Filmtage auch in Homburg - In-4mation
Filmtage auch in Homburg - In-4mation
Filmtage auch in Homburg - In-4mation
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gewerkschaftsjugend<br />
Millimeterarbeit<br />
Junge Menschen s<strong>in</strong>d überhaupt<br />
nicht unpolitisch. Für Victoria<br />
Sklomeit von ver.di und Lars<br />
Desgranges von der IG Metall<br />
kommt es darauf an, sie mitzunehmen<br />
und mit ihnen zu diskutieren.<br />
So wird die alljährliche<br />
Mai-Demo zum Event mit e<strong>in</strong>er<br />
Mixtur aus Spaß und Politik.<br />
„Her mit dem schönen Leben!“ Bunte,<br />
kampfeslustige Smileys an der Wand im<br />
Besprechungsraum machen auf ihrem<br />
Transparent e<strong>in</strong>e klare Ansage. Auf dem<br />
Boden liegen Schlafsäcke, Kisten mit<br />
Gläsern stehen herum. „Tut mir leid“,<br />
entschuldigt sich Victoria Sklomeit, „wir<br />
hatten gerade unser ver.di-Jugend-Camp<br />
<strong>in</strong> Ludweiler…“ Die gelernte Kauffrau<br />
für Bürokommunikation und ehemalige<br />
Vorsitzende e<strong>in</strong>er Ausbildungsvertretung<br />
bei der Deutschen Telekom weiß,<br />
dass es bei Großveranstaltungen immer<br />
etwas turbulent zugeht. Als ver.di-Landesjugendsekretär<strong>in</strong><br />
für das Saarland<br />
und ver.di-Bezirkssekretär<strong>in</strong> für die Region<br />
Trier kümmert sie sich seit 1. Juli<br />
2008 um den Nachwuchs <strong>in</strong> der Dienstleistungsgewerkschaft.<br />
Drei Tage Ludweiler, das waren drei Tage<br />
„die spaßige Seite“, aber <strong>auch</strong> Workshops<br />
über Wahlen, zum Thema Antirassismus,<br />
Globalisierung, M<strong>in</strong>destlohn<br />
oder Ladenschluss. „Bei solchen Camps<br />
können wir Berührungsängste abbauen<br />
und <strong>auch</strong> politische Themen mit den<br />
jungen Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen besprechen“,<br />
sagt die 26-Jährige.<br />
Lars Desgranges sieht das ganz genauso.<br />
2010 wird es fünf statt vier Wochensem<strong>in</strong>are<br />
„Junge Arbeitnehmer <strong>in</strong> Betrieb,<br />
Wirtschaft und Gesellschaft I“ geben. <strong>In</strong><br />
solchen Sem<strong>in</strong>are lernen sich die jungen<br />
Leute besser kennen und sehen <strong>auch</strong>,<br />
was <strong>in</strong> den Betrieben der anderen geht,<br />
oder <strong>auch</strong> nicht, so der 30-Jährige von<br />
der IG-Metall-Verwaltungsstelle Völkl<strong>in</strong>gen.<br />
Als Gewerkschaftssekretär ist er für<br />
die jungen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer<br />
zuständig. Er betreut 16 Jugend-<br />
und Auszubildendenvertretungen<br />
und e<strong>in</strong>en Ortsjugendausschuss. Als ehemaliger<br />
Azubi bei der Dill<strong>in</strong>ger Hütte<br />
weiß Desgranges nur zu gut, wie se<strong>in</strong>e<br />
jüngeren Kollegen ticken.<br />
F<strong>in</strong>anz- und Wirtschaftskrise. Dieses<br />
Wortungetüm kann der Metaller kaum<br />
noch hören, beschäftigt es ihn doch jeden<br />
Tag. <strong>In</strong> vielen Betrieben wird Kurzarbeit<br />
gefahren, junge Kolleg<strong>in</strong>nen und<br />
Kollegen wissen nicht, ob sie übernommen<br />
werden. Bei den großen Betrieben<br />
wie Ford, der Dill<strong>in</strong>ger Hütte oder Saarstahl<br />
gibt es neben der tariflich vere<strong>in</strong>barten<br />
Übernahmegarantie für zwölf<br />
Monate firmenspezifische Regelungen<br />
zur Übernahme. „Da sieht es ganz gut<br />
aus“, sagt Desgranges. Über kle<strong>in</strong>e, unsche<strong>in</strong>bare<br />
Erfolge weiß der junge Gewerkschafter,<br />
der die Jugendvertretungen<br />
<strong>in</strong> den Betrieben unterstützt,<br />
<strong>auch</strong> zu berichten: „Wir haben es per<br />
Haustarifvertrag bei e<strong>in</strong>em Ford-Zulieferer,<br />
der fast 300 Leute <strong>in</strong> Saarlouis und<br />
deutschlandweit 2.000 Mitarbeiter beschäftigt,<br />
geschafft, dass jetzt e<strong>in</strong>e Auszubildende<br />
e<strong>in</strong>gestellt wurde.“ So sei es<br />
manchmal „Millimeterarbeit“, Forderungen<br />
– wie die nach Ausbildungsplätzen<br />
– durchzusetzen.<br />
Victoria Sklomeit sieht die Krise <strong>in</strong> den<br />
Dienstleistungsbetrieben noch nicht so<br />
hart angekommen. Zurzeit gebe es noch<br />
relativ gute Ausbildungsquoten, aber<br />
„spätestens im nächsten Jahr wird es<br />
sehr eng“, lautet ihre Prognose. Wobei<br />
sie <strong>in</strong> Gesprächen mit jungen ver.di-Mitgliedern<br />
erfahren hat, dass die Jugendlichen<br />
ihre Sorgen nicht bei sich selbst<br />
sehen, sondern bei ihren Eltern, die von<br />
Arbeitslosigkeit bedroht s<strong>in</strong>d.<br />
Wie politisch s<strong>in</strong>d eigentlich Jugendliche<br />
von heute? Sie kommen verme<strong>in</strong>tlich<br />
unpolitisch daher, aber wenn man sie<br />
abholt, wo sie stehen und mit ihnen <strong>in</strong>s<br />
Gespräch kommt, dann sehe man oder<br />
zeige man ihnen recht schnell das Gegenteil,<br />
me<strong>in</strong>e beiden Gewerkschafter.<br />
„Da gibt es Berührungsängste“, aber<br />
wenn Themen auf die persönliche Ebene<br />
kämen, sehen die Jugendlichen<br />
schnell, dass ihre Forderungen politisch<br />
werden. ver.di-Frau Sklomeit berichtet<br />
von e<strong>in</strong>er Aktion mit dem „Café Exodus“<br />
<strong>in</strong> Saarbrücken. Dort habe man mit<br />
12- bis 16-Jährigen über Leih- und Zeitarbeit<br />
gesprochen. E<strong>in</strong> hochbrisantes,<br />
politisch umstrittenes Thema. „Damit<br />
haben wir doch nichts zu tun, was geht<br />
uns das an“, wehrten die K<strong>in</strong>der und Jugendlichen<br />
ab, wie die junge ver.di-Frau<br />
berichtet. Am Ende sei ihnen aber klar<br />
geworden, welche Probleme Leih- und<br />
Zeitarbeit mit sich br<strong>in</strong>gen, sagt Victoria<br />
Sklomeit. Nämlich dann, wenn ihre Eltern<br />
wenig verdienen, ihre Arbeitsstelle<br />
verlieren, dann fallen am Ende die neuen<br />
Turnschuhe weg...<br />
Die Hexennacht am 30. April ist die lange<br />
Nacht vor dem 1. Mai. Jedes Jahr. Da<br />
wird gefeiert, was das Zeug hält. Und<br />
der 1. Mai ist der weltweite Protesttag<br />
der Gewerkschaften, <strong>in</strong> Saarbrücken ruft<br />
der Deutsche Gewerkschaftsbund zur<br />
1.-Mai-Demonstration. „Anderswo ist<br />
das e<strong>in</strong>e übliche ‚Latsch-Demo’“, sagt<br />
Victoria Sklomeit, aber hier <strong>in</strong> der Landeshauptstadt<br />
„ist das e<strong>in</strong>e sehr positive<br />
Veranstaltung.“ 2009 sorgten die jungen<br />
ver.di-Mitglieder mit sogenannten<br />
„Standbildern“ für Aufsehen: Mitten <strong>in</strong><br />
der Demo steht auf e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> junger<br />
Mensch mit e<strong>in</strong>em Schild („Me<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
zur Kosmetiker<strong>in</strong> kostet ca.<br />
3.000 Euro, das ist 1,2-mal die Abwrackprämie“)<br />
um den Hals auf e<strong>in</strong>em Bierkasten.<br />
Die politische Botschaft war: Wer<br />
se<strong>in</strong>en Wunschberuf erlernen will, muss<br />
dafür bezahlen. „Was tut die Politik, die<br />
Milliarden <strong>in</strong> die Banken pumpt, für<br />
mich?“, wollte die ver.di-Jugend wissen.<br />
„Auf geht’s zur Mittagsschicht“. Das war<br />
das Motto der Metall-Jugend aus Völkl<strong>in</strong>gen,<br />
die sich als Senioren verkleidet<br />
hatten. „Wir br<strong>auch</strong>en doch gute Arbeitsplätze<br />
für junge Menschen, und<br />
ke<strong>in</strong>e ‚Rente mit 67’“, betont Lars Desgranges.<br />
Es könne doch nicht se<strong>in</strong>, dass<br />
Opa zur Schicht geht und der Enkel arbeitslos<br />
ist. „Bei so e<strong>in</strong>er Mai-Demo verb<strong>in</strong>den<br />
wir das Angenehme mit dem Politischen,<br />
das klappt gut“, kommt<br />
Desgranges e<strong>in</strong> wenig <strong>in</strong>s Schwärmen.<br />
Der 1. Mai sei alles andere als „e<strong>in</strong>e<br />
Pflichtveranstaltung“. „Wenn ich nach<br />
Saarbrücken zur Demo komme“, sagt<br />
Desgranges, „treffe ich Freunde, höre<br />
<strong>in</strong>teressante Redner.“ Überzeugen? Ja!<br />
Überreden? Ne<strong>in</strong>! Desgranges und<br />
Sklomeit haben dasselbe Rezept.<br />
<strong>In</strong>fos: http://cms.verdijugend-rlp.de;<br />
www.igm-jugend-bezirk-frankfurt.de;<br />
www.igmetall-voelkl<strong>in</strong>gen.de<br />
Text: Peter Jacob<br />
Fotos: Pasquale D’Angiolillo<br />
22 23