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Berliner Zustände 2006 | Ein Schattenbericht über ... - Mbr

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Formulierungen weisen deutliche<br />

Schnittmengen mit völkischen<br />

Definitionen von Zugehörigkeit<br />

und Definitionen von Volkstum<br />

auf.<br />

Angetreten mit dem Ziel, den<br />

Moscheebau in Heinersdorf zu<br />

verhindern, hat die ipahb die<br />

Auseinandersetzungen zu einem<br />

„Kulturkampf“ erklärt, in dem<br />

sie ihre Positionen zunehmend<br />

zuspitzt und polarisiert, um mobilisierungsfähig<br />

zu bleiben. Unterstützung<br />

für diesen „Kulturkampf“<br />

bekam die ipahb berlinund<br />

bundesweit. 7 So forderte<br />

beispielsweise auch der evangelische<br />

Bischof Wolfgang Huber<br />

Anfang Januar 2007, die Gemeinde<br />

müsse erklären, warum<br />

sie den Standort gewählt habe,<br />

da es keine Angehörigen der<br />

Glaubensrichtung in dem Ortsteil<br />

geben würde. 8<br />

Anti-islamische Argumentationsweisen<br />

verknüpfen sich mühelos<br />

mit klassischen Formen der Stereotypenbildung.<br />

So behauptet<br />

die ipahb auf ihrer Webseite bei<br />

ihrem sogenannten „Ahmadiyya-<br />

Quiz“ 9 , dass lediglich fünf Mitglieder<br />

der Gemeinde erwerbstätig<br />

seien und der Rest von „Zuwendungen<br />

des Deutschen Staates“<br />

lebe. Des Weiteren wird in<br />

diesem Quiz kolportiert, dass es<br />

sich bei der Ahmadiyya-Gemeinde<br />

um eine „fundamentalistische<br />

islamische Sekte“ handele. Die<br />

entworfenen „Überfremdungsszenarien“<br />

von einer „islamischen<br />

Bundesrepublik“ tun ihr<br />

übriges. Hier können völkische<br />

Positionen, die tief in vielen gesellschaftlichen<br />

Gruppen verwurzelt<br />

sind, mühelos andocken.<br />

„Haut ab! Haut ab!“ – NPD und<br />

rechte Gruppierungen nutzen<br />

die Stimmung<br />

Sowohl bei der Bürgerversammlung<br />

wie auch bei den Demonstrationen<br />

in Pankow gegen die<br />

Moschee im vergangenen Jahr<br />

waren VertreterInnen der organisierten<br />

Rechtsextremen mit von<br />

der Partie. Von der Pankower<br />

Kameradschaft Vereinte Nationalisten<br />

Nordost (VNNO), dem<br />

Märkischen Heimatschutz – Sektion<br />

Berlin, <strong>über</strong> die NPD und<br />

die Republikaner bis hin zu Mitgliedern<br />

der rechten Rocker-<br />

Gruppierung „Vandalen - Ariogermanische<br />

Kampfgemeinschaft“<br />

und dem Spektrum der<br />

rechten Hooligan-Szene.<br />

Die organisierten Neonazis bestimmten<br />

kaum die öffentliche<br />

Debatte, freuten sich jedoch <strong>über</strong><br />

die herrschende Stimmung. <strong>Ein</strong>e<br />

Grenze zwischen den BürgerInnen<br />

und den anwesenden Neonazis<br />

war bei den Protestaktionen<br />

hauchdünn oder gar nicht spürbar.<br />

Gleichwohl hat die Bürgerinitiative<br />

ipahb mehrere wirkungslos<br />

gebliebene Versuche<br />

unternommen, sich von rechten<br />

AktivistInnen auf ihren Demonstrationen<br />

abzugrenzen. 10 Doch<br />

die auf Überfremdungsängste<br />

und nationalistische Ausgrenzung<br />

zielenden Argumentationsmuster<br />

sind weitgehend identisch.<br />

Dies wurde schon auf der<br />

NPD-Demonstration sichtbar,<br />

die zwei Tage nach der Bürgerversammlung<br />

am 1. April unter<br />

dem Motto „Nein zur Moschee<br />

in Pankow“ vom S-Bahnhof<br />

Wollankstraße zum S-Bahnhof<br />

Pankow zog. Auf dem Leittransparent<br />

prangte eine Moschee<br />

und eine Sprechblase mit der<br />

Aussage: „Denn heute gehört<br />

uns Kreuzberg und morgen die<br />

ganze Welt. Pankow aufgepaßt!“<br />

Dahinter liefen etwa 130 Neonazis<br />

aus NPD und JN, dem Kameradschaftsspektrum<br />

und der<br />

Strausberger Sektion des Märkischen<br />

Heimatschutzes.<br />

Auf der Zwischenkundgebung<br />

nahm NPD-Funktionär Jörg<br />

Hähnel Bezug auf die Bürgerversammlung<br />

und bekräftigte, dass<br />

die Pankower nichts von dem<br />

Bauvorhaben halten würden.<br />

Zum NPD-Aufmarsch waren<br />

nur einzelne Heinersdorfer BürgerInnen<br />

gekommen. <strong>Ein</strong>e Handvoll<br />

von ihnen stieß zu den GegendemonstrantInnen<br />

an der<br />

Pankower Kirche, wo die BVV,<br />

das Bezirksamt, die evangelische<br />

Kirchengemeinde und das Netzwerk<br />

gegen Rassismus, Antisemitismus<br />

und rechte Gewalt zu<br />

einer Kundgebung aufgerufen<br />

hatten.<br />

Wie positiv die NPD die aufgeheizte,<br />

rassistische Stimmung u.<br />

a. auf der Bürgerversammlung<br />

bewertete, zeigt die Gründung eines<br />

„Ortsverband Pankow“ im<br />

April <strong>2006</strong>, mit dem sie weitere<br />

Aktionen gegen den Moscheebau<br />

ankündigte. Diese Gründung sei<br />

das „Spiegelbild einer Entwicklung,<br />

welche die NPD weiter in<br />

die Mitte des Volkes treibt“, erläuterte<br />

der Kreisvorsitzende<br />

Pankow Jörg Hähnel. Ihr anfängliches<br />

Vorhaben, eine eigene<br />

Kampagne zum Moscheebau zu<br />

organisieren, wie mit der oben<br />

erwähnten Demonstration, gab<br />

die NPD im Verlauf der Proteste<br />

zugunsten einer Teilnahme an<br />

den Bürgerprotesten auf, die ihnen<br />

genügend Anknüpfungspunkte<br />

boten. Der weitere Verlauf<br />

des Protestes, wie die Unterschriftensammlung<br />

der ipahb gegen<br />

den Moscheebau oder eine<br />

Demonstration unter dem Motto<br />

„Keine Moschee in Pankow!!! –<br />

Bürgeraktion gegen Überfremdung<br />

unseres Bezirkes“, an der<br />

<strong>Ein</strong> <strong>Schattenbericht</strong> <strong>über</strong> Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung | <strong>Berliner</strong> <strong>Zustände</strong> <strong>2006</strong> | 19

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