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(pdf) Der Lindenberger Pferdehandel - Gmv-lindenberg.de

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Quelle: Westallgäuer Heimatblätter 1935, 6. Band S.17<br />

<strong>Der</strong> <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong><br />

<strong>Der</strong> erste wichtige Meilenstein in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Stadt Lin<strong>de</strong>nberg war <strong>de</strong>r <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong>.<br />

Wann setzte in Lin<strong>de</strong>nberg <strong>de</strong>r <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong> ein?<br />

<strong>Der</strong> erste bekannte Pfer<strong>de</strong>händler war Hans Georg König, geb. 17. Januar 1637 in Lin<strong>de</strong>nberg,<br />

gestorben 1. Oktober 1712 in Lin<strong>de</strong>nberg 1 . Er reiste mit <strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>n bis nach Palermo und<br />

Messina auf Sizilien. Demnach war er <strong>de</strong>r erste <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong>, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong> in die Hand<br />

nahm und große Reisen machte, um Han<strong>de</strong>lsbeziehungen anzuknüpfen und auszuwerten.<br />

Nur durch solche zu außenstehen<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lskreisen, in diesem Falle zu italienischen, ist es auch<br />

zu erklären, dass es diesem Han<strong>de</strong>lspionier gelang, <strong>de</strong>n <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong> über Lin<strong>de</strong>nberg zu leiten,<br />

das we<strong>de</strong>r eine günstige Lage, noch gute Verbindungsstraßen in die Waagschale zu werfen hatte.<br />

Aber Hans Georg König hatte <strong>de</strong>n eisernen Willen und <strong>de</strong>n nötigen Einfluss, dass das<br />

unansehnliche kleine Gebirgsdorf Lin<strong>de</strong>nberg <strong>de</strong>r Durchgangspunkt <strong>de</strong>s <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong>s wur<strong>de</strong><br />

und Lin<strong>de</strong>nberg eine Beschlagstation erhielt, wo die Pfer<strong>de</strong> für die weite Reise ausstaffiert<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Die <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> haben unzählige Pfer<strong>de</strong> nach Italien geliefert auf eigene Rechnung und Risiko.<br />

Auch haben be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> italienische <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong>s-Firmen, die hauptsächlich in Luxuspfer<strong>de</strong>n<br />

han<strong>de</strong>lten, ihren Einkauf und Spedition durch <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> besorgen lassen, so unter an<strong>de</strong>rem<br />

die Firmen Fratelli Valerio in Mailand, sowie Fratelli Gatti in Mailand. <strong>Der</strong> Gegenwert wur<strong>de</strong><br />

von namhaften Wechselhäusern in Deutschland angewiesen. So war das alte Patrizierbankhaus<br />

Paul von Stetten in Augsburg eine bekannte und beliebte Bankverbindung. Je<strong>de</strong>r Bayernsammler<br />

hat zumin<strong>de</strong>stens schon einmal einen Bankbrief <strong>de</strong>s Bankhauses Paul von Stetten nach Italien<br />

gesehen.<br />

Oft waren 20 - 40 und noch mehr <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> auf Reisen nach Italien. Die Pfer<strong>de</strong> kamen von<br />

Holstein, Mecklenburg, Ol<strong>de</strong>nburg, Friesland und Hannover und gingen bis nach Rom und<br />

Neapel, <strong>de</strong>r Großteil verblieb in Oberitalien, in Mailand, Turin und Florenz. Braucht man sich da<br />

wun<strong>de</strong>rn, wenn viele <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> <strong>de</strong>s Italienischen mächtig waren? Die Knechte bekamen<br />

gewöhnlich vom Tage <strong>de</strong>r Abreise bis zur Rückkehr pro Tag einen Kronenthaler = 2 fl 42 kr.<br />

Dies war für die damalige Zeit ein außergewöhnlich hoher Lohn. Es war das Vier- bis Fünffache<br />

was ein Tagelöhner verdiente. Stallmeister und die mit <strong>de</strong>r Oberaufsicht und Leitung <strong>de</strong>s<br />

Geschäftes Betrauten wur<strong>de</strong>n entsprechend höher bezahlt. <strong>Der</strong> <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong> brachte <strong>de</strong>n<br />

<strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong>n große Summen Gel<strong>de</strong>s ein, viele Tausen<strong>de</strong> von Gul<strong>de</strong>n als reinen Verdienst.<br />

1 Diese Angabe sollte überprüft wer<strong>de</strong>n, sie wi<strong>de</strong>rspricht einer Angabe von Hermann Stoller in: “Die<br />

<strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> Bürgermeister“. Er schreibt zum ersten <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> Bürgermeister Franz Josef König:<br />

Wer war dieser Mann? Er gehörte zur Verwandtschaftsgruppe <strong>de</strong>r <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> König. Ihr Stammvater,<br />

<strong>de</strong>r Rößlewirt Jörg König, heiratete um 1674 nach Lin<strong>de</strong>nberg. Er kam aus Heimhofen, Pfarrei<br />

Grünenbach. Die von Ludwig Scheller berichtete Geschichte, die <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> König seien aus Balzers im<br />

Liechtensteinischen zugezogen, ist falsch. Scheller hat hier nicht genügend recherchiert. Er ist einem<br />

Stammbuchfälscher aufgesessen.<br />

Einer von Jörg Königs Urenkeln war dann Franz Joseph König, <strong>de</strong>r erste bayerische Bürgermeister<br />

(Amtszeit 19. 5.1808 - 29. 6.1822). Er war Kreuzwirt, Bäcker und Bauer.


Aber nicht nur die direkt Beteiligten konnten sich ein schönes Stück verdienen, son<strong>de</strong>rn auch<br />

alle, welche mit <strong>de</strong>m <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong> in Fühlung stan<strong>de</strong>n, so die Gastwirte, Schuster, Schnei<strong>de</strong>r und<br />

Seiler und beson<strong>de</strong>rs die Hufschmie<strong>de</strong> hatten ein schönes Einkommen.<br />

In Anbetracht <strong>de</strong>s regen Han<strong>de</strong>ls in Lin<strong>de</strong>nberg versuchte die Nachbarstadt Wangen, sich einen<br />

solchen Verdienst zu sichern und gab sich alle Mühe, <strong>de</strong>n Zug dieser Pfer<strong>de</strong> über Wangen zu<br />

leiten. Aber Wangen brachte es nicht weiter, als dass nur ein einziger Zug Pfer<strong>de</strong> einmal über<br />

Wangen geleitet wur<strong>de</strong> und dann die Pfer<strong>de</strong> nach wie vor <strong>de</strong>n alten Weg über Lin<strong>de</strong>nberg<br />

genommen haben. Es ist bemerkenswert, dass alle Versuche, diesen Han<strong>de</strong>l und Spedition <strong>de</strong>r<br />

Pfer<strong>de</strong> von Lin<strong>de</strong>nberg wegzubringen, immer mißlungen sind. Es dürfte wohl hauptsächlich <strong>de</strong>m<br />

Umstand zu verdanken sein, dass in Lin<strong>de</strong>nberg ein wohlgeschulter Stab von Pfer<strong>de</strong>kennern und<br />

Transporteuren vorhan<strong>de</strong>n war, ebenso waren die Schmie<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n <strong>Pfer<strong>de</strong>han<strong>de</strong>l</strong><br />

zugeschnitten. In Lin<strong>de</strong>nberg war <strong>de</strong>r Sammelpunkt diesseits <strong>de</strong>r Alpen, hier wur<strong>de</strong>n die Pfer<strong>de</strong><br />

beschlagen, gepflegt, um <strong>de</strong>n Anstrengungen <strong>de</strong>r bevorstehen<strong>de</strong>n weiten Reise nach <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n<br />

gewachsen zu sein.<br />

Ein Stationsverzeichnis (Itenerario per la condotta <strong>de</strong>i cavalli) aus <strong>de</strong>m Jahre 1855 nennt uns<br />

auch die Ortschaften, durch welche diese Kuppelpfer<strong>de</strong>-Transporte kamen. Von Ol<strong>de</strong>nburg und<br />

Hannover gings durch Mittel<strong>de</strong>utschland nach Bayern. In Oberhausen bei Augsburg war ein<br />

Hauptquartier. Dann erfolgte <strong>de</strong>r Transport über Schwabmünchen, Buchloe, Kaufbeuren,<br />

Obergünzburg, Kempten, Ebratshofen, Lin<strong>de</strong>nberg, Nie<strong>de</strong>rstaufen, Lautrach, Götzis, Altenstadt,<br />

Balzers (Liechtenstein), Chur, Thusis und An<strong>de</strong>er (Schweiz). Von hier ging die alte Route über<br />

<strong>de</strong>n Bernhardino. Von 1852 an, aber wegen politischer Angelegenheiten im Kanton Tessin, über<br />

<strong>de</strong>n Splügen nach Oberitalien. Ein an<strong>de</strong>rer Transportweg führte von Oberhausen auf <strong>de</strong>r belebten<br />

Reichsstraße über Landsberg, Partenkirchen, Mittenwald und über <strong>de</strong>n Brenner nach Verona und<br />

Padua.<br />

Ein Transport mit etwa 24 Pfer<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> von vier Männern, darunter ein Stallmeister, geleitet<br />

und dauerte bei täglich ungefähr fünfstündigen Marsche zwei Monate. Von Jever (Ol<strong>de</strong>nburg)<br />

bis Mailand (Italien) waren es 60 Stationen. Alljährlich wur<strong>de</strong>n 3 - 4 solcher Reisen gemacht.<br />

Es ist klar und war vorauszusehen, dass mit <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>r Gotthard-, Brenner- Arlbergbahn<br />

die alte Beför<strong>de</strong>rungsweise auf <strong>de</strong>r Straße nach und nach aufhörte. Von 1865-1868 kamen noch<br />

16 Transporte mit zusammen 253 Pfer<strong>de</strong>n durch Lin<strong>de</strong>nberg. <strong>Der</strong> letzte Transport mit 12 Pfer<strong>de</strong>n<br />

war vom 13. bis 15. September 1868 in Lin<strong>de</strong>nberg unter Führung <strong>de</strong>s Johann Georg Huber,<br />

<strong>de</strong>ssen Brü<strong>de</strong>r Antonio, Gebhard und Martino 1875 das große, weitbekannte Pfer<strong>de</strong>geschäft von<br />

Fratelli Valerio übernommen hatten.


Reisewege <strong>de</strong>r <strong>Lin<strong>de</strong>nberger</strong> Pfer<strong>de</strong>händler<br />

Bil<strong>de</strong>r aus HANS STIEFENHOFER: Aus vergangenen Tagen, Band 3, 1992

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