Ein biographisch-kritischer Versuch von Ernst Freiherr von Wolzogen
Ein biographisch-kritischer Versuch von Ernst Freiherr von Wolzogen
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ihrer bald überdrüssig wird. Als bei Anne sich die Folgen ihres Fehltrittes bemerkbar zu<br />
machen beginnen, drängt sie Geoffrey aufs Heftigste zur Heirat und nimmt seinen Vorschlag<br />
einer sofortigen heimlichen Ehe an. Sie entflieht aus dem Hause ihrer Freundin, nachdem<br />
Geoffrey ihr versprochen hat, binnen wenigen Stunden ihr nachzukommen, um die Trauung<br />
vollziehen zu lassen. Kaum ist sie fort, als Geoffrey die Nachricht erhält, sein Vater liege im<br />
Sterben. Dieser Vater ist derselbe, inzwischen zum Lord Holchester gewordene Advokat,<br />
welcher einst die Nichtigkeitserklärung der Ehe <strong>von</strong> Annes Mutter durchgesetzt hatte.<br />
Geoffrey, sein jüngerer Sohn, hat sich durch seine Lebensweise und durch seine bewiesene<br />
Unfähigkeit zu jedem standesgemäßen Beruf dem Vater so verhaßt gemacht, daß er seine<br />
Enterbung fürchten muß. Es ist daher für ihn <strong>von</strong> höchster Wichtigkeit, am Sterbebette seines<br />
Vaters zugegen zu sein, um ihn womöglich umzustimmen. Er sendet einen liebenswürdigen,<br />
ehrlichen jungen Mann, welchem er einst das Leben rettete und sich ihn dadurch für immer<br />
verpflichtete, mit seiner Entschuldigung an Anne. Jener, Arnold Brinkworth ist sein Name,<br />
der Verlobte Blanche‘s, erbittet sich eine schriftliche Bestätigung seines Auftrags, welche<br />
Geoffrey in der Eile des Aufbruchs auf einen alten Brief Annes schreibt. Da letztere sich in<br />
dem schottischen Gasthause, wohin sie sich geflüchtet hat, um überhaupt augenommmen zu<br />
werden, als Frau ausgeben mußte, deren Mann in wenigen Stunden nachkommen würde, so<br />
ist auch Arnold genötigt, sie dort als solche anzureden und sich als ihren Mann zu bezeichnen,<br />
denn die Wirtin ist eine puritanisch strenge Person, welche alleinstehenden Damen, die sie<br />
nicht als unzweifelhaft kennt, keine Unterkunft gewährt. Um diese Fiktion aufrecht zu halten,<br />
ist Arnold ferner genötigt, die Nacht in Annes Wohnzimmer zu verbringen. Jener Brief mit<br />
Geoffreys kühler Vertröstung auf „eine spätere Erfüllung seines Versprechens“, welchen<br />
Anne in der ersten Aufregung zornig fortgeworfen hatte, wird <strong>von</strong> einem alten Schuft <strong>von</strong><br />
Kellner aufgehoben und bewahrt. Holchester hat sich inzwischen wieder erholt und hat<br />
Geoffrey eine reiche und vornehme Heirat zur Bedingung für seine Verzeihung gemacht.<br />
Lady Holchester und sein älterer Bruder haben bereits eine passende Partie für ihn gefunden,<br />
so daß Geoffrey nur zuzulangen braucht, um ein großes Vermögen und des Vaters Gunst zu<br />
gewinnen. Da ist ihm denn natürlich das Verhältnis zu Anne ein arger Klotz am Bein und er<br />
trachtet eifrig danach, es irgendwie zu brechen. Zufällig hört er, durch den vortrefflichen,<br />
liebenswürdigen Sir Patrick <strong>von</strong> jener eingangs erwähnten Bestimmung des schottischen<br />
Eherechts. Sofort erkennt er, daß der nichts ahnende Arnold nach diesen Bestimmungen mit<br />
Anne verheiratet sei, und verfolgt nun ohne jeden Gewissensskrupel siene Heiratspläne.<br />
Anne, der er ins Gesicht gesagt hat, sie sei Arnolds Frau, muß wiederum fliehen. Sie kommt<br />
nach Glasgow, wo sie die Meinung zweier Rechtsgelehrten über ihren Fall einholt, welche<br />
jeder das Gegenteil vom anderen behaupten. Die Aufregung und die dadurch veranlaßte<br />
vorzeitige Niederkunft werfen sie in eine lange Krankheit, während welcher Arnolds und<br />
Blanches Hochzeit stattfinder, ohne daß sie dazu kommen kann, ihn über Geoffreys<br />
Niederträchtigkeit aufzuklären. Auf der Hochzeitsreise erhält er erst die niederschmetternde<br />
Nachricht, daß seine Ehe vielleicht gar nicht legitim sei. - Inzwischen hat jener Kellner mit<br />
dem ominösen Briefe, welcher das Verhältnis zwischen Geoffrey und Anne klar legt,<br />
Erpressungsversuche bei der Braut des letzteren, der reichen Mrs. Glenarn, gemacht. Durch<br />
eine Zeitungsindiskretion erfährt Anne da<strong>von</strong> und weiß durch Geld und Drohung den Besitzer<br />
des Doppelbriefes zur Herausgabe desselben zu zwingen. Als sie erfährt, daß nach dem<br />
Inhalte desselben sich eine schottische Ehe zwischen ihr und Geoffrey beweisen lasse, opfert<br />
sie sich großmütig für Blanches Glück auf, indem sie ihre Ansprüche an Geoffrey geltend<br />
macht. Durch die Anerkennung dieser früheren Heirat wird natürlich die mit Arnold<br />
behauptete hinfällig. Geoffrey, welchem durch diese Wendung der Dinge alle seine<br />
glänzenden Aussichten zerstört werden, sinnt auf fürchterliche Rache. Ehe er jedoch seinen<br />
Mordplan wider Anne ausführen kann, rührt ihn der Schlag in Folge der wahnsinnigen<br />
Übertreibung seiner athletischen Übungen und seines Branntweintrinkens.