Berliner Zustände 2006 | Ein Schattenbericht über ... - Mbr
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Organisierter Rechtsextremismus in Berlin <strong>2006</strong><br />
Wahlerfolg<br />
trotz Schwächen<br />
Die <strong>Berliner</strong> rechtsextreme Szene ist <strong>2006</strong> in einer Entwicklung begriffen,<br />
die sich zwischen der Anbindung an die NPD und JN einerseits und der Auflösung<br />
von Kameradschaftsstrukturen mit gleichzeitig wachsender Straßengewalt<br />
anderseits abspielt. Dabei scheint sich die NPD trotz ihrem Mangel<br />
an aktiven Parteikadern für die bewegungsorientierten Neonazi- und<br />
Mischszenen derzeit als einzige <strong>über</strong>greifende Struktur zu etablieren –<br />
schließlich hat sie sich in Berlin gegen<strong>über</strong> dem gewaltbereiten Spektrum<br />
besonders weit geöffnet. Um den organisierten Rechtsextremismus und<br />
seine Aktivitäten zu betrachten, ist es ob der ständigen Veränderungen notwendig,<br />
sich an Gruppen, Orte und Namen von <strong>Ein</strong>zelpersonen zu halten.<br />
Vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz)<br />
Das Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum<br />
Berlin e.V. (apabiz) bietet Informationen,<br />
Materialien und Bildungsangebote<br />
im Themenbereich Rechtsextremismus,<br />
Antisemitismus und Rassismus an. Zu diesem<br />
Zweck betreibt der Verein ein umfangreiches<br />
öffentlich zugängliches Archiv und<br />
führt Bildungsveranstaltungen durch. Das<br />
apabiz liefert einen Überblick <strong>über</strong> die Entwicklung<br />
des organisierten Rechtsextremismus<br />
im vergangenen Jahr, in dem es vor allem<br />
um die bewegungsorientierte Neonaziszene<br />
und ihre Verbindungen aber auch Abgrenzungen<br />
zu NPD und JN geht.<br />
Dass bestimmte Parteien, Gruppierungen,<br />
Netzwerke oder Medien<br />
dem politischen Rechtsextremismus<br />
zuzurechnen sind, mag in<br />
vielen Fällen unstrittig sein. <strong>Ein</strong>e<br />
Übereinkunft, welche Organisationen<br />
insgesamt diesem Feld zuzurechnen<br />
sind, gibt es jedoch<br />
nicht einmal ansatzweise – weder<br />
in der Wissenschaft noch in der<br />
Politik. Noch un<strong>über</strong>sichtlicher<br />
wird die <strong>Ein</strong>grenzung jener Bereiche,<br />
die einem jugendkulturell geprägten,<br />
vorwiegend bewegungsorientierten<br />
Spektrum zugehören.<br />
Viele Akteure dieses Bereiches geben<br />
sich kein fixiertes Programm,<br />
obwohl sie sich deutlich einer politischen<br />
Agenda verpflichten.<br />
Manche BeobachterInnen des<br />
Rechtsextremismus neigen dazu,<br />
diesen Begriff selber politisch zu<br />
missbrauchen. Diese Tendenz erhöht<br />
die Schwierigkeiten bei einer<br />
genauen Analyse. 1 <strong>Ein</strong> Bericht wie<br />
der vorliegende muss daher seinen<br />
Blickwinkel und die zugrunde gelegten<br />
Definitionen verdeutlichen:<br />
was verstehen wir unter ‚rechtsextrem’<br />
– und was unter ‚organisiert’?<br />
2<br />
Theoretische Grundlage unserer<br />
Arbeit sind die aktuellen Ergebnisse<br />
der Rechtsextremismus-Forschung.<br />
<strong>Ein</strong>e Gruppe namhafter<br />
SozialwissenschaftlerInnen hat<br />
<strong>2006</strong> folgenden Definitionsversuch<br />
als Konsens vorgeschlagen:<br />
"Der Rechtsextremismus ist ein<br />
<strong>Ein</strong>stellungsmuster, dessen verbindendes<br />
Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen<br />
darstellen.<br />
Diese äußern sich im politischen<br />
Bereich in der Affinität zu diktatorischen<br />
Regierungsformen,<br />
chauvinistischen <strong>Ein</strong>stellungen<br />
und einer Verharmlosung bzw.<br />
Rechtfertigung des Nationalsozialismus.<br />
Im sozialen Bereich sind<br />
sie gekennzeichnet durch antisemitische,<br />
fremdenfeindliche und<br />
sozialdarwinistische <strong>Ein</strong>stellungen."<br />
3<br />
Für die Arbeit <strong>über</strong> rechtsextreme<br />
Organisationen und Milieus benutzen<br />
wir einen Arbeitsbegriff,<br />
dessen Eckpunkte wir schon im<br />
Handbuch Deutscher Rechtsextremismus<br />
1996 formulierten. 4 Im<br />
Kern plädieren wir:<br />
> erstens für die deutliche Unterscheidung<br />
zwischen rechtsextremen<br />
und neonazistischen<br />
Organisationen. Beide teilen<br />
weitestgehend die gleichen<br />
ideologischen Grundlagen, bei<br />
letzteren kommt ein offener,<br />
positiver Bezug zum Nationalsozialismus<br />
hinzu und/oder ein<br />
militantes Agieren mit dem<br />
Ziel, ein faschistisches Regime<br />
zu errichten und<br />
> zweitens für die deutliche Unterscheidung<br />
zwischen rechtsextremen<br />
Gruppierungen einerseits<br />
und denjenigen nationalbzw.<br />
rechtskonservativen Gruppierungen<br />
andererseits, die eine<br />
deutliche Sympathie zu rechtsextremen<br />
Inhalten aufweisen.<br />
34 | <strong>Berliner</strong> <strong>Zustände</strong> <strong>2006</strong> | <strong>Ein</strong> <strong>Schattenbericht</strong> <strong>über</strong> Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung