungschance<br />
für viele<br />
<strong>Krebs</strong>arten . . .<br />
Die Wahl der Art der Tumorbehandlung ist abhängig vom Stadium der Tumorerkrankung, d.h.<br />
von der Grösse des Tumors <strong>und</strong> davon, zu welchem Grad er in das umliegende Gewebe<br />
eingedrungen ist <strong>und</strong> ob er Fernmetastasen gebildet hat. Behandlungsmöglichkeiten können in<br />
folgende Klassen eingeteilt werden:<br />
● Chirurgie<br />
● Radio<strong>the</strong>rapie<br />
● Antihormonelle (endokrine) Therapie<br />
● Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
● <strong>Biologische</strong> Therapie (auch Immun<strong>the</strong>rapie genannt).<br />
Chirurgie<br />
Die Chirurgie ist die älteste Form von <strong>Krebs</strong>behandlung. Vor der Entdeckung der Anäs<strong>the</strong>tika<br />
<strong>und</strong> Antisepsis (Methoden wie die Instrumentendesinfektion um Infektionen vorzubeugen), war<br />
die Chirurgie sehr schmerzhaft <strong>und</strong> risikoreich für den Patienten. Heute bietet die Chirurgie die<br />
grösste Heilungschance für viele <strong>Krebs</strong>arten <strong>und</strong> etwa 60% aller <strong>Krebs</strong>patienten haben im<br />
Verlauf ihrer Krankheit irgendeine Art von Operation.<br />
1.12
1<br />
Operative Eingriffe können in mancherlei Hinsicht hilfreich sein:<br />
● Präventiv. Die Entfernung einer Geschwulst, die zwar gutartig ist, aber von der man weiss,<br />
dass sie entarten könnte (z.B. Polypen im Kolon) oder eines Organs (z.B. die<br />
prophylaktische Mastektomie bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko oder die Kolektomie<br />
bei Patienten mit einem hohen Risiko für Kolon-Karzinom wegen einer FAP Genmutation).<br />
● Diagnostisch. Die Entnahme von Gewebsproben zur Diagnosestellung <strong>und</strong> Spezifizierung<br />
der <strong>Krebs</strong>art.<br />
● Staging. Das Feststellen der Ausbreitung der Krankheit, mittels Laparoskopie oder<br />
Laparotomie.<br />
. . . etwa 60%<br />
aller<br />
<strong>Krebs</strong>patienten<br />
haben im Verlauf<br />
ihrer Krankheit<br />
irgendeine Art<br />
von Operation.<br />
● Kurativ. Die Entfernung des Tumors, falls er lokalisiert ist, in der Hoffnung, damit das ganze<br />
<strong>Krebs</strong>gewebe entfernt zu haben. Dies wird als primäre <strong>Krebs</strong>behandlung bezeichnet.<br />
● Palliativ. Die Behandlung von Komplikationen der fortgeschrittenen <strong>Krebs</strong>erkrankung, z.B.<br />
um eine Schmerzkontrolle <strong>und</strong> Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.<br />
● Supportiv. Als Hilfe für die Behandlung, z.B. das Einpflanzen eines Venenzugangs um die<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie zu ermöglichen.<br />
● Wiederaufbau. Wiederherstellen eines Organs entweder aus äs<strong>the</strong>tischen Gründen oder um<br />
die Funktion wieder zu gewährleisten, z.B. Brustrekonstruktion oder Pro<strong>the</strong>sen-Implantation.<br />
Radio<strong>the</strong>rapie<br />
Die Radio<strong>the</strong>rapie nutzt Hochenergiepartikel oder Wellen wie Röntgen- oder Gammastrahlen,<br />
um <strong>Krebs</strong>zellen zu zerstören oder zu beschädigen. Sie ist eine der ältesten <strong>und</strong><br />
kostenwirksamsten <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien <strong>und</strong> es wird geschätzt, dass etwa 50–60% aller<br />
<strong>Krebs</strong>patienten im Laufe ihrer Krankheit bestrahlt werden. Die Bestrahlung wirkt eher lokal, weil<br />
nur Zellen im bestrahlten Bereich betroffen werden. Radio<strong>the</strong>rapie kann in verschiedenen<br />
Krankheitsstadien angewandt werden. Im Frühstadium wird sie mit kurativer Absicht angewandt<br />
oder mit der Absicht, die Krankheit zu kontrollieren. Auch kann sie präoperativ von Nutzen<br />
sein, um die Tumormasse zu verkleinern oder postoperativ, um ein Rezidiv zu verhindern. Im<br />
fortgeschrittenen Stadium ist die Bestrahlung hilfreich, um Symptome zu bekämpfen, z.B.<br />
Schmerzen. Die häufigste Form von Radio<strong>the</strong>rapie ist die externe Radio<strong>the</strong>rapie, d.h.<br />
Radio<strong>the</strong>rapie, die durch einen Bestrahlungsapparat auf den Tumor gerichtet wird. Aber es gibt<br />
auch die Möglichkeit einer inneren Anwendung von Strahlen, indem radioaktive Partikel in den<br />
Tumor platziert werden (Brachy<strong>the</strong>rapie) oder durch Injektion radioaktiver Lösungen<br />
(radioisotope Therapie). Bei gewissen Karzinomen kann Radio<strong>the</strong>rapie kombiniert werden mit<br />
Operation oder Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />
Während die Bestrahlung die <strong>Krebs</strong>zellen zerstören kann, hat sie auch eine Wirkung auf die<br />
umliegenden normalen Zellen. Dieser unspezifische Effekt kann eine Reihe von<br />
Nebenwirkungen verursachen, die in ihrer Stärke stark variieren können, je nach Lokalität <strong>und</strong><br />
Strahlendosis, die aber auch von Person zu Person verschieden sind. Diese sind:<br />
● Müdigkeit<br />
● Hämatologische Toxizität<br />
● Stomatitis<br />
● Appetitverlust<br />
Die<br />
Radio<strong>the</strong>rapie<br />
nutzt Hochenergie-<br />
Partikel oder<br />
Wellen wie<br />
Röntgen- oder<br />
Gammastrahlen,<br />
um <strong>Krebs</strong>zellen<br />
zu zerstören oder<br />
zu beschädigen.<br />
. . . etwa<br />
50–60% aller<br />
<strong>Krebs</strong>patienten<br />
werden im Laufe<br />
ihrer Krankheit<br />
bestrahlt.<br />
1.13
1<br />
● Hautverbrennungen<br />
● Heiserkeit<br />
● Haarverlust<br />
● Schluckbeschwerden<br />
● Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen<br />
● Durchfall.<br />
Hormonelle (endokrine) Therapie<br />
Hormon-Therapie ist die Behandlung mit Medikamenten, die in die Hormonproduktion oder<br />
Hormonwirkung eingreifen oder die chirurgische Entfernung von Hormon produzierenden<br />
Drüsen um <strong>Krebs</strong>zellen zu töten oder ihr Wachstum zu verlangsamen (z.B. die Entfernung der<br />
Ovarien bei Brustkrebs). Bei der medikamentösen Therapie werden normalerweise Mittel<br />
angewandt, die die Produktion oder Wirkung von weiblichen oder männlichen<br />
Geschlechtshormonen beeinflussen. Sie werden benutzt, um das Wachstum von Brust-, Prostataoder<br />
Endometriumkarzinomen zu verlangsamen. Beispiele von Hormon<strong>the</strong>rapien sind<br />
Östrogene (Ethinylestradiol), Anti-Östrogene (Tamoxifen), Aromatasehemmer (Letrozol,<br />
Anastrazol), Progesterone (Medroxyprogesteron, Megestrol), Androgene (Nandrolon) <strong>und</strong> Anti-<br />
Androgene (Aminoglutethimid, Cyproteron).<br />
Hormonelle <strong>Therapien</strong> haben weniger Nebenwirkungen als Chemo<strong>the</strong>rapeutika, weswegen sie<br />
geeignet für prophylaktische Behandlungen sind. Aber viele Frauen verspüren doch<br />
Nebenwirkungen wie:<br />
● Wallungen <strong>und</strong> Schweissausbrüche<br />
● Nausea, Diarrhö <strong>und</strong> Verdauungsbeschwerden<br />
● Gewichtszunahme<br />
● Veränderungen im Menstruationszyklus<br />
● Muskelkrämpfe<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
wirkt, indem sie<br />
schnell teilende<br />
Zellen tötet.<br />
Jedoch besteht<br />
kein absoluter<br />
Unterschied<br />
zwischen der<br />
Zellteilung von<br />
normalen Zellen<br />
<strong>und</strong> der von<br />
<strong>Krebs</strong>zellen.<br />
● Stimmungsschwankungen<br />
● Allergische Reaktionen<br />
● Kopfschmerzen<br />
● Thrombosen.<br />
Es sollte auch beachtet werden, dass die Langzeit<strong>the</strong>rapie mit Tamoxifen mit einem erhöhten<br />
Vorkommen von Endometrium-Karzinomen in Zusammenhang gebracht wird. Jedoch ist diese<br />
<strong>Krebs</strong>art leichter behandelbar als Brustkrebs <strong>und</strong> somit überwiegen die Vorteile von<br />
Langzeitbehandlungen mit Tamoxifen gegenüber den Nachteilen.<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie ist der Gebrauch von Medikamenten zur <strong>Krebs</strong>behandlung.<br />
Chemo<strong>the</strong>rapeutische Medikamente werden oft als antineoplastisch (Antikrebs) <strong>und</strong> zytotoxisch<br />
(zelltötend) beschrieben. Chemo<strong>the</strong>rapie wirkt, indem sie schnell teilende Zellen tötet. Jedoch<br />
1.14
1<br />
besteht kein absoluter Unterschied zwischen der Zellteilung von normalen Zellen <strong>und</strong> der von<br />
<strong>Krebs</strong>zellen. So muss jedes Mal, wenn eine Chemo<strong>the</strong>rapie verabreicht wird, das Gleichgewicht<br />
gef<strong>und</strong>en werden zwischen der Zerstörung von Tumorzellen, um den <strong>Krebs</strong> zu behandeln, <strong>und</strong><br />
dem Bewahren der normalen Zellen, um Nebenwirkungen erträglich zu halten. Es ist wichtig zu<br />
verstehen, dass die zytotoxische Therapie nicht spezifisch auf <strong>Krebs</strong>zellen wirkt.<br />
Es existiert eine grosse Bandbreite an Chemo<strong>the</strong>rapeutika <strong>und</strong> sie können grob in Gruppen,<br />
gemäss Tabelle 1.5, eingeteilt werden. Jede Gruppe wirkt auf eigene Art in verschiedenen<br />
Stadien des Zellzyklus (siehe Kapitel 2 für Details des Zellzyklus). Sie können also in<br />
verschiedenen Kombinationen <strong>und</strong> in verschiedenen Reihenfolgen angewandt werden, um ihren<br />
zytotoxischen Effekt möglichst optimal auszunutzen. Dies erklärt die Komplexität mancher<br />
Standard-Chemo<strong>the</strong>rapien, die in der Praxis angewandt werden <strong>und</strong> bei denen oft drei oder<br />
vier Medikamente nacheinander oder in Kombination verabreicht werden.<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie kann vier Hauptziele haben:<br />
● Reduktion der Tumormasse vor der Operation<br />
● <strong>Krebs</strong>heilung<br />
● Kontrolle der Krankheit (Ausbreitung stoppen)<br />
● Palliation (Symptomlinderung <strong>und</strong> Erhöhung der Lebensqualität, normalerweise ohne<br />
Verlängerung der Lebenszeit).<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie kann in verschiedenen Situationen gegeben werden:<br />
● Neoadjuvant, d.h. vor der Operation bei Primärerkrankung. Dies wird angewandt um die<br />
Tumormasse eines grossen Tumors zu reduzieren, so dass er sicherer <strong>und</strong> mit einer weniger<br />
ausgedehnten Operation entfernt werden kann.<br />
● Adjuvant, d.h. nach der Operation bei Primärerkrankung. Ziel ist, dem erneuten Wachstum<br />
des Tumors vorzubeugen <strong>und</strong> allfällige im Körper verbliebene Zellen nach Operation oder<br />
Bestrahlung abzutöten.<br />
● Als Haupt<strong>the</strong>rapie bei Krankheiten wie Lymphomen oder Leukämien, bei welchen die<br />
Operation nicht möglich ist.<br />
● Bei Metastasen. Hier wird Chemo<strong>the</strong>rapie angewandt, um entweder die Krankheit zu heilen,<br />
zu verhindern dass sie sich weiter ausbreitet oder zur Symptompalliation, je nach <strong>Krebs</strong>art<br />
<strong>und</strong> Ausdehnung der Metastasen. Es können mehrere Therapiezyklen bei Patienten mit<br />
metastasierenden Karzinomen gemacht werden: zuerst die First-Line-Therapie, als erste<br />
Therapie, die auch als aktivste Therapie angesehen wird, danach die Second-Line-Therapie<br />
<strong>und</strong> weitere <strong>Therapien</strong>, wenn die First-Line-Therapie erfolglos war oder die Krankheit wieder<br />
aufflammt.<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie kann auf viele Weisen verabreicht werden, dies hängt einerseits vom Mittel <strong>und</strong><br />
andererseits von der Tumorlokalisation ab:<br />
● intravenös<br />
● oral<br />
● topisch<br />
● intramuskulär<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
kann auf viele<br />
Weisen verabreicht<br />
werden,<br />
dies hängt einerseits<br />
vom Mittel<br />
<strong>und</strong> andererseits<br />
von der<br />
Tumorlokalisation<br />
ab.<br />
1.15
1<br />
Tabelle 1.5. Arten von Chemo<strong>the</strong>rapie-Medikamenten.<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie- Aktionsmechanismus <strong>und</strong><br />
Klasse behandelte <strong>Krebs</strong>arten Beispiele<br />
Alkylierende Wirkstoffe Wirken direkt auf die DNA, um Busulphan,<br />
(Alkylantien) <strong>Krebs</strong>zellen an der Reproduktion zu Carboplatin,<br />
hindern. Werden gegen chronische Cisplatin,<br />
Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphome, Cyclophosphamid,<br />
Morbus Hodgkin, Multiple Myelome Dacarbazin,<br />
<strong>und</strong> gewisse Brust-, Lungen- <strong>und</strong> Ifosfamid<br />
Ovarialkarzinome eingesetzt<br />
Antimetaboliten Haben Auswirkungen auf DNA- 5-Fluoro-Uracil,<br />
<strong>und</strong> RNA- Wachstum. Werden zur Methotrexat,<br />
Behandlung von chronischen<br />
Gemzitabin,<br />
Leukämien <strong>und</strong> von Tumoren der Cytarabin,<br />
Ovarien <strong>und</strong> des GI-Traktes<br />
Fludarabin<br />
eingesetzt<br />
Antitumor-Antibiotika Haben Auswirkungen auf DNA- Bleomycin,<br />
Metabolismus <strong>und</strong> Mitose oder Dactinomycin,<br />
verändern Zellmembranen.<br />
Daunorubicin,<br />
Gebrauch bei einer Vielzahl von Doxorubicin<br />
Karzinomen<br />
Epirubicin<br />
Mitosehemmer Hemmen die Mitose oder hemmen Paclitaxel,<br />
Enzyme, die in der Proteinsyn<strong>the</strong>se Docetaxel,<br />
involviert <strong>und</strong> zur Zellreproduktion Etoposid,<br />
nötig sind. Gebrauch bei einer Vinblastin,<br />
Vielzahl von Karzinomen<br />
Vincristin,<br />
Vinorelbin<br />
Nitroso-Harnstoffe Wirken gleich wie Alkylantien, Nitroso-Harnstoff,<br />
indem sie die zur DNA-Reparatur Carmustin,<br />
bestimmten Enzyme hemmen.<br />
Lomustin<br />
Werden zur Behandlung von<br />
Hirntumoren <strong>und</strong> auch von<br />
Non-Hodgkin-Lymphomen, multiplen<br />
Myelomen <strong>und</strong> Melanomen eingesetzt<br />
Kortikosteroide Natürliche Hormone oder Prednison<br />
hormonähnliche Medikamente, die zur Dexamethason<br />
Behandlung bestimmter Karzinome<br />
(wie Lymphom, Leukämie, multiples<br />
Myelom) gebraucht werden können.<br />
Werden oft benützt, um die Nebenwirkung<br />
anderer Chemo<strong>the</strong>rapeutika zu senken<br />
Andere Verschiedene Wirkungsmechanismen L-Asparaginase,<br />
Amsacrin,<br />
Tretinoin<br />
1.16
1<br />
● subkutan<br />
● intraarteriell<br />
● intrapleural<br />
● intraperitoneal<br />
● intravesikal<br />
● intra<strong>the</strong>kal<br />
● intraläsional.<br />
Von diesen ist die intravenöse Anwendung die Häufigste. Chemo<strong>the</strong>rapeutische Mittel, die auf<br />
diesem Wege verabreicht werden, erreichen normalerweise den ganzen Körper <strong>und</strong> töten<br />
<strong>Krebs</strong>zellen, aber auch ges<strong>und</strong>e Zellen, die sich gerade teilen. So ist eines der Ziele in der<br />
Entwicklung neuer Medikamente, verträglichere Methoden zu finden, z.B. orale Anwendung,<br />
oder Methoden, die nur in dem Körperteil wirken, wo der Tumor sich befindet, z.B.<br />
intraarterielle Injektion bei Leberkrebs <strong>und</strong> intra<strong>the</strong>kale Anwendung bei Tumoren des zentralen<br />
Nervensystems (ZNS).<br />
Grenzen der Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
Chemo<strong>the</strong>rapeutische Medikamente wirken an allen sich schnell teilenden Zellen <strong>und</strong> nicht nur<br />
an den <strong>Krebs</strong>zellen, also werden ges<strong>und</strong>e Zellen, die sich rasch teilen, abgetötet, speziell<br />
epi<strong>the</strong>liale Zellen. Dies sind zum Beispiel die Zellen der Haarfollikel, Zellen in den<br />
Fortpflanzungsorganen <strong>und</strong> im Gastrointestinaltrakt <strong>und</strong> Knochenmarkszellen (Abbildung 1.4).<br />
. . . eines der<br />
Ziele in der<br />
Entwicklung<br />
neuer<br />
Medikamente ist<br />
es, verträglichere<br />
Methoden zu<br />
finden, z.B. orale<br />
Anwendung . . .<br />
Dies erklärt einige der Nebenwirkungen von Chemo<strong>the</strong>rapie:<br />
● Knochenmarkssuppression (reduzierte Zahl von roten <strong>und</strong> weissen Blutkörperchen <strong>und</strong><br />
Blutplättchen), die zu hämatologisch negativen Auswirkungen <strong>und</strong> Infektionen führt.<br />
● Haarausfall<br />
● Appetits- <strong>und</strong> Gewichtsverlust<br />
● Stomatitis <strong>und</strong> Ösophagitis.<br />
Andere Nebenwirkungen sind:<br />
● Geschmacksveränderungen<br />
● Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen<br />
● Verstopfung<br />
● Durchfall<br />
● Müdigkeit<br />
● Herzfehler<br />
● ZNS-Veränderungen<br />
● Lungenschäden<br />
● Störungen in der Fortpflanzung<br />
● Leberschäden<br />
● Nieren- <strong>und</strong> Blasenschäden.<br />
1.17
1<br />
Haarfollikel<br />
Gastrointestinaltrakt<br />
Knochenmark<br />
Fortpflanzungsorgane<br />
Abbildung 1.4. Diagramm mit der Darstellung sich aktiv vermehrender Zellen, welche bei der<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie von Nebenwirkungen betroffen sind.<br />
Oft zwingt eine<br />
Kombination von<br />
mehreren dieser<br />
Nebenwirkungen<br />
zur Reduktion der<br />
Einzel- oder<br />
Gesamtdosis der<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />
Oft zwingt eine Kombination von mehreren dieser Nebenwirkungen zur Reduktion der Einzeloder<br />
Gesamtdosis der Chemo<strong>the</strong>rapie. Viele Strategien sind schon getestet worden, um eine<br />
möglichst hohe, intensive Chemo<strong>the</strong>rapie anwenden zu können <strong>und</strong> so eine optimale Wirkung<br />
zu erzielen. Die Toxizität kann beschränkt werden, indem antiemetische Medikamente gegen<br />
Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen <strong>und</strong> Zytokine zur Stimulation der roten <strong>und</strong> weissen Blutkörperchen<br />
verabreicht werden. Dennoch bleibt die Toxizität der Faktor, der die anwendbaren Dosen der<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie limitiert. Dasselbe gilt auch für die Radio<strong>the</strong>rapie.<br />
Dazu kommt, dass die Bemühungen der Pflegenden, die Nebenwirkungen erträglich für den<br />
Patienten zu halten, viel Zeit <strong>und</strong> finanzielle Mittel erfordern. Spezifischere Antikrebs<strong>the</strong>rapien,<br />
die nur auf die Tumorzellen wirken <strong>und</strong> die ges<strong>und</strong>en, normalen Zellen schonen, wären<br />
weniger toxisch für den Patienten <strong>und</strong> würden weniger finanzielle Mittel benötigen.<br />
1.18
1<br />
<strong>Biologische</strong> Therapie (Immuno<strong>the</strong>rapie)<br />
Die biologische oder Immuno<strong>the</strong>rapie basiert auf verschiedenen Komponenten des<br />
Immunsystems, des natürlichen Abwehrsystems des Körpers gegen Krankheiten. Diese Therapie<br />
zielt direkt auf die <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> ist so spezifischer als Chemo<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> andere<br />
Medikamente, die normalerweise ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> kranke Zellen gleichermassen angreifen. Die<br />
biologische Therapie wendet also Mittel an, die das Immunsystem des Körpers fördern oder<br />
unterstützen oder Teile des Immunsystems verwenden, um Tumorzellen zu vernichten oder das<br />
<strong>Krebs</strong>wachstum zu hemmen. Eine detaillierte Beschreibung der Entwicklung der biologischen<br />
Therapie finden Sie in Kapitel 6.<br />
Zusammenfassung<br />
Es ist offensichtlich, dass präventive Massnahmen grossen Einfluss auf die <strong>Krebs</strong>-<br />
Überlebensraten haben. Sowohl primäre Prävention als auch Früherkennung (sek<strong>und</strong>äre<br />
Prävention) haben die 5-Jahres-Überlebensraten in den letzten Jahrzehnten massiv beeinflusst.<br />
Auch in die Behandlung fortgeschrittener <strong>Krebs</strong>erkrankungen wurde viel investiert <strong>und</strong> bei<br />
einigen Patienten war dies auch erfolgreich. Trotzdem muss gesagt werden, dass unspezifische<br />
Behandlungen, vor allem Chemo<strong>the</strong>rapien, keinen nennenswerten Einfluss auf die<br />
Gesamtüberlebensraten haben. Dies ist ein Gr<strong>und</strong>, weshalb die Forschung sich intensiv auf die<br />
Suche nach spezifischen Mitteln macht, die direkt auf den <strong>Krebs</strong> abzielen <strong>und</strong> somit weniger<br />
toxisch aber wirksamer sind. Im Bereich der Molekularbiologie <strong>und</strong> der Genetik wurden in den<br />
letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte gemacht. Diese erlaubten ein Ausrichten der<br />
<strong>Krebs</strong>behandlung auf die molekularen Fehler, welche spezifisch in <strong>Krebs</strong>zellen zu finden sind.<br />
Die nächsten Kapitel werden folgende Themen behandeln:<br />
Spezifischere<br />
Antikrebs-<br />
<strong>Therapien</strong>, die<br />
nur auf die<br />
Tumorzellen<br />
wirken <strong>und</strong> die<br />
ges<strong>und</strong>en,<br />
normalen Zellen<br />
schonen, wären<br />
weniger toxisch<br />
für den Patienten<br />
<strong>und</strong> würden<br />
weniger<br />
finanzielle Mittel<br />
benötigen.<br />
● Beschreiben von normalem Zellwachstum <strong>und</strong> Zellvermehrung <strong>und</strong> wie diese kontrolliert<br />
werden<br />
● Die Zellveränderungen <strong>und</strong> -Anomalien, die zum Zusammenbruch der Kontrolle von<br />
Zellwachstum <strong>und</strong> zur Produktion maligner Zellen führen<br />
● Erklären, wie das menschliche Immunsystem arbeitet <strong>und</strong> das Potential beschreiben, das in<br />
der Verwendung des Immunsystems für die <strong>Krebs</strong>behandlung liegt<br />
● Aufzeigen wie diese Erkenntnisse in der Entwicklung sowohl unspezifischer als auch<br />
spezifischer biologischer <strong>Therapien</strong> genutzt wurden.<br />
1.19
1<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. <strong>Krebs</strong> stellt ein globales Ges<strong>und</strong>heitsproblem dar, aber es gibt Unterschiede zwischen den<br />
verschiedenen Ländern bezüglich Häufigkeit, <strong>Krebs</strong>art <strong>und</strong> Mortalität. Welche Einflüsse sind<br />
für diese Unterschiede verantwortlich?<br />
2. <strong>Krebs</strong>prävention kann unterteilt werden in primäre, sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> tertiäre Prävention.<br />
Geben Sie bitte vier Beispiele für die primäre Prävention, drei für die sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> zwei<br />
für die tertiäre.<br />
3. Therapeutische Möglichkeiten sind stark abhängig vom Tumorstadium. Zählen Sie bitte drei<br />
Hauptgründe für chirurgische Behandlungen auf <strong>und</strong> erklären Sie diese.<br />
4. Andere Therapiemöglichkeiten sind Radio<strong>the</strong>rapie, Hormon<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />
Erklären Sie kurz das Hauptziel dieser drei Therapiearten <strong>und</strong> ihre wichtigsten<br />
Nebenwirkungen.<br />
5. Beschreiben Sie Methoden zur Verbesserung der Spezifität <strong>und</strong> Zielgenauigkeit von<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapien.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.1.<br />
1.20
Zellwachstumskontrolle <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />
2<br />
Einführung<br />
Um die Entwicklung von <strong>Krebs</strong> zu verstehen <strong>und</strong> damit auch vernünftige Behandlungsansätze zu<br />
finden, ist es nötig, sowohl die innere Funktion von Zellen als auch die Interaktionen zwischen<br />
<strong>und</strong> innerhalb von Zellen zu verstehen. <strong>Krebs</strong>zellen proliferieren (vermehren sich) schnell <strong>und</strong><br />
besitzen spezielle Eigenschaften, die sie befähigen, in umgebende Gewebe einzudringen <strong>und</strong><br />
diese zu besiedeln.<br />
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über den normalen Zellteilungsprozess <strong>und</strong> die<br />
Mechanismen, die ihn kontrollieren. Die normale Überprüfung der Zellreproduktion wird durch<br />
eine Reihe von wichtigen Faktoren gewährleistet, die proliferative oder antiproliferative Signale<br />
an die Zellen schicken. Wachstumsfaktoren, die an Wachstumsfaktor-Rezeptoren binden, sind<br />
äusserst wichtige Signal-Moleküle. Ihre Rolle in Zellwachstum <strong>und</strong> Zellteilung wird diskutiert.<br />
Physikalische Fähigkeiten wie die Verankerung von Zellen an einem Gr<strong>und</strong>gerüst (Matrix) <strong>und</strong><br />
die Zell-Seneszenz (Zellalterung) spielen ebenfalls eine Rolle bei der Kontrolle des<br />
Zellwachstums.<br />
Die Kenntnis dieser Prozesse, welche die normale Zell-Proliferation kontrollieren <strong>und</strong> die<br />
normale Ergänzung von ges<strong>und</strong>en Zellen im Körper gewährleisten, ist entscheidend für das<br />
Verständnis der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>. Veränderungen, die stattfinden, um diese<br />
Kontrollmechanismen zu überwinden <strong>und</strong> welche die aussergewöhnliche Zell-Proliferation<br />
verursachen, werden in späteren Kapiteln beschrieben.<br />
2.1
2<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Welche Eigenschaften unterscheiden <strong>Krebs</strong>zellen von normalen Zellen?<br />
2. Der Zellzyklus ist ein geordneter Ablauf von Ereignissen, bei denen eine Zelle ihren Inhalt<br />
verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt. Was sind die Ziele des Zellzyklus?<br />
3. Die Mitose ermöglicht es den Zellen, zu proliferieren, während die korrekte diploide Zahl<br />
von Chromosomen in jeder Zelle erhalten bleibt. Erklären Sie, wie Chromosomen von einer<br />
Eizelle <strong>und</strong> einem Spermium zusammengefügt werden können, während die korrekte<br />
Chromosomenzahl aufrechterhalten wird.<br />
4. Der Zellzyklus wird durch Prüfstellen <strong>und</strong> spezifische biochemische <strong>und</strong> physikalische<br />
Faktoren, die den Zyklus beeinflussen, gut kontrolliert. Beschreiben Sie die Rolle der<br />
Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> der Zell-Verankerung in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.3.<br />
2.2
2<br />
Übersicht über die Zellteilung<br />
Einführung<br />
Zellteilung, -wachstum, -differenzierung <strong>und</strong> programmierter Zelltod (Apoptose) sind wichtige<br />
Funktionalitäten für eine normal funktionierende Zelle. <strong>Krebs</strong>zellen haben zwei Eigenschaften,<br />
die sie von normalen Zellen unterscheiden:<br />
● Sie proliferieren (vermehren sich) rasch <strong>und</strong> unkontrolliert. Dieses Wachstum wird<br />
neoplastisch genannt.<br />
● Sie haben spezielle Fähigkeiten, die ihnen erlauben, in das umgebende Gewebe<br />
einzudringen <strong>und</strong> es zu besiedeln, was bedeutet, dass die Zellen bösartig sind.<br />
Die meisten Körperzellen sind eukaryotisch, also Zellen, die einen Kern enthalten (Abbildung<br />
2.1). Ausnahmen sind bei den reifen roten Blutkörperchen zu finden. Im Zellkern liegen die<br />
Chromosomen, welche auf ihrer DNA (Desoxyribonukleinsäure, das A steht für englisch acid)<br />
die notwendige Information zur Syn<strong>the</strong>se von Proteinen (Eiweissen) enthalten. Proteine sind<br />
nötig für den Aufbau von Zellen (Zellgerüst), die Kontrolle von Zellprozessen <strong>und</strong> zur Regelung<br />
des Zusammenspiels zwischen den Zellen.<br />
Endoplasmatisches<br />
Retikulum<br />
Lysosomen<br />
Mitochondrien<br />
Mikrotubulus<br />
Zytoplasma<br />
Chromosom<br />
Lipid-<br />
Membranen<br />
Zellkern<br />
Rezeptor<br />
Plasmamembran<br />
Ionen-Pumpe<br />
Abbildung 2.1. Zelle mit den wichtigsten Zellstrukturen, schematisch dargestellt.<br />
Menschliche Zellen besitzen 46 Chromosomen (22 autosomale Paare plus ein Paar Sexual-<br />
Chromosomen) (Abbildung 2.2). Zellen, die zwei Serien genau gleicher Chromosomen<br />
enthalten, also auch zwei Kopien von jedem Gen, werden als diploide Zellen bezeichnet. Jedes<br />
Chromosom besteht aus zwei langen, spiralförmig aufgewickelten DNA-Strängen, die sich<br />
zusammendrehen <strong>und</strong> eine DNA-Doppelspirale formen (Abbildung 2.3). Die DNA besteht aus<br />
vier verschiedenen Gr<strong>und</strong>bausteinen: den Basen Adenin, Cytosin, Thymin <strong>und</strong> Guanin, die sich<br />
locker zu Paaren zusammenfügen. Jeweils drei Basen bilden die Gr<strong>und</strong>bausteine des<br />
genetischen Codes. In ihrer Reihenfolge ist die genetische Information gespeichert. Gene sind<br />
Abschnitte der DNA, die für vererbte physikalische Eigenschaften zuständig sind (wie zum<br />
Beispiel Augen- <strong>und</strong> Haarfarbe) <strong>und</strong>, noch wichtiger, für den Aufbau <strong>und</strong> die Funktion aller<br />
Menschliche<br />
Zellen besitzen<br />
46<br />
Chromosomen.<br />
2.3
2<br />
1–3 4–5 1–3 4–5<br />
6–12 6–12<br />
13–15 16–18 13–15 16–18<br />
19–20 21–22 X–X 19–20 21–22 X–Y<br />
Weiblich<br />
Männlich<br />
Abbildung 2.2. Die 46 menschlichen Chromosomen.<br />
Kurzer Arm<br />
Zentromer<br />
Langer Arm<br />
DNA<br />
Chromosom<br />
Abbildung 2.3. Schematisches Diagramm eines menschlichen Chromosoms mit einer angedeuteten<br />
Doppelspiralstruktur der DNA.<br />
Zellen. Um diese Eigenschaften an die Nachkommen weiterzugeben <strong>und</strong> um die Zellerneuerung<br />
zu gewährleisten <strong>und</strong> damit das Gleichgewicht zwischen Zellwachstum <strong>und</strong> Zelltod im Körper<br />
zu erhalten, machen alle Zellen den Prozess von DNA-Replikation <strong>und</strong> Zellteilung durch.<br />
Der Zellzyklus<br />
Eine normale Abfolge, bei der eine Zelle ihren Inhalt verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt, wird<br />
Zellzyklus genannt. Zellteilung ist bei Erwachsenen lebenswichtig, weil sie dazu dient,<br />
diejenigen Zellen zu ersetzen, die aufgr<strong>und</strong> natürlicher Abnutzung oder durch den<br />
programmierten Zelltod (Apoptose) verloren gehen. Ein erwachsener Mensch muss jede<br />
Sek<strong>und</strong>e mehrere Millionen neuer Zellen produzieren, um eine gleich bleibende Anzahl Zellen<br />
aufrechtzuerhalten.<br />
2.4
2<br />
Die Ziele des Zellzyklus sind:<br />
● zwei genetisch identische Tochterzellen zu produzieren, indem die DNA in den<br />
Chromosomen der Mutterzelle genau kopiert (repliziert) wird<br />
● die Chromosomen genau zwischen den zwei Tochterzellen zu verteilen<br />
● die zytoplasmatischen Komponenten zu verdoppeln.<br />
Diese Anforderungen bedeuten, dass eine komplexe Serie von Abläufen während des<br />
Zellzyklus zwischen Kern <strong>und</strong> Zytoplasma miteinander koordiniert werden müssen. Die Abläufe<br />
die einen Zellzyklus ausmachen sind in Abbildung 2.4. dargestellt.<br />
Restriktionspunkt<br />
G1-Phase<br />
(zwischen Mitose<br />
<strong>und</strong> DNA-Syn<strong>the</strong>se)<br />
S-Phase<br />
(DNA-Syn<strong>the</strong>se)<br />
Mitose<br />
(Zellteilung)<br />
G2-Phase<br />
(zwischen S-Phase<br />
<strong>und</strong> Mitose)<br />
Abbildung 2.4. Der Zellzyklus.<br />
Ablauf der Zellteilung<br />
Während des Zellzyklus wachsen Zellen, bereiten sich für die Teilung vor <strong>und</strong> teilen sich, um<br />
wieder zwei identische Tochterzellen zu produzieren, die dieselbe genetische Information wie<br />
die Mutterzelle enthalten. Der Zellzyklus besteht aus vier Phasen:<br />
● G1 (Pause 1) (G aus dem englischen für gap = Lücke)<br />
● S (Syn<strong>the</strong>se)<br />
● G2 (Pause 2)<br />
● M (Mitose).<br />
G1, S <strong>und</strong> G2 gehören zusammen zur so genannten Interphase, die vor der Mitose<br />
stattfindet. Wenn eine Zelle die S-Phase erreicht hat, muss sie normalerweise danach in die G2-<br />
Phase eintreten <strong>und</strong> sich in der Mitose teilen.<br />
Der Zyklus beginnt mit der vorbereitenden Phase G1, während der alle zur Zellteilung<br />
benötigten Komponenten zusammengestellt werden. Die DNA-Replikation oder DNA-<br />
Verdoppelung geschieht in der S- oder Syn<strong>the</strong>se-Phase. Die Bildung von Chromatin (DNA <strong>und</strong><br />
Proteine, welche sich an die DNA anlagern, z.B. Histone) geschieht ebenfalls in der S-Phase.<br />
2.5
2<br />
Chromatin enthält zwei identische Sätze von Chromosomen (Chromatide). Nach der S-Phase<br />
tritt die Zelle in die G2-Phase ein, in der Zellwachstum <strong>und</strong> Metabolismus erfolgt, die wiederum<br />
von der M- oder Zellteilungsphase gefolgt wird. Dieser letzte Abschnitt des Zellzyklus geht<br />
einher mit der Kernteilung, einem Prozess der Mitose genannt wird, <strong>und</strong> dem die Zytoplasma-<br />
Teilung folgt.<br />
Mitose<br />
Mitose ist das Stadium der Zellkernteilung in der M-Phase des Zellzyklus. Während der Mitose<br />
ist es entscheidend, dass eine Zelle eine Gesamtzahl von 46 Chromosomen bekommt, also<br />
sollte jede Tochterzelle zwei Kopien von jedem Chromosom erhalten (diploider Zustand). Damit<br />
wir leichter verstehen können, was während der Mitose geschieht, ist der Prozess in vier<br />
Schritte unterteilt: Prophase, Metaphase, Anaphase <strong>und</strong> Telophase (Abbildung 2.5).<br />
Interphase<br />
Frühe Prophase<br />
Späte Prophase<br />
Metaphase<br />
Anaphase<br />
Telophase<br />
Abbildung 2.5. Darstellung der Mitose-Phasen.<br />
Prophase (Anfangsform)<br />
Nach der Replikation jedes Chromosoms, in der S-Phase des Zellzyklus, zieht sich jedes<br />
Chromosom zusammen, wird kürzer <strong>und</strong> dichter aufgewickelt <strong>und</strong> nimmt eine Doppelstrang-<br />
Form an, die es sichtbarer macht. In diesem Stadium besteht jedes Chromosom aus zwei<br />
identischen, längs laufenden Teilen, den Chromatiden. Diese sind zusammengefügt durch eine<br />
Struktur, die Zentromer genannt wird. Gegen das Ende der Prophase löst sich die Kernmembran<br />
auf <strong>und</strong> der Zellkern ist nicht mehr abgrenzbar.<br />
Metaphase (Mittlere Form)<br />
Während der mittleren Phase werden die Kernspindeln, die aus Mikrotubuli bestehen, im<br />
Lichtmikroskop deutlich sichtbar. Diese Spindeln sind Polymere, die beim Ausführen von<br />
Bewegungen der Zellstrukturen mi<strong>the</strong>lfen. Während der Metaphase verlaufen sie vom Zentrum<br />
des Zellkerns auswärts zu den Polen. In der frühen Metaphase scheinen sich die Chromosomen<br />
zu bewegen <strong>und</strong> in einer Fläche rechtwinklig zu den Spindeln aufzureihen (an der Metaphasen-<br />
Platte). Die Chromosomen werden an den Zentromeren zu den Spindelpolen gezogen.<br />
2.6
2<br />
Anaphase<br />
Am Anfang der Anaphase binden die Zentromere die zwei Chromatiden jedes Chromosoms<br />
separat, so dass die einzelnen Chromatiden eine V-förmige Form annehmen. Von diesem<br />
Moment an verhält sich jeder Chromatid wie ein einzelnes Chromosom. Die zwei Chromatiden<br />
eines Chromosoms werden zu den entgegen gesetzten Polen der Zelle gezogen mit dem<br />
unteren Teil der V-Form zum Pol hin.<br />
Telophase (Endform)<br />
Während der Telophase verschwinden die Spindeln <strong>und</strong> die Kernmembran bildet sich wieder<br />
um die beiden vollständigen Chromosomen-Sets. Die Chromosomen entfalten sich wieder zu<br />
Chromatin. Die zwei Tochterzellen enthalten die gleiche Zahl von Chromosomen <strong>und</strong> jede ist<br />
eine identische Kopie der ursprünglichen Mutterzelle. Wenn diese Prozesse abgeschlossen sind,<br />
beginnt der Zellzyklus von neuem mit der Interphase.<br />
Meiose<br />
Wie vorher beschrieben, ist die Mitose die Zellteilung somatischer Zellen mit dem Ziel, die<br />
korrekte Chromosomenzahl (46) in jedem Zellkern zu erhalten. Die sexuelle Reproduktion<br />
schliesst die Kombination <strong>und</strong> das Mischen der Gene von zwei Individuen ein <strong>und</strong> so werden<br />
Zellen geschaffen, die sich genetisch von denen der beiden Eltern unterscheiden. Das<br />
Kombinieren zweier diploider Zellen würde die Chromosomenzahl auf 92 verdoppeln. Dies<br />
wird jedoch verhindert durch den Prozess der Meiose (Reduktionsteilung), die nur in den<br />
Reproduktionsorganen, welche Spermien <strong>und</strong> Eier produzieren, stattfindet.<br />
Die Meiose besteht aus zwei aufeinander folgenden Zell- <strong>und</strong> Kernteilungen, aber nur einer<br />
DNA-Replikation. Es werden vier haploide Tochterzellen aus einer anfänglich diploiden Zelle<br />
produziert. Dies bedeutet, dass jede Tochterzelle 23 Chromosomen hat. Wenn nun ein<br />
Spermium ein Ei befruchtet, wird die diploide Zahl von Chromosomen (46) wieder hergestellt.<br />
Diese Prozesse der Zell- <strong>und</strong> Kernteilung unterscheiden sich von einander <strong>und</strong> werden deshalb<br />
Meiose I <strong>und</strong> Meiose II genannt. Meiose I <strong>und</strong> II werden aber in die gleichen vier Phasen wie<br />
die Mitose eingeteilt:<br />
Prophase I, Metaphase I, Anaphase I, Telophase I, gefolgt von<br />
Prophase II, Metaphase II, Anaphase II <strong>und</strong> Telophase II.<br />
Meiose I<br />
Wie die Mitose, beginnt auch die Meiose I (Abbildung 2.6) mit dem G1-Stadium, während<br />
dem die Zellen sich auf die Teilung vorbereiten. Die Mehrheit der DNA wird während der<br />
prämeiotischen Phase S verdoppelt, obwohl auch im ersten Abschnitt der Prophase der Meiose<br />
I etwas DNA hergestellt wird.<br />
Prophase I<br />
Die Prophase I der Meiose ist anders als die Prophase der Mitose. In der Prophase I werden die<br />
homologen Chromosomen, bestehend aus je zwei Chromatiden, in Paaren aufgestellt. Diese<br />
Chromosomenpaare erscheinen als Einheit von je 4 Chromatiden, von denen immer das<br />
zusammengehörige Chromosomenpaar aneinandergekettet ist. In diesem Stadium sind die<br />
Chromosomenpaare mit der Kernmembran verb<strong>und</strong>en. Wenn sich die Kernmembran auflöst,<br />
werden Spindeln wie in der Mitose gebildet <strong>und</strong> die Chromosomen beginnen sich in der Mitte<br />
2.7
2<br />
Frühe Prophase I<br />
Späte Prophase I<br />
Metaphase I<br />
Frühe Anaphase I<br />
Spätere Anaphase I<br />
Abbildung 2.6. Darstellung der Phasen der Meiose I.<br />
zwischen den zwei Zellpolen aufzureihen (Metaphasen-Platte). Die Prophase I ist die längste<br />
Phase in der Meiose I <strong>und</strong> nimmt etwa 90% der ganzen Meiose in Anspruch. Deshalb wird sie<br />
manchmal in Leptotän, Zygotän, Pachytän, Diplotän <strong>und</strong> Diakinese unterteilt. Diese Ausdrücke<br />
beschreiben die oben genannten Stadien.<br />
Metaphase I<br />
Die Chromosomenpaare sind aufgereiht in der Metaphasenplatte. Die zwei Chromosomen die<br />
ein Paar bilden, werden zur Vorbereitung auf die Anaphase I an Spindelfäden an den zwei<br />
gegenüber liegenden Polen des Zellkerns angeb<strong>und</strong>en.<br />
Anaphase I<br />
Während der Anaphase I werden die Chromosomen zu den Polen gezogen. Im Gegensatz zur<br />
Mitose bleiben die Chromatiden am Zentromer angeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bewegen sich als Einheit. So<br />
werden homologe Zellen zu den zwei Polen gezogen, mit dem Ergebnis, dass die<br />
Chromosomenzahl in jedem neu geformten Zellkern die Hälfte der ursprünglichen Mutterzelle<br />
beträgt.<br />
Telophase I<br />
Eine Kernmembran bildet sich um jedes neue Chromosomenset in den Kernen. Wie oben<br />
erwähnt, sind diese neuen Kerne haploid, enthalten also nur die Hälfte der normalen<br />
Chromosomenzahl. So sind zum Beispiel in den menschlichen Zellen, welche die Spermien<br />
produzieren, die 46 Chromosomen halbiert, so dass in den Tochterzellen nur 23 Chromosomen<br />
verbleiben. Jedoch ist es wichtig zu wissen, dass jedes dieser Chromosomen zwei Chromatiden<br />
enthält.<br />
Nach der Bildung der zwei Zellkerne teilt sich die Zelle <strong>und</strong> bildet zwei Tochterzellen.<br />
Meiose II<br />
Die Meiose II ist gleich wie die Mitose (Abbildung 2.5), aber die betroffenen Zellen sind<br />
haploid statt diploid.<br />
Prophase II<br />
Es bilden sich Spindeln im Kern <strong>und</strong> die Chromosomen beginnen, sich in Richtung der<br />
Metaphasenplatte zu bewegen.<br />
2.8
2<br />
Metaphase II<br />
Die Chromosomen reihen sich mit den Chromatiden in der Metaphasenplatte, in Richtung der<br />
beiden gegenüberliegenden Pole, auf. Es ist wichtig anzumerken, dass jetzt jedes der 23<br />
Chromosomen einzeln ist.<br />
Anaphase II<br />
Die Zentromere spalten sich <strong>und</strong> die zwei Chromatiden, die vorher ein Chromosom gebildet<br />
hatten, werden zu den beiden gegenüber liegenden Polen gezogen.<br />
Telophase II<br />
Zum Schluss bilden sich Kernmembranen um die Chromatiden, welche nun an den Polen liegen<br />
<strong>und</strong> als Chromosomen angesehen werden können. Die Zelle teilt sich <strong>und</strong> bildet zwei haploide<br />
Tochterzellen.<br />
Meiose<br />
Mitose<br />
DNA-Replikation<br />
Meiose I<br />
Homologes<br />
Chromosomenpaar an<br />
der Metaphasenplatte<br />
Zellteilung<br />
Homologe<br />
Chromosomen sind<br />
getrennt an der<br />
Metaphasenplatte<br />
Meiose II<br />
Zellteilung<br />
4 haploide Tochterzellen 2 diploide Tochterzellen<br />
Abbildung 2.7. Vergleich zwischen Mitose <strong>und</strong> Meiose.<br />
2.9
2<br />
Auf diese Art bildet die Meiose vier Tochterzellen aus einer ursprünglichen Mutterzelle (zwei<br />
Tochterzellen werden in der Meiose I gebildet <strong>und</strong> jede davon bildet dann in der Meiose II zwei<br />
zusätzliche Tochterzellen). Jede Tochterzelle enthält eine haploide Chromosomenzahl. In<br />
Abbildung 2.7 werden diese vier Tochterzellen verglichen mit den zwei diploiden Tochterzellen<br />
der Mitose.<br />
Die Bedeutung von Mitose <strong>und</strong> Meiose<br />
Die korrekte Zellteilung (Mitose <strong>und</strong> Meiose) ist entscheidend für die Aufrechterhaltung von<br />
Organfunktion <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Deshalb ist es lebenswichtig, dass die Prozesse, die die<br />
Zellteilung kontrollieren, normal funktionieren, um das Gleichgewicht zwischen Zelltod <strong>und</strong> der<br />
Bildung neuer Zellen zu erhalten. Ein Zusammenbruch dieser Kontrolle kann entweder zu<br />
Organ-Dysfunktion <strong>und</strong> Tod führen, wenn das Gleichgewicht sich zugunsten des Zelltods<br />
verschiebt, oder zu <strong>Krebs</strong>, wenn die Zellreplikation überwiegt. Die Kontrollfunktionen werden in<br />
folgenden Abschnitt erläutert.<br />
Faktoren <strong>und</strong> Signale, die an der Kontrolle der Zellteilung<br />
beteiligt sind<br />
Das Zellzyklus-Kontrollsystem<br />
Die Abfolge der Prozesse im Zellzyklus wird durch ein Zellzyklus-Kontrollsystem überwacht,<br />
welches zyklisch die wichtigen Prozesse der Zellreproduktion auslöst, wie zum Beispiel DNA-<br />
Replikation <strong>und</strong> Chromosomen-Trennung. Proteine, einschliesslich Proteinkinasen,<br />
Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre Rezeptoren arbeiten zusammen, um die wichtigen Prozesse der<br />
Verdoppelung <strong>und</strong> Teilung des Zellinhalts in Gang zu setzen <strong>und</strong> zu koordinieren. Dies schliesst<br />
die Stimulation <strong>und</strong> Hemmung der Gen-Aktivität im Zellkern ein, welche dann durch die<br />
Produktion von Proteinen ihre Wirkung ausüben. Kritische Prüfstellen (Checkpoints) <strong>und</strong><br />
regulierende Signale des Zellzyklus-Kontrollsystems stellen sicher, dass die Zellreproduktion<br />
richtig ausgeführt wird. Rückmeldungen vom Zellzyklus können verhindern, dass das<br />
Kontrollsystem spezifische Prüfstellen jedes Mal durchlaufen muss. Bei Säugetieren ist der<br />
wichtigste Kontrollpunkt im späten G1-Stadium <strong>und</strong> wird „Start“ genannt (Abbildung 2.8). Ein<br />
Anaphase<br />
G2 zu M<br />
M<br />
G2 G1<br />
G0 (Ruhephase)<br />
START oder R-Punkt<br />
S<br />
DNA-Syn<strong>the</strong>se<br />
G1 zu S<br />
Abbildung 2.8. Kontrollstellen im Zellzyklus.<br />
2.10
2<br />
Versagen dieser Kontrollstelle oder das Erwerben von Fähigkeiten, die das Überwinden dieser<br />
Kontrollstelle erlauben, sind wichtig für die Entstehung von <strong>Krebs</strong>. Zusätzlich zu „Start“<br />
beeinflussen auch physikalische Faktoren wie Zellverankerung <strong>und</strong> Seneszenz (Vergreisung) den<br />
Zellzyklus <strong>und</strong> haben auch ihre Rolle in der <strong>Krebs</strong>entstehung.<br />
Kontrollstellen<br />
Entscheidend für die korrekte Funktion des Zellzyklus-Kontrollsystems sind zwei Hauptfamilien<br />
von Proteinen:<br />
● Proteinkinase-Untergruppen genannt zyklin-abhängige Proteinkinasen (Cdk als Abkürzung<br />
für den englischen Ausdruck cyclin-dependent protein kinases)<br />
● Aktivierende Proteine genannt Zykline.<br />
Zykline binden Cdk-Moleküle <strong>und</strong> kontrollieren deren Fähigkeit zu phosphorylieren<br />
(Phosphatgruppen zuzufügen) <strong>und</strong> aktivieren so die dazugehörigen Zielproteine (Abbildung<br />
2.9). Diese zwei Proteinfamilien formen Proteinkomplexe in verschiedenen Kombinationen. Sie<br />
kontrollieren den Zellzyklus durch Phosphorylierung <strong>und</strong> damit Aktivierung von Proteinen<br />
(Kinase-Aktivität). Diese Proteinkomplexe sorgen auch für die Rückmeldung während der<br />
Zellteilung, welche gewährleistet, dass Zellen einen Zellzyklus beenden, bevor sie den nächsten<br />
beginnen.<br />
Kinase-Aktivität<br />
Zyklin<br />
M<br />
P<br />
Abgebautes<br />
Zyklin<br />
G 2<br />
G 1<br />
Cdk<br />
S<br />
Abgebautes<br />
Zyklin<br />
P<br />
Kinase-Aktivität<br />
Zyklin<br />
Abbildung 2.9. Aktivität von Cdk <strong>und</strong> Zyklin Molekülen in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />
Zusätzlich zu den Cdk <strong>und</strong> Zyklin-Molekülen arbeiten noch diverse andere<br />
Kontrollmechanismen, um den Zellzyklus zu kontrollieren. Eine andere wichtige Kontrollfunktion<br />
(p53) wirkt an Zellen mit defekter DNA <strong>und</strong> hindert diese, in die Mitose einzutreten, bis der<br />
Defekt behoben ist. Bei Säugetieren häuft sich dieses Protein p53 in der Zelle mit DNA-<br />
Schädigung an <strong>und</strong> führt so zu einem Zellzyklus-Stopp im G1-Stadium. Wie wir in Kapitel 3<br />
sehen werden, spielen Mutationen im p53-Protein eine wichtige Rolle bei der <strong>Krebs</strong>entstehung.<br />
Wachstumsfaktoren<br />
Bei Säugetieren sind spezifische positive Signale für das Zellwachstum <strong>und</strong> die Zellteilung<br />
notwendig. Viele dieser Signale sind Protein-Wachstumsfaktoren, welche sich an die<br />
2.11
2<br />
entsprechenden Rezeptoren in der Plasmamembran binden <strong>und</strong> so die Zellvermehrung<br />
stimulieren. Diese positiven Signale wirken, indem sie intrazellulär über negative Kontrollpunkte<br />
hinweggehen, welche sonst das Wachstum hindern <strong>und</strong> die Aktivität des Zellzyklus-<br />
Kontrollsystems blockieren würden. Wenn kultivierte Zellen ohne Serum gezüchtet werden,<br />
verfallen sie in einen Zellzyklus-Schlaf, in dem das Zellzyklus-Kontrollsystem daran gehindert<br />
wird, über das G1-Stadium hinauszukommen. Diese Schlaf-Phase ist bekannt als G0 <strong>und</strong> dieses<br />
Verhalten der Zellen wurde durch das Fehlen von Wachstumsfaktoren hervorgerufen.<br />
Wachstumsfaktoren sind:<br />
● Proteine<br />
● Polypeptide (kurze Proteine)<br />
● Steroide.<br />
Wachstumsfaktoren befinden sich in der Blutzirkulation oder nahe bei den Zellen, von denen sie<br />
abgesondert werden. Sie finden sich dort in nur sehr niedriger Konzentration. Trotzdem ist das<br />
Serum eine ergiebige Quelle für Wachstumsfaktoren. Bis heute sind etwa 50 Wachstumsfaktoren<br />
identifiziert worden; einige der wichtigsten sind in Tabelle 2.1 aufgeführt. Wachstumsfaktoren<br />
können in Breit- <strong>und</strong> Schmalspektrum Klassen eingeteilt werden. Diejenigen mit einem breiten<br />
Spektrum, wie in der Familie der Epidermal-Wachstumsfaktoren, beeinflussen das Wachstum<br />
vieler verschiedener Zelltypen, während der Wachstumsfaktor Erythropoietin, der nur die<br />
Vermehrung der Vorläufer roter Blutzellen veranlasst, ein Schmalspektrum-Rezeptor ist.<br />
. . . Ein<br />
spezifischer<br />
„Cocktail“<br />
oder eine<br />
Kombination<br />
verschiedener<br />
Wachstumsfaktoren<br />
wird für die<br />
Zellteilung<br />
benötigt.<br />
Hormone werden<br />
von endokrinen<br />
Zellen<br />
ausgeschieden<br />
<strong>und</strong> spielen eine<br />
wichtige Rolle bei<br />
der Stimulation<br />
der Zellteilung in<br />
hormonabhängigen<br />
Organen . . .<br />
Typischerweise wird ein spezifischer „Cocktail“ oder eine Kombination verschiedener<br />
Wachstumsfaktoren für die Zellteilung benötigt. Wachstumsfaktoren wirken auch als Kontrolle<br />
für das Überleben, die Differenzierung, Migration oder Funktion der Zellen. Studien haben<br />
gezeigt, dass benachbarte Zellen in Konkurrenz um Wachstumsfaktoren stehen <strong>und</strong> dass die<br />
Zelldichte aufgr<strong>und</strong> der Konzentration von Wachstumsfaktoren begrenzt wird.<br />
Die Gene, die durch Wachstumsfaktoren aktiviert werden, können in zwei Gruppen unterteilt<br />
werden: Gene mit früher Antwort <strong>und</strong> solche mit verzögerter Antwort. Die Gene mit früher<br />
Antwort werden innerhalb von 15 Minuten nach der Stimulation mit Wachstumsfaktoren<br />
aktiviert. Dieser Prozess geschieht unabhängig von der Protein-Syn<strong>the</strong>se. Die Gene, die am<br />
besten untersucht sind, sind die früh antwortenden Proto-Onkogene Myc (mitbeteiligt am<br />
Entstehen des Burkitt-Lymphoms <strong>und</strong> des Lungen-, Brust- <strong>und</strong> Zervikalkarzinoms), Fos<br />
(verschlüsselt einen Transkriptionsfaktor, der mit dem Produkt des Jun Proto-Onkogens<br />
zusammenarbeitet <strong>und</strong> die Transkriptionsrate von gewissen andern Genen verändert) <strong>und</strong> Jun.<br />
Im Gegensatz zu den früh antwortenden Genen, werden die verzögert antwortenden Gene<br />
frühestens eine St<strong>und</strong>e nach der Stimulation mit Wachstumsfaktoren hervorgerufen <strong>und</strong> sind<br />
Protein-Syn<strong>the</strong>se-abhängig. Die Faktoren, die diese verzögert antwortenden Gene hervorrufen,<br />
scheinen Produkte von früh antwortenden Genen zu sein, welche, wie schon gesagt, oft<br />
regulierende Funktionen haben. Zu den Genen mit verzögerter Antwort gehören diejenigen,<br />
welche Cdk-Proteine kodieren <strong>und</strong> auch gewisse Zykline. Diese Proteine sind alle an der<br />
Zellzyklus-Regulation mitbeteiligt.<br />
Hormone <strong>und</strong> Wachstumsfaktoren<br />
Hormone werden von endokrinen Zellen ausgeschieden <strong>und</strong> spielen eine wichtige Rolle bei der<br />
Stimulation der Zellteilung in hormonabhängigen Organen, wie zum Beispiel in der Brust, im<br />
Endometrium <strong>und</strong> in den Ovarien. Übermässige Hormonstimulierung geht einher mit vermehrter<br />
Zellteilung, was eine Wachstumsstimulation maligner Tumorzellen bewirken kann, vor allem,<br />
wenn diese Wirkung mit einer Veränderung in der DNA-Struktur einer Zelle kombiniert ist.<br />
2.12
2<br />
Tabelle 2.1. Protein-Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre Aktivitäten<br />
Faktor Verwandte Familienmitglieder Spezifität Charakteristische Tätigkeiten<br />
Platelet-derived growth factor (PDGF) Breit Stimulieren die Proliferation der Bindegewebszellen<br />
[von Thrombozyten gebildeter <strong>und</strong> einiger neuroglialer Zellen<br />
Wachstumsfaktor] – drei Unterformen<br />
Epidermal growth factor (EGF) Transforming growth factor α (TGF-α) Breit Stimulieren die Proliferation vieler Zelltypen; sind<br />
[Epidermaler Wachstumsfaktor] [Transformierender Wachstumsfaktor α] Induktionssignal in der Embryonalentwicklung<br />
Insulin-like growth factor (IGF-I) Insulin-like growth factor II (IGF-II) Breit Fördern das Zellüberleben; stimulieren den<br />
[Insulinähnlicher Wachstumsfaktor I] [Insulinähnlicher Wachstumsfaktor II]; Zellmetabolismus; arbeiten mit andern<br />
Insulin Wachstumsfaktoren zusammen, um die Zell-<br />
Proliferation zu stimulieren<br />
Transforming growth factor β (TGF-β) Aktivine; bone morphogenetic proteins Breit Potenzieren oder hemmen Antworten der meisten<br />
[Transformierender Wachstumsfaktor β] – (BMPs) [Proteine zur Knochen-Entstehung] Zellen auf andere Wachstumsfaktoren, abhängig vom<br />
verschiedene Unterformen Zelltyp; regulieren Differenzierung einiger Zelltypen;<br />
wirken als Induktionssignal in der embryonalen<br />
Entwicklung<br />
Fibroblast growth factor (FGF) Breit Stimulieren Proliferation vieler Zelltypen; hemmen<br />
[Fibroblasten-Wachstumsfaktor] – Differenzierung verschiedener Typen von<br />
verschiedene Unterformen Stammzellen; wirken als Induktionssignal in der<br />
embryonalen Entwicklung<br />
Interleukin-2 (IL-2) Schmal Stimulieren Proliferation aktivierter<br />
Lymphozyten<br />
Nerve growth factor (NGF) Brain-derived neurotrophic factor (BDNF) Schmal Fördern Überleben <strong>und</strong> Nervenzellfunktion; fördern<br />
[Nerven-Wachstumsfaktor] [Hirn/Nerven-Wachstumsfaktor]; Wachstum von spezifischen Nervenzell-Klassen<br />
Neutrophin-3 (NT-3); Neutrophin-4 (NT-4)<br />
Erythropoetin Schmal Fördern Proliferation, Differenzierung<br />
<strong>und</strong> Überleben von Vorläufern der Erythrozyten<br />
Granulocyte colony-stimulating factor (G-CSF) Macrophage colony-stimulating factor Schmal Stimulieren Proliferation, Differenzierung <strong>und</strong><br />
[Wachstumsfaktor für Granulozyten] (M-CSF) <strong>und</strong> granulocyte-macrophage Überleben von neutrophilen Granulozyten<br />
colony-stimulating factor (GM-CSF)<br />
[Wachstumsfaktoren für Makrophagen<br />
<strong>und</strong> Granulozyten]; Interleukin-3 (IL-3)<br />
2.13
2<br />
Zytokine sind Peptid-Hormone, die von Zellen des Immunsystems produziert werden. Sie haben<br />
spezifische Effekte auf die Zellen des Immunsystems. Ihre Wirkung entfalten sie durch Bindung<br />
an spezielle Rezeptoren an der Zelloberfläche. Zytokine wirken schon in kleinsten<br />
Konzentrationen <strong>und</strong> können lokal wirken, entweder an andern Zelltypen (parakrin), am selben<br />
Zelltypus (autokrin) oder systemisch (endokrin). Wie in Kapitel 6 beschrieben, hat die Erkenntnis<br />
über die Auswirkungen der Zytokine auf das Immunsystem zur Entwicklung <strong>the</strong>rapeutischer<br />
Strategien geführt.<br />
Zellen können auf<br />
einen<br />
Wachstumsfaktor<br />
nur antworten,<br />
wenn auch das<br />
dazugehörige<br />
Rezeptor-Protein<br />
vorhanden ist.<br />
Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />
Wachstumsfaktoren üben ihre Wirkung aus, indem sie an Rezeptoren binden, die sich meist an<br />
der Zelloberfläche befinden. Zellen können auf einen Wachstumsfaktor nur antworten, wenn<br />
auch das dazugehörige Rezeptor-Protein vorhanden ist. Die Rezeptor-geb<strong>und</strong>enen<br />
Wachstumsfaktoren bewirken eine Signalübertragung an die Zelle. Die Zelle wird zu einer<br />
Antwort stimuliert, z.B. zur Ausschüttung oder Hemmung von Proteinen, die die Zellfunktion<br />
kontrollieren. In Kapitel 3 werden Sie sehen, wie diese Wachstumskontrolle ausgeübt wird. Dies<br />
geschieht durch die Fähigkeit der Wachstumsfaktor-Rezeptoren, die intrazelluläre<br />
Phosphorylierung zu stimulieren, was wiederum zu Veränderungen in der Gen-Expression führt.<br />
Die Rezeptoren für die meisten Wachstumsfaktoren sind transmembrane tyrosin-spezifische<br />
Proteinkinasen, also Enzyme, welche andere Proteine an Tyrosinen phosphorylieren. Beispiel<br />
dafür ist der menschliche epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor-2 (HER2).<br />
Notwendigkeit einer Verankerung<br />
Physikalische Faktoren beeinflussen den Zellzyklus ebenfalls. Zum Beispiel müssen die meisten<br />
Zellen an eine Basis verankert sein, damit sie sich teilen können. Diese Notwendigkeit ist<br />
gegeben durch eine Verankerungskontrolle, die am G1 Kontrollpunkt arbeitet. Wahrscheinlich<br />
spielen intrazelluläre Signale eine wichtige Rolle in der Regulation des Zellzyklus-Kontrollsystems<br />
vieler Zellarten. Diese Signale werden dort, wo die Zellen aneinander haften, gebildet.<br />
Physischer Kontakt erlaubt den Zellen, miteinander zu kommunizieren. Es ist interessant, dass<br />
<strong>Krebs</strong>zellen in Tumoren spezielle Fähigkeiten haben, die es ihnen erlauben, ohne diese<br />
Verankerungsabhängigkeit zu funktionieren. So können sie sich von der intrazellulären Matrix,<br />
die sie an ihren Ort fixieren würde, loslösen, sich mit den Körperflüssigkeiten an andere Stellen<br />
im Körper begeben (metastasieren) <strong>und</strong> so Metastasen bilden (Abbildung 2.10).<br />
Gutartiger Tumor<br />
im Epi<strong>the</strong>l<br />
Basalmembran<br />
Tumor bricht durch<br />
Basalmembran<br />
Tumorzellen dringen in Kapillare<br />
ein <strong>und</strong> wandern an andere<br />
Stellen (Metastasierung)<br />
. . . die meisten<br />
Zellen müssen an<br />
eine Basis<br />
verankert sein,<br />
damit sie sich<br />
teilen können.<br />
Bindegewebe<br />
Kapillare<br />
Abbildung 2.10. Die Stadien in denen <strong>Krebs</strong>zellen fähig sind, sich von der intrazellulären Matrix<br />
loszulösen <strong>und</strong> zu metastasieren. Copyright 1999 aus: Molecular Biology of <strong>the</strong> Cell von Alberts B<br />
et al. Abgedruckt mit der Erlaubnis von Routledge, Inc., part of The Taylor & Francis Group.<br />
2.14
2<br />
Zell-Seneszenz<br />
Die Vermehrung von Zellen ist nicht nur von der Zellumgebung, sondern auch von der<br />
Geschichte der Zelle abhängig. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zelle ins G0-Stadium<br />
eintritt <strong>und</strong> in einen Ruhezustand kommt, abhängig von der Anzahl Zellteilungen, die sie schon<br />
hinter sich hat. Dies ist beschrieben als Zell-Seneszenz oder Zellalterung. Die Zell-Seneszenz<br />
wird sichtbar, wenn versucht wird, permanente Kulturen normaler Zellen zu züchten, <strong>und</strong> zum<br />
Beispiel Fibroblasten nur etwa 50 Zellteilungen machen, wenn sie in Kulturen gezüchtet<br />
werden.<br />
Ausserdem wird die Proliferation langsamer, wenn die Kultur älter wird. Dies ist jedoch nicht in<br />
der genetischen Veranlagung der Zelle vorgegeben, weil verschiedene Zellen des gleichen Typs<br />
in derselben Zellpopulation zu verschiedenen Zeiten aufhören, sich fortzupflanzen. Die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass die Reproduktion aufhört, steigt jedoch mit jeder Generation. Dieses<br />
Phänomen scheint einherzugehen mit einer Verkürzung der Telomere, vielleicht wegen eines<br />
Mangels am Enzym Telomerase, welches die Telomere produziert.<br />
Apoptose – programmierter Zelltod<br />
Die meisten Zellen sind so programmiert, dass sie auf eine spezielle Reihe von Signalen<br />
angewiesen sind, um überleben zu können (Abbildung 2.11). Wenn eine Zelle diese<br />
bestimmten Überlebens-Signale nicht mehr bekommt, aktiviert sie ein Suizid-Programm <strong>und</strong> tötet<br />
sich selber. Dieser Prozess wird programmierter Zelltod oder Apoptose genannt. Die Apoptose<br />
wird auch aktiviert durch spezielle Moleküle, die ein Todes-Signal geben. Todes-Signale werden<br />
von aussen zu verschiedenen Organellen im Innern einer Zelle übermittelt. So bringt zum<br />
. . . die<br />
Wahrscheinlichkeit,<br />
dass die<br />
Zelle ins<br />
G0-Stadium<br />
eintritt <strong>und</strong> in<br />
einen<br />
Ruhezustand<br />
kommt, ist<br />
abhängig von<br />
der Anzahl<br />
Zellteilungen, die<br />
sie schon hinter<br />
sich hat.<br />
A<br />
B<br />
Überleben<br />
C<br />
A<br />
B<br />
Teilen<br />
C<br />
A<br />
D<br />
E<br />
B<br />
Differenzieren<br />
C<br />
F<br />
G<br />
Sterben<br />
Abbildung 2.11. Extrazelluläre Signale führen zum Überleben, zur Teilung, zur Differenzierung <strong>und</strong><br />
zum Tod der Zelle.<br />
2.15
2<br />
Beispiel das im Zytosol vorkommende Protein Bid ein Todes-Signal von der Zellmembran zum<br />
Mitochondrium <strong>und</strong> veranlasst die äussere Membran des Mitochondriums, durchlässig zu<br />
werden, was dann zum raschen Zerfall der Zelle führt.<br />
Zusammenfassung<br />
Zellen vermehren sich durch einen hochkomplexen Prozess, den Zellzyklus. Die Kern-Replikation<br />
<strong>und</strong> -Teilung sind wichtige Stadien des Zellzyklus. Zellen die nichts mit der sexuellen<br />
Vermehrung zu tun haben, also die Mehrheit der Zellen, vermehren sich durch Mitose, während<br />
Sexualzellen sich durch Meiose vermehren. Das Zellzyklus-Kontrollsystem überwacht den<br />
Zellzyklus mit einem Hauptkontrollpunkt in der G1-Phase. Zellen vermehren sich normalerweise<br />
erst, wenn sie von andern Zellen spezifische Signale empfangen, die ihnen die Vermehrung<br />
befehlen. Wachstumsfaktoren sind wichtige Moleküle, die den Zellen den Befehl geben, sich zu<br />
vermehren. Zusätzlich müssen die meisten Zellen in einer Unterlage verankert sein, damit sie<br />
sich teilen können. Verschiedene Signal-Kombinationen entscheiden, ob eine Zelle sich teilen,<br />
wachsen, differenzieren oder sterben soll. Im ges<strong>und</strong>en Organismus stellen diese Signale<br />
sicher, dass die Zellzahl gleich bleibt <strong>und</strong> so die Organe normal funktionieren. Der durch ein<br />
Signal verursachte Zelltod wird Apoptose genannt <strong>und</strong> ist ein normaler Weg, die richtige Zahl<br />
von Zellen zu erhalten.<br />
2.16
2<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Welche Eigenschaften unterscheiden <strong>Krebs</strong>zellen von normalen Zellen?<br />
2. Der Zellzyklus ist ein geordneter Ablauf von Ereignissen, bei denen eine Zelle ihren Inhalt<br />
verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt. Was sind die Ziele des Zellzyklus?<br />
3. Die Mitose ermöglicht es den Zellen, zu proliferieren, während die korrekte diploide Zahl<br />
von Chromosomen in jeder Zelle erhalten bleibt. Erklären Sie, wie Chromosomen von einer<br />
Eizelle <strong>und</strong> einem Spermium zusammengefügt werden können, während die korrekte<br />
Chromosomenzahl aufrechterhalten wird.<br />
4. Der Zellzyklus wird durch Prüfstellen <strong>und</strong> spezifische biochemische <strong>und</strong> physikalische<br />
Faktoren, die den Zyklus beeinflussen, gut kontrolliert. Beschreiben Sie die Rolle der<br />
Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> der Zell-Verankerung in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.3.<br />
2.17
Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />
3<br />
Einführung<br />
Für das Verständnis der <strong>Krebs</strong>entstehung ist es essentiell, die wichtigsten molekular-biologischen<br />
<strong>und</strong> genetischen Gr<strong>und</strong>lagen einer Zelle zu kennen. So beginnt dieses Kapitel mit einer<br />
Besprechung der Genetik sowie der Funktionen der Gene <strong>und</strong> insbesondere, wie sie die<br />
Produktion von Proteinen steuern.<br />
Aufbauend darauf werden wir uns dann den Genen zuwenden <strong>und</strong> dem Vorgang, wie Gene<br />
mutieren <strong>und</strong> wie sich Genmutationen in der <strong>Krebs</strong>entstehung auswirken. Das Tumorwachstum<br />
beginnt oft mit einer Mutation (einer Basen-Sequenz-Veränderung der DNA der Zelle). Solche<br />
Veränderungen geschehen häufig, aber normalerweise werden Zellen mit Mutationen von<br />
körpereigenen Kontrollsystemen erkannt <strong>und</strong> vernichtet, bevor sie sich teilen <strong>und</strong> vermehren<br />
können. <strong>Krebs</strong> entsteht, wenn diese abnormen Zellen überleben <strong>und</strong> fähig sind, sich in<br />
genügender Anzahl zu reproduzieren, um eine Krankheit entstehen zu lassen.<br />
<strong>Krebs</strong>zellen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich ohne Einschränkung teilen können, <strong>und</strong><br />
dass sie sich vom Primärtumor loslösen oder metastasieren können <strong>und</strong> via Blut- oder<br />
Lymphbahnen in andere Organe wandern. <strong>Krebs</strong> wurde immer schon als eine Krankheit der<br />
Zellproliferation angesehen. Heute ist es klar, dass das Gleichgewicht zwischen Zellteilung <strong>und</strong><br />
Zelltod (Apoptose) eine wichtige Rolle spielt.<br />
Eine <strong>Krebs</strong>entstehung ist möglich bei:<br />
● unkontrollierter Zellteilung<br />
● mangelnden hemmenden Mechanismen<br />
● einer Kombination von beidem.<br />
Im Speziellen entstehen DNA-Veränderungen in einer Zelle durch eine falsche Substitution<br />
(Ersatz) eines Basenpaars, eine Deletion (Verlust) oder Insertion (Einfügung) einer Base,<br />
beziehungsweise durch Replikation oder Deletion eines ganzen Genes. Besonders<br />
schwerwiegende Gen-Mutationen in Zellen sind solche von Proto-Onkogenen (Gene, welche<br />
normalerweise die Zellproliferation stimulieren) oder von Tumor-Suppressor-Genen (Gene, die<br />
eine Rolle spielen in der Hemmung der Zellproliferation). Mutationen dieser Gene können eine<br />
Überstimulation, beziehungsweise einen Hemmungsverlust der Zellvermehrung bewirken.<br />
Solche veränderte Gene können dann über den Zellzyklus falsche Instruktionen an die<br />
nachfolgenden Zellen weitergeben.<br />
Veränderte Gene üben ihre Wirkung durch Syn<strong>the</strong>se veränderter Proteine aus (Gene kodieren<br />
also für spezielle Proteine, durch welche sie ihren Effekt ausüben). Viele Proteine, welche in der<br />
<strong>Krebs</strong>entstehung eine Rolle spielen, sind im mutierten Zustand einbezogen in einen Prozess, der<br />
Signal-Transduktion genannt wird. Bei diesem Prozess werden Signale, die das Zellwachstum<br />
beeinflussen, von der Außenseite der Zelle zum Zellkern übermittelt. Dieser Prozess beinhaltet<br />
komplexe, miteinander interagierende Reaktionsabläufe. Veränderungen in nur einem dieser<br />
Eiweisse, welche in diesen Reaktionswegen eine Rolle spielen, können die Zellfunktion<br />
nachhaltig beeinflussen <strong>und</strong> die Ausbreitung einer abnormen Zellpopulation auslösen.<br />
In diesem Kapitel werden alle diese Prozesse beschrieben. Als Beispiel werden bedeutende<br />
Proto-Onkogene, Tumor-Suppressor-Gene <strong>und</strong> Signal-Transduktionsabläufe gebraucht, um die<br />
Auswirkung von Mutationen auf eine Zelle zu illustrieren.<br />
3.1
3<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Genetische Elemente <strong>und</strong> Prozesse können in einer hierarchischen <strong>und</strong> folgerichtigen<br />
Reihenfolge dargestellt werden. Vervollständigen Sie das folgende Fliessdiagramm, indem<br />
Sie die passenden Begriffe von der unten stehenden Liste einfügen. Die zwei Sternchen<br />
stehen für die zwei Mutations-Wege, die unkontrolliertes Zellwachstum <strong>und</strong> invasives<br />
Tumorwachstum bewirken können. Bitte nennen Sie diese.<br />
DNA Chromosomen Translation Protein<br />
Genom<br />
(Gesam<strong>the</strong>it der Gene)<br />
Gene<br />
**<br />
mRNA<br />
Transkription<br />
Basen<br />
2. Wie kann ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgewandelt werden? Welche Arten von<br />
Prozessen werden von den bekannten Proto-Onkogenen kontrolliert?<br />
3. Beschreiben Sie, wie Mutationen zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen können, <strong>und</strong> benützen<br />
Sie dazu einerseits das Tumor-Suppressor-Gen p53 <strong>und</strong> andererseits den Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptor HER2 als Beispiel.<br />
4. Was ist eine Signal-Transduktion <strong>und</strong> was bewirkt sie?<br />
5. Zählen Sie kurz die wichtigsten Stadien <strong>und</strong> Ereignisse bei einem typischen Signal-<br />
Transduktions-Ablauf auf <strong>und</strong> benützen Sie dazu einen Wachstumsfaktor als ersten Schritt.<br />
6. Beschreiben Sie die Rolle von Genmutationen bei der Auslösung von <strong>Krebs</strong>.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.5.<br />
3.2
3<br />
Molekularbiologie/Genetik – die Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Molekular- <strong>und</strong> Zellbiologie studieren die Moleküle, die eine funktionstüchtige Zelle ausmachen<br />
<strong>und</strong> die verschiedenen Prozesse, in denen diese Moleküle eine Rolle spielen. Zugleich<br />
konzentriert sich die Molekulargenetik auf die molekularen Vorgänge, die der Struktur <strong>und</strong><br />
Funktion der Gene zugr<strong>und</strong>e liegen, die so genannten Basiseinheiten der Vererbung. Es ist<br />
nützlich, die relevanten Schlüsselelemente <strong>und</strong> Konzepte in diesem Forschungsgebiet zu<br />
rekapitulieren, bevor wir die Forschungsmethoden diskutieren, welche bei der Untersuchung<br />
von Zellen auf molekularer <strong>und</strong> genetischer Ebene zur Anwendung kommen.<br />
Zellen <strong>und</strong> Gewebe<br />
Tiere <strong>und</strong> Menschen sind aus Zellen aufgebaut. Zellen sind kleine Einheiten, umgeben von einer<br />
dünnen Membran. Sie sind in Gruppen (Gewebe) organisiert, die zusammenarbeiten durch<br />
spezialisierte Kommunikationsnetzwerke (Zell-Signale), um spezielle Funktionen auszuführen. Die<br />
zentralen Moleküle in den zellulären Prozessen sind Nukleotide oder Basen (welche sich<br />
zusammenfügen <strong>und</strong> so die DNA [Desoxy-Ribonukleinsäure, das A steht für englisch acid=Säure]<br />
oder RNA [Ribonukleinsäure] bilden), Aminosäuren (welche sich zu Proteinen zusammenfügen),<br />
Zucker oder Fettsäuren. Der Zellkern enthält den größten Teil der DNA <strong>und</strong> RNA.<br />
DNA<br />
Ein DNA-Molekül besteht aus zwei Strängen, die sich umeinander winden <strong>und</strong> so einer<br />
Wendeltreppe gleichen (Abbildung 3.1). Dieses Gebilde wird Doppelhelix genannt. Die Seiten<br />
der Leiter sind aus Zucker- <strong>und</strong> Phosphat-Molekülen <strong>und</strong> werden durch stickstoffhaltige<br />
Moleküle, so genannte Basen, zusammengehalten. Jeder Strang ist eine lineare Anordnung sich<br />
wiederholender gleicher Einheiten genannt Nukleotiden, von denen jeder aus einer Zucker-,<br />
einer Phosphat- <strong>und</strong> einer Stickstoff-haltigen Base besteht. In der DNA sind die Basen Adenin<br />
(A), Thymin (T), Cytosin (C) <strong>und</strong> Guanin (G). Die Reihenfolge der Basen wird Sequenz genannt.<br />
Eine Sequenz beinhaltet die genaue genetische Anleitung, welche zur Bildung eines<br />
besonderen Organismus benötigt wird.<br />
Die Reihenfolge<br />
der Basen wird<br />
Sequenz<br />
genannt. Eine<br />
Sequenz<br />
beinhaltet die<br />
genaue<br />
genetische<br />
Anleitung, welche<br />
zur Bildung eines<br />
besonderen<br />
Organismus<br />
benötigt wird.<br />
A–G<br />
C–G<br />
I–A<br />
G–C<br />
A–I<br />
C–G<br />
T–A<br />
B–G<br />
A–T<br />
C–G<br />
I–A<br />
G–C<br />
A–I<br />
C–G<br />
T–A<br />
A–G<br />
A–T<br />
C G<br />
T A<br />
A<br />
G C<br />
G G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
T<br />
C–G<br />
C–G<br />
G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C A C–G<br />
T<br />
C–G<br />
G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
C–G<br />
Abbildung 3.1. DNA-Struktur <strong>und</strong> -Replikation.<br />
3.3
3<br />
DNA-Replikation<br />
Wie schon in Kapitel 2 beschrieben, reproduzieren sich tierische Zellen durch einen Prozess,<br />
der Mitose genannt wird. Dies schließt die Verdoppelung des Zellinhaltes <strong>und</strong> die Teilung ein,<br />
mit dem Ziel zwei Tochterzellen zu bilden. Jedes Mal, wenn eine Zelle sich teilt, wird das<br />
vollständige Genom genau verdoppelt <strong>und</strong> dann auf die zwei Tochterzellen verteilt. Vor der<br />
Zellteilung wird die DNA kopiert. Das DNA-Molekül dreht sich auf <strong>und</strong> ermöglicht die<br />
Entstehung eines neuen Stranges durch Anlagerung von Nukleotiden, die an jeden der<br />
getrennten Stränge passen (Abbildung 3.1). Jede Tochterzelle erhält einen alten <strong>und</strong> einen<br />
neuen DNA-Strang.<br />
Ein Gen ist eine<br />
spezifische<br />
Sequenz von<br />
Basen, welche<br />
die notwendige<br />
Information zur<br />
Eiweissproduktion<br />
beinhaltet.<br />
Gene<br />
Jedes DNA-Molekül enthält viele Gene, welche die physikalischen <strong>und</strong> funktionellen Einheiten<br />
der Vererbung sind. Ein Gen ist eine spezifische Sequenz von Basen, welche die notwendige<br />
Information zur Eiweissproduktion beinhaltet. Viele Gene kodieren für spezifische<br />
funktionstüchtige Proteine. Das Gen <strong>und</strong> das dazugehörige Protein tragen denselben Namen,<br />
d.h. das p53-Gen kodiert für das p53-Eiweiss.<br />
Chromosomen<br />
Im Zellkern ist die DNA mit Proteinmolekülen verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann Chromosomen bilden.<br />
Chromosomen bestehen ungefähr zu gleichen Anteilen aus Proteinen <strong>und</strong> DNA. Die Gene sind<br />
linear in ihrer gesamten Länge angeordnet. Der Zellkern der meisten menschlichen Zellen<br />
enthält zwei Sätze von Chromosomen (total 46 Stück), von denen je ein Satz von jedem<br />
Elternteil stammt.<br />
Genom<br />
Die komplette Instruktion (Matrize, Entwurfsvorlage) für die Produktion eines Organismus wird<br />
Genom genannt. Das menschliche Genom besteht schätzungsweise aus 30’000 Genen.<br />
Menschliche Gene variieren stark in ihrer Länge <strong>und</strong> enthalten oft Tausende von Basen. Jedoch<br />
nur etwa 10% des Genoms enthält für ein Eiweiss kodierende Gensequenzen (Exons). Zwischen<br />
den Exons sind Gensequenzen eingefügt, die keine kodierende Funktion haben, genannt<br />
Introns. Wie später beschrieben, ist ein gross angelegtes Projekt, das „Human-Genom-<br />
Projekt“*, am Laufen <strong>und</strong> hat die Sequenz <strong>und</strong> Position der 30’000 Gene des menschlichen<br />
Körpers enthüllt (siehe Kapitel 5).<br />
Die genetische Information wird von einer Zellgeneration zur nächsten weitergegeben durch<br />
strikte Paarung der komplementären Basen: A paart sich mit T <strong>und</strong> G paart sich mit C. Dieser<br />
Mechanismus stellt sicher, dass der neue Strang ein genaues Ebenbild des alten ist <strong>und</strong><br />
reduziert so das Risiko von Fehlern auf ein Minimum.<br />
Die DNA-Replikation ist ein sehr präziser Vorgang mit diversen Kontrollmechanismen, die<br />
sicherstellen, dass falsch platzierte Nukleotide entfernt werden. Trotzdem geschehen genetische<br />
Fehler, genannt Mutationen. Die Konsequenzen solcher Fehler können riesig sein, weil schon<br />
ein Wechsel eines einzelnen Nukleotids wichtige Auswirkungen auf die Zellfunktion haben<br />
kann. Mutationen können beim Menschen eine Veranlagung für <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> andere komplexe<br />
Krankheiten schaffen.<br />
*Weitere Informationen zum Human-Genom-Projekt sind erhältlich im Internet unter:<br />
http://www.ornl.gov/TechResources/Human_Genome/home.html<br />
3.4
3<br />
Der genetische Code<br />
Der genetische Code ist eine Serie spezifischer Sequenzen aus drei DNA-Basen (Codons)<br />
(Abbildung 3.2), welche die Aminosäurezusammensetzung für ein spezielles Eiweiss<br />
bestimmen. So lenken die Codons die Proteinsyn<strong>the</strong>se einer Zelle, indem sie für das<br />
Aneinanderreihen von Aminosäuren verantwortlich sind. Die Protein-Syn<strong>the</strong>se-Maschinerie einer<br />
Zelle übersetzt die Codons in einen Strang von Aminosäuren, schliesslich entsteht das<br />
Eiweissmolekül, für welches die DNA kodiert hat. Die proteinkodierenden Instruktionen der<br />
Gene werden durch die Messenger-RNA (Boten -RNA oder mRNA) übermittelt, welche als<br />
vorübergehendes Übermittlungs-Molekül funktioniert.<br />
Erste Base<br />
U<br />
G<br />
A<br />
G<br />
UUU<br />
UUC Phe<br />
UUA<br />
UUG Leu<br />
CUU<br />
CUC<br />
CUA<br />
CUG<br />
AUU<br />
AUC<br />
AUA<br />
AUG<br />
GUU<br />
GUC<br />
GUA<br />
GUG<br />
Zweite Base<br />
U C A G<br />
UCU<br />
UAU<br />
UAC<br />
Tyr UGU<br />
UCC<br />
UGC Cys<br />
Ser<br />
UCA<br />
UAA<br />
UAG<br />
TERM UGA<br />
UCG<br />
UGG<br />
CCU<br />
CAU<br />
CAC<br />
His CGU<br />
CCC<br />
CGC<br />
Leu<br />
Pro<br />
Arg<br />
CCA<br />
CAA<br />
CAG<br />
Glin CGA<br />
CCG<br />
CGG<br />
ACU<br />
AAU<br />
AAC<br />
Asn AGU<br />
IIle ACC<br />
AGC<br />
Ser<br />
Thr<br />
ACA<br />
AAA<br />
AAG Lys AGA<br />
Met ACG<br />
AGG Arg<br />
Val<br />
GCU<br />
GCC<br />
GCA<br />
GCG<br />
Ala<br />
GAU<br />
GAC<br />
Asp<br />
GAA<br />
GAG Glu<br />
GGU<br />
GGC<br />
GGA<br />
GGG<br />
TERM<br />
Trp<br />
Gly<br />
Der genetische<br />
Code ist eine<br />
Serie spezifischer<br />
Sequenzen aus<br />
drei DNA-Basen,<br />
welche die<br />
Aminosäurenzusammensetzung<br />
für ein<br />
spezielles Eiweiss<br />
bestimmen.<br />
Abbildung 3.2. Die Codons werden aus den vier Nukleotiden (Bestandteile der DNA) gebildet <strong>und</strong><br />
kodieren für Aminosäuren. TERM steht für Termination: Diese Codons signalisieren für das Ende eines<br />
Exons.<br />
RNA<br />
RNA ist ein einstrangiges Molekül, das in einem Vorgang, Transkription genannt, von einer<br />
DNA-Vorlage syn<strong>the</strong>tisiert wird (Abbildung 3.3). Es entsteht die mRNA, welche die Information<br />
für die Protein-Syn<strong>the</strong>se trägt. Der Vorgang, durch welchen die mRNA zur Proteinproduktion<br />
führt, wird Translation genannt, weil in diesem Stadium die Codons die Aminosäuren<br />
bestimmen, welche in das Eiweiss eingebaut werden. Die mRNA ist unerlässlich, wenn<br />
genetische Information den Zellkern verlassen muss.<br />
Die Aminosäuren werden von speziellen RNA, den tRNA, an die mRNA herangeführt. Jedes<br />
tRNA-Molekül hat eine gefaltete dreidimensionale Gestalt, die zusammengehalten wird durch<br />
entsprechende Basenpaare, ähnlich wie die DNA-Doppelhelix. Diese zusätzliche Paarung<br />
veranlasst das tRNA-Molekül, sich zu entfalten <strong>und</strong> als Adaptor zwischen den Codons zu<br />
agieren.<br />
RNA ist ein<br />
einstrangiges<br />
Molekül, das in<br />
einem Vorgang,<br />
Transkription<br />
genannt, von<br />
einer DNA-<br />
Vorlage<br />
syn<strong>the</strong>tisiert wird.<br />
Die Anlage der tRNA Moleküle an die mRNA bedarf eines Ribosoms, welches einen Komplex<br />
von mehr als 50 verschiedenen Proteinen, assoziiert mit einer anderen Klasse von RNA,<br />
genannt ribosomale RNA (rRNA), darstellt (Abbildung 3.3).<br />
3.5
3<br />
Abbildung 3.4. Die Mechanismen, die die Umformung eines Proto-Onkogens in ein Onkogen ermöglichen.<br />
Copyright 1999. Aus: Molecular Biology of <strong>the</strong> Cell by Alberts et al. Reproduziert mit Erlaubnis von<br />
Routledge, Inc., part of The Taylor & Francis Group.<br />
der Kontrolle des Zellwachstums <strong>und</strong> der Zell-Proliferation zu tun haben. Diese Proto-Onkogene<br />
kommen in normalen ges<strong>und</strong>en Zellen vor, können aber durch Mutation, infolge Einwirkung<br />
eines Karzinogens wie Sonnenstrahlen, Bestrahlung oder Viren, transformiert werden in<br />
Onkogene (Gene, die pathologische Veränderungen verursachen können, welche zu<br />
abnormem Zellwachstum führen, was für <strong>Krebs</strong> typisch ist). Eine Mutation, die ein Proto-<br />
Onkogen in ein Onkogen umformt, benötigt nur eine mutierte Kopie (der beiden Kopien) eines<br />
Proto-Onkogens. Dementsprechend wird dies eine dominante Antwort genannt.<br />
Wie wird ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgeformt?<br />
Bis heute wurden ungefähr 60 Proto-Onkogene identifiziert. Die meisten dieser Gene<br />
verschlüsseln Teile der Mechanismen, die das interaktive Verhalten der Zellen im Körper<br />
regulieren. Sehr oft sind sie wichtige Komponenten der Zell-Signalwege, bei welchen sie die<br />
Kontrolle über Zellteilung, Differenzierung <strong>und</strong> Zelltod haben. Zum Beispiel ist das Proto-<br />
Onkogen HER2, welches den HER2-Rezeptor verschlüsselt, bekannt für seine wichtige Rolle im<br />
normalen Wachstum <strong>und</strong> in der Entwicklung des Brustgewebes.<br />
Die Umformung eines Proto-Onkogens in ein Onkogen kann auf drei Arten geschehen:<br />
● Punktmutation oder Deletion<br />
● Gen-Amplifikation<br />
● Chromosomen-Neu-Anordnung (Abbildung 3.4).<br />
Eine Punktmutation oder Deletion kann die Protein-kodierenden Regionen so verändern, dass sie<br />
ein Protein hervorbringen, das hyperaktiv ist, oder sie kann in einer Genregion vorkommen,<br />
welche die Expression kontrolliert, was zu einer Gen-Überexpression führen kann.<br />
Punktmutationen sind charakteristisch für das Ras-Onkogen. Gen-Amplifikationen, bei denen<br />
multiple Kopien eines Gens produziert werden, geschehen auf der Basis zahlreicher Fehler im<br />
Verlauf des Chromosomen-Replikations-Prozesses. Chromosomale Neu-Anordnungen bestehen<br />
am häufigsten aus Translokationen, bei welchen Chromosomen abbrechen <strong>und</strong> das genetische<br />
Material entweder von einem Chromosom zum andern transferiert, zwischen Chromosomen<br />
Gen-<br />
Amplifikationen,<br />
bei denen<br />
multiple Kopien<br />
eines Gens<br />
produziert<br />
werden,<br />
geschehen auf<br />
der Basis<br />
zahlreicher Fehler<br />
im Verlauf des<br />
Chromosomen-<br />
Replikations-<br />
Prozesses.<br />
3.7
3<br />
ausgetauscht oder innerhalb von Chromosomen neu positioniert wird. Die daraus entstehende<br />
Gen-Veränderung verursacht eine abnorme Gen-Expression.<br />
Diese Arten von Veränderungen sind häufig die Folge von Tumor-Initiatoren oder Tumor-<br />
Promotoren. Tumor-Initiatoren sind Substanzen (wie zum Beispiel Benzopyren, ein Bestandteil<br />
von Tabak), die bei einer Erstexposition noch keine sichtbaren Schäden verursachen, die aber<br />
bei chronischer Exposition die Entwicklung von <strong>Krebs</strong> fördern. Im Gegensatz dazu können<br />
Tumor-Promotoren <strong>Krebs</strong> verursachen, wenn sie nach dem Kontakt mit einem Tumor-Initiator<br />
wiederholt angewandt werden. Ein Beispiel dafür sind die Phorbol-Ester, welche sich in<br />
Pflanzenölen befinden. Eine kontinuierliche Exposition zu Tumor-Promotoren stimuliert die<br />
unangepasste Zell-Proliferation, jedoch nicht die <strong>Krebs</strong>entwicklung. <strong>Krebs</strong> entwickelt sich, wenn<br />
weitere Mutationen vorkommen, bevor der Tumor-Promotor unwirksam gemacht wird. Also<br />
können <strong>Krebs</strong>krankheiten infolge Gen-Veränderungen durch Umweltfaktoren entstehen.<br />
Tumor-Suppressor-<br />
Gene kommen in<br />
normalen Zellen<br />
vor <strong>und</strong> hemmen<br />
normalerweise<br />
eine übermässige<br />
Zell-Proliferation.<br />
Das Mismatch-<br />
Reparatur-System<br />
ist ein DNA-<br />
Korrekturlese-<br />
System, das<br />
fehlerhafte DNA-<br />
Nukleotiden<br />
erkennen <strong>und</strong><br />
korrigieren kann.<br />
Tumor-Suppressor-Gene<br />
Tumor-Suppressor-Gene kommen in normalen Zellen vor <strong>und</strong> hemmen normalerweise eine<br />
übermässige Zell-Proliferation. Der Verlust der Funktion von Tumor-Suppressor-Genen, als Folge<br />
einer Mutation, spielt ebenfalls eine Rolle in der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>. Im Gegensatz zu den<br />
aktivierenden Mutationen, die aus Proto-Onkogenen Onkogene generieren, verlieren die Tumor-<br />
Suppressor-Gene ihre Funktion bei <strong>Krebs</strong>zellen. Ähnlich wie die Onkogene, haben die Tumor-<br />
Suppressor-Gene verschiedene Funktionen in der Wachstumsregulation, der Differenzierung <strong>und</strong><br />
der Apoptose (dem programmierten Zelltod). Wie weiter unten erwähnt (siehe Seite 3.10),<br />
nimmt man an, dass das Produkt des Tumor-Suppressor-Gens p53 den Prozess des<br />
programmierten Zelltodes reguliert.<br />
Mismatch-Reparatur-Gene<br />
Zunehmende Evidenz leitet zur Annahme, dass neben den Proto-Onkogenen <strong>und</strong> den Tumor-<br />
Suppressor-Genen auch DNA-Reparatur-Gene eine wichtige Rolle in der Entwicklung von <strong>Krebs</strong><br />
spielen. Das Mismatch-Reparatur-System ist ein DNA-Korrekturlesesystem, das fehlerhafte<br />
DNA-Nukleotiden erkennen <strong>und</strong> korrigieren kann. Dieses wichtige System kann Fehler<br />
reparieren <strong>und</strong> das Genom mit einem 100- bis 1’000 fachen Schutz gegen Mutationen<br />
ausstatten. Es bewahrt so das Genom vor Rekombinationen zwischen nicht homologen<br />
Regionen der DNA. Anders als bei den Nukleotid- <strong>und</strong> bei den Basen-Aubchnitt-Reparaturen,<br />
bei welchen Nukleotiden erkannt werden, die chemisch verändert oder fusioniert wurden,<br />
entdecken Mismatch-Reparatur-Systeme Veränderungen an der Aussenseite der DNA-Helix,<br />
welche aus einer Fehlanlage von nicht komplementären Basen-Paaren resultiert. Das System<br />
entfernt fehlerhafte Nukleotid-Sequenzen vom neuen Strang (Abbildung 3.5). Während bei der<br />
Mismatch-Reparatur-Funktion vor allem Mutationen verhindert <strong>und</strong> Fehler korrigiert werden,<br />
werden ebenfalls DNA-geschädigte Zellen zum Zelltod geführt. Kürzliche Erkenntnisse haben<br />
gezeigt, dass die Mismatch-Reparatur-Proteine auch in andere Prozesse involviert sind, zum<br />
Beispiel bei veränderten Basen oder anderen Typen von DNA-Schädigungen, wie Strang-<br />
Abbrüchen der DNA. Die fehlerhafte Mismatch-Reparatur führt zu einer Zunahme von<br />
spontanen Mutationen.<br />
Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine Anzahl von Mismatch-Reparatur-Genen,<br />
wie MSH2, MLH1, MLH2, PMS1 <strong>und</strong> PMS2, bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>, wie zum Beispiel<br />
bei Kolorektal-, Endometrial- <strong>und</strong> Magenkrebs eine Rolle spielen. So produzieren zum Beispiel<br />
das MLH1- <strong>und</strong> MSH2-Gen normalerweise Proteine, die Fehler beseitigen können. Aber wenn<br />
die MLH1- <strong>und</strong> MSH2-Gene defekt sind, werden die Reparatur-Proteine nicht produziert. Als<br />
3.8
3<br />
Fehlerhaftes Basen-Paar wird durch<br />
das Reparatursystem erkannt<br />
Fehlerhafte Base wird entfernt<br />
Korrekte Base mit Anlage der<br />
DNA-Sequenz wird resyn<strong>the</strong>tisiert<br />
Abbildung 3.5. Das Mismatch-Reparatur-System erkennt <strong>und</strong> ersetzt fehlerhafte DNA-Nukleotide.<br />
Folge davon können DNA-Fehler während der Replikation übersehen werden, was zu einer<br />
Häufung von <strong>Krebs</strong>-auslösenden Mutationen führen kann. Bis vor kurzem hat man<br />
angenommen, dass MLH1- <strong>und</strong> MSH2-Defekte primär zu einem kolorektalen Karzinom führen<br />
würden. Inzwischen hat man aber nachweisen können, dass diese beschädigten Gene<br />
ebenfalls bei Personen mit anderen Tumorformen, inklusive Brustkrebs <strong>und</strong> Endometriumkrebs,<br />
vorkommen.<br />
Gen-Anomalien bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong><br />
Es wird angenommen, dass <strong>Krebs</strong> die Folge einer Reihe von Mutationen in Onkogenen <strong>und</strong><br />
Tumor-Suppressor-Genen ist. Die entsprechenden Mutationen variieren von Tumor zu Tumor. Die<br />
Genmutationen beeinflussen die Produktion von regulierenden Wachstumsproteinen <strong>und</strong><br />
bringen die Zellteilung aus dem Gleichgewicht, was zum Wachstum von Tumoren führt.<br />
Tabelle 3.1 zeigt eine Anzahl von Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Genen, die bis heute<br />
identifiziert werden konnten, <strong>und</strong> die eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von <strong>Krebs</strong> spielen.<br />
Die Schlüsselbeispiele p53, Myc, Ras <strong>und</strong> HER2 sind unten aufgeführt.<br />
p53<br />
p53 ist ein potenter, Tumor-unterdrückender, multifunktionaler, sequenzspezifischer, DNAbindender<br />
Transkriptionsfaktor, der eine zentrale Rolle im komplexen Netzwerk der Signalpfade<br />
darstellt. Es handelt sich um ein kurzlebiges Protein, das sich als Antwort auf verschiedene<br />
Signale (verursacht durch verschiedene Stressoren, die sich schädigend auf das Genom<br />
auswirken, inklusive Schädigung der DNA, Unterbruch der DNA- oder RNA-Syn<strong>the</strong>se <strong>und</strong><br />
Nukleotidzerstörung) vermehrt (siehe Abbildung 3.6). Diese Signale verursachen auch eine<br />
p53-Aktivierung, wenngleich zu sagen ist, dass die verantwortlichen Mechanismen für die<br />
Induktion <strong>und</strong> Aktivierung von p53 als Antwort auf stressbezogene Stimuli heute noch nicht<br />
vollständig geklärt sind. Aktiviertes p53 ist involviert in die Kontrolle von DNA-Reparaturen vor<br />
der DNA-Replikation <strong>und</strong> in die Induktion des programmierten Zelltodes von Zellen mit DNA-<br />
Anomalien, die nicht repariert werden können. Diese Fähigkeit von p53, zelluläre Antworten<br />
auf DNA-Schädigungen zu koordinieren, bedeutet, dass es die Erhaltung der genetischen<br />
Stabilität fördert <strong>und</strong> so als „Genom-Wächter“ dient.<br />
Es wird<br />
angenommen,<br />
dass <strong>Krebs</strong> die<br />
Folge einer Reihe<br />
von Mutationen in<br />
Onkogenen <strong>und</strong><br />
Tumor-Suppressor-<br />
Genen ist.<br />
p53 ist ein<br />
potenter, Tumorunterdrückender,<br />
multifunktionaler,<br />
sequenzspezifischer,<br />
DNA-bindender<br />
Transkriptionsfaktor…<br />
3.9
3<br />
Tabelle 3.1. Beispiele von Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-<br />
Genen.<br />
Wachstumsfaktoren<br />
Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptoren<br />
Cytoplasma-Proteine<br />
Kernproteine<br />
Tumor-Suppressoren<br />
Transformierender Wachstumsfaktor-α (TGF-α)<br />
Amphiregulin<br />
Thrombozyten-Wachstumsfaktor (PDGF)<br />
Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF)<br />
Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor (IGF-I)<br />
Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR oder HER1)<br />
HER2, HER3, HER4<br />
Met<br />
Thrombozyten-Wachstumsfaktor-Rezeptor (PDGF-R)<br />
Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor-I-Rezeptor (IGF-I-R)<br />
Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren (FGFR)<br />
Ret<br />
Ras<br />
Abl<br />
Myc<br />
fos<br />
jun<br />
ski<br />
rel<br />
myb<br />
p53<br />
Rb<br />
Stimuli<br />
Geschädigte DNA<br />
DNA/RNA-Syn<strong>the</strong>se-Stopp<br />
Nukleotid-Verbrauch<br />
Zunahme von p53 an<br />
Menge <strong>und</strong> Aktivität<br />
Transkriptions-aktives<br />
p53<br />
Wachstumsstopp<br />
Apoptose<br />
Genetische Stabilität<br />
Abbildung 3.6. Übersicht der p53-Signale bei der Aufrechterhaltung der genetischen Integrität.<br />
3.10
3<br />
p53 <strong>und</strong> DNA-Schädigungen<br />
Die normale Funktion von p53 befähigt die Zellen, eine DNA-Schädigung zu bewältigen. Das<br />
Produkt des p53-Gens beugt unkontrollierter Tumorzell-Proliferation vor, indem es die Zelle in<br />
Laufe des Zellzyklus stoppt, wenn sie eine Chromosomen-Anomalie aufweist. Es ist wichtig zu<br />
wissen, dass diese kritische Aktion vor der DNA-Replikation stattfindet. Dieser zeitliche<br />
Unterbruch im Zellzyklus erlaubt die Reparatur der DNA <strong>und</strong> verhindert damit den Einbau des<br />
Fehlers in frisch syn<strong>the</strong>tisierte Zellen. p53 induziert auch eine Apoptose, wenn Zellen<br />
Anomalien enthalten, die nicht repariert werden können. Ein intaktes Set von p53 abhängigen<br />
Funktionen erhält die genetische Integrität aufrecht, indem es geschädigte Zellen eliminiert,<br />
indem es entweder den Zellzyklus unwiderruflich anhält oder den Zelltod einleitet. Also führt der<br />
Verlust oder die Inaktivierung von p53 zum Verlust dieser Überwachungsfunktion, wodurch es<br />
unmöglich wird, eine konstante Anzahl von Zellen aufrecht zu erhalten, weil die Apoptose nicht<br />
mehr stattfindet.<br />
Die Induktion eines temporären Stopps im Zellzyklus durch aktives p53 wird durch die<br />
Beeinflussung von anderen spezifischen Genen, die den Zellzyklus regulieren, bewirkt. Zu<br />
diesen Genen gehört p21, das mithilft, den Zellzyklus zu stoppen <strong>und</strong> bcl2, welches den Eintritt<br />
in die Apoptose verhindert.<br />
Das Produkt des<br />
p53-Gens beugt<br />
unkontrollierter<br />
Tumorzell-<br />
Proliferation vor,<br />
indem es die<br />
Zelle in Laufe des<br />
Zellzyklus stoppt,<br />
wenn sie eine<br />
Chromosomen-<br />
Anomalie<br />
aufweist.<br />
p53 <strong>und</strong> Kontrolle des Zellzyklus<br />
p53 reguliert die Entwicklung des Zellzyklus an verschiedenen Punkten. Es fördert den<br />
G1-Stopp als Antwort auf DNA-Schädigungen, die durch UV- oder Gamma-Strahlen,<br />
chemo<strong>the</strong>rapeutische Medikamente <strong>und</strong> Nukleotid-Entfernung ausgelöst worden sind. Zusätzlich<br />
ist p53 direkt an der Erhaltung des Gleichgewichtes des Zentrosoms beteiligt. Fehlerhafte<br />
Zentrosomen-Duplikation kann p53 aktivieren, was zum Unterbruch in G1 oder G2 führen<br />
kann. Ein anderer, potentiell durch p53 verursachter Stopp, ist die G2-M-Transition, wo die<br />
Überexpression von p53 den Eintritt in die Mitose verhindern kann. Diese Eigenschaft von p53<br />
bewahrt Zellen vor dem Eintritt in die Mitose <strong>und</strong> somit vor der Replikation von beschädigter<br />
oder inkomplett syn<strong>the</strong>tisierter DNA.<br />
p53-Mutationen <strong>und</strong> die Entwicklung von <strong>Krebs</strong><br />
Mutationen im p53 Tumor-Suppressor-Gen sind die häufigsten genetischen Schäden bei<br />
menschlichen Tumoren, sie kommen bei über 50% aller <strong>Krebs</strong>formen vor. So weisen mehr als<br />
die Hälfte aller menschlichen <strong>Krebs</strong>erkrankungen einen Zusammenhang mit dem Verlust der<br />
p53-Funktion auf. Forschungsresultate lassen vermuten, dass ungefähr ein Drittel der Brustkrebs-<br />
Erkrankungen mit Veränderungen im p53-Gen verb<strong>und</strong>en sind. Mutationen, die die Anbindung<br />
von p53 an DNA verhindern oder welche mit der Fähigkeit interferieren, die DNA-Replikation<br />
aufzuhalten, behindern den durch p53 gelenkten Anhaltemechansimus bei der Teilung von<br />
Zellen, welche karzinogene Mutationen enthalten. Dies führt nicht nur zur unkontrollierten<br />
Zellteilung, sondern auch zur Förderung von karzinogenen Mutationen bei der Zellteilung. Es ist<br />
deshalb nicht überraschend, dass p53-Mutationen mit Tumoren in Verbindung gebracht werden,<br />
die einen hohen Grad an Aggressivität aufweisen.<br />
Ras<br />
Die Proteinfamilie Ras ist behilflich bei der Weitergabe von Signalen des Rezeptors Tyrosin-<br />
Kinase an den Zellkern, um die Proliferation <strong>und</strong> Differenzierung der Zelle zu stimulieren.<br />
Mutationen des Ras-Gens, die eine Hyperaktivität des Genproduktes bewirken, zerstören die<br />
normale Kontrolle über die Zell-Proliferation, was die Bildung von <strong>Krebs</strong>zellen zulässt. Ungefähr<br />
30% der menschlichen <strong>Krebs</strong>erkrankungen, so Tumoren der Lunge, des Ohren-, Nasen- <strong>und</strong><br />
Mutationen im<br />
p53 Tumor-<br />
Suppressor-Gen<br />
sind die<br />
häufigsten<br />
genetischen<br />
Schäden bei<br />
menschlichen<br />
Tumoren, sie<br />
kommen bei über<br />
50% aller<br />
<strong>Krebs</strong>formen vor.<br />
3.11
3<br />
Halsbereichs, des Kolons <strong>und</strong> der Schilddrüse, weisen Mutationen in einem Ras-Gen auf. Bei<br />
andern Tumorformen wie Brustkrebs sind Ras-Mutationen selten, aber Ras könnte pathologisch<br />
aktiviert werden durch die Überexpression von Wachstumsfaktor-Rezeptoren <strong>und</strong> ihre<br />
entsprechenden Signale.<br />
Myc<br />
Myc ist ein Frühantwort-Gen, das seine eigene Transkription reguliert. Diese Art von Regulation<br />
wird negatives Feedback genannt. Die meisten, wenn nicht alle Arten von menschlichen<br />
Malignomen wurden in Zusammenhang gebracht mit der Amplifikation <strong>und</strong>/oder<br />
Überexpression des c-Myc Proto-Onkogens. Studien in den vergangenen Jahren haben zudem<br />
gezeigt, dass das c-Myc-Gen das Wachstum regulieren kann, sowohl im Sinne der Zellgrösse<br />
als auch im Kontext der Gewebedifferenzierung. Es ist mittlerweile bekannt, dass das c-Myc-<br />
Gen in die häufigsten Aspekte der zellulären Funktionen, inklusive Replikation, Wachstum,<br />
Metabolismus, Differenzierung <strong>und</strong> Apoptose mit einbezogen ist. C-Myc spielt eine wichtige<br />
Rolle bei Brustkrebs <strong>und</strong> bei den Wirkungsmechanismen der Hormone, die bei der Ätiologie<br />
von Brustkrebs eine Rolle spielen.<br />
HER2<br />
HER2 ist ein anderes wichtiges Proto-Onkogen. Üblicherweise befinden sich zwei Kopien des<br />
HER2-Gens in allen normalen epi<strong>the</strong>lialen Zellen. HER2 kann aber bei einem Teil von<br />
<strong>Krebs</strong>arten einer Amplifikation unterliegen, wobei multiple Kopien des HER2-Gens produziert<br />
werden. HER2 kodiert für einen transmembranen Wachstumsfaktor-Rezeptor, der bei der<br />
Kontrolle von Zellreplikation, -Wachstum, -Differenzierung <strong>und</strong> -Überleben wichtig ist. HER2 ist<br />
einer von vier Wachstumsfaktor-Rezeptoren der HER-Familie (HER1, HER2, HER3 <strong>und</strong> HER4).<br />
Eine<br />
Amplifikation des<br />
HER2-Gens führt<br />
zu einer<br />
übermässigen<br />
Produktion des<br />
Rezeptor-Proteins<br />
<strong>und</strong> erhöht die<br />
intrazelluläre<br />
Signalwirkung,<br />
was zu<br />
unkontrolliertem<br />
Zellwachstum<br />
führt.<br />
Forschungen haben gezeigt, dass HER2 stark mit andern HER-Proteinen interagiert <strong>und</strong> so das<br />
Zellwachstum fördert. Eine Amplifikation des HER2-Gens führt zu einer übermässigen<br />
Produktion des Rezeptor-Proteins <strong>und</strong> erhöht die intrazelluläre Signalwirkung, was zu<br />
unkontrolliertem Zellwachstum führt. HER2 ist bei ungefähr 20% aller Brustkrebserkrankungen<br />
(bezeichnet als HER2-positive Tumoren) überexprimiert. HER2-positive Zellen sind bekannt<br />
dafür, dass sie viele Kennzeichen von Tumorzellen aufweisen wie unkontrolliertes Zellwachstum,<br />
erhöhte DNA-Syn<strong>the</strong>se <strong>und</strong> erhöhte Gefahr der Metastasierung (Abbildung 3.7). Dies ist<br />
Abbildung 3.7. Die Wirkung von HER2-Gen-Amplifikation auf die menschliche Brustkrebszelle.<br />
3.12
3<br />
wahrscheinlich bedingt durch die vermehrten Wachstums-Signale, infolge der Präsenz der<br />
vermehrten HER2-Rezeptoren.<br />
In der Klinik weisen etwa 20% der Frauen mit Brustkrebs einen HER2-positiven Status auf. Diese<br />
Frauen haben eine schlechte Prognose (Abbildung 3.8). Weitere Beobachtungen weisen darauf<br />
hin, dass der HER2-Status das Ansprechen auf übliche <strong>Therapien</strong> für Brustkrebs beeinflussen<br />
kann. Studien lassen vermuten, dass HER2-positive Frauen gegenüber Hormon<strong>the</strong>rapien, wie<br />
zum Beispiel Tamoxifen, resistent sind; hingegen eher behandelbar mit optimalen Dosen von<br />
anthracyklinhaltigen <strong>Therapien</strong>. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass HER2 die<br />
Angriffsfläche für den humanisierten monoklonalen Antikörper Herceptin ® darstellt.<br />
Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien Überlebens<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Log rank p=0.001<br />
0<br />
0 12 24 36 48 60 72<br />
Zeit (Monate)<br />
In der Klinik<br />
weisen etwa 20%<br />
der Frauen mit<br />
Brustkrebs einen<br />
HER2-positiven<br />
Status auf. Diese<br />
Frauen haben<br />
eine schlechte<br />
Prognose.<br />
Abbildung 3.8. HER2-positive Brustkrebspatientinnen haben eine schlechtere krankheitsfreie<br />
Überlebenszeit als Patientinnen, die HER2-negativ sind. Reproduziert mit Erlaubnis von Seshadri et al.<br />
J Clin Oncol 1993:1936–42.<br />
Mehrere Studien haben gezeigt, dass andere Onkogene zusammen mit HER2 bei Tumoren<br />
überexprimiert sind. So gibt es zum Beispiel oft Verbindungen zwischen der Überexpression<br />
von HER2, p53 <strong>und</strong> c-Myc bei Brustkrebs. Die Testung für die Kombination von HER2- <strong>und</strong><br />
p53-Überexpression kann helfen, Patienten in verschiedene Risikogruppen zu klassifizieren.<br />
Zellsignale<br />
Proto-Onkogene <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Gene üben ihre Wirkung in der Kontrolle der<br />
Zellreplikation über intrazelluläre Signalpfade aus. Ein Proto-Onkogen wie HER2 kodiert für<br />
einen Rezeptor, der, wenn er stimuliert ist, eine Reihe von Vorgängen innerhalb der Zelle<br />
triggert (auslöst). Dieser Prozess ist bekannt als Signal-Transduktion <strong>und</strong> stellt sicher, dass die<br />
Zellen fähig sind, auf die lokale Umgebung, in der sie sich befinden, zu antworten. Auf diesem<br />
Weg werden extrazelluläre Stimuli empfangen, verstanden <strong>und</strong> an den Kern übermittelt, mit<br />
dem Ziel, eine angepasste zellspezifische Antwort zu aktivieren. Die Regulation solcher<br />
Antworten wird in erster Linie durch Signal-Transduktionen kontrolliert.<br />
Alle biologischen Prozesse sind das Resultat von integrierten <strong>und</strong> konzertierten molekularen<br />
Vorgängen. Zum Beispiel besteht eine emzymatische Reaktion aus einer Serie von Schritten. So<br />
ist die gesamte Protein-Aktivierung eine Kette von Vorgängen, von denen jeder als Signal für<br />
Proto-Onkogene<br />
<strong>und</strong> Tumor-<br />
Suppressor-Gene<br />
üben ihre<br />
Wirkung in der<br />
Kontrolle der<br />
Zellreplikation<br />
über<br />
intrazelluläre<br />
Signalpfade aus.<br />
3.13
3<br />
den nächsten dient. Diese Signalserien, die wie mit einem Domino-Effekt ausgerüstet sind,<br />
haben darum den Namen Signal-Kaskade (Abbildung 3.9). Auch die Signal-Transduktion ist<br />
eine Form von Signal-Kaskade.<br />
In den letzten Jahren wurde auf dem Gebiet der Signal-Transduktion intensiv Forschung<br />
betrieben. Zellsignal-Forschung wurde durch neue Technologien vorangetrieben. Der<br />
bemerkenswerteste Fortschritt geschah im Gebiet der Gentechnologie (beschrieben in Kapitel 5)<br />
<strong>und</strong> in der Entwicklung <strong>und</strong> Verfügbarkeit eines breiten Spektrums von Signal-Substraten,<br />
-Inhibitoren, -Analogen, -Agonisten <strong>und</strong> -Proteinen. Die medizinische Forschung im Bereich der<br />
Zellsignale wurde in den letzten Jahren intensiviert, weil Anomalien bei der Zellsignalisierung<br />
bei vielen Krankheiten festgestellt wurden. Ein gutes Beispiel dafür ist der HER2-Rezeptor bei<br />
Brustkrebs <strong>und</strong> der mit ihm verwandte HER1-Rezeptor bei <strong>Krebs</strong> im Ohren-, Nasen- <strong>und</strong><br />
Halsbereich.<br />
Signalisierender Ligand<br />
Rezeptor<br />
Zellmembran<br />
Rezeptor wird durch die<br />
Anbindung des Liganden<br />
aktiviert<br />
Der aktivierte Rezeptor<br />
stimuliert die Produktion<br />
von Boten-Molekülen<br />
Erstellen von Gen-Kopien<br />
Boten-Moleküle<br />
stimulieren Kinasen<br />
Jedes Kinase-Molekül<br />
kann phosphorylieren<br />
<strong>und</strong> dabei verschiedene<br />
Enzyme aktivieren<br />
Erstellen von Gen-Kopien<br />
Jedes Enzym-Molekül<br />
katalysiert die<br />
Veränderung eines<br />
passenden Produktes<br />
Erstellen von Gen-Kopien<br />
Abbildung 3.9. Zusammenfassung der wichtigsten Schritte der Signal-Transduktion.<br />
3.14
3<br />
Das Ziel der Signalisierung<br />
Das Hauptziel der Signal-Prozesse ist, eine Nachricht aus der Zellumgebung an eine Zielzelle<br />
zu übermitteln. Die meisten Signaltransduktionen werden von Rezeptoren, an die ein<br />
spezifisches Protein (Ligand) bindet, vermittelt. Die meisten Rezeptoren sind transmembrane<br />
Proteine, die aktiviert werden, wenn der Ligand sich an sie bindet, <strong>und</strong> die dann eine ganze<br />
Reihe von intrazellulären Signalen produzieren, die das Verhalten der Zielzelle verändern.<br />
Einige Rezeptorproteine kommen aber auch innerhalb der Zellen vor. Jede Zelle ist<br />
programmiert, auf spezifische Kombinationen von Signalmolekülen zu reagieren. Viele Zellen<br />
benötigen mehrere Signale, um überleben zu können, dazu noch zusätzliche Signale, um sich<br />
zu teilen <strong>und</strong> noch andere, um sich zu differenzieren. Wenn die benötigten Signale ausfallen,<br />
werden die meisten Zellen einer Form von Zell-Selbstmord unterzogen, bekannt als<br />
programmierter Zelltod oder Apoptose.<br />
Signal-Transduktion<br />
Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre entsprechenden Rezeptoren bilden die obersten zwei Stufen im<br />
Signalpfad <strong>und</strong> übertragen Botschaften in Form extrazellulärer Stimuli von der Zelloberfläche<br />
zum Zellkern. Die Überbringer der Botschaften in diesen Signalwegen sind die<br />
Signaltransduktoren <strong>und</strong> Aktivatoren der Transkription, die bekannt sind als STATs. STATs sind<br />
Proteine, die eine Familie von Transkriptionsfaktoren enthalten, <strong>und</strong> durch eine Tyrosin-Kinase<br />
aktiviert werden. Nach der Aktivierung migrieren diese Transkriptionsfaktoren in den Zellkern,<br />
wo sie die Gen-Expression regulieren. Dieser Prozess wird Signal-Transduktion genannt. Die<br />
Komponenten, die zu diesem Prozess beitragen, werden unten beschrieben.<br />
Proteinkinasen<br />
Proteinkinasen wirken als molekulare Schalter für eine Vielzahl von zellulären Prozessen. Der<br />
„Schalter“-Effekt wird durch die Phosphorylierung spezifischer Tyrosine oder Serine/Threonine<br />
am gewünschten Protein ausgelöst (Abbildung 3.10). Dieser Prozess der Phosphorylierung führt<br />
zur Aktivierung des Zielproteins. Intrazelluläre Proteinkinasen sind normalerweise das Ziel von<br />
sek<strong>und</strong>ären Überbringungs-Molekülen (z.B. cAMP, cGMP, Diacylglycerol), spielen aber auch<br />
ATP ADP<br />
Proteinkinasen<br />
wirken als<br />
molekulare<br />
Schalter für eine<br />
Vielzahl von<br />
zellulären<br />
Prozessen.<br />
Proteinkinase<br />
Inaktives<br />
Protein<br />
Tyrosin-,<br />
Serin- oder<br />
Threonin-Reste<br />
Aktiviertes<br />
Protein<br />
P<br />
Phosphat<br />
ATP<br />
ADP<br />
Proteinkinase<br />
Aktiviertes<br />
Protein<br />
Tyrosin-,<br />
Serin- oder<br />
Threonin-Reste<br />
Inaktives<br />
Protein<br />
P<br />
Phosphat<br />
Abbildung 3.10. Proteinkinasen aktivieren/inaktivieren Proteinziele durch die Phosphorylierung von<br />
Tyrosin, Serin oder Threonin-Aminosäuren.<br />
3.15
3<br />
kritische Rollen bei andern Signalereignissen. So sind zum Beispiel Mitogen-aktivierte<br />
Proteinkinasen (MAPK) wichtige Bestandteile der durch PDGF (von Thrombozyten freigesetzter<br />
Wachstumsfaktor) induzierten Signalkaskaden, welche die cAMP-abhängige Proteinkinase<br />
aktivieren.<br />
Zusätzlich scheint es auch beträchtliche Interaktionen zwischen Proteinkinasen in verschiedenen<br />
Signalkaskaden zu geben. Zum Beispiel ist bekannt, dass PKA die MAPK-Aktivität hemmt <strong>und</strong><br />
dass Proteinkinase C (PKC) PKA hemmen kann.<br />
Der wichtigste<br />
Mechanismus,<br />
durch welchen<br />
eine Zelle<br />
extrazelluläre<br />
Stimuli empfängt<br />
<strong>und</strong> als Folge<br />
davon eine<br />
intrazelluläre<br />
Signalreihe<br />
auslöst, geschieht<br />
durch Membran-<br />
Rezeptoren.<br />
Rezeptoren – wichtige Moleküle bei der Zellsignalisierung<br />
Der wichtigste Mechanismus, durch welchen eine Zelle extrazelluläre Stimuli empfängt <strong>und</strong> als<br />
Folge davon eine intrazelluläre Signalreihe auslöst, geschieht durch Membran-Rezeptoren.<br />
Einige der Hauptrezeptoren, die in die intrazelluläre Signalisierung einbezogen sind, sind<br />
Rezeptor-Tyrosinkinasen, Rezeptor-verwandte Tyrosinkinasen (RATK) <strong>und</strong> G-Protein-Komplexe.<br />
Zur Familie der Tyrosinkinase-Rezeptoren gehören HER2, der epidermale Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptor (EGF-R), der Insulin-Rezeptor <strong>und</strong> der PDGF-Rezeptor. Diese wichtigen Rezeptoren<br />
haben viele gemeinsame strukturelle Merkmale: alle besitzen eine extrazelluläre Ligandspezifische<br />
Binde-Region oder eine intrazellulär katalytische Region mit intrinsischer<br />
Tyrosinkinase-Aktivität. Die Ligand-Bindung in der extrazellulären Region aktiviert die Aktivität<br />
der Rezeptor-Tyrosinkinase, was zu einer Vielzahl von Effekten führt.<br />
Signalisierung durch Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />
Der durch den Liganden aktivierte Rezeptor muss die Information an den Kern übermitteln, so<br />
dass die Zelle auf das Signal antworten kann. Dieser Übermittlungsprozess involviert oft die<br />
physikalische Bewegung von Proteinen. Nur wenn die Proteinsignale den Kern erreichen,<br />
erfolgt eine Antwort der Gene, welche die Upregulation (Erhöhung) oder die Downregulation<br />
(Verminderung) der Gentranskription beinhaltet (Abbildung 3.11). Tatsächlich können aber die<br />
Rezeptor-Signalisierung <strong>und</strong> die Übermittlung von Information durch Proteine durch andere<br />
Mechanismen beeinflusst werden, die das Endresultat in Bezug auf die Gentranskription<br />
verändern.<br />
Wachstumsfaktoren<br />
Effektor-<br />
Proteine<br />
P<br />
P<br />
Proteinkinase-<br />
Aktivität<br />
Phosphorylierung<br />
<strong>und</strong> Aktivierung<br />
von Effektor-Proteinen<br />
Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptoren<br />
P<br />
Induktion<br />
der Gen-<br />
Transkription<br />
Aktivierte,<br />
in den Zellkern<br />
transferierte<br />
Proteine<br />
Zellkern<br />
Abbildung 3.11. Schematische Darstellung der Signalisierung durch Wachstumsfaktor-Rezeptoren.<br />
3.16
3<br />
Signal-Pfade<br />
HER2<br />
HER2 ist ein Mitglied der Familie der humanen epidermalen Wachstumsrezeptoren, welche aus<br />
vier ähnlichen Rezeptoren besteht. Diese Rezeptoren interagieren miteinander. Anomalien des<br />
HER2-Rezeptors, die eine Überstimulation der Übermittlungspfade von zellulären<br />
Wachstumsfaktor-Signalen hervorrufen, spielen eine Rolle bei einer Anzahl von<br />
<strong>Krebs</strong>krankheiten, insbesondere bei Brustkrebs.<br />
Die Struktur von HER2<br />
Das HER2-Protein hat drei Domänen oder Regionen, die folgende Anteile umfassen:<br />
● eine extrazelluläre Domäne, die in der Liganden-Bindung tätig ist<br />
● einen transmembranen Bereich für die Signalisierung<br />
● einen intrazellulären Bereich mit Tyrosinkinase-Aktivität (Abbildung 3.12).<br />
HER2-Signal-Transduktion<br />
Kleine Mengen des HER2-Rezeptors sind normalerweise an der Oberfläche von epi<strong>the</strong>lialen<br />
Zellen exprimiert <strong>und</strong> spielen eine Rolle im normalen Zellwachstum <strong>und</strong> in der Zellteilung. HER2<br />
verbindet sich mit anderen HER-Rezeptoren, um aktiv werden zu können. Der<br />
Anbindungsprozess triggert eine festgelegte Reihenfolge von Ereignissen, die wiederum einen<br />
Informationsfluss durch den Signal-Transduktionspfad bewirken. So wird sichergestellt, dass die<br />
Signale von der Zellmembran durch das Zytoplasma zum Zellkern übermittelt werden<br />
(Abbildung 3.11). Die Gen-Aktivierung geschieht dann als Folge dieses Signal-Transduktions-<br />
Prozesses.<br />
Inhibition der HER2-Signal-Transduktion<br />
Wie schon erwähnt, wird HER2 in etwa 20% der Brustkrebserkrankungen überexprimiert. So<br />
hat eine Anzahl von Patientinnen mit Brustkrebs multiple Kopien des HER2-Gens, was zu einer<br />
Plasma-<br />
Membran<br />
Zytoplasma<br />
Extrazelluläre<br />
Domäne (632 Aminosäuren)<br />
Ligand-bindende Stelle<br />
Transmembrane Domäne<br />
(22 Aminosäuren)<br />
Intrazelluläre Domäne<br />
(580 Aminosäuren)<br />
Tyrosinkinase-Aktivität<br />
Anomalien des<br />
HER2-Rezeptors,<br />
die eine<br />
Überstimulation<br />
der<br />
Übermittlungspfade<br />
von zellulären<br />
Wachstumsfaktor-<br />
Signalen<br />
hervorrufen,<br />
spielen eine Rolle<br />
bei einer<br />
Anzahl von<br />
<strong>Krebs</strong>krankheiten,<br />
insbesondere bei<br />
Brustkrebs.<br />
…eine Anzahl<br />
von Patientinnen<br />
mit Brustkrebs hat<br />
multiple Kopien<br />
des HER2-Gens,<br />
was zu einer<br />
Überexpression<br />
des HER2-<br />
Proteins, zu<br />
erhöhter<br />
Signalabgabe an<br />
den Zellkern <strong>und</strong><br />
zu onkogener<br />
Transformation<br />
normaler Zellen<br />
führt.<br />
Abbildung 3.12. Modell des HER2-Proteins.<br />
3.17
3<br />
Überexpression des HER2-Proteins, zu erhöhter Signalabgabe an den Zellkern <strong>und</strong> zu<br />
onkogener Transformation normaler Zellen führt.<br />
Nimmt man die Signalfunktion von HER2 weg, wird die Wachstumssignalisierung schwächer,<br />
was das maligne Wachstum potentiell reduziert. Anti-HER2-monoklonale Antikörper (MAbs) wie<br />
Herceptin ® können eine HER2-Reduktion in Brustkrebszellen verursachen. Dieser Mechanismus<br />
könnte die Antikrebs-Wirkung von <strong>Therapien</strong> wie Herceptin ® , die auf HER2 abzielen,<br />
unterstützen. Dies wird in den Kapiteln 6 <strong>und</strong> 7 beschrieben. Die wachstumshemmende<br />
Wirkung von verschiedenen anti-HER2-MAbs bei Brustkrebs korreliert mit ihrer Fähigkeit, HER2<br />
zu binden <strong>und</strong> es von der Zelloberfläche zu entfernen. Diese Aktivität hindert HER2 daran, mit<br />
andern HER-Proteinen zu interagieren, wodurch die Wachstumssignale, welche die Entwicklung<br />
von <strong>Krebs</strong>zellen fördern, vermindert werden.<br />
TGF-β/Smad<br />
Der Signalpfad des transformierenden Wachstumsfaktors β (TGF-β) enthält drei wichtige<br />
Elemente: TGF-β-Proteine, transmembrane Rezeptoren <strong>und</strong> Signalproteine, die Smad genannt<br />
werden. Der Prozess der Signaltransduktion wird durch die Anbindung extrazellulärer TGF-β an<br />
die Membran-Rezeptoren initiiert, worauf die Aktivität der Rezeptor-Proteinkinase spezifische<br />
Smad-Proteine phosphoryliert. Die aktivierten Smad-Proteine werden in den Zellkern transferiert,<br />
wo sie die Transkription spezifischer Gene induzieren. Ein Fehler auf diesem Pfad kann eine<br />
unkontrollierte Proliferation von Zellen auslösen <strong>und</strong> so die Entstehung von <strong>Krebs</strong> fördern.<br />
Ras <strong>und</strong> Raf-1/ERK2 (MAPK)<br />
Wie oben bereits erwähnt wurde, stimulieren die Proteinprodukte von Onkogenen eine<br />
unkontrollierte Zellproliferation. Die Onkogenese durch das Ras-Gen geschieht, wenn Ras-GTPbindende<br />
Proteine (p21 Ras-Familie) interagieren. Die Kinase-Aktivität dieser aktivierten<br />
Moleküle beeinflusst eine Vielzahl von Signalpfaden. Ras (Ras-GTP)-Proteine werden reguliert<br />
durch Ras GTPase-aktivierende Proteine (GAPs), was die Hydrolyse von Ras-geb<strong>und</strong>enem GTP<br />
moduliert. Im Gegensatz dazu werden onkogene Ras-Proteine (p21 Ras Proteine) nicht durch<br />
GAPs inaktiviert, was zur konstanten Stimulation von einseitigen Signalelementen <strong>und</strong> somit zu<br />
unkontrolliertem Zellwachstum führt.<br />
Tumor-Onkogenese <strong>und</strong> Tumor-Wachstum<br />
Wenn Tumoren<br />
die Fähigkeit<br />
haben, ins<br />
umliegende<br />
Gewebe zu<br />
infiltrieren, haben<br />
sie bösartigen<br />
Charakter <strong>und</strong><br />
man bezeichnet<br />
sie als maligne.<br />
Die Entwicklung eines Tumors<br />
Wenn Tumoren die Fähigkeit haben, ins umliegende Gewebe zu infiltrieren, haben sie<br />
bösartigen Charakter <strong>und</strong> man bezeichnet sie als maligne. Solche Tumoren können auch<br />
metastasieren oder Fernmetastasen bilden, weil Zellen durch die Blutbahn oder das<br />
lymphatische System transportiert werden.<br />
Tumoren werden normalerweise erst entdeckt, wenn sie schon relativ gross sind (etwa 10 8 oder<br />
10 9 Zellen) (Abbildung 3.13). Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor bereits vor<br />
der Entdeckung metastasiert hat, was wiederum die Behandlung erschwert. Es ist offensichtlich,<br />
dass ein Tumor umso kleiner ist, je früher er entdeckt wird. Dies verbessert die Prognose <strong>und</strong><br />
das Resultat für den Patienten, vor allem, wenn der Tumor entdeckt wird, bevor Metastasen<br />
entstanden sind. Je ausgedehnter die Metastasierung, desto schwieriger ist die Beseitigung des<br />
Tumors.<br />
Das Wachstum von Tumorzellen ist wichtig im Zusammenhang mit der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>.<br />
Tumoren wachsen exponentiell (Abbildung 3.13), weil jede Zellteilung die Anzahl der Zellen<br />
3.18
3<br />
Durchmesser des Tumors (mm)<br />
100<br />
10<br />
1<br />
0.1<br />
0<br />
1 10 20 30 40 50<br />
Verdoppelung der<br />
Anzahl Tumorzellen<br />
Abbildung 3.13. Exponentielles Tumorwachstum.<br />
Normal<br />
HER2-Rezeptor-<br />
Protein<br />
HER2<br />
mRNA<br />
Tod des Patienten<br />
(10 12 Zellen)<br />
Tumor erstmals palpabel<br />
(10 9 Zellen)<br />
Tumor erstmals im Röntgen<br />
sichtbar (10 8 Zellen)<br />
verdoppelt, so dass aus zwei Zellen vier werden, aus vier acht, dann 16, 32, 64 <strong>und</strong> so weiter.<br />
Die Entwicklung eines Tumors aus einer nicht-malignen Vorstufe zu einem invasiven Tumor <strong>und</strong><br />
zu einer metastasierenden Erkrankung benötigt viele aufeinander folgende Mutationen <strong>und</strong> eine<br />
natürliche Selektion. Eine einzelne Mutation ist also meist noch nicht ausreichend um <strong>Krebs</strong> zu<br />
verursachen, sondern es scheint, dass <strong>Krebs</strong> erst durch mehrere von einander unabhängige<br />
Faktoren entsteht.<br />
Die Schritte der Tumorentwicklung können in Zusammenhang gebracht werden mit Mutationen,<br />
die spezifische Onkogene aktivieren <strong>und</strong> spezifische Tumor-Suppressor-Gene inaktivieren. Zum<br />
Beispiel sind der Verlust der Funktion von p53 <strong>und</strong> die Überexpression von HER2 häufige<br />
Ereignisse in der Entwicklung von <strong>Krebs</strong>. Eine HER2 Gen-Amplifikation (Abbildung 3.14) führt<br />
zu onkogenetischer Transformation durch vermehrte Transkription (Syn<strong>the</strong>se von RNA) des<br />
HER2-Gens, welche zur Vermehrung der HER2 mRNA Mengen führt.<br />
Amplifikation/Überexpression<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Die Entwicklung<br />
eines Tumors aus<br />
einer nichtmalignen<br />
Vorstufe<br />
zu einem<br />
invasiven Tumor<br />
<strong>und</strong> zu einer<br />
metastasierenden<br />
Erkrankung<br />
benötigt viele<br />
aufeinander<br />
folgende<br />
Mutationen <strong>und</strong><br />
eine natürliche<br />
Selektion.<br />
Die Schritte der<br />
Tumorentwicklung<br />
können in<br />
Zusammenhang<br />
gebracht werden<br />
mit Mutationen,<br />
die spezifische<br />
Onkogene<br />
aktivieren <strong>und</strong><br />
spezifische Tumor-<br />
Suppressor-Gene<br />
inaktivieren.<br />
Zytoplasma<br />
Zytoplasma-<br />
Membran<br />
Zellkern<br />
HER2 DNA<br />
1 = vermehrte Genkopien<br />
2 = erhöhte mRNA-Transkription<br />
3 = erhöhte Expression von<br />
Zelloberflächen-Rezeptorproteinen<br />
Abbildung 3.14. Indikatoren des HER2-Status.<br />
3.19
3<br />
Der genaue Mechanismus, welcher der HER2-Amplifikation unterliegt, <strong>und</strong> der Weg wie dies zur<br />
Bösartigkeit von <strong>Krebs</strong> beiträgt, ist bis jetzt nicht bekannt. Was auch immer die Ursachen dafür<br />
sind, die Konsequenzen der HER2-Amplifikation sind eine Höherregulation von Zellwachstum <strong>und</strong><br />
eine onkogene Transformation (siehe Abbildung 3.7). <strong>Biologische</strong> <strong>the</strong>rapeutische Strategien mit<br />
dem Ziel der Beeinflussung von tumorspezifischen molekularen Anomalien werden in Kapitel 6<br />
<strong>und</strong> 7 beschrieben.<br />
Zunahme von Mutationen durch Tumorwachstum<br />
Mutationen sind wichtige Eigenschaften von <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> ermöglichen deren eindrückliche<br />
Fähigkeit, kontinuierlich zu wachsen <strong>und</strong> menschliche Abwehrmechanismen zu umgehen. Wie<br />
schon früher beschrieben, ist dies oft das Resultat einer Exposition von Tumor-Initiatoren <strong>und</strong><br />
Tumor-Promotoren. Die Hypo<strong>the</strong>se des Mutator-Phänotyps schreibt dieses Phänomen einer<br />
wachsenden Zahl von Fehlern in der DNA-Replikation zu. Entsprechend dieser Theorie spielen<br />
DNA-Polymerasen, DNA-Reparatur-Enzyme <strong>und</strong> andere Moleküle eine wichtige Rolle. Als Folge<br />
davon können andere Gene, die für die Aufrechterhaltung der Stabilität des Genoms <strong>und</strong> für die<br />
Kontrolle der Proliferation verantwortlich sind, mutiert werden.<br />
Zusammenfassung<br />
Tumoren sind wachsende Massen nicht normaler Zellen. So lange diese neoplastischen Zellen in<br />
einer einzigen Masse zusammen bleiben, ist der Tumor lokalisiert. Die neoplastische <strong>und</strong> maligne<br />
Natur von <strong>Krebs</strong>zellen bedeutet, dass sie sich auch ohne wachstumsfördernde Signale vermehren<br />
<strong>und</strong> die menschlichen Abwehrmechanismen umgehen. Die Umwandlung einer normalen Zelle in<br />
eine maligne Zelle ist die Folge von genetischen Mutationen, üblicherweise in Folge der<br />
Einwirkung eines Karzinogens. Eine einzelne Mutation (eine Sequenz-Veränderung der DNA)<br />
genügt meist nicht zur Auslösung von <strong>Krebs</strong>. Es weist einiges darauf hin, dass die Entwicklung<br />
von <strong>Krebs</strong> im Allgemeinen von mehreren unabhängigen Störungen in derselben Zelle abhängt.<br />
Tumoren wachsen exponentiell <strong>und</strong> das Fortschreiten eines Tumors beinhaltet mehrere<br />
Mutationsr<strong>und</strong>en <strong>und</strong> auch eine natürliche Selektion. Dies erhöht die Fehlerquote in der DNA-<br />
Replikation im Laufe des Tumorwachstums.<br />
Ein Proto-Onkogen ist ein Gen mit normalen Funktionen in der Kontrolle der Zellproliferation, das<br />
sich mutieren <strong>und</strong> ein Onkogen werden kann. Ein Tumor-Suppressor-Gen ist ein Antiproliferations-<br />
Gen in einer normalen Zelle. Es wird angenommen, dass <strong>Krebs</strong> als Folge einer Serie von<br />
Mutationen in Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Genen entsteht. Beispiele dafür sind HER2, ein<br />
Proto-Onkogen, <strong>und</strong> p53, ein Tumor-Suppressor-Gen. Diese Gene haben sehr wichtige Rollen bei<br />
Brustkrebs <strong>und</strong> Kolorektalkrebs. Neuere Entdeckungen weisen darauf hin, dass Mismatch-<br />
Reparatur-Gene ebenfalls eine Rolle spielen bei der Prädisposition von Zellen für Mutationen. Die<br />
Apoptose, ein Mechanismus des Zelltodes, ist ein biologischer Vorgang, welcher eine wichtige<br />
Rolle in der Entwicklung der Homöostase <strong>und</strong> in vielen Krankheitsprozessen spielt. Beschädigte<br />
<strong>und</strong> überflüssige Zellen auf eine präzise <strong>und</strong> systematische Art zu vernichten, ist ein wichtiger<br />
Bestandteil normaler Entwicklung. Einige <strong>Krebs</strong>arten scheinen Zelltod-Abfolgen zu verhindern,<br />
was in exzessiver <strong>und</strong> unkontrollierter Proliferation endet.<br />
Gene, die in der Entstehung von <strong>Krebs</strong> eine Rolle spielen, kodieren oft Moleküle wie<br />
Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> ihre Rezeptoren, welche normalerweise die Zellreplikation stimulieren<br />
oder Faktoren, die zur Verursachung des Zelltods (Apoptose) beitragen. Wachstumsfaktoren<br />
beinhalten Proteine, Peptide (kleine Proteine) oder Steroid-Hormone. Wenn sie an die<br />
entsprechenden Rezeptoren an der Zelloberfläche geb<strong>und</strong>en sind, aktivieren Wachstumsfaktoren<br />
3.20
3<br />
eine Kommunikation oder einen Signalpfad, Signaltransduktion genannt, der die Zelle zu einer<br />
Antwort stimuliert, entweder über die Expression oder die Hemmung von Proteinen.<br />
Eine gut bekannte <strong>und</strong> gut beschriebene Familie von Wachstumsfaktor-Rezeptoren ist die<br />
Gruppe der Tyrosinkinase-Rezeptoren, welche das Zellwachstum <strong>und</strong> die Differenzierung<br />
kontrollieren. Eines der am besten erforschten Mitglieder dieser Familie ist HER2, das eine<br />
wichtige Rolle in der Zellsignalisation spielt <strong>und</strong> dessen Anomalien einen engen<br />
Zusammenhang mit der Prognose von Brust- <strong>und</strong> anderem <strong>Krebs</strong> haben. HER2 wird bei der<br />
biologischen Therapie mit Herceptin ® inaktiviert (siehe Kapitel 6).<br />
Im Gegensatz dazu befähigt p53 die Zellen, gut mit DNA-Schäden umzugehen <strong>und</strong> verhütet<br />
die unkontrollierte Proliferation von Tumorzellen, indem die DNA-Replikation während dem<br />
Zellzyklus angehalten wird, was die Reparatur von chromosomalen Anomalien erlaubt oder den<br />
Zelltod herbeiführt. Der Verlust oder die Inaktivierung von p53 bewirkt, dass dieser<br />
Überwachungsmechanismus nicht funktioniert, <strong>und</strong> vermindert die Fähigkeit, durch Apoptose<br />
die Zellzahl zu regulieren. p53-Mutationen bewirken, dass andere Mutationen an Tochterzellen<br />
weitergegeben werden können, <strong>und</strong> sind deshalb sehr wichtig in der Entstehung von <strong>Krebs</strong>. Sie<br />
betreffen mehr als 50% aller <strong>Krebs</strong>arten <strong>und</strong> werden in Verbindung gebracht mit einer hohen<br />
klinischen Aggressivität. Leider sind heute noch keine spezifisch auf p53 zugeschnittenen<br />
<strong>Therapien</strong> verfügbar.<br />
3.21
3<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Genetische Elemente <strong>und</strong> Prozesse können in einer hierarchischen <strong>und</strong> folgerichtigen<br />
Reihenfolge dargestellt werden. Vervollständigen Sie das folgende Fliessdiagramm, indem<br />
Sie die passenden Begriffe von der unten stehenden Liste einfügen. Die zwei Sternchen<br />
stehen für die zwei Mutations-Wege, die unkontrolliertes Zellwachstum <strong>und</strong> invasives<br />
Tumorwachstum bewirken können. Bitte nennen Sie diese.<br />
DNA Chromosomen Translation Protein<br />
Genom<br />
(Gesam<strong>the</strong>it der Gene)<br />
Gene<br />
**<br />
mRNA<br />
Transkription<br />
Basen<br />
2. Wie kann ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgewandelt werden? Welche Arten von<br />
Prozessen werden von den bekannten Proto-Onkogenen kontrolliert?<br />
3. Beschreiben Sie, wie Mutationen zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen können, <strong>und</strong> benützen<br />
Sie dazu einerseits das Tumor-Suppressor-Gen p53 <strong>und</strong> andererseits den Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptor HER2 als Beispiel.<br />
4. Was ist eine Signal-Transduktion <strong>und</strong> was bewirkt sie?<br />
5. Zählen Sie kurz die wichtigsten Stadien <strong>und</strong> Ereignisse bei einem typischen Signal-<br />
Transduktions-Ablauf auf <strong>und</strong> benützen Sie dazu einen Wachstumsfaktor als ersten Schritt.<br />
6. Beschreiben Sie die Rolle von Genmutationen bei der Auslösung von <strong>Krebs</strong>.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.5.<br />
3.22
Das Immunsystem: Die Basis für alle biologischen <strong>Therapien</strong><br />
4<br />
Einführung<br />
In den vorherigen Kapiteln haben wir gezeigt, dass <strong>Krebs</strong> eine biologische Gr<strong>und</strong>lage hat <strong>und</strong><br />
dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber ständig erweitert werden. Kapitel 4 gibt nun<br />
die Gr<strong>und</strong>lage zum Verständnis, warum immunologische <strong>Therapien</strong> machbar <strong>und</strong> zum Fokus<br />
<strong>the</strong>rapeutischer <strong>Krebs</strong>forschung wurden. Immunologische <strong>Therapien</strong> haben das Ziel,<br />
<strong>the</strong>rapeutischen Nutzen zu bringen durch Ausnutzen des Immunsystems, indem auf spezifische<br />
zelluläre Antworten abgezielt wird.<br />
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über das Immunsystem <strong>und</strong> zeigt besonders die Teile,<br />
welche Anwendungsmöglichkeiten für immunologische <strong>Therapien</strong> bieten. Die möglichen Wege,<br />
wie <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> andere Erkrankungen die Immunsystem-Erkennung überwinden, werden<br />
ebenfalls aufgezeigt. Und es wird erklärt, wie die Kenntnisse über das Immunsystem im<br />
<strong>the</strong>rapeutischen Rahmen angewandt werden können.<br />
4.1
4<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Definieren <strong>und</strong> beschreiben Sie die Ergebnisse einer Immunantwort <strong>und</strong> geben Sie an,<br />
warum die korrekte Identifikation eines Stoffes als fremd <strong>und</strong> potentiell schädlich so wichtig<br />
ist.<br />
2. Zeichnen <strong>und</strong> beschriften Sie ein generalisiertes Antikörper-Molekül <strong>und</strong> geben Sie an,<br />
welche Teile an Antigene <strong>und</strong> welche an andere Zellen des Immunsystems binden.<br />
3. Beschreiben Sie, wie Antikörper als Antwort auf einen Fremdstoff gebildet werden, <strong>und</strong><br />
zählen Sie die drei Hauptwege auf, wie sie wirken.<br />
4. Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen richtig oder falsch sind, <strong>und</strong> wenn sie falsch<br />
sind, geben Sie die richtige Antwort:<br />
a. Das angeborene (oder natürliche) Immunsystem antwortet schnell auf fremde<br />
Organismen.<br />
b. Wenn es einmal geprägt wurde von einem ersten Antigen-Kontakt, hat das erworbene<br />
Immunsystem ein Antigen-Gedächtnis <strong>und</strong> ist fähig, die Stärke <strong>und</strong> Effektivität der<br />
Antwort auf nachfolgende Reize mit demselben Antigen zu erhöhen.<br />
c. Die zellvermittelte Immunantwort ist Antikörper-abhängig.<br />
d. T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen, die durch ein Antigen stimuliert worden sind, sind morphologisch<br />
nicht zu unterscheiden.<br />
e. T-Zellen werden so genannt, weil sie im Thymus reifen.<br />
5. Beschreiben Sie, wie ein einzelner Typ von Antikörpern (monoklonaler Antikörper MAb) im<br />
Labor hergestellt werden kann <strong>und</strong> geben Sie zwei Vorteile von MAbs gegenüber<br />
polyklonalen Antikörpern an.<br />
6. Sowohl normale wie auch nicht normale Aktivitäten des Immunsystems können Krankheit<br />
erzeugen. Ergänzen Sie die folgenden Sätze mit dem passendsten Beispiel von Erkrankung<br />
aus der Liste:<br />
Allergische Reaktionen Autoimmun Immunüberwachung<br />
Immunabwehrschwäche- Perniziöse Anämie Tuberkulose<br />
Erkrankungen<br />
a. Bei ……………….………. widersteht das Bakterium der Zerstörung durch Makrophagen<br />
<strong>und</strong> vermehrt sich stattdessen innerhalb des Makrophagen. Wenn der Makrophag<br />
schlussendlich platzt, breitet sich das Bakterium aus, Lysosomen-Inhalt strömt aus <strong>und</strong><br />
verursacht Schäden am Gewebe des Wirts.<br />
b. ………………..………. geschehen wegen einer übermässigen T-Zell-Antwort auf ein<br />
schwach immunogenes Antigen.<br />
c. Mangel an T- <strong>und</strong> B-Zellen aus verschiedenen Gründen, inklusive T-Zell-Zerstörung, kann<br />
………………………. verursachen.<br />
d. Wenn das Immunsystem Komponenten der Wirts-Zellen angreift, dann können<br />
………………………. Erkrankungen wie ………………………. entstehen.<br />
e. Der Prozess, bei dem das Immunsystem des Körpers fähig ist, Zellen mit ungewöhnlichen<br />
Typen oder Mengen von Proteinen an ihrer Zelloberfläche zu finden <strong>und</strong> sich dagegen<br />
zu wehren, ist bekannt als ……………………….<br />
7. Obwohl viele <strong>Krebs</strong>zellen ungewöhnliche Gene oder aussergewöhnliche Mengen von<br />
Antigenen an ihrer Oberfläche haben, ist die Immunabwehr dort ineffektiv. Geben Sie zwei<br />
mögliche Erklärungen dafür.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.7.<br />
4.2
4<br />
Das Immunsystem verstehen<br />
Der menschliche Organismus hat zwei physikalische Barrieren, um sich gegen Angriffe durch<br />
Bakterien, Viren, Pilze <strong>und</strong> Parasiten zu wehren: die Haut <strong>und</strong> die Schleimhautmembranen,<br />
welche den Verdauungstrakt, die Atemwege <strong>und</strong> die Fortpflanzungsorgane überziehen. Wenn<br />
aber diese zwei physikalischen Barrieren durchbrochen werden, haben Menschen noch zwei<br />
andere Verteidigungsebenen:<br />
● das angeborene Immunsystem, das schnell auf fremde Organismen reagiert<br />
● das erworbene Immunsystem, das sich verändern kann, um auf fremde Organismen zu<br />
reagieren.<br />
Wichtige Eigenschaften des Immunsystems sind:<br />
● es ist ein komplexes <strong>und</strong> hoch entwickeltes Netzwerk, das viele verschiedene Arten von<br />
Zellen einschliesst, die miteinander interagieren. Dies sind Lymphozyten (T- <strong>und</strong> B-Zellen, die<br />
so genannt werden, weil sie zuerst als Zelltypen erkannt worden sind, die im Thymus <strong>und</strong><br />
der Bursa Fabrici, einem Organ in den Vögeln, reifen), Phagozyten <strong>und</strong> dendritische Zellen<br />
(Tabelle 4.1)<br />
● sein Zweck ist einfach: Eindringlinge finden <strong>und</strong> töten<br />
● es ist hochspezifisch <strong>und</strong> kann unterscheiden zwischen fremden <strong>und</strong> eigenen Molekülen<br />
● es kann sich anpassen <strong>und</strong> sich erinnern (immunologisches Gedächtnis).<br />
Was ist eine Immunantwort?<br />
Die Reaktion der Zellen <strong>und</strong> Moleküle des Immunsystems, die auf das Eindringen eines fremden<br />
Stoffes folgt, wird Immunantwort genannt. Viele der Reaktionen des Immunsystems führen zur<br />
Zerstörung <strong>und</strong> Eliminierung eindringender Organismen <strong>und</strong> der toxischen Moleküle, die diese<br />
produzieren. Weil Immunantworten destruktiv sind, ist es wichtig, dass sie nur als Antwort auf<br />
fremde Moleküle geschehen <strong>und</strong> nicht als Antwort auf den Wirt selber. Manchmal versagt das<br />
Immunsystem <strong>und</strong> kann nicht mehr zwischen fremden <strong>und</strong> eigenen Molekülen unterscheiden;<br />
solche autoimmunen Erkrankungen können fatal sein.<br />
Es existieren zwei Klassen von Immunantworten:<br />
● humorale Antikörper-Antworten, hervorgerufen durch B-Zellen<br />
● zellvermittelte Immunantworten, einschliesslich Antikörper-abhängige zellvermittelte<br />
Zytotoxizität (ADCC), hervorgerufen durch T-Zellen.<br />
Die Reaktion der<br />
Zellen <strong>und</strong><br />
Moleküle des<br />
Immunsystems,<br />
die auf das<br />
Eindringen eines<br />
fremden Stoffes<br />
folgt, wird<br />
Immunantwort<br />
genannt.<br />
Was ist ein Antigen?<br />
Jede Substanz, die fähig ist, eine Immunantwort hervorzurufen, wird Antigen genannt. Dies<br />
schliesst eine ganze Reihe von Substanzen ein, von simplen Chemikalien, Zucker <strong>und</strong> kleinen<br />
Peptiden zu Proteinen. Antigene können entweder als freie Moleküle oder in die Membranen<br />
von Parasiten, Bakterien oder Viren integriert vorkommen. Die dreidimensionale Struktur <strong>und</strong><br />
spezifische Beschaffenheit des Antigens triggert die Produktion von Antikörpern, die sich an das<br />
Antigen binden.<br />
Was ist ein Antikörper?<br />
Antikörper sind Immunoglobulin (Ig)-Proteine, die von B-Zellen produziert werden. B-Zellen sind<br />
weisse Blutkörperchen (oder Lymphozyten), die im Knochenmark vorkommen. Jede B-Zelle hat<br />
Rezeptoren an ihrer Oberfläche, die spezifisch sind für ein einziges Antigen. Bei Kontakt mit<br />
Antikörper sind<br />
Immunoglobulin-<br />
Proteine, die von<br />
B-Zellen<br />
produziert<br />
werden.<br />
4.3
4<br />
Tabelle 4.1 Zusammenfassung der Hauptfunktionen von Zellen, die im<br />
Immunsystem eine Rolle spielen.<br />
Zelltyp<br />
Neutrophile<br />
Basophile<br />
Eosinophile<br />
B-Zellen<br />
Plasmazellen<br />
Zytotoxische T-Zellen<br />
T-Helfer-Zellen<br />
Suppressor-T-Zellen<br />
Natürliche<br />
Killerzellen (NK)<br />
Memory T- <strong>und</strong><br />
B-Zellen<br />
(Gedächtniszellen)<br />
Makrophagen<br />
Monozyten<br />
Dendritische Zellen<br />
Mastzellen<br />
Hauptfunktionen<br />
Phagozytose<br />
Setzen Stoffe frei, die bei einer Entzündung eine Rolle spielen<br />
Setzen Histamin <strong>und</strong> andere Botenstoffe frei, die bei der Entzündung wichtig sind<br />
Ähnliche Funktion im Blut, wie sie Mastzellen im Gewebe haben<br />
Zerstören Parasiten-Würmer<br />
Sind Teil unmittelbarer allergischer Reaktionen<br />
Lösen Antikörper-bedingte Immunreaktionen durch Binden spezifischer Antigene an<br />
ihre Plasmamembran-Rezeptoren aus<br />
Wenn sie aktiviert sind, verwandeln sie sich in Plasmazellen, welche Antikörper<br />
produzieren<br />
Produzieren Antikörper<br />
Binden an Antikörper <strong>und</strong> zerstören direkt Zellen<br />
Scheiden Zytokine aus, welche B-Zellen, zytotoxische T-Zellen, NK-Zellen,<br />
Makrophagen <strong>und</strong> andere T-Helferzellen aktivieren<br />
Binden an Antigene, welche von Makrophagen präsentiert werden<br />
Hemmen B-Zellen <strong>und</strong> zytotoxische T-Zellen<br />
Binden direkt <strong>und</strong> unspezifisch an Virus-infizierte Zellen <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> töten sie<br />
Handeln als Killerzellen in ADCC<br />
Leicht aktivierbare T- <strong>und</strong> B-Zellen, die auf die Wiederbegegnung mit einem Antigen<br />
reagieren, welchem das System schon mal ausgesetzt war, indem sie eine schnelle<br />
<strong>und</strong> spezifische Antwort produzieren<br />
Zelltyp, der bei Impfungen aktiviert wird, welche eine lebenslange Immunität<br />
bewirken<br />
Phagozytose <strong>und</strong> intrazelluläre Zerstörung<br />
Extrazelluläre Zerstörung durch Sekretion toxischer Substanzen<br />
Verarbeiten Antigene <strong>und</strong> präsentieren diese an T-Helfer-Zellen<br />
Scheiden Zytokine aus, welche bei Entzündungen, Aktivierung von T-Helfer-Zellen<br />
<strong>und</strong> bei Verletzungen eine Rolle spielen<br />
Die Funktionen im Blut sind gleich wie die der Makrophagen im Gewebe<br />
Treten ins Gewebe ein <strong>und</strong> verwandeln sich in Makrophagen<br />
Verarbeiten Antigene <strong>und</strong> präsentieren diese den T-Helfer-Zellen<br />
Setzen Histamine <strong>und</strong> andere an Entzündungsreaktionen beteiligte Substanzen frei<br />
4.4
4<br />
dem entsprechenden Antigen <strong>und</strong> Co-Stimulation von B-Helfer-Zellen reifen die B-Zellen zu<br />
Antikörper-Fabriken, genannt Plasma-Zellen (für weitere Details siehe Seite 4.7).<br />
Es gibt fünf Klassen von Antikörpern, von denen jeder eine spezielle Funktion ausübt.<br />
● IgA ist das zweithäufigste Ig. Schutzfunktion im Bereich der äusseren Körperoberfläche<br />
(Schleimhäute).<br />
● IgD wird von sich entwickelnden B-Zellen produziert <strong>und</strong> kommt nur auf der Oberfläche<br />
dieser Zellen vor.<br />
● IgE ist an allergischen Histamin-Reaktionen beteiligt.<br />
● IgM ist die erste Antikörper-Klasse, welche reifende B-Zellen produziert. Während die<br />
B-Zellen sich entwickeln, wechseln sie zur Herstellung anderer Antikörper-Klassen.<br />
● IgG ist die grösste Ig-Klasse <strong>und</strong> wird in grossen Mengen produziert. IgG kann das<br />
Komplementsystem (siehe Seite 4.9) aktivieren, Phagozytose durch Makrophagen oder<br />
Neutrophile induzieren <strong>und</strong> ADCC stimulieren.<br />
Antikörper-Struktur<br />
Ein Antikörper ist ein Molekül, das geformt ist wie ein Y mit einer Antigen-bindenden Region<br />
(welche Fab genannt wird) an jedem Ende der beiden Arme des Y. Zwei verschiedene Proteine,<br />
die schwere Kette <strong>und</strong> die leichte Kette, bilden die Arme (siehe Abbildung 4.1). Dank der Fab-<br />
Regionen an jedem Ende der Antikörper-Arme kann jeder Antikörper gleichzeitig zwei Antigene<br />
binden. Weil die Antigen-bindenden Regionen an jedem Arm identisch sind, binden sie<br />
dasselbe Antigen. Zusätzlich bestimmt die Fc-Region (am Stamm des Y) die biologischen<br />
Eigenschaften des Antikörpers <strong>und</strong> kann zum Beispiel an spezielle Rezeptoren (Fc-Rezeptoren)<br />
binden, welche sich an den Oberflächen von Zellen wie Makrophagen befinden.<br />
Die Produktion verschiedener Antikörper<br />
Die menschlichen Antikörper-Antworten schliessen die Produktion von Antikörpern mit ein,<br />
welche im Blutstrom zirkulieren <strong>und</strong> in andere Körperflüssigkeiten eindringen, wo sie speziell an<br />
Leichte Kette<br />
Variable Region (bildet die Fab-Region)<br />
Disulphid-Brücken<br />
Schwere Kette<br />
Konstante Region (mit Fc-Region)<br />
Abbildung 4.1. Die Struktur eines typischen Antikörper-Moleküls.<br />
Ein Antikörper ist<br />
ein Molekül, das<br />
geformt ist wie<br />
ein Y mit einer<br />
Antigenbindenden<br />
Region (welche<br />
Fab genannt<br />
wird) an jedem<br />
Ende der beiden<br />
Arme<br />
des Y.<br />
Die menschlichen<br />
Antikörper-<br />
Antworten<br />
schliessen die<br />
Produktion von<br />
Antikörpern mit<br />
ein, welche im<br />
Blutstrom<br />
zirkulieren <strong>und</strong> in<br />
andere<br />
Körperflüssigkeiten<br />
eindringen,<br />
wo sie speziell an<br />
das fremde<br />
Antigen<br />
anbinden,<br />
welches sie auch<br />
induzierte.<br />
4.5
4<br />
Schätzungsweise<br />
100 Millionen<br />
verschiedener<br />
Antikörper sind<br />
nötig, um den<br />
Organismus vor<br />
jedem möglichen<br />
Eindringling zu<br />
schützen.<br />
das fremde Antigen anbinden, welches sie auch induzierte. Diese Bindung inaktiviert das<br />
Antigen <strong>und</strong> „markiert“ es für die Zerstörung durch Zellen, welche Phagozyten genannt werden,<br />
oder induziert ein Antigen-zerstörendes System von Blutproteinen, genannt Komplement,<br />
welches Sie weiter unten beschrieben finden (Seite 4.9).<br />
Schätzungsweise 100 Millionen verschiedener Antikörper sind nötig, um den Organismus vor<br />
jedem möglichen Eindringling zu schützen. Ein spezieller Prozess namens klonale Selektion<br />
befähigt B-Zellen zur Produktion einer derart grossen Zahl verschiedener Antikörper-Typen. Jede<br />
B-Zelle produziert Antikörper, die nur einen Typ Fab haben. Und jede Fab ist nur spezifisch für<br />
ein einziges Antigen. Jede B-Zelle zeigt ihre Antikörper an ihrer Oberfläche. Diese Antikörper<br />
sind bekannt als B-Zell-Rezeptoren <strong>und</strong> signalisieren der B-Zelle, wenn ihr zugehöriges Antigen<br />
anwesend ist. So agieren B-Zell-Rezeptoren wie Antennen auf der Suche nach dem korrekten<br />
Signal.<br />
Der Teil eines Antigens, der mit der Antigen-bindenden Zone eines Antikörper-Moleküls oder<br />
eines Lymphozyten-Rezeptors zusammenpasst, heisst Epitop. Die meisten Antigene haben eine<br />
Anzahl verschiedener Epitope <strong>und</strong> stimulieren die Produktion von mehr als einem Antikörper.<br />
Diese Epitope variieren in der Stärke ihrer Antigen-Eigenschaften. Diejenigen mit den stärksten<br />
Antigen-Eigenschaften dominieren die Gesamt-Antwort <strong>und</strong> werden immunodominant genannt.<br />
Die wichtigste<br />
Aufgabe von<br />
Antigenpräsentierenden<br />
Zellen ist die<br />
Aktivierung von<br />
T-Helferzellen.<br />
Antigen-präsentierende Zellen stimulieren Lymphozyten-Klone<br />
Auch wenn ein Antigen viele Antikörper-produzierende B-Zell-Klone stimuliert, wird nur ein sehr<br />
kleiner Anteil der totalen Lymphozyten-Population stimuliert. Um sicherzustellen, dass die<br />
richtigen Lymphozyten-Populationen dem Antigen ausgesetzt werden, werden Antigene in den<br />
sek<strong>und</strong>ären Lymphorganen gesammelt (Abbildung 4.2). Dort zirkulieren dauernd T- <strong>und</strong><br />
B-Zellen. Eine der häufigsten Arten von Antigen-präsentierenden Zellen sind dendritische Zellen.<br />
Die wichtigste Aufgabe von Antigen-präsentierenden Zellen ist die Aktivierung von T-<br />
Helferzellen. Diese Aktivierung ist nötig, damit die T-Helferzellen proliferieren, sich<br />
differenzieren <strong>und</strong> so das Wachstum anderer T-Helferzellen <strong>und</strong> B-Zellen stimulieren <strong>und</strong> damit<br />
sie zytotoxische T-Zellen zur Vernichtung einer infizierten Zelle stimulieren <strong>und</strong> Makrophagen<br />
Adenoid-Drüsen<br />
Tonsille<br />
Lymphbahnen<br />
Peyer’sche Drüsen<br />
im Dünndarm<br />
Lymphknoten<br />
Milz<br />
Blinddarm<br />
Abbildung 4.2. Organe <strong>und</strong> Gewebe des lymphatischen Systems.<br />
4.6
4<br />
aktivieren. Diese Stimulation wird via Zytokin-Sekretion angeregt, z.B. werden Interleukin-2<br />
(IL-2) <strong>und</strong> Interleukin-4 (IL-4) durch T-Helferzellen ausgeschieden <strong>und</strong> stimulieren das Wachstum<br />
von T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen (<strong>und</strong> bringt sie dazu, dass sie ihre Produktion auf IgE-Antikörper<br />
umstellen), während die Produktion von IL-1 <strong>und</strong> Interferon-γ Makrophagen aktiviert.<br />
Wenn ein B-Zell-Rezeptor sein Ziel-Antigen erkennt <strong>und</strong> die nötigen Signale von einer T-Helfer-<br />
Zelle ebenfalls vorhanden sind, bindet es an das Antigen. Dies stimuliert die B-Zelle zur Teilung<br />
<strong>und</strong> zur Produktion von Tausenden (ungefähr 20’000) identischen B-Zellen (klonale Expansion).<br />
Diese Gruppe identischer Zellen wird ein B-Zell-Klon genannt <strong>und</strong> seine Produktion braucht<br />
ungefähr eine Woche. Alle Zellen im Klon haben die identische Antigen-Spezifität.<br />
Die Schaffung einer breiten Antikörper-Verschiedenheit<br />
Antikörper bestehen aus zwei Paaren von identischen Untereinheiten, genannt leichte <strong>und</strong><br />
schwere Ketten, welche chemisch aneinander geb<strong>und</strong>en sind. Sowohl die leichten als auch die<br />
schweren Ketten eines Ig-Moleküls haben konstante <strong>und</strong> variable Regionen. Grosse Teile sind in<br />
allen Antikörpern gleich, solche Teile werden konstante (K) Regionen genannt. Innerhalb der<br />
variablen Region am amino-terminalen Ende der leichten <strong>und</strong> schweren Ketten, die zusammen<br />
die antigen-bindende Region bilden, bestehen Unterschiede von Antikörper zu Antikörper. Es<br />
gibt drei kurze hypervariable Regionen, welche für die Antikörper-Spezifität verantwortlich sind,<br />
<strong>und</strong> die deshalb sehr unterschiedlich sind.<br />
Leichte <strong>und</strong> schwere Ketten sind aus sich wiederholenden Segmenten oder Bereichen gemacht<br />
(Abbildung 4.3), von denen jeder eine kompakte Funktionseinheit bildet. Eine leichte Kette<br />
besteht aus einem variablen (V L ) <strong>und</strong> einem konstanten (K L ) Bereich, während die meisten<br />
schweren Ketten aus einem variablen Bereich (V H ) <strong>und</strong> drei konstanten Bereichen (K H 1, K H 2, <strong>und</strong><br />
K H 3) bestehen. Die variablen Bereiche sind verantwortlich für die Antigen-Bindung, während die<br />
konstanten Bereiche der schweren Ketten (ausser K H 1) die Fk-Region formen, welche andere<br />
biologische Eigenschaften des Antikörpers bestimmt.<br />
Antikörper<br />
bestehen aus<br />
zwei Paaren von<br />
identischen<br />
Untereinheiten,<br />
genannt leichte<br />
<strong>und</strong> schwere<br />
Ketten, welche<br />
chemisch<br />
aneinander<br />
geb<strong>und</strong>en sind.<br />
Die schweren Ketten von Antikörpern in unreifen B-Zellen bestehen aus vier Typen von Modulen<br />
(V, D, J, <strong>und</strong> K). Es gibt zahlreiche verschiedene Typen von jedem dieser individuellen Module<br />
Hypervariable<br />
Region<br />
V L<br />
Leichte Kette<br />
K L<br />
V H<br />
K1 H<br />
Gelenk<br />
K H<br />
2<br />
K H3<br />
Schwere Kette<br />
Abbildung 4.3. Antikörper Bereichs-Struktur.<br />
4.7
4<br />
(Abbildung 4.4). Ebenso gibt es auch Unterschiede bei den Modulen der leichten Ketten. Diese<br />
Vielfalt sorgt für genug Module, so dass durch Mischen <strong>und</strong> Zusammenfügen etwa 10 Millionen<br />
verschiedene Kombinationen von schweren <strong>und</strong> leichten Ketten geschaffen werden können. Die<br />
Antikörper-Vielfalt wird zudem noch grösser durch Hinzufügen oder Weglassen von kleinen<br />
DNA-Stücken in der Verbindungsregion, wenn die Module zusammengefügt werden.<br />
Antikörper<br />
identifizieren <strong>und</strong><br />
binden Antigene<br />
über ihre Fab-<br />
Regionen <strong>und</strong><br />
markieren sie für<br />
die Zerstörung.<br />
Die Funktion der Antikörper<br />
Antikörper identifizieren <strong>und</strong> binden Antigene über ihre Fab-Regionen <strong>und</strong> markieren sie für die<br />
Zerstörung. Ihre freie Fc-Region (der Stamm) kann an Fc-Rezeptoren an der Oberfläche von<br />
Phagozyten (Zellen welche Eindringlinge zerstören) binden. Dies bildet eine Brücke zwischen<br />
dem Antigen <strong>und</strong> dem Phagozyten, so dass das Antigen zerstört werden kann.<br />
Gen-Abschnitt<br />
für die schwere<br />
Kette unreifer B-Zellen<br />
Ungefähr 100<br />
verschiedene V-Segmente<br />
V 2 V n D 1 D n J 1 J n K m K n<br />
>4<br />
D-Segmente<br />
6<br />
J-Segmente<br />
Ungefähr 10<br />
K-Segmente<br />
V 1<br />
V 2 D 1 J 4 K m<br />
Selektion<br />
Gen-Abschnitt für<br />
die schwere Kette<br />
reifer B-Zellen<br />
Abbildung 4.4. Die zufällige Auswahl von V, D, J <strong>und</strong> K Segmenten schafft eine grosse Antikörper-<br />
Vielfalt.<br />
Antikörper arbeiten auf drei Weisen:<br />
● Neutralisierung durch Blockieren der biologischen Aktivität ihres Zielmoleküls<br />
Das angeborene<br />
Immunsystem<br />
produziert nicht<br />
nur schnelle<br />
Antworten auf<br />
normale<br />
Eindringlinge,<br />
sondern aktiviert<br />
<strong>und</strong> kontrolliert<br />
auch das<br />
erworbene<br />
Immunsystem.<br />
● Opsonisation von Bakterien <strong>und</strong> damit Einleiten derer Zerstörung durch eine Immunantwort<br />
● Komplement-Aktivierung mit direkter Zerstörung der Zellstruktur (Lyse) durch das<br />
Komplementsystem <strong>und</strong> Förderung der Phagozytose.<br />
Das angeborene Immunsystem<br />
Das angeborene Immunsystem produziert nicht nur schnelle Antworten auf normale<br />
Eindringlinge, sondern aktiviert <strong>und</strong> kontrolliert auch das erworbene Immunsystem. Es ist<br />
wichtig zu wissen, dass, anders als das erworbene Immunsystem, das angeborene<br />
Immunsystem keine Erinnerung an eine Begegnung mit einem fremden Antigen behält.<br />
Es gibt drei Komponenten des angeborenen Immunsystems:<br />
● Komplement-System<br />
● Phagozyten<br />
● natürliche Killer-Zellen.<br />
4.8
4<br />
Das Komplement-System – der Domino-Effekt<br />
Das Komplement-System agiert sehr schnell auf eigene Faust <strong>und</strong> in Zusammenarbeit mit<br />
Antikörpern, um vor Infektionen zu schützen. Es besteht aus etwa 20 verschiedenen Proteinen,<br />
die zusammenarbeiten, um Eindringlinge zu zerstören <strong>und</strong> um anderen Immunsystem-Zellen wie<br />
den Makrophagen das Signal zum Angriff zu geben. Die löslichen Komplement-Proteine<br />
werden hauptsächlich von der Leber produziert <strong>und</strong> zirkulieren im Blut <strong>und</strong> in der<br />
extrazellulären Flüssigkeit. Bevor das Komplement-System funktionieren kann, muss es durch<br />
Antikörper-Antigen-Komplexe oder Mikroorganismen aktiviert werden. Die Komplement-Proteine<br />
machen eine Serie von Protein-Spaltungs-Reaktionen (proteolytischen Reaktionen) durch<br />
(Abbildung 4.5), danach folgt eine Reihe von Angriffen auf die Membran, es entstehen Löcher<br />
im Mikroorganismus <strong>und</strong> dieser wird getötet. Oder es werden Komplement-Anteile, die nahe an<br />
die Zielzellen geb<strong>und</strong>en sind, von einem spezifischen Rezeptor von Neutrophilen oder<br />
Makrophagen erkannt, <strong>und</strong> so wird die Phagozytose eingeleitet. Andere Komponenten sind<br />
löslich <strong>und</strong> ziehen weisse Blutzellen auf die Zielseite. Das Komplement ist also verantwortlich für<br />
die ganzen Vorgänge, die die Membran angreifen <strong>und</strong> so direkt gegen Zielzellen wirken. Es<br />
aktiviert ebenfalls die akute Entzündungsantwort.<br />
Das Komplement-<br />
System agiert<br />
sehr schnell auf<br />
eigene Faust<br />
<strong>und</strong> in<br />
Zusammenarbeit<br />
mit Antikörpern,<br />
um vor<br />
Infektionen zu<br />
schützen.<br />
Antikörper an<br />
Antigen geb<strong>und</strong>en<br />
Mikro-Organismus<br />
Komplement-Aktivierung<br />
Komplement-<br />
Aktivierungs-<br />
Kaskade<br />
oder<br />
Direkte<br />
Löcherung<br />
der Membran<br />
Aufbieten von<br />
Makrophagen<br />
Abbildung 4.5. Der Vorgang des Komplements <strong>und</strong> seine Rolle in der Elimination der Zielzellen.<br />
4.9
4<br />
Phagozyten<br />
Zwei Arten von Phagozyten arbeiten zusammen um Zellen zu töten: Makrophagen <strong>und</strong><br />
Neutrophile. Makrophagen sind bewegliche Zellen, die als Abfallsammler, als Antigenpräsentierende<br />
Zellen <strong>und</strong> als Killer von fremden Organismen funktionieren. Makrophagen<br />
spielen auch eine wichtige Rolle in der Syn<strong>the</strong>se von Zytokinen, vor allem vom Tumor-Nekrose-<br />
Faktor-α (TNF-α) <strong>und</strong> IL-1. Sie sind in fast allen Geweben vorhanden.<br />
Neutrophile sind kurzlebige (5 Tage) Zellen, die im Blut in sehr grosser Zahl zirkulieren.<br />
Neutrophile sind wichtige Killerzellen. Wenn sie aktiviert werden durch Zytokine, die von<br />
Makrophagen produziert wurden, erhalten sie ein Signal, die Blutbahn zu verlassen <strong>und</strong> ins<br />
Gewebe zu kommen, wo sie dann direkt am Ort der Infektion angreifen.<br />
Natürliche<br />
Killerzellen sind<br />
grosse granuläre<br />
Lymphozyten, die<br />
zytotoxisch sind<br />
ohne vorherige<br />
Stimulation.<br />
Natürliche Killerzellen<br />
Natürliche Killerzellen (NK) sind grosse granuläre Lymphozyten, die zytotoxisch sind ohne<br />
vorherige Stimulation. Sie können ebenfalls die Blutbahn verlassen <strong>und</strong> in infizierte Gewebe<br />
eintreten. NK Zellen exprimieren an ihrer Oberfläche keine Antikörper oder T-Zell-Rezeptoren.<br />
Wichtig ist, dass sie Zytokine produzieren <strong>und</strong> Rezeptoren für Immunoglobulin exprimieren. NK<br />
Zellen können Tumorzellen, durch Viren infizierte Zellen, Bakterien, Parasiten <strong>und</strong> Pilze töten.<br />
Sie töten, indem sie Löcher bohren <strong>und</strong> spezifische Enzyme absondern, was zum Absterben der<br />
Zelle führt (Apoptose). NK Zellen vermitteln ADCC, also eine Zelltötung, die abhängig ist von<br />
der Anwesenheit oder Aktivität von Antikörpern. IFN-α <strong>und</strong> IFN-β sind Proteine, die von<br />
verschiedenen Zellen als Antwort auf eine virale Infektion freigesetzt werden <strong>und</strong> NK Zellen<br />
aktivieren.<br />
Das erworbene Immunsystem<br />
Nach dem ersten<br />
Kontakt mit einem<br />
Antigen erfolgt<br />
die primäre<br />
Immunantwort,<br />
<strong>und</strong> nach dieser<br />
erwirbt das<br />
Immunsystem<br />
lebenslange<br />
Immunität auf das<br />
Antigen.<br />
Eine zweite Stufe der Immunität wird vom erworbenen Immunsystem gewährleistet. Diese<br />
zusätzliche Stufe der Abwehr wird mit jeder Begegnung mit einem spezifischen Antigen stärker<br />
<strong>und</strong> effektiver. Nach dem ersten Kontakt mit einem Antigen erfolgt die primäre Immunantwort,<br />
<strong>und</strong> nach dieser erwirbt das Immunsystem lebenslange Immunität auf das Antigen. Dieses<br />
Antigen-spezifische Gedächtnis führt zu einer schnelleren <strong>und</strong> längeren Immunantwort bei einer<br />
nächsten Begegnung mit dem Antigen. Dieses Antigen-Gedächtnis ist die Basis für Impfungen<br />
gegen infektiöse Krankheiten wie Masern <strong>und</strong> Mumps.<br />
Das angeborene Immunsystem verstärkt die Effektivität der erworbenen Immunantwort, indem es<br />
die Antwort auf den Ort des Eindringens/der Infektion richtet. Der Unterschied zwischen<br />
angeborener <strong>und</strong> erworbener Immunität liegt in der Antigen-Spezifität von Lymphozyten. Sie<br />
exprimieren Zelloberfächen-Rezeptoren, die einzelne Teile des Antigens (bekannt als Antigen-<br />
Epitope) erkennen. Das grosse Repertoire an verschiedenen Antigen-Spezifitäten macht das<br />
Immunsystem fähig, auf praktisch alle potentiellen Antigene zu antworten.<br />
Zellvermittelte Immunantworten<br />
Diese Art von Immunantwort beinhaltet die Produktion spezialisierter Zellen, die mit fremden<br />
Antigenen an der Oberfläche anderer Wirtszellen reagieren. Diese reagierende Zelle tötet eine<br />
infizierte Wirtszelle oder einen fremden Organismus, bevor die Infektion sich ausbreiten kann.<br />
Oder die reagierende Zelle sondert chemische Signale ab, die spezielle Killerzellen, genannt<br />
Makrophagen, aktivieren, welche Eindringlinge zerstören.<br />
4.10
4<br />
Lymphozyten<br />
Die hauptsächlich am Immunsystem beteiligten Zellen sind in Tabelle 4.1 aufgeführt. Eine<br />
Gruppe von weissen Blutzellen, genannt Lymphozyten, ist verantwortlich für die hohe Spezifität<br />
des Immunsystems. Lymphozyten werden in hoher Zahl im Blut, in der Lymphe <strong>und</strong> in den<br />
Lymphorganen wie Thymus, Lymphknoten, Milz <strong>und</strong> Blinddarm gef<strong>und</strong>en. Lymphozyten<br />
exprimieren Rezeptoren mit unterschiedlicher Affinität für Antigene. Die Zelle mit der höchsten<br />
Affinität für das häufigste Antigen wird also einen Wachstumsvorteil haben <strong>und</strong> deshalb<br />
vorzugsweise Nachkommen produzieren. Dieser wichtige Vorgang wird vom Antigen gesteuert<br />
<strong>und</strong> klonale Expansion genannt. Lymphozyten können entweder T-Zellen oder B-Zellen sein.<br />
B-Zellen<br />
B-Zellen entwickeln sich im Knochenmark des Erwachsenen oder in der Leber des Fötus <strong>und</strong><br />
sind verantwortlich für die Produktion von Antikörpern (humorale Immunantwort) <strong>und</strong> von<br />
löslichen Proteinen, genannt Zytokine. Sich entwickelnde B-Zellen produzieren immer zuerst<br />
IgM-Antikörper, aber wenn sie sich weiterentwickeln, können sie auch auf die Produktion<br />
anderer Antikörper-Klassen umschwenken (Abbildung 4.6).<br />
Unreife B-Zelle, die einen<br />
Antikörper für ein<br />
spezifisches Antigen exprimiert<br />
B-Zelle begegnet einem<br />
Antigen, das sich an der<br />
Zelloberfläche an einen<br />
Antikörper bindet<br />
(IgM oder IgD)<br />
B-Zellen<br />
entwickeln sich<br />
im Knochenmark<br />
des Erwachsenen<br />
oder in der Leber<br />
des Fötus <strong>und</strong><br />
sind<br />
verantwortlich für<br />
die Produktion<br />
von Antikörpern<br />
<strong>und</strong> von löslichen<br />
Proteinen,<br />
genannt Zytokine.<br />
B-Zelle reift <strong>und</strong> scheidet<br />
grosse IgM Antikörper aus,<br />
welche im Plasma zirkulieren<br />
Reife B-Zelle wird einer klonalen<br />
Expansion unterzogen, um eine<br />
grosse Anzahl von identischen<br />
B-Zellen zu produzieren<br />
IgG IgA IgE<br />
Antikörper-Expression verändert<br />
sich so, dass verschiedene<br />
Klassen derselben<br />
Antigen-Spezifität produziert<br />
werden<br />
Abbildung 4.6. Der Wechsel von Antikörper-Klassen, die durch B-Zellen während ihrer Reifung<br />
produziert werden. IgM-Antikörper werden zuerst produziert, gefolgt von IgA, IgE <strong>und</strong> IgG-<br />
Antikörpern.<br />
4.11
4<br />
T-Zellen<br />
T-Zellen werden im Knochenmark produziert, aber sie reifen im Thymus. Sie helfen anderen<br />
T- <strong>und</strong> B-Zellen <strong>und</strong> sind auch verantwortlich für die zellvermittelte Immunität, inklusive ADCC.<br />
T-Zellen sind auch verschiedenartig <strong>und</strong> werden einer klonalen Selektion unterzogen. Die<br />
Proliferation benötigt ungefähr eine Woche <strong>und</strong> ist spezifisch. Wie B-Zellen haben auch T-Zellen<br />
ein Antikörper-ähnliches Molekül an ihrer Oberfläche, den T-Zell-Rezeptor (TCR). Anders als<br />
B-Zellen, welche alle organischen Moleküle erkennen können, erkennen T-Zellen nur Protein-<br />
Antigene. Sie erkennen spezifisch Peptid-Fragmente von Antigenen, welche an MHC (major<br />
histocompatibility complex) Moleküle geb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> von Antigen-präsentierenden Zellen<br />
präsentiert werden. So erkennen T-Zellen verarbeitete Antigene. T-Zell-Rezeptoren werden nicht<br />
wie die Antikörper der B-Zellen ins Blut abgegeben.<br />
Es gibt zwei verschiedene Arten von T-Zellen:<br />
● T-Helfer-Zellen, welche bei der Aktivierung von B-Zellen <strong>und</strong> Makrophagen helfen<br />
Zytotoxische<br />
T-Zellen töten von<br />
Viren infizierte<br />
Zellen, indem sie<br />
Löcher in sie<br />
machen.<br />
● Zytotoxische T-Zellen, welche direkt in der Infektionsabwehr mitarbeiten.<br />
Zytotoxische T-Zellen töten von Viren infizierte Zellen, indem sie Löcher in sie machen. T-Helfer-<br />
Zellen helfen den zytotoxischen T- <strong>und</strong> B-Zellen, indem sie Proteine (genannt Zytokine)<br />
produzieren. Von T-Zellen kommende Zytokine erhöhen die Antigen-präsentierende Aktivität von<br />
Makrophagen <strong>und</strong> dendritischen Zellen. Dieses erhöhte Aufkommen von Antigenen führt zu<br />
einer positiven Feedback-Schlaufe, bis alle Antigen-Moleküle eliminiert sind.<br />
Die Produktion von Antikörpern im Labor<br />
Antikörper können sehr einfach hergestellt werden, indem kleine Mengen eines Antigens<br />
mehrmals einem Tier, wie einer Maus oder einem Kaninchen, injiziert werden. Dies stimuliert<br />
die B-Zellen des Tieres, so dass sie Antikörper zum Antigen produzieren. Diese können vom<br />
Antikörper-reichen Serum (genannt Antiserum) des Tiers gewonnen werden. Jedoch enthält<br />
dieses Antiserum eine Mischung verschiedener Antikörper, welche spezifisch für verschiedene<br />
Regionen des Antigen-Moleküls sind. Dies ist bekannt als polyklonale Antwort, weil<br />
verschiedene B-Zell-Klone daran beteiligt sind. Die Heterogenität eines polyklonalen Antiserums<br />
kann reduziert werden durch Reinigung des Antiserums.<br />
Die Produktion monoklonaler Antikörper im Labor<br />
Ein Weg, um die Heterogenität von Antiseren zu vermeiden, ist der Gebrauch einer Technik, die<br />
nur einen einzigen Typen von Antikörper, genannt monoklonaler Antikörper, produziert. Bei<br />
dieser Technik, genannt Hybridom-Technik, wird ein Zellklon von einer einzelnen B-Zelle, die<br />
Antikörper ausscheidet, produziert, so dass ein homogenes Präparat von Antikörpern in grosser<br />
Zahl hergestellt werden kann.<br />
Aber B-Zellen haben in Kulturen nur eine limitierte Lebenszeit. So werden B-Zellen von einem<br />
immunisierten Tier, z.B. einer Maus, mit unsterblichen Zellen von einem B-Zell-Tumor<br />
verschmolzen, so dass eine Mischung, eine Hybridzelle, entsteht (Abbildung 4.7). Diese Zellen<br />
werden genau durchgesehen, <strong>und</strong> diejenigen Hybriden, die sich unendlich in der Kultur<br />
vermehren <strong>und</strong> den Antikörper produzieren können, werden herausgesucht. Diese Hybrid-<br />
Zellen, die beide Kriterien erfüllen, werden Hybridom genannt. Individuelle Hybridom-Klone<br />
produzieren so Antikörper mit einer einzigen Spezifität. Die Antikörper, die aus diesen Klonen<br />
produziert werden, werden dann auf ihre Affinität gegen das Ziel-Antigen überprüft, um so<br />
diejenigen mit der gewünschten Spezifität herauszufinden.<br />
. . . monoklonale<br />
Antikörper, die<br />
von einem<br />
Hybridom<br />
ausgeschieden<br />
worden sind,<br />
haben identische<br />
Antigen-<br />
Bindungszonen<br />
<strong>und</strong> die gleiche<br />
Spezifität . . .<br />
4.12
4<br />
Vorteile von monoklonalen Antikörpern<br />
Anders als polyklonale Antikörper haben monoklonale Antikörper, die von einem Hybridom<br />
ausgeschieden worden sind, identische Antigen-Bindungszonen <strong>und</strong> die gleiche Spezifität,<br />
womit sie brauchbarer sind als konventionelle Antiseren. Zudem werden monoklonale<br />
Antigen A<br />
Eine Maus wird mit dem<br />
gewünschten Antigen<br />
immunisiert, um eine<br />
humorale Antikörper-<br />
Antwort zu produzieren<br />
Anti A<br />
Milz-Zellen<br />
Unsterbliche<br />
(immortalisierte)<br />
B-Zellen<br />
Anti X<br />
Antikörper-produzierende<br />
B-Zellen mit Spezifität<br />
für das gewünschte<br />
Antigen (Antigen A)<br />
<strong>und</strong> für irrelevante<br />
Antigene (Antigen X)<br />
werden von der Milz<br />
geerntet<br />
Antikörper-produzierende<br />
B-Zellen werden mit<br />
unsterblichen B-Zellen<br />
(Tumor-Zellen)<br />
verschmolzen, um eine<br />
Population von<br />
Hybridomzellen zu<br />
produzieren<br />
Hybridomzellen<br />
Versuchsplatte<br />
Individuelle Hybridom-<br />
Zellen werden isoliert<br />
<strong>und</strong> in Kultur vermehrt<br />
(klonale Expansion).<br />
Nur diejenigen<br />
Hybridome mit den<br />
korrekten Genen können<br />
überleben, proliferieren<br />
<strong>und</strong> Antikörper<br />
produzieren<br />
Zelltod<br />
Anti<br />
A<br />
Kein<br />
Antikörper<br />
Anti<br />
X<br />
Versuchsplatte<br />
+ – – – Resultat<br />
Antikörper, die durch<br />
individuelle Klone<br />
produziert wurden,<br />
werden getestet auf<br />
ihre Bindungsaffinität<br />
gegen das bestimmte<br />
Antigen (Antigen A),<br />
um Zellen zu identifizieren,<br />
welche monoklonale<br />
Antikörper mit der<br />
gewünschten Affinität<br />
produzieren<br />
Abbildung 4.7. Die Produktion monoklonaler Antikörper mit der Hybridom-Technik.<br />
4.13
4<br />
Antikörper von einer unsterblichen B-Zell-Linie produziert, was bedeutet, dass die Versorgung<br />
mit dem Antikörper auf lange Zeit gewährleistet ist. Ein anderer wichtiger Vorteil der Hybridom-<br />
Technik zur Produktion monoklonaler Antikörper ist die Möglichkeit der Produktion grösserer<br />
Mengen des monoklonalen Antikörpers. Die wichtigsten Anwendungsarten monoklonaler<br />
Antikörper werden in Tabelle 4.2 dargestellt, <strong>und</strong> einige davon werden auch noch im Detail in<br />
Kapitel 6 beschrieben.<br />
Tabelle 4.2. Klinische Applikationen monoklonaler<br />
Antikörper bei <strong>Krebs</strong>.<br />
Diagnose<br />
● Screening der Körperflüssigkeiten (Serum, Sputum, Ergüsse, Urin, zerebrospinale<br />
Flüssigkeit) auf die Anwesenheit von zirkulierendem TAA (Tumor-assoziiertem<br />
Antigen)<br />
● Nukleares Scannen mit radioaktiven monoklonalen Antikörpern<br />
– Suche nach primären Läsionen oder Metastasen<br />
– Lymphoszintigraphie, um einen Lymphknotenbefall festzustellen.<br />
● Verwendung von radioaktiven monoklonalen Antikörpern mit intraoperativer<br />
γ-Strahlen-Messung<br />
● Immunopathologie<br />
– diagnostisches Dilemma: bösartig oder gutartig<br />
– Differentialdiagnostik der Tumorart<br />
– Subklassifikation des Tumors anhand der TAA-Expression<br />
• Metastasierungspotential<br />
• Spezifische Metastasierungsorte<br />
• voraussichtliches Ansprechen auf spezifische <strong>the</strong>rapeutische Kuren<br />
• Prognose<br />
Monitoring der Krankheitsprogression<br />
● Screening von Körperflüssigkeiten auf zirkulierendes TAA (Tumor-assoziiertes<br />
Antigen)<br />
● Nukleares Scannen mit radiobeladenem Kontrastmittel, um ein Wiederauftreten des<br />
Tumors zu entdecken oder dessen Grösse festzustellen<br />
● Immunopathologie zur Entdeckung okkulter Metastasen<br />
– Aspirationszytologie<br />
– Lymphknoten- oder Knochenmarksbiopsie<br />
– Zytologie von Körperflüssigkeiten<br />
Therapie<br />
● Direkte Zytotoxizität von monoklonalen Antikörpern (z.B. Herceptin ® , MabThera ® )<br />
– Komplement-vermittelt<br />
– Zell-vermittelt<br />
● Medikamentöse Ergänzung von monoklonalen Antikörpern (z.B. Doxorubicin)<br />
● Toxin-Ergänzung von monoklonalen Antikörpern (z.B. Ricin)<br />
● Radionuklid-Ergänzung von monoklonalen Antikörpern<br />
● Ex-vivo Tumor-Entfernung von gesammeltem Knochenmark<br />
● Hemmung von Rezeptoren für Wachstumsfaktoren<br />
4.14
4<br />
Immunsystem <strong>und</strong> Krankheit<br />
Das Immunsystem ist normalerweise dazu da, den Körper vor fremden Organismen zu schützen<br />
<strong>und</strong> so Infektionen <strong>und</strong> Schäden zu verhüten. Jedoch kann die normale Aktivität des<br />
Immunsystems in gewissen Fällen auch Krankheiten verursachen. Ein Beispiel dafür ist die<br />
Tuberkulose, bei welcher das Bakterium der Zerstörung durch die Makrophagen widersteht <strong>und</strong><br />
sich stattdessen im Zytoplasma des Makrophagen vermehrt. Diese Makrophagen platzen<br />
irgendwann, <strong>und</strong> so kann das Bakterium sich hin zu weiteren Makrophagen ausbreiten. Dazu<br />
kommt, dass es durch die Enzym-Aktivität des Zellinhaltes Gewebeschäden verursacht. Ein<br />
anderes Beispiel ist die Sepsis, bei welcher die normalerweise lokalisierte Antwort auf eine<br />
Infektion durch Makrophagen <strong>und</strong> natürliche Killerzellen <strong>und</strong> die Freisetzung von Zytokinen<br />
generalisiert wird <strong>und</strong> die Blutgefässe dazu bringt, durchlässig zu werden. Dies kann zu einem<br />
Blutdruckabfall, Schock <strong>und</strong> Herzversagen führen.<br />
. . . die normale<br />
Aktivität des<br />
Immunsystems<br />
kann in gewissen<br />
Fällen auch<br />
Krankheiten<br />
verursachen.<br />
Andererseits kann eine Fehlfunktion des Immunsystems ebenfalls zu Krankheiten führen. Ein<br />
bekanntes Beispiel dafür sind Allergien. Allergien entstehen durch eine übermässig grosse<br />
T-Zell-Antwort <strong>und</strong> IgE-Freisetzung als Antwort auf ein schwach immunogenes Antigen. Ein<br />
anderes Beispiel sind Immunabwehrerkrankungen wie das schwere kombinierte<br />
Immunschwäche-Syndrom <strong>und</strong> AIDS, welche aufgr<strong>und</strong> von T- <strong>und</strong> B-Zell-Mangel entstehen.<br />
Manchmal attackiert das Immunsystem auch Zellteile des Wirtes. Dies führt zu pathologischen<br />
Veränderungen, welche als Autoimmunität bezeichnet werden. Autoimmun-Reaktionen sind<br />
meist kurzlebig <strong>und</strong> lösen sich von selbst wieder auf. Aber bei 5% der Menschen gibt es eine<br />
chronische Reaktion, diese kann in seltenen Fällen lebensbedrohlich werden. Unter den<br />
Krankheiten mit einer autoimmunen Komponente sind der systemische Lupus Ery<strong>the</strong>matodes, die<br />
Addison Krankheit <strong>und</strong> die perniziöse Anämie zu finden.<br />
Zusätzlich zu diesen Erkrankungen, die wegen Fehlfunktionen des Immunsystems oder wegen<br />
der Unfähigkeit des Organismus, normale Immunfunktionen zu ihrem Ende zu führen,<br />
geschehen, spielt das Immunsystem auch eine Rolle bei <strong>Krebs</strong>.<br />
<strong>Krebs</strong><br />
Wie schon in früheren Kapiteln beschrieben, haben die meisten <strong>Krebs</strong>zellen an ihrer<br />
Zelloberfläche abnorme Moleküle oder aussergewöhnliche Mengen normaler Moleküle. So<br />
wäre es zu erwarten, dass das Immunsystem <strong>Krebs</strong>zellen angreifen würde. Dieser Prozess heisst<br />
Immunüberwachung. So ist es nicht klar, ob die Immunüberwachung eine grosse Rolle beim<br />
Schutz des Körpers gegen <strong>Krebs</strong> spielt. Es ist aber bekannt, dass Menschen, welche<br />
immunsupprimiert sind oder an AIDS leiden, häufiger an Lymphomen, Leukämien <strong>und</strong> mit Viren<br />
verb<strong>und</strong>enen <strong>Krebs</strong>arten erkranken. Die Erkrankungsrate solider Tumoren bei Menschen mit<br />
einem intakten Immunsystem <strong>und</strong> bei solchen, deren Immunsystem defekt ist, ist gleich hoch <strong>und</strong><br />
zeigt, dass die Immunüberwachung keine grosse Rolle in der Abwehr solider Tumoren spielt.<br />
Die Fähigkeit der Immunüberwachung, Tumoren zu erkennen, ist Gegenstand intensiver Studien,<br />
mit der Konzentration auf Makrophagen <strong>und</strong> NK Zellen. Die abnorme Expression von<br />
Oberflächen-Molekülen an Tumorzellen schliesst oft Rezeptoren für TNF-α ein, welcher von<br />
Makrophagen ausgeschieden wird. In-vitro wurde gezeigt, dass die Bindung von TNF-α an diese<br />
Tumorzellen oft eine Tumorzell-Apoptose herbeiführt. Dies wurde bei einem Maus-Sarkom<br />
gezeigt, wo die Blutzufuhr zum Tumor so unterb<strong>und</strong>en wurde. NK Zellen, welche den Tod der<br />
Tumorzellen veranlassen können, scheinen auch Tumorzellen zu wählen, welche eine<br />
aussergewöhnliche Molekülexpression an der Tumorzelloberfläche haben. Allerdings ist das<br />
Ausmass der Aktivität dieser Immunzellen in der Tumorzell-Zerstörung in-vivo noch nicht bekannt.<br />
. . . die meisten<br />
<strong>Krebs</strong>zellen<br />
haben an ihrer<br />
Zelloberfläche<br />
abnorme<br />
Moleküle oder<br />
aussergewöhnliche<br />
Mengen normaler<br />
Moleküle.<br />
4.15
4<br />
Das Immunsystem<br />
besteht aus<br />
Millionen von<br />
Lymphozyten-<br />
Klonen, von<br />
denen jeder eine<br />
einzigartige<br />
Zelloberfläche<br />
hat, welche ihn<br />
fähig macht, sich<br />
an ein ganz<br />
bestimmtes<br />
Antigen zu<br />
binden.<br />
. . . die<br />
Immunüberwachung<br />
hat<br />
ihre Grenzen<br />
<strong>und</strong> kann nur<br />
ungenügend der<br />
Entstehung <strong>und</strong><br />
dem Wachstum<br />
von Tumoren<br />
vorbeugen.<br />
Zusammenfassung<br />
Diese Antworten sind ideal für die Erkennung von Tumorzellen, weil sie schnell <strong>und</strong><br />
unterschiedlich sind. Zudem wird die Antwort durch das positive Feedback zwischen<br />
Makrophagen <strong>und</strong> NK Zellen aufrechterhalten <strong>und</strong> verstärkt. Im Gegensatz dazu würden<br />
zytotoxische T-Zellen in der Theorie eine starke Antwort auf Tumorzellen produzieren. Dies wird<br />
jedoch in der Realität nicht beobachtet, vielleicht weil Tumoren sich in Zonen entwickeln, wo<br />
die T-Zell-Überwachung normalerweise nicht stattfindet. Dies geschieht, weil T-Zellen dort nicht<br />
zirkulieren, wo sie eigenen Antigenen begegnen könnten. So ist also eine Tumorzelle, die sich<br />
in der Lunge entwickelt <strong>und</strong> ein nicht normales Eigen-Antigen exprimiert, nicht von der T-Zell-<br />
Überwachung betroffen. Weiter können die meisten Tumorzellen, die mit T-Zellen in Kontakt<br />
kommen, nicht erkannt werden, weil sie keine entsprechenden Antigene präsentieren. So<br />
scheint es wahrscheinlich, dass in den frühen Stadien der Tumorentwicklung T-Zellen entweder<br />
den Tumorzellen gar nicht begegnen oder dass Tumorzellen nur schwach immunogen sind.<br />
Schliesslich macht eine weitere spezifische Eigenschaft der Tumorzellen die Immunüberwachung<br />
ineffektiv. Tumorzellen eignen sich dauernd Mutationen an. Dies kann die Fähigkeit des<br />
Immunsystems, alle Tumorzellen zu erkennen, beeinflussen. In vielen Fällen sind Tumorzellen nur<br />
schwach immunogen, was die Immunantwort auf sie limitiert <strong>und</strong> so die <strong>Krebs</strong>entwicklung<br />
erlaubt.<br />
Auch wenn die Immunantwort auf Tumoren noch nicht vollständig verstanden wird, ist somit<br />
klar, dass die Immunüberwachung ihre Grenzen hat <strong>und</strong> nur ungenügend der Entstehung <strong>und</strong><br />
dem Wachstum von Tumoren vorbeugen kann.<br />
Der Zweck des Immunsystems ist der Schutz gegen alle Fremdkörper, seien es infektiöse<br />
Organismen oder nicht normale Zellen. Zwei Ebenen von Immunität sind aktiv: die angeborene<br />
Immunität <strong>und</strong> die erworbene Immunität. Das Immunsystem besteht aus Millionen von<br />
Lymphozyten-Klonen, von denen jeder eine einzigartige Zelloberfläche hat, welche ihn fähig<br />
macht, sich an ein ganz bestimmtes Antigen zu binden. Das Immunsystem beinhaltet eine<br />
Anzahl verschiedener Zelltypen: Lymphozyten, Phagozyten <strong>und</strong> dendritische Zellen. Von den<br />
Lymphozyten gibt es zwei verschiedenen Arten: B-Zellen <strong>und</strong> T-Zellen. B-Zellen produzieren<br />
Antikörper <strong>und</strong> T-Zellen sind verantwortlich für die zellvermittelte Immunantwort. Antikörper sind<br />
Y-förmige Immunoglobulin-Proteine <strong>und</strong> enthalten leichte <strong>und</strong> schwere Ketten. Es gibt fünf<br />
verschiedene Klassen von Antikörpern, sie binden Antigene <strong>und</strong> schützen so vor Infektionen.<br />
Wenn Tieren wie Kaninchen oder Mäusen mehrmals kleine Mengen von Antigenen injiziert<br />
werden, können diese zur Produktion von Antikörpern stimuliert werden. So entsteht eine<br />
Mischung verschiedener Antikörper, welche spezifisch sind für die verschiedenen Regionen des<br />
Antigen-Moleküls. Im Labor ist es möglich, Antikörper herzustellen, die ein einzelnes Antigen<br />
erkennen, diese werden monoklonale Antikörper genannt. Sie werden gezüchtet, indem man<br />
die Hybridom-Technik benutzt. Diese monoklonalen Antikörper können sowohl diagnostisch als<br />
auch in der <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie genutzt werden.<br />
4.16
4<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Definieren <strong>und</strong> beschreiben Sie die Ergebnisse einer Immunantwort <strong>und</strong> geben Sie an, warum<br />
die korrekte Identifikation eines Stoffes als fremd <strong>und</strong> potentiell schädlich so wichtig ist.<br />
2. Zeichnen <strong>und</strong> beschriften Sie ein generalisiertes Antikörper-Molekül <strong>und</strong> geben Sie an, welche<br />
Teile an Antigene <strong>und</strong> welche an andere Zellen des Immunsystems binden.<br />
3. Beschreiben Sie, wie Antikörper als Antwort auf einen Fremdstoff gebildet werden, <strong>und</strong><br />
zählen Sie die drei Hauptwege auf, wie sie wirken.<br />
4. Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen richtig oder falsch sind, <strong>und</strong> wenn sie falsch<br />
sind, geben Sie die richtige Antwort:<br />
a. Das angeborene (oder natürliche) Immunsystem antwortet schnell auf fremde Organismen.<br />
b. Wenn es einmal geprägt wurde von einem ersten Antigen-Kontakt, hat das erworbene<br />
Immunsystem ein Antigen-Gedächtnis <strong>und</strong> ist fähig, die Stärke <strong>und</strong> Effektivität der Antwort<br />
auf nachfolgende Reize mit demselben Antigen zu erhöhen.<br />
c. Die zellvermittelte Immunantwort ist Antikörper-abhängig.<br />
d. T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen, die durch ein Antigen stimuliert worden sind, sind morphologisch<br />
nicht zu unterscheiden.<br />
e. T-Zellen werden so genannt, weil sie im Thymus reifen.<br />
5. Beschreiben Sie, wie ein einzelner Typ von Antikörpern (monoklonaler Antikörper MAb) im<br />
Labor hergestellt werden kann <strong>und</strong> geben Sie zwei Vorteile von MAbs gegenüber<br />
polyklonalen Antikörpern an.<br />
6. Sowohl normale wie auch nicht normale Aktivitäten des Immunsystems können Krankheit<br />
erzeugen. Ergänzen Sie die folgenden Sätze mit dem passendsten Beispiel von Erkrankung<br />
aus der Liste:<br />
Allergische Reaktionen Autoimmun Immunüberwachung<br />
Immunabwehrschwäche- Perniziöse Anämie Tuberkulose<br />
Erkrankungen<br />
a. Bei ……………….………. widersteht das Bakterium der Zerstörung durch Makrophagen<br />
<strong>und</strong> vermehrt sich stattdessen innerhalb des Makrophagen. Wenn der Makrophag<br />
schlussendlich platzt, breitet sich das Bakterium aus, Lysosomen-Inhalt strömt aus <strong>und</strong><br />
verursacht Schäden am Gewebe des Wirts.<br />
b. ………………..………. geschehen wegen einer übermässigen T-Zell-Antwort auf ein<br />
schwach immunogenes Antigen.<br />
c. Mangel an T- <strong>und</strong> B-Zellen aus verschiedenen Gründen, inklusive T-Zell-Zerstörung, kann<br />
………………………. verursachen.<br />
d. Wenn das Immunsystem Komponenten der Wirts-Zellen angreift, dann können<br />
………………………. Erkrankungen wie ………………………. entstehen.<br />
e. Der Prozess, bei dem das Immunsystem des Körpers fähig ist, Zellen mit ungewöhnlichen<br />
Typen oder Mengen von Proteinen an ihrer Zelloberfläche zu finden <strong>und</strong> sich dagegen zu<br />
wehren, ist bekannt als ……………………….<br />
7. Obwohl viele <strong>Krebs</strong>zellen ungewöhnliche Gene oder aussergewöhnliche Mengen von<br />
Antigenen an ihrer Oberfläche haben, ist die Immunabwehr dort ineffektiv. Geben Sie zwei<br />
mögliche Erklärungen dafür.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.7.<br />
4.17
Technologien zur Ermöglichung biologischer <strong>Therapien</strong><br />
5<br />
Einführung<br />
Die Biologie galt früher als ein relativ unergründlicher Bereich der Wissenschaft mit Forschung,<br />
die primär auf Beobachtungen <strong>und</strong> Klassifizierungen verschiedener Spezies <strong>und</strong> Organismen<br />
beruhte. In den letzten 50 Jahren haben überzeugende technologische Fortschritte in der Zell<strong>und</strong><br />
Molekularbiologie sowie in der Genetik zu neuen Untersuchungsmethoden geführt, die<br />
unser Verständnis über das Verhalten von Zellen <strong>und</strong> von Genen im besonderen erweitern.<br />
Eindrückliche Fortschritte, wie die Entwicklung der rekombinanten DNA-Technologie, führten<br />
dazu, dass es heute möglich ist, bestimmte Regionen aus der DNA herauszuschneiden <strong>und</strong> fast<br />
unbegrenzt zu kopieren. So ist es möglich, die exakten Sequenzen der Basen, welche die DNA<br />
formieren, schnell zu definieren <strong>und</strong> für diesen Bereich genetisch zu bearbeiten oder neu<br />
aufzubauen <strong>und</strong> nachher wieder in die Zellkulturen einzufügen. Ein neu geschaffenes Gen kann<br />
sogar in eine Tier- oder Pflanzenzelle eingesetzt werden, wird so zu einem stabilen Teil von<br />
dessen Erbsubstanz <strong>und</strong> kann mittels Vermehrung weitergegeben werden. In diesem Kapitel<br />
wird das Gelernte vom vorhergehenden Kapitel genutzt, um die verschiedenen Komponenten<br />
der rekombinanten DNA-Technologie aufzuzeigen. Diese Komponenten haben die Art <strong>und</strong><br />
Weise, wie Forscher Zellen <strong>und</strong> biologische Prozesse untersuchen, revolutioniert <strong>und</strong> neue<br />
Möglichkeiten für medizinische Interventionen eröffnet. Wie später erwähnt wird, ist dieser<br />
Fortschritt entscheidend, weil er die Entwicklungen von Untersuchungsmethoden zur Erforschung<br />
der <strong>Krebs</strong>entstehung sowie die Entdeckung <strong>und</strong> Entwicklung von neuen <strong>Therapien</strong> erleichtert,<br />
wie zum Beispiel zielgerichtete, monoklonale Antikörper-basierte <strong>Therapien</strong> zur Bekämpfung<br />
von <strong>Krebs</strong>erkrankungen.<br />
Die Forscher sind sich darüber im Klaren, dass die Behandlung menschlicher Erkrankungen <strong>und</strong><br />
Beschwerden zukünftig stark durch heute noch unbekanntes molekulares <strong>und</strong> genetisches<br />
Wissen beeinflusst werden wird. Viele Forschungsprojekte werden heute auf internationaler<br />
Ebene durchgeführt, um fehlendes Wissen in möglichst kurzer Zeit vervollständigen zu können.<br />
Das grösste internationale Forschungsprojekt ist das „Human-Genom-Projekt“. Dieses<br />
eindrückliche Forschungsprojekt wird, im Rahmen der neuen Entdeckungen, ebenfalls in diesem<br />
Kapitel vorgestellt.<br />
5.1
5<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Verschiedene Enzyme <strong>und</strong> Technologien werden benutzt, um DNA zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />
manipulieren. Wählen Sie aus der unten stehenden Liste die passenden Enzyme oder<br />
Techniken aus, um die folgenden Aktivitäten auszuführen:<br />
DNA-Sequenzierung<br />
Gel-Elektrophorese<br />
Ligase<br />
Nukleinsäure-Hybridisierung<br />
Polymerase<br />
Restriktionsenzym<br />
Reverse Transkription<br />
DNA-Syn<strong>the</strong>se<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Produziert zusätzliche DNA (cDNA) von Boten-RNA (mRNA)<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Schneidet oder spaltet DNA für die Analyse in Fragmente<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Verbindet DNA-Fragmente<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Separiert DNA-Fragmente entsprechend ihrer Grösse<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Ordnet die Basen-Paare in DNA-Fragmente<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Ermöglicht die genaue Lokalisation der DNA oder RNA<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
2. Das Klonen von Genen ist entscheidend für viele Techniken bei der Analyse von Genen <strong>und</strong><br />
für das Verstehen ihrer Funktion. Beschreiben Sie die gr<strong>und</strong>legenden Schritte für das Klonen<br />
von DNA.<br />
3. Manchmal werden viele Fragmente zur selben Zeit geklont, um eine Art Biblio<strong>the</strong>k von<br />
Klonen aufzubauen. Wie kann ein Klon, welcher ein spezielles DNA-Fragment enthält,<br />
identifiziert werden?<br />
4. Die Fähigkeit, Proteine in grossen Mengen herzustellen, ist eine der Haupterrungenschaften<br />
der Gentechnologie. Beschreiben Sie einige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen der<br />
Gentechnologie, speziell im Bezug auf <strong>Krebs</strong>.<br />
5. Unten finden Sie ein schematisches Diagramm mit den Zielen funktionaler Genetik.<br />
Beschreiben Sie, was das Diagramm darstellt, <strong>und</strong> weisen Sie darauf hin, welche Rolle das<br />
Human-Genom-Projekt <strong>und</strong> die Bioinformatik in diesem Prozess spielen können.<br />
Gen<br />
Eiweiss<br />
Funktion<br />
Struktur<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.10.<br />
5.2
5<br />
Technische Entwicklungen<br />
Rekombinante DNA-Technologie<br />
Die rekombinante DNA-Technologie hat die Art, wie Forscher Zellen <strong>und</strong> deren biologischen<br />
Abläufe untersuchen, revolutioniert <strong>und</strong> hat für die Medizin Türen geöffnet. Die rekombinante<br />
DNA-Technologie umfasst Methoden, die die Untersuchung <strong>und</strong> – besonders wichtig – die<br />
Manipulation von Struktur <strong>und</strong> Funktion der DNA in einer Zelle ermöglichen. Die wichtigsten<br />
Techniken in der rekombinanten DNA-Technologie sind:<br />
● DNA-Syn<strong>the</strong>se, Spaltung <strong>und</strong> Umwandlung unter Anwendung von Enzymen<br />
● DNA-Sequenzierung, eine Technik, welche die Reihenfolge der Basen in der DNA aufzeigt<br />
● Nukleinsäure-Hybridisierung, welche die präzise Lokalisation der DNA oder RNA mit Hilfe<br />
einer Testsubstanz ermöglicht<br />
● Klonen von DNA, was die Produktion einer scheinbar unbegrenzten Anzahl von Kopien<br />
eines spezifischen DNA-Teils ermöglicht<br />
● Gentechnologie, welche ermöglicht, Generationen von abgewandelten Genen in Zellen<br />
oder Organismen zu integrieren.<br />
DNA-Syn<strong>the</strong>se, Spaltung <strong>und</strong> Modifikation unter Anwendung von Enzymen<br />
Enzyme (Eiweisse, welche eine Reaktion einleiten) spielen eine entscheidende Rolle in der<br />
Isolation <strong>und</strong> Manipulation von individuellen Genen in der rekombinanten DNA-Technologie.<br />
DNA kann viele Enzyme syn<strong>the</strong>tisieren, ausschneiden oder umwandeln. DNA-syn<strong>the</strong>tisierende<br />
Enzyme, welche auch DNA-Polymerase genannt werden, produzieren einen neuen DNA-<br />
Strang, ergänzend zum alten Strang (Vorlage) <strong>und</strong> sind in die DNA-Replikation involviert. In<br />
ähnlicher Weise wird eine ergänzende DNA (cDNA) von der mRNA syn<strong>the</strong>tisiert, wobei das<br />
Enzym Transkriptase (Reverse Transcriptase) eine bestimmte Funktion hat. Wie später gezeigt<br />
wird, können mRNA-Moleküle im Labor isoliert werden <strong>und</strong> als Vorlage dienen, um einen<br />
cDNA-Strang zu syn<strong>the</strong>tisieren, welcher dann für die Lokalisierung der korrespondierenden<br />
Gene auf den Chromosomen verwendet werden kann. Weil cDNA nach Vorlage der mRNA<br />
entsteht, enthält sie nur kodierende DNA-Sequenzen (Exons), was vorteilhaft ist für das Ableiten<br />
der Aminosäuren-Sequenz eines Proteins oder für die Produktion grösserer Eiweissmengen mit<br />
Hilfe von Bakterien- oder Hefezellen. (Die DNA des Genoms enthält Exons, die durch nicht<br />
kodierende Sequenzen, genannt Introns getrennt werden. Während der Transkription von DNA<br />
zu RNA werden die Introns weggelassen. So wird ein RNA-Strang produziert, welcher nur noch<br />
kodierende Sequenzen enthält.)<br />
Viele Enzyme, so genannte Restriktionsenzyme, schneiden DNA an einem zufälligen oder<br />
beabsichtigten Ort aus. Ausschneidevorgänge können nur einen oder beide Stränge zur selben<br />
Zeit betreffen. Am Ende des Stranges ist das Enzym Exonuklease <strong>und</strong> inmitten des Stranges das<br />
Enzym Endonuklease zuständig. Ligasen sind ebenfalls wichtige Enzyme in der rekombinanten<br />
DNA-Technologie, weil sie verschiedene DNA-Stränge befähigen, sich zu verbinden <strong>und</strong> neue<br />
DNA-Stränge mit einer unterschiedlichen Zusammensetzung zu bilden.<br />
DNA-Sequenzierung<br />
Die DNA-Sequenzierung ist eine wirkungsvolle <strong>und</strong> sehr wichtige Technik, welche auf der<br />
Technik der Gel-Elektrophorese basiert. Gel-Elektrophorese ist eine Technik, die DNA-Fragmente<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer Grösse trennen kann. Eine Mischung von DNA-Fragmenten mit unterschiedlichen<br />
Grössen wird in ein farbloses Gel appliziert, welches ein komplexes Netzwerk von Poren<br />
Enzyme spielen<br />
eine<br />
entscheidende<br />
Rolle in der<br />
Isolation <strong>und</strong><br />
Manipulation von<br />
individuellen<br />
Genen in der<br />
rekombinanten<br />
DNA-Technologie.<br />
Gel-<br />
Elektrophorese ist<br />
eine Technik, die<br />
DNA-Fragmente<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />
Grösse trennen<br />
kann.<br />
5.3
5<br />
aufweist, <strong>und</strong> durch welches die DNA schlüpfen kann. DNA hat insgesamt eine negative<br />
Ladung, so dass mit Hilfe von elektrischem Strom im Gel DNA-Fragmente in Richtung der<br />
positiven Elektrode bewegt werden können. Je kürzer das Fragment, desto schneller kann es<br />
durch das Gel wandern. Die DNA-Fragmente trennen sich aufgr<strong>und</strong> ihrer unterschiedlichen<br />
Grösse. Normalerweise wird eine Färbung verwendet, um die DNA <strong>und</strong> damit das Resultat<br />
sichtbar zu machen. Wenn ein Referenz-Fragment mit bekannter Länge sich neben einem<br />
unbekannten DNA-Fragment befindet, ist es möglich, die Länge des Fragments zu bestimmen.<br />
Durch die DNA-<br />
Sequenzierung<br />
kann die exakte<br />
Reihenfolge der<br />
Basen-Paare in<br />
einem DNA-<br />
Segment festgelegt<br />
werden.<br />
Durch die DNA-Sequenzierung kann die exakte Reihenfolge der Basen-Paare in einem DNA-<br />
Segment festgelegt werden. Abbildung 5.1 zeigt einen kleinen Teil einer Darstellung einer<br />
Fluoreszenz-basierten Gel-Sequenzierung. Jede Spitze korrespondiert mit einem durch<br />
Fluoreszenz bezeichneten DNA-Fragment, welches mit einer bestimmten Base endet. Auf diese<br />
Weise können Forscher DNA-Sequenzen ermitteln. Diese Information erlaubt es festzustellen,<br />
wo ein Gen (Mapping) sich befindet <strong>und</strong> für welches Protein es kodiert. Wenn die DNA<br />
manipuliert wird, dient dies auch der Überprüfung, ob einzelne Schritte in einem Vorgang<br />
erfolgreich waren. Das Erkennen der DNA-Sequenz gibt uns Auskunft über das Eiweiss, für<br />
welches die DNA kodiert.<br />
C AAC A A T G A T T T T A G A<br />
G G AAT G A T G C<br />
Abbildung 5.1. Ausschnitt aus einer Darstellung einer Fluoreszenz-basierten Gel-Sequenzierung.<br />
Es gibt<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
zwei<br />
Sequenzierungsverfahren,<br />
welche<br />
nach ihren<br />
Erfindern benannt<br />
sind: Maxam-<br />
Gilbert <strong>und</strong><br />
Sanger.<br />
Es gibt gr<strong>und</strong>sätzlich zwei Sequenzierungsverfahren, welche nach ihren Erfindern benannt sind:<br />
Maxam-Gilbert <strong>und</strong> Sanger. Beide Methoden basieren auf der sehr exakten Trennung von DNA-<br />
Molekülen mit Hilfe der Gel-Elektrophorese. Beispielsweise können Fragmente, die sich in der<br />
Grösse nur durch ein einzelnes Nukleotid unterscheiden, getrennt werden. Sie unterscheiden<br />
sich primär dadurch, wie Familien von DNA-Fragmenten, die auf dem Original-DNA-Molekül<br />
basieren, produziert werden. Inzwischen sind beinahe alle Schritte in diesen<br />
Sequenziermethoden automatisiert.<br />
Bei der Maxam-Gilbert-Sequenzierungsmethode werden Chemikalien benutzt, die die DNA bei<br />
bestimmten Basen aufspaltet. So entstehen Fragmente von verschiedener Länge. Im Gegensatz<br />
dazu wird bei der Sanger-Sequenzierungsmethode ein enzymatisches Verfahren verwendet, um<br />
DNA-Ketten von verschiedener Länge in vier verschiedenen Reaktionsschritten zu syn<strong>the</strong>tisieren,<br />
indem die DNA-Replikation an einer der vier Basen gestoppt <strong>und</strong> dann die Länge der<br />
Fragmente bestimmt wird.<br />
5.4
5<br />
Kürzlich wurde auch die auf kapillarer <strong>und</strong> ultradünner Elektrophorese basierende<br />
Sequenzierung entwickelt. Beide Methoden erhöhen die Rate der Fragment-Trennung. Mit einer<br />
gellosen Sequenzierungstechnologie der dritten Generation erhofft man sich eine effizientere<br />
Arbeitsweise <strong>und</strong> erwartet, dass sie bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms<br />
angewandt werden kann.<br />
Nukleinsäure-Hybridisierung<br />
Die Information der DNA-Sequenz ist ebenfalls hilfreich, weil sie die Generierung einer<br />
Hybridisierungsprobe speziell für eine bestimmte Sequenz erlaubt. Nukleinsäuren-<br />
Hybridisierung entspricht einer Technik, die die präzise Lokalisation von DNA (Sou<strong>the</strong>rn Blot)<br />
oder RNA (Nor<strong>the</strong>rn Blot) mit Hilfe einer Probe erlaubt (Abbildung 5.2). Die Hybridisierung ist<br />
wichtig für verschiedene diagnostische Zwecke, welche weiter unten besprochen werden.<br />
Das Klonen von Genen<br />
Ein Klon ist eine Gruppe von identischen Genen, Zellen oder Organismen, die vom selben<br />
Vorläufer abstammen. Die Fähigkeit, Gene zu klonen, hat weitgehende Einflüsse auf die<br />
Forschung. Das Klonen von Genen besteht aus der Isolation spezieller DNA-Segmente von<br />
ihrem Wirtorganismus <strong>und</strong> deren Vermehrung (Amplifizierung) im gleichen oder einem<br />
Inkubation<br />
Die komplementäre (ergänzende)<br />
Einzelstrang-Probe ist radioaktiv markiert<br />
AGCCA<br />
TGTGC<br />
ACACG<br />
TCGGT<br />
Einzelstrang-DNA, getrennt <strong>und</strong><br />
immobilisiert an einer Membran<br />
AGCCA<br />
TCGGT<br />
TGTGC<br />
ACACG<br />
Die Probe wird hybridisiert (gekreuzt)<br />
mit der immobilisierten,<br />
komplemetären DNA auf der Membran<br />
Radioaktive Signale auf einem Röntgenfilm<br />
werden mit Autoradiographie erkannt<br />
Röntgenfilm<br />
Die DNA-Fragmente werden als<br />
Bänder auf einem Film sichtbar gemacht<br />
Abbildung 5.2 Nukleinsäuren-Hybridisierungstechnik.<br />
5.5
5<br />
unterschiedlichen Wirt, mit dem Ziel, identische Kopien zu produzieren. Das Klonen erlaubt die<br />
Analyse von Gen-Sequenzen. Umgekehrt erlaubt dieses Wissen die Ableitung einer Protein-<br />
Sequenz, für welche die DNA kodiert. Trotzdem ist es nötig, die Aminosäuren-Sequenz mit der<br />
eines besser charakterisierten Eiweisses zu vergleichen, um die dreidimensionale Struktur des<br />
Eiweisses bestimmen zu können. Wenn Eiweisse einen hohen Grad an Sequenz-Ähnlichkeit<br />
aufweisen (Homologie), wird angenommen, dass auch die Funktion ähnlich ist.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzliche Klon-Methode<br />
Die wesentlichen Schritte um ein Gen zu klonen (Abbildung 5.3):<br />
1. Ein Fragment der DNA, welches das zu klonende Gen enthält, wird in ein zirkuläres DNA-<br />
Molekül, genannt Vektor, eingesetzt. Das Einfügen eines zu untersuchenden Gens in den<br />
Vektor produziert eine Chimäre beziehungsweise ein rekombinantes DNA-Molekül.<br />
2. Der Vektor dient als Transportmittel, um das Gen in die Wirtzelle zu transportieren. In der<br />
Wirtzelle vervielfacht sich der Vektor in zahlreiche identische Kopien, nicht nur von sich<br />
selbst, sondern auch von dem Gen, in dem er sich befindet.<br />
Fremde DNA<br />
Gen für<br />
Antibiotika-<br />
Resistenz<br />
Plasmid<br />
PstI<br />
PstI<br />
Ausgewählte Region<br />
PstI<br />
1. Schritt<br />
PstI<br />
PstI<br />
Haftende<br />
Enden<br />
Hybridisierung mit<br />
Hilfe von DNA-Ligase<br />
Rekombinante<br />
DNA<br />
Insertion (Einfügen)<br />
von DNA<br />
2. Schritt<br />
Bakterienzelle<br />
Bakterien-<br />
Chromosom<br />
Klonen<br />
3. Schritt<br />
Klon<br />
4. Schritt<br />
Bakterien beschichten ein<br />
Antibiotika-enthaltendes Medium<br />
Nur Bakterien mit der rekombinanten<br />
DNA können wachsen<br />
Kultur<br />
DNA-<br />
Reinigung<br />
Abbildung 5.3. Gr<strong>und</strong>sätzliche Methode für das Klonen von Genen in einem Plasmid.<br />
5.6
5<br />
3. Wenn die Wirtzelle sich teilt, enthalten die neuen Zellen Kopien des rekombinanten DNA-<br />
Moleküls <strong>und</strong> die weitere Vektor-Reproduktion findet statt.<br />
4. Durch viele Zellteilungen werden eine Kolonie oder ein Klon von identischen Wirtzellen<br />
produziert. Jede Zelle im Klon enthält eine oder mehrere Kopien des rekombinanten DNA-<br />
Moleküls. Das Gen im rekombinanten Molekül ist nun geklont.<br />
Plasmide <strong>und</strong> Bakteriophagen<br />
Zwei Typen von natürlich vorkommenden Vektoren werden üblicherweise als Transportmittel<br />
zum Klonen gebraucht: Plasmide <strong>und</strong> Bakteriophagen. Plasmide sind kleine Ringe von DNA,<br />
die in Bakterien <strong>und</strong> einigen anderen Organismen vorkommen. Plasmide replizieren sich<br />
unabhängig von dem Chromosom der Wirtzelle <strong>und</strong> führen fast immer ein oder mehrere Gene<br />
mit sich, die für nützliche Eigenschaften, welche vom Wirt-Bakterium vorgegeben werden,<br />
verantwortlich sind. Ein Beispiel ist die Antibiotika-Resistenz. Ein Antibiotika-Resistenz-Gen ist<br />
hilfreich, da es als wählbarer Marker dient, um sicherzustellen, dass die Bakterien in einer<br />
Kultur ein bestimmtes Plasmid enthalten. Kleine Plasmide benutzen gelegentlich einige der Wirt-<br />
Enzyme für die Replikation (Vervielfältigung), während grössere oft Gene in sich tragen, welche<br />
für die Enzyme kodieren, die sie für die Replikation brauchen. Wenige Arten eines Plasmids<br />
sind in ein Bakterien-Chromosom eingebaut <strong>und</strong> werden Episome genannt.<br />
Zwei Typen von<br />
natürlich<br />
vorkommenden<br />
Vektoren werden<br />
üblicherweise als<br />
Transportmittel<br />
zum Klonen<br />
gebraucht:<br />
Plasmide <strong>und</strong><br />
Bakteriophagen.<br />
Grösse <strong>und</strong> Anzahl der Kopien sind zwei sehr wichtige Eigenschaften eines Plasmids. Eine<br />
Grösse von weniger als 10kb (bezieht sich auf die Anzahl Basen im genetischen Material der<br />
Plasmide, in diesem Fall weniger als 10’000) ist für das Klonen wünschenswert. Grössere<br />
Plasmide neigen zur Instabilität <strong>und</strong> können, im Bestreben eine stabile Grösse zu erhalten, jede<br />
zusätzlich eingefügte DNA abstossen. Die Anzahl Kopien bezieht sich auf die Anzahl Moleküle<br />
eines individuellen Plasmids, die man normalerweise in einer einzelnen Bakterienzelle findet.<br />
Eine grosse Kopienzahl ist für die Produktion einer grossen Menge rekombinanter DNA-<br />
Moleküle wünschenswert.<br />
Bakteriophagen oder Phagen (Viren, welche speziell Bakterien infizieren) sind ebenfalls<br />
geeignete Vektoren zum Klonen. Sie bestehen aus einem DNA- oder manchmal RNA-Molekül,<br />
welches mehrere Gene beinhaltet, einschliesslich solcher, welche zur Phagen-Replikation<br />
benötigt werden. Die Nukleinsäure wird von einer Eiweisshülle, genannt Kapsid, umgeben.<br />
Wenn der Phage das Bakterium infiziert, heftet er sich auf die Aussenseite des Bakteriums <strong>und</strong><br />
injiziert sein DNA-Chromosom in die Zelle. Die Phagen-DNA wird dann repliziert <strong>und</strong> die<br />
Eiweisshülle syn<strong>the</strong>tisiert. Neue Phagen-Partikel sammeln sich <strong>und</strong> werden durch Lyse des<br />
Bakteriums freigesetzt. Während der Infektion wird das DNA-Molekül des Bakteriophagen in<br />
die Wirtzelle injiziert, wo es weiter repliziert wird. M13 <strong>und</strong> λ sind zwei üblicherweise<br />
gebrauchte Typen von Phagen-Vektoren.<br />
Für erfolgreiches<br />
Klonen ist man auf<br />
gereinigte DNA<br />
angewiesen.<br />
Viren werden oft als Transportmittel zum Klonen von Tierzellen benutzt. Üblich sind die bei<br />
Säugetieren vorkommenden Viren, wie Adenoviren <strong>und</strong> Simian-Viren 40 (SV40).<br />
Reinigung der DNA<br />
Für erfolgreiches Klonen ist man auf gereinigte DNA angewiesen. Normalerweise müssen<br />
mindestens drei verschiedene Arten von DNA durch den Gentechniker gereinigt werden. Zuerst<br />
die DNA der ganzen Zelle, die aus Bakterienkulturen oder Tierzellen stammt <strong>und</strong> von der wir<br />
die zu klonenden Gene erhalten. Als zweites wird reine Plasmid-DNA (Vektor-DNA) von<br />
bakterieller chromosomaler DNA gereinigt. Wenn Phagen zum Klonen eingesetzt werden, wird<br />
ausserdem gereinigte Phagen-DNA benötigt.<br />
5.7
5<br />
Um ein<br />
rekombinantes<br />
DNA-Molekül zu<br />
produzieren, ist es<br />
nötig, den Vektor<br />
<strong>und</strong> die zu<br />
klonende DNA an<br />
bestimmten Stellen<br />
zu zerschneiden<br />
<strong>und</strong> sie dann<br />
zusammenzufügen<br />
(Ligation).<br />
Es gibt verschiedene Methoden, um Zell-DNA von Bakterien <strong>und</strong> anderen Organismen zu<br />
reinigen. Den Methoden gemeinsam ist das Sammeln von Zellen <strong>und</strong> deren anschliessende<br />
Öffnung, damit sie ihren Inhalt freisetzen. Das Zell-Extrakt wird dann behandelt, um alle<br />
Zellkomponenten, mit Ausnahme der DNA, zu entfernen. Die unerwünschten Bestandteile<br />
werden Verunreinigungen genannt <strong>und</strong> enthalten Eiweisse <strong>und</strong> RNA. Schlussendlich wird die<br />
DNA in der Lösung konzentriert.<br />
Die Reinigung von Plasmid-DNA erfolgt nach dem gleichen Prinzip, beinhaltet aber zusätzliche<br />
Schritte um die Plasmid-DNA von der bakteriellen chromosomalen DNA zu trennen. Dies kann<br />
durch Zentrifugieren der Mischung von beiden DNAs mit hoher Geschwindigkeit oder mit Hilfe<br />
von Gel-Filtration oder Affinitäts-Chromatographie erfolgen. Die beiden DNA-Typen werden<br />
entsprechend ihrer Grösse <strong>und</strong> ihrer elektrischen Ladung getrennt.<br />
Die Bildung von rekombinanter DNA aus gereinigter DNA<br />
Um ein rekombinantes DNA-Molekül zu produzieren, ist es nötig, den Vektor <strong>und</strong> die zu<br />
klonende DNA an bestimmten Stellen zu zerschneiden <strong>und</strong> sie dann zusammenzufügen<br />
(Ligation). Dabei ist es wichtig, dass die Enden zusammenpassen, damit sie sich erfolgreich<br />
ligieren (verbinden) können <strong>und</strong> dass die Richtung der Insertion (Einfügung) der DNA in den<br />
Vektor korrekt ist.<br />
Die Spaltung gereinigter DNA beim Klonen wird mit Hilfe hochgereinigter Enzyme, genannt<br />
Restriktionsenzyme, durchgeführt. Typ II Restriktions-Endonukleasen schneiden an bestimmten<br />
Stellen, genannt Restriktionsorte. Sie sind die hilfreichsten Schneide-Enzyme beim Klonen aus<br />
Genen (Abbildung 5.4). Restriktionsenzyme werden aus verschiedenen Bakterien isoliert. Ihre<br />
natürliche biologische Funktion ist, die Bakterien vor Angriffen durch Viren-DNA oder durch<br />
andere fremde DNA zu schützen. Sie erkennen kurze DNA-Sequenzen <strong>und</strong> zerschneiden die<br />
DNA-Moleküle an bestimmten Erkennungsorten. Einige Restriktionsenzyme zerschneiden die<br />
DNA nur selten <strong>und</strong> generieren eine kleine Zahl sehr grosser Fragmente (mehrere tausend bis<br />
eine Million Basenpaare). Die Mehrzahl der Restriktionsenzyme aber zerschneiden die DNA<br />
häufiger, in eine grosse Anzahl kleiner Fragmente (weniger als 100 bis über<br />
A<br />
HpaI<br />
5'––N N G T T A A C N N––3'<br />
3'––N N C A A T T G N N––5'<br />
Cut<br />
5'––N N G T T<br />
3'––N N C A A<br />
A A C N N––3'<br />
T T G N N––5'<br />
B<br />
EcoRi<br />
5'––N N G A A T T C N N––3'<br />
3'––N N C T T A A G N N––5'<br />
Cut<br />
5'––N N G A A T T C N N––3'<br />
3'––N N C T T A A G N N––5'<br />
C<br />
Pst I<br />
5'––N N C T G C A G N A––3'<br />
3'––N N G A C G T C N N––5'<br />
Cut<br />
5'––N N C T G C A G N N––3'<br />
3'––N N G A C G T C N N––5'<br />
Abbildung 5.4. DNA-Sequenzen, welche durch drei häufig gebrauchte Typ II Restriktionsenzyme<br />
erkannt werden. Diese Restriktionsenzyme hinterlassen (A) ein stumpfes oder (B <strong>und</strong> C) gestufte<br />
Enden.<br />
5.8
5<br />
1’000 Basenpaare). Individuelle Restriktionsenzyme haben ganz bestimmte, verschiedene<br />
Erkennungsorte, während einige den Erkennungsort miteinander teilen. Üblicherweise haben<br />
sie eine Länge von vier, sechs oder acht Basenpaaren. Seitdem viele H<strong>und</strong>erte von<br />
verschiedenen Restriktionsenzymen charakterisiert werden konnten, kann die DNA zum Klonen<br />
in viele kleine Fragmente mit unterschiedlichen Endungen zerlegt werden.<br />
Je nach Klonforschungsprojekt können Fragmente mit stumpfem Ende (in diesem Fall werden<br />
beide Stränge exakt in der Mitte der Erkennungssequenz zerschnitten) oder Fragmente mit<br />
gestuftem Ende (die Schnittstelle befindet sich innerhalb der Erkennungssequenz, wobei ein<br />
Strang etwas länger bleibt als der andere <strong>und</strong> überhängt) gebildet. Letztgenannter Typ der<br />
Restriktionsreaktion bildet „klebende“ Enden. Eine hilfreiche Eigenschaft der Restriktionsenzyme<br />
ist, dass unterschiedliche Erkennungsorte die gleichen klebenden Enden produzieren, so dass<br />
Fragmente, die durch Spaltung mit zwei unterschiedlichen Enzymen hergestellt wurden, mit<br />
Hilfe ihrer komplementären Enden zusammengefügt werden können.<br />
Bevor die Vektoren zum Klonen eingesetzt werden können, werden die gereinigten Plasmid-<br />
DNA-Ringe zuerst mit einer Restriktions-Endonuklease auseinander geschnitten, um lineare<br />
DNA-Moleküle zu formen. Die zu benutzende zelluläre DNA wird mit der gleichen Restriktions-<br />
Endonuklease geschnitten. Die entstandenen Fragmente, welche das zu klonende Gen<br />
enthalten, werden den Plasmiden beigefügt <strong>und</strong> abgekühlt um rekombinante DNA-Ringe zu<br />
formen. Diese rekombinanten Moleküle werden mit Hilfe einer DNA-Ligase kovalent geb<strong>und</strong>en.<br />
Transfektion<br />
Die rekombinanten Moleküle werden dann mittels eines Verfahrens, das man Transfektion<br />
nennt, in Zellen eingefügt (meist in Bakterien- oder Hefezellen) (Abbildung 5.3). Bei der<br />
Transfektion müssen Zellen eine durchlässigere Membran als üblich besitzen, um die Aufnahme<br />
der DNA zu ermöglichen. Dies wird erreicht durch bestimmte chemische/physikalische<br />
Methoden. Diese Zellen werden als kompetent bezeichnet. Da nur von einem kleinen Teil der<br />
Zellen die DNA tatsächlich aufgenommen wird, ist es nötig, in einem Auswahlverfahren die<br />
Zellen (so genannte Transfektanten) zu identifizieren, die transfiziert worden sind. Hier ist der<br />
Einsatz eines wählbaren Markers hilfreich, der durch ein Plasmid transportiert wird.<br />
Ein wählbarer Marker ist ein Gen, das eine transfizierte Zelle mit neuen Merkmalen ausstattet.<br />
Dies kann eine Antibiotikaresistenz sein, welche bei nicht-transfizierten Zellen nicht vorkommt.<br />
Nur Transfektanten können bei Vorhandensein von Antibiotika wachsen. Diese überlebenden<br />
Zellen sollen eine DNA-Sammlung enthalten, welche einer ungeordneten Reihe von geklonten<br />
DNA-Fragmenten entspricht.<br />
Die<br />
rekombinanten<br />
Moleküle werden<br />
mittels eines<br />
Verfahrens, das<br />
man Transfektion<br />
nennt, in Zellen<br />
(meist in<br />
Bakterien- oder<br />
Hefezellen)<br />
eingefügt.<br />
Die Auswahl des gewünschten Klons<br />
Nur wenige der überlebenden Bakterien werden das rekombinante Plasmid mit dem zu<br />
isolierenden Gen enthalten. Es gibt verschiedene Ansätze, um die gewünschten Klone in der<br />
DNA-Sammlung zu identifizieren. Eine Möglichkeit ist, ein Stück saugfähiges Papier in die<br />
Kultur mit den wachsenden Bakterienkolonien einzutauchen. Die Zellen bleiben am Papier<br />
kleben <strong>und</strong> werden mit einer radioaktiven DNA-Probe, welche die Sequenz des gesuchten<br />
Gens beinhaltet, untersucht. Die radioaktive Probe hybridisiert zum entsprechenden Gen <strong>und</strong><br />
kann dann durch die Exposition des Papiers auf einem fotografischen Film sichtbar gemacht<br />
werden. Dieser Prozess der Hybridisierung ist eine Form von Screening.<br />
Eine andere Screening-Methode um die Ech<strong>the</strong>it von Bakterien-Klonen zu prüfen, ist die in-vitro<br />
Translation. Bei dieser Methode wird die geklonte DNA benutzt, um die komplementären<br />
mRNA-Moleküle von einem Gemisch aus zellulärer mRNA zu reinigen. Dieser Prozess wird<br />
5.9
5<br />
Hybrid-Selektion genannt. Die produzierten Eiweisse werden dann mit denen verglichen, die<br />
man erwartet.<br />
Eine Genbank ist<br />
eine Sammlung<br />
einer genügenden<br />
Menge Klone, die<br />
mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit<br />
jedes einzelne<br />
Gen eines<br />
bestimmten<br />
Genoms von<br />
einem<br />
Organismus<br />
enthalten.<br />
Die Genbank<br />
Eine Genbank ist eine Sammlung einer genügenden Menge Klone, die mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit jedes einzelne Gen eines bestimmten Genoms von einem Organismus<br />
enthalten. Genbanken werden durch Reinigung der zellulären DNA hergestellt. Dies geschieht<br />
durch Zerteilen der DNA mit Hilfe von Restriktionsenzymen, um eine Serie von Fragmenten zu<br />
produzieren, die man in einen passenden Vektor klont. Es ist ebenfalls möglich, Chromosomenspezifische<br />
Sammlungen anzulegen, die aus Fragmenten bestehen, welche von der DNA eines<br />
bestimmten Chromosoms abstammen.<br />
Gentechnologie<br />
Um die Struktur <strong>und</strong> Funktion von einzelnen Proteinen, wie Onkoproteinen, zu studieren, ist es<br />
nötig, genügend Proteine zur Verfügung zu haben. Die meisten Proteine in einer tierischen<br />
Zelle, inklusive solcher mit sehr wichtigen Funktionen, sind nur in kleinen Mengen vorhanden.<br />
Das macht es schwierig oder gar unmöglich, das reine Protein zu isolieren. Einer der<br />
wichtigsten Beiträge des DNA-Klonens <strong>und</strong> der Gentechnologie für die Zellbiologie ist, dass es<br />
nun möglich ist, Zellproteine auch in grossen Mengen zu produzieren. Die Gentechnologie<br />
wendet rekombinante DNA-Technologie an, um das Gen für das gewünschte Eiweiss zu klonen<br />
<strong>und</strong> es in ein speziell hoch replizierendes Stück der DNA, einem so genannten Expressions-<br />
Vektor, einzusetzen. Dieser kann dann grosse Mengen des Proteins produzieren.<br />
Die Gentechnologie hat wichtige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen. Zum Beispiel ist das Klonen<br />
aller Gene für einen bestimmten biosyn<strong>the</strong>tischen Pfad <strong>und</strong> deren Überexpression eine<br />
Möglichkeit, um eine bestimmte intrazelluläre Komponente zu vermehren. Im Gegensatz dazu<br />
ist es möglich, einen Pfad zu unterbrechen, um zu verhindern, dass ein bestimmtes Produkt<br />
hergestellt wird. Es ist wichtig zu wissen, dass Gentechnologie nicht auf Proteine begrenzt ist.<br />
Sie kann eine Überexpression aller zu klonenden Gene ermöglichen.<br />
. . . kürzlich<br />
haben Fortschritte<br />
in der<br />
Gentechnologie<br />
nicht-menschliche<br />
Quellen von<br />
Antikörpern wie<br />
Herceptin ® <strong>und</strong><br />
MabThera ®<br />
ermöglicht.<br />
Zudem ermöglicht die Gentechnologie den Aufbau von Proteinen von jeder gewünschten<br />
Sequenz. Zum Beispiel haben kürzlich Fortschritte in der Gentechnologie nicht-menschliche<br />
Quellen von Antikörpern wie Herceptin ® <strong>und</strong> MabThera ® ermöglicht. Humanisierte monoklonale<br />
Maus-Antikörper (MAbs) machen Gebrauch von der Reverse-Transkriptase Polymerase<br />
Kettenreaktion (RT-PCR, siehe Seite 5.15), um entweder variable oder hypervariable Regionen<br />
des Antikörpers von der mRNA oder einem Hybridom (zum Beispiel von einer Maus) zu klonen,<br />
<strong>und</strong> dann diese mit konstanten menschlichen Regionen zu fusionieren. Als Folge davon sind<br />
mehr als 90% der Aminosäuren-Sequenzen des humanisierten MAb mit derjenigen des<br />
menschlichen Proteins identisch. Auf diese Weise kann eine Neutralisierung durch das<br />
menschliche Immunsystem vermieden werden. Durch die Wahl der entsprechenden Region für<br />
die schwere Kette als Klonpartner, könnten mit diesem Ansatz Antikörper mit bestimmter Ziel-<br />
Funktion entwickelt werden. Die daraus entstehenden Klone können dann in Zellkulturen grosse<br />
Mengen von modifizierten Antikörpern produzieren. Die Gr<strong>und</strong>lagen der Tier-Zellkulturen <strong>und</strong><br />
die Methode, rekombinante Gene in Tierzellen einzuführen, werden unten beschrieben.<br />
Tier-Zellkulturen<br />
Unter angepassten Bedingungen können die meisten Tierzellen in einer Gewebekulturschale<br />
leben, sich teilen <strong>und</strong> differenzierte Eigenschaften aufweisen. Diese Art von Kultur wird in-vitro-<br />
Kultur genannt. In dieser künstlichen Umgebung ist es möglich, die Zellen unter dem Mikroskop<br />
5.10
5<br />
zu beobachten oder sie biochemisch zu analysieren, wenn verschiedene spezifische Moleküle,<br />
wie zum Beispiel Hormone oder Wachstumsfaktoren, zugefügt oder entfernt werden. Es ist<br />
ebenfalls möglich, die Interaktionen zwischen verschiedenen Zelltypen zu untersuchen. Eine<br />
wichtige Anwendung von Zellkulturen ist ihre Nutzung zur Produktion von grossen Mengen<br />
bestimmter Zellen, die ein genetisch bearbeitetes Gen enthalten. Wie in Kapitel 6 beschrieben<br />
wird, werden gezüchtete Zellen auch in der Zell-Therapie, als <strong>Krebs</strong>-Impfungen zur Stimulation<br />
einer Immunantwort auf einen Tumor, erforscht.<br />
Zellen werden in Kultur-Gefässen wie in Platten oder Flaschen in einer Nährlösung, genannt<br />
Medium, gezüchtet. Ein wesentlicher Bestandteil des Mediums ist Serum, weil dieses<br />
Wachstumsfaktoren, Steroid-Hormone <strong>und</strong> andere Faktoren, die für Wachstum <strong>und</strong> Proliferation<br />
wichtig sind, enthält. Die Zellen in der Zellkultur wachsen am Boden der Platten als einfache<br />
Zellschicht (Monolayer) <strong>und</strong> das Medium deckt sie zu. Für ein normales Wachstum <strong>und</strong> für die<br />
Proliferation ist es wichtig, dass die Zellen verankert sind. Das Medium wird in bestimmten<br />
Intervallen ausgewechselt, um sicherzustellen, dass die Zellen nicht verhungern oder durch<br />
Abfallprodukte aus ihrem eigenen Stoffwechsel vergiftet werden. Wenn sich die Zellen geteilt<br />
haben <strong>und</strong> die gesamte Fläche in der Kulturplatte bedecken, beenden die Zellen ihre Teilungen.<br />
Die Zellkultur kann dann aufgeteilt werden, um neue Kulturen anzulegen, die wieder wachsen<br />
<strong>und</strong> proliferieren können.<br />
Eine wichtige<br />
Anwendung von<br />
Zellkulturen ist<br />
ihre Nutzung zur<br />
Produktion von<br />
grossen Mengen<br />
bestimmter Zellen,<br />
die ein genetisch<br />
bearbeitetes Gen<br />
enthalten.<br />
Kulturen, die aus Gewebe eines Organismus hergestellt werden, nennt man primäre Kulturen.<br />
Primäre Kulturen haben eine begrenzte Lebensdauer <strong>und</strong> unterliegen dem Prozess der<br />
Umwandlung, der zur Bildung einer Zell-Linie führt. Zell-Linien können aus <strong>Krebs</strong>zellen<br />
hergestellt werden, unterscheiden sich aber von solchen aus normalen Zellen. Zum Beispiel<br />
wachsen Zell-Linien oft, ohne an der Oberfläche zu haften <strong>und</strong> können in der Kulturschale bis<br />
zu einer wesentlich höheren Dichte als normale Zellen proliferieren. In normalen Zellen können<br />
experimentell ähnliche Eigenschaften durch Transformation mit einem Tumor-induzierenden Virus<br />
oder einer chemischen Substanz induziert werden. Dies führt zu einer transformierten Zell-Linie<br />
wie die Zell-Linie des chinesischen Hamster-Ovars (CHO) oder der Baby-Hamster-Niere (BHK).<br />
Zell-Linien können normalerweise geteilt <strong>und</strong> unendlich gezüchtet werden. Neben vielen andern<br />
Anwendungsmöglichkeiten sind sie nützlich zur Produktion von monoklonalen Antikörpern <strong>und</strong><br />
für das Studium der Aktivität bestimmter Gene.<br />
Transfektion<br />
Wie oben erwähnt, ist die Transfektion eine Technik, die angewandt wird, um fremde Moleküle,<br />
wie DNA, in Zellen einzubringen. Sie ist ein wirksames Werkzeug für das Studium <strong>und</strong> die<br />
Kontrolle der Gen- <strong>und</strong> Eiweiss-Expression. Zellen können so transfiziert werden, dass sie ein<br />
Gen nur für eine kurze Zeit (vorübergehende Transfektion) oder permanent (stabile Transfektion)<br />
exprimieren. Verschiedene Gene können zusammen transfiziert werden mit der Möglichkeit,<br />
Interaktionen zwischen diesen Genen zu untersuchen. Dieses System bietet uns eine künstliche<br />
Umgebung, in der Gen-Interaktionen untersucht werden können.<br />
Bei der Isolierung einer einzelnen Tierzelle, welche ein rekombinantes Gen (gentechnisch<br />
hergestellt) enthalten kann, <strong>und</strong> welcher das Wachstum zu einer großen Kolonie erlaubt wurde,<br />
ist es möglich, einen Klon zu bilden, der aus genetisch identischen Zellen besteht. Es ist<br />
ebenfalls möglich, zwei Zellen zusammenzufügen, um eine kombinierte Zelle mit zwei<br />
separaten Zellkernen zu bilden, welche schlussendlich zusammenschmelzen, um eine Hybrid-<br />
Zelle mit nur einem Zellkern zu bilden.<br />
. . . die<br />
Transfektion ist<br />
eine Technik, die<br />
angewandt wird,<br />
um fremde<br />
Moleküle, wie<br />
DNA, in Zellen<br />
einzubringen.<br />
5.11
5<br />
Die Anwendung neuer Technologien im Kontext von <strong>Krebs</strong><br />
. . . ist die HER2-<br />
Überexpression<br />
die erste Tumorassoziierte<br />
Anomalie, deren<br />
Rolle in<br />
Pathogenese <strong>und</strong><br />
Prognose entdeckt<br />
wurde, <strong>und</strong> die<br />
erfolgreich<br />
angewandt<br />
wird, um<br />
massgeschneidert<br />
zu <strong>the</strong>rapieren.<br />
Antikörper sind<br />
durch ihre genaue<br />
Antigen-Spezifität<br />
sehr hilfreiche<br />
Instrumente in der<br />
Forschung <strong>und</strong> in<br />
vielen<br />
Testverfahren.<br />
Alle Krankheiten haben eine genetische Komponente, ob diese nun vererbt ist oder eine<br />
Antwort des Körpers auf die Umgebungsbelastung darstellt. Deshalb ist bei der Beurteilung<br />
eines <strong>Krebs</strong>patienten die Untersuchung von produzierten Onkogenen oder Proteinen<br />
(Onkoproteine) eine wichtige Ergänzung zur Untersuchung physischer Parameter, wie zum<br />
Beispiel Tumorgrösse, Krankheitsstadium bei der Diagnose oder Grad des Lymphknotenbefalls.<br />
Um Faktoren der <strong>Krebs</strong>pathogenese zu untersuchen, werden typischerweise Tumorgewebe oder<br />
Serum gebraucht. Zum Beispiel sind Tumormarker (wie CA-125 <strong>und</strong> CA 15-3) Moleküle, die als<br />
Hilfe zur Diagnosestellung oder zur Überwachung der Therapie für Ovarial- oder Brustkrebs<br />
verwendet werden können. Tumormarker werden bei bestimmten Tumorerkrankungen in die<br />
Blutbahn abgegeben <strong>und</strong> können so im Serum nachgewiesen werden.<br />
Der klinische Wert biologischer Marker wird seit vielen Jahren untersucht. Heute gut etablierte<br />
Marker sind zum Beispiel der Östrogen-Rezeptor-Status (ER) <strong>und</strong> der Progesteron-Rezeptor-Status<br />
(PgR) für die Einschätzung der Prognose <strong>und</strong> des Ansprechens auf die Therapie bei Brustkrebs.<br />
Ausserdem das Prostata-spezifische Antigen (PSA) bei der Verlaufskontrolle von Prostatakrebs<br />
<strong>und</strong> das Philadelphia-Chromosom als ein spezifischer Marker der chronisch myeloischen<br />
Leukämie. Erst kürzlich wurde der Stellenwert von Markern wie HER2 intensiv untersucht. Wie<br />
auch in Kapitel 6 diskutiert wird, ist die HER2-Überexpression die erste Tumor-assoziierte<br />
Anomalie, deren Rolle in Pathogenese <strong>und</strong> Prognose entdeckt wurde, <strong>und</strong> die erfolgreich<br />
angewandt wird, um massgeschneidert zu <strong>the</strong>rapieren. Dies deutet auf die zunehmende<br />
Wichtigkeit hin, Tumor-assoziierte Anomalien sehr genau zu untersuchen, um die<br />
Patientenbehandlung zu optimieren.<br />
Ein Pathologe wendet eine Vielzahl von speziellen Techniken für die Untersuchung von Faktoren<br />
an, die mit <strong>Krebs</strong> zusammenhängen. Diese diagnostischen Tests beinhalten Analysen der<br />
relevanten Gene (DNA oder RNA) oder Proteine, die durch die DNA produziert werden.<br />
Antikörper als molekularbiologische <strong>und</strong> biochemische Instrumente<br />
Antikörper sind durch ihre genaue Antigen-Spezifität sehr hilfreiche Instrumente in der<br />
Forschung <strong>und</strong> in vielen Testverfahren. Mit Fluoreszenz-Färbung versehen, sind sie von<br />
unschätzbarem Wert bei der Lokalisation bestimmter Moleküle in Zellen mittels Fluoreszenz-<br />
Mikrokopie. Sie können auch bei der Suche <strong>und</strong> Quantifizierung von Molekülen in<br />
Zellextrakten, sowie bei der Identifizierung bestimmter Proteine nach deren Trennung mit<br />
Elektrophorese, angewendet werden.<br />
Die Sensitivität von Antikörpern zur Entdeckung bestimmter Moleküle in Zellen <strong>und</strong> im Gewebe<br />
ist häufig durch die Signal-Amplifikations-Methode erhöht. Dies ist ein Verfahren, bei welchem<br />
zwei Antikörper benutzt werden, um ein Antigen zu entdecken. Der erste Antikörper bindet sich<br />
an das Antigen. Anstatt einen Marker wie eine Fluoreszenz-Färbung an den primären<br />
Antikörper zu binden, um das Antigen nachzuweisen, wird ein zweiter Antikörper gebraucht,<br />
der ein Marker-Molekül besitzt, das den geb<strong>und</strong>enen primären Antikörper erkennt. Viele<br />
Systeme, bei denen unterschiedliche Arten von Marker-Molekülen angewandt werden, sind<br />
erhältlich. Zum Beispiel kann ein Enzym als Marker-Molekül gebraucht werden. Dies ist ein sehr<br />
sensitives System <strong>und</strong> erlaubt das Finden selbst kleinster Mengen von Antigenen.<br />
Immunhistochemie<br />
Wie der Name andeutet, ist die Immunhistochemie (IHC) eine Technik, die Antikörper, Gewebe<br />
5.12
5<br />
<strong>und</strong> Chemie einbezieht. Dieses Verfahren kann für die Analyse des Expressionsgrades von<br />
Proteinen in einem Gewebe verwendet werden.<br />
IHC ist eine relativ einfache Methode, bei der eine Vielzahl allgemein gebräuchlicher<br />
Reagenzien <strong>und</strong> Fixiermittel benützt werden, <strong>und</strong> kann an frischem, gefrorenem <strong>und</strong><br />
konserviertem Gewebe angewendet werden. Bei dieser Technik wird ein Antikörper verwendet,<br />
der spezifisch ist für ein bestimmtes Antigen, zum Beispiel HER2. Für IHC-Testmethoden wurde<br />
eine Vielzahl von Mäuse-Antikörpern produziert mit dem Ziel, den Antikörper zu identifizieren,<br />
der genauestens unterscheidet zwischen Patienten, die ein spezifisches Antigen besitzen oder<br />
nicht. Der Antikörper ist oft mit Fluoreszenzfarbe, radioaktiv oder mit einem Enzym wie zum<br />
Beispiel Peroxidase markiert. Im letzten Fall wird das Gewebe, das typischerweise in Paraffin<br />
eingebettet ist, mit dem passenden Antikörper, der mit Peroxidase markiert ist, inkubiert. Der<br />
bestimmte Antikörper findet das Antigen im Tumorpräparat <strong>und</strong> bindet sich daran. Die Probe<br />
wird dann mit einer chemischen Substanz (Diaminobenzidin, DAB) in der Gegenwart von<br />
Wasserstoffperoxyd bearbeitet <strong>und</strong> es entsteht eine blickdichte Ablagerung, welche<br />
mikroskopisch sichtbar gemacht werden kann (DAB-Methode). Alternativ kann auch die<br />
Peroxidase-Antiperoxidase Methode (PAP) benützt werden. Das Endresultat ist eine<br />
Gewebeprobe, die gefärbte <strong>und</strong> ungefärbte Zellen aufweist.<br />
Die Interpretation von solchen durch IHC gefärbten Proben ist oft qualitativ <strong>und</strong> abhängig vom<br />
Prozentsatz der für das bestimmte Antigen positiv gefärbten Zellen, sowie von der Intensität der<br />
Färbung. Die Interpretation kann so auch zwischen verschiedenen Untersuchern variieren. Als<br />
Beispiel sei hier der üblicherweise für HER2-Überexpression angewandte Test DAKO<br />
HercepTest ® erwähnt. Bei diesem wird eine Beurteilungsskala von 0 bis 3+ angewandt. 0 <strong>und</strong><br />
1+ bezeichnen eine Gradierung, die normalerweise keine Färbung oder nur wenige, schwach<br />
gefärbte Zellen aufweist, während bei 3+ die Mehrheit der Zellen stark gefärbt ist<br />
(Abbildung 5.5). Tatsächlich gibt es aber zwischen den Pathologen <strong>und</strong> den Labors<br />
Unterschiede in der Bestimmung der Stufe 2+, wegen der subjektiven Einschätzung des<br />
Auswertungssystems.<br />
0<br />
1+<br />
IHC ist eine relativ<br />
einfache Methode,<br />
bei der eine<br />
Vielzahl<br />
allgemeingebräuchlicher<br />
Reagenzien <strong>und</strong><br />
Fixiermittel<br />
benützt<br />
werden . . .<br />
2+<br />
3+<br />
IHC Images courtesy of MJ Kornstein, MD, Medical College of Virginia<br />
Abbildung 5.5. Beispiel von Zellmembran-Färbungen für HER2 mit IHC mit der entsprechenden<br />
Auswertung (Scores).<br />
5.13
5<br />
Automatisierte zelluläre, bildgebende Systeme (ACIS) wurden als neue Technologie entwickelt<br />
<strong>und</strong> sind so konstruiert, dass sie die Fehlerquote, die sich mit der individuellen Interpretation<br />
einer Färbung ergibt, ausschalten. ACIS kombiniert Software für die farb-basierte Darstellung<br />
mit der automatisierten Roboter-Mikroskop-Technologie <strong>und</strong> wurde beschrieben als genauere<br />
Methode im Gegensatz zur qualitativen Einschätzung (Scoring).<br />
Der Vorteil von<br />
ELISA ist, dass die<br />
Untersuchung mit<br />
Blut <strong>und</strong> nicht mit<br />
Tumorgewebe<br />
gemacht werden<br />
kann . . .<br />
ELISA<br />
Diese Technik einer Enzym-geb<strong>und</strong>enen, immunabsorbierenden Untersuchung (enzyme-linked<br />
immunosorbent assay = ELISA) ist für Gewebe-Homogenate <strong>und</strong> Seren geeignet. Genau wie<br />
bei IHC, wird bei dieser Methode ein Antikörper <strong>und</strong> ein quantifizierbares Enzym benutzt, um<br />
Proteine zu entdecken. Der Vorteil von ELISA ist, dass die Untersuchung mit Blut <strong>und</strong> nicht mit<br />
Tumorgewebe gemacht werden kann <strong>und</strong> daher, wegen der einfacheren Materialgewinnung,<br />
auch wiederholt durchgeführt werden kann. Die Zusammenhänge zwischen den Tumorspezifischen<br />
Markern im Serum (wie HER2) <strong>und</strong> der effektiven Anzahl von Tumorzellen wird<br />
derzeit diskutiert <strong>und</strong> ist kontrovers. Es scheint wahrscheinlich, dass eine engere Beziehung<br />
zwischen Serumspiegel <strong>und</strong> Tumorgrösse als zwischen Serumspiegel <strong>und</strong> Tumorexpression eines<br />
Markers besteht. Deshalb wird der ELISA-Test eher für die Messung von Tumormarkern wie z.B.<br />
PSA zur Kontrolle eines Krankheitsverlaufs angewandt, als für die Erkennung von Tumoren,<br />
welche grosse Mengen von Markern exprimieren.<br />
In-situ Hybridisierung<br />
In-situ Hybridisierung (ISH) ist eine Technik, die angewandt wird, um bestimmte Nukleinsäuren-<br />
Sequenzen im Gewebe, in Zellen oder in Chromosomen nachzuweisen. Bei dieser Methode<br />
werden Nukleinsäure-Proben verwendet, welche eine ganz bestimmte Nukleotid-Sequenz<br />
aufweisen, die in der Lage sind, sich spezifisch an komplementäre Nukleotid-Sequenzen in der<br />
DNA oder RNA zu binden (oder hybridisieren). Die Probe enthält eine Erkennungssubstanz,<br />
welche die Lokalisierung der gesuchten Nukleinsäure ermöglicht. ISH-Lokalisierung wird im<br />
Allgemeinen durch fluoreszierende Marker (Fluoreszenz in-situ Hybridisierung, FISH) <strong>und</strong> mit<br />
der Fluoreszenz-Mikroskopie, sowie mit chromogenen (farbproduzierenden) Markern<br />
(chromogene in-situ Hybridisierung, CISH) <strong>und</strong> einem Hellfeld-Mikroskop erreicht. Die ISH-<br />
Resultate werden verwendet, um das Vorkommen oder Fehlen von Genen, die Amplifizierung<br />
eines Gens oder die Umstrukturierung von Chromosomen (Translokation) zu ermitteln. Es<br />
handelt sich also um eine sehr wertvolle Technik in der Diagnostik von Genen, die in der<br />
<strong>Krebs</strong>entstehung eine Rolle spielen (Onkogene).<br />
FISH<br />
FISH bedient sich fluoreszierender Marker, welche einer Probe beigefügt werden, die sich an<br />
das entsprechende Gen bindet. Mit Hilfe des Fluoreszenz-Mikroskops werden die Lokalisation<br />
der Gene sowie die Anzahl der vorhandenen Kopien ermittelt. Bei der Anwendung von<br />
verschieden gefärbten Fluoreszenz-Markern <strong>und</strong> von zwei oder mehr Proben zum gleichen<br />
Zeitpunkt, können verschiedene Hybridisierungssignale entsprechend ihrer unterschiedlichen<br />
Färbung unterschieden werden. Diese Technik ist hilfreich beim Vergleich der Anzahl<br />
verschiedener Zielobjekte in einer Zelle, zum Beispiel der Anzahl von Genen <strong>und</strong><br />
Chromosomen, welche ein bestimmtes Gen enthalten. So weisen zum Beispiel ungefähr 20%<br />
der Patientinnen mit Brustkrebs mehrere Kopien des HER2 Gens auf (das bedeutet, das Gen<br />
wird amplifiziert) (Abbildung 5.6). Andere Brustkrebs-Zellen weisen wieder multiple Kopien des<br />
Chromosoms 17 auf (Aneuploidie), auf dem das HER2-Gen lokalisiert ist, wobei jedes<br />
5.14
5<br />
Abbildung 5.6. FISH-Test zum Nachweis einer Gen-Amplifikation.<br />
Chromosom eine Gen-Kopie enthält. Der physiologische Effekt der Amplifikation <strong>und</strong> Aneuploidie<br />
scheint hier unterschiedlich zu sein <strong>und</strong> diese Eigenschaften müssen unterschieden werden.<br />
Deshalb werden Proben mit roten <strong>und</strong> grünen Fluoreszenz-Markern verwendet. Diese erlauben<br />
eine Einschätzung des Verhältnisses von HER2 Genen zum Chromosom 17 <strong>und</strong> lassen so die<br />
HER2-Amplifikation erkennen. FISH findet ebenfalls Verwendung beim Aufspüren von<br />
chromosomalen Anomalien bei verschiedenen hämatologischen Malignomen <strong>und</strong> soliden<br />
Tumoren. So gibt es Marker zum Auffinden des Philadelphia-Chromosoms <strong>und</strong> der bcr-abl Fusion<br />
bei der chronischen myeloischen Leukämie.<br />
FISH ist allgemein eine spezifische <strong>und</strong> sensitive Testmethode, die Tumore genau <strong>und</strong> zuverlässig<br />
identifizieren kann, indem bestimmte Gen-Anomalien identifiziert werden. Zudem ist die<br />
Interpretation der Resultate objektiv <strong>und</strong> quantitativ. Sie erfordert aber eine Spezial-Ausrüstung,<br />
die derzeit noch nicht überall in Pathologie-Laboratorien vorhanden ist.<br />
Polymerase-Kettenreaktion<br />
Die Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction = PCR) ist ein Verfahren, bei dem ein<br />
spezialisiertes Polymerase-Enzym einen komplementären Strang zu einem bestehenden DNA-<br />
Strang syn<strong>the</strong>tisiert, <strong>und</strong> zwar in einer Mischung, die vier DNA-Basen <strong>und</strong> zwei DNA-Fragmente,<br />
genannt „Primer“, enthält. Die Polymerase-Kettenreaktion beinhaltet das unendliche Kopieren<br />
eines bestimmte DNA-Stückes mit Hilfe des Enzyms DNA-Polymerase. Dieser Prozess ermöglicht<br />
die selektive Amplifikation einer ausgewählten Region eines DNA-Moleküls.<br />
Typischerweise wird die DNA einer Zelle mit kurzen Stücken von DNA (ungefähr 20 Basen lang),<br />
genannt Primer, gemischt, deren DNA-Sequenzen sich an die ausgewählten Sequenzen anlegen.<br />
Die Primer hybridisieren sich zu der gewünschten DNA in der Mischung <strong>und</strong> befähigen die<br />
Enzyme, das gewünschte DNA-Segment zu syn<strong>the</strong>tisieren. Normalerweise wird dafür ein DNA-<br />
Polymerase-I-Enzym von einem Bakterium verwendet, das in heissen Quellen vorkommt <strong>und</strong> Taq-<br />
Polymerase genannt wird. Aufgr<strong>und</strong> seines Ursprungs funktioniert dieses Enzym bei hohen<br />
Temperaturen. Die PCR-Mischung wird erhitzt, um die Stränge der Doppelstrang-DNA, welche die<br />
gewünschte Sequenz enthalten, zu trennen. Dann wird die Mischung abgekühlt, <strong>und</strong> so können<br />
FISH ist allgemein<br />
eine spezifische<br />
<strong>und</strong> sensitive<br />
Testmethode, die<br />
Tumore genau <strong>und</strong><br />
zuverlässig<br />
identifizieren<br />
kann, indem<br />
bestimmte<br />
Gen-Anomalien<br />
identifiziert<br />
werden.<br />
5.15
5<br />
die Primer ihre komplementäre Sequenz am separierten Strang finden <strong>und</strong> sich an sie binden.<br />
Die Polymerase kann die Primer in neue komplementäre Stränge einbauen (Abbildung 5.7).<br />
Durch wiederholte Erhitzungs- <strong>und</strong> Abkühlungszyklen multipliziert sich die gewünschte DNA-<br />
Sequenz exponentiell. Jeder neue Doppelstrang teilt sich <strong>und</strong> bildet so zwei Vorlagen für die<br />
weitere Syn<strong>the</strong>se. In ungefähr einer St<strong>und</strong>e kann in 20 PCR-Schritten das gewünschte Stück<br />
millionenfach amplifiziert werden. Am Ende der PCR ist es üblich, das Produkt unter<br />
Anwendung von Agarose-Gel-Elektrophorese zu analysieren <strong>und</strong> die produzierte DNA zu<br />
färben. Andererseits kann das PCR-Produkt an einen Plasmid- oder einen Bakteriophagen-Vektor<br />
zum Klonen <strong>und</strong> zur weiteren Beurteilung geb<strong>und</strong>en werden.<br />
Eine wichtige Eigenschaft der PCR ist ihre extreme Sensitivität. Wenn die Primer optimal sind,<br />
kann PCR exakte Mengen der gesuchten DNA ermitteln. Dies macht PCR zu einer hoch<br />
wertvollen Technik der Diagnostik. PCR kann ebenfalls für die Amplifikation von RNA verwendet<br />
werden, unter der Bedingung, dass diese zuerst mit Hilfe der Reverse-Transkriptase in eine<br />
Einzelstrang-cDNA konvertiert wird. Diese Methode wird Reverse-Transkriptase PCR genannt<br />
(RT-PCR). Eine Hauptanwendung der RT-PCR ist die Analyse des Ausmasses der Gen-Expression.<br />
Das Reaktions-Gemisch enthält<br />
die ausgewählte DNA-Sequenz<br />
für die Amplifikation, zwei Primer<br />
(P1 <strong>und</strong> P2) <strong>und</strong> hitzebeständige<br />
Taq-Polymerase<br />
Das Reaktions-Gemisch wird auf 95ºC<br />
erhitzt, um die gewünschte DNA zu<br />
denaturieren. Die anschliessende<br />
Abkühlung auf 37ºC erlaubt es den<br />
Primern, die komplementäre Sequenz<br />
der gewünschten DNA zu hybridisieren.<br />
P1<br />
Ausgewählte DNA<br />
Taq<br />
P2<br />
Erster Zyklus<br />
Bei einer Erhitzung auf 72ºC produziert<br />
die Taq-Polymerase komplementäre<br />
Stränge von den Primern<br />
Der erste Syn<strong>the</strong>se-Zyklus<br />
führt zu zwei Kopien der<br />
gewünschten DNA-Sequenz<br />
DNA wird<br />
denaturiert<br />
Primer werden<br />
hybridisiert<br />
Zweiter Zyklus<br />
Neue DNA-Stränge<br />
werden aufgebaut<br />
Der zweite Syn<strong>the</strong>se-<br />
Zyklus führt zu vier Kopien<br />
der gewünschten DNA-Sequenz<br />
Weitere Zyklen<br />
Abbildung 5.7. Überblick über den PCR-Prozess.<br />
5.16
5<br />
Gen<br />
Eiweiss<br />
Funktion<br />
Struktur<br />
Abbildung 5.8. Verständnis der Gen-Funktion.<br />
Funktionelle Genetik<br />
Bis vor kurzem wurden Untersuchungen über die Funktion von Genen nur in einem sehr<br />
beschränkten Zusammenhang durchgeführt. So wurde zum Beispiel nur ein einzelnes Gen oder<br />
ein Reaktionsablauf auf einmal untersucht. Mit Hilfe der bedeutenden Fortschritte in der<br />
Forschung <strong>und</strong> in der Technik, haben sich die Methoden zur Untersuchung der Gen-Funktionen<br />
schnell entwickelt. Man nennt dies funktionelle Genetik. Mit diesem Studium versucht man sich<br />
einen Überblick über die Genom-Funktionen inklusive des Expressionsprofils auf der mRNA-<br />
Ebene <strong>und</strong> der Protein-Ebene zu verschaffen. Funktionelle Genetik setzt das Wissen über die<br />
Genom-Struktur, die Anordnung <strong>und</strong> die Sequenz der Gene voraus. Um die Funktion der Gene<br />
zu verstehen, bedarf es ebenfalls einer Analyse der dreidimensionalen Strukturen des Proteins,<br />
für welches die Gene kodieren (Abbildung 5.8).<br />
Das Hauptziel der funktionellen Genetik ist die Entwicklung neuer Technologien, um Gen-<br />
Expressionen schnell <strong>und</strong> in grossem Umfang studieren zu können. Funktionelle Genetik soll<br />
Biologen ein neues <strong>und</strong> umfassendes Verständnis der komplexen Systeme verschaffen <strong>und</strong> den<br />
Zusammenhang zwischen DNA-Sequenz <strong>und</strong> ihrer Funktion vereinfachen. DNA-Sequenz-Daten<br />
vermehren sich in phänomenaler Weise mit dem Ziel, eine genaue Sequenz des vollständigen<br />
menschlichen Genoms bis zum Jahr 2002 vorlegen zu können.<br />
Wie auch in Kapitel 7 besprochen wird, erwartet man, dass die Proteomik der funktionellen<br />
Genetik folgen wird. Der Begriff Proteom bezieht sich auf den kompletten Satz von Proteinen,<br />
welches durch das Genom exprimiert <strong>und</strong> später modifiziert wird. Mit Hilfe des Studiums von<br />
Proteinen aus einer globalen Sichtweise erhoffen sich Biologen eine Klärung über die Ursachen<br />
vieler Krankheiten <strong>und</strong> deren potentielle <strong>Therapien</strong>.<br />
Das „Human-Genom-Projekt“<br />
Das Human-Genom-Projekt (HGP) ist ein internationales Projekt, das seit 1990 bestrebt ist, alle<br />
menschlichen Gene zu identifizieren. Primäres Ziel des HGP ist die Erstellung einer Reihe von<br />
Diagrammen (Karten) von jedem menschlichen Chromosom. Der erste Schritt dieses Projektes ist<br />
abgeschlossen <strong>und</strong> der nächste, in welchem die Basen-Sequenzen der DNA-Fragmente<br />
bestimmt werden, ist gegenwärtig in Bearbeitung. Aufgr<strong>und</strong> des Entwurfs der Basen-Sequenzen<br />
ist bereits bekannt, dass das Genom 30’000 bis 35’000 Gene enthält. Die Ergebnisse des<br />
Projektes werden eine wertvolle Informationsquelle für die Entwicklung von Instrumenten im<br />
. . . funktionelle<br />
Genetik . . . ist<br />
das Studium, mit<br />
dem man sich<br />
einen Überblick<br />
über die Genom-<br />
Funktionen<br />
inklusive des<br />
Expressionsprofils<br />
auf der mRNA-<br />
Ebene <strong>und</strong> der<br />
Protein-Ebene zu<br />
verschaffen<br />
versucht.<br />
Das Human-<br />
Genom-Projekt ist<br />
ein internationales<br />
Projekt, das seit<br />
1990 bestrebt ist,<br />
alle menschlichen<br />
Gene zu<br />
identifizieren.<br />
5.17
5<br />
Verfahren, bei<br />
denen Daten über<br />
Gene <strong>und</strong> Proteine<br />
ausgearbeitet <strong>und</strong><br />
ausgewertet<br />
werden (wie zum<br />
Beispiel die Daten<br />
aus dem HGP),<br />
werden<br />
Bioinformatik<br />
genannt.<br />
Studium der Humanbiologie <strong>und</strong> Medizin. Parallelstudien laufen an ausgewählten<br />
Modellorganismen, wie dem Bakterium E. coli, um die Vergleichsinformationen, die für das<br />
Verständnis der Funktion des Human-Genoms nötig sind, zu liefern. Dieses Verfahren wird<br />
vergleichende Genetik genannt.<br />
Man erwartet, dass die Daten des HGP als Quelle biomedizinischer Wissenschaften des 21.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> für die Medizin einen unschätzbaren Gewinn darstellen werden. Weil der<br />
Umgang mit einem derart grossen Daten-Pool den intensiven Einsatz von Computern erfordert,<br />
ist die Entwicklung von Datenbanken eine der Hauptaufgaben des HGP.<br />
Bioinformatik<br />
Verfahren, bei denen Daten über Gene <strong>und</strong> Proteine ausgearbeitet <strong>und</strong> ausgewertet werden<br />
(wie zum Beispiel die Daten aus dem HGP), werden Bioinformatik genannt. Da mehr <strong>und</strong> mehr<br />
Genome sequenziert werden, wird es immer klarer, dass die Dechiffrierung dieser Sequenzen<br />
eine enorme Herausforderung darstellt.<br />
Die jüngsten Fortschritte in der Genetik ermöglichen eine Ausweitung des Angebotes der<br />
Zielobjekte für potentielle <strong>Krebs</strong>medikamente. Die Pharmakogenetik bedient sich vieler<br />
genetischer Techniken, um die Medikamentenentwicklung voranzutreiben. Es werden<br />
verschiedene Methoden angewandt, um das menschliche Genom zu durchsuchen. Ziel ist es,<br />
Verbindungen von genetischen Varianten, Medikamentenwirkung <strong>und</strong> Sicherheit zu finden. Es<br />
wird erwartet, dass diese Verfahren neue <strong>the</strong>rapeutische Ansätze zur biologischen<br />
<strong>Krebs</strong>behandlung aufzeigen werden.<br />
Zusammenfassung: Anwendung dieser Kenntnisse<br />
. . . die<br />
rekombinante<br />
DNA-Technologie<br />
revolutionierte die<br />
Art, wie Forscher<br />
Zellen <strong>und</strong> ihre<br />
biologischen<br />
Abläufe<br />
untersuchen.<br />
Die Kenntnis der Funktions- <strong>und</strong> Interaktionsmechanismen zwischen verschiedenen Molekülen<br />
einer Zelle ermöglicht den Forschern die Entwicklung von Behandlungsmethoden für<br />
Krankheiten, bei welchen die zellulären Prozesse versagen. Eine Vielzahl von technischen<br />
Fortschritten hat die Entwicklung biologischer Tumor<strong>the</strong>rapien erst möglich gemacht.<br />
Insbesondere die rekombinante DNA-Technologie revolutionierte die Art, wie Forscher Zellen<br />
<strong>und</strong> ihre biologischen Abläufe untersuchen. Die rekombinante DNA-Technologie umfasst eine<br />
Reihe von Techniken, welche die Untersuchung <strong>und</strong>, noch wichtiger, die Manipulation von<br />
Struktur <strong>und</strong> Funktion der Zell-DNA ermöglichen. Das Klonen von Genen ist der Eckpfeiler<br />
dieser Technologie. Diese Methode verwendet einen Vektor, um eine gewünschte DNA-Sequenz<br />
in einer Wirtzelle, wie Bakterien, Viren oder Hefezellen, zu amplifizieren. Plasmide <strong>und</strong> Viren<br />
sind häufig eingesetzte Vektoren. DNA-Fragmente können, nachdem sie in eine passende<br />
Wirtszelle eingesetzt worden sind, analog zu ihrer DNA reproduziert werden. Gentechnologie<br />
beinhaltet das Klonen von Genen für ein bestimmtes Protein <strong>und</strong> dessen Einsetzen in ein sich<br />
speziell schnell replizierendes Stück DNA, genannt Expressions-Vektor. Dieser produziert nun<br />
große Mengen von Eiweissen beziehungsweise von gewünschten Molekülen. Die Methode ist<br />
nützlich zur Herstellung neuer Proteine, wie zum Beispiel für humanisierte monoklonale<br />
Antikörper. Zellen können in einer künstlichen Umgebung, genannt Zellkultur, gezüchtet <strong>und</strong><br />
manipuliert werden.<br />
Rekombinante DNA kann mit Hilfe eines Vorgangs, der Transfektion genannt wird, in Zellen<br />
eingefügt werden. Dies ermöglicht die Produktion grosser Mengen eines bestimmten Moleküls.<br />
Die Diagnostik von genetischen Veränderungen, die im Zusammenhang mit <strong>Krebs</strong> stehen, hat<br />
bedeutende technische Fortschritte gemacht. Mehrere Verfahren stehen nun zur Untersuchung<br />
von Anomalien in Genen oder Proteinen im Tumorgewebe oder im Serum zur Verfügung. Ein<br />
5.18
5<br />
Pathologe wendet dabei verschiedene spezielle Untersuchungstechniken an, um Faktoren, die<br />
mit <strong>Krebs</strong> in Verbindung stehen, zu testen. Diese diagnostischen Tests beinhalten die Analyse<br />
der relevanten Gene (DNA oder RNA) oder des Proteins, welches durch diese DNA produziert<br />
wird. So ist es möglich, am Beispiel von HER2 entweder die Anzahl von Kopien des HER2-Gens<br />
(Amplifikation) oder die Überexpression von HER2 zu untersuchen. Die am meisten<br />
verwendeten Tests sind IHC <strong>und</strong> FISH. PCR ist ein weiteres, nützliches diagnostisches Verfahren.<br />
Dank intensiver Forschung <strong>und</strong> Optimierung der Untersuchungstechnik hat das Studium der<br />
Gen-Funktionen, auch funktionelle Genetik genannt, rasche Fortschritte gemacht. Bei der<br />
funktionellen Genetik versucht man einen Überblick über die Gen-Funktion <strong>und</strong> die<br />
Expressionsprofile auf der Ebene der mRNA <strong>und</strong> der Eiweisse zu erhalten. Funktionelle Genetik<br />
setzt das Wissen über die Genom- Struktur, die Anordnung der Gene (Mapping) <strong>und</strong> die Gen-<br />
Sequenzierung voraus. Die funktionelle Genetik hat das Ziel, neue Technologien<br />
hervorzubringen, um die Gen- Expression in großem Ausmaß <strong>und</strong> kurzer Zeit zu untersuchen.<br />
Das HGP ist ein internationales Projekt mit dem Ziel, alle Gene der DNA-Sequenz zu<br />
identifizieren. Es ermöglicht die Entwicklung von Hilfsmitteln, um diese Information in der<br />
Biologie <strong>und</strong> Medizin des Menschen anzuwenden. Damit werden riesige Mengen Daten<br />
generiert. Mit der Bioinformatik werden die Daten über Gene <strong>und</strong> Proteine, welche durch das<br />
HGP hervorgebracht werden, bearbeitet <strong>und</strong> interpretiert.<br />
Die Forschung im Bereich Molekularbiologie <strong>und</strong> Genetik gewinnt an Relevanz in der<br />
Diagnostik <strong>und</strong> Therapie menschlicher Erkrankungen. Wenn Patienten von diesen Erkenntnissen<br />
profitieren sollen, ist es wichtig, dass die Fachleute die genetische Medizin, wie andere<br />
Aspekte der Medizin, in die klinische Praxis einbringen können. Der rasche Fortschritt in der<br />
Entwicklung biologischer <strong>Therapien</strong> ist eine direkte Folge des verbesserten Verständnisses aus<br />
der Molekularbiologie von normalen <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong>zellen. Die Behandlung von Patienten mit Hilfe<br />
dieser Methoden wird immer wichtiger. Das öffentliche Interesse an den gentechnologischen<br />
Fortschritten, zusammen mit der immensen Flut neuer Erkenntnisse aus dem Human-Genom-<br />
Projekt, gibt den betreuenden Ärzten <strong>und</strong> Pflegenden eine zentrale Rolle in der Weitergabe<br />
dieser Entdeckungen an ihre Patienten.<br />
Das öffentliche<br />
Interesse an den<br />
gentechnologischen<br />
Fortschritten,<br />
zusammen mit der<br />
immensen Flut<br />
neuer Erkenntnisse<br />
aus dem Human-<br />
Genom-Projekt,<br />
gibt den<br />
betreuenden<br />
Ärzten <strong>und</strong><br />
Pflegenden eine<br />
zentrale Rolle in<br />
der Weitergabe<br />
dieser<br />
Entdeckungen an<br />
ihre Patienten.<br />
5.19
5<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Verschiedene Enzyme <strong>und</strong> Technologien werden benutzt, um DNA zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />
manipulieren. Wählen Sie aus der unten stehenden Liste die passenden Enzyme oder<br />
Techniken aus, um die folgenden Aktivitäten auszuführen:<br />
DNA-Sequenzierung<br />
Gel-Elektrophorese<br />
Ligase<br />
Nukleinsäure-Hybridisierung<br />
Polymerase<br />
Restriktionsenzym<br />
Reverse Transkription<br />
DNA-Syn<strong>the</strong>se<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Produziert zusätzliche DNA (cDNA) von Boten-RNA (mRNA)<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Schneidet oder spaltet DNA für die Analyse in Fragmente<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Verbindet DNA-Fragmente<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Separiert DNA-Fragmente entsprechend ihrer Grösse<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Ordnet die Basen-Paare in DNA-Fragmente<br />
Gen<br />
Eiweiss<br />
Funktion<br />
Struktur<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
Ermöglicht die genaue Lokalisation der DNA oder RNA<br />
………………………………………………………………………………….............................<br />
2. Das Klonen von Genen ist entscheidend für viele Techniken bei der Analyse von Genen <strong>und</strong><br />
für das Verstehen ihrer Funktion. Beschreiben Sie die gr<strong>und</strong>legenden Schritte für das Klonen<br />
von DNA.<br />
3. Manchmal werden viele Fragmente zur selben Zeit geklont, um eine Art Biblio<strong>the</strong>k von<br />
Klonen aufzubauen. Wie kann ein Klon, welcher ein spezielles DNA-Fragment enthält,<br />
identifiziert werden?<br />
4. Die Fähigkeit, Proteine in grossen Mengen herzustellen, ist eine der Haupterrungenschaften<br />
der Gentechnologie. Beschreiben Sie einige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen der<br />
Gentechnologie, speziell im Bezug auf <strong>Krebs</strong>.<br />
5. Unten finden Sie ein schematisches Diagramm mit den Zielen funktionaler Genetik.<br />
Beschreiben Sie, was das Diagramm darstellt, <strong>und</strong> weisen Sie darauf hin, welche Rolle das<br />
Human-Genom-Projekt <strong>und</strong> die Bioinformatik in diesem Prozess spielen können.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.10.<br />
5.20
<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> erklärt<br />
6<br />
Einführung<br />
Die vorherigen Kapitel haben ein Verständnis dafür vermittelt, wie <strong>Krebs</strong> sich entwickelt <strong>und</strong> wie<br />
das Immunsystem mit den Herausforderungen umgeht. Die technischen Fortschritte, welche die<br />
Verwendung dieser Kenntnisse für Forschungszwecke möglich gemacht haben, wurden<br />
ebenfalls beschrieben. Diese Fortschritte haben zur Erkenntnis geführt, dass biologische<br />
Methoden grosses <strong>the</strong>rapeutisches Potential haben. Dieses Kapitel beschreibt die verschiedenen<br />
Arten biologischer Substanzen, die als <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien erforscht wurden. Dies sind:<br />
● Zytokine<br />
● Antikörper<br />
● Gen-Therapie<br />
● Impfungen.<br />
Mehrere aktuell verwendete biologische Wirkstoffe (Granulozyten-Kolonisierungs-stimulierender<br />
Faktor [G-CSF, Filgrastim], Rekombinantes Interleukin-2 [IL-2] <strong>und</strong> Herceptin ® ) werden detailliert<br />
beschrieben. Diese Wirkstoffe werden erklärt, um den Unterschied zu illustrieren zwischen den<br />
nicht-spezifischen Mitteln wie Filgrastim, die schon länger als supportive <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien in<br />
Gebrauch sind, <strong>und</strong> den gezielt auf Tumoren wirkenden Stoffen wie Herceptin ® , welche eine<br />
eigentliche Revolution in der <strong>Krebs</strong>behandlung darstellen.<br />
6.1
6<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Geben Sie zwei Gründe an, weshalb biologische Methoden für die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />
entwickelt <strong>und</strong> benützt werden, indem Sie ihre potentiellen Vorteile gegenüber<br />
konventionellen <strong>Therapien</strong> beschreiben.<br />
2. Geben Sie in der unten stehenden Tabelle an, welche biologische Therapie den ebenfalls<br />
unten beschriebenen Wirkungseffekt A-G hat. Als Beispiel ist die Zytokin-Therapie<br />
aufgeführt.<br />
Therapie<br />
Zytokin-Therapie<br />
Antikörper-basierte Therapie<br />
<strong>Krebs</strong>-Impfung<br />
Gen-Therapie<br />
Zell-basierte Therapie<br />
Wirkungsweisen<br />
A, E, F, G<br />
A. Tötet <strong>Krebs</strong>zellen ab<br />
B. Unterbricht oder kontrolliert Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen<br />
C. Verändert das Wachstums-Verhalten von <strong>Krebs</strong>zellen<br />
D. Blockiert Prozesse, die zur Umwandlung einer normalen Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle führen<br />
E. Steigert die Fähigkeit des Körpers, eine normale Zelle, die durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder<br />
Bestrahlung geschädigt oder zerstört worden ist, zu reparieren oder zu ersetzen<br />
F. Steigert die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem<br />
G. Erhöht die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen, <strong>und</strong> fördert<br />
so die Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen.<br />
3. Erklären Sie den Unterschied zwischen gezielten (spezifischen) <strong>und</strong> nicht-gezielten<br />
(unspezifischen) biologischen <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> erörtern Sie die Vorteile der gezielten<br />
<strong>Therapien</strong>.<br />
4. Zytokine sind verantwortlich für die normale Funktion von diversen physiologischen<br />
Prozessen, welche das Ergebnis oder Teil einer Immunreaktion sind. Definieren Sie, was ein<br />
Zytokin ist <strong>und</strong> geben Sie vier Beispiele der Prozesse, die sie beeinflussen.<br />
5. Erklären Sie, warum die Humanisierung von Antikörpern so wichtig ist für ein höheres<br />
<strong>the</strong>rapeutisches Potential.<br />
6. Beschreiben Sie drei mögliche Wirkungsweisen monoklonaler Antikörper, durch welche sie<br />
ihre Antikrebs-Wirkung entfalten.<br />
7. Zählen Sie die Phasen in der Entwicklung einer biologischen Therapie auf, indem Sie die<br />
Faktoren beschreiben, die einen bestimmten biologischen Marker zu einem attraktiven<br />
<strong>the</strong>rapeutischen Angriffsziel machen.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.12.<br />
6.2
6<br />
Warum biologische <strong>Therapien</strong> zur <strong>Krebs</strong>behandlung benützen?<br />
Wie in Kapitel 1 aufgezeigt wurde, können für die Behandlung von <strong>Krebs</strong> verschiedene<br />
<strong>the</strong>rapeutische Mittel wirksam sein. Jedoch sind diese oft invasiv, wie zum Beispiel die<br />
Chirurgie, oder mit hoher Toxizität verb<strong>und</strong>en, wie die Chemo- <strong>und</strong> Radio<strong>the</strong>rapie. Dazu<br />
kommt, dass die klinischen Vorteile dieser <strong>Therapien</strong> nun an ihre Grenzen angekommen zu sein<br />
scheinen. Deshalb werden neue <strong>the</strong>rapeutische Mittel benötigt, die zusätzliche klinische<br />
Fortschritte mit weniger oder gleicher Toxizität versprechen. Eine Vielzahl von Wirkstoffen<br />
wurde getestet, inklusive pflanzliche <strong>und</strong> tierische Substanzen, welche Medikamente wie<br />
Paclitaxel (gewonnen aus der Rinde der pazifischen Eibe) hervorgebracht haben; aber<br />
biologische <strong>Therapien</strong> sind besonders attraktiv, weil:<br />
● die körpereigenen Abwehrmechanismen spezifische Antworten auf spezifische<br />
Herausforderungen produzieren, wie zum Beispiel Antikörper-Reaktionen auf Antigen-<br />
Herausforderungen<br />
● durch den Gebrauch von Molekülen, die im Körper vorkommen, Probleme mit Reaktionen<br />
auf körperfremde Stoffe vermieden werden können.<br />
<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> waren über die letzten 20 Jahre Inhalt intensiver Forschungen. Dies führte<br />
zur Entwicklung einer Reihe von Methoden, von denen einige schon im klinischen Einsatz sind.<br />
. . . neue<br />
<strong>the</strong>rapeutische<br />
Mittel werden<br />
benötigt, die<br />
zusätzliche<br />
klinische<br />
Fortschritte mit<br />
weniger oder<br />
gleicher Toxizität<br />
versprechen.<br />
Arten biologischer <strong>Therapien</strong><br />
Der Ausdruck „biologische Therapie“ wird gebraucht, um eine ganze Reihe von entwickelten<br />
Wirkstoffen zu beschreiben: Zytokine <strong>und</strong> Antikörper, gentechnisch veränderte Moleküle <strong>und</strong><br />
zelluläre Bestandteile des Immunsystems. Alle diese nutzen die Fähigkeit des menschlichen<br />
Immunsystems, auf spezifische zelluläre Prozesse einzuwirken, bilden aber verschiedene<br />
Gruppen <strong>the</strong>rapeutischer Strategien, die wie folgt klassifiziert werden können:<br />
● Zytokin-<strong>Therapien</strong><br />
● Antikörper-<strong>Therapien</strong><br />
● <strong>Krebs</strong>impfungen<br />
● Gen-<strong>Therapien</strong><br />
● Zell-basierte <strong>Therapien</strong>.<br />
Wie in Kapitel 4 beschrieben wurde, ist es das Ziel vieler biologischer <strong>Therapien</strong>, die Fähigkeit<br />
des Patienten zur Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen zu fördern. Wirkstoffe, die im Labor oder im<br />
Körper selbst hergestellt werden, werden zur Stärkung, Lenkung oder Wiederherstellung der<br />
natürlichen Abwehrkraft des Körpers benützt. Andere biologische Präparate sind Wirkstoffe,<br />
die auf natürlich vorkommenden Molekülen wie Antikörpern basieren. Diese Mittel können<br />
massgeschneidert werden, so dass sie auf spezifische Anomalien in <strong>Krebs</strong>zellen abzielen,<br />
indem sie deren Funktion verändern oder sie am Überleben hindern. Solche <strong>Therapien</strong> werden<br />
auch als Immuno<strong>the</strong>rapien bezeichnet.<br />
<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> können benützt werden, um:<br />
● <strong>Krebs</strong>zellen zu töten<br />
● Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen, zu unterbrechen oder zu kontrollieren<br />
● die Wachstumsmuster von <strong>Krebs</strong>zellen zu verändern<br />
Diese Mittel<br />
können<br />
massgeschneidert<br />
werden, so dass<br />
sie auf<br />
spezifische<br />
Anomalien in<br />
<strong>Krebs</strong>zellen<br />
abzielen, indem<br />
sie deren<br />
Funktion<br />
verändern oder<br />
sie am Überleben<br />
hindern.<br />
6.3
6<br />
● Prozesse, die zur Bildung einer <strong>Krebs</strong>zelle aus einer normalen Zelle führen, zu blockieren<br />
● die Fähigkeit des Körpers, durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder Bestrahlung beschädigte oder<br />
zerstörte Zellen zu reparieren oder zu ersetzen, zu fördern<br />
● der Ausbreitung von <strong>Krebs</strong>zellen vorzubeugen<br />
● die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem zu steigern<br />
● die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen zu steigern, <strong>und</strong> somit<br />
die Tötung von <strong>Krebs</strong>zellen zu fördern.<br />
Die verschiedenen Arten biologischer <strong>Therapien</strong> werden unten im Detail beschrieben.<br />
Zytokine sind<br />
verantwortlich für<br />
die normale<br />
Funktion diverser<br />
physiologischer<br />
Prozesse, die das<br />
Resultat oder ein<br />
Teil von<br />
Immunreaktionen<br />
sind . . .<br />
Zytokin-Therapie<br />
Zytokine sind Proteine, die von einer Zelle durch Syn<strong>the</strong>se aufgebaut <strong>und</strong> freigesetzt werden<br />
<strong>und</strong> dann mit Rezeptoren anderer Zellen interagieren, normalerweise um die Immunantwort zu<br />
regulieren. In-vitro Studien haben gezeigt, dass Zytokine verantwortlich sind für die normale<br />
Funktion diverser physiologischer Prozesse, die das Resultat oder ein Teil von Immunreaktionen<br />
sind, wie:<br />
● Fieber<br />
● Hämatopoese<br />
● normale T- <strong>und</strong> B-Zell-Entwicklung<br />
● Erzeugung normaler IgE-Mengen<br />
● Anfälligkeit auf Gelenksentzündung<br />
● Chemotaxis, d.h. Anziehung eines bestimmten Zelltyps an einen bestimmten Ort.<br />
Viele Zytokine<br />
werden als<br />
Supportiv-<br />
Therapie benützt,<br />
um die Schwere<br />
oder Häufigkeit<br />
des Auftretens<br />
von<br />
Chemo<strong>the</strong>rapieinduzierter<br />
Toxizität zu<br />
verringern. Sie<br />
ermöglichen so<br />
eine optimale<br />
Dosierung<br />
der Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
. . .<br />
Wegen des weiten Wirkungsfeldes von Zytokinen in klinisch relevanten Prozessen wurde viel<br />
Forschung auf das klinische Potential dieser Stoffe angewandt. Diese Forschung wurde durch<br />
die rekombinante DNA-Technologie möglich (siehe Kapitel 5), welche es erlaubt, Zytokine im<br />
Labor herzustellen.<br />
Einige Zytokine, die auf ihr <strong>the</strong>rapeutisches Potential bei <strong>Krebs</strong> untersucht wurden, sind in<br />
Tabelle 6.1 aufgeführt. Die Wirkungsweisen der verschiedenen Zytokine, die in dieser Tabelle<br />
aufgelistet wurden, sind sehr komplex. Die Zytokine werden von vielen verschiedenen Zelltypen<br />
freigesetzt <strong>und</strong> haben Auswirkungen auf viele Zellprozesse. Interaktionen zwischen Zytokinen<br />
verändern diese Auswirkungen (Abbildung 6.1).<br />
Die Freisetzung von Zytokinen ist normalerweise auf gewisse Stellen im Körper beschränkt, wo<br />
sie eine örtliche Antwort stimulieren. Also bewirkt eine systemische Anwendung sowohl die<br />
gewünschte Antwort als auch unerwünschte Antworten, die sich, wegen der nicht-selektiven<br />
Stimulation <strong>und</strong>/oder Hemmung als Nebenwirkungen manifestieren.<br />
Zytokine als Supportiv-Therapie<br />
Viele Zytokine werden als Supportiv-Therapie benützt, um die Schwere oder Häufigkeit des<br />
Auftretens von Chemo<strong>the</strong>rapie-induzierter Toxizität zu verringern. Sie ermöglichen so eine<br />
optimale Dosierung der Chemo<strong>the</strong>rapie in der Menge, in der sie am wirkungsvollsten ist. In<br />
dieser Situation werden Zytokine benutzt, um die Zellpopulation zu einer schnelleren Erholung<br />
zu stimulieren, z.B. neutrophile Zellen, die durch eine Chemo<strong>the</strong>rapie, welche alle momentan<br />
sich teilenden Zellen angreift, beschädigt wurden. Einige der zytotoxischen Medikamente, wie<br />
die Taxane <strong>und</strong> Vinorelbin, verursachen eine Neutropenie (tiefe Anzahl von Neutrophilen), was<br />
6.4
6<br />
Tabelle 6.1. Zytokine mit <strong>the</strong>rapeutischer Anwendung bei <strong>Krebs</strong>.<br />
Zytokin Aktivität Gebrauch bei <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie<br />
Interleukin-1 (IL-1) Hauptmediator bei Entzündung Vorbeugung von Chemo<strong>the</strong>rapieinduzierter<br />
Thrombozytopenie<br />
Direkte Aktivität bei Injektion in den<br />
Tumor<br />
Interleukin-2 (IL-2) Induktion der T-Zell-Proliferation Behandlung des malignen Melanoms<br />
<strong>und</strong> Nierenzellkarzinoms<br />
Ex-vivo Expansion von Killerzellen<br />
<strong>und</strong> Tumor-infiltrierenden T-Zellen<br />
Interleukin-4 (IL-4) Aktivator des B-Zell-Wachstums Möglicher direkter Antitumor-Effekt<br />
via Apoptose<br />
Erforscht als Gen-Therapie für<br />
Tumoren des zentralen<br />
Nervensystems (ZNS)<br />
Interleukin-12 (Il-12) Förderung der Proliferation von Erforscht für Aktivität gegen<br />
zytotoxischen T-Zellen <strong>und</strong> der Nierenzell-Karzinom <strong>und</strong> Melanom<br />
natürlichen Killer-Zellen<br />
Interferon-α Stimuliert Immunfunktion Behandlung von Nierenkrebs,<br />
Melanom, karzinoiden Tumoren <strong>und</strong><br />
einigen Arten von Lymphomen<br />
Granulozyten-Makrophagen- Stimuliert die Produktion von Vorbeugung von Chemo<strong>the</strong>rapie-<br />
Kolonie-stimulierender Makrophagen <strong>und</strong> neutrophilen bedingten Infektionen<br />
Faktor (GM-CSF) Zellen Erlaubt höhere Dosierung von Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
(Sargramostim)<br />
Vermindert den Schweregrad von<br />
Infektionen bei Patienten mit Neutropenie<br />
Behandlung von febriler Neutropenie<br />
Granulozyten-Kolonie- Stimuliert die Bildung neutrophiler Vorbeugung von Chemo<strong>the</strong>rapiestimulierender<br />
Faktor Zellen bedingten Infektionen<br />
(G-CSF) (Filgrastim)<br />
Erlaubt höhere Dosierung von<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
Vermindert den Schweregrad von<br />
Infektionen bei Patienten mit<br />
Neutropenie<br />
Behandlung von febriler Neutropenie<br />
Thrombopoetin Stimuliert die Reifung von Vermindert die Inzidenz von<br />
Megakaryozyten<br />
Thrombozytopenie (tiefe Zahl von<br />
Blutplättchen) während der<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
Erythropoetin Stimuliert das Wachstum von Vermindert den Bedarf an<br />
Vorläufern roter Blutzellen<br />
Bluttransfusionen während der<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie (Erythropoese)<br />
Tumor-Nekrose Zytotoxizität <strong>und</strong> Wirkung auf Möglicher Nutzen bei Melanom <strong>und</strong><br />
Tumor-Mikro-Vaskularisierung Leberkarzinom, wenn Techniken, die<br />
die zu behandelnde Zone isolieren,<br />
angewendet werden<br />
6.5
IL-12<br />
6<br />
Verschiedene Klassen von T-Helfer-<br />
Zellen setzen verschiedene Zytokine frei,<br />
was zur Regulierung von Antworten führt<br />
Aktivierter Makrophag stimuliert<br />
B-Zellen, Immunoglobuline via<br />
Zytokin-Stimulation freizusetzen<br />
T H<br />
–ve TGF-α<br />
IFN-γ<br />
Block<br />
T H<br />
T H<br />
T H<br />
IL-4<br />
IL-13<br />
IL-10<br />
–ve<br />
IFN-γ<br />
IFN-γ<br />
B<br />
B<br />
Ig-produzierende<br />
B-Zelle<br />
IL-12<br />
IFN-γ<br />
NK<br />
IFN-γ<br />
IL-12<br />
Aktivierter<br />
Makrophag<br />
IL-4<br />
T H<br />
T H 2<br />
T H<br />
IFN-γ<br />
Makrophag<br />
1<br />
Zahlreiche Zytokine<br />
beeinflussen, welche Klassen<br />
von T-Helfer-Zellen sich entwickeln<br />
T-Helfer-Zellen werden durch IL-12 stimuliert,<br />
welches durch Makrophagen freigesetzt wird.<br />
Sie stimulieren wiederum andere Makrophagen<br />
Abbildung 6.1. Illustration der Komplexität der Wirkungen von Zytokinen auf zelluläre Prozesse,<br />
gezeigt am Beispiel eines aktivierten Makrophagen <strong>und</strong> von T-Helfer-Zellen (T H ). Dieses stellt nur<br />
einen kleinen Teil der möglichen Wirkungsweisen von Zytokinen im Immunsystem dar.<br />
Das Hauptziel<br />
dieser Zytokinbasierten<br />
Ansätze<br />
für die<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapie<br />
ist die Stimulation<br />
des<br />
körpereigenen<br />
Immunsystems zur<br />
Zerstörung der<br />
<strong>Krebs</strong>zellen, <strong>und</strong><br />
nicht unbedingt<br />
eine direkte<br />
Wirkung auf<br />
<strong>Krebs</strong>zellen.<br />
den Patienten anfälliger für Infektionen macht <strong>und</strong> deshalb potentiell lebensgefährlich ist.<br />
Deshalb ist die schnelle Erholung der neutrophilen Zellen hilfreich. Die Neutropenie kann mit<br />
Filgrastim (rekombinantes G-CSF) bekämpft werden (siehe Fallstudie 1). Ein anderer<br />
Nebeneffekt von Chemo<strong>the</strong>rapeutika (z.B. von Cisplatin) ist die Anämie. Diese kann erfolgreich<br />
mit rekombinantem menschlichem Erythropoetin (Epoetin) behandelt werden. Erythropoetin ist<br />
eine Form eines Zytokins, das von einem in Säugetier-Zellkulturen eingepflanzten menschlichen<br />
Gen produziert wird.<br />
Epoetin induziert die Produktion roter Blutzellen, indem es die Teilung <strong>und</strong> Differenzierung von<br />
entsprechenden Vorläuferzellen im Knochenmark stimuliert. Diese Supportiv-Therapie bringt eine<br />
grosse Verbesserung der Lebensqualität für die behandelten Patienten mit sich.<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapie mit Zytokinen<br />
Unter den Zytokinen, die (im Gegensatz zu Supportiv<strong>the</strong>rapien) als Antikrebs-Wirkstoffe<br />
eingesetzt werden, sind Interferon-α (IFN-α) <strong>und</strong> IL-2. Diese Mittel sind Standard-Behandlungs-<br />
Optionen bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> bei Melanom, wurden aber auch für<br />
eine Reihe anderer Tumorarten erforscht, inklusive hämatologische maligne Erkrankungen.<br />
Das Hauptziel dieser Zytokin-basierten Ansätze für die Antikrebs<strong>the</strong>rapie ist die Stimulation des<br />
körpereigenen Immunsystems zur Zerstörung der <strong>Krebs</strong>zellen, <strong>und</strong> nicht unbedingt eine direkte<br />
Wirkung auf <strong>Krebs</strong>zellen. Die Stimulation einer Antitumor-Immunantwort ist möglich, weil<br />
gewisse Tumoren schwach immunogen sind. Jedoch ist die Immunantwort, die durch diese<br />
6.6
6<br />
Tumoren ohne Zytokin-Therapie erzeugt wird, limitiert <strong>und</strong> wahrscheinlich ungenügend, um eine<br />
Wirkung auf den Tumor zu haben (siehe Kapitel 4). Ersatz oder Zusatz von Zytokinen<br />
ermöglicht eine Verstärkung der Immunantwort, was eine Antitumor-Aktivität zur Folge hat.<br />
Die Zytokine, die zum Gebrauch als Antitumor<strong>the</strong>rapie anerkannt sind (IFN-α, IL-2) werden<br />
normalerweise subkutan verabreicht <strong>und</strong> haben den Vorteil, dass sie unter Umständen vom<br />
Patienten selber oder von einem Helfer oder Verwandten verabreicht werden können. In einigen<br />
Fällen ist eine intravenöse (i.v.) Anwendung zu Beginn der Therapie nötig, was einen<br />
Spitalaufenthalt erforderlich macht. Subkutan (s.c.) verabreicht, sind Interferone wirksam bei<br />
Nierenkarzinom, Melanom <strong>und</strong> karzinoiden Tumoren, während Interleukine bei<br />
Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> Melanom angewandt werden. (Für weitere Informationen bezüglich<br />
Interleukine, siehe weiter unten: rekombinantes IL-2.)<br />
Die Behandlung mit IFN-α hat eine bekannte Ansprechrate von 10–20% bei Patienten mit<br />
fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, dem häufigsten <strong>Krebs</strong> der Niere. Dies ist ein<br />
bemerkenswertes Ansprechen, wenn man mit der konventionellen Chemo<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong><br />
Hormon<strong>the</strong>rapie vergleicht, wo die Ansprechrate nicht mehr als 10% beträgt. Ein<br />
Langzeitüberleben ist jedoch selten (etwa 10% der Patienten überleben 3 Jahre oder länger)<br />
<strong>und</strong> die Toxizität ist bei der hoch dosierten Interferon-α Behandlung (9 bis 10x10 6 E/Tag<br />
dreimal wöchentlich), welche für das Ansprechen nötig ist, ausgeprägt. Eine<br />
Kombinations<strong>the</strong>rapie ist nicht sinnvoll, haben doch Studien gezeigt, dass die Resultate von<br />
IFN-α als Mono<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> in Kombination mit Chemo<strong>the</strong>rapie wie Vinblastin dieselben sind.<br />
Kürzlich wurde gezeigt, dass der Nutzen der Behandlung mit IFN-α von Risikofaktoren<br />
abhängig ist (wie vom Allgemeinzustand, erfolgter Nephrektomie oder Serum-Chemie), wobei<br />
etwa 30% der Patienten ohne Risikofaktoren drei Jahre überleben.<br />
Die Resultate der IFN-α-Behandlung bei Melanomen sind besser <strong>und</strong> erreichen bei 40% der<br />
Patienten Rezidivfreiheit nach 5 Jahren <strong>und</strong> eine 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 45%. Auch<br />
hier sind hohe Dosierungen von IFN-α nötig (20 ME/m 2 /Tag i.v., fünfmal wöchentlich für 4<br />
Wochen, danach 10 ME/m 2 s.c. dreimal wöchentlich für 11 Monate) <strong>und</strong> die Toxizität ist<br />
beträchtlich (schwere Granulozytopenie bei bis zu 45% der Patienten, schwere Lebertoxizität<br />
bei 30%, ausgeprägte Fatigue bei 25%). Studien über die Einstellung der Patienten bezüglich<br />
Toxizität haben gezeigt, dass die meisten bereit sind, für den Preis der Rezidivfreiheit auch<br />
schwere Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen. Trotzdem konnte IFN-α wegen der hohen<br />
Toxizität nicht als adjuvante Therapie eingeführt werden <strong>und</strong> hat zu einer Anzahl von Studien<br />
geführt, die die Wirksamkeit niedrigerer Dosierungen untersuchen.<br />
Wie schon oben erwähnt, ist die Anwendung von Zytokinen wie IFN-α <strong>und</strong> IL-2 mit einer Reihe<br />
von Nebenwirkungen verb<strong>und</strong>en. Diese erfolgen auf Gr<strong>und</strong> der direkten oder indirekten<br />
Wirkung von Zytokinen auf andere Immunfunktionen, welche nicht das eigentliche Ziel der<br />
Therapie sind. So wurden Techniken untersucht, die die Anwendung der Zytokine auf nur ein<br />
Organ beschränken: direkte Injektion in Tumoren; Gebrauch an immunprivilegierten Orten wie<br />
dem zentralen Nervensystem (ZNS); Anwendung spezialisierter Techniken, die den zu<br />
behandelnden Tumor isolieren. Leider konnten bis heute auch die intensiven Studien keine<br />
alternative Methoden zur Zytokin-Anwendung hervorbringen, die denselben direkten Antitumor-<br />
Effekt haben wie die systemische Hochdosis-Therapie <strong>und</strong> gleichzeitig weniger toxisch sind.<br />
Insgesamt ist die Zytokin-Therapie die am meisten angewandte biologische Therapiemethode<br />
bei <strong>Krebs</strong>. Ihre Nutzung als Supportiv<strong>the</strong>rapie ist weit verbreitet <strong>und</strong> normalerweise auch gut<br />
verträglich, <strong>und</strong> gewisse Zytokine haben eine wichtige Antitumorwirkung bei der Behandlung<br />
von Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> Melanom.<br />
Die Behandlung<br />
mit IFN-α hat eine<br />
bekannte<br />
Ansprechrate von<br />
10–20% bei<br />
Patienten mit<br />
fortgeschrittenem<br />
Nierenzellkarzinom,<br />
dem<br />
häufigsten <strong>Krebs</strong><br />
der Niere.<br />
6.7
6<br />
Buchstäblich<br />
Millionen von<br />
Antikörpern, von<br />
welchen jeder ein<br />
spezifisches<br />
Antigen erkennt,<br />
können von den<br />
B-Zellen des<br />
menschlichen<br />
Immunsystems<br />
produziert<br />
werden.<br />
Antikörper-Therapie<br />
Antikörper bilden einen wichtigen Bestandteil des Immunsystems <strong>und</strong> besitzen die Eigenschaft,<br />
Antigene zu erkennen. Buchstäblich Millionen von Antikörpern, von welchen jeder ein<br />
spezifisches Antigen erkennt, können von den B-Zellen des menschlichen Immunsystems<br />
produziert werden. Das Erkennen eines Antigens durch einen Antikörper, welcher eine<br />
spezifische Anbindungsstelle für genau dieses Antigen hat, führt zur Bindung <strong>und</strong> stimuliert eine<br />
Vielzahl von Antworten wie:<br />
● Aktivierung anderer Komponenten des Immunsystems<br />
● Einleitung der Phagozytose (Prozess, bei dem fremdes Material aufgenommen <strong>und</strong> zerstört<br />
wird)<br />
● Stimulation der zellgesteuerten Immunität.<br />
Entwicklung monoklonaler Antikörper für den <strong>the</strong>rapeutischen Gebrauch<br />
Die Fähigkeit, Antikörper klinisch zu verwenden, ist der Entwicklung der Hybridom-Technik zu<br />
verdanken, bei der Zellklone, welche einen einzigen Typ Antikörper absondern, aus einer<br />
einzelnen Maus-B-Zelle entwickelt werden. Dieser Vorgang wird in Kapitel 5 genauer<br />
geschildert. Die Anwendung monoklonaler Antikörper beinhaltet:<br />
● Forschung in der Pathogenese<br />
● Diagnose<br />
● Prognose<br />
Indem man die<br />
strukturellen<br />
Sequenzen eines<br />
monoklonalen<br />
Antikörpers, die<br />
der Maus<br />
zugehören, durch<br />
menschliche<br />
Sequenzen<br />
ersetzt, ist es<br />
möglich,<br />
monoklonale<br />
Antikörper zu<br />
produzieren, die<br />
mindestens zu<br />
90% menschlich<br />
sind <strong>und</strong> so die<br />
neutralisierenden<br />
Reaktionen zu<br />
vermeiden . . .<br />
● Einschätzung des <strong>the</strong>rapeutischen Ansprechens<br />
● <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie.<br />
Der Gebrauch monoklonaler Antikörper als <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie erfordert noch mehr technische<br />
Fortschritte als nur die Entwicklung monoklonaler Antikörper. Monoklonale Antikörper von<br />
Mäusen werden vom menschlichen Immunsystem als fremd erkannt. Das heisst, dass sie eine<br />
Immunantwort stimulieren <strong>und</strong> schnell neutralisiert <strong>und</strong>/oder zerstört werden. So ist es nötig,<br />
Mittel zur Vorbeugung dieser Immunantwort zu finden, damit monoklonale Antikörper klinisch<br />
wirkungsvoll eingesetzt werden können. Rekombinante DNA-Techniken liefern dafür die<br />
Antwort. Antikörper enthalten sowohl strukturelle als auch Antigen-erkennende Zonen (siehe<br />
Kapitel 4). Strukturelle Sequenzen machen den grössten Teil des Antikörpers aus <strong>und</strong> sind bei<br />
allen Antikörpern derselben Tier-Spezies gleich, während die Antigen-erkennenden Teile<br />
verschieden sind, je nach dem erkannten Antigen. Indem man die strukturellen Sequenzen eines<br />
monoklonalen Antikörpers, die der Maus zugehören, durch menschliche Sequenzen ersetzt, ist<br />
es möglich, monoklonale Antikörper zu produzieren, die mindestens zu 90% menschlich sind<br />
<strong>und</strong> so die neutralisierenden Reaktionen zu vermeiden, die bei einem monoklonalen Antikörper<br />
von der Maus erfolgen würden (Abbildung 6.2).<br />
Angriffspunkte/Ziele für monoklonale Antikörper-Therapie<br />
Es wurde eine Anzahl von Antigenen mit verschiedenen Zielen für die Therapie mit<br />
monoklonalen Antikörpern erforscht. Diese Ziel-Antigene sind normalerweise Antigene, von<br />
denen bewiesen wurde, dass sie für eine oder mehrere <strong>Krebs</strong>arten spezifisch sind <strong>und</strong> die oft<br />
auch mit der Überproduktion eines Rezeptors einhergehen. Einige dieser Ziel-Antigene sind in<br />
Tabelle 6.2 aufgeführt.<br />
6.8
6<br />
a) Schaffung chimerischer<br />
b)<br />
Antikörper (z.B. MabThera ® )<br />
Zur Maus gehörig<br />
V L<br />
C L<br />
V H<br />
C H<br />
Schaffung menschlicher<br />
spezifischer Antikörper (z.B. Herceptin ® )<br />
Zur Maus gehörig<br />
Ergänzende<br />
bestimmende<br />
Regionen<br />
Es wurde eine<br />
Anzahl von<br />
Antigenen mit<br />
verschiedenen<br />
Zielen für die<br />
Therapie mit<br />
monoklonalen<br />
Antikörpern<br />
erforscht.<br />
Menschlich<br />
Menschlicher<br />
Kontext<br />
Abbildung 6.2. Zwei Methoden, um die Immunantwort auf monoklonale Antikörper zu umgehen: a)<br />
Schaffung eines chimerischen Antikörpers, indem variable Sequenzen von der Maus mit menschlichen<br />
konstanten Sequenzen zusammengefügt werden (ungefähr 70% menschliche); b) Schaffung eines<br />
vermenschlichten Antikörpers, indem alle Maus-Sequenzen, ausser den Antigen-erkennenden, ersetzt<br />
werden (ergänzende bestimmende Regionen [CDRs]) mit menschlichen Sequenzen (>90% menschlich).<br />
Die Vorgehensweisen um Antikörper-basierte <strong>Therapien</strong> herzustellen, die auf diese Ziele<br />
gerichtet sind, können wie folgt gruppiert werden:<br />
● direkte monoklonale Antikörper-Methoden („nackter“ Antikörper)<br />
● Immunokonjugate, inklusive Immunotoxine <strong>und</strong> Radio-Immunokonjugate<br />
● bispezifische Antikörper.<br />
Tabelle 6.2. Beispiele für Ziel-Antigene in der Therapie mit<br />
monoklonalen Antikörpern bei <strong>Krebs</strong>.<br />
Ziel<br />
Human epidermal growth factor receptor (HER2)<br />
(Menschlicher epidermaler<br />
Wachstumsfaktor-Rezeptor)<br />
Carzino-embryonales Antigen (CEA)<br />
MUC1<br />
Ganglioside<br />
CD19, CD20, CD22<br />
CD5<br />
Tumor-Typ<br />
Brust, Ovarial, Kolorektal<br />
Kolorektal<br />
Kolorektal, Brust, Ovarial<br />
Melanom<br />
Non-Hodgkin-Lymphom<br />
Chronisch lymphatische<br />
Leukämie, kutanes T-Zell-Lymphom<br />
6.9
6<br />
Monoklonale Antikörper<br />
Der Gebrauch von „nackten“ oder unkonjugierten monoklonalen Antikörpern, um Tumoren<br />
anzugreifen <strong>und</strong> direkte Wirkungen auf Tumorzellen zu erzielen, ist die einfachste der<br />
untersuchten Antikörper-Methoden. Die Wirksamkeit dieser Art von Therapie hängt von<br />
folgenden Faktoren ab:<br />
● von der Auswahl eines geeigneten Ziel-Antigens; also z.B. von einem, das in abnormer<br />
Weise von Tumorzellen, aber nicht von normalen Zellen, exprimiert wird, das ausgeprägt an<br />
der Tumorzelloberfläche vorhanden ist, das stabil ist (nicht variabel durch Punktmutationen<br />
im Gen) <strong>und</strong> das aktiv ist in der Tumorentwicklung <strong>und</strong>/oder Tumorerhaltung<br />
● vom monoklonalen Antikörper, welcher eine hohe Affinität für das Ziel-Antigen haben muss,<br />
aber keine Auswirkungen auf normales Gewebe haben sollte<br />
● vom Tumor-Typ, inklusive Zugänglichkeit durch den Antikörper.<br />
Diese Eigenschaften stellen sicher, dass der monoklonale Antikörper nicht ges<strong>und</strong>e Zellen<br />
angreift, oder aber höchstens minimale Wirkung auf diese hat, während er Tumorzellen effektiv<br />
unterdrückt oder vernichtet. Eine starke Ausprägung von Antigen-Expression durch Tumorzellen<br />
erhöht die Zielgenauigkeit <strong>und</strong> Wirksamkeit des Antikörpers, während die Stabilität des<br />
Antigens sicherstellt, dass der Zielbereich für die Therapie immer vorhanden ist. Die hohe<br />
Affinität des monoklonalen Antikörpers für sein Zielobjekt verbessert auch die Tumorspezifität.<br />
Früher war man der Ansicht, dass die Wirksamkeit der monoklonalen Antikörper<strong>the</strong>rapie eine<br />
Folge der Stimulation der Immunantwort, welche schlussendlich im Zelltod endete, sei. Heute<br />
glaubt man jedoch, dass die Antikrebs-Aktivität monoklonaler Antikörper auf verschiedene<br />
Arten erzeugt wird, nämlich:<br />
● gezielte Regulation nach unten (downregulation), welche zu Funktionsveränderungen führt,<br />
z.B. Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />
● Vorbeugung der Zielaktivierung, z.B. von Wachstumsfaktor-Rezeptoren<br />
● Hemmung intrazellulärer Signalpfade, welche von Ziel-Antigen kontrolliert werden, z.B.<br />
wachstumsstimulierende Signale, welche von einem an seinen Rezeptor bindenden<br />
Wachstumsfaktor produziert werden<br />
● Einleitung von Immunantworten<br />
Der Gebrauch<br />
von „nackten“<br />
oder<br />
unkonjugierten<br />
monoklonalen<br />
Antikörpern, um<br />
Tumoren<br />
anzugreifen <strong>und</strong><br />
direkte<br />
Wirkungen auf<br />
Tumorzellen zu<br />
erzielen, ist die<br />
einfachste der<br />
untersuchten<br />
Antikörper-<br />
Methoden.<br />
Monoklonale<br />
Antikörper-<br />
Therapie wurde<br />
zur klinischen<br />
Realität, als man<br />
chimerische oder<br />
humanisierte<br />
Antikörper<br />
herstellen<br />
konnte . . .<br />
● direkte Antikrebs-Aktivität durch programmierten Zelltod (Apoptose), z.B. Aktivierung von<br />
Faktoren, die Apoptose induzieren als Folge eines Feedbacks gehemmter intrazellulärer<br />
Wachstumsstimulations-Signalpfade.<br />
Monoklonale Antikörper-Therapie wurde zur klinischen Realität, als man chimerische oder<br />
humanisierte Antikörper herstellen konnte, welche die Antigen-Spezifität des elterlichen Mäuse-<br />
Antikörpers beibehalten, aber nicht als fremdes Protein erkannt <strong>und</strong> neutralisiert werden. Diese<br />
Methode hat sich in klinischen Versuchen als effektiv erwiesen, <strong>und</strong> mittlerweile sind zwei<br />
Wirkstoffe für den Routinegebrauch in der Klinik erhältlich:<br />
● MabThera ® , ein chimerischer anti-CD20-Antikörper, der bei ca. 50% der Patienten mit Non-<br />
Hodgkin-Lymphom ein Ansprechen bewirkt <strong>und</strong> gut verträglich ist<br />
● Herceptin ® , ein humanisierter anti-HER2 monoklonaler Antikörper, der eine Steigerung der<br />
Gesamtüberlebensdauer bei Frauen mit HER2-positivem metastasierendem Brustkrebs<br />
bewirkt (siehe detaillierte Beschreibung später in diesem Kapitel) (Abbildung 6.3).<br />
6.10
6<br />
Abbildung 6.3. Repräsentative Struktur eines humanisierten monoklonalen Antikörpers (Mäuse-<br />
Sequenzen sind in Gelb abgebildet).<br />
Diese beiden monoklonalen Antikörper zielen auf Antigene, welche von Tumorzellen in<br />
ausgeprägter Menge exprimiert werden. CD20 wird von fast allen B-Zell-Lymphomen<br />
exprimiert, aber nicht auf Stammzellen, frühen B-Zell-Vorläufern oder kritischen Organen. Diese<br />
Spezifität der Expression zusammen mit seiner Lokalisation auf der Zellmembran, jedoch nicht<br />
im Serum, macht es zum idealen Ziel für monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie.<br />
Die<br />
Nebenwirkungen<br />
der monoklonalen<br />
Antikörper<strong>the</strong>rapie<br />
treten<br />
normalerweise<br />
beim Inf<strong>und</strong>ieren<br />
der Erstdosis auf.<br />
HER2 wird zwar auch von der Mehrheit der Epi<strong>the</strong>lialzellen exprimiert, jedoch wird es von<br />
ungefähr 20% aller Brusttumoren <strong>und</strong> von einigen anderen Tumoren ausgeprägt exprimiert <strong>und</strong><br />
hat eine bewiesene Rolle in der Onkogenese von Brustkrebs. Diese Eigenschaften machen es zu<br />
einem idealen Ziel für die monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie.<br />
Die Nebenwirkungen der monoklonalen Antikörper<strong>the</strong>rapie treten normalerweise beim<br />
Inf<strong>und</strong>ieren der Erstdosis auf. Am häufigsten haben die Patienten Fieber <strong>und</strong> Frösteln<br />
(beobachtet bei bis zu 40% der Patienten), selten Schüttelfröste. Mit angemessener<br />
symptomatischer Therapie <strong>und</strong> Anpassung der Infusionsgeschwindigkeit können diese<br />
Symptome jedoch gut behandelt werden.<br />
Konjugierte Antikörper<br />
Die Bezeichnung konjugierte Antikörper wird benützt, um monoklonale Antikörper zu<br />
beschreiben, die mit Toxinen oder Radionukliden gepaart wurden, um Immunotoxine <strong>und</strong> Radio-<br />
Immunokonjugate herzustellen (Abbildung 6.4). Beide Methoden haben zum Ziel, ein Molekül<br />
freizusetzen, das einen zytotoxischen Effekt spezifisch auf Tumorzellen hat.<br />
Die Toxine, die in Immunotoxinen von Nutzen sind, müssen Zytotoxine (den Zelltod<br />
herbeiführende Stoffe) sein, die erkennen, wo sie die Zelle angreifen können, <strong>und</strong> die erst aktiv<br />
werden, wenn sie in die Zelle aufgenommen worden sind. Diese Eigenschaften sind wichtig,<br />
damit das Toxin nur den Tod derjenigen Zellen verursacht, die das Ziel-Antigen exprimieren,<br />
<strong>und</strong> nicht andere Zellen, die das Toxin nicht aufnehmen (Abbildung 6.5).<br />
Die gebräuchlichsten Toxine dieser Art sind bakteriellen oder pflanzlichen Ursprungs, wie z.B.<br />
Rizin oder die Rizin-A-Untergruppe (pflanzlich), das Pseudomonas-Exotoxin <strong>und</strong> das Diph<strong>the</strong>rie-<br />
Toxin (bakteriell). Das Zusammenfügen dieser Toxine mit Antikörpern kann entweder chemisch<br />
6.11
6<br />
Tumor-<br />
Antigen<br />
Immunisierung mit<br />
Tumor-Antigen<br />
Milz<br />
Unsterbliche<br />
B-Zelle<br />
Entfernung von Milz-Zellen<br />
<strong>und</strong> Verschmelzung mit<br />
unsterblichen B-Zellen,<br />
um Hybridome herzustellen<br />
Bildung von Kolonien aus<br />
einzelnen Hybridom-Zellen<br />
Auswählen von Klonen,<br />
die Antikörper<br />
gegen produzieren<br />
Monoklonaler Antikörper<br />
P<br />
P<br />
Zusammenfügen mit<br />
Radionuklid oder Toxin<br />
Abbildung 6.4. Produktion von konjugierten Antikörpern.<br />
Die<br />
Internalisierung<br />
<strong>und</strong> die<br />
zytotoxische<br />
Aktivität sind<br />
obligatorische<br />
Funktionen für<br />
Toxine, die in der<br />
Immuno<strong>the</strong>rapie<br />
gebraucht<br />
werden können.<br />
durchgeführt werden, oder durch Ersetzen der Bindungs-Sequenzen des Toxins mit dem Antigenerkennenden<br />
Teil eines monoklonalen Antikörpers. Die zweite Technik wird vorgezogen, weil so<br />
ein homogenes Immunotoxin-Produkt entsteht, das weniger immunogen <strong>und</strong> aktiver ist.<br />
Die Immunotoxine, die auf diesem Weg produziert werden, binden sich an geeigneten Stellen<br />
an die Tumorzellen, werden in diese aufgenommen <strong>und</strong> erst dann beginnt die zytotoxische<br />
Aktivität durch Einwirken auf den Zellmetabolismus. Die Internalisierung <strong>und</strong> die zytotoxische<br />
Aktivität sind obligatorische Funktionen für Toxine, die in der Immuno<strong>the</strong>rapie gebraucht<br />
werden können.<br />
Mit Tumoren in Verbindung stehende Antigene, die für die Therapie mit Immunotoxinen<br />
geeignet scheinen, sind folgende:<br />
● CD5 in der Graft-Versus-Host Erkrankung <strong>und</strong> bei chronisch lymphatischer Leukämie<br />
● IL-2 Rezeptor bei hämatologischen Erkrankungen<br />
● CD22 bei B-Zell-Lymphomen <strong>und</strong> Leukämien<br />
6.12
6<br />
AK<br />
Toxin<br />
Rezeptor<br />
Immunotoxin bindet an<br />
Rezeptor an der<br />
Zelloberfläche<br />
Toxin<br />
Aufnahme in die Zelle<br />
Toxin<br />
Antikörper wird vom<br />
Toxin getrennt<br />
Toxin<br />
Hemmung der<br />
Protein-Syn<strong>the</strong>se<br />
Das Toxin wird in die Zelle<br />
transportiert <strong>und</strong> hemmt<br />
die Protein-Syn<strong>the</strong>se<br />
Zelltod<br />
Das Fehlen der<br />
Protein-Syn<strong>the</strong>se<br />
bewirkt den Zelltod<br />
Abbildung 6.5. Der Ablauf der Zelltötung durch ein Immunotoxin.<br />
● Lewis Y Antigen bei Kolorektal-Karzinomen, Brustkrebs <strong>und</strong> anderen Karzinomen<br />
● HER2 bei Brustkrebs<br />
● CD56 bei nicht kleinzelligem Bronchuskarzinom.<br />
In frühen klinischen Studien mit Immunotoxinen wurden Ansprechraten (z.B. Tumorschrumpfung<br />
<strong>und</strong> Verschwinden des Tumors) von bis zu 40% beobachtet, obwohl Raten von 15–25%<br />
üblicher sind. Präklinische Studien hatten jedoch auf bessere Ergebnisse hoffen lassen. Diese<br />
Diskrepanz ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass grosse Tumormassen nicht penetriert<br />
werden können, weil Immunotoxine grosse, wenig bewegliche Moleküle sind <strong>und</strong> keine<br />
Tumorspezifität vorhanden ist. Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Inzidenz der mit dem<br />
Immunotoxin verb<strong>und</strong>enen Toxizität relativ hoch ist, <strong>und</strong> dass bei etwa 60–70% aller Patienten<br />
schwere Nebenwirkungen auftreten. Das „vascular leak syndrome“ (Austritt von Flüssigkeit aus<br />
den Gefässen), welches zu generalisierten Ödemen <strong>und</strong> einer Reihe von Nebenwirkungen wie<br />
Hypotension <strong>und</strong> Pleura-Erguss führt, ist das Hauptproblem. Bis heute hat die Toxizität ein<br />
Fortschreiten der klinischen Anwendung dieser Behandlungsweise verhindert. So verursachte<br />
zum Beispiel das Erb-38-Immunotoxin, welches einen anti-HER2 monoklonalen Antikörper <strong>und</strong><br />
Pseudomonas-Exotoxin enthält, bei der Anwendung bei Brusttumoren mit einer HER2-<br />
Überexpression schwere Lebertoxizität.<br />
Konjugierte Radio-Antikörper stellen einen attraktiven Therapieansatz dar, weil Strahlung<br />
bekannt dafür ist, dass sie Zellen wirksam töten kann. Eine der grossen Herausforderungen bei<br />
der Radio<strong>the</strong>rapie ist die Verhinderung der Schädigung des ges<strong>und</strong>en Gewebes <strong>und</strong> die<br />
ausschliessliche Bestrahlung des Tumorgewebes. Der Gebrauch von konjugierten Radio-<br />
Antikörpern wurde entwickelt, um die Strahlung gezielt auf den Tumor auszurichten.<br />
. . . die Inzidenz<br />
der mit dem<br />
Immunotoxin<br />
verb<strong>und</strong>enen<br />
Toxizität ist relativ<br />
hoch <strong>und</strong> bei<br />
etwa 60–70%<br />
aller Patienten<br />
treten schwere<br />
Nebenwirkungen<br />
auf.<br />
Zwei Arten von Radio-Isotopen sind erhältlich für die Produktion von Radio-Antikörpern: Beta-<br />
Strahler wie Iod-131 <strong>und</strong> Yttrium-90; <strong>und</strong> Alpha-Strahler wie Astatin-211 <strong>und</strong> Actinium-225. Beta-<br />
6.13
6<br />
Strahler produzieren niedrige Strahlen-Dosen über relativ lange Distanzen, was bedeutet, dass sie<br />
potentiell Auswirkungen auf benachbartes ges<strong>und</strong>es Gewebe haben. Deshalb ist ihre Anwendung<br />
auf Situationen beschränkt, bei denen eine Knochenmarktransplantation möglich ist, oder wenn<br />
eine grosse Tumormasse vorhanden ist. Im Gegensatz dazu produzieren Alpha-Strahler hohe<br />
Strahlen-Dosen über eine kurze Distanz. So ist ihre Toxizität selektiver als bei Beta-Strahlern.<br />
Die klinische<br />
Anwendung von<br />
Radio-Immunokonjugaten<br />
hat<br />
sich auf die<br />
hämatologischen<br />
Erkrankungen<br />
ausgerichtet.<br />
Die<br />
Anbindungsorte<br />
der bispezifischen<br />
Antigene sind<br />
spezifisch für ein<br />
Tumorzugehöriges<br />
Antigen <strong>und</strong> ein<br />
Eigen-Antigen an<br />
einer<br />
Immunsystem-<br />
Effektorzelle . . .<br />
<strong>Krebs</strong>impfungen<br />
sind eine Form<br />
von biologischer<br />
Therapie, bei der<br />
das Immunsystem<br />
angeregt wird,<br />
<strong>Krebs</strong>zellen zu<br />
erkennen <strong>und</strong> zu<br />
zerstören.<br />
Die klinische Anwendung von Radio-Immunokonjugaten hat sich auf die hämatologischen<br />
Erkrankungen ausgerichtet. Anti-CD20 monoklonale Antikörper konjugiert mit Beta-Strahlern<br />
wurden gut erforscht in der Behandlung von B-Zell-Lymphomen. Sowohl die Hochdosis-<br />
Behandlungen, welche eine autologe Knochenmarktransplantation erfordern, als auch die<br />
Niedrigdosis-Behandlungen haben sich als wirksam erwiesen, mit komplettem Tumor-<br />
Ansprechen bei etwa 50% der Patienten. Die Versuche mit Iod-131<strong>und</strong> Yttrium-90 auf anti-<br />
CD20 Radio-Immunokonjugaten stehen kurz vor der Auswertung. Studien für die Anwendung<br />
von Radio-Immunokonjugaten zur Behandlung solider Tumoren waren wegen starker Toxizität<br />
<strong>und</strong> limitierter Wirksamkeit weniger erfolgreich.<br />
Bispezifische Antikörper<br />
Normalerweise haben Antikörper zwei Anbindungsorte für dasselbe Antigen. Bispezifische<br />
Antikörper sind mit Hilfe der Gentechnologie entwickelt worden <strong>und</strong> haben zwei<br />
Anbindungsorte für zwei verschiedene Antigene. Die Anbindungsorte der bispezifischen<br />
Antigene sind spezifisch für ein Tumor-zugehöriges Antigen <strong>und</strong> ein Eigen-Antigen an einer<br />
Immunsystem-Effektorzelle, wie T-Zellen, natürliche Killerzellen, Monozyten oder Makrophagen.<br />
Diese Technik ermöglicht direkten Kontakt von Immun-Effektorzellen mit bösartigen Zellen. Dazu<br />
kommt, dass der Angriffspunkt der Effektorzelle für den Antikörper üblicherweise ein Rezeptor<br />
ist, dessen Aktivierung eine Lyse <strong>und</strong>/oder Phagozytose durch die Effektorzelle triggert <strong>und</strong> so<br />
zum Tumorzelltod führt. Die Effektorzellen scheiden Zytokine aus, die benachbarte Tumorzellen<br />
angreifen <strong>und</strong> mehr Effektorzellen an den Tumor heranziehen.<br />
Ein gutes Beispiel eines bispezifischen Antikörpers, der klinisch erprobt wurde, ist MDX-210,<br />
welcher sich an HER2 <strong>und</strong> an einen T-Zell-Rezeptor anbindet. Dieser Antikörper hat in Phase I <strong>und</strong><br />
II Studien bei Frauen mit fortgeschrittenem HER2-positivem Brust- oder Ovarial-Karzinom<br />
ermutigende Resultate hervorgebracht. Dabei wurde jedoch ein Maus-Antikörper benützt <strong>und</strong> es<br />
konnte eine schnelle Immunantwort beobachtet werden. Diese Immunantwort neutralisierte die<br />
Aktivität des bispezifischen Antikörpers. Die menschliche Form von MDX-210, welche MDX-H210<br />
genannt wird, wurde bei fortgeschrittenem Mammakarzinom, Nierenzell-Karzinom, Prostata- <strong>und</strong><br />
Kolorektal-<strong>Krebs</strong> getestet. Vorläufige Resultate dieser Studien zeigen, dass gelegentliches Tumor-<br />
Ansprechen erreicht werden kann, obwohl der grösste Therapieerfolg, der bis heute verzeichnet<br />
werden konnte, bei etwa 45% der Patienten eine Krankheitsstabilisierung ergab.<br />
<strong>Krebs</strong>impfungen<br />
<strong>Krebs</strong>impfungen sind eine Form von biologischer Therapie, bei der das Immunsystem angeregt<br />
wird, <strong>Krebs</strong>zellen zu erkennen <strong>und</strong> zu zerstören. Im Gegensatz zu Impfungen gegen<br />
Infektionskrankheiten, welche als Präventivmassnahme verabreicht werden, um das<br />
Immunsystem gegen ein spezifisches Virus oder Bakterium zu wappnen, werden<br />
<strong>Krebs</strong>impfungen erst nach der Diagnosestellung verabreicht.<br />
Die Hauptziele für <strong>Krebs</strong>impfungen sind:<br />
● Tumor-spezifische Antigene, wie mutierte Formen normaler Zell-Proteine oder ungewöhnlich<br />
exprimierte Proteine<br />
6.14
6<br />
● Differenzierungs-Antigene, welche benützt werden, um die Immunabwehr gegen den Tumor<br />
durch die Stimulation von T-Zell-Antworten zu fördern<br />
● Virale Antigene. Diese Technik macht vom Umstand Gebrauch, dass 15–20% aller Tumoren<br />
viral induziert sind <strong>und</strong> dass diese Tumoren mindestens einige virale Proteine an ihrer<br />
Zelloberfläche exprimieren. Beispiele davon sind das EBNA-1 Protein des Epstein-Barr-Virus<br />
<strong>und</strong> Kern- <strong>und</strong> Oberflächen-Antigene des Hepatitis-B-Virus<br />
● Onkogene wie p53<br />
● Kohlenhydrat-Antigene wie Ganglioside <strong>und</strong> Mucine werden in grossen Mengen durch<br />
Tumorzellen exprimiert <strong>und</strong> erzielen eine starke Immunantwort. Ihre Rolle in intrazellulären<br />
Interaktionen macht sie zu nützlichen Zielantigenen.<br />
Die verschiedenen Formen von <strong>Krebs</strong>impfungen, die erforscht wurden, sind unten beschrieben.<br />
Tumorzell-Lysate <strong>und</strong> ganze Zellen<br />
Tumorzell-Lysate (Extrakte) <strong>und</strong> ganze Zellen, zum Beispiel von Brustkrebs, Leukämie <strong>und</strong><br />
Melanom werden entweder von Tumorzellen des behandelten Patienten oder von andern<br />
Patienten mit gleichen Tumoren, entwickelt. Tumorzell-Lysate <strong>und</strong> ganze Zellen führen zu Zytokin<strong>und</strong><br />
T-Zell-Antworten, welche die Tumor-Abtötung fördern sollen (Abbildung 6.6). Diese<br />
Behandlungsmöglichkeit ist sehr attraktiv, aber um diese Impfstoffe herzustellen ist ein sehr<br />
komplexes Verfahren erforderlich. Die Tumorzellen werden in einem frühen Tumorstadium<br />
gewonnen <strong>und</strong> sehr präzise geklont, um eine beständige Quelle von Tumorzellen zu haben.<br />
Zusätzlich muss auch die Tumor-Charakterisierung sehr präzise gemacht sein, so dass die<br />
Tumor-assoziierten Antigene, die eine Immunantwort stimulieren, qualitativ hoch stehend sind.<br />
Ganzzell- <strong>und</strong> Tumor-Lysat-Impfungen wurden in klinischen Studien schon sehr genau untersucht.<br />
Obschon frühe Versuche bei Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren inklusive<br />
Melanomen <strong>und</strong> Sarkomen Immunantworten mit kleiner Toxizität zeigten, ergaben diese<br />
Antigene<br />
Tumor-<br />
Zelle<br />
Tumor-assoziierte Antigene (Lysate oder<br />
ganze Zellen)<br />
Erfassen durch Antigen-präsentierende<br />
Zelle, Verarbeitung <strong>und</strong> Präsentation<br />
in erkennbarer Form<br />
Ganzzell- <strong>und</strong><br />
Tumor-Lysat-<br />
Impfungen<br />
wurden in<br />
klinischen Studien<br />
schon sehr genau<br />
untersucht.<br />
B<br />
T H<br />
T H<br />
T H<br />
T<br />
Stimulation von Immunzell-Klonen,<br />
inklusive Antikörper-ausscheidende<br />
B-Zellen, T-Zellen <strong>und</strong> Zytokinproduzierende<br />
T-Helfer-Zellen (T H<br />
Zellen)<br />
Zytokine<br />
IgG<br />
IgM<br />
T<br />
T<br />
Zytokine von T H<br />
Zellen stimulieren<br />
weitere Antworten durch B- <strong>und</strong><br />
T-Zellen<br />
Antitumor-Aktivität<br />
Abbildung 6.6. Ablauf der Induktion von Antitumor-Antworten durch Ganzzellen- <strong>und</strong> Tumor-Lysat-<br />
Impfungen. Reproduziert mit der Erlaubnis von Principles and Practice of <strong>the</strong> Biological Therapy of<br />
Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />
6.15
6<br />
Impfungen doch nur einen kleinen klinischen Nutzen. So wurden spätere Versuche bei Patienten<br />
mit kleinen Resterkrankungen <strong>und</strong> bei krankheitsfreien Patienten postoperativ durchgeführt.<br />
Diese Versuche zeigten einigen Nutzen sowohl bei Ganzzell-Impfungen als auch bei Tumor-<br />
Lysat-Versuchen, <strong>und</strong> zwar bei Leukämie, Melanom, Nierenkarzinom <strong>und</strong> anderen Tumorarten.<br />
Modifizierte Tumorzellen<br />
Genetische Modifikation von Tumorzellen vor der Impfung ist eine oft angewandte Therapieart.<br />
Die Einsetzung eines viralen Genoms in Tumorzellen kann folgende Wirkungen haben: es<br />
steigert die Stimulation von T-Zellen, erhöht die Anziehung von Antigen-präsentierenden Zellen<br />
durch Stimulation der Produktion von Zytokinen <strong>und</strong> andern Molekülen oder erhöht die<br />
Präsentation von Antigenen an T-Zellen (Abbildung 6.7). Die ersten Studien benützten dafür<br />
Influenza-Virus infizierte Tumorzell-Lysate <strong>und</strong> zeigten, dass eine Immun-Antwort auf den Tumor<br />
erzeugt werden konnte. So wurden <strong>Krebs</strong>zellen mit darin enthaltenen Zytokin-Genen, wie z.B.<br />
Interleukinen, Interferonen oder Tumor-Nekrose-Faktor-α konstruiert. Ein Ansprechen wurde<br />
beobachtet bei Melanompatienten, welche mit IL-2-transduzierten Tumorzellen behandelt<br />
wurden.<br />
Tumor-spezifische Proteine<br />
Die Anwendung von Tumor-spezifischen Proteinen, um eine Immunantwort hervorzurufen, ist<br />
eine attraktive <strong>und</strong> direkte Art von Impfung. Die Verfeinerung dieser Methode durch Isolierung<br />
von Peptid-Fragmenten, die für die Immunogenität eines Proteins wichtig sind, ist speziell<br />
attraktiv. So können Probleme mit der Verträglichkeit überw<strong>und</strong>en werden, welche bei der<br />
Anwendung von grossen Proteinen auftreten würden, <strong>und</strong> es wird erst noch die Spezifität der<br />
Immunantwort gesteigert. Erste Versuche, bei welchen Peptide von Melanom-assoziierten<br />
Proteinen eingesetzt wurden, zum Beispiel MAGE-1 <strong>und</strong> MART-1, waren erfolglos, weil nur<br />
wenige oder gar keine Patienten ausreichend immunisiert wurden. So wurden Methoden<br />
erforscht, um durch selektive Peptid-Mutation die Immunogenität der Peptide <strong>und</strong> die Rezeptor-<br />
Bindungs-Affinität zu steigern. Nun ist die Immunisierung dank dieser modifizierten Peptide<br />
erfolgreicher <strong>und</strong> bewirkt ein Ansprechen bei Melanom-Patienten.<br />
A) B)<br />
Tumorzellen, die<br />
konstruiert wurden, um<br />
Zytokine zu produzieren,<br />
welche an der APC-<br />
Stimulation beteiligt sind<br />
APC<br />
IL-3<br />
IL-4<br />
GM-CSF<br />
CTL<br />
Antigen-präsentierende<br />
Rezeptoren, die von<br />
Immunzellen erkannt werden<br />
. . . die Isolierung<br />
von Peptid-<br />
Fragmenten, die<br />
für die<br />
Immunogenität<br />
eines Proteins<br />
wichtig sind, ist<br />
speziell attraktiv.<br />
So können<br />
Probleme mit der<br />
Verträglichkeit<br />
überw<strong>und</strong>en<br />
werden, welche<br />
bei der<br />
Anwendung von<br />
grossen Proteinen<br />
auftreten<br />
würden . . .<br />
Tumor-<br />
Zellen<br />
T H<br />
Tumor-<br />
Antigen<br />
CTL<br />
Immunzellen werden direkt<br />
von Tumorzellen, welche Antigene<br />
präsentieren, stimuliert<br />
T H<br />
Antigen wird durch APC an<br />
T H<br />
Zellen <strong>und</strong> CTLs präsentiert<br />
Abbildung 6.7. Mögliche Mechanismen der Tumor-spezifischen Aktivierung von T-Zellen durch<br />
genetisch modifizierte Tumorzellen: A) Erhöhte Zytokin-Produktion <strong>und</strong> B) gesteigerte Antigen-<br />
Präsentation. APC bedeutet Antigen-präsentierende Zelle; CTL Zytotoxische T-Lymphozyten; T H<br />
T-Helfer-Zelle. Reproduziert mit Erlaubnis von von Principles and Practice of <strong>the</strong> Biological Therapy of<br />
Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />
6.16
6<br />
Die Hauptüberlegung bei allen obigen Behandlungsmethoden ist, dass die Impfung dem<br />
Immunsystem in einer Weise präsentiert wird, die eine spezifische Antwort stimuliert, welche<br />
dann direkt auf den Tumor gerichtet werden kann. T-Zell-Immunität ist die <strong>the</strong>rapeutisch<br />
wirksamste Methode, sie verlangt Antigen-präsentierende Zellen, genannt dendritische Zellen.<br />
Dendritische Zellen präsentieren den T-Lymphozyten Antigene auf eine Art, dass sie erkannt<br />
werden können, <strong>und</strong> wenn die T-Lymphozyten einmal aktiviert sind, können sie T-Zellen<br />
aktivieren. Dendritische Zellen sind interessant für <strong>Krebs</strong>-Impfungs-Strategien, <strong>und</strong> ihre<br />
Anwendung für Zell-basierte <strong>Therapien</strong> ist viel versprechend.<br />
Eine andere Überlegung bei der Entwicklung von Impfungen ist die, wie eine erzeugte<br />
Immunantwort möglichst optimal ausgenützt werden kann. Dies wird normalerweise erreicht,<br />
indem Immun-Adjuvantien benutzt werden, vor allem Zytokine, um die Immunantwort zu fördern<br />
<strong>und</strong> zu verlängern. Aber auch Viren, bakterielle Proteine <strong>und</strong> andere Wirkstoffe wurden dazu<br />
eingesetzt.<br />
<strong>Krebs</strong>-Impfungen werden für die Behandlung von vielen verschiedenen <strong>Krebs</strong>arten untersucht, so<br />
für Melanome, Lymphome <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong> von Nieren, Brust, Ovarien, Prostata, Kolon <strong>und</strong> Rektum.<br />
Je nach angestrebtem Therapieziel wird oft auch eine Kombination verschiedener Strategien mit<br />
<strong>Krebs</strong>-Impfungen, Gen<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Zell-basierten <strong>Therapien</strong> zusammen angewandt (siehe<br />
unten).<br />
Gen<strong>the</strong>rapie<br />
Die Gen<strong>the</strong>rapie beinhaltet den Transfer von genetischem Material in einen Tumor mit dem Ziel,<br />
den Tumor zu behandeln. Dies ist attraktiv, weil die meisten Tumoren Gen-Mutationen enthalten,<br />
welche mindestens zum Teil für ihre onkogene Natur verantwortlich sind, <strong>und</strong> deshalb<br />
möglicherweise durch Gen-Transfer-Techniken korrigierbar sind.<br />
Genetisches Material kann in Tumorzellen transferiert werden, indem Plasmide <strong>und</strong> genetisch<br />
veränderte Viren benützt werden. Plasmide bestehen aus nackter DNA, welche so konstruiert<br />
werden kann, dass sie die zu transferierende DNA enthält. Plasmide können in Zellen<br />
eindringen, wo ihre DNA dann in die DNA des Zellkerns integriert wird. Leider ist plasmide<br />
DNA einem Abbau unterworfen, was die Effizienz des Verfahrens limitiert.<br />
Andere Peptide, welche auf ihre Wirkung als Impfung untersucht wurden, wurden von HER2,<br />
dem ras Onkogen <strong>und</strong> dem Prostata-spezifischen Antigen (PSA) abgeleitet. Die Behandlungen,<br />
die auf diesen Peptiden basierten, erwiesen sich aber als ineffektiv. Verschiedene andere<br />
Peptide wurden schon als mögliche Impfstoffe vorgeschlagen, aber noch nicht klinisch getestet.<br />
DNA<br />
DNA-Impfungen sind Plasmide, nackte DNA-Moleküle, die rekombinante DNA enthalten,<br />
welche für Immunogene wie das carcino-embryonale Antigen (CEA) kodieren. Die DNA-<br />
Impfung hat Vorteile gegenüber der Peptid-Impfung bezüglich Stabilität, Immunogenität, Ort der<br />
Immunogen-Expression <strong>und</strong> Bandbreite der erreichten Immun-Antworten. Klinische Versuche mit<br />
DNA-Impfungen bei Melanomen, Lymphomen <strong>und</strong> Kolon-Karzinomen sind in einem frühen<br />
Stadium.<br />
Das grösste <strong>the</strong>oretische Risiko mit dieser Art von Impfstrategie ist, dass die rekombinante DNA<br />
in die Wirts-DNA eingefügt wird <strong>und</strong> dort Mutationen verursacht. Dieser Nachteil wird<br />
berücksichtigt mit dem Versuch, die nackte RNA zum Impfung zu verwenden, weil diese nicht<br />
ins Wirts-Genom aufgenommen wird. Allerdings wurden solche Impfungen bis jetzt erst in-vitro<br />
getestet.<br />
Dendritische<br />
Zellen sind<br />
interessant für<br />
<strong>Krebs</strong>-Impfungs-<br />
Strategien, <strong>und</strong><br />
ihre Anwendung<br />
für Zell-basierte<br />
<strong>Therapien</strong> ist viel<br />
versprechend.<br />
Genetisches<br />
Material kann in<br />
Tumorzellen<br />
transferiert<br />
werden, indem<br />
Plasmide <strong>und</strong><br />
genetisch<br />
veränderte Viren<br />
benützt werden.<br />
6.17
6<br />
Viren wurden für den Gen-Transfer angewandt, weil sie stabiler sind als nackte DNA oder RNA<br />
(Abbildung 6.8). Allerdings muss beachtet werden, dass der Virus nicht selber eine Krankheit<br />
verursacht (einige der Viren, die für Gen-Transfer-Techniken angewandt werden, haben das<br />
Potential, bei Menschen pathogen zu wirken). Dieser Nachteil hat den Gebrauch des viralen<br />
Gen-Transfers limitiert, obwohl die Forschung auf diesem Gebiet weiter geht.<br />
Gen-Transfer-Techniken in der Behandlung von <strong>Krebs</strong> beinhalten:<br />
● Gen-Transfer in Tumorzellen, um die Tumor-Immunogenität zu fördern <strong>und</strong> die onkogenen<br />
Eigenschaften zu reduzieren<br />
● Gen-Transfer von Tumor-Antigen-kodierender DNA in normale Zellen, um eine Immunantwort<br />
auf das Antigen zu fördern<br />
● Gen-Transfer mit dem Ziel, Immunzellen so zu modifizieren, dass sie Antitumor-<br />
Immunantworten zeigen<br />
● Einführen von Selbstmord-Genen, welche nicht toxische Moleküle in toxische Komponenten<br />
umwandeln, <strong>und</strong> so den Zelltod verursachen<br />
● Ersetzen von defekten Tumor-Suppressor-Genen, um so deren Funktion wieder herzustellen<br />
● Gebrauch von „antisense“ Oligonukleotiden, d.h. von Oligonukleotiden, welche<br />
komplementär sind zu bekannten mRNAs, um die Expression von spezifischen<br />
wachstumsfördernden Genen zu eliminieren<br />
● Hemmung von Onkogenen.<br />
Die meisten bis heute durchgeführten klinischen Gen<strong>the</strong>rapie-Studien waren Phase I<br />
Sicherheitsstudien, das heisst erste Versuche, welche nur eine kleine Anzahl Patienten mit<br />
fortgeschrittener Erkrankung einschloss, um zu erforschen, ob die Verträglichkeit eines Mittels so<br />
gut ist, dass grössere Versuche an Patienten gerechtfertigt werden konnten. Diese haben<br />
gezeigt, dass die Wirksamkeit des Gen-Transfers leider nur klein <strong>und</strong> ungenügend <strong>und</strong> die<br />
Dauer der Gen-Expression oft kurz ist. (Zur Diskussion, wie diese Probleme sich vielleicht<br />
überwinden lassen, lesen sie bitte in Kapitel 7). Diese Herausforderungen müssen zuerst<br />
überw<strong>und</strong>en werden, ehe diese Technik für die <strong>Krebs</strong>-Therapie nützlich werden kann.<br />
A) Integrierende Vektoren<br />
B)<br />
Nicht integrierende Vektoren<br />
Retrovirus<br />
Vaccinia-Virus<br />
Adenovirus<br />
Plasmide DNA<br />
Abbildung 6.8. Mechanismen des Gen-Transfers mit viralen Vektoren.<br />
6.18
6<br />
Zell-basierte Therapie<br />
Wie schon in Kapitel 4 gezeigt wurde, beinhaltet das Immunsystem einen humoralen Arm<br />
(Antikörper <strong>und</strong> Komplement) <strong>und</strong> einen zellulären Arm. Die zelluläre Immunität ist wirkungsvoll<br />
im Zerstören von Tumorzellen <strong>und</strong> im Aufrechterhalten der Antitumor-Immunität. So ist der<br />
Transfer von zellulären Komponenten des Immunsystems in dasjenige von <strong>Krebs</strong>patienten eine<br />
potentielle Methode, um die zelluläre Antitumor-Immunfunktion zu fördern. Diese Methode wird<br />
adoptiver Zelltransfer genannt.<br />
Adoptive Zelltransfer-Techniken beinhalten allgemein gesagt das Sammeln von Immunzellen des<br />
Patienten <strong>und</strong> die Züchtung derselben ausserhalb des Körpers (Abbildung 6.9). So werden<br />
allfällige Verminderungen der Zellzahl überw<strong>und</strong>en, welche sich durch die Tumor-Suppression<br />
<strong>und</strong> Immunregulation ergeben könnten. Weiter können passende Immunzellen ausgewählt <strong>und</strong><br />
ihre Eigenschaften mit Mitteln verbessert werden, deren Anwendung am Patienten selber zu<br />
toxisch wären. Diese Selektion ergibt dann Zellpopulationen, welche Antigene an der<br />
Tumorzell-Oberfläche erkennen, <strong>und</strong> so wird eine auf den Tumor zugeschnittene Therapie<br />
ermöglicht. Die weitere Anwendung des Prozesses stellt dann eine grosse Zellpopulation zur<br />
Verfügung.<br />
Oft ist der adoptive Zelltransfer auch eine passive Behandlung, welche die Tumorlyse <strong>und</strong> nicht<br />
die Stimulation des Immunsystems zum Ziel hat. Aber er kann auch als aktive Immunisierungs-<br />
Strategie eingesetzt werden, bei welcher die verabreichten Immunzellen sich vermehren <strong>und</strong><br />
das Wirts-Immunsystem zur Abtötung von Tumorzellen stimuliert wird. Einige der Methoden für<br />
Zell-basierte <strong>Therapien</strong> werden in Tabelle 6.3 beschrieben.<br />
. . . der Transfer<br />
von zellulären<br />
Komponenten des<br />
Immunsystems in<br />
dasjenige von<br />
<strong>Krebs</strong>patienten ist<br />
eine potentielle<br />
Methode, um die<br />
zelluläre<br />
Antitumor-<br />
Immunfunktion zu<br />
fördern.<br />
Tumor-Resektion<br />
Zell-Separation<br />
<strong>und</strong> -Kultur<br />
Tumorzellen<br />
Tumor-infiltrierende Lymphozyten<br />
Genetische Manipulation<br />
Genetische Manipulation /<br />
Aktivierung<br />
Genetisch manipulierte<br />
immunogene Tumorzellen<br />
Genetisch manipulierte<br />
zytotoxische Tumor-infiltrierende<br />
Lymphozyten<br />
Abbildung 6.9. Schematische Illustration der Schritte, die zum adoptiven Zelltransfer nötig sind.<br />
6.19
6<br />
Tabelle 6.3. Zell-basierte Therapie-Methoden für die <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie.<br />
Behandelte<br />
Zell-Typen Aktivitäten/Charakteristika <strong>Krebs</strong>arten<br />
Tumor-infiltrierende Infiltrieren Tumoren <strong>und</strong> verursachen eine Lyse Melanom, Nierenzell-<br />
Lymphozyten Zellpopulationen, welche ein einzelnes Tumor-Antigen Karzinom<br />
erkennen, können gut gezüchtet werden<br />
Lymphokin-aktivierte Lysieren Tumorzellen, aber nicht normale Zellen Melanom, Nierenzell-<br />
Killerzellen Können in-vitro vermehrt <strong>und</strong> aktiviert werden, Karzinom<br />
zusammen mit Zytokinen<br />
Autologe Memory Es wird angenommen, dass sie Tumor-Antigenen ausgesetzt Nierenzell-Karzinom<br />
T-Zellen<br />
waren <strong>und</strong> dass sie potentiell Antitumor-Aktivität haben<br />
Werden mittels monoklonalen Antikörpern gegen CD3<br />
Rezeptoren <strong>und</strong> Zytokine aktiviert<br />
Dendritische Zellen Primäre Antigen-präsentierende Zellen für die von Nierenzell-Karzinom,<br />
T-Zellen vermittelte Immunantwort<br />
Brustkrebs<br />
Können in-vitro gewonnen werden durch Reifung von<br />
Monozyten-Vorläufern unter dem Einfluss von<br />
Kolonie-stimulierenden Faktoren<br />
Stammzellen Haben einen starken Antitumoreffekt durch die Graft-versus- Brustkrebs, Nierenzell-<br />
Tumor Reaktion<br />
Karzinom<br />
Immunsuppression vor der Zell-Gabe ist nötig<br />
Virus-spezifische Lymphoblastoide Zellen, welche Epstein-Barr-Virus-Proteine Lymphoproliferative<br />
zytotoxische exprimieren Erkrankung, Lymphom,<br />
T-Lymphozyten Hohe Immunogenität Morbus Hodgkin<br />
Diese Zell-basierten <strong>the</strong>rapeutischen Methoden werden eingeschränkt durch die Tatsache, dass<br />
die Zellen vom Empfänger selber entnommen werden müssen. Der Gebrauch von Zellen<br />
anderer Spender kann gleiche Reaktionen hervorrufen wie eine Organ-Transplantation <strong>und</strong><br />
bedingt deshalb Immunsuppression.<br />
Klinische Studien dieser verschiedenen Zell-basierten Methoden haben gezeigt, dass Antitumor-<br />
Aktivität erzeugt werden kann. Aber im Moment ist noch nicht klar, ob die Vorteile (gutes<br />
Ansprechen mit reduzierter Toxizität) grösser sind als bei anderen Therapieformen.<br />
Vergleich zwischen biologischen <strong>Therapien</strong>, welche spezifisch<br />
auf Antigene einwirken <strong>und</strong> solchen, die unspezifisch wirken<br />
Die biologische Therapie wird seit vielen Jahren als wichtiger Behandlungs-Fortschritt gefördert.<br />
Interferon wurde 1957 entdeckt <strong>und</strong> als antivirale Substanz eingesetzt. Kolonie-stimulierende<br />
Faktoren wie G-CSF <strong>und</strong> Erythropoetin werden schon lange als Supportiv<strong>the</strong>rapie bei <strong>Krebs</strong><br />
benützt. Aber diese Wirkstoffe haben unterstützende Eigenschaften auf das Immunsystem <strong>und</strong><br />
richten sich nicht direkt gegen Tumoren.<br />
6.20
6<br />
Die Produktion von direkt auf Tumorzellen zielenden Wirkstoffen revolutionierte das Gebiet der<br />
biologischen <strong>Therapien</strong>. Dies war möglich durch Fortschritte im Verständnis der<br />
Molekularbiologie, Tumorbiologie <strong>und</strong> Tumorcharakterisierung.<br />
Zusammenfassend lässt sich darüber sagen:<br />
● Tumorwachstum beginnt mit einer Mutation (Strukturveränderung in der DNA)<br />
● diese genetische Veränderung könnte das Resultat eines inkorrekten Ersatzes einer Base<br />
durch eine andere, einer Auslassung oder Einfügung einer oder mehreren Basen, oder einer<br />
Translokation, Replikation oder Auslassung eines ganzen Gens sein<br />
● das veränderte Gen gibt dann fehlerhafte Instruktionen weiter, was zur Syn<strong>the</strong>se eines<br />
veränderten Proteins oder zur Produktion von zu viel oder zu wenig Protein führt, was<br />
wiederum die Art, wie die Zelle arbeitet, verändert<br />
Die Produktion<br />
von direkt auf<br />
Tumorzellen<br />
zielenden<br />
Wirkstoffen<br />
revolutionierte<br />
das Gebiet der<br />
biologischen<br />
<strong>Therapien</strong>.<br />
● die veränderte Gen-Kodierung wird durch den Zellzyklus an andere Zellen weitergegeben<br />
<strong>und</strong> so wächst die Population unnormaler Zellen.<br />
Wie in Kapitel 3 gezeigt wurde, ist <strong>Krebs</strong> das Resultat einer Serie von Genmutationen, die von<br />
Tumor zu Tumor unterschiedlich sind. Die Genmutationen beeinflussen die Produktion<br />
regulierender Wachstumsproteine. Das Ungleichgewicht in der mengenmässigen Ausprägung<br />
dieser Proteine stimuliert die Zellen, sich unkontrolliert zu vermehren, was zu Tumoren führt.<br />
Die Nutzung spezifischer Tumor-Anomalien für gezielte <strong>Therapien</strong><br />
● Viele der Mutationen bei Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressor-Genen sind spezifisch für<br />
gewisse Tumorarten. Zum Beispiel sind bei Brustkrebs die MUC-1-Gene häufig mutiert.<br />
● Weil diese Mutationen nur bei Tumorzellen vorkommen, sind sie ein gutes Angriffsziel für<br />
tumorspezifische Therapie.<br />
● Idealerweise sind mit dem Tumor in Verbindung stehende Anomalien, die zum Entwickeln<br />
von tumorspezifischen <strong>Therapien</strong> geeignet sind:<br />
– leicht messbar, um eine Patientenauswahl für die Behandlung möglich zu machen<br />
– extrazellulär lokalisiert, so dass sie durch die Therapie erreicht werden können.<br />
● Die gezielte Behandlung spezifischer Tumor-Anomalien ermöglicht die Reduktion von<br />
Nebenwirkungen der Therapie, weil normale Zellen nicht betroffen sind.<br />
● Traditionelle Chemo<strong>the</strong>rapeutika greifen alle sich aktiv teilenden Zellen an <strong>und</strong> haben<br />
deshalb nichtspezifische Wirkungen auf das ZNS, den Gastrointestinaltrakt <strong>und</strong> das<br />
blutbildende System.<br />
Die Vorteile der gezielten Therapie<br />
Die Ausrichtung der Therapie auf spezifische zelluläre Anomalien erweist sich als effektiv bei<br />
der Behandlung von <strong>Krebs</strong>, zum Beispiel bei MabThera ® für CD20-positive Lymphome <strong>und</strong> bei<br />
Herceptin ® für HER2-positive Mammakarzinome. Diese Art Therapie hat eine Reihe von<br />
Vorteilen, weil sie eine individualisierte Behandlung ermöglicht. Weitere Vorteile sind:<br />
● bessere Verträglichkeit <strong>und</strong> weniger Nebenwirkungen dank dem spezifischen Einwirken auf<br />
Tumorzellen<br />
● Erhöhung der Immunantwort des Wirtes<br />
● neue Wirkungsmechanismen, die von denjenigen konventioneller Chemo<strong>the</strong>rapien<br />
verschieden sind, was bedeuten kann, dass die Kombinations<strong>the</strong>rapie die klinischen<br />
Resultate verbessern kann.<br />
Die Ausrichtung<br />
der Therapie auf<br />
spezifische<br />
zelluläre<br />
Anomalien<br />
erweist sich als<br />
effektiv bei der<br />
Behandlung von<br />
<strong>Krebs</strong> . . .<br />
6.21
6<br />
Verbesserungen in der Charakterisierung von Tumoren können also sehr wahrscheinlich die<br />
Anwendung gezielter biologischer <strong>Therapien</strong> bei <strong>Krebs</strong> noch verbessern (siehe Kapitel 7).<br />
Die folgenden Fallstudien illustrieren die Unterschiede zwischen unspezifischen biologischen<br />
Wirkstoffen <strong>und</strong> den neuen, auf bestimmte Tumoreigenschaften ausgerichteten Mitteln, welche<br />
eindrückliche Verbesserungen in der <strong>Krebs</strong>behandlung darstellen.<br />
Fallstudie 1: Filgrastim, ein unspezifischer biologischer Wirkstoff<br />
in der Supportiv<strong>the</strong>rapie<br />
Filgrastim ist eine rekombinante Form von menschlichem G-CSF, einem Zytokin, das<br />
natürlicherweise von Körper produziert wird. G-CSF hat Funktionen in der Kontrolle der<br />
Hämatopoese (der Produktion reifer Blutzellen).<br />
Beim<br />
Erwachsenen<br />
findet die<br />
Hämatopoese<br />
hauptsächlich im<br />
Knochenmark<br />
statt.<br />
Hämatopoese<br />
Beim Erwachsenen findet die Hämatopoese hauptsächlich im Knochenmark statt. Blutzellen<br />
werden aus primitiven Stammzellen gebildet, die sich im Knochenmark befinden <strong>und</strong> die<br />
Vorläufer aller reifen Arten von Blutzellen sind: Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Neutrophile,<br />
Basophile, Eosinophile, Monozyten/Makrophagen, Osteoklasten, Lymphozyten <strong>und</strong><br />
Thrombozyten (Blutplättchen) (siehe Abbildung 6.10). Stammzellen sind einzigartig, indem sie<br />
sich vermehren können, um mehr Stammzellen zu bilden, oder sich differenzieren <strong>und</strong> die<br />
aufgeführten reifen Blutzellen bilden können.<br />
Stammzellen sind also die wichtigsten Zellen der Hämatopoese, weil sie verantwortlich sind für<br />
die Produktion aller Blutzellen. Die Differenzierung der Stammzellen zu reifen Blutzellen<br />
beinhaltet mehrere Schritte. Zellen in verschiedenen Stadien der Entwicklung sind nur fähig,<br />
eine begrenzte Anzahl dieser Art reifer Blutzellen zu bilden.<br />
Wenn das hämatopoetische System ernsthaft durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder Bestrahlung<br />
geschädigt worden ist, sind es die pluripotenten Stammzellen (Zellen, die fähig sich, sich zu<br />
differenzieren <strong>und</strong> so sämtliche Zelltypen zu bilden, die für das hämatopoetische System nötig<br />
Prä-T-Zellen<br />
T-Lymphozyten<br />
Bas-CFC<br />
Basophile<br />
BFU-E<br />
Erythrozyten<br />
Selbst-<br />
Erneuerung<br />
Pluripotente<br />
Stammzellen<br />
Differenzierung<br />
Multipotenter<br />
CFU-S/CFC-Mix<br />
GM-CFC<br />
G-CFC<br />
M-CFC<br />
Neutrophile<br />
Makrophagen<br />
<strong>und</strong><br />
Osteoklasten<br />
Meg-CFC<br />
Thrombozyten<br />
Eos-CFC<br />
Eosinophile<br />
Prä-B-Zellen<br />
B-Lymphozyten<br />
Abbildung 6.10. Stadien der Hämatopoese. Es wird gezeigt, wie die Stammzellen eingeschränkt<br />
werden, sobald sie sich differenzieren, um hämatopoetische Zellen zu bilden.<br />
6.22
6<br />
sind) im Knochenmark, die das System wieder mit neuen Zellen versorgen. Dies wird durch die<br />
Differenzierung dieser Zellen erreicht, indem Progenitor-Zellen generiert werden <strong>und</strong> der<br />
entsprechende Zelltyp produziert wird. Die Neubildung erfolgt dank schneller Proliferation <strong>und</strong><br />
Differenzierung von zirkulierenden Progenitor-Zellen. Deshalb ist das System der<br />
Stammzellerneuerung <strong>und</strong> -Differenzierung sowie der Differenzierung ihrer Progenität von<br />
grossem Interesse für die weitere Forschung in der <strong>Krebs</strong>behandlung.<br />
Hämatopoetische Wachstumsfaktoren<br />
In-vitro-Studien haben anfangs gezeigt, dass Zellen durch unbekannte Faktoren im Nährboden<br />
stimuliert werden können, so dass sie sich differenzieren <strong>und</strong> reife Blutzellen produzieren. Diese<br />
Faktoren konnten erst isoliert werden, als die rekombinante DNA-Technologie es erlaubte, die<br />
Gene, welche für diese Faktoren kodieren, zu isolieren <strong>und</strong> in bakteriellen oder Hefe-<br />
Nährböden in grossen Mengen zu produzieren. Gleichzeitig wurde es möglich, die<br />
verschiedenen Zelltypen des hämatopoetischen Systems sauber zu isolieren. Dies ermöglichte<br />
den Beweis, dass die isolierten Faktoren nur auf gewisse Zelltypen Einfluss hatten.<br />
. . . das System<br />
der Stammzellerneuerung<br />
<strong>und</strong><br />
-Differenzierung<br />
sowie der<br />
Differenzierung<br />
ihrer Progenität ist<br />
von grossem<br />
Interesse für die<br />
weitere Forschung<br />
in der<br />
<strong>Krebs</strong>behandlung.<br />
Es wurde gezeigt, dass G-CSF vorzugsweise die Entwicklung neutrophiler Zellen von ihren<br />
entsprechenden Vorläuferzellen stimuliert. Neutrophile Zellen sind beteiligt an der Antwort auf<br />
Infektionen <strong>und</strong> Gewebsschädigungen. Kleine Mengen von G-CSF, die an den Ort von<br />
Gewebsschädigungen oder bakteriellen Infektionen gebracht werden, stellen die Anwesenheit<br />
von reifen neutrophilen Zellen an diesen Orten sicher.<br />
Die Wirkung von Filgrastim in-vivo<br />
Filgrastim hat eine Wirkung auf zirkulierende Blutzellen, auf die Hämatopoese im Knochenmark<br />
<strong>und</strong> auf Vorläuferzellen in Knochenmark <strong>und</strong> Blut. Diese werden in Tabelle 6.4 gezeigt.<br />
Die Wirkungen, die in Tabelle 6.4 beschrieben sind, haben miteinander gemeinsam, dass sie<br />
die Knochenmarks- <strong>und</strong> Blut-Vorläufer-Zellen amplifizieren <strong>und</strong> die reifen neutrophilen Zellen<br />
früh freisetzen, so dass sich die Zahl der zirkulierenden neutrophilen Zellen erhöht.<br />
Klinische Anwendung von Filgrastim<br />
Die normale Funktion von neutrophilen Zellen zur Bekämpfung von Infektionen zusammen mit<br />
dem in-vivo Effekt von Filgrastim auf die Anzahl der neutrophilen Zellen geben Aufschluss über<br />
dessen klinische Anwendung: die Stimulation der Produktion von neutrophilen Zellen, um<br />
Verluste, z.B. wegen Chemo<strong>the</strong>rapie oder Myeloablation oder aus anderen Gründen, zu<br />
ersetzen.<br />
Tabelle 6.4. In-vivo Auswirkungen von G-CSF.<br />
Betroffener Zelltyp<br />
Zirkulierende Blutzellen<br />
Hämatopoese im Knochenmark<br />
Vorläufer-Zellen im Knochenmark<br />
Vorläufer-Zellen im Blut<br />
Wirkung<br />
Vorübergehende Senkung der Anzahl neutrophiler Zellen, gefolgt von einer<br />
anhaltenden Erhöhung<br />
Vermehrung von Vorläufer-Zellen <strong>und</strong> frühere Freisetzung von reifen Zellen<br />
Erhöhung der absoluten Zahl von Vorläufer-Zellen<br />
Mobilisation peripherer Blut-Vorläufer-Zellen<br />
6.23
6<br />
Neutropenie, also<br />
eine tiefe Anzahl<br />
von neutrophilen<br />
Zellen, kann<br />
lebensbedrohliche<br />
Komplikationen<br />
verursachen . . .<br />
Nach der Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
Chemo<strong>the</strong>rapeutika haben einen zytotoxischen Effekt auf alle sich aktuell teilenden Zellen. Wie<br />
in Kapitel 1 gezeigt, ist diese unspezifische Aktivität verantwortlich für die Nebenwirkungen<br />
dieser Mittel, wenn sie zur <strong>Krebs</strong>behandlung eingesetzt werden. Eines der ges<strong>und</strong>en Organe,<br />
die durch Chemo<strong>the</strong>rapie angegriffen werden, ist das Knochenmark. So ist oft die<br />
Knochenmarktoxizität der Dosis-limitierende Faktor für eine Chemo<strong>the</strong>rapie. Die Neutropenie,<br />
also eine tiefe Anzahl von neutrophilen Zellen, kann lebensbedrohliche Komplikationen<br />
verursachen <strong>und</strong> ist ein häufiger Gr<strong>und</strong> für Anpassungen in der Dosis <strong>und</strong> im<br />
Chemo<strong>the</strong>rapieplan. Diese Änderungen sind aber oft nicht genug wirksam, um eine völlige<br />
Erholung des Knochenmarks zwischen den Chemo<strong>the</strong>rapie-Zyklen zu erlauben.<br />
Bei der Anwendung von Filgrastim in Dosen von 5–12µg/kg/Tag, zusammen mit der<br />
konventionell dosierten Chemo<strong>the</strong>rapie, wird eine Neutropenie vermindert oder manchmal<br />
verhindert (Abbildung 6.11). Dies hat folgende Vorteile:<br />
● Reduktion von Infektionen<br />
● Reduktion der benötigten Antibiotika<br />
● Verkürzung der Hospitalisationsdauer<br />
● ermöglicht die Anwendung der Chemo<strong>the</strong>rapie nach Behandlungsschema.<br />
Filgrastim wird<br />
auch benützt, um<br />
die<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie-<br />
Dosen<br />
aufrechterhalten<br />
zu können oder<br />
um eine Dosis-<br />
Steigerung zu<br />
ermöglichen.<br />
Filgrastim wird auch benützt, um die Chemo<strong>the</strong>rapie-Dosen aufrechterhalten zu können oder um<br />
eine Dosis-Steigerung zu ermöglichen. Dies ist wichtig, weil bekannt ist, dass eine nicht optimal<br />
ANZ (x10 9 /L)<br />
100<br />
10<br />
1<br />
CT CT CT<br />
CT Chemo<strong>the</strong>rapie (Doxorubicin)<br />
75mg/m 2 (mit Filgrastim)<br />
75mg/m 2 (Kontrollgruppe)<br />
0 7 14 21 28 35 42<br />
Zeit (Tage)<br />
Abbildung 6.11. Diese Grafik illustriert das Ansprechen der neutrophilen Zellen auf Filgrastim bei<br />
Patienten, die mit Doxorubicin behandelt werden (ANZ bedeutet absolute Anzahl neutrophiler Zellen).<br />
6.24
6<br />
dosierte Chemo<strong>the</strong>rapie die Wirkung der <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie stark vermindert. Die Unterstützung mit<br />
Filgrastim ermöglicht eine Steigerung der Chemo<strong>the</strong>rapie-Dosen um das 1,3–2fache, verglichen<br />
mit Patienten, die keine Zytokin-Therapie erhalten, was die Wirkung der Behandlung verbessern<br />
kann.<br />
Nach Knochenmarkstransplantation<br />
Patienten, welche eine Knochenmarktransplantation erhalten, unterziehen sich einem Prozess<br />
namens Myeloablation, bei welchem das Immunsystem vor dem Eingriff bewusst zerstört wird,<br />
um Immunreaktionen auf das Transplantat vorzubeugen. Dieser schwere immunsupprimierte<br />
Zustand kann zum Tod führen. Filgrastim konnte die Dauer der Neutropenie bei diesen<br />
Patienten erfolgreich verkürzen, was ähnliche klinische Vorteile brachte wie bei den Patienten<br />
mit Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />
Mobilisation von Blut-Vorläufer-Zellen vor der Behandlung<br />
Das Sammeln von Vorläufer-Zellen aus dem peripheren Blut <strong>und</strong> deren Re-Infusion nach der<br />
Therapie, genannt periphere Blutstammzell-Transplantation, ist eine etablierte Methode, um die<br />
Erholung nach intensiver Chemo<strong>the</strong>rapie bei Patienten mit nicht myeloischen malignen<br />
Erkrankungen zu beschleunigen. Um Vorläufer-Zellen ins periphere Blut zu bringen, wird<br />
Filgrastim in Dosen von 5–10µg/kg/Tag gespritzt, was erwiesenermassen die Zahl der<br />
gesammelten Zellen erhöht (Abbildung 6.12). Diese Behandlung kann sowohl bei Patienten mit<br />
autologer Stammzellretransplantation als auch bei Spendern, deren Zellen als Stammzellspende<br />
benötigt werden, angewandt werden.<br />
GM-CFC/Kultur<br />
10 5<br />
10 4<br />
10 3<br />
10 2<br />
Bandbreite der Anzahl<br />
von peripheren<br />
Blutzellen aus Kulturen<br />
Um Vorläufer-<br />
Zellen ins<br />
periphere Blut zu<br />
bringen, wird<br />
Filgrastim<br />
gespritzt, was<br />
erwiesenermassen<br />
die Zahl<br />
der gesammelten<br />
Zellen erhöht.<br />
10 1<br />
Durchschnitt von<br />
Knochenmarkkulturen<br />
10 0 0 2 4 6 8 10<br />
Dauer der Kultur (Wochen)<br />
Abbildung 6.12. Mobilisation von Blutvorläuferzellen durch Filgrastim.<br />
6.25
6<br />
Fallstudie – G-CSF<br />
John Woodhouse ist ein 34jähriger männlicher Buchhalter, dem es bis im September 2000<br />
ges<strong>und</strong>heitlich gut ging. Er ging zu seinem Hausarzt, nachdem er einen Monat lang unter<br />
Nachtschweiss gelitten <strong>und</strong> 6–7kg abgenommen hatte. Dazu kamen Anämie-Symptome<br />
<strong>und</strong> eine Harnwegsinfektion, welche mit Penicillin behandelt wurde. Sein Hausarzt<br />
verordnete ein Blutbild, welches ein Hb von 8,6, weisse Blutkörperchen (Lc) von 5,2 <strong>und</strong><br />
Plättchen (Tc) von 27 zeigte. Es wurden Blasten gef<strong>und</strong>en. Seine Blutgerinnung war<br />
normal.<br />
Herr Woodhouse wurde an eine <strong>Krebs</strong>-Klinik überwiesen, wo eine Knochenmarkpunktion<br />
vorgenommen wurde. Die Morphologie zeigte 95% Blasten <strong>und</strong> es wurde die Diagnose<br />
einer akuten myeloischen Leukämie (AML) gestellt. Er wurde sofort an eine Abteilung für<br />
Fertilitätsfragen überwiesen, um die Kryo-Konservierung der Samen sicherzustellen, <strong>und</strong><br />
bekam Transfusionen mit roten Blutkörperchen <strong>und</strong> Thrombozyten, um sein Blutbild zu<br />
normalisieren. Er war febril (38,8ºC) <strong>und</strong> bekam Piperacillin, Tazocin <strong>und</strong> Gentamycin, die<br />
Standard<strong>the</strong>rapie bei neutropenem Fieber. Auch wurde mit einer prophylaktischen<br />
antimikrobiellen Therapie begonnen. Er wurde zur weiteren Behandlung ins Royal Free<br />
Hospital in London überwiesen.<br />
Er war fassungslos über seine Diagnose <strong>und</strong> wollte ausser Details über die geplante<br />
Behandlung möglichst wenige Informationen erhalten. Er ist ein Einzelkind, ledig <strong>und</strong><br />
wohnt bei seiner Mutter. Sie ist, ausser einigen Fre<strong>und</strong>en, seine einzige Bezugsperson.<br />
Sein Vater starb an einem Kolon-Karzinom. Er ist Nichtraucher <strong>und</strong> trinkt wenig Alkohol.<br />
Nach seiner Ankunft im Spital wurde Herrn Woodhouse unter Vollnarkose ein Hickman-<br />
Ka<strong>the</strong>ter eingelegt. Die Diagnose wurde nochmals überprüft <strong>und</strong> die AML bestätigt. Die<br />
zytogenetische Analyse war normal <strong>und</strong> die Prognose lautete auf ein „Standard-Risiko“.<br />
So wurde er vollumfänglich über die Therapieoptionen informiert <strong>und</strong> er gab seine<br />
Einwilligung für die AML 12 Studie des UK Medical Research Council für Erwachsene<br />
unter 60 Jahren. Dies ist die Studie, in der die Standard-Therapie für AML in<br />
Grossbritannien geprüft wird. Er entschied sich für die bereits empfohlene Therapie, weil er<br />
es schwierig fand, so viele Informationen in so kurzer Zeit zu verarbeiten. Die Studie<br />
beinhaltet zwei Randomisationen: die erste gibt zwischen zwei Dosen Cytarabin (Ara-C)<br />
eine Kombination genannt DAT, nämlich Daunorubicin, Ara-C <strong>und</strong> Thioguanin, während<br />
die zweite dies zwischen vier oder fünf Therapiezyklen macht <strong>und</strong> als letzten Zyklus eine<br />
Stammzell-Retransplantation oder eine Chemo<strong>the</strong>rapie vorsieht.<br />
Herr Woodhouse wurde mittels Randomisation in den höher dosierten Arm eingeteilt <strong>und</strong><br />
bekam Daunorubicin 50mg/m 2 /Tag, Ara-C 200mg/m 2 /12stündlich <strong>und</strong> Thioguanin<br />
100mg/m 2 /12stündlich. Nach der Chemo<strong>the</strong>rapie war er wie erwartet neutropen <strong>und</strong><br />
hatte eine Fieber-Episode, welche antibiotisch behandelt wurde. Um Tag 15 erholten sich<br />
seine neutrophilen Zellen auf >0,5x10 9 /L. Eine Knochenmarkpunktion bestätigte eine<br />
Vollremission <strong>und</strong> er wurde für einige Tage entlassen, bevor er für den zweiten<br />
Chemo<strong>the</strong>rapiezyklus wieder eintreten musste.<br />
Weil er sich in Remission befand, wurde entschieden, periphere Blutstammzellen zu<br />
sammeln <strong>und</strong> für einen möglichen späteren Gebrauch aufzubewahren, falls er entweder für<br />
eine Stammzell-Retransplatation in der Studie randomisiert würde, oder diese Therapie-<br />
Option zu einem späteren Zeitpunkt selber wählen würde. Zudem könnte irgendwann ein<br />
Stammzell-Aufbau wegen Regenerations-Schwierigkeiten des Knochenmarks nötig werden.<br />
6.26
6<br />
Stammzellen, manchmal auch Vorläufer-Zellen genannt, werden im Knochenmark gebildet<br />
<strong>und</strong> sind die Vorläufer aller Blutzellen. Die Zellen differenzieren sich <strong>und</strong> legen sich somit<br />
auf spezifische Zell-Linien fest, <strong>und</strong> werden demzufolge Erythrozyten, Makrophagen,<br />
Granulozyten oder Lymphozyten. Jede Stammzelle hat die Fähigkeit, sich zu jeder dieser<br />
Arten von Blutzellen zu entwickeln. Diese Zellen sind wichtig für Knochenmark- oder<br />
Stammzell-Transplantation (SCT), weil sie neues Knochenmark <strong>und</strong> neue Blutzellen<br />
erzeugen. Bei Patienten mit AML ist es oft schwierig, diese Zellen peripher zu gewinnen,<br />
weil die Zellen durch vorangegangene Chemo<strong>the</strong>rapien geschädigt sein können.<br />
G-CSF wird natürlicherweise im Körper produziert <strong>und</strong> wirkt stimulierend auf das<br />
Wachstum der weissen Blutkörperchen (Lc). Die DNA-Technologie hat die Herstellung<br />
dieses Wachstumsfaktors als ein rekombinantes Präparat ermöglicht. Filgrastim (r-metHuG-<br />
CSF) ist eine klare, farblose Flüssigkeit, erhältlich in Ampullen als Einzeldosen von 300µg<br />
(1mL) oder 480µg (1,6mL) oder als Fertigspritzen, was den Patienten oder Angehörigen<br />
ermöglicht, das Medikament zu Hause zu injizieren. Am wirkungsvollsten ist die subkutane<br />
Verabreichung. Wenn jedoch die subkutane Verabreichung aus irgendeinem Gr<strong>und</strong><br />
kontraindiziert ist, kann es auch in 50mL Kochsalzlösung als intravenöse Infusion (zentral<br />
oder peripher) über 10–30 Minuten verabreicht werden, oder als Bolus einer laufenden<br />
Kochsalzlösung zugespritzt werden. Mögliche Nebenwirkungen sind Knochenschmerzen,<br />
Gelenkschmerzen, Myalgien, grippeähnliche Symptome <strong>und</strong> Kopfschmerzen. Dies ist die<br />
Folge der erhöhten Leukozyten-Zahl <strong>und</strong> der Fähigkeit von G-CSF, die Bildung von<br />
zusätzlichen Zellen im Knochenmark zu stimulieren. Filgrastim ist indiziert bei<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie-induzierter Neutropenie, wo es die Dauer der Neutropenie verkürzt <strong>und</strong> so<br />
das Infektionsrisiko vermindert. Eine weitere Indikation ergibt sich bei Patienten oder<br />
Spendern, bei denen eine Mobilisation von Stammzellen ins periphere Blut erfolgen soll.<br />
Am Tag 7, nach Beendigung der Chemo<strong>the</strong>rapie, wurde Herrn Woodhouse Filgrastim<br />
(300µg) subkutan in die Bauchdecke gespritzt. Er vertrug die Injektionen gut, ohne lokale<br />
Rötung oder Reaktionen. Zu diesem Zeitpunkt betrugen seine weissen Blutzellen 0,7x10 9 /L<br />
(normal 1,7–7,5x10 9 /L). Am Tag 6 der Anwendung verspürte er minimale<br />
Nebenwirkungen mit leichten Gelenksschmerzen, welche mit Parazetamol 1g gelindert<br />
wurden. Zu diesem Zeitpunkt stieg seine Leukozytenzahl an <strong>und</strong> betrug 8,8x10 9 /L, mit<br />
8,1x10 9 /L neutrophilen Zellen. Am folgenden Tag war die Leukozytenzahl bereits<br />
14,6x10 9 /L.<br />
Der Marker, der normalerweise auf Stammzellen gef<strong>und</strong>en wird, heisst CD34 <strong>und</strong> das<br />
periphere Blut kann auf die Anzahl von CD34-positiven Zellen untersucht werden. Wenn<br />
die Anzahl 20µL oder mehr beträgt, wird üblicherweise mit der ersten Leukapherese<br />
begonnen. Eine Leukapherese ist das Herausfiltern von weissen Zellen aus dem Blut. An<br />
Tag 8 betrug der periphere CD34-Wert 70,6µL. Nun wurden beide Lumen des Hickmann-<br />
Ka<strong>the</strong>ters des Patienten an die Leukapherese-Maschine angeschlossen. Ein Lumen diente<br />
dazu, Blut aus dem Körper des Patienten abzuleiten <strong>und</strong> durch die Zentrifuge fliessen zu<br />
lassen, um die weissen Blutkörperchen zu sammeln. Der Rest des Blutes wurde gemischt<br />
<strong>und</strong> durch das andere Lumen wieder dem Patienten zurückgegeben. Dieser Vorgang<br />
dauerte etwa 4 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Herr Woodhouse hatte keine Nebenwirkungen ausser einem<br />
leichten Kribbeln an den Lippen <strong>und</strong> den Fingerspitzen. Dies wurde verursacht durch eine<br />
Hypokalzämie infolge Anwendung von Zitrat-Dextrose-Säure zur Vorbeugung einer<br />
Verklumpung des Blutes in der Maschine <strong>und</strong> ist eine bekannte Nebenwirkung der<br />
Leukapherese.<br />
6.27
6<br />
Die Stammzellsammlung erwies sich als gut (3,8x10 6 /kg CD34-positive Zellen) <strong>und</strong> mehr<br />
als genügend für die Retransfusion einer peripheren Stammzellsammlung. Die Zellen<br />
wurden tiefgefroren <strong>und</strong> so aufbewahrt für den Fall, dass Herr Woodhouse sie benötigen<br />
würde. Er war fit genug, um nach der Sammlung nach Hause zu gehen <strong>und</strong> nach einer<br />
Woche wieder für seinen dritten Chemo<strong>the</strong>rapie-Zyklus einzutreten. Möglicherweise wird<br />
er seine Stammzellen nie benötigen. Sollte dies aber dennoch der Fall sein, würde sich die<br />
gute Sammlung gelohnt haben. Ein hoher CD34-Wert kann eine schnellere Annahme des<br />
Transplantates ermöglichen.<br />
Zusammenfassung<br />
G-CSF ist ein Zytokin, dessen Funktion in der Kontrolle der Hämatopoese besteht, speziell in der<br />
Reifung von neutrophilen Zellen. Diese sind an der Immunantwort auf Infektionen <strong>und</strong><br />
Gewebsverletzungen beteiligt. Auch sind sie eine der zellulären Komponenten des<br />
Immunsystems, welche durch die nicht-spezifische Wirkung der Chemo<strong>the</strong>rapie auf sich häufig<br />
teilende Zellen geschädigt werden können. Deshalb ist die Fähigkeit, die Erholung der<br />
neutrophilen Zellen zu beschleunigen, klinisch wichtig.<br />
. . . das<br />
rekombinante<br />
G-CSF Filgrastim<br />
hat eine<br />
fördernde<br />
Wirkung auf die<br />
Erholung der<br />
neutrophilen<br />
Zellen.<br />
Rekombinantes<br />
Il-2 wird<br />
gebraucht, um<br />
das Immunsystem<br />
zu stärken <strong>und</strong><br />
zeigt bei<br />
metastasierendem<br />
Nierenzellkarzinom<br />
<strong>und</strong><br />
Melanom eine<br />
Antikrebs-<br />
Wirkung.<br />
Es wurde gezeigt, dass das rekombinante G-CSF Filgrastim eine fördernde Wirkung auf die<br />
Erholung der neutrophilen Zellen hat. Wie die Beispiele über den klinischen Gebrauch von<br />
Filgrastim jedoch zeigen, hat es keine direkte Wirkung gegen <strong>Krebs</strong>, sondern dient als<br />
Supportiv-Therapie. Filgrastim wirkt korrigierend auf einige Nebenwirkungen, die von der<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapie verursacht werden. Zudem sind seine Wirkungen nicht spezifisch auf eine<br />
Tumor-Anomalie ausgerichtet, sondern es ergänzt mehr die Wirkung des natürlich<br />
vorkommenden G-CSF.<br />
Fallstudie 2: Rekombinantes IL-2, ein biologischer Wirkstoff<br />
gegen <strong>Krebs</strong><br />
Rekombinantes Il-2 wird gebraucht, um das Immunsystem zu stärken <strong>und</strong> zeigt bei<br />
metastasierendem Nierenzellkarzinom <strong>und</strong> Melanom eine Antikrebs-Wirkung. So ist IL-2 nicht<br />
eine supportive Therapie wie Filgrastim, ist aber, wie die untenstehenden Informationen zeigen<br />
werden, auch keine zielgerichtete biologische Therapie.<br />
Die Wirkung von IL-2<br />
Il-2 ist ein Zytokin, das Funktionen in der Kontrolle der Immunantwort ausübt, <strong>und</strong> das sehr<br />
wichtig ist für eine spezifische T-Zell-Aktivierung. Es stimuliert die T-Zell-Proliferation<br />
(Abbildung 6.13) <strong>und</strong> aktiviert natürliche Killerzellen. Es wird normalerweise durch T-Zellen<br />
freigesetzt, nachdem diese in Gegenwart von stimulierenden Faktoren durch Antigene aktiviert<br />
wurden.<br />
Die Stimulation der T-Zell-Proliferation durch IL-2 wird gefolgt von einer klonalen Expansion <strong>und</strong><br />
Differenzierung von T-Zellen, um Effektor-Zellen <strong>und</strong> Erinnerungszellen (Immunzellen, die sich an<br />
das Antigen „erinnern“ <strong>und</strong> zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktiviert werden können) zu<br />
produzieren. Effektor-Zellen haben spezifische Immunaktivität <strong>und</strong> stellen so sicher, dass die<br />
Immunantwort auf ein bestimmtes Antigen aufrechterhalten bleibt.<br />
IL-2 als Antitumor-Therapie<br />
Der menschliche Körper baut eine Immunantwort auf Tumorzellen auf. Diese Antwort ist<br />
normalerweise jedoch sehr limitiert, weil den Tumorzellen spezifische Charakteristika fehlen,<br />
6.28
6<br />
IL-2<br />
T H<br />
T H<br />
Aktivierung<br />
Proliferation<br />
T H<br />
T H<br />
T H<br />
T H<br />
T H<br />
T-Helfer-Zelle<br />
Abbildung 6.13. Durch IL-2 stimulierte T-Zell-Proliferation.<br />
die nötig wären, um eine vollständige Immunantwort auszulösen. Ein Mittel, um die<br />
Immunantwort auf Tumorzellen zu verstärken, ist das Zufügen oder Ersetzen von Faktoren, die<br />
nicht als Antwort auf die Anwesenheit von Tumorzellen produziert werden. Ein solcher Faktor ist<br />
das Zytokin IL-2.<br />
Die Fähigkeit, eine grosse Menge von gereinigtem IL-2 herzustellen, wurde erreicht, als das IL-2-<br />
Gen geklont <strong>und</strong> in das Bakterium Escherichia Coli eingefügt <strong>und</strong> exprimiert wurde. Die<br />
Anwendung dieser gereinigten rekombinanten Form von IL-2 bei Tieren zeigte, dass es fähig<br />
war, die T-Zell-Proliferation <strong>und</strong> die Tumorregression zu stimulieren.<br />
Die anerkannte Anwendung von IL-2 ist im Moment limitiert auf maligne Melanome <strong>und</strong><br />
Nierenzellkarzinome, also auf Tumorarten, die dafür bekannt sind, dass sie schwach<br />
immunogen <strong>und</strong> deshalb empfindlich auf gesteigerte Immunreaktivität sind. Die Ansprechraten<br />
auf IL-2-Mono<strong>the</strong>rapie betragen 15–25% bei Melanom-Patienten, je nach Dosierung <strong>und</strong><br />
Patienten-Charakteristika. Ansprechraten bis 50% wurden bei Kombinations<strong>the</strong>rapien von IL-2<br />
mit andern Mitteln, wie Chemo<strong>the</strong>rapie, beobachtet. Bei Patienten mit Nierenzellkarzinom<br />
wurden bei der Mono<strong>the</strong>rapie Ansprechraten von bis zu 23% erreicht. Diese Ansprechrate<br />
entspricht derjenigen einiger Chemo<strong>the</strong>rapeutika, welche zur Behandlung dieser Krankheit<br />
eingesetzt werden. Üblicherweise handelt es sich um Langzeitremissionen (Abbildung 6.14).<br />
Diese Resultate wurden mit einer Hochdosis-Therapie von IL-2 erreicht (600’000–720’000 IE/kg<br />
alle 8 St<strong>und</strong>en inf<strong>und</strong>iert, bis zu 10 Zyklen mit Wiederholung alle 7–10 Tage). Niedriger<br />
dosierte Bolus-Anwendungen (72’000 IE/kg) scheinen deutlich weniger effektiv zu sein. Aber<br />
die Hochdosis-Therapie verursacht starke Nebenwirkungen (Tabelle 6.5). Die meisten Patienten<br />
bekommen Fieber <strong>und</strong> bis zu 35% entwickeln eine Hypotonie. Viele dieser Nebenwirkungen<br />
entstehen wegen der unspezifischen Wirkungen von IL-2 auf das Immunsystem. So induziert IL-2<br />
zum Beispiel entzündungsfördernde Zytokine, von welchen man annimmt, dass sie eine wichtige<br />
Rolle in der Toxizität von IL-2 spielen. Obwohl die Nebenwirkungen oft mit einer entsprechenden<br />
Therapie unter Kontrolle gebracht werden können, wird nach Mitteln <strong>und</strong> Anwendungsarten<br />
gesucht, die die Sicherheit dieses Wirkstoffes erhöhen. Eine davon ist zum Beispiel die<br />
subkutane Verabreichung (2–30 Millionen IE/m 2 /Tag jede Woche an 5–6 Tagen), welche leider<br />
Die<br />
Ansprechraten<br />
auf IL-2-<br />
Mono<strong>the</strong>rapie<br />
betragen<br />
15–25% bei<br />
Melanom-<br />
Patienten . . .<br />
. . . IL-2 induziert<br />
entzündungsfördernde<br />
Zytokine, von<br />
welchen man<br />
annimmt, dass sie<br />
eine wichtige<br />
Rolle in der<br />
Toxizität von IL-2<br />
spielen.<br />
6.29
6<br />
1.0<br />
0.9<br />
Vollremission (n=21)<br />
0.8<br />
7.0<br />
Remissionsrate<br />
6.0<br />
5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
Teilremission (n=22)<br />
0<br />
0 12 24 36 48 60 72 84 96 108 120 132 144<br />
Zeit (Monate)<br />
Abbildung 6.14. Vollremission auf die IL-2-Therapie bei Nierenzellkarzinom-Patienten ist oft von<br />
langer Dauer. Reproduziert mit Erlaubnis von Rosenburg et al. Ann Surg 1998; 228:307–19.<br />
bis jetzt nicht die gleiche Wirksamkeit wie die Hochdosis-Anwendung erzielt hat, dafür aber<br />
besser verträglich ist, oder die kontinuierliche intravenöse Infusion<br />
(7’000–50’000 IE/kg/St<strong>und</strong>e), welche offenbar bei niedrigeren Dosen eine reduzierte<br />
Wirksamkeit hat, <strong>und</strong> bei höheren Dosen zwar die gleich gute Wirkung, aber auch die gleich<br />
starke Toxizität zeigt.<br />
Tabelle 6.5. Nebenwirkungen der IL-2-Therapie.<br />
Vascular leak syndrome (generalisierte Ödeme, Gewichtszunahme, pulmonale Stauung,<br />
Hypotonie, Pleuraerguss, Aszites)<br />
Fieber <strong>und</strong> Schüttelfröste<br />
Beeinträchtigte kardiale Funktion<br />
Nierentoxizität<br />
Appetitlosigkeit<br />
Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen<br />
Durchfall<br />
Glossitis <strong>und</strong> Stomatitis<br />
Lebertoxizität<br />
Verhaltensveränderungen <strong>und</strong> Schlafstörungen<br />
Knochen- <strong>und</strong> Gelenkschmerzen<br />
Ery<strong>the</strong>m<br />
Anämie<br />
Infektion<br />
6.30
6<br />
Fallstudie – IL-2<br />
Peter Brown ist ein 46jähriger Mann, bei dem kürzlich ein Nierenzellkarzinom<br />
diagnostiziert wurde. Bei der Diagnosestellung wurden eine 6x10cm grosse Tumormasse<br />
an seiner rechten Niere <strong>und</strong> Metastasen in beiden Lungen festgestellt. Herr Brown wurde<br />
an einen Onkologen überwiesen, der ihm als beste Behandlung in seinem Stadium IL-2<br />
empfahl.<br />
Nach dem Gespräch mit dem Onkologen hatte Herr Brown ein Gespräch mit der<br />
Onkologie-Pflegefachfrau, welche mit ihm das Behandlungsschema <strong>und</strong> die zu<br />
erwartenden Nebenwirkungen besprach. Er wurde auch instruiert darüber, was er selber<br />
zu einem guten Gelingen dieses Behandlungszyklus beitragen könnte. Diese Ratschläge<br />
beinhalteten Informationen über die Nahrungs- <strong>und</strong> Flüssigkeitseinnahme, weil<br />
Appetitlosigkeit zu den häufigen Nebenwirkungen dieser Therapie gehört. Auch wurde<br />
ihm gesagt, wie er mit einer allfälligen Übelkeit umgehen könnte, <strong>und</strong> er wurde bezüglich<br />
Hautpflege beraten. Eine häufige Nebenwirkung von IL-2 ist trockene, schuppige Haut mit<br />
Juckreiz. Herr Brown erhielt eine pflegende Creme <strong>und</strong> eine wasserlösliche Pflegeseife.<br />
Diese helfen, die Haut gut befeuchtet zu erhalten <strong>und</strong> so W<strong>und</strong>sein, Hautrissen <strong>und</strong><br />
trockenem Schuppen vorzubeugen. Bei Juckreiz könnte eine feuchtigkeitsreiche Creme mit<br />
Menthol <strong>und</strong> ein Antihistaminikum verordnet werden.<br />
Bevor die Infusion von IL-2 begonnen wurde, wurden die Vitalzeichen wie Temperatur, Puls,<br />
Atemfrequenz, Blutdruck <strong>und</strong> zentraler Venendruck (ZVD) gemessen. Dies wurde alle vier<br />
St<strong>und</strong>en wiederholt. Zusätzlich wurden auch die Flüssigkeitseinnahme <strong>und</strong> die<br />
Ausscheidung gemessen <strong>und</strong> bilanziert. Der Patient wurde über die Wichtigkeit einer<br />
sorgfältigen Überwachung, um Nebenwirkungen früh feststellen <strong>und</strong> behandeln zu können,<br />
informiert.<br />
Bei Beginn der IL-2-Infusion bekam er ein orales nicht-steroidales entzündungshemmendes<br />
Medikament. Dies wird als Prophylaxe gegen Fieber eingesetzt <strong>und</strong> dem Patienten<br />
während der Behandlung weiterhin verabreicht. Ungefähr 2 St<strong>und</strong>en nach Beginn der<br />
Infusion begann er zu frieren <strong>und</strong> zu zittern. Die Temperatur betrug 36ºC. Das Zittern<br />
entwickelte sich zu einem Schüttelfrost. Als dieser mehr als 20 Minuten andauerte, bekam<br />
Herr Brown 12,5mg Pethidin i.v. Dies stoppte den Schüttelfrost schnell, <strong>und</strong> die Temperatur<br />
betrug nun 38,5ºC. Er erhielt 1g Parazetamol, um die Temperatur zu senken.<br />
An Tag 3 seiner Behandlung sah Herrn Browns Gesicht aufgedunsen aus <strong>und</strong> er beklagte<br />
sich darüber, dass sich seine Kleider eng anfühlten. Sein Körpergewicht war in den letzten<br />
24 St<strong>und</strong>en über 5% angestiegen <strong>und</strong> seine Flüssigkeitsbilanz zeigte, dass er eine<br />
Plusbilanz von 3 Litern hatte, mit einer verminderten Ausscheidungsmenge. Er war leicht<br />
hypoton (100/60mmHg) <strong>und</strong> tachycard bei 105 Schlägen pro Minute. Die ZVD-Messung<br />
ergab 1cmH 2 O (Normalwert 5–8cmH 2 O). Es wurde ein capillary leak syndrome<br />
diagnostiziert, welches einen Mangel an intravaskulärer Flüssigkeit zur Folge hatte. Seine<br />
aktuellen Bluttests wurden engmaschig kontrolliert <strong>und</strong> zeigten einen erhöhten<br />
Harnstoffwert <strong>und</strong> zu niedrige Serum-Albumin-Werte, was die Diagnose bestätigte. So<br />
wurden 200mL konzentrierte Albuminlösung (Albumin 20%) verordnet <strong>und</strong> über eine<br />
St<strong>und</strong>e inf<strong>und</strong>iert. Nachher betrug der ZVD 4,5cmH 2 O <strong>und</strong> der Blutdruck war auf 130/80<br />
gestiegen. Auch seine Urinausscheidung verbesserte sich anhaltend. Am Tag 5 war die<br />
Infusion beendet, ohne dass er noch weitere ernste Nebenwirkungen hatte.<br />
6.31
6<br />
Zusammenfassung<br />
IL-2 ist ein natürlich vorkommendes Zytokin mit einer Reihe von Wirkungen auf das<br />
Immunsystem. In Verbindung mit seiner Rolle als Therapeutikum gegen <strong>Krebs</strong> ist seine wichtigste<br />
Aufgabe die T-Zell-Aktivierung. T-Zellen sind bekannt dafür, dass sie in der Immunantwort auf<br />
gewisse Tumoren eine Rolle spielen. Diese Rolle ist jedoch dadurch limitiert, dass Tumorzellen<br />
nicht alle nötigen Komponenten der Immunantwort stimulieren können. Eine der fehlenden<br />
Komponenten ist IL-2.<br />
Die Anwendung von rekombinantem IL-2 stimuliert eine vollständige T-Zell-Antwort auf schwach<br />
immunogene Tumoren wie Melanome <strong>und</strong> Nierenzellkarzinome. Dies erbringt ein Ansprechen<br />
bei bis zu einem Viertel der Patienten, welches bei vielen Patienten länger anhaltend ist. Weil<br />
aber rekombinantes IL-2 dieselbe Wirkung hat wie natürliches IL-2, ist die Therapie mit vielen<br />
Nebenwirkungen verb<strong>und</strong>en. Diese stehen in Beziehung mit der Wirkung von IL-2 auf andere<br />
Zytokin-Signalwege <strong>und</strong> Komponenten des Immunsystems. Das Fehlen von Spezifität bedeutet,<br />
dass das Potential von rekombinantem IL-2 wegen der Dosis-Limitation wahrscheinlich noch<br />
nicht voll genutzt werden konnte. Trotzdem hat das rekombinante IL-2 eine signifikante <strong>und</strong><br />
nützliche Antikrebswirkung <strong>und</strong> spielt so eine wichtige Rolle in der Behandlung des<br />
Nierenzellkarzinoms.<br />
Fallstudie 3: Die monoklonale Antikörper<strong>the</strong>rapie mit<br />
humanisiertem anti-HER2, einer Onkogen-spezifischen<br />
biologischen Antikrebssubstanz<br />
Das humanisierte<br />
anti-HER2<br />
Herceptin ® ist ein<br />
monoklonaler<br />
Antikörper <strong>und</strong><br />
wurde entwickelt,<br />
um auf das HER2-<br />
Onkogen<br />
einzuwirken.<br />
Das humanisierte anti-HER2 Herceptin ® ist ein monoklonaler Antikörper <strong>und</strong> wurde entwickelt,<br />
um auf das HER2-Onkogen einzuwirken. Von diesem ist bekannt, dass es mitwirkt in der<br />
Entwicklung einer ganzen Reihe von <strong>Krebs</strong>arten. Klinische Versuche haben gezeigt, dass<br />
Herceptin ® bei der Behandlung von HER2-positivem metastasierendem Mammakarzinom<br />
wirksam ist <strong>und</strong> eine signifikante Steigerung der Überlebensdauer bewirkt.<br />
Die Theorie für die gezielte Einwirkung auf HER2<br />
Wie in Kapitel 3 beschrieben, ist HER2 ein Proto-Onkogen, das für einen Rezeptor an der<br />
Zelloberfläche mit wachstumsstimulierender Aktivität kodiert. Die Amplifizierung dieses Gens<br />
<strong>und</strong> die darauf folgende Überexpression seines kodierenden Proteins (HER2 Positivität)<br />
geschieht früh in der Entwicklung des Brustkrebses, betrifft aber die normalen Zellen nicht.<br />
HER2-positive Zellen weisen viele Eigenschaften von Tumorzellen auf, wie zum Beispiel<br />
unkontrolliertes Zellwachstum, erhöhte DNA-Syn<strong>the</strong>se <strong>und</strong> erhöhtes Metastasierungspotential,<br />
wahrscheinlich aufgr<strong>und</strong> gesteigerter Wachstumssignale. Ungefähr 20% der Frauen mit<br />
Brustkrebs sind HER2-positiv. Sie haben:<br />
● eine schlechte Prognose mit reduzierter Gesamtüberlebensdauer<br />
. . . HER2 ist ein<br />
neues <strong>und</strong><br />
wichtiges<br />
<strong>the</strong>rapeutisches<br />
Ziel.<br />
● veränderte Ansprechbarkeit auf die normalerweise angewandten <strong>Therapien</strong> bei Brustkrebs,<br />
wie Anthrazykline <strong>und</strong> Tamoxifen.<br />
Diese Beobachtungen zeigen, dass HER2-Positivität eine Schlüsselrolle in der Pathogenese von<br />
Brustkrebs einnimmt. Das Blockieren der Aktivität des HER2-Gens in Tumorzellen hat ziemlich<br />
wahrscheinlich direkte Antikrebs-Wirkung <strong>und</strong> beeinflusst dabei die normalen Zellen nicht. So<br />
ist HER2 ein neues <strong>und</strong> wichtiges <strong>the</strong>rapeutisches Ziel.<br />
6.32
6<br />
Die Entwicklung der HER2-spezifischen gezielten Therapie<br />
Bevor Herceptin ® entwickelt wurde, hatten schon zahlreiche Studien gezeigt, dass monoklonale<br />
Antikörper gegen HER2 das Wachstum von Tumoren <strong>und</strong> Zellen, welche hohe Mengen von<br />
HER2 exprimierten, verhindern konnten. So war es eine wohlüberlegte Strategie, monoklonale<br />
Antikörper gegen HER2 zu entwickeln. Dieser von den Mäusen kommende monoklonale<br />
Antikörper 4D5 zeigte eine antiproliferative Wirkung spezifisch auf HER2-positive Zellen; HER2-<br />
negative Zellen waren unsensibel auf 4D5. Aber 4D5 ist ein Mäuse-Antikörper, <strong>und</strong> wie in<br />
Kapitel 5 beschrieben wird, werden diese Antikörper vom menschlichen Immunsystem als fremd<br />
erkannt <strong>und</strong> neutralisiert. Es musste ein Weg gef<strong>und</strong>en werden, diese Immunantwort zu<br />
überwinden.<br />
So wurden rekombinante DNA-Techniken angewandt, um von 4D5 alles ausser der Sequenz,<br />
welche HER2 erkennt, durch menschliche Sequenzen zu ersetzen (siehe Abbildungen 6.2 <strong>und</strong><br />
6.3). Der humanisierte monoklonale Antikörper ist bekannt als rekombinanter humaner<br />
monoklonaler Antikörper (rhaMab) HER2, Trastuzumab oder Herceptin ® <strong>und</strong> ist zu 95%<br />
menschlich <strong>und</strong> nur zu 5% von der Maus. Dies überwindet das Problem der Immunantworten,<br />
weil der monoklonale Antikörper nicht länger als fremdes Protein erkannt wird. Herceptin ® :<br />
● bindet dreimal stärker an HER2 als 4D5<br />
● beugt der Proliferation von HER2-positiven Zelllinien wirksam vor<br />
● beeinflusst die Proliferation von HER2-negativen Zelllinien nicht<br />
● verhindert HER2-positives Tumorwachstum in 50% bei Mäusen<br />
● verstärkt die Wirkung chemo<strong>the</strong>rapeutischer Mittel, dank positiver Interaktionen zwischen<br />
dem Aktionsmechanismus von Herceptin ® <strong>und</strong> diesen Mitteln.<br />
Die Auswahl von Patienten für die Herceptin ® -Therapie<br />
Die präklinischen Erfahrungen haben gezeigt, dass Herceptin ® nur bei HER2-positiven Zellen<br />
wirkt. Dies zeigt, dass Herceptin ® auch nur gegen HER2-positive Tumoren wirksam sein kann,<br />
<strong>und</strong> führt so das Konzept der speziell auf bestimmte Tumoren zielenden Behandlungen in die<br />
klinische Praxis ein. Dies verlangte nach einer Technik, die HER2-positiven Tumoren zu<br />
erkennen, weil vermutlich nur sie auf Herceptin ® ansprechen würden. Den HER2-Status zu<br />
ermitteln gehört also zur Voraussetzung für eine Therapie mit Herceptin ® . Dies ist wichtig, weil<br />
genau das die Herceptin ® -Therapie wesentlich von einer Therapie mit Filgrastim oder IL-2<br />
unterscheidet, bei denen es nicht nötig ist, bei der Patienten-Selektion nach einem spezifischen<br />
Onkogen zu suchen. Die Techniken, um den HER2-Status zu ermitteln, sind Immunohistochemie<br />
(IHC) <strong>und</strong> Fluoreszenz in-situ Hybridisierung FISH (siehe Kapitel 5).<br />
Die präklinischen<br />
Erfahrungen<br />
haben gezeigt,<br />
dass Herceptin ®<br />
nur bei HER2-<br />
positiven Zellen<br />
wirkt.<br />
6.33
6<br />
Frühe klinische<br />
Versuche mit<br />
Herceptin ® . . .<br />
zeigten, dass ein<br />
Ansprechen des<br />
Tumors erreicht<br />
werden konnte<br />
<strong>und</strong> dass die<br />
Behandlung gut<br />
toleriert wurde.<br />
Klinische Erfahrung mit Herceptin ®<br />
Frühe klinische Versuche mit Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> in Kombination mit Cisplatin bei<br />
Frauen mit vorbehandeltem HER2-positivem metastasierendem Mammakarzinom zeigten, dass<br />
ein Ansprechen des Tumors erreicht werden konnte <strong>und</strong> dass die Behandlung gut toleriert<br />
wurde. Weiter entwickelten die Patientinnen keine neutralisierenden Antikörper auf Herceptin ® .<br />
Diese Studien waren die Gr<strong>und</strong>lage für die Einführung grösserer klinischer Studien von<br />
Herceptin ® . Zwei Hauptstudien sind mittlerweile durchgeführt worden:<br />
● eine Phase II Studie von Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie bei Frauen mit HER2-positivem<br />
Brustkrebs, welche schon eine oder zwei Chemo<strong>the</strong>rapie-Zyklen für die metastasierende<br />
Erkrankung erhalten hatten (H0649g)<br />
● eine randomisierte Phase III Studie von Paclitaxel oder Anthrazyklin/Cyclophosphamid mit<br />
oder ohne Herceptin ® als Erst<strong>the</strong>rapie bei HER2-positivem metastasierendem<br />
Mammakarzinom (H0648g).<br />
Bei der ersten dieser Studien erbrachte Herceptin ® Ansprechraten von 18% respektive 21% bei<br />
Patientinnen, welche stark HER2-positiv in der IHC respektive HER2-positiv in der FISH waren.<br />
Die Überlebensdauer betrug in beiden Fällen 16,4 Monate (Abbildung 6.15).<br />
1.0<br />
Wahrscheinlichkeit<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0<br />
n=166<br />
16,4 Monate<br />
0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45<br />
Zeit (Monate)<br />
Abbildung 6.15. Die Überlebensdauer stark HER2-positiver Brustkrebspatientinnen mit Metastasen,<br />
welche mit Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie behandelt wurden.<br />
. . . Herceptin ®<br />
steigerte die<br />
Überlebensdauer<br />
bis zu 45% . . .<br />
Bei der Phase III Studie wurde gezeigt, dass die Kombination von Herceptin ® mit<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie die Resultate signifikant verbesserte. Es wurden Ansprechraten bis zu 60%<br />
beobachtet. Speziell beachtenswert war, dass Herceptin ® die Überlebensdauer bis zu 45%<br />
steigerte (Abbildung 6.16). Eine solche Steigerung der Überlebensdauer war seit Jahren mit<br />
einer neuen Therapie für metastasierendes Mammakarzinom nicht mehr beobachtet worden.<br />
Damit konnte man beweisen, dass eine auf HER2 zielende Antikrebs-Strategie sehr effektiv war.<br />
Wie oben beschrieben, hat die IL-2-Therapie zwar eine Antikrebs-Wirkung, aber auch sehr<br />
viele Nebenwirkungen. Im Gegensatz dazu sind die Nebenwirkungen von Herceptin ® mild:<br />
schwaches bis mittleres Fieber <strong>und</strong> Frösteln, was bei der ersten Dosis bei etwa 40% der<br />
Patientinnen vorkommt (Abbildung 6.17). Andere Nebenwirkungen sind meist leicht, kommen<br />
nur selten vor <strong>und</strong> treten ebenfalls nur im Zusammenhang mit der ersten Anwendung auf. Im<br />
Gegensatz zu der unspezifischen Wirkung von Chemo<strong>the</strong>rapeutika, die viele Nebenwirkungen<br />
wie schwere Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen, Haarausfall oder Veränderungen des Blutbilds auslösen,<br />
verursacht Herceptin ® keine solchen Nebenwirkungen.<br />
6.34
6<br />
Wahrscheinlichkeit der Überlebenszeit<br />
1.0<br />
Herceptin ® + CT<br />
0.8<br />
CT alleine<br />
p
6<br />
…Herceptin ® wird<br />
heute in der<br />
Behandlung von<br />
Frauen mit stark<br />
HER2-positivem<br />
metastasierendem<br />
Mammakarzinom<br />
anerkannt…<br />
Dank dieser Erkenntnisse wird Herceptin ® heute in der Behandlung von Frauen mit stark HER2-<br />
positivem metastasierendem Mammakarzinom anerkannt:<br />
● als Erstlinien<strong>the</strong>rapie in Kombination mit Paclitaxel<br />
● als Mono<strong>the</strong>rapie bei Frauen, welche zuerst Anthrazykline <strong>und</strong> Taxane erhalten haben.<br />
Fallstudie – Herceptin ®<br />
Am 28 April 1996 erhielt Gill Harris, eine 36jährige verheiratete Frau mit Brustkrebs, die<br />
Mitteilung, dass ihre <strong>Krebs</strong>erkrankung nicht auf die Chemo<strong>the</strong>rapie angesprochen hatte.<br />
Sie war durch diesen Bescheid völlig aufgewühlt <strong>und</strong> zerstört. Da dies schon die<br />
Zweitlinien<strong>the</strong>rapie gewesen war, waren ihre Therapie-Optionen für eine wirksame<br />
Behandlung minimal. Verständlicherweise war sie schockiert <strong>und</strong> verharrte in einem<br />
Zustand der eingeschränkten Kommunikation. Sie hasste es, ins Spital zu kommen, krank<br />
zu sein <strong>und</strong> hasste sich selber. Sie wollte nur zu Hause sein, ihr dreieinhalbjähriges Kind<br />
versorgen <strong>und</strong> die Freuden des Familienlebens geniessen.<br />
Zu dieser Zeit führte Genentech Inc. eine multinationale Phase III Studie des<br />
rekombinanten, humanisierten anti-HER2 monoklonalen Antikörpers Herceptin ® bei<br />
Brustkrebs-Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren durch, welche nach zwei aufeinander<br />
folgenden Chemo<strong>the</strong>rapiezyklen ein Rezidiv erlitten hatten.<br />
Nachdem sie über diese Studie informiert worden war, wurde ihr ein Informationsblatt mit<br />
nach Hause gegeben, das sie mit ihrem Ehemann lesen sollte. Es wurde ihr mitgeteilt, dass<br />
sie in der darauf folgenden Woche mit all ihren Fragen zurückkehren sollte, <strong>und</strong> dass bis<br />
dann auch ihr HER2-Status bekannt sein würde.<br />
Das histopathologische Institut diagnostizierte das Brustgewebe von Frau Harris als stark<br />
HER2-positiv.<br />
Frau Harris kehrte die folgende Woche mit vielen Fragen zurück, vor allem mit Fragen<br />
über den Behandlungsablauf <strong>und</strong> wie sie diesen mit ihrem Familienleben in<br />
Übereinstimmung bringen könnte. Sie war weiterhin gefühlsmässig in einem Tief <strong>und</strong> nicht<br />
sehr gesprächsbereit. Klinisch war ihr Karnofsky Performance Status (KPS) 80%, <strong>und</strong> trotz<br />
der schweren Erkrankung mit mehreren Knochen-Metastasen an verschiedenen Stellen, mit<br />
Hautmetastasen an der Brustwand <strong>und</strong> drei grossen Bef<strong>und</strong>en in der Leber waren ihre<br />
einzigen Symptome eine leichte Müdigkeit <strong>und</strong> eine depressive Stimmung mit häufigen<br />
negativen Gedanken über die Zukunft. Es wurde ihr eine psychologische Beratung<br />
angeboten, aber sie lehnte eine solche ab.<br />
Nachdem sie in die Behandlung eingewilligt hatte, bekam Frau Harris am folgenden Tag<br />
einen Behandlungstermin. Man sagte ihr, dass die möglichen Nebenwirkungen bei der<br />
ersten Therapie Frösteln <strong>und</strong>/oder Schüttelfrost wären, <strong>und</strong> dass sie mit einer<br />
Behandlungsdauer von mindestens eineinhalb St<strong>und</strong>en rechnen müsse.<br />
Als sie am Behandlungstag in der Tagesklinik erschien, war sie verständlicherweise nervös.<br />
Es wurde ihr aber versichert, dass immer eine Pflegende anwesend sein würde. Als<br />
Prämedikation erhielt sie eine St<strong>und</strong>e vor der Infusion 1g Parazetamol. Ihre Vitalzeichen<br />
wurden gemessen <strong>und</strong> waren normal. Sie wurde eingeladen, sich während der<br />
Infusions<strong>the</strong>rapie bequem auf ein Bett zu legen.<br />
6.36
6<br />
Um 15 Uhr wurde das Herceptin ® , das in 250mL physiologischer Kochsalzlösung gelöst<br />
war, durch ein Y-Stück an die Infusionsleitung angeschlossen. An der anderen Zuleitung<br />
war ein Beutel mit 500mL Kochsalzlösung angeschlossen, die als Spülung dienen sollte.<br />
Die Infusion wurde in einer solchen Geschwindigkeit gestartet, dass sie über 90 Minuten<br />
einlaufen sollte. Nach 20 Minuten fühlte sich Frau Harris sehr kalt <strong>und</strong> ihre Temperatur<br />
senkte sich auf 35ºC. Die Herceptin ® -Infusion wurde gestoppt <strong>und</strong> nur noch Spüllösung<br />
inf<strong>und</strong>iert. Die Patientin bekam eine zusätzliche Wolldecke, um das Kältegefühl zu lindern.<br />
Trotzdem begann sie zu zittern <strong>und</strong> klagte über zunehmendes Frieren. Nach 5 Minuten<br />
wurde das Zittern intensiver <strong>und</strong> generalisierter. Sie bekam 12,5mg Pethidin i.v. Fünf<br />
Minuten später dauerte der Schüttelfrost immer noch an <strong>und</strong> es wurden weitere 12,5mg<br />
Pethidin verabreicht. Einige Minuten später nahm dann der Schüttelfrost langsam ab <strong>und</strong><br />
verschwand allmählich ganz. Nach 30 Minuten Pause wurde die Herceptin ® -Infusion<br />
wieder gestartet <strong>und</strong> in 1 St<strong>und</strong>e <strong>und</strong> 10 Minuten zu Ende inf<strong>und</strong>iert. Temperatur, Puls,<br />
Respiration <strong>und</strong> Blutdruck wurden alle 30 Minuten während der Behandlung <strong>und</strong> bis eine<br />
St<strong>und</strong>e nach der Behandlung gemessen.<br />
Der Ehemann holte die Patientin ab <strong>und</strong> es wurde beiden versichert, dass bei den<br />
folgenden wöchentlichen Behandlungen mit der halben Dosis dieselben Symptome<br />
wahrscheinlich nicht mehr auftreten würden.<br />
Bis zur Woche 3 veränderte sich Frau Harris von einer nie lächelnden, stillen Pessimistin zu<br />
einer glücklichen, vergnügten Person mit einem grossen Lebensenthusiasmus. Ihr KPS stieg<br />
von 80% auf 100% an. Nun waren die Hautläsionen zwar noch sichtbar, aber nicht mehr<br />
messbar.<br />
Nach 8 Wochen wurden alle messbaren Metastasen geprüft <strong>und</strong> als auf Herceptin ®<br />
ansprechend beurteilt. Die Hautläsionen waren kaum mehr sichtbar <strong>und</strong> die Leberbef<strong>und</strong>e<br />
waren um mehr als 50% kleiner geworden, was als Teilremission gewertet werden konnte.<br />
Die Knochenmetastasen waren stabil.<br />
Bis Woche 16 waren alle Hautläsionen <strong>und</strong> zwei der Lebermetastasen komplett<br />
verschw<strong>und</strong>en. Frau Harris war überglücklich. Sie hatte kürzlich wieder zu arbeiten<br />
begonnen <strong>und</strong> der ganzen Familie ging es gut.<br />
In Woche 36 fühlte Frau Harris einen leichten Knochenschmerz in der rechten Hüfte.<br />
In Woche 48 zeigte ein Ultraschall der Knochen neue Knochenmetastasen, was auf eine<br />
Progredienz der Krankheit schliessen liess. Das Herceptin ® wurde gestoppt. Die Patientin<br />
bekam palliative Radio<strong>the</strong>rapie an den Stellen, wo sie Knochenschmerzen hatte.<br />
Später bekam sie Hirnmetastasen <strong>und</strong> starb auf tragische Weise im November 1997.<br />
Obwohl diese Geschichte ein trauriges Ende hat, müssen wir annehmen, dass der Nutzen<br />
der Herceptin ® -Therapie für die Patientin <strong>und</strong> ihre Familie sehr hoch war. Erstens hatte<br />
Herceptin ® sichtbare Wirkung auf die Metastasen, <strong>und</strong> weil die Krankheitsherde kleiner<br />
wurden, stiegen die Energiereserven der Patientin sichtbar. Zweitens verspürte Frau Harris,<br />
ausser dem Schüttelfrost bei der ersten Dosis, keine andern Nebenwirkungen. Sie hatte<br />
keinen Haarverlust, keine Übelkeit, keine Müdigkeit, alles Symptome, die bei Patienten mit<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie häufig sind.<br />
Am wichtigsten aber war sicher die Lebensqualität, welche Frau Harris <strong>und</strong> mit ihr der<br />
ganzen Familie während fast einem Jahr geschenkt war. So wird die Tochter, auch wenn<br />
6.37
6<br />
sie den Schmerz des Verlustes der Mutter erfahren hat, eine gute Erinnerung an ihre Mutter<br />
haben, wie sie sie lächelnd <strong>und</strong> in gutem Zustand an ihrem ersten Schultag zur Schule<br />
brachte.<br />
Zusammenfassung<br />
Herceptin ® hat eine direkte Antitumor-Wirkung gegen eine spezifische Zellpopulation: jene, die<br />
HER2-positiv ist. Weil normale Zellen nicht HER2-positiv sind, heisst das, dass Herceptin ® nur<br />
gegen HER2-positive Tumorzellen wirkt. Dies hat Folgen für die Behandlung von Patienten.<br />
Die genaue<br />
Auswahl der<br />
richtigen<br />
Patienten bewahrt<br />
diese davor, einer<br />
unnützen<br />
Therapie<br />
ausgesetzt zu<br />
werden <strong>und</strong><br />
gewährleistet<br />
einen optimalen<br />
Einsatz von<br />
Herceptin ® .<br />
Bei allen <strong>Krebs</strong>patienten, bei denen man eine Herceptin ® -Therapie in Betracht zieht, muss zuerst<br />
der HER2-Status ihres Tumors bestimmt werden. Nur die Tumoren, die stark HER2-positiv sind,<br />
sind für die Therapie geeignet. So werden nur die Patienten mit Herceptin ® <strong>the</strong>rapiert, bei<br />
denen es auch wahrscheinlich ist, dass sie darauf ansprechen. Die genaue Auswahl der<br />
richtigen Patienten bewahrt diese davor, einer unnützen Therapie ausgesetzt zu werden <strong>und</strong><br />
gewährleistet einen optimalen Einsatz von Herceptin ® . Herceptin ® wird normalerweise, wegen<br />
seiner Tumor-Spezifität, gut vertragen.<br />
Diese Art von zielgerichteter Therapie ist eine neue Entwicklung in der <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapie mit<br />
biologischen Wirkstoffen. <strong>Therapien</strong> wie Filgrastim <strong>und</strong> IL-2 haben offensichtlich eine wichtige<br />
Aufgabe in der wirksamen Behandlung einer Reihe von Tumorarten. Das Potential von<br />
Interleukinen <strong>und</strong> Interferonen ist noch nicht voll ausgeschöpft. Jedoch haben alle diese<br />
Wirkstoffe generalisierte stimulierende Wirkungen auf das Immunsystem <strong>und</strong> haben so eher<br />
Antitumor-Aktivität als spezifische Antitumor-Wirkung. Im Gegensatz dazu haben Stoffe wie<br />
Herceptin ® direkte <strong>und</strong> gezielte Antitumor-Wirkung. Solche gezielten Wirkstoffe sind ein<br />
Fortschritt in der Entwicklung biologischer <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> dieser Fortschritt baut auf den<br />
Erkenntnissen auf, die durch die Anwendung unspezifischer biologischer Wirkstoffe gewonnen<br />
wurden.<br />
Schlussfolgerungen<br />
<strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> weisen ein hohes Potential an Wirksamkeit <strong>und</strong> Verträglichkeit auf. Sie<br />
wurden in den vergangenen Jahrzehnten intensiv erforscht. Viele der Fortschritte sind das<br />
Resultat der rekombinanten DNA-Technik, die es ermöglichte, die genetische Struktur der Zellen<br />
zu manipulieren. Dies hat die Manipulation von Viren <strong>und</strong> Plasmiden ermöglicht, so dass<br />
<strong>Krebs</strong>antigene gebildet werden konnten, die eine Immunantwort zu stimulieren vermögen. Die<br />
in-vitro-Produktion grosser Mengen von reinen Zytokinen, Antikörpern <strong>und</strong> andern<br />
Immunmolekülen wurde möglich, genauso wie die gentechnische Herstellung menschlicher<br />
Zellen, welche wiederum eine Immunantwort auf einen Tumor zu stimulieren vermögen.<br />
Obwohl sehr viele Wirkstoffe als Antikrebs<strong>the</strong>rapeutika untersucht wurden, werden bis heute<br />
erst Zytokine <strong>und</strong> monoklonale Antikörper in der klinischen Praxis angewandt. Es ist zu<br />
beachten, dass die Wirkung der Zytokine nicht auf Tumorzellen beschränkt ist, sondern dass sie<br />
das Immunsystem stimulieren <strong>und</strong> auch andere als die zur Antikrebs-Aktivität erwünschten<br />
Wirkungen haben. Dies zeigt sich an den vielen Nebenwirkungen, die mit Zytokin-<strong>Therapien</strong><br />
einhergehen <strong>und</strong> an ihrer breiten Anwendung bei vielen andern Krankheiten.<br />
Im Gegensatz dazu haben monoklonale Antikörper Wirkung auf ein ganz bestimmtes Antigen.<br />
Mit zunehmenden Erkenntnissen der Tumor-Biologie wurde erkannt, dass viele Tumorzellen<br />
6.38
6<br />
Anomalien aufweisen, die für die Onkogenese verantwortlich sind <strong>und</strong> die in normalen Zellen<br />
nicht vorhanden sind. Dies stützt das Konzept, dass ein gezieltes Einwirken auf diese<br />
Anomalien ein wirkungsvolles Mittel zur Tumor-Zerstörung oder Suppression sein würde. Die<br />
Entwicklung des chimerischen Antikörpers MabThera ® <strong>und</strong> des humanisierten anti-HER2<br />
monoklonalen Antikörpers Herceptin ® zeigten, dass dieses Konzept klinischen Nutzen bringen<br />
kann.<br />
Herceptin ® <strong>und</strong> MabThera ® sind wahrscheinlich nur die ersten einer neuen Generation von<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapien, die die Behandlung auf der individualisierten Basis spezifischer<br />
Tumorcharakteristika erlauben. Eine Folge dieses Trends wird es sein, dass spezifische Tests zur<br />
Identifikation von Tumorcharakteristika entwickelt <strong>und</strong> angewandt werden, so dass die am<br />
wahrscheinlichsten wirksame Therapie ausgewählt werden kann. Zudem werden die Patienten<br />
davon profitieren, dass gezielte <strong>Therapien</strong> längere Überlebenszeiten ermöglichen <strong>und</strong> die<br />
Nebenwirkungen weniger intensiv sind.<br />
Herceptin ® <strong>und</strong><br />
MabThera ® sind<br />
wahrscheinlich<br />
nur die ersten<br />
einer neuen<br />
Generation von<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapien,<br />
die<br />
die Behandlung<br />
auf der<br />
individualisierten<br />
Basis spezifischer<br />
Tumor-<br />
Charakteristika<br />
erlauben.<br />
6.39
6<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Geben Sie zwei Gründe an, weshalb biologische Methoden für die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />
entwickelt <strong>und</strong> benützt werden, indem Sie ihre potentiellen Vorteile gegenüber<br />
konventionellen <strong>Therapien</strong> beschreiben.<br />
2. Geben Sie in der unten stehenden Tabelle an, welche biologische Therapie den ebenfalls<br />
unten beschriebenen Wirkungseffekt A-G hat. Als Beispiel ist die Zytokin-Therapie<br />
aufgeführt.<br />
Therapie<br />
Zytokin-Therapie<br />
Antikörper-basierte Therapie<br />
<strong>Krebs</strong>-Impfung<br />
Gen-Therapie<br />
Zell-basierte Therapie<br />
Wirkungsweisen<br />
A, E, F, G<br />
A. Tötet <strong>Krebs</strong>zellen ab<br />
B. Unterbricht oder kontrolliert Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen<br />
C. Verändert das Wachstums-Verhalten von <strong>Krebs</strong>zellen<br />
D. Blockiert Prozesse, die zur Umwandlung einer normalen Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle führen<br />
E. Steigert die Fähigkeit des Körpers, eine normale Zelle, die durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder<br />
Bestrahlung geschädigt oder zerstört worden ist, zu reparieren oder zu ersetzen.<br />
F. Steigert die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem<br />
G. Erhöht die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen, <strong>und</strong> fördert<br />
so die Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen.<br />
3. Erklären Sie den Unterschied zwischen gezielten (spezifischen) <strong>und</strong> nicht-gezielten<br />
(unspezifischen) biologischen <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> erörtern Sie die Vorteile der gezielten<br />
<strong>Therapien</strong>.<br />
4. Zytokine sind verantwortlich für die normale Funktion von diversen physiologischen<br />
Prozessen, welche das Ergebnis oder Teil einer Immunreaktion sind. Definieren Sie, was ein<br />
Zytokin ist <strong>und</strong> geben Sie vier Beispiele der Prozesse, die sie beeinflussen.<br />
5. Erklären Sie, warum die Humanisierung von Antikörpern so wichtig ist für ein höheres<br />
<strong>the</strong>rapeutisches Potential.<br />
6. Beschreiben Sie drei mögliche Wirkungsweisen monoklonaler Antikörper, durch welche sie<br />
ihre Antikrebs-Wirkung entfalten.<br />
7. Zählen Sie die Phasen in der Entwicklung einer biologischen Therapie auf, indem Sie die<br />
Faktoren beschreiben, die einen bestimmten biologischen Marker zu einem attraktiven<br />
<strong>the</strong>rapeutischen Angriffsziel machen.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im Anhang auf Seite 8.12.<br />
6.40
Die Zukunft der biologischen <strong>Therapien</strong><br />
7<br />
Einführung<br />
Die aktuelle Forschung beschert uns einen kontinuierlichen Fluss von Informationen über die<br />
genetischen Gr<strong>und</strong>lagen von <strong>Krebs</strong>. Diese Erkenntnisse wurden zuerst bei der Anwendung<br />
unspezifischer <strong>Therapien</strong>, wie rekombinanter Interleukine <strong>und</strong> Interferone in der Behandlung<br />
von Melanomen <strong>und</strong> Nierenzellkarzinomen, umgesetzt. Wie aber der Erfolg der gezielten<br />
Therapie mit Herceptin ® für die Behandlung HER2-positiver Mammakarzinome <strong>und</strong> mit<br />
MabThera ® beim Non-Hodgkin-Lymphom beweist, eröffnet sich ein weites Gebiet für neue<br />
massgeschneiderte <strong>Therapien</strong>. Die genetische Charakterisierung von Tumoren wird unser<br />
Verständnis für das unterschiedliche Verhalten von Tumoren erweitern <strong>und</strong> so auf spezifische<br />
Tumoren massgeschneiderte <strong>Therapien</strong> möglich machen. Diese Individualisierung wird bei der<br />
Behandlung von <strong>Krebs</strong>patienten sicher Fortschritte durch verbesserte Wirksamkeit <strong>und</strong><br />
verminderte Toxizität bringen.<br />
Die Aussicht auf die Entwicklung existierender sowie neuer biologischer <strong>Therapien</strong> ist viel<br />
versprechend. Viele Strategien bedürfen noch beträchtlicher Fortschritte, bevor sie klinisch<br />
wirksam werden können, wie zum Beispiel die Zell-basierte Therapie, die Gen<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong><br />
<strong>Krebs</strong>impfungen. Andere Methoden, wie zum Beispiel die Therapie mit monoklonalen<br />
Antikörpern haben bereits Wirksamkeit gezeigt, aber ihre Anwendung steckt noch in den<br />
Anfängen. Dabei ist eine mögliche Methode, die Einwirkung auf die Angiogenese im Tumor,<br />
noch gar nicht berücksichtigt. Diese basiert auf dem Prinzip, dass Tumore wachsen können,<br />
weil sie in der Lage sind, selber ein Blutversorgungssystem aufzubauen.<br />
In diesem Kapitel werden einige dieser Möglichkeiten im Detail beschrieben, um das Potential<br />
solcher biologischer <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien aufzuzeigen:<br />
● genetische Charakterisierung von Tumoren<br />
● weitere Entwicklung bereits bestehender Methoden<br />
● neue Möglichkeiten: Wirkstoffe zur Anti-Angiogenese.<br />
7.1
7<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Es ist bekannt, dass Tumoren durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen entstehen.<br />
Beschreiben Sie, welche Methoden angewandt werden könnten, um Kombinationen<br />
verschiedener genetischer Veränderungen in einem Tumor zu erkennen.<br />
2. Beschreiben Sie die praktischen klinischen Auswirkungen von Gen-Expressions-Profilen.<br />
3. Fügen Sie die am meisten zutreffende Aussage in die unten folgenden Sätze ein.<br />
Zell-Signalwege <strong>und</strong> Signal-Transduktion<br />
das Studium der Gen-Expression<br />
Tausende von Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip<br />
Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-Netzwerken<br />
Strategien für die Zubereitung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong><br />
a) Proteomics ist das Studium von ……………………..…………..<br />
b) Die Protein-Expression in individuellen Zellen kann studiert werden, indem man ein Chip-<br />
System benützt, das im Wesentlichen ……………………………………….. aufweist.<br />
c) Der Vergleich von Protein-Expressionen zwischen Gewebsproben eines individuellen<br />
Patienten kann angewandt werden in der Entwicklung von ………………………..………<br />
d) Proteomics kann auf verschiedene Arten angewandt werden, zum Beispiel in Studien von<br />
………………………………………..<br />
e) Die Beziehungen zwischen Protein-Interaktionen <strong>und</strong> ihre Komplexität bedeuten, dass<br />
Proteomics wahrscheinlich mehr Wissen über die Zellfunktion hervorbringen wird, als<br />
………………………………………..<br />
4. Einige Fortschritte basieren auf der Weiterentwicklung existierender Methoden. Schlagen<br />
Sie je einen möglichen Weg vor, wie Zytokin-<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> Antikörper-<strong>Therapien</strong> verbessert<br />
werden könnten.<br />
7.2
7<br />
5. Die Angiogenese – die Bildung neuer Blutgefässe – ist entscheidend für das Tumor-<br />
Wachstum. Fügen Sie die jeweils passende Bezeichnung in das unten stehende Diagramm<br />
ein, welches die Schlüsselereignisse beschreibt, die zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong> zur<br />
Metastasierung führen.<br />
Angiogenese-Faktoren<br />
Metastase<br />
Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />
Proliferation <strong>und</strong> Invasion<br />
6. Erläutern Sie kurz die möglichen Auswirkungen, die biologische <strong>Therapien</strong> auf die Pflege<br />
<strong>und</strong> Betreuung der Patienten aus der Sicht einer Onkologie-Pflegenden haben könnten.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie auf Seite 8.14.<br />
7.3
7<br />
Die genetische Charakterisierung von Tumoren<br />
Tumoren sind<br />
bekannt dafür,<br />
dass sie multiple<br />
Genmutationen<br />
<strong>und</strong><br />
chromosomale<br />
Anomalien<br />
aufweisen, von<br />
denen viele zur<br />
Aggressivität des<br />
Tumors beitragen.<br />
Tumoren sind bekannt dafür, dass sie multiple Genmutationen <strong>und</strong> chromosomale Anomalien<br />
aufweisen, von denen viele zur Aggressivität des Tumors beitragen. Obwohl man bei gewissen<br />
Anomalien, wie der HER2-Überexpression/Amplifikation, weiss, dass sie eine wichtige Rolle in<br />
Bezug auf die Tumoreigenschaften spielen, ist anzunehmen, dass eine Kombination genetischer<br />
Defekte für das Verhalten eines bestimmten Tumors ausschlaggebend ist. Zudem können<br />
mehrere solche Defekte bei gewissen Tumoren in spezifischen Kombinationen auftreten.<br />
Bis vor kurzem war es nicht möglich, gleichzeitig nach mehreren genetischen Anomalien im<br />
Tumor zu suchen. Die Fortschritte in der Technologie haben es nun aber ermöglicht, eine grosse<br />
Anzahl von Genen zu durchsuchen, um festzustellen, wie sie in normalen <strong>und</strong> erkrankten Zellen<br />
exprimiert sind <strong>und</strong> um Anomalien, die im Zusammenhang mit der Krankheit stehen, zu<br />
identifizieren. Es ist anzunehmen, dass solche Gen-Expressions-Profile die bisherige<br />
<strong>Krebs</strong>diagnostik <strong>und</strong> die Entwicklung von <strong>Krebs</strong>medikamenten revolutionieren werden.<br />
Komplementäre DNA-Micro-Arrays<br />
Komplementäre DNA (cDNA) ist eine DNA, die von einer mRNA-Schablone syn<strong>the</strong>tisiert<br />
worden ist. Die cDNA kann verwendet werden, um Genom-DNA zu testen <strong>und</strong> so Gene zu<br />
identifizieren. Micro-Arrays sind Chips, welche bis zu 400’000–500’000 einzelne cDNAs<br />
enthalten. Mit der Anwendung dieser Micro-Arrays ist es möglich:<br />
● mutierte Gene in Tumorzellen zu identifizieren<br />
● die Expression buchstäblich Tausender von Genen in einem Tumor zu untersuchen, indem<br />
der mRNA-Gehalt von Tumorzellen untersucht wird<br />
● die Gen-Expression unter verschiedenen Konditionen, wie zum Beispiel unter Stimulation mit<br />
Wachstumsfaktoren oder medikamentöser Therapie, zu untersuchen.<br />
Die Fähigkeit, zu definieren, welche Gene durch einen Tumor exprimiert sind <strong>und</strong> unter welchen<br />
Umständen, <strong>und</strong> wie diese Expression sich im Laufe der Zeit verändert, birgt eine Reihe<br />
herausfordernder Auswirkungen in sich.<br />
● Prognose. In einem kürzlich erschienenen Bericht wurde mitgeteilt, dass ein Micro-Array mit<br />
18.000 cDNAs, die zur Identifikation von Genen bei der Entwicklung von normalen <strong>und</strong><br />
unnormalen Lymphozyten dienlich sind, zwischen zwei Untergruppen von grossen B-Zell-<br />
Lymphomen unterscheiden konnte. Eine davon hatte die charakteristische Gen-Expression<br />
von B-Zellen aus Lymphknoten <strong>und</strong> wies eine relativ gute Prognose auf. Die andere hatte die<br />
charakteristische Gen-Expression von aktivierten B-Zellen <strong>und</strong> die Prognose war relativ<br />
schlecht. Dieser prognostische Wert war unabhängig von der Standard-Messung der<br />
Prognose.<br />
● Tumor-Staging. Nachdem nun mehr Informationen über Veränderungen der Gen-Expression<br />
verfügbar werden, nimmt man an, dass diese einen Zusammenhang mit den verschiedenen<br />
Stadien in der Entwicklung eines Tumors haben. Dies ist einerseits prognostisch wichtig, weil<br />
das Tumorstadium im engen Zusammenhang mit der Prognose steht. Andererseits hat diese<br />
Information prädiktiven Wert, weil damit die Therapie individueller zugeschnitten werden<br />
kann.<br />
● Identifizieren <strong>the</strong>rapeutischer Ziele. Die rasche Identifikation von Genen <strong>und</strong> Mechanismen,<br />
die zur Tumorentstehung führen, wird die Entwicklung angepasster Medikamente mit Hilfe<br />
von Micro-Arrays fördern; z.B. durch Identifikation eines möglichen Faktors, der die<br />
7.4
7<br />
<strong>Krebs</strong>entstehung fördert <strong>und</strong> durch die Entwicklung eines <strong>the</strong>rapeutischen Mittels, das<br />
spezifisch mit diesem Faktor interagiert.<br />
● Massgeschneiderte Behandlung. Die Identifikation von Tumor-Subpopulationen mit<br />
charakteristischen Gen-Expressions-Profilen wird zu einer massgeschneiderten Therapie für<br />
den individuellen Patienten führen. So kann ein Micro-Array, der über mehr als 1’000<br />
Mutationen im Tumor-Suppressor-Gen p53 Auskunft gibt, den Ärzten wichtige Hinweise für<br />
die individuell zugeschnittene Therapie vermitteln.<br />
Der Einsatz von Micro-Arrays zur Unterscheidung der Gen-Expressions-Profile kann in allen<br />
Stadien der <strong>Krebs</strong>diagnose <strong>und</strong> -Behandlung nützlich sein. Gene sind aber nur durch die<br />
Proteine, für welche sie kodieren, aktiv. Protein-Interaktionen sind komplex <strong>und</strong> kontrollieren die<br />
Gen-Expression. Deshalb hat das Studium der Protein-Expression an Bedeutung gewonnen.<br />
Proteomics<br />
Proteomics ist das Studium der Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle des Protein-Netzwerks der Zelle.<br />
Die Protein-Expression ist dynamisch <strong>und</strong> wichtig für die Aufrechterhaltung der Zellfunktion,<br />
entsprechend der genetisch gesteuerten Vorgabe. Proteomics beschäftigt sich mit der Aktivität<br />
<strong>und</strong> Veränderung im Protein-Netzwerk.<br />
Das Untersuchen der Protein-Expression in individuellen Zellen ist ein komplexer Prozess, der<br />
erst kürzlich durch die Entwicklung der Laser-erfassten Mikrodissektion möglich wurde. Damit<br />
können reine Zellpopulationen von spezifischen mikroskopisch definierten Regionen eines<br />
Gewebes oder Tumors isoliert <strong>und</strong> auf Film übertragen werden, während ihre Morphologie<br />
intakt bleibt. Die Anwendung von Immuno-Assay-Protein-Arrays, bei welchen Tausende von<br />
Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip sind, hat die genaue Messung der<br />
zellulären Expression von Tausenden von Proteinen zur gleichen Zeit möglich gemacht.<br />
Proteomics ist das<br />
Studium der<br />
Form, Funktion<br />
<strong>und</strong> Kontrolle des<br />
Protein-Netzwerks<br />
der Zelle.<br />
Diese Techniken, die den cDNA-Micro-Arrays ähnlich sind, ermöglichen die Identifikation von<br />
Fluktuationen bei Proteinen in ges<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bösartigen Zellen <strong>und</strong> auch die Erkennung der<br />
Entwicklung vom prä-malignen zum malignen Stadium. Das Vergleichen der Proteinexpression<br />
zwischen mehreren Gewebsproben von einem einzelnen Patienten kann folgenden<br />
Erkenntnissen dienen:<br />
● neue biologische Erkenntnisse über die <strong>Krebs</strong>entwicklung<br />
● Hinweise für neue diagnostische <strong>und</strong> prognostische Marker<br />
● Strategien für massgeschneiderte <strong>Therapien</strong>.<br />
Ein Beispiel für die Anwendung von Proteomics ist das Studium der Signaltransduktion. Die<br />
Bindung eines Wachstumsfaktors an eine Zelle verursacht die Aktivierung <strong>und</strong> Modifikation des<br />
Zelloberflächen-Proteinrezeptors, <strong>und</strong> so geschieht die unmittelbare Antwort auf Protein-Ebene.<br />
Der Rezeptor muss dann die Information an den Zellkern weiterleiten, so dass die Zelle auf das<br />
Signal reagieren kann. Dieser Übermittlungsprozess schliesst oft die physikalische Bewegung<br />
von Proteinen mit ein. In diesem Moment, also erst wenn die Proteinsignale den Zellkern<br />
erreicht haben, geschieht die Gen-Antwort mit Höher- oder Tiefer-Regulierung der<br />
Gentranskription. Allerdings können die Rezeptor-Signalisierung <strong>und</strong> die Proteine, die<br />
Informationen übermitteln, durch andere Protein-Signalwege beeinflusst werden, die das<br />
Endresultat bezüglich Gentranskription verändern. Diese einfache Beschreibung zeigt bereits,<br />
dass Proteomics sehr wahrscheinlich detailliertere Informationen über die Zellfunktion liefern<br />
kann als das Studium der Genexpression.<br />
7.5
7<br />
Eine andere Anwendung von Proteomics ist das Studium der Auswirkungen von <strong>Therapien</strong> auf<br />
Die Analyse der<br />
cDNA Micro-<br />
Arrays hat schon<br />
gezeigt, dass<br />
Herceptin ®<br />
Veränderungen<br />
in den<br />
Genexpressions-<br />
Profilen von<br />
Tumoren bewirkt<br />
<strong>und</strong> dass diese<br />
Veränderungen<br />
anders sind als<br />
diejenigen, die<br />
durch einen<br />
Proteinkinase-<br />
Hemmer<br />
verursacht<br />
werden.<br />
die Zell-Signalwege. Zum Beispiel ist vom humanisierten monoklonalen Antikörper Herceptin ®<br />
bekannt, dass er die HER2-Signalwege verändert. Es ist jedoch momentan noch nicht genau<br />
bekannt, wie es zur klinischen Wirkung dieser Therapie kommt. Die Analyse der cDNA-Micro-<br />
Arrays hat schon gezeigt, dass Herceptin ® Veränderungen in den Genexpressions-Profilen von<br />
Tumoren bewirkt <strong>und</strong> dass diese Veränderungen anders sind als diejenigen, die durch einen<br />
Proteinkinase-Hemmer verursacht werden. Es ist jedoch nicht bekannt, wie dies mit der Protein-<br />
Signalisierung zusammenhängt. Dies ist das Ziel der Proteomics-Untersuchungen.<br />
Weiterentwicklung schon bestehender Methoden<br />
Aus der Beschreibung der verschiedenen Methoden, bei denen biologische Wirkstoffe zur<br />
<strong>Krebs</strong>behandlung eingesetzt werden, wird ersichtlich, dass weitere Entwicklungen <strong>und</strong><br />
Verfeinerungen nötig sind, um ihr volles Potential auszuschöpfen. Für einige Methoden braucht<br />
es ein besseres Verständnis darüber, wie die durch die Therapie beeinflussten Systeme<br />
funktionieren <strong>und</strong> welche physiologischen Mechanismen betroffen sind. Für andere, in der<br />
Praxis erfolgreich eingesetzte Methoden (wie zum Beispiel das gezielte Angreifen des HER2-<br />
Onkogens durch den humanisierten monoklonalen Antikörper Herceptin ® ), muss noch der<br />
optimale Gebrauch des Mittels definiert werden. Mögliche Entwicklungen jeder der in Kapitel 6<br />
beschriebenen Methoden werden unten aufgeführt.<br />
Zytokin-Therapie<br />
Bis heute wurde die Zytokin<strong>the</strong>rapie als Supportiv<strong>the</strong>rapie im Rahmen von Chemo<strong>the</strong>rapien<br />
angewandt, oder sie hatte generalisierte Wirkungen auf das Immunsystem, von denen nur<br />
einige wirklich für die Antitumor-Aktivität nötig sind. So konzentrieren sich viele aktuelle<br />
Forschungen darauf, Wege zu entwickeln, wie die Zytokin-Wirkung ausschliesslich auf den<br />
Tumor gelenkt werden könnte.<br />
Der einfachste Weg, die Zytokin-Wirkung auf den Tumor zu richten, ist, Zytokine direkt in den<br />
Tumor zu injizieren. Bei Interleukin-2 (IL-2) hat diese Methode bei einer Reihe von Tumoren eine<br />
Tumorregression <strong>und</strong> eine Verlangsamung des Wachstums bewirkt. Dieser Effekt geschieht dank<br />
der Anhäufung von Makrophagen <strong>und</strong> T-Zellen, obwohl bei Tierversuchen gezeigt wurde, dass<br />
auch nicht-T-Zell-Antworten eine Rolle spielen. Die intratumorale Injektion erzeugt eine Antigenspezifische<br />
Immunität, die auch zu Regressionen von fernen Metastasen führen kann. Eine<br />
weitere Verfeinerung dieser Methode ist der Gebrauch von Liposomen, Mikrosphären <strong>und</strong><br />
Mitteln mit Langzeit-Wirkung, um die <strong>the</strong>rapeutische Wirkung zu verlängern. Es ist auch<br />
möglich, Adenovirus-Vektoren herzustellen, welche Zytokine exprimieren. Diese können dann in<br />
Tumoren injiziert werden, was zu einer lokalen Freisetzung von Zytokinen führt.<br />
Eine andere Methode besteht darin, Tumorzellen genetisch so zu verändern, dass sie Zytokine<br />
wie IL-2, Interferon-α (IFN-α) <strong>und</strong> Kolonie-stimulierende Faktoren, oder auch die Kombinationen<br />
von mehr als einem dieser Wirkstoffe, exprimieren. Die Injektion solcher Zellen in den<br />
ursprünglichen Spender kann zur Tumorregression <strong>und</strong> zu einer systemischen Immunantwort<br />
führen, durch die sich auch andere Tumoren rückbilden können. Dies basiert wahrscheinlich<br />
darauf, dass Zytokin-exprimierende Tumorzellen eine zytotoxische T-Lymphozyten-Antwort<br />
auslösen.<br />
Schliesslich kann ein gezieltes Angreifen des Tumors auch mit der Bildung von Zytokin-Fusions-<br />
Proteinen erreicht werden. Der Fusions-Protein-Partner ist normalerweise ein Antikörper, der auf<br />
einen Marker ausgerichtet ist, welcher spezifisch von einem bestimmten Tumor exprimiert wird.<br />
Diese Methode ist bis jetzt aber erst im Tierversuch getestet worden.<br />
7.6
7<br />
Antikörper-Therapie<br />
Zusammen mit der Zytokin-Therapie sind Antikörper-<strong>Therapien</strong> bis heute die einzigen<br />
biologischen Antikrebs-<strong>Therapien</strong>, die klinisch Erfolg gezeigt haben. Zudem sind die Antikörper-<br />
<strong>Therapien</strong> MabThera ® <strong>und</strong> Herceptin ® die einzigen auf bestimmte Antigene zielenden<br />
<strong>Therapien</strong>, die im Moment klinisch zugelassen sind für die Antikrebs<strong>the</strong>rapie. Aber auch hier<br />
bleibt noch viel zu lernen, sowohl bei der Frage, wie Wirkstoffe für den klinischen Gebrauch<br />
ausgewählt werden, als auch bei der Optimierung der Anwendung solcher nachweislich<br />
klinisch wirksamer Mittel.<br />
Die gezielte Auswahl der <strong>Therapien</strong><br />
Die bereits existierenden Methoden der Antikörper-Produktion, vor allem die der Entwicklung<br />
humanisierter monoklonaler Antikörper, welche vom menschlichen Immunsystem als nicht-fremd<br />
erkannt werden, scheinen eine hohe Affinität für ihr Ziel entwickeln zu können. Dies zeigt sich in<br />
der grossen Zahl humanisierter <strong>und</strong> chimerischer monoklonaler Antikörper-<strong>Therapien</strong>, welche im<br />
Moment für so verschiedene <strong>Krebs</strong>arten wie Leukämien, Lungenkarzinome <strong>und</strong> Melanome<br />
erforscht werden. Eine der grössten Herausforderungen in der Antikörper-Therapie ist<br />
möglicherweise die Identifikation von geeigneten Therapie-Zielen, zum Beispiel die Identifikation<br />
von Molekülen, die spezifisch von allen oder einem Teil der <strong>Krebs</strong>arten exprimiert werden, die<br />
eine wichtige Rolle in der Tumorentwicklung spielen <strong>und</strong> die für Antikörper erreichbar sind.<br />
Diese Ziel-Identifikation hat sich bei vielen Tumorarten als problematisch erwiesen.<br />
Zusammen mit<br />
der Zytokin-<br />
Therapie sind<br />
Antikörper-<br />
<strong>Therapien</strong> bis<br />
heute die<br />
einzigen<br />
biologischen<br />
Antikrebs-<br />
<strong>Therapien</strong>, die<br />
klinisch Erfolg<br />
gezeigt haben.<br />
Ein Beispiel ist die Anwendung von Antikörpern, die auf den IL-2-Rezeptor-α (IL-2Rα) zielen.<br />
Diese Antikörper haben einigen Erfolg gezeigt, indem sie die Funktion von IL-2Rα hemmen <strong>und</strong><br />
indem sie unabhängig von der Anwesenheit von IL-2 in einigen Leukämien eine T-Zellstimulierende<br />
Aktivitäten haben. Einige Leukämien exprimieren aber andere IL-2Rs <strong>und</strong> sprechen<br />
auf andere Zytokine an. Diese werden von den anti-IL-2Rα-Antikörpern nicht wirksam beeinflusst.<br />
Ein Weg, dieses Problem zu umgehen, wäre die Einwirkung auf Rezeptoren oder Elemente der<br />
Signal-Übermittlungswege, welche allen IL-2 gemeinsam sind. Beispiele dafür sind IL-2, IL-15Rβ<br />
<strong>und</strong> Jak3. Jak3 ist Inhalt intensiver Forschung, weil es in der Zytokin-Signalisierung bei<br />
Lymphozyten <strong>und</strong> hämatopoetischen Zellen eine Rolle spielt, nicht aber bei nicht<br />
immunologischen Zellen.<br />
Die Anwendung von Antikörpern um andere <strong>Therapien</strong> zu optimieren<br />
Andere Entwicklungen auf dem Gebiet der Antikörper-Therapie schliessen den Gebrauch von<br />
Antikörpern ein, durch die eine konventionelle Therapie noch gezielter auf Tumoren<br />
ausgerichtet werden kann. Beispiele dafür sind:<br />
● der Gebrauch von Antikörpern, um Lipid-umschlossene Medikamente auf Tumoren zu bringen<br />
● die Transfektion von Zellen mit Genen, welche für Antikörper oder Antikörperfragmente<br />
kodieren, so dass Zellen den Antikörper exprimieren (bekannt als intrabodies). Der<br />
Antikörper wird ins Zellzytoplasma freigesetzt, bindet onkogene Proteine <strong>und</strong> senkt die<br />
Onkogen-Expression. Diese Methode wurde bei HER2 angewandt <strong>und</strong> verursacht den<br />
Zelltod durch Apoptose<br />
● Einzelketten-Antikörper-Fragmente, die an Gene geb<strong>und</strong>en werden, könnten ein Weg sein,<br />
mit der Gen-Therapie genau auf maligne Zellen zu zielen. Diese Methode wurde<br />
angewandt, um das Thymidinkinase-Gen auf Zellen zu richten, die eine Überexpression an<br />
karzino-embryonalem Antigen (CEA) aufweisen. Wenn sie durch Ganciclovir aktiviert wird,<br />
ist Thymidinkinase ein Suizid-Gen, das den Zelltod verursacht.<br />
Andere<br />
Entwicklungen<br />
auf dem Gebiet<br />
der Antikörper-<br />
Therapie<br />
schliessen den<br />
Gebrauch von<br />
Antikörpern ein,<br />
durch die eine<br />
konventionelle<br />
Therapie noch<br />
gezielter auf<br />
Tumoren<br />
ausgerichtet<br />
werden kann.<br />
7.7
7<br />
. . . die<br />
Wirkung von<br />
Immunotoxinen<br />
war kleiner als<br />
erwartet <strong>und</strong> ihre<br />
signifikante<br />
Toxizität erwies<br />
sich als grosses<br />
Problem.<br />
Die Entwicklung von Immunotoxinen<br />
Wie in Kapitel 6 beschrieben, war die Wirkung von Immunotoxinen kleiner als erwartet <strong>und</strong><br />
ihre signifikante Toxizität erwies sich als grosses Problem. Dies führte zu einem Umdenken über<br />
den Gebrauch von Immunotoxinen. Gegenwärtig richtet sich die Forschung auf ihren Gebrauch<br />
bei minimaler Resterkrankung, vor allem als adjuvante Therapie, wo zwei oder drei<br />
Anwendungen mit niedriger Dosierung ausreichend sind. Diese Methode limitiert die Toxizität,<br />
weil hohe Dosen nicht nötig sind, <strong>und</strong> überwindet so die Probleme, die im Zusammenhang mit<br />
der Immunantwort auf Immunotoxine bei Mehrfachanwendungen auftreten. Andere<br />
Möglichkeiten, die Wirksamkeit <strong>und</strong> Verträglichkeit von Immunotoxinen zu verbessern, sind:<br />
● die Antikörpergrösse zu verkleinern, um die Immunogenität zu verringern <strong>und</strong> die<br />
Gewebepenetration zu vergrössern<br />
● die Erforschung verschiedener Toxine, die entweder kleiner als existierende Inhaltsstoffe sind<br />
oder die nicht auf Proteinen basieren <strong>und</strong> so weniger immunogen sind. Beispiele dafür sind<br />
Pilztoxine wie Mitogillin, menschliche „Toxine“ wie der Tumornekrose-Faktor <strong>und</strong> zytolytische<br />
Toxine, die nicht internalisiert werden müssen, weil sie die Zellmembran schädigen<br />
● die Entwicklung neuer Applikations-Methoden, speziell von Zellen, die an Tumoren anbinden<br />
<strong>und</strong> Immunotoxine ausscheiden<br />
● der Gebrauch von Kombinationen von Immunotoxinen mit dem Ziel, heterogene Tumorzell-<br />
Populationen abzutöten, die nach dem Abbau der Tumormasse noch verbleiben<br />
● der Gebrauch von Mitteln, die die Wirkung von Immunotoxinen verstärken<br />
Der rasche<br />
Fortschritt bei der<br />
Entwicklung<br />
biologischer<br />
Wirkstoffe <strong>und</strong><br />
ihre darauf<br />
folgende<br />
Einführung in die<br />
Klinik bringen es<br />
mit sich, dass die<br />
effektivste<br />
Anwendungsweise<br />
noch gar<br />
nicht gef<strong>und</strong>en<br />
wurde <strong>und</strong> dass<br />
die optimalste<br />
Anwendung in<br />
Kombination mit<br />
anderen Mitteln<br />
noch geprüft<br />
werden muss.<br />
● die Anwendung von Immunotoxinen in Kombination mit oder vor der Chemo<strong>the</strong>rapie, um<br />
den Vorteil der Chemo<strong>the</strong>rapie-sensibilisierenden Wirkung auszunützen.<br />
Die meisten dieser Methoden wurden bisher erst am Tiermodell getestet. Die klinische<br />
Entwicklung braucht ein sorgfältiges Vorgehen, um zu verhindern, dass die schweren<br />
Toxizitätsprobleme früherer Anwendungen sich wiederholen.<br />
Die Optimierung der Anwendung vorhandener monoklonaler Antikörper<strong>the</strong>rapien: das Beispiel<br />
Herceptin ®<br />
Von grossem Interesse ist auch das Erkennen des optimalen Gebrauchs eines monoklonalen<br />
Antikörpers in der klinischen Praxis. Der rasche Fortschritt bei der Entwicklung biologischer<br />
Wirkstoffe <strong>und</strong> ihre darauf folgende Einführung in die Klinik bringen es mit sich, dass die<br />
effektivste Anwendungsweise noch gar nicht gef<strong>und</strong>en wurde <strong>und</strong> dass die optimalste<br />
Anwendung in Kombination mit anderen Mitteln noch geprüft werden muss. Dies gilt natürlich<br />
auch für bereits existierende Chemo<strong>the</strong>rapeutika. So ist zum Beispiel der optimale Gebrauch<br />
des Taxans Paclitaxel in der Behandlung von Brustkrebs immer noch kontrovers <strong>und</strong> seine<br />
Anwendung als adjuvante Therapie als Teil der sequentiellen Therapie mit Anthrazyklinen ist<br />
erst in Nordamerika, nicht aber im Rest der Welt etabliert. Von noch grösserem Interesse ist die<br />
beste Anwendungsart biologischer Wirkstoffe, weil diese neuartigen Therapeutika <strong>und</strong> ihr<br />
Potential für die Wegleitung zur Gestaltung zukünftiger <strong>Therapien</strong> wichtig sind. Am Beispiel<br />
Herceptin ® kann gezeigt werden, welche vielfältigen Aspekte zu bedenken sind, wenn der<br />
optimale Gebrauch von biologischen Mitteln untersucht wird.<br />
Der genaue Wirkungsmechanismus von Herceptin ® muss erst noch definiert werden,<br />
unterscheidet sich aber von demjenigen aller andern Antikrebs-Wirkstoffe im klinischen<br />
Gebrauch bei der Behandlung von Brustkrebs, indem er Zellsignalwege <strong>und</strong> Genexpression<br />
7.8
7<br />
beeinflusst. Dies legt den Schluss nahe, dass zytotoxische Wirkstoffe <strong>und</strong> Herceptin ® sehr<br />
wahrscheinlich sich ergänzende Auswirkungen auf <strong>Krebs</strong>zellen haben. Dieses Potential voll<br />
auszuschöpfen könnte bedeuten, dass Kombinationen ohne vorgängige Testversuche<br />
angewandt würden oder dass sie einen anderen Ansatz, entsprechend dem Patienten <strong>und</strong> den<br />
Tumorcharakteristika erfordern könnten.<br />
Einige Hinweise auf das wahrscheinliche Ansprechen von Patienten auf Herceptin ®<br />
Kombinations<strong>the</strong>rapien können aus präklinischen Studien gewonnen werden (Tabelle 7.1).<br />
Obwohl diese Daten bezüglich Wirksamkeit nur beschränkte Aussagen machen können, geben<br />
sie doch Hinweise auf Kombinationen, für welche weitere Untersuchungen sinnreich scheinen.<br />
. . . zytotoxische<br />
Wirkstoffe <strong>und</strong><br />
Herceptin ® haben<br />
sehr<br />
wahrscheinlich<br />
sich ergänzende<br />
Auswirkungen auf<br />
<strong>Krebs</strong>zellen.<br />
Tabelle 7.1. Die Wirkung von Herceptin ® <strong>und</strong> verschiedenen<br />
Chemo<strong>the</strong>rapeutika bei HER2-positiven Brustkrebs-Zell-<br />
Linien.<br />
Kombinationseffekt<br />
Synergie Addition Antagonismus<br />
Vinorelbin Doxorubicin Methotrexat<br />
Docetaxel/Carboplatin Paclitaxel Gemzitabin<br />
Docetaxel Epirubicin 5-Fluorouracil<br />
Etoposid<br />
Vinblastin<br />
Cyclophosphamid<br />
Paclitaxel/Carboplatin<br />
Thiotepa<br />
Cisplatin<br />
Liposomales Doxorubicin<br />
Kürzliche Resultate klinischer Studien von Herceptin ® werden in Tabelle 7.2 gezeigt. Die<br />
Ansprechraten mit Herceptin ® plus Vinorelbin oder wöchentlich Paclitaxel sind höher als<br />
diejenigen mit 3-wöchentlich Paclitaxel oder Anthrazyklin/Cyclophosphamid. Auch werden<br />
andere Kombinationen, wie zum Beispiel mit Hormonen oder anderen Anthrazyklinen als<br />
Doxorubicin <strong>und</strong> Platin-Analoge untersucht.<br />
Eine andere interessante Forschungsfrage bezieht sich auf die Häufigkeit der Anwendung von<br />
Herceptin ® . Seit mehr über die Wirkungsweise von Herceptin ® im Körper bekannt wird, wird<br />
offensichtlich, dass höhere Dosen länger im Körper verbleiben. Dies war Anlass zu einer<br />
Studie, bei der Herceptin ® alle drei Wochen verabreicht wurde (8mg/kg Initialdosis, dann<br />
6mg/kg wöchentlich). Man konnte nachweisen, dass diese Verabreichungsart gut toleriert<br />
wurde <strong>und</strong> dass die Serum-Konzentrationen von Herceptin ® mit denjenigen früherer Herceptin ® -<br />
Studien vergleichbar waren.<br />
Die optimale Zeiteinteilung für die Verabreichung von Herceptin ® , ob bei der adjuvanten<br />
Behandlung oder bei metastasierender Erkrankung, ist ebenfalls Gegenstand von weiteren<br />
Untersuchungen. Wie bei den meisten neuen <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien wurde bis jetzt bei den Herceptin ® -<br />
Studien vor allem Beachtung auf die Behandlung von metastasierenden Erkrankungen gelegt.<br />
Die HER2-Anomalien entwickeln sich aber früh in der Brustkrebsentstehung <strong>und</strong> ganz sicher<br />
7.9
7<br />
Tabelle 7.2. Die Wirksamkeit von Herceptin ® als<br />
Mono<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> in verschiedenen Kombinationen bei<br />
HER2-positiven Patientinnen.<br />
Herceptin ® -Behandlung (%) Anzahl Ansprechrate (%)<br />
Erstlinien<strong>the</strong>rapie Herceptin ® + 3-wöchentlich<br />
Paclitaxel* 92 49<br />
Herceptin ® + wöchentlich Paclitaxel 95 80,5<br />
Herceptin ® + Vinorelbin* 30 80<br />
Herceptin ® + Capecitabin 18 47<br />
Zweit/Drittlinien<strong>the</strong>rapie Herceptin ® als<br />
Mono<strong>the</strong>rapie* 172 18<br />
Erstlinien<strong>the</strong>rapie Herceptin ® als Mono<strong>the</strong>rapie* 87 35<br />
*Daten für stark HER2-positive Patientinnen.<br />
Da HER2-positive<br />
Patientinnen unter<br />
einer aggressiven<br />
Erkrankung leiden<br />
<strong>und</strong> in allen<br />
Stadien eine<br />
schlechte<br />
Prognose haben,<br />
wäre es logisch,<br />
diese Tumoren<br />
schon in einem<br />
frühen Stadium<br />
mit einer auf sie<br />
zugeschnittenen<br />
Therapie zu<br />
behandeln.<br />
lange bevor die Krankheit invasiv wird. Da HER2-positive Patientinnen unter einer aggressiven<br />
Erkrankung leiden <strong>und</strong> in allen Stadien eine schlechte Prognose haben, wäre es logisch, diese<br />
Tumoren schon in einem frühen Stadium mit einer auf sie zugeschnittenen Therapie zu<br />
behandeln. So gibt es nun seit kurzem Studien, die die Wirksamkeit <strong>und</strong> Sicherheit von<br />
Herceptin ® als adjuvante Therapie für primären Brustkrebs untersuchen (die HERA-Studie in<br />
Europa <strong>und</strong> die NSABP <strong>und</strong> Intergroup Studien in Nordamerika).<br />
Schliesslich ist es auch wichtig, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass auch andere<br />
<strong>Krebs</strong>arten als das Mammakarzinom HER2-positiv sein können, wie zum Beispiel Blasen-,<br />
Pankreas- <strong>und</strong> Magenkrebs. Das bedeutet, dass Herceptin ® auch bei diesen Tumorarten<br />
wirksam sein könnte.<br />
Die oben angeführten Studien zeigen das Ausmass der immer weiter gehenden Forschung, die<br />
nötig ist, um das volle Potential eines biologischen Wirkstoffes auszuschöpfen. So liegt in der<br />
Kombination mit anderen Mitteln ein grosses Potential, die Resultate zu verbessern <strong>und</strong> die<br />
Verträglichkeit zu steigern. Auch eine Erweiterung des Anwendungsgebietes ist gut möglich.<br />
Wenn ein biologischer Wirkstoff sich klinisch als wirksamer <strong>und</strong> verträglicher erweist als die<br />
Standard<strong>the</strong>rapie, ist es sinnvoll, diesen so schnell <strong>und</strong> sicher wie möglich in die Praxis<br />
einzuführen, gleichzeitig aber die Forschung weiter zu betreiben, um eine möglichst breite<br />
Anwendung zu ermöglichen.<br />
<strong>Krebs</strong>impfungen<br />
Man stellt sich die Zukunft der Methode mit <strong>Krebs</strong>impfungen folgendermassen vor:<br />
● Erforschung der Wirkung bei gleichzeitiger Anwendung von Chemo<strong>the</strong>rapie, Zytokinen oder<br />
anderen Mitteln mit der Impfung.<br />
● Gleichzeitige Verabreichung dendritischer Zellen mit Tumor-Lysat-Impfungen. Diese Methode<br />
hat Antitumor-Aktivität bei Patienten mit Melanomen gezeigt.<br />
7.10
7<br />
● Entwicklung von Virus-Vakzinen. Dazu werden Viren wie die Poxviren, die schon gut<br />
erforscht worden sind für die Impfungen gegen andere Krankheiten, verwendet. Die<br />
Begründung, Virus-Vakzine zu verwenden, ist die, dass Antigene, welche keine<br />
Immunantwort stimulieren, wenn sie alleine verabreicht werden, dies tun, wenn sie von Viren<br />
exprimiert werden. Ein Beispiel dafür ist das karzinoembryonale Antigen, das alleine<br />
verabreicht keine Immunantwort stimuliert, aber eine starke Immunantwort hervorruft, wenn<br />
es mit dem Vaccinia-Virus zusammen verabreicht wird. Andere mögliche Entwicklungen<br />
beziehen sich auf Veränderungen von Antigenen, um sie vor der Expression in Viren <strong>und</strong><br />
multiplen Antigenen immunogener zu machen.<br />
● Anwendung von Adenoviren als Vektor (siehe Kapitel 6), um Antigen-präsentierende Zellen,<br />
wie dendritische Zellen oder Tumorzellen, genetisch zu verändern (Abbildung 7.1).<br />
Adenoviren transferieren Gene wirksamer in dendritische oder Tumorzellen als andere<br />
Transfer-Methoden. Die Expression des transferierten Gens durch die dendritischen Zellen<br />
führt in diesem Fall zur Tumorantigen-Produktion <strong>und</strong> so zu einer kontinuierlichen Versorgung<br />
mit Antigenen für T-Zellen. Im Fall von Tumorzellen könnte der in-vivo oder in-vitro<br />
Gentransfer Zytokin-Gene miteinbeziehen, die die Immunogenität des Tumors erhöhen. Diese<br />
beiden Methoden sind bis jetzt experimentell <strong>und</strong> erst am Tiermodell erforscht worden.<br />
A)<br />
1. Klonen der<br />
Zytokin-Gene<br />
APC<br />
Zytokin-Gen<br />
4. Zytotoxische<br />
T-Zellen<br />
lysieren<br />
Tumor<br />
T-Zelle<br />
Adenovirus<br />
2. Infektion von Tumorzellen mit<br />
adenoviralem Vektor, der für<br />
Zytokine kodiert<br />
Tumorzelle<br />
3. Modifizierte Tumorzellen<br />
stimulieren T-Zellen<br />
B)<br />
2. Infizieren von APCs Adenovirus<br />
mit adenoviralem Vektor,<br />
der für TAA kodiert<br />
APC<br />
3. Modifizierte APCs<br />
stimulieren T-Zellen<br />
T-Zelle<br />
TAA-Gen<br />
1. Klonen des<br />
TAA-Gen<br />
Tumorzelle<br />
4. Zytotoxische Zellen lysieren<br />
Tumor<br />
Abbildung 7.1. Genetische Veränderung von Tumorzellen mittels Adenoviren. A) Gentransfer direkt in<br />
eine Tumorzelle; B) Gentransfer in Antigen-präsentierende Zellen (APCs), was zur T-Zell-Stimulation<br />
<strong>und</strong> Tumor-Lyse führt. Reproduktion mit der Erlaubnis von Principles and Practice of <strong>the</strong> Biological<br />
Therapy of Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />
Gen-Therapie<br />
Wie schon erwähnt, haben die meisten klinischen Therapieversuche bis anhin wenig<br />
Wirksamkeit beim Gentransfer <strong>und</strong>/oder nur kurze Dauer der Expression gezeigt. Diese Hürde<br />
muss überw<strong>und</strong>en werden, <strong>und</strong> dies kann nur durch weitere Gr<strong>und</strong>lagenforschung an der<br />
Verbesserung von Vektorsystemen geschehen. Weiter müssen auch die Verabreichungs-<br />
Methoden untersucht werden, um solide Organe wirksam zu erreichen <strong>und</strong> sicher zu stellen,<br />
7.11
7<br />
dass die angezielten Zellen exponiert sind. Es ist unwahrscheinlich, dass eine einzige<br />
Verabreichungstechnik bei allen Tumoren wirksam sein wird, aber bei einigen sind Fortschritte<br />
erkennbar.<br />
Andere Entwicklungen werden sich auf verschiedene mögliche Ziele für die Genmanipulation<br />
beziehen. Zellarten, die momentan als mögliche Ziele für Genmanipulation untersucht werden,<br />
sind:<br />
● Lymphozyten, die für eine adoptive Immuno<strong>the</strong>rapie gebraucht werden könnten, zum<br />
Beispiel indem man Patienten Immunität zuführt, statt die aktive Immunität zu stimulieren. Das<br />
Ziel des Gentransfers ist die Wirkungssteigerung von adoptiver Immunität oder die<br />
Verbesserung der Sicherheit. Beispiele von Genen, die transferiert werden können, sind<br />
solche, die für T-Zell-Rezeptoren kodieren, um die T-Zell-Spezifität <strong>und</strong> die Suizidgene so zu<br />
verändern, dass die Toxizität in einem bestimmten Behandlungsstadium reduziert wird.<br />
● Stammzellen, deren Modifikation einen potentiellen Langzeiteffekt auf den Krankheitsprozess<br />
bei <strong>Krebs</strong>patienten haben könnte. Beispiele für eine potenziell sinnreiche Modifikation sind<br />
der Transfer von Chemo<strong>the</strong>rapie-resistenten Genen <strong>und</strong> Gen-Ersatz bei Störungen wegen<br />
Fehlens eines einzelnen Gens.<br />
. . . p53 <strong>und</strong><br />
Faktoren in den<br />
von p53<br />
vermittelten<br />
Signalwegen<br />
könnten zu guten<br />
Angriffspunkten in<br />
der Entwicklung<br />
von Wirkstoffen<br />
gegen <strong>Krebs</strong><br />
werden.<br />
Gen-Therapie mit p53<br />
Wegen seiner wichtigen Rolle von p53 in Zellzyklus-Checkpoints <strong>und</strong> der Apoptose <strong>und</strong> wegen<br />
der Häufigkeit von p53-Mutationen bei menschlichen <strong>Krebs</strong>erkrankungen wurde p53 als<br />
potentielles Ziel von Antikrebs<strong>the</strong>rapien ausgewählt. So könnten p53 <strong>und</strong> Faktoren in den von<br />
p53 vermittelten Signalwegen zu guten Angriffspunkten in der Entwicklung von Wirkstoffen<br />
gegen <strong>Krebs</strong> werden. Ein Weg könnte das Untersuchen der Mechanismen sein, die in die<br />
normale Regulation der p53-Bildung involviert sind. Man kann sich vorstellen, dass die<br />
Wiederherstellung von spezifischer DNA-Bindung durch p53 zur Aktivierung des „wild-type“-<br />
p53-Gens führt <strong>und</strong> dabei die Zell-Proliferation <strong>und</strong> Apoptose-Induktion bewirkt. Derzeit wird in<br />
präklinischen Studien das <strong>the</strong>rapeutische Potential von Viren-gesteuerter Antitumor-Gen<strong>the</strong>rapie<br />
mit p53 untersucht. Diese Studien zeigen, dass ein Gen-Ersatz von p53 ein neuer Ansatz in der<br />
Therapie von <strong>Krebs</strong>, zum Beispiel beim anaplastischen Wilms-Tumor sein könnte.<br />
Zell-basierte Therapie<br />
Wie schon in Kapitel 6 aufgeführt, überschneiden sich Zell-basierte <strong>Therapien</strong>, <strong>Krebs</strong>impfungen<br />
<strong>und</strong> Gen-Therapie in vielen Aspekten. So sind die Zukunftsaussichten ähnlich wie die früher<br />
beschriebenen Behandlungsformen. Spezifische Entwicklungen werden sich vermutlich auf<br />
dendritische Zellen konzentrieren, speziell auf Techniken, die eine Tumor-Antigen-Ladung dieser<br />
Zellen erreichen, so dass starke T-Zell-Antworten stimuliert werden. Dies beinhaltet auch die<br />
genetische Modifikation von Immunzellen, um immunokompetente Effektorzellen zu<br />
produzieren.<br />
Angiogenese ist<br />
die Bildung neuer<br />
Blutgefässe.<br />
Neue Methoden, die auf die Tumor-Angiogenese ausgerichtet<br />
sind<br />
Angiogenese ist die Bildung neuer Blutgefässe. Dieser Prozess wird reguliert durch eine Familie<br />
von vaskulären endo<strong>the</strong>lialen Wachstumsfaktoren (auf englisch vascular endo<strong>the</strong>lial growth<br />
factor, VEGF) <strong>und</strong> Rezeptoren, welche vermutlich auch in der Lymphangiogenese (Bildung neuer<br />
7.12
7<br />
Lymphbahnen) <strong>und</strong> bei der Bildung von Angiopoetinen eine Rolle spielen. Die Angiogenese geschieht<br />
primär während der embryonalen Entwicklung, aber auch unter streng kontrollierten physiologischen<br />
Bedingungen, wie bei der W<strong>und</strong>heilung <strong>und</strong> während des Menstruationszyklus. Die Kontrolle der<br />
Angiogenese ist ein komplexer Ablauf, <strong>und</strong> während der W<strong>und</strong>heilung basiert sie auf der Kurzzeit-<br />
Expression angiogener Inhibitoren <strong>und</strong> Stimulatoren wie den VEGFs.<br />
Eine Disregulation der Angiogenese kann bei verschiedenen Krankheiten beobachtet werden, <strong>und</strong><br />
eine der wichtigsten davon ist <strong>Krebs</strong>. Die Angiogenese ist essentiell für das Tumorwachstum. Ohne sie<br />
können Tumoren nicht grösser als ungefähr 2mm werden. Bei dieser Grösse gleicht der Zelltod die<br />
aggressive Zell-Proliferation, die für Tumoren charakteristisch ist, aus. Solide Tumoren, die grösser als<br />
ungefähr 2mm sind, finden Wege, invasiv ins umliegende Gewebe einzudringen <strong>und</strong> das Wachstum<br />
von Blutgefässen zu stimulieren, womit sie die Ernährung des Tumors gewährleisten. Dies wird durch<br />
eine Reihe von Mechanismen erreicht, die die Expression von Metalloproteasen mit einschliesst,<br />
welche die Gewebsinvasion ermöglichen, <strong>und</strong> auch mittels angiogener Faktoren, die vaskuläre<br />
endo<strong>the</strong>liale Zellen aktivieren <strong>und</strong> stimulieren (Abbildung 7.2). Die Angiogenese erlaubt aber nicht<br />
nur das Tumorwachstum über 2mm, sondern potenziert auch die Metastasierung, weil Tumorzellen so<br />
überhaupt in die Blutbahn gelangen können.<br />
Die bekannte wichtige Rolle, welche die Angiogenese in der Tumorentwicklung spielt, zusammen mit<br />
der Erkennung verschiedener Faktoren, die bei der Stimulation dieses Prozesses wichtig sind, macht<br />
sie zu einem attraktiven Ziel für die Tumor<strong>the</strong>rapie. Anti-angiogenetische Wirkstoffe können unter<br />
Umständen dauerhaftere Antworten produzieren, weil sie die Blutzufuhr für Tumoren hemmen<br />
(Abbildung 7.3).<br />
Matrix<br />
Tumorzellen<br />
Angiogene<br />
Faktoren<br />
Feedback stimuliert<br />
Tumorwachstum<br />
Produktion von<br />
Metalloprotease<br />
Vaskuläre endo<strong>the</strong>liale<br />
Zellen<br />
Abbau der Matrix<br />
Tumor-Vaskularisation<br />
<strong>und</strong> invasives Wachstum<br />
Metastasierung<br />
Abbildung 7.2. Schematische Darstellung der Abläufe, welche zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong><br />
Metastasierung führen. Tumorzellen setzen angiogene Faktoren frei, welche vaskuläre endo<strong>the</strong>liale<br />
Zellen stimulieren, <strong>und</strong> Metalloproteasen, welche umgebendes Gewebe abbauen, was zu Tumor-<br />
Vaskularisation, invasivem Wachstum <strong>und</strong> Metastasierung führt.<br />
7.13
7<br />
Nur Chemo<strong>the</strong>rapie<br />
Tumorwachstum<br />
Chemo<strong>the</strong>rapie +<br />
anti-angiogenetischer<br />
Wirkstoff<br />
Zeit<br />
Abbildung 7.3. Illustration, welche den möglichen Effekt anti-angiogenetischer Mittel auf die Dauer<br />
des Ansprechens auf die Therapie zeigt.<br />
Es wurde bereits eine ganze Anzahl von Stoffen erforscht, die für die Hemmung der Tumor-<br />
Angiogenese in Frage kommen, <strong>und</strong> viele davon sind biologische Wirkstoffe.<br />
● Marimastat. Ein lösliches hydroxamisches Säure-Derivat, das auf der Struktur von Kollagen<br />
basiert, dem natürlichen Substrat für Matrix-Metalloproteasen. Marimastat ist der einzige<br />
Matrix-Metalloprotease-Hemmstoff, der schon in Phase III Studien untersucht wurde. Die<br />
Resultate waren unterschiedlich, indem eine Studie bei der Behandlung von Patienten mit<br />
Pankreaskarzinom mit Gemzitabin die gleich guten Resultate erzielte, während eine zweite<br />
im Vergleich mit Placebo einen Überlebensvorteil bei Magenkrebs zeigte. Eine dritte Studie<br />
zeigte keinen Vorteil. Die Nebenwirkungen waren vor allem Fatigue <strong>und</strong> eine reversible<br />
Polyarthritis.<br />
● BAY12-9566. Dieser strukturell ausgeprägte Matrix-Metalloprotease-Hemmer ist ein Analog<br />
von Butan-Säure <strong>und</strong> wirkt selektiver als Marimastat, indem er nur die Matrix-<br />
Metalloproteasen 2 <strong>und</strong> 9 hemmt. Aber er schien die Überlebenszeit bei kleinzelligem<br />
Lungenkarzinom zu reduzieren, worauf die weitere Entwicklung gestoppt wurde.<br />
● Anti-VEGF monoklonale Antikörper. rhuMab VEGF ist ein rekombinanter humanisierter<br />
monoklonaler Antikörper, der entwickelt wurde, um den wichtigsten Wachstumsfaktor<br />
(VEGF), der an der Angiogenese beteiligt ist, gezielt anzugreifen. Er erwies sich bis jetzt als<br />
gut verträglich, ähnlich wie andere Antikörper<strong>the</strong>rapien (z.B. Herceptin ® ) <strong>und</strong> erreichte ein<br />
Ansprechen bei <strong>Krebs</strong>patienten.<br />
● Vitaxin. Ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der auf ein Protein gerichtet ist, das für<br />
eine starke Neovaskulatur exprimiert. Vitaxin hat in frühen klinischen Versuchen Antitumor-<br />
Aktivität gezeigt.<br />
● Wachstumsregulierende Protein-Fragmente (Growth regulatory protein fragments). Endostatin<br />
<strong>und</strong> Angiostatin werden durch proteolytische Prozesse im Kollagen <strong>und</strong> Plasminogen<br />
hergestellt. Diese Moleküle sind spezifische <strong>und</strong> potente Hemmer der endo<strong>the</strong>lialen Zell-<br />
Proliferation (Abbildung 7.4).<br />
● IM862. Ein L-Glutamyl-L-Triptophan Dipeptid, welches aus dem Thymus isoliert wird. IM862<br />
hemmt die Angiogenese <strong>und</strong> hat in-vitro immunmodulatorische Eigenschaften. Dieser<br />
Wirkstoff hat bemerkenswerte Aktivität bei Kaposi-Sarkomen gezeigt <strong>und</strong> wird zurzeit auch<br />
bei andern <strong>Krebs</strong>arten untersucht.<br />
7.14
7<br />
Kochsalzlösung<br />
600<br />
Tumorvolumen (mm 3 )<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
Angiostatin<br />
–19 0 4 8 12 16 20 24 28<br />
Behandlungsbeginn<br />
Behandlungstag<br />
Abbildung 7.4. Die Wirkung von Angiostatin auf das Wachstum von Prostatakrebs-Xenografts bei<br />
Mäusen. Bei Mäusen, welche mit Placebos (gestrichelte Linie) behandelt wurden (Kochsalz), wuchsen<br />
die Tumoren schnell, während Angiostatin das Tumorwachstum verlangsamte <strong>und</strong> eine<br />
Tumorregression induzierte. Reproduktion mit der Erlaubnis von Principles and Practice of <strong>the</strong><br />
Biological Therapy of Cancer. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2000.<br />
● Interferon-α. Dieses Zytokin wird schon vielseitig eingesetzt in der <strong>Krebs</strong>behandlung, aber es<br />
ist der erste anti-angiogenetische Wirkstoff, der bei der Behandlung von Hämangiomen <strong>und</strong><br />
fortgeschrittenen Riesenzell-Knochentumoren Aktivität gezeigt hat.<br />
Diese Liste einiger ausgewählter biologischer anti-angiogenetischer Wirkstoffe, die momentan<br />
untersucht werden, zeigt, dass die Erforschung potentieller Anwendungsmöglichkeiten in der<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapie erst in den Anfängen steckt. Zudem wird ersichtlich, dass ein gleiches<br />
Problem mit verschiedenen Methoden angegangen werden kann <strong>und</strong> dass es möglich ist, in<br />
verschiedene Phasen eines komplexen Prozesses einzugreifen.<br />
7.15
7<br />
Zusammenfassung: Auswirkungen für Patienten mit <strong>Krebs</strong><br />
. . . biologische<br />
Methoden in der<br />
<strong>Krebs</strong>behandlung<br />
haben das<br />
Potential,<br />
onkologische<br />
Fachleute mit<br />
einem Reichtum<br />
neuer<br />
<strong>the</strong>rapeutischer<br />
Errungenschaften<br />
auszurüsten.<br />
<strong>Biologische</strong><br />
<strong>Therapien</strong> werden<br />
eine wichtige Rolle<br />
spielen in der<br />
Individualisierung<br />
der <strong>Therapien</strong>,<br />
weil viele dieser<br />
Wirkstoffe für eine<br />
spezifische<br />
Anomalie<br />
massgeschneidert<br />
sind.<br />
Es ist klar ersichtlich, dass biologische Methoden in der <strong>Krebs</strong>behandlung das Potential haben,<br />
onkologische Fachleute mit einem Reichtum neuer <strong>the</strong>rapeutischer Errungenschaften<br />
auszurüsten. Die Erfahrungen mit den relativ wenigen biologischen Wirkstoffen, die für den<br />
klinischen Gebrauch zugelassen sind, weisen darauf hin, dass diese neuen Mittel sehr<br />
wahrscheinlich viele Vorteile <strong>und</strong> eine grosse Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten<br />
bringen werden. Nach unserem Verständnis der komplexen biologischen Abläufe der<br />
Entstehung, Erhaltung <strong>und</strong> Metastasierung von <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> im Erforschen der Funktion unseres<br />
Immunsystems sind rasche Fortschritte zu verzeichnen, wodurch viele der bereits bestehenden<br />
Strategien noch zu verfeinern <strong>und</strong> neue biologische Strategien zu erwarten sind.<br />
Die Aufmerksamkeit gilt den biologischen <strong>Therapien</strong> als fortschrittlichem Weg in der<br />
<strong>Krebs</strong>behandlung, <strong>und</strong> dies wird Auswirkungen haben auf die zukünftige Behandlung von<br />
<strong>Krebs</strong>patienten. Wie die Diskussionen um die Anwendung von Micro-Arrays für Gen-Profile <strong>und</strong><br />
Proteomics aufzeigen, werden Tumoren vermehrt auf der molekularen Ebene charakterisiert<br />
werden. Wenn die Wirkungen von noch mehr Genen <strong>und</strong> Proteinen auf das Verhalten von<br />
<strong>Krebs</strong> bekannt sein werden, wird die Tumor-Charakterisierung ein wichtiges Werkzeug zur<br />
Auswahl der besten Therapie für alle <strong>Krebs</strong>patienten sein. Sie wird Informationen über Wirkung<br />
oder Resistenz oder über den Vorteil gewisser Kombinationen geben. <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong><br />
werden eine wichtige Rolle spielen in der Individualisierung der <strong>Therapien</strong>, weil viele dieser<br />
Wirkstoffe für eine spezifische Anomalie massgeschneidert sind.<br />
Diese Veränderung im <strong>Krebs</strong>management wird die onkologische Praxis beeinflussen, speziell<br />
auch in Bezug auf die Informationen, welche die Patienten dann benötigen werden. Eine Folge<br />
der Tumor-Charakterisierung wird sein, dass zwei Patienten mit klinisch ähnlichen Tumoren<br />
verschiedene <strong>Therapien</strong> erhalten. Die Gründe dafür müssen den Patienten erklärt werden. Viele<br />
Pflegefachfrauen sammeln heute schon die ersten Erfahrungen dafür in der Behandlung von<br />
Frauen mit metastasierendem Mammakarzinom, welche Herceptin ® erhalten. Andere<br />
Veränderungen werden im Bereich der Nebenwirkungen zu finden sein, welche meist leichter<br />
<strong>und</strong> schneller vorübergehend sein werden als diejenigen der traditionellen Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />
Auch die Therapiedauer wird anders sein, vermutlich werden viele biologische Wirkstoffe, vor<br />
allem Antikörper, Zytokine <strong>und</strong> Zell-<strong>Therapien</strong> für längere Zeit bei positiv ansprechenden<br />
Patienten angewandt werden, um eine fortdauernde Tumor-Suppression zu gewährleisten. Dies<br />
verlangt ein Umdenken <strong>und</strong> schliesslich wird das Heilen weniger im Vordergr<strong>und</strong> stehen als die<br />
Vorbeugung der Tumorprogression.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die momentanen Fortschritte in der Technologie,<br />
Tumor-Charakterisierung <strong>und</strong> biologischen Therapie die folgenden Auswirkungen haben<br />
werden:<br />
● Die Anwendung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong>, speziell mit biologischen Wirkstoffen, wird<br />
üblicher werden.<br />
● Die Wirksamkeit der Behandlungen wird erhöht, weil Zell-Signalwege, welche für die<br />
Erhaltung der Tumore wichtig sind, entweder selektiv blockiert oder auch wenn nötig<br />
aktiviert werden können.<br />
● Die Toxizität, die heute bei der <strong>Krebs</strong>behandlung oft gross ist, wird reduziert, weil<br />
<strong>Krebs</strong>zellen selektiv behandelt werden können.<br />
7.16
7<br />
● Die Therapie wird individualisiert, je nach Tumor-Charakterisierung, so dass der Patient eine<br />
massgeschneiderte Behandlung mit dem für ihn bestmöglichen Resultat bekommen kann.<br />
● Onkologiepflegende werden eine wichtige Aufgabe in der Information von Patienten mit<br />
<strong>Krebs</strong> haben in Bezug auf:<br />
– die Auswirkungen zellulärer Faktoren auf die Prognose <strong>und</strong> das Tumorverhalten<br />
– Diagnose, Tumor-Charakterisierung <strong>und</strong> individuelle Behandlung<br />
– die zu erwartenden Auswirkungen der neuen massgeschneiderten biologischen<br />
<strong>Therapien</strong>, mit allen Vorteilen <strong>und</strong> Nebenwirkungen.<br />
7.17
7<br />
Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
1. Es ist bekannt, dass Tumoren durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen entstehen.<br />
Beschreiben Sie, welche Methoden angewandt werden könnten, um Kombinationen<br />
verschiedener genetischer Veränderungen in einem Tumor zu erkennen.<br />
2. Beschreiben Sie die praktischen klinischen Auswirkungen von Gen-Expressions-Profilen.<br />
3. Fügen Sie die am meisten zutreffende Aussage in die unten folgenden Sätze ein.<br />
Zell-Signalwege <strong>und</strong> Signal-Transduktion<br />
das Studium der Gen-Expression<br />
Tausende von Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip<br />
Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-Netzwerken<br />
Strategien für die Zubereitung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong><br />
a) Proteomics ist das Studium von ……………………..…………<br />
b) Die Protein-Expression in individuellen Zellen kann studiert werden, indem man ein Chip-<br />
System benützt, das im Wesentlichen ……………………………………… aufweist.<br />
c) Der Vergleich von Protein-Expressionen zwischen Gewebsproben eines individuellen<br />
Patienten kann angewandt werden in der Entwicklung von ………………………..………<br />
d) Proteomics kann auf verschiedene Arten angewandt werden, zum Beispiel in Studien<br />
von ……………………..…………<br />
e) Die Beziehungen zwischen Protein-Interaktionen <strong>und</strong> ihre Komplexität bedeuten, dass<br />
Proteomics wahrscheinlich mehr Wissen über die Zellfunktion hervorbringen wird,<br />
als ……………………..…………<br />
4. Einige Fortschritte basieren auf der Weiterentwicklung existierender Methoden. Schlagen<br />
Sie je einen möglichen Weg vor, wie Zytokin-<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> Antikörper-<strong>Therapien</strong> verbessert<br />
werden könnten.<br />
7.18
7<br />
5. Die Angiogenese – die Bildung neuer Blutgefässe – ist entscheidend für das Tumor-<br />
Wachstum. Fügen Sie die jeweils passende Bezeichnung in das unten stehende Diagramm<br />
ein, welches die Schlüsselereignisse beschreibt, die zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong> zur<br />
Metastasierung führen.<br />
Angiogenese-Faktoren<br />
Metastase<br />
Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />
Proliferation <strong>und</strong> Invasion<br />
6. Erläutern Sie kurz die möglichen Auswirkungen, die biologische <strong>Therapien</strong> auf die Pflege<br />
<strong>und</strong> Betreuung der Patienten aus der Sicht einer Onkologie-Pflegenden haben könnten.<br />
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie auf Seite 8.14.<br />
7.19
Anhang<br />
8<br />
Antworten auf die Fragen zur Selbsteinschätzung<br />
Kapitel 1. <strong>Krebs</strong>: die Geschichte bis heute<br />
1. <strong>Krebs</strong> stellt ein globales Ges<strong>und</strong>heitsproblem dar, aber es gibt Unterschiede zwischen den<br />
verschiedenen Ländern bezüglich Häufigkeit, <strong>Krebs</strong>art <strong>und</strong> Mortalität. Welche Einflüsse sind<br />
für diese Unterschiede verantwortlich?<br />
Verschiedenheiten bezüglich Inzidenz <strong>und</strong> Art der <strong>Krebs</strong>krankheiten reflektieren<br />
Unterschiede in Umweltfaktoren, wie Ernährung <strong>und</strong> Tabakkonsum, welche die<br />
<strong>Krebs</strong>entwicklung beeinflussen, <strong>und</strong> möglicherweise auch genetische Unterschiede zwischen<br />
den Populationen. Auch die Früherkennung <strong>und</strong> Screening-Massnahmen mit folgerichtigen<br />
<strong>the</strong>rapeutischen Interventionen können die <strong>Krebs</strong>mortalität beeinflussen. Allerdings haben<br />
die Gesamtüberlebensraten sich nicht verändert – die Überlebenszeit eines <strong>Krebs</strong>patienten<br />
kann länger werden, aber die Todesursache wird im Allgemeinen weiterhin <strong>Krebs</strong> sein.<br />
2. <strong>Krebs</strong>prävention kann unterteilt werden in primäre, sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> tertiäre Prävention.<br />
Geben Sie bitte vier Beispiele für die primäre Prävention, drei für die sek<strong>und</strong>äre <strong>und</strong> zwei<br />
für die tertiäre.<br />
Massnahmen der primären Prävention basieren auf den verursachenden Wirkstoffen<br />
(Karzinogenen), welche in der Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung von <strong>Krebs</strong> (Karzinogenese) eine<br />
Rolle spielen. Dies sind in erster Linie Umwelt- <strong>und</strong> Lebensstil-Faktoren. Präventive<br />
Massnahmen sind:<br />
● Nichtrauchen<br />
● übermässige Sonnenexposition vermeiden<br />
● mässiger Alkoholgenuss<br />
● ges<strong>und</strong>e Ernährung<br />
● regelmässige Bewegung <strong>und</strong> Vermeiden von Gewichtszunahme<br />
● Vermeiden von bekannten Karzinogenen, wo dies möglich ist <strong>und</strong> Ergreifen aller nötigen<br />
Sicherheitsmassnahmen, wo dies nicht möglich ist.<br />
Sek<strong>und</strong>äre Prävention bedeutet die frühe Entdeckung, um damit die Wirksamkeit der<br />
Behandlung zu maximieren. Folgende Massnahmen sind dafür zu empfehlen:<br />
● Aufklärungskampagnen, damit das Bewusstsein in der Bevölkerung wächst. Dazu<br />
gehören die Anleitung zur Selbstuntersuchung <strong>und</strong> die Information, bei welchen<br />
Symptomen der Arzt frühzeitig aufgesucht werden muss.<br />
● <strong>Krebs</strong>-Vorsorge <strong>und</strong> Screening:<br />
– Zervix-Abstrich<br />
– Sigmoidoskopie<br />
– Stuhluntersuchungen auf unsichtbares Blut<br />
– Digitale Rektaluntersuchung<br />
– Mammographie.<br />
8.1
8<br />
● Tests auf biochemische Tumormarker (z.B. CA125-Bestimmung im Blut bei Ovarialkrebs)<br />
oder auf mögliche prädisponierende genetische Faktoren (z.B. BRCA1- <strong>und</strong> BRCA2-Gen<br />
bei Brustkrebs) bei Hochrisiko-Personen.<br />
Tertiäre Prävention basiert auf chirurgischen oder medikamentösen Massnahmen, welche bei<br />
Personen mit hohem <strong>Krebs</strong>risiko in Erwägung gezogen werden. Solche Massnahmen sind<br />
zum Beispiel:<br />
● prophylaktische chirurgische Eingriffe (z.B. Mastektomie bei Frauen mit hohem Risiko<br />
wegen familiärem Mammakarzinom)<br />
● Chemoprävention (d.h. Verabreichung von Chemo<strong>the</strong>rapie an Hochrisiko-Personen).<br />
Diese Methode ist zurzeit Gegenstand der Forschung. Allfälliger Nutzen <strong>und</strong> Schaden<br />
müssen sorgsam gegeneinander abgewogen werden.<br />
3. Therapeutische Möglichkeiten sind stark abhängig vom Tumorstadium. Zählen Sie bitte drei<br />
Hauptgründe für chirurgische Behandlungen auf <strong>und</strong> erklären Sie diese.<br />
● Prävention – die Entfernung einer Geschwulst, welche zwar nicht maligne ist, von der<br />
aber bekannt ist, dass sie sich zu einem malignen Tumor entwickeln kann.<br />
● Diagnostik – Entnahme von Gewebsproben für die Laboruntersuchung zur Bestätigung<br />
der Diagnose <strong>und</strong> zur Identifikation des <strong>Krebs</strong>es.<br />
● Staging – zur Feststellung der Ausbreitung der Krankheit.<br />
● Kurativ – die Entfernung des Tumors, wenn er lokalisiert ist, in der Hoffnung auf<br />
vollständige Entfernung des krebsartigen Gewebes.<br />
● Palliativ – die Behandlung der Komplikationen bei der fortgeschrittenen Erkrankung wie<br />
Schmerz, <strong>und</strong> Verbesserung der Lebensqualität.<br />
● Supportiv – um die Behandlung zu unterstützen, zum Beispiel mit einem Gefässzugang,<br />
um die Verabreichung von Chemo<strong>the</strong>rapie zu erleichtern.<br />
● Wiederherstellung – um das Erscheinungsbild einer Person oder die Funktion eines<br />
Körperteils oder Organs zu verbessern.<br />
4. Andere Therapiemöglichkeiten sind Radio<strong>the</strong>rapie, Hormon<strong>the</strong>rapie <strong>und</strong> Chemo<strong>the</strong>rapie.<br />
Erklären Sie kurz das Hauptziel dieser drei Therapiearten <strong>und</strong> ihre wichtigsten<br />
Nebenwirkungen.<br />
● Radio<strong>the</strong>rapie benützt Hochenergie-Partikel oder Strahlen wie Röntgen- oder<br />
Gammastrahlen, um <strong>Krebs</strong>zellen zu schädigen oder zu zerstören. Während<br />
Radio<strong>the</strong>rapie <strong>Krebs</strong>zellen zerstören kann, hat sie auch Auswirkungen auf die<br />
umgebenden normalen Zellen. Diese unspezifische Wirkung kann eine Anzahl von<br />
Nebenwirkungen haben, wie Müdigkeit, hämatologische Toxizität, Stomatitis,<br />
Hautschäden, Appetitverlust, Heiserkeit, Haarverlust, Schluckbeschwerden, Nausea <strong>und</strong><br />
Erbrechen <strong>und</strong> Durchfall. Diese Nebenwirkungen sind in ihrer Inzidenz unterschiedlich je<br />
nach Bestrahlungsort <strong>und</strong> -Dosis, <strong>und</strong> sind auch von Mensch zu Mensch verschieden.<br />
● Hormon<strong>the</strong>rapie ist die Behandlung mit Medikamenten, die in die Hormonproduktion<br />
oder -Aktivität eingreifen, oder die chirurgische Entfernung Hormon produzierender<br />
Drüsen, um <strong>Krebs</strong>zellen zu zerstören oder ihr Wachstum zu verlangsamen. Obwohl sie<br />
weniger Nebenwirkungen hat als Chemo<strong>the</strong>rapie, verspüren Patienten folgende<br />
Nebenwirkungen: Wallungen <strong>und</strong> Schweissausbrüche, Nausea, Diarrhö <strong>und</strong><br />
8.2
8<br />
Verdauungsbeschwerden, Gewichtszunahme, Veränderungen im Menstruationszyklus,<br />
Muskelkrämpfe, Stimmungsschwankungen, allergische Reaktionen, Kopfweh <strong>und</strong><br />
Thrombose-Neigung.<br />
● Chemo<strong>the</strong>rapie (zytotoxische) ist der Gebrauch von Medikamenten zur <strong>Krebs</strong>behandlung<br />
<strong>und</strong> wirkt zerstörend auf sich schnell teilende Zellen. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zu<br />
finden zwischen dem Angreifen <strong>und</strong> Töten von <strong>Krebs</strong>zellen <strong>und</strong> der Zerstörung von<br />
normalen Zellen. Die unspezifischen Eigenschaften der Chemo<strong>the</strong>rapie bedeuten, dass<br />
sie mit beträchtlichen Nebenwirkungen verb<strong>und</strong>en ist wie: Knochenmark-Suppression,<br />
welche zu hämatologischen Beeinträchtigungen (zu tiefe Leukozyten-, Erythrozyten- <strong>und</strong><br />
Thrombozytenzahl) <strong>und</strong> Infektionen führt, Haarverlust, Appetit- <strong>und</strong> Gewichtsverlust,<br />
Stomatitis <strong>und</strong> Ösophagitis, Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen, Verstopfung,<br />
Geschmacksveränderungen, Durchfall, Müdigkeit, Herzschäden, ZNS-Veränderungen<br />
<strong>und</strong> Schäden an Lunge, Leber, Nieren <strong>und</strong> Geschlechtsorganen.<br />
5. Beschreiben Sie Methoden zur Verbesserung der Spezifität <strong>und</strong> Zielgenauigkeit von<br />
Antikrebs<strong>the</strong>rapien.<br />
Im Moment ist die biologische oder Immuno<strong>the</strong>rapie eine der Hauptmethoden in der<br />
Entwicklung gezielter <strong>Krebs</strong><strong>the</strong>rapien. Sie basiert auf Komponenten des Immunsystems <strong>und</strong><br />
ist so gestaltet, dass sie <strong>Krebs</strong>zellen spezifisch angreift, während die normalen Zellen<br />
verschont bleiben <strong>und</strong> wirkt durch die Stimulation oder Nachahmung der natürlichen<br />
Abwehr des Körpers, des Immunsystems.<br />
Kapitel 2. Zellwachstumskontrolle <strong>und</strong> <strong>Krebs</strong><br />
1. Welche Eigenschaften unterscheiden <strong>Krebs</strong>zellen von normalen Zellen?<br />
<strong>Krebs</strong>zellen haben zwei Eigenschaften, die sie von normalen Zellen unterscheiden: sie<br />
proliferieren (vermehren sich) schnell <strong>und</strong> unkontrolliert <strong>und</strong> werden deshalb als neoplastisch<br />
bezeichnet, <strong>und</strong> sie haben spezielle Charakteristika, die sie befähigen, in umliegendes<br />
Gewebe einzudringen <strong>und</strong> es zu besiedeln, was bedeutet, dass die Zellen maligne sind.<br />
Zellteilung, Wachstum, Differenzierung <strong>und</strong> programmierter Zelltod (Apoptose) sind wichtige<br />
Elemente einer normal funktionierenden Zelle. Ein Zusammenbruch des Gleichgewichtes<br />
zwischen Zelltod <strong>und</strong> Entstehung neuer Zellen kann Krankheit verursachen; Organ-<br />
Dysfunktion <strong>und</strong> Tod, wenn die Apoptose überwiegt, oder <strong>Krebs</strong>, wenn die Zellvermehrung<br />
überwiegt.<br />
2. Der Zellzyklus ist ein geordneter Ablauf von Ereignissen, bei denen eine Zelle ihren Inhalt<br />
verdoppelt <strong>und</strong> sich zweiteilt. Was sind die Ziele des Zellzyklus?<br />
Die Ziele des Zellzyklus sind:<br />
● genaue Replikation der DNA in den Chromosomen der Elternzellen<br />
● gleichmässige Verteilung der Chromosomen zwischen den beiden Tochterzellen<br />
● Verdoppelung des Zytoplasma-Inhaltes.<br />
8.3
8<br />
3. Die Mitose ermöglicht es den Zellen, zu proliferieren, während die korrekte diploide Zahl<br />
von Chromosomen in jeder Zelle erhalten bleibt. Erklären Sie, wie Chromosomen von einer<br />
Eizelle <strong>und</strong> einem Spermium zusammengefügt werden können, während die korrekte<br />
Chromosomenzahl aufrechterhalten wird.<br />
Der sexuelle Reproduktionszyklus verkörpert eine spezielle Art von Zellteilung genannt<br />
Meiose, welche sicherstellt, dass Eizelle <strong>und</strong> Sperma nur die Hälfte der diploiden Zahl von<br />
Chromosomen (haploid) haben. Die Meiose beinhaltet zwei aufeinander folgende Zellkern-<br />
Teilungen, aber nur eine R<strong>und</strong>e von DNA-Replikation, so dass Eizell- <strong>und</strong> Sperma-<br />
Tochterzellen haploid sind. So bekommt der Embryo, der aus der Befruchtung resultiert, den<br />
vollen diploiden Satz von Chromosomen.<br />
4. Der Zellzyklus wird durch Prüfstellen <strong>und</strong> spezifische biochemische <strong>und</strong> physikalische<br />
Faktoren, die den Zyklus beeinflussen, gut kontrolliert. Beschreiben Sie die Rolle der<br />
Wachstumsfaktoren <strong>und</strong> der Zell-Verankerung in der Kontrolle des Zellzyklus.<br />
Wachstumsfaktoren sind Proteine, die an Rezeptoren in der Plasmamembran von avisierten<br />
Zellen anbinden, um die Zell-Proliferation zu beeinflussen (zu stimulieren oder zu hemmen).<br />
Einige Wachstumsfaktoren haben eine breite Spezifität <strong>und</strong> sind fähig, das Wachstum vieler<br />
verschiedener Arten von Zellen zu beeinflussen, während andere nur eine schmale Spezifität<br />
haben <strong>und</strong> nur auf einen bestimmten Zelltyp einwirken. Durch die Anbindung an einen<br />
Partner-Rezeptor aktivieren Wachstumsfaktoren letztlich Gene, welche dann spezifische<br />
Proteine herstellen <strong>und</strong> die Zell-Proliferation beeinflussen. Hormone können auch als<br />
Wachstumsfaktoren agieren: exzessive Hormonstimulation ist mit erhöhter Zellteilung<br />
verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann schliesslich zu malignem Tumorwachstum führen.<br />
Die meisten Zellen müssen an ein F<strong>und</strong>ament verankert sein, bevor sie sich teilen können.<br />
Wahrscheinlich benötigen die Zellen physikalischen Kontakt, so dass sie kommunizieren<br />
können <strong>und</strong> so sicherstellen, dass die Zellzyklen innerhalb eines Organs synchronisiert<br />
bleiben. <strong>Krebs</strong>zellen haben spezielle Eigenschaften, die ihnen die Ausnahme von der Regel<br />
erlauben <strong>und</strong> sie von einer Verankerung unabhängig machen. So können sie sich ablösen<br />
<strong>und</strong> Blutgefässe oder andere Körper-Transportwege benützen, um in andere Organe zu<br />
gelangen <strong>und</strong> in andere Gewebe einzudringen (metastasieren), die fern von der Stelle des<br />
Primärtumors sind.<br />
8.4
8<br />
Kapitel 3. Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Krebs</strong>entstehung<br />
1. Genetische Elemente <strong>und</strong> Prozesse können in einer hierarchischen <strong>und</strong> folgerichtigen<br />
Reihenfolge dargestellt werden. Vervollständigen Sie das folgende Fliessdiagramm, indem<br />
Sie die passenden Begriffe von der unten stehenden Liste einfügen. Die zwei Sternchen<br />
stehen für die zwei Mutations-Wege, die unkontrolliertes Zellwachstum <strong>und</strong> invasives<br />
Tumorwachstum bewirken können. Bitte nennen Sie diese.<br />
Genom<br />
Chromosomen<br />
Gene<br />
**<br />
DNA<br />
mRNA<br />
Protein<br />
Transkription<br />
Translation<br />
Basen<br />
**Zwei Mutationswege sind:<br />
● genetische Mutationen, welche ein Proliferations-Gen hyperaktiv machen<br />
● genetische Mutationen, welche ein Antiproliferations-Gen inaktivieren.<br />
2. Wie kann ein Proto-Onkogen in ein Onkogen umgewandelt werden? Welche Arten von<br />
Prozessen werden von den bekannten Proto-Onkogenen kontrolliert?<br />
Proto-Onkogene können durch die Anwesenheit eines Karzinogens (wie zum Beispiel<br />
Sonnenlicht, radioaktive Strahlung oder Viren) in Onkogene transformiert werden. Die<br />
Mutationen, die daraus folgen, entstehen meist durch Punktmutationen, Deletionen oder Gen-<br />
Amplifikation. Proto-Onkogene sind oft Gene, welche Teile der Mechanismen kodieren, die<br />
die Zellteilung, Differenzierung oder den Zelltod regulieren. (Mutationen in Tumor-<br />
Suppressor-Genen <strong>und</strong> Mismatch-Reparatur-Genen können ebenfalls eine Rolle in der<br />
Entwicklung von <strong>Krebs</strong> spielen.)<br />
8.5
8<br />
3. Beschreiben Sie, wie Mutationen zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen können, <strong>und</strong> benützen<br />
Sie dazu einerseits das Tumor-Suppressor-Gen p53 <strong>und</strong> andererseits den Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptor HER2 als Beispiel.<br />
p53 ist ein wirkungsvoller Tumor-Suppressor-Transkriptionsfaktor, welcher normalerweise<br />
Zellen befähigt, mit DNA-Schäden erfolgreich umzugehen. Er tut dies, indem er der<br />
Proliferation vorbeugt <strong>und</strong> den Zellzyklus so lange anhält, bis die DNA repariert ist, bevor<br />
die Replikation stattfindet. Wenn die DNA nicht repariert werden kann, leitet p53 die<br />
Apoptose ein. Mutationen, welche p53 an der Bindung an die DNA hindern, hemmen seine<br />
Fähigkeit, die DNA-Replikation zu verhindern oder die Apoptose bei Zellen mit irreparablen<br />
DNA-Schäden einzuleiten <strong>und</strong> können so zur Entwicklung von <strong>Krebs</strong> führen.<br />
HER2 kodiert ein Mitglied aus der Familie der transmembranen Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptoren, welche in der Kontrolle der Zellreplikation, des Zellwachstums, der<br />
Differenzierung <strong>und</strong> des Zell-Überlebens eine Rolle spielen. Eine HER2 Gen-Amplifikation<br />
führt dazu, dass einzelne Zellen mehr als zwei Kopien des Gens aufweisen. Dies führt zu<br />
stark erhöhter HER2-Rezeptor-Ausprägung <strong>und</strong> somit zur exzessiven Stimulation von<br />
Signalwegen <strong>und</strong> zur unkontrollierten Zell-Proliferation.<br />
4. Was ist eine Signal-Transduktion <strong>und</strong> was bewirkt sie?<br />
Signal-Transduktion ist der Prozess, bei welchem die Stimulation eines bestimmten Rezeptors<br />
eine Serie von Ereignissen in der Zelle auslöst, was zu einer Gen- <strong>und</strong> Protein-Antwort führt.<br />
Sie stellt sicher, dass Zellen fähig sind, auf ihre Mikro-Umgebung zu reagieren, indem<br />
extrazelluläre Stimuli empfangen, verstanden <strong>und</strong> zum Zellkern übermittelt werden <strong>und</strong> somit<br />
angepasste zellspezifische Antworten aktiviert werden.<br />
5. Zählen Sie kurz die wichtigsten Stadien <strong>und</strong> Ereignisse bei einem typischen Signal-<br />
Transduktions-Ablauf auf <strong>und</strong> benützen Sie dazu einen Wachstumsfaktor als ersten Schritt.<br />
Schritt 1: Der extrazelluläre Wachstumsfaktor (Ligand) bindet an seinen spezifischen<br />
Rezeptor an der Zellmembran.<br />
Schritt 2: Die Ligand-Bindung aktiviert den Rezeptor, was die Stimulation des Enzyms<br />
Tyrosinkinase bewirkt.<br />
Schritt 3: Die Tyrosinkinase phosphoryliert <strong>und</strong> aktiviert Mediatoren im Signal-<br />
Transduktionsweg.<br />
Schritt 4: Als Resultat davon wird die Gen-Expression im Zellkern reguliert.<br />
6. Beschreiben Sie die Rolle von Genmutationen bei der Auslösung von <strong>Krebs</strong>.<br />
Die Tumor-Progression von einer nicht-malignen Läsion zum invasiven Tumor <strong>und</strong> bis zur<br />
metastasierenden Tumorerkrankung beinhaltet viele aufeinander folgende R<strong>und</strong>en von<br />
Mutationen <strong>und</strong> natürlicher Selektion. Während dieses Prozesses erwerben sich Zellen,<br />
welche von einer Mutterzelle mit einer einzigen Mutation abstammen, weitere Mutationen<br />
<strong>und</strong> werden zunehmend aggressiver. Es wird also angenommen, dass die Entwicklung von<br />
<strong>Krebs</strong> normalerweise mehrere voneinander unabhängige seltene Ereignisse in derselben<br />
Zelle benötigt. Mutationen in gewissen Zellen (Proto-Onkogenen <strong>und</strong> Tumor-Suppressoren)<br />
haben mehr Wirkung als solche in anderen Zellen, welche keine Schlüsselstellen in der<br />
Kontrolle der Zell-Signalisierung haben.<br />
8.6
8<br />
Kapitel 4. Das Immunsystem: Die Basis für alle biologischen <strong>Therapien</strong><br />
1. Definieren <strong>und</strong> beschreiben Sie die Ergebnisse einer Immunantwort <strong>und</strong> geben Sie an,<br />
warum die korrekte Identifikation eines Stoffes als fremd <strong>und</strong> potentiell schädlich so wichtig<br />
ist.<br />
Eine Immunantwort ist die Antwort, die durch die Zellen <strong>und</strong> Moleküle des Immunsystems auf<br />
das Eindringen eines fremden Stoffes (Antigens) erfolgt. Das Ergebnis ist die Eliminierung<br />
<strong>und</strong> Zerstörung des eingedrungenen Stoffes <strong>und</strong> aller damit verb<strong>und</strong>enen toxischen Stoffe.<br />
Wenn es einmal aktiviert ist, ist das Immunsystem sehr effizient bei der Entfernung von<br />
Eindringlingen, <strong>und</strong> deshalb ist es sehr wichtig, dass es sich nicht gegen harmlose oder<br />
körpereigene Stoffe wendet.<br />
2. Zeichnen <strong>und</strong> beschriften Sie ein generalisiertes Antikörper-Molekül <strong>und</strong> geben Sie an,<br />
welche Teile an Antigene <strong>und</strong> welche an andere Zellen des Immunsystems binden.<br />
Variable Region (Fab) – bindet das Antigen<br />
Konstante Region (Fc) – bindet an Immunzellen<br />
3. Beschreiben Sie, wie Antikörper als Antwort auf einen Fremdstoff gebildet werden, <strong>und</strong><br />
zählen Sie die drei Hauptwege auf, wie sie wirken.<br />
Antigene haben spezifische Antigen-Determinanten (Epitope), welche es ermöglichen, dass<br />
sie durch Zellen des Immunsystems erkannt werden. Spezielle Zellen, genannt Antigenpräsentierende<br />
Zellen, sammeln Antigene in lymphatischen Organen, wo sie den B- <strong>und</strong><br />
T-Zellen ausgesetzt sind. Beim Kontakt werden T-Zellen aktiviert, proliferieren <strong>und</strong><br />
differenzieren, töten infizierte Zellen <strong>und</strong> aktivieren andere Zellen wie die B-Zellen, welche<br />
in der Immunabwehr helfen. Jede B-Zelle ist fähig, ein spezifisches Antigen zu erkennen <strong>und</strong><br />
dagegen Antikörper zu bilden. Wenn eine B-Zelle ihr zugehöriges Antigen erkennt <strong>und</strong><br />
wenn auch entsprechende T-Zell-Signale vorhanden sind, bindet sie an das Antigen. Nach<br />
der Bindung proliferiert die B-Zelle rasch <strong>und</strong> produziert Tausende identischer B-Zell-Klone,<br />
die alle spezifische Antikörper für das Antigen produzieren.<br />
8.7
8<br />
Antigene wirken durch:<br />
● Neutralisierung – indem sie die biologische Aktivität der Zielmoleküle blockieren<br />
● Opsonisation – indem sie das Antigen bezeichnen <strong>und</strong> so andere Zellen des<br />
Immunsystems zur Hilfe holen, die dann das Antigen entfernen <strong>und</strong> zerstören<br />
● Komplement-Aktivierung – indem sie eine ganze Reihe von Enzymen aktivieren, was mit<br />
dem Tod des Mikroorganismus endet.<br />
4. Geben Sie an, welche der folgenden Aussagen richtig oder falsch sind, <strong>und</strong> wenn sie falsch<br />
sind, geben Sie die richtige Antwort:<br />
● Das angeborene (oder natürliche) Immunsystem antwortet schnell auf fremde<br />
Organismen.<br />
RICHTIG<br />
● Wenn es einmal geprägt wurde von einem ersten Antigen-Kontakt, hat das erworbene<br />
Immunsystem ein Antigen-Gedächtnis <strong>und</strong> ist fähig, die Stärke <strong>und</strong> Effektivität der Antwort<br />
auf nachfolgende Reize mit demselben Antigen zu erhöhen.<br />
RICHTIG<br />
● Die zellvermittelte Immunantwort ist Antikörper-abhängig.<br />
FALSCH. Diese Art von Immunantwort schliesst die Produktion spezialisierter Zellen mit<br />
ein, die fähig sind, direkt auf die Zellen, die das Antigen präsentieren, zu reagieren <strong>und</strong><br />
sie zu töten. Die Zellen, welche in diese Antwort involviert sind, können Chemikalien<br />
ausscheiden, die spezielle Killerzellen (Makrophagen) aktivieren, die Eindringlinge<br />
zerstören.<br />
● T-Zellen <strong>und</strong> B-Zellen, die durch ein Antigen stimuliert worden sind, sind morphologisch<br />
nicht zu unterscheiden.<br />
FALSCH. Obschon jungfräuliche, unstimulierte T- <strong>und</strong> B-Zellen sehr ähnlich sind,<br />
unterscheiden sie sich nach der Stimulierung durch Antigene: B-Zellen differenzieren sich<br />
<strong>und</strong> werden zu grossen Plasma-Zellen, welche die Antigen-Produktionsstätte des<br />
Immunsystems darstellen.<br />
● T-Zellen werden so genannt, weil sie im Thymus reifen.<br />
RICHTIG<br />
5. Beschreiben Sie, wie ein einzelner Typ von Antikörpern (monoklonaler Antikörper MAb) im<br />
Labor hergestellt werden kann <strong>und</strong> geben Sie zwei Vorteile von MAbs gegenüber<br />
polyklonalen Antikörpern an.<br />
Lymphozyten eines immunisierten Tiers werden verschmolzen mit unsterblichen Zellen eines<br />
B-Lymphozyten-Tumors, so dass unsterbliche Hybrid-Zellen (Hybridome) entstehen. Diese<br />
Zellen werden in einer Weise gezüchtet, dass jede Hybridom-Zelle eine Zellkultur produziert.<br />
Diese vermehren sich endlos <strong>und</strong> produzieren so einen Typ Antikörper. Individuelle<br />
Hybridom-Klone können so zur endlosen <strong>und</strong> stabilen Quelle eines monoklonalen<br />
Antikörpers werden.<br />
8.8
8<br />
Vorteile der Hybridom-Technik sind folgende:<br />
● die Unsterblichkeit der Hybridom-Zell-Linie bedeutet, dass die Antikörper-Produktion stabil<br />
<strong>und</strong> dauerhaft ist<br />
● die Antikörper haben eine uniforme Spezifität, was bedeutet, dass die Wirkstoffe mehr<br />
nützen als weniger spezifische polyklonale Antikörper <strong>und</strong> dass keine Notwendigkeit zur<br />
Reinigung des benötigten Antikörpers aus einer heterogenen Mischung besteht<br />
● grosse Mengen des MAb können produziert werden.<br />
6. Sowohl normale wie auch nicht normale Aktivitäten des Immunsystems können Krankheit<br />
erzeugen. Ergänzen Sie die folgenden Sätze mit dem passendsten Beispiel von Erkrankung<br />
aus der Liste:<br />
Allergische Reaktionen Autoimmun Immunüberwachung<br />
Immunabwehrschwäche- Perniziöse Anämie Tuberkulose<br />
Erkrankungen<br />
● Bei Tuberkulose widersteht das Bakterium der Zerstörung durch Makrophagen <strong>und</strong><br />
vermehrt sich stattdessen innerhalb des Makrophagen. Wenn der Makrophag<br />
schlussendlich platzt, breitet sich das Bakterium aus, Lysosomen-Inhalt strömt aus <strong>und</strong><br />
verursacht Schäden am Gewebe des Wirts.<br />
● Allergische Reaktionen geschehen wegen einer übermässigen T-Zell-Antwort auf ein<br />
schwach immunogenes Antigen.<br />
● Mangel an T- <strong>und</strong> B-Zellen aus verschiedenen Gründen, inklusive T-Zell-Zerstörung, kann<br />
Immunabwehrschwäche-Erkrankungen verursachen.<br />
● Wenn das Immunsystem Komponenten der Wirts-Zellen angreift, dann können<br />
autoimmune Erkrankungen wie perniziöse Anämie entstehen.<br />
● Der Prozess, bei dem das Immunsystem des Körpers fähig ist, Zellen mit ungewöhnlichen<br />
Typen oder Mengen von Proteinen an ihrer Zelloberfläche zu finden <strong>und</strong> sich dagegen<br />
zu wehren, ist bekannt als Immunüberwachung.<br />
7. Obwohl viele <strong>Krebs</strong>zellen ungewöhnliche Gene oder aussergewöhnliche Mengen von<br />
Antigenen an ihrer Oberfläche haben, ist die Immunabwehr dort ineffektiv. Geben Sie zwei<br />
mögliche Erklärungen dafür.<br />
● Tumoren können sich an Stellen entwickeln, welche nicht vom Immunsystem überwacht<br />
werden, weil T-Zellen Zonen vermeiden, wo sie eigenen Antigenen begegnen könnten.<br />
● Tumorzellen können Antigene auf eine Weise präsentieren, die von den T-Zellen nicht<br />
erkannt werden kann.<br />
● Tumorzellen erwerben immer neue Mutationen. Dies beeinflusst die Fähigkeit der T-<br />
Zellen, diese aufzuspüren <strong>und</strong> zu erkennen.<br />
8.9
8<br />
Kapitel 5. Technologien zur Ermöglichung biologischer <strong>Therapien</strong><br />
1. Verschiedene Enzyme <strong>und</strong> Technologien werden benutzt, um DNA zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />
manipulieren. Wählen Sie aus der unten stehenden Liste die passenden Enzyme oder<br />
Techniken aus, um die folgenden Aktivitäten auszuführen:<br />
DNA-Sequenzierung Gel-Elektrophorese Ligase<br />
Nukleinsäure-Hybridisierung Polymerase Restriktionsenzym<br />
Reverse Transkription<br />
DNA-Syn<strong>the</strong>se. Polymerase<br />
Produziert zusätzliche DNA (cDNA) von Boten-RNA (mRNA). Reverse Transkription<br />
Schneidet oder spaltet DNA für die Analyse in Fragmente. Restriktionsenzym<br />
Verbindet DNA-Fragmente. Ligase<br />
Separiert DNA-Fragmente entsprechend ihrer Grösse. Gel-Elektrophorese<br />
Ordnet die Basen-Paare in DNA-Fragmente. DNA-Sequenzierung<br />
Ermöglicht die genaue Lokalisation der DNA oder RNA. Nukleinsäure-Hybridisierung<br />
2. Das Klonen von Genen ist entscheidend für viele Techniken bei der Analyse von Genen <strong>und</strong><br />
für das Verstehen ihrer Funktion. Beschreiben Sie die gr<strong>und</strong>legenden Schritte für das Klonen<br />
von DNA.<br />
Schritt 1: Die DNA wird von der Zelle isoliert <strong>und</strong> gereinigt.<br />
Schritt 2: Die gereinigte DNA wird in Stücke unterteilt mit Hilfe von Restriktionsenzymen.<br />
Schritt 3: Ein DNA-Fragment, welches das Gen enthält, das geklont werden soll, wird in ein<br />
zirkuläres DNA-Molekül, genannt Vektor, eingefügt. So wird ein rekombinantes DNA-<br />
Molekül hergestellt.<br />
Schritt 4: Der Vektor dient als Transportmittel, welches das Gen in die Wirtzelle transportiert.<br />
In der Wirtzelle vermehrt sich der Vektor <strong>und</strong> stellt zahlreiche identische Kopien her, nicht<br />
nur von sich selbst, sondern auch von dem Gen, in welchem er sich befindet.<br />
Schritt 5: Wenn sich die Wirtzelle teilt, enthalten die neuen Zellen Kopien des<br />
rekombinanten DNA-Moleküls, <strong>und</strong> weitere Vektor-Reproduktion findet statt.<br />
Schritt 6: Nach einer grossen Zahl von Zellteilungen ist eine Kolonie oder ein Klon<br />
identischer Wirtzellen entstanden. Jede enthält eine oder mehrere Kopien des<br />
rekombinanten DNA-Moleküls. Das Gen, das vom rekombinanten Molekül getragen wird, ist<br />
nun geklont.<br />
3. Manchmal werden viele Fragmente zur selben Zeit geklont, um eine Art Biblio<strong>the</strong>k von<br />
Klonen aufzubauen. Wie kann ein Klon, welcher ein spezielles DNA-Fragment enthält,<br />
identifiziert werden?<br />
Das Screening der Gen-Sammlung kann den Klon, welcher das gesuchte DNA-Fragment<br />
enthält, identifizieren. Ein Stück saugfähiges Papier wird in die Kultur mit wachsenden<br />
Kolonien eingetaucht. Diese kann dann mit einer radioaktiven DNA-Probe, welche die<br />
Sequenz des gesuchten Gens enthält, getestet werden. Die radioaktive Probe hybridisiert<br />
zum entsprechenden DNA-Fragment <strong>und</strong> kann dann sichtbar gemacht werden, indem das<br />
saugfähige Papier auf einen fotografischen Film exponiert wird.<br />
8.10
8<br />
Eine andere Screening-Methode ist die in-vitro Translation, bei welcher die geklonte DNA<br />
benützt wird, um ihre komplementäre mRNA aus einem Gemisch zellulärer mRNA<br />
herauszufiltern (Hybrid-Selektion). Die produzierten Proteine werden verglichen mit denen,<br />
die man erwartet hatte.<br />
4. Die Fähigkeit, Proteine in grossen Mengen herzustellen, ist eine der Haupterrungenschaften<br />
der Gentechnologie. Beschreiben Sie einige <strong>the</strong>rapeutische Auswirkungen der<br />
Gentechnologie, speziell im Bezug auf <strong>Krebs</strong>.<br />
● Gentechnologie kann benützt werden, um ein bestimmtes Gen in einem vorgegebenen<br />
biosyn<strong>the</strong>tischen Pfad zu überexprimieren <strong>und</strong> somit eine bestimmte intrazelluläre<br />
Komponente zu vermehren.<br />
● Der Pfad kann unterbrochen werden, so dass gewisse Produkte nicht hergestellt werden.<br />
● Proteine können speziell konstruiert werden, so dass sie eine bestimmte Struktur <strong>und</strong><br />
Funktion aufweisen.<br />
Weil <strong>Krebs</strong> eine genetische Komponente hat, können Tests für Onkogene <strong>und</strong>/oder<br />
Onkoproteine (diejenigen Proteine, welche von Onkogenen kodiert werden) helfen, den<br />
Tumor zu definieren, zu diagnostizieren <strong>und</strong> die Graduierung festzustellen. In einigen Fällen<br />
kann das Vorhandensein oder das Nicht-Vorhandensein eines biologischen Markers<br />
prognostischen Wert haben <strong>und</strong> eine Hilfe für das Bestimmen der Behandlungsmethode sein.<br />
So dienen der Östrogen-Rezeptor, der Progesteron-Rezeptor <strong>und</strong> der HER2-Status als<br />
wichtige biologische Marker bei <strong>Krebs</strong>-Erkrankungen.<br />
5. Unten finden Sie ein schematisches Diagramm mit den Zielen funktionaler Genetik.<br />
Beschreiben Sie, was das Diagramm darstellt, <strong>und</strong> weisen Sie darauf hin, welche Rolle das<br />
Human-Genom-Projekt <strong>und</strong> die Bioinformatik in diesem Prozess spielen können.<br />
Gen<br />
Eiweiss<br />
Funktion<br />
Struktur<br />
Die funktionale Genetik hat zum Ziel, eine Übersicht über die Gen-Funktionen, mit<br />
Expressionsprofilen auf der Ebene von mRNA <strong>und</strong> Proteinen zu erhalten. Voraussetzung<br />
dafür ist die Kenntnis der Reihenfolge, Lokalisation (gene map) <strong>und</strong> Sequenz der Gene.<br />
Daraus können die mRNA <strong>und</strong> von ihr abhängige Proteine identifiziert werden. Die<br />
Kenntnisse über die dreidimensionale Struktur des Proteins helfen dabei, die mögliche<br />
Funktion des Proteins zu identifizieren <strong>und</strong> dies kann wiederum beim Verstehen der Gen-<br />
Funktion helfen. (Gene können zu Familien gehören, welche eine Homologie entweder auf<br />
der Ebene der DNA-Sequenz oder auf der Protein-Ebene aufweisen. So können Erkenntnisse<br />
über die Funktion des Genes <strong>und</strong> seines Produkts helfen, die Funktion anderer verwandter<br />
oder homologer Gene zu verstehen, auch wenn diese von einer anderen Spezies sind.) Das<br />
Human-Genom-Projekt hat zum Ziel, alle menschlichen Gene zu identifizieren. Diese grosse<br />
Menge an Daten muss dann durch einen Prozess der Bioinformatik interpretiert <strong>und</strong><br />
analysiert werden.<br />
8.11
8<br />
Kapitel 6. <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> erklärt<br />
1. Geben Sie zwei Gründe an, weshalb biologische Methoden für die <strong>Krebs</strong>behandlung<br />
entwickelt <strong>und</strong> benützt werden, indem Sie ihre potentiellen Vorteile gegenüber<br />
konventionellen <strong>Therapien</strong> beschreiben.<br />
● <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> nützen die existierenden Systeme des Körpers, um spezifische<br />
Antworten auf spezifische Herausforderungen zu produzieren, womit die Toxizität, die<br />
bei unspezifischeren Behandlungen vorkommt, umgangen wird.<br />
● Durch die Anwendung molekulargenetischer, körpereigener <strong>Therapien</strong> können Probleme,<br />
welche als Reaktionen auf körperfremde Stoffe auftreten, vermieden werden.<br />
● <strong>Biologische</strong> <strong>Therapien</strong> sind nicht-invasiv.<br />
● Konventionelle <strong>Therapien</strong> scheinen an der Grenze ihrer <strong>the</strong>rapeutischen Wirksamkeit<br />
angelangt zu sein.<br />
2. Geben Sie in der unten stehenden Tabelle an, welche biologische Therapie den ebenfalls<br />
unten beschriebenen Wirkungseffekt A-G hat. Als Beispiel ist die Zytokin-Therapie<br />
aufgeführt.<br />
Therapie<br />
Zytokin-Therapie<br />
Antikörper-basierte Therapie<br />
<strong>Krebs</strong>-Impfung<br />
Gen-Therapie<br />
Zell-basierte Therapie<br />
Wirkungsweisen<br />
A, E, F, G<br />
A, B, C, F, G<br />
F, G<br />
B, D, F<br />
A, G<br />
A. Tötet <strong>Krebs</strong>zellen ab<br />
B. Unterbricht oder kontrolliert Prozesse, die das <strong>Krebs</strong>wachstum ermöglichen<br />
C. Verändert das Wachstums-Verhalten von <strong>Krebs</strong>zellen<br />
D. Blockiert Prozesse, die zur Umwandlung einer normalen Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle führen<br />
E. Steigert die Fähigkeit des Körpers, eine normale Zelle, die durch Chemo<strong>the</strong>rapie oder<br />
Bestrahlung geschädigt oder zerstört worden ist, zu reparieren oder zu ersetzen<br />
F. Steigert die Anfälligkeit von <strong>Krebs</strong>zellen auf Zerstörung durch das Immunsystem<br />
G. Erhöht die Aktivität von T-Zellen, natürlichen Killerzellen <strong>und</strong> Makrophagen, <strong>und</strong> fördert<br />
so die Zerstörung von <strong>Krebs</strong>zellen.<br />
3. Erklären Sie den Unterschied zwischen gezielten (spezifischen) <strong>und</strong> nicht-gezielten<br />
(unspezifischen) biologischen <strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> erörtern Sie die Vorteile der gezielten<br />
<strong>Therapien</strong>.<br />
Eine nicht-gezielte biologische Therapie ist eine solche, die supportive Wirkung auf das<br />
Immunsystem oder nicht-spezifische Antitumor-Wirkung hat, die aber den Tumor nicht direkt<br />
angreift. Gezielte <strong>Therapien</strong> sind spezifisch für Tumorzellen, weil sie nur auf mit dem Tumor<br />
in Zusammenhang stehende Anomalien ausgerichtet sind <strong>und</strong> so eine direkte Antikrebs-<br />
Wirkung haben.<br />
8.12
8<br />
Gezielte <strong>Therapien</strong> haben folgende Eigenschaften:<br />
● sie werden besser toleriert, weil sie nur die Tumorzelle angreifen<br />
● sie sind in ihren Wirkungsmechanismen von den konventionellen Cheom<strong>the</strong>rapien<br />
verschieden, was bedeuten könnte, dass Kombinations<strong>the</strong>rapien noch wirksamer sind<br />
● sie sind fähig, die Wirts-Immunantwort zu erhöhen<br />
● sie können die Patientenbehandlung individualisieren.<br />
4. Zytokine sind verantwortlich für die normale Funktion von diversen physiologischen<br />
Prozessen, welche das Ergebnis oder Teil einer Immunreaktion sind. Definieren Sie, was ein<br />
Zytokin ist <strong>und</strong> geben Sie vier Beispiele der Prozesse, die sie beeinflussen.<br />
Zytokine sind Proteine, die durch eine Zelle syn<strong>the</strong>tisiert <strong>und</strong> freigesetzt werden <strong>und</strong> mit<br />
Rezeptoren anderer Zellen interagieren, normalerweise um die Immunantwort zu regulieren.<br />
Zytokine sind involviert in:<br />
● die normale Entwicklung von T- <strong>und</strong> B-Zellen<br />
● die Chemotaxis, d.h. die Anziehung eines bestimmten Zelltyps an einen bestimmten Ort<br />
● Bildung einer normalen IgE-Menge<br />
● Hämatopoese<br />
● die Anfälligkeit für Gelenksentzündungen.<br />
5. Erklären Sie, warum die Humanisierung von Antikörpern so wichtig ist für ein höheres<br />
<strong>the</strong>rapeutisches Potential.<br />
Die meisten monoklonalen Antikörper werden von Maus-Hybridomen entwickelt, was<br />
bedeutet, dass der daraus resultierende Antikörper ein fremdes Protein für den Menschen ist.<br />
So werden sie vom menschlichen Immunsystem als fremd erkannt, stimulieren eine<br />
Immunantwort <strong>und</strong> werden schnell neutralisiert oder zerstört. Antikörper haben sowohl<br />
strukturelle als auch Antigen-Erkennungs-Sequenzen. Die Genmanipulation erlaubt es, dass<br />
monoklonale Antikörper humanisiert werden, das heisst dass die strukturellen Sequenzen der<br />
Maus durch menschliche ersetzt werden. Die wichtige Antigen-Erkennungs-Sequenz wird<br />
intakt belassen <strong>und</strong> das Resultat ist ein zu mindestens 90% menschlicher Antikörper, ein<br />
humanisierter monoklonaler Antikörper. So wird einer Immunantwort gegen den<br />
humanisierten Antikörper vorgebeugt.<br />
6. Beschreiben Sie drei mögliche Wirkungsweisen monoklonaler Antikörper, durch welche sie<br />
ihre Antikrebs-Wirkung entfalten.<br />
Bei der Antikörper-Therapie werden folgende Antikrebs-Eigenschaften vermutet:<br />
● Tiefer-Regulierung der Aktivität der Zielzelle, was zu Funktionsveränderungen, zum<br />
Beispiel bei Wachstum <strong>und</strong> Proliferation führt<br />
● Vorbeugung einer Aktivierung der Zielzelle<br />
● Induktion einer Immunantwort<br />
● Stimulierung der Apoptose (programmierter Zelltod).<br />
8.13
8<br />
7. Zählen Sie die Phasen in der Entwicklung einer biologischen Therapie auf, indem Sie die<br />
Faktoren beschreiben, die einen bestimmten biologischen Marker zu einem attraktiven<br />
<strong>the</strong>rapeutischen Angriffsziel machen.<br />
Die Basis-Schritte für die Entwicklung einer spezifischen biologischen Therapie sind:<br />
● Identifikation einer Anomalie, die spezifisch für Tumorzellen ist, aber in normalen Zellen<br />
nicht präsent ist<br />
● Identifikation der biologischen Marker, welche eine Schlüsselrolle in der Pathogenese<br />
haben, so dass eine biologische Therapie wirklich eine direkte Wirkung auf das<br />
Tumorwachstum <strong>und</strong> die Tumorerhaltung haben kann<br />
● Identifikation eines Zusammenhangs zwischen dem Angriffsziel <strong>und</strong> dem Resultat für den<br />
Patienten.<br />
Wenn das Angriffsziel identifiziert worden ist:<br />
● Wählen einer biologischen Methode, die das gezielte Angreifen eines spezifischen<br />
Faktors erlaubt (zum Beispiel einen monoklonalen Antikörper)<br />
● in präklinischen Studien testen, ob die spezifische Therapie einen Antitumor-Effekt hat<br />
● weitere präklinische Studien durchführen, um abzuklären, dass wirklich nur Tumorzellen<br />
angegriffen <strong>und</strong> die normalen Zellen nicht beeinflusst werden<br />
● zusätzliche präklinische Studien an Tiermodellen durchführen, um die Wirksamkeit <strong>und</strong><br />
Sicherheit der Therapie zu testen<br />
● Beginn klinischer Studien mit der Therapie.<br />
Kapitel 7. Die Zukunft der biologischen <strong>Therapien</strong><br />
1. Es ist bekannt, dass Tumoren durch eine Vielzahl genetischer Veränderungen entstehen.<br />
Beschreiben Sie, welche Methoden angewandt werden könnten, um Kombinationen<br />
verschiedener genetischer Veränderungen in einem Tumor zu erkennen.<br />
Die DNA wird zuerst in RNA transkribiert, um dann für die Produktion eines funktionalen<br />
Proteins anzuleiten. So ist die Analyse der RNA ein Weg zur Identifikation von Genen, die<br />
durch einen bestimmten Tumor exprimiert werden. Die komplementäre DNA (cDNA) kann<br />
von einer RNA-Vorlage syn<strong>the</strong>tisiert werden <strong>und</strong> zur Untersuchung der genomischen DNA,<br />
welche von einer Tumor-Probe isoliert wurde, benützt werden. In diesen cDNA-Proben<br />
werden nur diejenigen Gene identifiziert, die vom Tumor exprimiert werden <strong>und</strong> ein<br />
spezifisch auf diesen Tumor zugeschnittenes Gen-Expressions-Profil aufweisen.<br />
2. Beschreiben Sie die praktischen klinischen Auswirkungen von Gen-Expressions-Profilen.<br />
● Expressions-Profile können helfen, Untergruppen von Tumoren mit verschiedener Prognose<br />
zu bestimmen. Ein gewisses Gen-Expressions-Profil könnte auch prognostischen Wert<br />
haben in Bezug auf das Ansprechen auf bestimmte <strong>Therapien</strong>. Dies ermöglicht eine<br />
massgeschneiderte Therapie bei individuellen Tumor-Arten.<br />
● Die Gen-Expression kann sich über die Krankheitszeit verändern <strong>und</strong> so können die<br />
Profile angewandt werden, um Tumoren in Stadien einzuteilen <strong>und</strong> die Therapie gezielt<br />
auszuwählen.<br />
● Die Identifikation neuer <strong>the</strong>rapeutischer Interventionen durch die Kenntnis über das<br />
Vorkommen <strong>und</strong> die Art der Gen-Expression.<br />
8.14
8<br />
3. Fügen Sie die am meisten zutreffende Aussage in die unten folgenden Sätze ein.<br />
Zell-Signalwege <strong>und</strong> Signal-Transduktion<br />
das Studium der Gen-Expression<br />
Tausende von Antikörpern mit bekannter Spezifität auf einem Chip<br />
Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-Netzwerken<br />
Strategien für die Zubereitung massgeschneiderter <strong>Therapien</strong><br />
● Proteomics ist das Studium von Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle von Zellprotein-<br />
Netzwerken.<br />
● Die Protein-Expression in individuellen Zellen kann studiert werden, indem man ein Chip-<br />
System benützt, das im Wesentlichen Tausende von Antikörpern einer<br />
bekannten Spezifität auf einem Chip aufweist.<br />
● Der Vergleich von Protein-Expressionen zwischen Gewebsproben eines individuellen<br />
Patienten kann angewandt werden in der Entwicklung von Strategien für<br />
massgeschneiderte <strong>Therapien</strong>.<br />
● Proteomics kann auf verschiedene Arten angewandt werden, zum Beispiel in Studien von<br />
Zell-Signalwegen <strong>und</strong> Signal-Transduktion.<br />
● Die Beziehungen zwischen Protein-Interaktionen <strong>und</strong> ihre Komplexität bedeuten, dass<br />
Proteomics wahrscheinlich mehr Wissen über die Zellfunktion hervorbringen wird als<br />
das Studium der Gen-Expression.<br />
4. Einige Fortschritte basieren auf der Weiterentwicklung existierender Methoden. Schlagen Sie<br />
je einen möglichen Weg vor, wie Zytokin-<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> Antikörper-<strong>Therapien</strong> verbessert<br />
werden könnten.<br />
Zytokin-<strong>Therapien</strong> können wahrscheinlich verbessert werden, indem die Wirkungsmechanismen<br />
alleine auf den Tumor ausgerichtet werden. Dies könnte erreicht werden durch:<br />
● direkte Injektion des Zytokins in den Tumor<br />
● genetische Veränderung von Tumorzellen, so dass sie Zytokine exprimieren<br />
● die Erzeugung von Fusions-Proteinen, indem das Partner-Protein als Tumor-spezifischer<br />
Führer für das anhaftende Zytokin-Molekül wirkt.<br />
Antikörper-<strong>Therapien</strong> könnten verbessert werden durch:<br />
● die Identifikation besserer Ziel-Moleküle, welche geeignete Charakteristika haben, also<br />
z.B. spezifisch durch Tumorzellen exprimiert werden, eine wesentliche Rolle in der<br />
Tumorentwicklung haben <strong>und</strong> für Antikörper erreichbar sind<br />
● die Anwendung von Antikörpern, um konventionelle <strong>Therapien</strong> direkt auf die Tumorstellen<br />
hinzulenken<br />
● Entwicklung effektiver „Doppelzweck-Moleküle“ wie Immunotoxine, z.B. eines<br />
Antikörpers mit tumorspezifischen Eigenschaften, zusammen mit einem zytotoxischen<br />
Wirkstoff<br />
● Optimierung der Anwendung bestehender <strong>Therapien</strong> durch Klärung von Fragen der<br />
Verabreichungsart <strong>und</strong> -Zeit (adjuvant oder bei Metastasierung), Behandlungs-Schema,<br />
<strong>und</strong> Wirksamkeit von Kombinationen.<br />
8.15
8<br />
5. Die Angiogenese – die Bildung neuer Blutgefässe – ist entscheidend für das Tumor-<br />
Wachstum. Fügen Sie die jeweils passende Bezeichnung in das unten stehende Diagramm<br />
ein, welches die Schlüsselereignisse beschreibt, die zur Tumor-Angiogenese <strong>und</strong> zur<br />
Metastasierung führen.<br />
Angiogenese-Faktoren<br />
Metastase<br />
Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />
Proliferation <strong>und</strong> Invasion<br />
Vaskularisation <strong>und</strong> Wachstum<br />
Tumorzellen treten in<br />
die Blutbahn ein<br />
Metastase<br />
Proliferation <strong>und</strong><br />
Invasion<br />
Vaskuläre Endo<strong>the</strong>lialzellen<br />
Angiogene<br />
Faktoren<br />
Tumorzellen<br />
6. Erläutern Sie kurz die möglichen Auswirkungen, die biologische <strong>Therapien</strong> auf die Pflege<br />
<strong>und</strong> Betreuung der Patienten aus der Sicht einer Onkologie-Pflegenden haben könnten.<br />
Die Verbreitung biologischer <strong>Therapien</strong> bedeutet, dass es eine grössere Auswahl an<br />
<strong>Therapien</strong> <strong>und</strong> individuellere, massgeschneiderte Behandlungsformen geben wird. Dies wird<br />
viel Patienten-Information <strong>und</strong> Beratung erfordern. Folgende Informationen sind von<br />
Interesse:<br />
● die Auswirkung von zellulären Faktoren auf Prognose <strong>und</strong> Tumorverhalten<br />
● Diagnose, Tumor-Charakterisierung <strong>und</strong> Individualisierung der Behandlung<br />
● die erwartete Wirkung der massgeschneiderten Behandlungen <strong>und</strong> wie sie sich von den<br />
konventionellen <strong>Therapien</strong> unterscheiden<br />
● das veränderte Behandlungs-Ziel, indem die Verhütung der Tumorprogression mehr im<br />
Zentrum steht als die Heilung<br />
● der Einsatz von Langzeitbehandlungen mit dem Ziel einer langfristigen<br />
Tumorsuppression.<br />
8.16
8<br />
Glossar<br />
ADCC<br />
Adenin<br />
Adjuvant<br />
Allele<br />
Aminosäure<br />
AMP<br />
Amplifikation<br />
Anaphase<br />
Aneuploidie<br />
Angiogenese<br />
Antigen<br />
Antikörper<br />
Apoptose<br />
ATP<br />
Autokrin<br />
Autoimmun-<br />
Erkrankung<br />
Bispezifischer<br />
Antikörper<br />
B-Zelle<br />
(B-Lymphozyt)<br />
Englisch: Antibody-dependent cellular cytotoxicity, auf Deutsch<br />
Antikörper-abhängige zelluläre Zytotoxizität<br />
Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />
Unterstützend. A: Begriff für <strong>Therapien</strong> für primäre<br />
<strong>Krebs</strong>erkrankungen in prophylaktischer Absicht. B: Substanz, welche<br />
die Immunogenität von Antigenen verstärkt<br />
Alternative Formen von Genen, die denselben Platz im Chromosom<br />
einnehmen<br />
Einer der 20 Aufbau-Bestandteile von Proteinen<br />
Adenosinmonophosphat<br />
Vorkommen von mehr als der normalen Zahl von Kopien eines Gens<br />
in einer Zelle<br />
Ein Stadium der Meiose oder Mitose, während welchem die<br />
Chromosomen gegen die Zellpole wandern<br />
Vorhandensein eines Chromosoms zuviel oder zuwenig in Bezug auf<br />
den normalen Chromosomen-Satz<br />
Bildung neuer Blutgefässe, ein Prozess, der wichtig ist für das<br />
Tumorwachstum auf eine Grösse von mehr als 2mm<br />
Ein Molekül, das eine Immunantwort stimuliert<br />
Protein, das spezifisch auf ein fremdes Molekül (Antigen) oder auf<br />
eine Molekül-Region (Epitop) reagiert<br />
Der aktive Prozess, bei welchem der Zelltod eingeleitet wird. Der<br />
richtige Zeitpunkt der Apoptose ist abhängig vom Alter, der<br />
Ges<strong>und</strong>heit oder dem Zustand der Zelle. <strong>Krebs</strong>zellen können sich<br />
diesem natürlichen Prozess des Zelltodes entziehen<br />
Adenosintriphosphat, der häufigste Phosphatspender beim Menschen<br />
<strong>und</strong> als solcher ein wichtiger Energiespeicher für alle Prozesse, die<br />
Energie erfordern<br />
Ausscheidung einer Substanz, wie eines Wachstumsfaktors, die selber<br />
wieder die Sekretionszelle stimuliert<br />
Krankheit, bei der das Immunsystem gegen eigene Moleküle reagiert<br />
Antikörper mit Erkennungsorten für zwei verschiedene Antigene,<br />
meistens ein Antigen, das auf einen Tumor abzielt <strong>und</strong> ein Immunzell-<br />
Membran-Antigen<br />
Eine der beiden wichtigsten Lymphozyten-Klassen. Die B-Zelle scheidet<br />
Antikörper aus, wenn sie durch eine Antigen-Bindung aktiviert worden ist<br />
8.17
8<br />
CA-125<br />
CA 15-3<br />
CD4, CD8,<br />
CD20, etc.<br />
C-erbB-2<br />
Chemotaxis<br />
Chimäre<br />
Chromatin<br />
Chromosom<br />
Cytosin<br />
Deletion<br />
Dendritische<br />
Zellen<br />
Desoxyribonukleinsäure<br />
Differenzierung<br />
Dimer<br />
Diploid<br />
DNA<br />
Tumormarker, der in der Beurteilung von Patientinnen mit<br />
Ovarialkarzinom gebraucht wird<br />
Tumormarker, der gebraucht wird zur Beurteilung der Effektivität von<br />
Brustkrebs-<strong>Therapien</strong>, <strong>und</strong> der dem Krankheitsverlauf folgt<br />
Eine Familie von Glycoproteinen, deren Mitglieder durch spezifische<br />
Arten von Immunzellen exprimiert sind <strong>und</strong> als Rezeptoren,<br />
Differenzierungsantigene, B-Zell-Rezeptoren etc. funktionieren.<br />
Mitglieder dieser Familie werden spezifisch von verschiedenen Typen<br />
von Leukämie oder Lymphomen exprimiert, z.B. CD20<br />
Anderer Name für das HER2 Gen<br />
Anziehung von Zellen an einen bestimmten Ort, oft vermittelt durch<br />
Faktoren wie Zytokine<br />
Ein durch Gentechnik hergestelltes Molekül, das produziert wird, um<br />
DNA aus verschiedenen Quellen zu kombinieren. Das kodierte<br />
Molekül enthält ausgewählte Sequenzen von beiden Elternquellen<br />
Ein Molekül, das DNA, RNA <strong>und</strong> Protein, welches das genetische<br />
Material einer Zelle formt, enthält<br />
Eine Struktur, welche DNA <strong>und</strong> Proteine enthält. In einer diploiden<br />
menschlichen Zelle sind normalerweise 23 Chromosomenpaare<br />
enthalten<br />
Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />
Auslassung, Verlust. In der Gentechnologie: Verlust eines Teils eines<br />
Chromosoms<br />
Einer der Haupttypen Antigen-präsentierender Zellen, welche die<br />
Fähigkeit haben, T-Zellen zu aktivieren<br />
Siehe DNA<br />
Prozess, durch welchen Zellen mit generalisierten Eigenschaften<br />
spezialisiert werden, z.B. die Bildung von Erythrozyten aus<br />
erythroiden Vorläufern<br />
Ein Inhaltsstoff, der aus zwei identischen Molekülen gebildet ist (auch<br />
Homodimer genannt)<br />
Vorhandensein von zwei kompletten Sätzen homologer Chromosomen<br />
Desoxyriblonukleinsäure (Säure auf Englisch acid), kommt beim<br />
Menschen normalerweise als Doppelstrang-Molekül vor, das die<br />
genetische Information kodiert, die nötig ist für die Zellfunktion<br />
DNA-Sequenzierung Technik, die auf der Gel-Elektrophorese basiert <strong>und</strong> bei der die exakte<br />
Anlage der Basen-Paare in einem DNA-Segment aufgezeichnet<br />
werden kann<br />
8.18
8<br />
Elektrophorese<br />
ELISA<br />
Endonuklease<br />
Endoplasmatisches<br />
Retikulum<br />
Epidemiologie<br />
Epitop<br />
ErbB<br />
Erythropoetin<br />
Exon<br />
Exonuklease<br />
Exponentielles<br />
Wachstum<br />
Filgrastim<br />
GMP<br />
Guanin<br />
Hämatopoese<br />
Haploid<br />
Eine Technik, die zur Auftrennung von Molekülen wie Polypeptiden<br />
<strong>und</strong> Oligonukleotiden gebraucht wird. Dies geschieht durch den<br />
Gebrauch eines elektrischen Feldes, welches die Moleküle durch ein<br />
Gel bewegt<br />
Eine sensitive Immuno-Untersuchung, bei welcher ein Enzym, das an<br />
einen Antikörper oder ein Antigen geb<strong>und</strong>en ist, als Marker benützt<br />
wird, zum Nachweis eines spezifischen Proteins, speziell eines<br />
Antigens oder Antikörpers. Wird oft gebraucht als diagnostischer Test,<br />
speziell für Blutproben<br />
Enzym, das DNA oder RNA im Innern des Moleküls spaltet<br />
Ein Netzwerk aus Membranen innerhalb von Zellen, mit<br />
Speicher-, Transport- <strong>und</strong> Proteinsyn<strong>the</strong>se-Funktionen<br />
Das Studium der Häufigkeit <strong>und</strong> Verteilung einer Krankheit, unter<br />
Einbezug der Faktoren, welche bei der Verursachung mitspielen<br />
Eine Antigen-Region, welche die Produktion eines speziellen<br />
Antikörpers stimuliert. Antigene können eine Anzahl verschiedener<br />
Epitope enthalten, von denen jedes die Produktion eines andern<br />
Antikörpers stimuliert<br />
Anderer Name für die Rezeptor-Familie des menschlichenepidermalen<br />
Wachstumsfaktors<br />
Wachstumsfaktor, der die Proliferation roter Blutzell-Vorläufer induziert<br />
Die DNA-Sequenz eines Gens, die ein Protein kodiert<br />
Ein Enzym, das DNA oder RNA am Ende des Strangs abschneidet<br />
Bei jeder Zellteilung wird die Anzahl der Zellen verdoppelt (aus zwei<br />
Zellen werden vier, aus vier acht usw.)<br />
Die rekombinante Form des menschlichen Granulozytenstimulierenden<br />
Faktors, welcher als supportive Therapie eingesetzt<br />
wird, um einer stärker werdenden Neutropenie vorzubeugen<br />
Guanosin-Monophosphat<br />
Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />
Wachstum <strong>und</strong> Reifung der zellulären Blutkomponenten, nämlich der<br />
Erythrozyten, Leukozyten <strong>und</strong> Thrombozyten<br />
Die Anwesenheit von nur einer Serie von Chromosomen in der Zelle<br />
(beim Menschen also 23 Chromosomen). Normalerweise sind zwei<br />
Serien vorhanden (=diploid), also beim Menschen 46 Chromosomen<br />
8.19
8<br />
HER2<br />
Herceptin ®<br />
Heregulin<br />
Heterodimer<br />
Histamin<br />
Homolog<br />
Human Genome<br />
Project (HGP)<br />
Humoral<br />
Humorale<br />
Immunität<br />
Hybridom<br />
Immunokonjugat<br />
Immunogen<br />
Immunoglobulin<br />
Human epidermal growth factor receptor-2, auf Deutsch menschlicher<br />
epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor-2, ein Tyrosin-Kinase-Rezeptor,<br />
der an epidermalen Zellen gef<strong>und</strong>en wird. Das HER2-Gen ist ein<br />
Proto-Onkogen, das bei einer Reihe von Tumoren in grösserer Menge<br />
anzutreffen ist, am wichtigsten davon ist es bei Brustkrebs. HER2<br />
Überexpression ist ein Zeichen für eine aggressive Erkrankung mit<br />
einer schlechten Prognose<br />
Ein humanisierter anti-HER2 monoklonaler Antikörper, welcher eine<br />
signifikante Verbesserung der Behandlung von HER2- positivem<br />
metastasierendem Brustkrebs gebracht hat<br />
Ein allgemeiner Begriff, um die Liganden für HER3 <strong>und</strong> HER4 zu<br />
beschreiben (siehe auch Neuregulin)<br />
Stoff, der gebildet wird durch die Kombination zweier verschiedener,<br />
aber verwandter Moleküle<br />
Ein Molekül, das während allergischer Reaktionen freigesetzt wird. Es<br />
verursacht eine leichte Muskelkontraktion <strong>und</strong> eine erhöhte vaskuläre<br />
Permeabilität<br />
Ähnlich oder gleich in der Sequenz oder Struktur<br />
Internationale, seit 1990 bestehende Untersuchung, bei der alle<br />
menschlichen Gene identifiziert werden sollen<br />
Die Körperflüssigkeiten betreffend/auf dem Wege über<br />
Körperflüssigkeit erfolgend<br />
Der Teil der Immunantwort, der wegen Antikörpern oder dem<br />
Komplement-System im Plasma geschieht<br />
Eine unsterbliche Zell-Linie, welche durch die Fusion zweier<br />
verschiedener Zell-Typen geschieht. Diese Technik wird bei der<br />
Produktion monoklonaler Antikörper gebraucht<br />
Stoff, der gebildet wird durch Anbinden eines Toxins oder<br />
Radionuklids an einen Antikörper mit dem Ziel, eine zielgerichtete<br />
Therapie für eine bestimmte Zelle oder ein bestimmtes Gewebe<br />
herzustellen<br />
Fähig, eine Immunantwort zu produzieren<br />
Eine Protein-Familie, die Antikörper bildet<br />
Immunohistochemie Eine Test-Technik, die bestimmte Ziel-Moleküle identifiziert durch den<br />
Gebrauch von gekennzeichneten Antikörpern<br />
Immuno<strong>the</strong>rapie<br />
Impfung<br />
Therapie, die Antikörper oder andere Bestandteile des Immunsystems<br />
benützt, oder die speziell hergestellte Antigene, welche eine<br />
Immunantwort auf einen Tumor stimulieren, benützt<br />
Im Gebiet der Onkologie: der Gebrauch von Tumorantigenen mit dem<br />
Ziel, eine Immunantwort gegen einen existierenden Tumor zu<br />
stimulieren<br />
8.20
8<br />
Induktion<br />
Insertion<br />
Interferon<br />
Interleukin<br />
Interphase<br />
Intron<br />
In-vitro<br />
Karzinogen<br />
Karzinogenese<br />
Kernsäure-<br />
Hybridisierung<br />
Kinase<br />
Klon<br />
Klonen<br />
Kolonisierungsstimulierender<br />
Faktor<br />
Komplement<br />
Leukozyt<br />
Ligand<br />
Lipophil<br />
Liposom<br />
Einführen, Veranlassen, Auslösung<br />
Hineinpflanzen, Hineinfügen. In der Gentechnologie: Hinzufügung<br />
eines zusätzlichen Segments in ein Chromosom<br />
Eine Zytokin-Klasse, die agiert, um die Protein-Syn<strong>the</strong>se zu verhindern,<br />
<strong>und</strong> die eine Rolle in der Immunfunktion spielt<br />
Eine Familie von Zytokinen, welche die T-Zell-Differenzierung, -Reifung<br />
<strong>und</strong> ihre Antwort auf Antigene fördern<br />
Der Abschnitt im Zellzyklus zwischen zwei Zellteilungen, in dem die<br />
Syn<strong>the</strong>se des Zellinhaltes passiert<br />
Die DNA-Sequenzen eines Gens, die keine Proteine kodieren, aber<br />
die in RNA transkribiert werden<br />
Im (Reagenz-)Glas, d.h. im Versuch ausserhalb des Organismus<br />
A. Substanz, die <strong>Krebs</strong> verursacht, z.B. Dioxin, Bestrahlung<br />
B. <strong>Krebs</strong> erzeugend, kanzerogen<br />
Die Induktion von <strong>Krebs</strong><br />
Technik, welche die präzise Lokalisation von DNA oder RNA erlaubt<br />
Ein Enzym, das Phosphatgruppen von ATP zu einem Molekül wie<br />
einem Protein transferiert<br />
Genetisch einheitliche Nachkommengruppe, die sich von einem<br />
Mutterorganismus (Zelle bzw. Einzeller) durch vegetative Vermehrung<br />
ableitet<br />
A. Isolierung bestimmter Zellklone<br />
B. Gewinnung einer Zellpopulation von Organismen mit identischem<br />
Genotyp<br />
C. Insertion eines Gens oder einer DNA-Sequenz in ein Molekül<br />
mittels Gentechnologie<br />
Eine Gruppe von Zytokinen, welche die Reifung <strong>und</strong> Proliferation<br />
weisser Blutzellen induzieren<br />
Proteine, die an Immunreaktionen beteiligt sind<br />
Weisse Blutzelle. Grosse Untergruppen davon sind Lymphozyten <strong>und</strong><br />
Monozyten<br />
Ein Molekül, das an ein anderes, normalerweise grösseres Molekül<br />
bindet, z.B. an einen Rezeptor. Normalerweise wirkt es aktivierend<br />
Die Eigenschaft, entweder fettlöslich zu sein, oder eine Affinität für Fett<br />
zu haben<br />
Ein kugelförmiges Partikel mit einer Lipid-Doppelschicht, die als<br />
Membran dient, welche einen Stoff, wie zum Beispiel ein<br />
Medikament, einschliesst. Die Einschliessung eines Antikörpers in die<br />
8.21
8<br />
Lipid-Doppelschicht kann Liposome fähig machen, direkt auf<br />
<strong>Krebs</strong>zellen einzuwirken<br />
Lobular-alveolar<br />
Lymphozyt<br />
Lysosom<br />
Mab<br />
MabThera ®<br />
Makrophag<br />
MAP Kinase<br />
Megakariozyt<br />
Meiose<br />
Metaphase<br />
Metastase<br />
Micro-Array<br />
Mikrotubulus<br />
Mismatch-<br />
Reparatur-System<br />
Mitochondrium<br />
Mitose<br />
Begriff, welcher die Struktur der Brust beschreibt, welche in 20 Lobuli<br />
(Lappen) unterteilt ist, die wiederum eine bläschenartige Struktur<br />
(alveolar) aufweisen<br />
Eine Klasse von Leukozyten im Blut, Knochenmark oder lymphatischen<br />
System mit einer wichtigen Rolle in der humoralen <strong>und</strong> zellulären<br />
Immunität<br />
Eine Membran-„Blase“, die hydrolytische Enzyme enthält<br />
Von engl. monoclonal antibody. Monoklonaler Antikörper<br />
Ein chimerischer Antikörper, der auf CD20 wirkt, <strong>und</strong> der in der<br />
Behandlung von CD20-positiven Lymphomen eingesetzt wird<br />
Eine Immunzelle, die in Geweben vorkommt <strong>und</strong> die eine wichtige<br />
Rolle spielt im Abwehrmechanismus des Wirtes, vorallem gegen<br />
Bakterien<br />
Mitogen-aktivierte Proteinkinase, ist involviert in intrazelluläre<br />
Signalabläufe <strong>und</strong> wird stimuliert durch extrazelluläre Proliferations<strong>und</strong><br />
Differenzierungsfaktoren<br />
Grosse Knochenmarkszelle, die für die Thrombozyten- Produktion<br />
nötig ist<br />
Der Prozess der Zellteilung, bei dem Tochterzellen produziert werden<br />
mit nur der Hälfte der normalen Chromosomenzahl<br />
Ein Stadium der Meiose oder Mitose, in dem die Chromosomen in<br />
einer Reihe angeordnet werden<br />
A: die Ausbreitung von <strong>Krebs</strong> von seinem ursprünglichen Ort zu einer<br />
anderen, normalerweise entfernten Stelle<br />
B: ein sek<strong>und</strong>ärer bösartiger Tumor, der weit weg vom Primärtumor<br />
vorkommt<br />
Technologie zur gleichzeitigen Untersuchung vieler Proben auf kleinem<br />
Raum (DNA, RNA, Proteine, Gewebeproben)<br />
Eine hohle zylindrische Struktur, die am Aufbau der Zelle beteiligt ist<br />
DNA-Korrekturlesesystem, das fehlerhafte DNA-Nukleotiden erkennt<br />
<strong>und</strong> korrigiert. Dieses System kann das Genom mit einem<br />
100–1’000fachen Schutz gegen Mutationen ausstatten<br />
Eine zelluläre Organelle, in der die Energiebildung <strong>und</strong> die<br />
Translation von RNA zur Bildung von Proteinen stattfinden<br />
Der Prozess der Zellteilung, bei welchem zwei identische Tochterzellen<br />
mit dem normalen Komplement von Chromosomen entstehen<br />
8.22
8<br />
Modifizieren<br />
Monoklonale<br />
Antikörper<br />
Monozyt<br />
mRNA<br />
Mutation<br />
Myc<br />
Myeloid<br />
Natürliche<br />
Killerzellen<br />
(NK-Zellen)<br />
Neu<br />
Neuregulin<br />
Neutropenie<br />
Neutrophil<br />
NK-Zellen<br />
Nukleotid<br />
Onkogen<br />
Onkogene<br />
Transformation<br />
Organelle<br />
P185 HER2<br />
P53<br />
Verändern, umwandeln<br />
Antikörper, die chemisch <strong>und</strong> immunologisch identisch sind, d.h. die<br />
eine spezifische Region eines bestimmten Antigens erkennen.<br />
Monoklonale Antikörper werden oft in Untersuchungen angewendet<br />
<strong>und</strong> wurden für die Behandlung von <strong>Krebs</strong> eingesetzt, wie z.B.<br />
Herceptin ®<br />
Ein Leukozyt, der grösser ist als Lymphozyten <strong>und</strong> verwandt mit den<br />
Makrophagen<br />
Messenger-RNA, Boten-RNA<br />
Jede erkennbare erbliche Veränderung im genetischen Material, die<br />
an die Tochterzellen weitergegeben wird<br />
Ein Faktor, der in der Regulierung des Zellwachstums eine Rolle spielt,<br />
<strong>und</strong> der häufig erhöht/überexprimiert ist bei vielen menschlichen<br />
<strong>Krebs</strong>erkrankungen<br />
In Bezug auf das Knochenmark<br />
Grosse Lymphozyten, die direkt zytotoxisch auf andere Zellen wirken<br />
Äquivalent des menschlichen HER2 Gens in der Ratte<br />
Eine generelle Bezeichnung für die Liganden von HER3 <strong>und</strong> HER4<br />
(siehe auch Heregulin)<br />
Eine Senkung der Zahl an weissen Blutkörperchen, welche<br />
charakterisiert ist durch den Verlust von Neutrophilen, was zu<br />
lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann, <strong>und</strong> oft durch<br />
zytotoxische Chemo<strong>the</strong>rapie verursacht wird<br />
Ein Leukozyt, der den Namen erhalten hat wegen der Farbe, die er<br />
bei der Romanowsky-Färbung erhält. Er hat eine Aufgabe in der<br />
Immunantwort auf systemische bakterielle Infektionen <strong>und</strong> entzündliche<br />
Störungen<br />
Siehe natürliche Killerzellen<br />
Gr<strong>und</strong>baustein der DNA<br />
A: Ein Gen, das fähig ist, die onkogene Transformation zu<br />
verursachen <strong>und</strong> zu erhalten<br />
B: krebserzeugend<br />
Der Prozess, durch den eine normale Zelle in eine <strong>Krebs</strong>zelle<br />
umgewandelt wird<br />
Eine intrazelluläre Struktur mit spezialisierter Funktion. Zellkern <strong>und</strong><br />
Mitochondrium sind zum Beispiel Organellen<br />
Anderer Name für das HER2 Protein<br />
Tumor-Suppressor-Gen, von dem man glaubt, dass es eine Rolle in der<br />
Regulierung der Apoptose spielt, einer Funktion, die bei <strong>Krebs</strong> oft fehlt<br />
8.23
8<br />
Phagen<br />
Phagozyt<br />
Phänotyp<br />
Phosphorylierung<br />
Plasmid<br />
Polymerase<br />
Viren, welche Bakterien infizieren, <strong>und</strong> als Klon-Vektoren nützlich sind<br />
Eine Zelle, die fremde Partikel (z.B. Viren) entfernt, indem sie diese in<br />
sich aufnimmt<br />
Summe der sichtbaren genetischen Eigenschaften einer Zelle<br />
Prozess, durch den Proteine aktiviert werden durch Zufügung von<br />
Phosphat-Gruppen <strong>und</strong> welcher wichtig ist für die intrazellulären<br />
Signalwege<br />
Zirkuläre DNA, die in Bakterien <strong>und</strong> anderen Organismen, die man<br />
für die DNA-Klonung gebrauchen kann, zu finden sind<br />
Enzym, das die Polymerisation verursacht, z.B. die Formation von<br />
Polynukleotiden aus Nukleotiden oder von Polypeptiden aus Peptiden<br />
Polymerase<br />
Kettenreaktion (PCR)<br />
Technik zur Vermehrung von DNA oder RNA<br />
Polyploid<br />
Proliferation<br />
Prophase<br />
Proteinkinasen<br />
Proteomics<br />
Proto-Onkogen<br />
Ras<br />
Rekombinante<br />
DNA-Technologie<br />
Replikation<br />
Reverse<br />
Transkriptase<br />
Rezeptor<br />
Ribosom<br />
RNA<br />
Screening<br />
Anwesenheit eines Vielfachen des normalen Chromosomen-<br />
Komplementes<br />
Vermehrung<br />
Anfangsstadium der Zellteilung in der Meiose oder Mitose<br />
Enzyme, die andere (Enzym-)Proteine phosphorylieren<br />
Studium der Form, Funktion <strong>und</strong> Kontrolle der Zellprotein- Netzwerke<br />
Normales zelluläres Gen, das durch Mutation zu einem aktiven<br />
Onkogen wird<br />
Eine Protein-Familie, die mithilft, Signale von den Zellmembran-<br />
Rezeptoren zum Zellkern zu übermitteln<br />
(Rekombination = Bildung einer neuen Gen-Kombination aus<br />
genetisch verschiedenen Genomen.) Rekombinante DNA- Technologie<br />
umfasst verschiedene Techniken, die die Untersuchung <strong>und</strong> die<br />
Manipulation der DNA in einer Zelle ermöglichen. In Kapitel 5<br />
beschrieben<br />
Verdoppelung, Vermehrung<br />
Ein Enzym, das die Syn<strong>the</strong>tisierung von DNA aus RNA ermöglicht<br />
Ein Molekül, oft ein Protein, das sich an der Zelloberfläche befindet<br />
<strong>und</strong> Signale von ausserhalb der Zelle zum Zellkern übermittelt<br />
Zellstruktur, wo die Translation stattfindet<br />
Ribonukleinsäure (Säure auf englisch acid)<br />
A. Auf bestimmte Kriterien ausgerichteter „Siebtest“<br />
B. Auf eine bestimmte Krankheit gerichtete diagnostische Massnahme,<br />
mit dem Ziel, in der Gesamtbevölkerung oder einem besonders<br />
gefährdeten Teil derselben symptomlose Krankheitsträger zu finden<br />
oder bestimmte Krankheitszeichen zu erkennen<br />
8.24
8<br />
Seneszenz<br />
Sigmoidoskopie<br />
Der normale Prozess der Alterung, welcher sowohl bei Organismen<br />
als Ganzes als auch bei Zellen vorkommt<br />
Untersuchung des Kolons mittels eines Endoskopes<br />
Signal-Transduktion Übertragung von Signalen innerhalb von Zellen <strong>und</strong> zwischen Zellen<br />
Substitution<br />
Syn<strong>the</strong>tisieren<br />
Systemisch<br />
TAA<br />
T-Zelle<br />
Telomer<br />
Telophase<br />
Thrombopoetin<br />
Thymin<br />
Transfektant<br />
Transfektion<br />
Transformant<br />
Transformation<br />
Transkription<br />
Translation<br />
Translokation<br />
Tumor-Nekrose-<br />
Faktor α<br />
Tumor-Suppressor-<br />
Gen<br />
Tyrosinkinase<br />
T-Zelle<br />
(T-Lymphozyt)<br />
Überexpression<br />
Ersatz<br />
Herstellen<br />
Den ganzen Körper betreffend oder auf den ganzen Körper<br />
einwirkend (wie z.B. die systemische Anwendung von Chemo<strong>the</strong>rapie)<br />
Tumor-assoziiertes Antigen<br />
Eine der zwei Hauptklassen von Lymphozyten. Ist verantwortlich für<br />
die Zell-Immunität<br />
Definierter Bereich der Chromosomen-Enden<br />
Letztes Stadium der Kernteilung während der Meiose oder Mitose,<br />
während dem neue Kernmembranen gebildet werden<br />
Ein Zytokin, das bei der Reifung von Megakariozyten <strong>und</strong> somit bei<br />
der normalen Thrombozyten-Produktion eine Rolle spielt<br />
Eine der vier Basen, die in DNA enthalten sind<br />
Eine Zelle oder ein Tier, die fremde DNA enthalten<br />
Transfer von DNA, die ein spezifisches Gen enthält, in eine Zelle. Dies<br />
dient zum Studium der Wirkung dieses Gens<br />
Eine Zelle, die Veränderungen erfahren hat, die sie bösartig machen<br />
Wechsel einer Zelle vom Normalzustand zum kanzerösen Zustand<br />
Produktion eines zusätzlichen RNA-Strangs von der Zellkern-DNA<br />
Prozess, bei dem die Sequenz der Boten-RNA in die Aminosäuren-<br />
Sequenz eines Proteins übersetzt wird<br />
Eine Umstellung der Chromosomen, bei welcher genetisches Material<br />
von seiner normalen Stelle an eine andere versetzt wird, was oft Gene<br />
spaltet <strong>und</strong> zu Anomalien führt<br />
Ein Protein <strong>und</strong> Zytokin, das vorzugsweise Tumorzellen tötet <strong>und</strong> eine<br />
grosse Bandbreite von pro-inflammatorischen Aktionen besitzt<br />
Jedes Gen, das normalerweise Zellwachstum, Mutationen oder<br />
Auslassungen verhindert, welche zu ungehemmtem Zellwachstum <strong>und</strong><br />
<strong>Krebs</strong> führen könnten<br />
Ein Enzym, das Proteine aktiviert durch Phosphorylierung der<br />
Aminosäure Tyrosin<br />
Vom Thymus abhängiger Lymphozyt, Träger der zellvermittelten<br />
Immunität<br />
Produktion von merklich mehr als der normalen Menge eines<br />
zellulären Proteins, normalerweise wegen Genamplifikation<br />
8.25
8<br />
Uracil<br />
VEGF<br />
Wachstumsfaktor<br />
Wachstumsfaktor-<br />
Rezeptor<br />
Xenotransplantat<br />
Zellkern<br />
Zellvermittelte<br />
Immunität<br />
Zentromer<br />
Zyklin<br />
Zytokine<br />
Zytoplasma<br />
Zytotoxisch<br />
Eine Base, die in der RNA enthalten ist<br />
Vascular endo<strong>the</strong>lial growth factor, auf deutsch vaskulärer<br />
endo<strong>the</strong>lialer Wachstumsfaktor<br />
Substanz, die das Wachstum von Gewebe oder Knochen stimuliert.<br />
Wachstumsfaktoren können Vitamine, Mineralien oder Hormone sein<br />
<strong>und</strong> üben ihre Funktion über Wachstumsfaktor-Rezeptoren aus. Ein<br />
Beispiel ist der epidermale Wachstumsfaktor<br />
Ein Molekül, oft ein Glycoprotein, das sich an der Zellmembran<br />
befindet, <strong>und</strong> das in der Übermittlung von Signalen, welche von<br />
Wachstumsfaktoren an den Zellkern gesandt werden, eine Rolle spielt<br />
Ein chirurgisches Transplantat von Gewebe einer Spezies in ein<br />
Individuum einer anderen Spezies<br />
Eine Struktur, die durch eine Membran umhüllt ist <strong>und</strong> die genetische<br />
Information der Zelle enthält<br />
Der Teil der Immunantwort, welcher durch Zellen geschieht, wie<br />
T-Zellen <strong>und</strong> Makrophagen<br />
Die Region eines Chromosoms, die an Spindelfasern bindet <strong>und</strong> deren<br />
Aufgabe es ist, die korrekte Verteilung der Chromosomen während<br />
der Mitose <strong>und</strong> Meiose zu arrangieren<br />
Moleküle, die Proteine phosphorylieren <strong>und</strong> einen Teil des<br />
Kontrollmechanismus des Zellzyklus bilden<br />
Kleine Proteine, die durch Zellen freigesetzt werden <strong>und</strong> spezifische<br />
Wirkung auf Zell-Zell-Interaktionen, Kommunikation <strong>und</strong> Verhalten<br />
anderer Zellen haben<br />
Die Substanz lebender Zellen ausserhalb des Zellkerns<br />
Den Zelltod verursachend<br />
8.26
8<br />
Bibliografie<br />
Diese Bibliografie ist nicht als umfassende Auflistung aller Referenz-Literatur,<br />
die zur Herstellung dieses Handbuchs gebraucht wurde, gemeint. Vielmehr<br />
wurde sie geschrieben für alle, die weitere Informationen über die Themen<br />
dieses Buches wünschen.<br />
Kapitel 1<br />
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2000;20:S96–S103.<br />
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Commission for <strong>the</strong> ‘Europe Against Cancer Programme’ <strong>European</strong> Code Against Cancer. Eur J Cancer<br />
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<strong>European</strong> Union 1996, version 3.1.<br />
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URL: http://www-dep.iarc.fr/eucan/eucan.htm<br />
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Kapitel 2<br />
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Kapitel 3<br />
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8.27
8<br />
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