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Ein biographisch-kritischer Versuch von Ernst Freiherr von Wolzogen

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Erzählung besonders häufig an und erreicht dadurch den Zweck einer feineren Charakteristik<br />

und psychologischen Vertiefung in mehr künstlerischer Art und Weise, als es sonst zu tun<br />

pflegt, indem er jeder Person gleich beim ersten Auftritt einen psychologischen Paß ausstellt.<br />

Der Roman holt weit aus. <strong>Ein</strong> Mr. Armadale in England, Besitzer großer Plantagen in<br />

Barbados, enterbt seinen mißratenen Sohn und tritt seine Plantagen an einen entfernten<br />

Verwandten ab mit der Bedingung, daß derselbe den Namen Armadale annehme. Der enterbte<br />

Armadale kommt unter falschem Namen nach Barbados und gewinnt das Vertrauen seines<br />

glücklicheren Vetters, um sich bei günstiger Gelegenheit desto empfindlicher an ihm rächen<br />

zu können. Diese Gelegenheit kommt bald. Der neue Armadale will sich mit einer sehr<br />

reichen englischen Erbin, welche zur Zeit in Malta sich aufhält, verheiraten. Er hat die Dame<br />

nie gesehen, sondern folgt nur dem Rat seiner Mutter und dem <strong>Ein</strong>druck, den ihr Bild auf ihn<br />

gemacht. Als das Schiff nach Malta zum Abgehen bereit ist, wird er krank. Der ältere<br />

Armadale entflieht mit diesem Schiffe und stellt sich in Malta als der Bräutigam vor. Miß<br />

Blanchard empfindet eine solche Neigung zu ihm, daß sie sich mit ihm verlobt und darein<br />

willigt, ihren Vater zu hintergehen, nachdem sie erfahren hat, daß er nicht der <strong>von</strong> den<br />

beiderseitigen Eltern erwählte Bräutigam sei. Ihre zwölfjährige Dienerin und Vertraute, Lydia<br />

Gwilt, schreibt in der Handschrift <strong>von</strong> des anderen Armadales Mutter einen Brief, welcher<br />

den alten Mr. Blanchard in seinem Irrtum bestärkt und ihn veranlaßt, seine <strong>Ein</strong>willigung zur<br />

schnellen Heirat zu geben. Nun kommt der andere Armadale an, ist hingerissen <strong>von</strong> der<br />

Schönheit seiner versprochenen Braut und außer sich vor Wut über den frechen Räuber.<br />

Ebenso ist Mr. Blanchard aufs Äußerste aufgebracht über den Betrug, den man ihm gespielt<br />

hat. Die Jungvermählten fliehen vor seinem Zorn, der alte Blanchard setzt ihnen nach und der<br />

junge Armadale befindet sich in einer Verkleidung unter seiner Schiffsmannschaft. Sie treffen<br />

auch das Schiff der Flüchtigen, als es gerade im Begriff ist zu sinken. In der Verwirrung des<br />

Rettungswerkes ersieht sich Armadale die günstige Gelegenheit, seinen verhaßten<br />

Namensvetter dadurch umzubringen, daß er ihn in die Kajüte einschließt. Alle übrigen<br />

Personen werden gerettet. Die junge Witwe Armadale, welche durch ihre Heirat mit ihrer<br />

ganzen Familie zerfällt, bringt einen Knaben zur Welt. Bald darauf heiratet auch der andere<br />

Armadale und bekommt gleichfalls einen Knaben. Die fürchterlichen Gewissensbisse<br />

erzeugen in ihm den Wahn, daß der Fluch seiner Mordtat sich auf den Sohn vererben müsse,<br />

und dieser Wahn veranlaßt ihn, seinem Sohn in seinen letzten Augenblicken mit<br />

abergläubischem Pathos vor jeder Berührung mit seinem Namensvetter und allen mit ihm<br />

zusammenhängenden Personen, besonders jener Lydia Gwilt, zu warnen. Dies die<br />

Vorgeschichte des Romans. Der englische Armadale ist in ländlicher Zurückgezogenheit nur<br />

unter der Leitung eines prächtigen Landgeistlichen zu einem starken, gesunden, reizend<br />

offenen und naiven Jüngling herangewachsen, welcher nicht übermäßig viel Geist, aber das<br />

beste Herz <strong>von</strong> der Welt besitzt. Der andere, früh verwaiste Armadale dagegen ist der<br />

unerträglichen Behandlung seines Stiefvaters entflohen und hat ein trauriges Zigeunerleben<br />

geführt, welches jedoch nur dazu gedient hat, seinen Charakter zu stählen und seinen Geist,<br />

wie seine Phantasie auf das ungewöhnlich Romantische hinzulenken. Krank und dem<br />

Verhungern nahe kommt er in das Dorf, in welchem sein Namensvetter lebt. Dessen gutes<br />

Herz ist sofort <strong>von</strong> seinem Unglück gerührt und er wird sein aufopfernder Pfleger, nachher<br />

sein wärmster Freund. Die Schweigsamkeit des anderen Armadale, welcher den häßlichen<br />

Namen Ozias Midwinter angenommen hat, verhindern vorläufig die Entdeckung ihres<br />

Verhältnisses. Als Midwinter einundzwanzig Jahre alt wird, erhält er neben der nicht mehr<br />

bedeutenden Hinterlassenschaft seines Vaters auch jenen inhaltschweren Brief, welcher ihm<br />

zu seinem Schrecken klar macht, daß er durch die wunderliche Fügung des Zufalls der<br />

Busenfreund des Mannes geworden ist, zwischen den und sich er nach dem Willen seines<br />

Vaters „Berge und Meere setzen sollte.“ Er vertraut seinen schweren Kummer dem<br />

väterlichen Freunde Armadales, dem Pastor Broch an, welcher ihm so lange zuredet, bis er<br />

den Brief ins Feuer wirft und sich entschließt, die Sünde seines Vaters lieber durch die

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