komplette Museumsbuch - Museum für Energiegeschichte(n)
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Licht und Wärme | Der Rauchverzehrer<br />
„ ... Und grimme Glut mein Herz verzehrt ...“<br />
Der Rauchverzehrer<br />
Nierentisch und Häkeldeckchen, das Radio mit Sprungtasten und die Stehlampe<br />
mit Tütenschirm waren ein Muss im kleinbürgerlichen Wohnzimmer<br />
der 1950er Jahre. Und noch etwas gehörte zum vorgeblichen Idyll wie der<br />
Gartenzwerg zum Blumenbeet: der Rauchverzehrer. Heutzutage ist das Rauchen<br />
eine rigoros verdammungswürdige Sucht, dazumal galt es als ein Ausdruck weltgewandter<br />
Eleganz. So ändern sich die Zeiten. Aber sie ändern sich womöglich<br />
auch wieder. Was aber hatte es nun mit dem Rauchverzehrer auf sich?<br />
Im Innern seines Porzellankörpers befindet sich nichts weiter als eine<br />
Glühlampe, weshalb er meist auf einem Rundfunkgerät stand, denn dort war<br />
die Steckdose gleich in der Nähe und ein Hintergrundlicht <strong>für</strong> das Fernsehen<br />
war von den Augenärzten empfohlen.<br />
Schaltet man den Rauchverzehrer ein, so erzeugt die Lampe neben Licht natürlich auch<br />
Wärme, wodurch das eingeträufelte Parfüm verdampft wird, das wiederum den Rauch ein wenig<br />
umhüllt oder würzt. Die warme Luft steigt nach oben, der Rauch wird zur Zimmerdecke mitgenommen:<br />
aus der Nase, aus den Augen, aus dem Sinn. Die Schadstoffmenge freilich bleibt gleich, den<br />
Rauch verzehren unwiderruflich die Anwesenden selbst.<br />
Der Täuschung ungeachtet durften die Rauchverzehrer in keiner guten Stube fehlen. Man<br />
kann diese bunten Gebilde als Kitsch belächeln oder sie als Sammlungsobjekt begehren. Oder als<br />
Sinnbild der damaligen Alltagskultur betrachten, als Symptom des Wunsches nach Wärme und Harmonie,<br />
in Diensten der Verdrängung. Das Deutsche Historische <strong>Museum</strong> führt unter der Rubrikenkette<br />
„Hauswirtschaft – Raumschmuck – Tischschmuck“ zwei Exemplare in seiner Objektdatenbank,<br />
einen Kakadu und einen Papagei. Im Kampf um den Platz im Wohnzimmer setzten sich aber die<br />
Klassiker Katze, Hund und Eule durch, auch der röhrende Hirsch galt als Highlight <strong>für</strong> jeden Stubenschrank.<br />
In welcher Gestalt auch immer: das Verzehren war der Verniedlichung untergeordnet,<br />
anders als in Heines „Buch der Lieder“: „... Es kocht mein Blut und schäumt und gärt / Und grimme<br />
Glut mein Herz verzehrt“.<br />
| Elektrischer Rauchverzehrer aus Porzellan, 1950er Jahre