Berliner Zustände 2006 | Ein Schattenbericht über ... - Mbr
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igkeit zu alternativen und nichtrechten<br />
Jugendkulturen nicht in<br />
das rechtsextreme Weltbild passen.<br />
<strong>Ein</strong>e Reihe weiterer Übergriffe<br />
während des <strong>Berliner</strong> Wahlkampfes<br />
lässt sich ebenso in diesen<br />
Kontext einordnen (s.o.) wie<br />
die Fortführung rechtsextremer<br />
Kampagnen gegen Jugendeinrichtungen,<br />
die sich eindeutig gegen<br />
Rechtsextremismus, Rassismus<br />
und Antisemitismus positionieren.<br />
<strong>Ein</strong>e neue Qualität rechtsextremer<br />
Gewalt zeichnet sich insofern<br />
ab, als bereits in 2005 und<br />
verstärkt in <strong>2006</strong> Stadtteile mit<br />
links-alternativem Image gezielt<br />
von Rechtsextremen aufgesucht<br />
wurden, um dort (vermeintlich)<br />
linke oder alternative Jugendliche<br />
und junge Erwachsene zu bedrohen<br />
und anzugreifen. Vor allem<br />
organisierte Rechtsextreme und<br />
Angehörige angebundener Szenen<br />
wie dem Hooligan-Milieu nutzen<br />
diese Stadtteile vermehrt als Ausflugsziel<br />
für gewalttätige und politisch<br />
zielgerichtete Freizeitaktivitäten.<br />
Während es in Bezirken<br />
wie Lichtenberg und Treptow-<br />
Köpenick darum geht, die relative<br />
sozialräumliche Dominanz zu<br />
erhalten und möglichst auszubauen,<br />
geht es in Stadtteilen wie<br />
Friedrichshain und Prenzlauer<br />
Berg neben dem Aktions- und<br />
Eventfaktor auch darum, die bestehende<br />
sozialräumliche Hegemonie<br />
linker und alternativer<br />
Kräfte zu brechen.<br />
Dies ist Ausdruck eines gewachsenen<br />
rechtsextremen Selbstbewusstseins,<br />
dass sich zum einen<br />
auf die Wahlerfolge zurückführen<br />
lässt, zum anderen aber auch darauf,<br />
dass Rechtsextreme aufgrund<br />
ihrer Mimikry-Strategie immer<br />
seltener auch als solche erkannt<br />
werden und sich daher selbst in<br />
alternativ geprägten Wohnvierteln<br />
immer ungehinderter bewegen<br />
können.<br />
Ausblick – Die NPD in den Bezirksverordnetenversammlungen<br />
Die <strong>Berliner</strong> NPD hat sich durch<br />
ihre intensive Kooperation mit<br />
dem aktionsorientierten Kameradschaftsspektrum,<br />
trotz der<br />
Schwäche der eigenen Parteistruktur,<br />
zu einem derzeit alternativlosen<br />
Machtfaktor innerhalb<br />
des <strong>Berliner</strong> Rechtsextremismus<br />
entwickelt. Durch ihren <strong>Ein</strong>zug in<br />
vier Bezirksverordnetenversammlungen<br />
wird die NPD zusätzliche<br />
Außenwirkung entfalten. BVV-<br />
Verordnete der NPD nutzen die<br />
Versammlungen und Ausschüsse<br />
entweder für gezielte Provokationen<br />
und bemühen sich, Anliegen<br />
des <strong>Berliner</strong> Kameradschaftsspektrums<br />
aufzugreifen, oder sie versuchen<br />
sich in pragmatisch angelegter<br />
„Realpolitik“, d.h. sie greifen<br />
vermeintlich bürgernah Anliegen<br />
der kommunalen Öffentlichkeit<br />
auf und stellen scheinbar unideologisch<br />
Forderungen. Je nach<br />
Grad der politischen Erfahrung<br />
der NPD-Verordneten tun sie dies<br />
mehr oder weniger erfolgreich.<br />
Exemplarisch wird diese Doppelstrategie<br />
in der BVV-Fraktion der<br />
NPD in Lichtenberg umgesetzt,<br />
die einerseits <strong>über</strong> eine Verordnete<br />
verfügt, die sich um seriöses<br />
und bürgernahes Auftreten bemüht<br />
und genuines Interesse an<br />
Kommunalpolitik verkörpern<br />
kann und andererseits <strong>über</strong> einen<br />
in aktionsorientierte Zusammenhänge<br />
eingebundenen Verordneten,<br />
der glaubhaft die Anliegen<br />
und Themen von KameradschaftsaktivistInnen<br />
vertreten<br />
kann.<br />
Ob die derzeitige Ausstrahlungskraft<br />
der NPD auf Rechtsextrem-Orientierte<br />
und aktionsorientierte<br />
Rechtsextreme weiter<br />
anhält, und vor allem, ob es der<br />
NPD gelingt, sich als wählbare<br />
und scheinbar demokratische<br />
Partei in den Köpfen der <strong>Berliner</strong><br />
Bevölkerung zu etablieren, wird<br />
wesentlich davon abhängen, wie<br />
die demokratischen Parteien in<br />
den BVVen mit der NPD umgehen.<br />
<strong>Ein</strong>e konsequente inhaltliche<br />
Auseinandersetzung mit der<br />
menschenverachtenden und antidemokratischen<br />
Programmatik<br />
der NPD ist ebenso wie eine<br />
konsequente Abgrenzung von<br />
deren VertreterInnen Voraussetzung<br />
dafür, dass die NPD mit ihrer<br />
„Normalisierungsstrategie“<br />
mittel- und langfristig erfolglos<br />
bleibt und der Spagat zwischen<br />
dem Auftreten als „völkischer<br />
Kummerkasten“ der Bezirksbevölkerung<br />
einerseits und der Zusammenarbeit<br />
mit gewalttätigen<br />
Rechtsextremisten andererseits<br />
zur Zerreißprobe wird.