komplette Museumsbuch - Museum für Energiegeschichte(n)
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Haushalt | Der Staubsauger<br />
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Elektrifizierung der Haushalte nicht mehr aufzuhalten.<br />
Elektrische Glühlampen ersetzten die Gasbeleuchtung, Kochtöpfe mit Stromanschluss<br />
den Kohleherd und selbst in den Rauchsalons zündete man sich seine Zigarre<br />
nicht mehr mit dem Streichholz, sondern mit dem elektrischen Zigarrenanzünder an. Auch dem<br />
Staub ging es nun mit Hilfe einer Maschine an den Kragen, zwar zunächst noch nicht elektrisch,<br />
aber da<strong>für</strong> sehr effektvoll und unübersehbar: der Vacuum Cleaner, zu Deutsch Staubsauger, wurde<br />
1901 von einem Engländer, dem Brückenbauingenieur Cecil Booth, erschaffen.<br />
Booth, der erst wenige Jahre zuvor als Chefkonstrukteur das Riesenrad im Wiener Prater<br />
errichtet hatte, gehörte zu den Anwesenden, als die Midland Railway<br />
Company im Londoner Bahnhof St. Pancras eine Maschine vorführte, die<br />
die Polster in den Wagons von Schmutz und Staub mit Pressluft befreien<br />
Der Staub muss nicht fortgeblasen,<br />
sollte. Genauer: versuchte, den aufgewirbelten Staub in einem Behälter<br />
aufzufangen. Es misslang.<br />
sondern eingesaugt werden.<br />
Booth erkannte den grundsätzlichen Fehler. Der<br />
Staub muss nicht fortgeblasen, sondern eingesaugt<br />
werden. Der Dreh war zwar nicht gänzlich neu, aber um<br />
so mehr seine Idee, einen Filter dazwischenzuschalten.<br />
Die sinnreiche Ergänzung bewies ein simpler Versuch,<br />
um dessen Szenerie unterschiedliche Legenden ranken.<br />
Nehmen wir diese: Im heimischen Wohnzimmer saugt<br />
Booth mit einem weißen Taschentuch vor dem Mund<br />
einen Polstersitz ab. An der Unterseite des Gewebes<br />
bleib der Staub hängen. Voila!<br />
Bereits Ende August 1901 konnte sich Booth den Vacuum Cleaner patentieren lassen,<br />
eine fraglos einsatzfähige, wenn auch äußerst sperrige Apparatur. Unverzüglich weckte das<br />
vierrädrige Gefährt der alsbald gegründeten Reinigungsfirma British Vacuum Cleaner Company<br />
(BVCC) in den Straßen Londons größte Aufmerksamkeit. Vor dem Haus des Kunden traf<br />
das livrierte Personal auf einem Pferdegespann ein, darauf montiert der Motor, die riesige<br />
Vakuumpumpe, der Filterkessel und mehrere hundert Meter Schläuche.<br />
Das Werbeplakat der AEG aus dem<br />
Jahr 1925 ist untertitelt mit dem Slogan:<br />
„Ganz Dame und doch Hausfrau“<br />
Anfangs wurde ein Benzinmotor verwendet, später ein Elektromotor<br />
mit Akkumulatoren. Wie eine Riesenkrake erklommen die Schläuche<br />
die Wohnungen und Geschäfte durch die Fenster. Die aufwändige<br />
Prozedur, bedient von in Weiß gekleideten Herren, galt bald als schick, zumal<br />
nachdem Edward VII. dem Vacuum Cleaner im Buckingham Palast königliches<br />
Lob spendiert hatte. Fortan lud die Upper Class zur Five-o‘clock-Teaparty und<br />
ließ dazu die Räumlichkeiten durch die uniformierten Bediensteten der BVCC<br />
reinigen.<br />
Ärger, nichts als Ärger erzeugte der Lärm allerdings drumherum. Da<br />
waren die Droschkenfahrer, die um die Disziplin ihrer Pferde <strong>für</strong>chteten; da<br />
umringten die angelockten Gaffer die Einsatzorte und die Nachbarn riefen<br />
die Polizei. Von dem Verkehrschaos nicht zu reden.<br />
Es dauerte noch einige Jahre, bis die elektrischen Entstaubungspumpen,<br />
wie die Apparaturen auf Deutsch zunächst hießen, so klein wurden,<br />
dass man sie bequem im Haus herumtragen konnte. In Amerika war<br />
man weiter: ein gewisser James Murray Spangler entwickelte bereits 1907<br />
einen handlichen Staubsauger. Spangler war Hausmeister in Ohio. Er verkaufte<br />
später sein Patent an den Lederfabrikanten William Hoover.<br />
Und in Europa? 1914 wog der Staubsauger Santo der AEG inklusive Kessel nur noch 23<br />
Kilogramm. Er kostete allerdings stolze 550 Reichsmark. Zum Vergleich: Eine Waschfrau<br />
verdiente zu dieser Zeit ganze drei Reichsmark am Tag.<br />
Erst Anfang der zwanziger Jahre kamen in Deutschland leichte und erschwingliche<br />
Handstaubsauger auf den Markt. Zu Recht konnte nun die AEG <strong>für</strong> ihr Modell Vampyr mit dem<br />
Spruch „Dame und doch Hausfrau“ werben. Den großen Durchbruch in Deutschland erlebte<br />
das Sinnbild der Hauswirtschaft in den 30er Jahren, nachdem Vorwerk seinen Direktvertrieb<br />
eingerichtet hatte und den „Kobold“ an der Haustür verkaufte. Aber dieser Geschichte sei ein<br />
eigenes Kapitel vorbehalten.