und tschüss…? - Regierungsrat
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GENAU GENOMMEN<br />
«Wir merken,<br />
wenn<br />
Vollmond ist …»<br />
In der Telefonzentrale der kantonalen Verwaltung<br />
herrscht immer Betrieb. Acht Arbeitsplätze (plus vier zusätzliche<br />
für die Universität) stehen zur Verfügung, um<br />
alle Anrufe entgegenzunehmen. 14 Telefonistinnen insgesamt<br />
sind angestellt. Die Telefonzentrale ist im Blauen<br />
Haus untergebracht, in den Räumen des Justizdepartements<br />
also.<br />
7:45<br />
Lilian Borrini trifft frühzeitig<br />
am Arbeitsplatz ein, um<br />
noch einen Kaffee trinken <strong>und</strong> die<br />
Computer starten zu können. Zusätzlich<br />
wirft sie einen Blick auf<br />
die Pin-Wand, um zu sehen, ob es<br />
Informationen gibt, von denen<br />
sie wissen sollte. Denn Reorganisationen,<br />
Personalwechsel usw.<br />
sind wichtig. Um korrekt verbinden<br />
zu können, müssen die Telefonistinnen<br />
wissen, wer wo arbeitet<br />
<strong>und</strong> wer nicht mehr.<br />
8:30<br />
R<strong>und</strong> 400 externe Anrufe<br />
pro Tag nimmt jede einzelne Telefonistin<br />
in der Zentrale entgegen.<br />
Längere Pausen gibt es kaum. Meistens<br />
ist es im Gegenteil hektisch,<br />
warten Leute darauf, dass eine Linie<br />
frei wird. So auch die ältere<br />
Frau, die sich erk<strong>und</strong>igt, weshalb<br />
ihr AHV-Geld noch nicht ausbezahlt<br />
wurde. Lilian Borrini verbindet<br />
sie mit der entsprechenden<br />
Stelle. Das war eine Routineanruf,<br />
kein Problem, <strong>und</strong> damit auch<br />
kein grösseres Suchen notwendig.<br />
9:30<br />
schweren. «Pro Tag hat es einige<br />
Anrufer, die nicht gerade fre<strong>und</strong>lich<br />
sind», sagt Lilian Borrini.<br />
«Wer gerade einen Zahlungsbefehl<br />
ins Haus bekam oder sonst<br />
Probleme mit der Verwaltung hat,<br />
ist halt nicht so gut aufgelegt»,<br />
tröstet sie sich. «Und wir merken,<br />
wenn Vollmond ist – dann sind<br />
die Leute besonders reizbar.»<br />
11:04<br />
Ein Doktorand aus England<br />
erk<strong>und</strong>igt sich, wo er eine<br />
Aufenthaltsbewilligung erhält.<br />
Seit Arbeitsbeginn hat Lilian Borrini<br />
die meisten der fünf Sprachen,<br />
die sie spricht, verwenden<br />
können. Gerade das gefällt ihr an<br />
ihrer Arbeit: Die gefragte Vielseitigkeit<br />
<strong>und</strong> die Abwechslung. Jeder<br />
Tag ist anders. Jeder Tag bringt<br />
neue Fragen von Anruferinnen<br />
<strong>und</strong> Anrufern.<br />
13:10<br />
Nach der einstündigen<br />
Mittagspause geht’s weiter. Lilian<br />
Borrini kämpft mit einem kompli-<br />
Frau Lilian Borrini: «Speditiv, zuvorkommend,<br />
fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> korrekt müssen wir sein».<br />
Eine St<strong>und</strong>e später. Inzwischen<br />
hat jemand wegen<br />
einer Parkbusse reklamieren<br />
wollen, ein anderer brauchte<br />
ein Leum<strong>und</strong>szeugnis, eine<br />
Frau wollte sich wegen des<br />
Baulärms vor ihrem Haus bezierten<br />
Fall. Der Mann hat Mühe<br />
zu erklären, was er überhaupt will,<br />
<strong>und</strong> die Telefonistin braucht ihre<br />
ganze Erfahrung, um ihn schliesslich<br />
mit der richtigen Stelle verbinden<br />
zu können. «Manchmal<br />
erzählt man uns ganze Märchen»,<br />
sagt sie.<br />
15:40<br />
Über den ganzen Tag gesehen<br />
ist die Mehrheit der Anrufe<br />
Routine, sind es Verbindungen,<br />
die sich innert Sek<strong>und</strong>en herstellen<br />
lassen. Arbeit machen die ungewöhnlichen<br />
Fälle. Als Hilfe hat<br />
Lilian Borrini unter anderem einen<br />
Ordner mit Stichworten, der<br />
in schwierigen Momenten hilft,<br />
die Anrufer mit dem richtigen Ort<br />
zu verbinden. Unter dem Buchstaben<br />
F zum Beispiel finden sich für<br />
so unterschiedliche Begriffe wie<br />
Familienwappen, Fassadenbegrünung,<br />
Fährenvermietung <strong>und</strong><br />
Freinachtbewilligung die entsprechenden<br />
Amststellen. «Speditiv,<br />
Fotos: Niggi Bräuning<br />
zuvorkommend, fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong><br />
korrekt müssen wir sein», sagt Lilian<br />
Borrini. «Wir sind die Visitenkarte<br />
der kantonalen Verwaltung.»<br />
16:23<br />
Ein Mann fragt, ob es ihm<br />
jetzt erlaubt sei, die überhängenden<br />
Äste des nachbarlichen Gartens<br />
abzuschneiden. Als Lilian<br />
Borrini dem Mann erklärt, dass<br />
der zuständige Sachbearbeiter gerade<br />
nicht im Büro sei, fragt der<br />
Mann, ob sie ihm nicht einen Zettel<br />
hinlegen könne. «Die meisten<br />
Anrufer haben keine Ahnung,<br />
dass wir im JD sitzen <strong>und</strong> andere<br />
Amtsstellen teilweise jenseits des<br />
Rheins sind.»<br />
17:30<br />
Der Arbeitstag geht zu<br />
Ende. Daheim jetzt noch Privatgespräche<br />
führen mag die Telefonistin<br />
kaum. «Nur die ganz wichtigen.»<br />
Markus Wüest<br />
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