die PDF - Ulmer Echo
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SCHWERPUNKT<br />
Verschlechterungen<br />
Die Anstalt liegt nicht mehr so zentral<br />
wie <strong>die</strong> »alte Ulm«. Statt der rege verkehrenden<br />
Straßenbahn ist jetzt nur noch<br />
(aber immerhin) ein Bus vorhanden, der<br />
zu den Besuchszeiten <strong>die</strong> JVA alle 20<br />
Minuten an den S-Bahnhof Rath anbindet.<br />
Die telefonische Erreichbarkeit<br />
ist oft schlecht. Wer von draußen zu Besuch<br />
kommt, muss mehr Zeit mitbringen<br />
als früher. Die Wege innerhalb der Anstalt<br />
sind für <strong>die</strong> Besuchenden länger geworden.<br />
Für <strong>die</strong> Inhaftierten ist der Besuch mit<br />
einem Mehr an Kontrolle und erheblich<br />
größerem Zeitaufwand verbunden.<br />
Verbesserungen<br />
Die neuen Besuchsräume<br />
sind heller und<br />
freundlicher, zudem<br />
sauber. Die Struktur<br />
der Besuchsprogression<br />
ist klar. Für »brave«<br />
Längerstrafige ist endlich<br />
Langzeitbesuch<br />
möglich.<br />
Warnung<br />
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe<br />
(BAG-S) fordert einen familiensensiblen<br />
Strafvollzug. Kinder inhaftierter<br />
Eltern werden hart bestraft, wenn sie<br />
keine Möglichkeit erhalten, den Kontakt<br />
zum inhaftierten Elternteil angemessen<br />
aufrecht zu erhalten. Der heutige Strafvollzug<br />
zeigt sich mit seinen Bedingungen alles<br />
andere als familien- oder kindgerecht.<br />
Kein Platz für Nähe<br />
Mädchen und Jungen, deren Eltern<br />
eine Gefängnisstrafe verbüßen, zahlen einen<br />
hohen Preis. Kontaktmöglichkeiten<br />
beschränken sich auf wenige Stunden<br />
im Monat.<br />
Meist können<br />
nur <strong>die</strong><br />
dringendsten<br />
Angelegenheiten<br />
besprochen<br />
werden.<br />
Für Gefühle<br />
und<br />
Nähe, ebenso<br />
für eine<br />
behutsame<br />
Aufarbei-<br />
Besuch ist ein zentrales<br />
Element im Vollzug.<br />
Schlimm genug,<br />
dass eine erhebliche<br />
Zahl der hier Inhaftierten<br />
kaum oder keine<br />
sozialen Kontakte<br />
hat. Für alle anderen<br />
gilt es, sie zu halten.<br />
Ob das gelingt, hängt<br />
auch von den Besuchsbedingungen<br />
ab; vom<br />
Funktionieren der Organisation<br />
und davon,<br />
was <strong>die</strong> Besuchenden<br />
Kontrollschleuse zum Besuchszentrum<br />
»durchmachen« müssen. Ohne Besuch ist<br />
der Gefangene nachhaltig isoliert. Es darf<br />
nicht sein, dass Kontakte zur Außenwelt<br />
nur als Sicherheitsrisiko wahrgenommen<br />
und erschwert werden. Wie wäre es z.B.<br />
mit einer umgekehrten Besuchsprogression:<br />
wer sich nichts hat zuschulden kommen<br />
lassen, genießt <strong>die</strong> Vorteile der Stufe<br />
II. Das wäre näher an der Normalität.<br />
Anmerkung des Anstaltsleiters:<br />
Verzögerungen, <strong>die</strong> zu Kürzungen der Netto-<br />
Besuchszeit führen, liegen nicht am Team, sondern<br />
an Verspätungen der Besucher. – Terminabsprachen<br />
sind auch am besuchsfreien Montag<br />
und per Mail möglich.<br />
Kinder werden mitbestraft<br />
Familien brauchen dringend Unterstützung<br />
tung des<br />
Geschehenen<br />
gibt es<br />
selten Zeit<br />
und Raum.<br />
Kinder bleiben<br />
so mit<br />
ihren Fragen<br />
und<br />
Nöten allein<br />
und laufen<br />
Gefahr, in ihrer<br />
emotionalen und sozialen Entwicklung<br />
schwer beeinträchtigt zu werden.<br />
Family Mainstreaming<br />
Ihre Vorschläge und Forderungen für<br />
einen angemessenen Umgang mit Kindern<br />
im Vollzug fasst <strong>die</strong> BAG-S unter dem Titel<br />
»Family Mainstreaming« zusammen.<br />
Zunächst erscheint es wichtig, Kinder<br />
nicht mehr als Störung im Betriebsablauf<br />
einer JVA, sondern als Leidtragende der<br />
Inhaftierung wahrzunehmen. Die Auseinandersetzung<br />
zwischen Inhaftieren und<br />
Ihren Kindern findet auf einer Ebene statt,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Psychologen eines Gefängnisses mit<br />
einem Gefangenen nie erreichen werden.<br />
Auch <strong>die</strong> Konfrontation mit dem, was ein<br />
Täter angerichtet hat, wird nirgends stärker<br />
sein als im Kontakt gerade zu den Kindern.<br />
Deshalb fordert <strong>die</strong> BAG-S »Family<br />
Mainstreaming« und wirbt z.B. für einen<br />
unabhängigen Kinder- und Familienbeauftragten<br />
in jeder Justizvollzugsanstalt.<br />
Familientage in der <strong>Ulmer</strong> Höh‘<br />
Beim Thema »Familie und Kinder«<br />
steht <strong>die</strong> JVA Düsseldorf im Vergleich zu<br />
anderen Gefängnissen in NRW gar nicht<br />
so schlecht da.<br />
Schon seit den 1990ern gibt es hier <strong>die</strong><br />
Partnerschafts- und Familienberatung über<br />
Herrn Gamber. Katholische Beratungsstelle<br />
für Ehe-, Familien- und Lebensfragen<br />
Düsseldorf, JVA Düsseldorf, Katholischer<br />
Gefängnisverein Düsseldorf und Diakonie<br />
Düsseldorf veranstalten seit Jahren regelmäßig<br />
das Projekt »Familientage«.<br />
Das Projekt überzeugt mit einem<br />
durchdachten Konzept. Inhaftierte wie<br />
auch Familien werden vor den Familientagen<br />
begleitet und betreut, auch nach den<br />
Familientagen ist eine Weiterbetreuung<br />
der Familien möglich. Im Zentrum stehen<br />
drei Nachmittage, an denen <strong>die</strong> Teilnehmer<br />
jeweils vier Stunden gemeinsame Zeit<br />
mit ihren Angehörigen haben. Eckpunkte<br />
sind dabei u.a.: eigenes und gemeinsames<br />
Handeln in der Familie und in der Gruppe;<br />
sich selbst und anderen kommunikativ<br />
begegnen. Dabei kommen auch kreative<br />
Methoden zum Zug. Vor und nach <strong>die</strong>sen<br />
Nachmittagen findet jeweils eine Gruppensitzung<br />
mit den Eltern statt.<br />
Das Projekt fördert <strong>die</strong> bestehenden<br />
Bindungen und wirkt beispielhaft einer<br />
Entfremdung während der Haftzeit entgegen.<br />
Doch: bisher können zweimal im Jahr<br />
jeweils nur 6 Gefangene teilnehmen.<br />
Der Bericht des Justizvollzugsbeauftragten<br />
NRW berichtet von einem anderen vorbildlichen<br />
Projekt: In der JVA Bochum initiierte<br />
der katholische Verein für soziale Dienste<br />
regelmäßig stattfindende Vater-Kind-Gruppen,<br />
in denen Kids zweimal im Monat für<br />
jeweils drei Stunden mit ihren Vätern Zeit<br />
verbringen. Ergänzend dazu bietet der SKM<br />
Bochum einen Gesprächskreis für <strong>die</strong> Beteiligten<br />
an.<br />
[füx+ws]<br />
8 ULMER ECHO 2-2012