Zum Spanischen Bürgerkrieg - Arbeiterstimme
Zum Spanischen Bürgerkrieg - Arbeiterstimme
Zum Spanischen Bürgerkrieg - Arbeiterstimme
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Herbst 2006<br />
<strong>Arbeiterstimme</strong><br />
25<br />
entnahm ich der Auflistung des bürgerlichen<br />
Historikers Hugh Thomas,<br />
der Berichte des deutschen Militärattaches<br />
in Ankara auswertete. Es ist<br />
anzunehmen, daß der Diplomat Nazideutschlands<br />
die Zahlen eher überals<br />
untertrieben hat. Das lag im Interesse<br />
der faschistischen Mächte, die<br />
ihre eigene Einmischung vor der internationalen<br />
Nichteinmischungskommission<br />
(England, Frankreich,<br />
Deutschland, Italien, Sowjetunion)<br />
mit den sowjetischen Lieferungen<br />
rechtfertigen wollten.<br />
Die Hilfslieferungen der UdSSR<br />
begannen relativ spät. Während die<br />
Putschisten von Anfang an von den<br />
faschistischen Staaten unterstützt<br />
wurden, kamen erst im September<br />
1936 geringe Mengen Kriegsmaterial<br />
und Munition an. Im Oktober kamen<br />
die ersten 25 Flugzeuge. Die<br />
meisten Lieferungen erfolgten im<br />
Jahr 1937. 1938 gingen sie stark zurück.<br />
Insgesamt lieferte die Sowjetunion<br />
nach dieser Quelle bis März<br />
1938 242 Flugzeuge, 731 Panzerwagen,<br />
69.200 Tonnen allgemeines<br />
Kriegsmaterial, 29.125 Tonnen Munition;<br />
zudem Benzin, Sanitätsausrüstung<br />
und ähnliches. Qualität und Alter<br />
der Waffen und Geräte waren unterschiedlich.<br />
Bei Flugzeugen war die<br />
qualitative Differenz zu den neu entwickelten<br />
deutschen Kampfflugzeugen<br />
besonders groß.<br />
Außerdem kamen 905 Offiziere<br />
und Mannschaften, teilweise Instrukteure<br />
und Flugzeugführer, aber<br />
auch Agenten der sowjetischen Geheimpolizei,<br />
die bei der Verfolgung<br />
der angeblichen Trotzkisten eine<br />
wichtige und leitende Funktion hatten.<br />
Die Verteilung der Waffen war<br />
äußerst unterschiedlich. Anarchistische<br />
und frühere POUM-Milizen wurden<br />
so gut wie gar nicht bedacht, berichtet<br />
Waldemar Bolze (KPD O), der<br />
1937 an der Huesca-Front bei einer<br />
POUM-Einheit kämpfte. Regimenter<br />
unter dem Einfluß der PCE wurden<br />
gut ausgestattet (Reventlow, Thomas<br />
u. a.). Waffen, Munition usw. wurden<br />
also nicht nach den Notwendigkeiten<br />
der einzelnen Frontabschnitte oder<br />
Truppenteile eingesetzt sondern nach<br />
politischen Prioritäten. Auch das minderte<br />
ihre Wirksamkeit. In der Endphase<br />
des <strong>Bürgerkrieg</strong>s wurden die<br />
Lieferungen im wesentlichen eingestellt.<br />
Auch dies trug zum raschen Zusammenbruch<br />
der republikanischen<br />
Fronten bei.<br />
Trotzdem bleibt die Waffenhilfe<br />
der UdSSR die bei weitem bedeutendste.<br />
Frankreich hatte zwar in den<br />
ersten Monaten nach dem Putsch Lieferungen<br />
und Freiwillige über die Pyrenäen<br />
gelassen, dann aber die Grenze<br />
gesperrt. Die bürgerlich demokratischen<br />
Länder Frankreich und England<br />
verweigerten der Republik die<br />
Unterstützung.<br />
Daß sich die Sowjetunion zur<br />
Deckung der Kosten für die Lieferungen<br />
die Goldreserven der spanischen<br />
Nationalbank ausliefern ließ, wird<br />
von manchen kritisiert. Diese Kritik<br />
kann ich nicht teilen. Die UdSSR war<br />
ein vergleichsweise armes Land, der<br />
kostenlose Lieferungen sicher schwer<br />
gefallen wären. Außerdem: Wäre das<br />
Gold bei den Putschisten besser aufgehoben<br />
gewesen?<br />
Bilanz der Volksfront<br />
Der <strong>Bürgerkrieg</strong> war den linken<br />
bürgerlichen den sozialistisch/kommunistischen<br />
und anarchistischen<br />
Kräften aufgezwungen worden.<br />
Zunächst konnte das republikanische<br />
Spanien den Putsch auf die weniger<br />
besiedelten und industrialisierten<br />
Teile des Landes beschränken. Das<br />
lag nicht an der bürgerlich-republikanischen<br />
Regierung sondern an der<br />
Entfesselung der revolutionären Energie<br />
der Arbeiterklasse vor allem in<br />
Katalonien.<br />
Die Putschisten konnten sich<br />
behaupten durch die massive militärische<br />
Unterstützung durch das faschistische<br />
Italien und Nazideutschland.<br />
Die Überlegenheit bei modernen<br />
Waffen konnte durch die Hilfe<br />
der Sowjetunion zwar abgemildert<br />
aber nicht ausgeglichen werden.<br />
In dieser Situation mußte die<br />
Verfolgung der radikalen Linken, der<br />
POUM und teilweise der Anarchosyndikalisten,<br />
die entschiedensten Verteidiger<br />
der Republik schwächen. Was<br />
stand dem an Vorteilen im Kräfteverhältnis<br />
im republikanischen Lager<br />
gegenüber? Die bürgerlichen Republikaner<br />
hatten keinen militärisch wichtigen<br />
Anhang. Einzelne republikanische<br />
Beamte und Offiziere verweigerten<br />
zwar den Putschisten den Gehorsam,<br />
ein lebensgefährliches Unternehmen,<br />
doch das war auch alles. Es<br />
könnte eingewandt werden, daß Teile<br />
der Armee und Polizei, die sich den<br />
Putschisten nicht angeschlossen hatten,<br />
die Hausmacht der Republikaner<br />
waren. Dagegen steht, daß diese Militärs<br />
in den Augen der Putschisten Verräter<br />
an Spanien waren. Diese Teile der<br />
Streitkräfte hatten von ihren ehemaligen<br />
Kameraden nichts zu erwarten als<br />
den Tod - viele fanden ihn in den<br />
Kämpfen und nach der Niederlage.<br />
Das Kräfteverhältnis verschlechterte<br />
sich also für die Republik<br />
durch den Kampf gegen Links.<br />
Die Bindung der PCE und der sozialistischen<br />
Partei an die Bürgerlichen<br />
hatte zur Anwendung militärischer<br />
Gewalt gegen die Linke und zu deren<br />
Schwächung bzw. Vernichtung<br />
geführt. Vorteile im Krieg ergaben<br />
sich daraus nicht.<br />
Was auf der linken Seite des<br />
politischen Spektrums verloren ging,<br />
wurde auf der rechten Seite nicht<br />
gewonnen.<br />
Ein anderes Argument spricht<br />
gegen die Politik der Volksfront. Die<br />
republikanischen Truppen hatten<br />
zwar bedeutende Erfolge in der Defensive.<br />
Vor allem gelang die Verteidigung<br />
von Madrid. Dabei spielten<br />
Tapferkeit und Einsatzbereitschaft der<br />
Internationalen Brigaden, die dort<br />
zum ersten Mal in größerer Zahl zum<br />
Einsatz kamen, eine wichtige Rolle. Es<br />
gelang den republikanischen Armeen<br />
jedoch nie, über Anfangserfolge hinaus<br />
in die Offensive zu kommen. Kriege<br />
(auch <strong>Bürgerkrieg</strong>e) werden aber<br />
selten aus der Defensive heraus gewonnen.<br />
Was hätte näher liegen<br />
müssen als in die politische Offensive<br />
zu gehen. Das bedeutete neben<br />
der Fortentwicklung der sozialistischen<br />
Ansätze auf republikanischem<br />
Gebiet die Ausrufung einer Landreform,<br />
um die Landlosen in Südspanien<br />
zu gewinnen und die Entlassung<br />
spanisch Marokkos aus der<br />
kolonialen Unterdrückung. Solche<br />
Bündnisse hätten eine wohl entscheidende<br />
Stärkung der Republik bedeuten<br />
können. Doch das war der Volksfront<br />
aus Rücksicht auf die Bürgerlichen<br />
nicht möglich.<br />
Natürlich gibt es keine Garantie<br />
dafür, daß diese politische Offensive<br />
zum militärischen Sieg geführt<br />
hätte. In der Geschichte gibt es keine<br />
Garantien. Verzicht auf die politische<br />
Weiterentwicklung der spanischen<br />
Widersprüche war aber der sichere<br />
Weg in die Niederlage.