September 2010 - Portal Militärgeschichte
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Essays<br />
10<br />
gangsleiter wiederum setzte die Vorstellungen<br />
seines Kommandeurs anders um – das<br />
Provisorische wurde zur Norm. Das Problem<br />
wurde nicht beseitigt, noch 1940 beklagten<br />
sich die Schulleiter über eine mangelnde<br />
Vorausbildung.<br />
Am 24. April 1935 begann mit 240 Junkern<br />
der erste Lehrgang an der dem SS-Hauptamt<br />
unterstellten Führerschule Braunschweig. 2<br />
Wer war für die Ausbildung zuständig und<br />
was wurde insbesondere in militärischer<br />
Hinsicht vermittelt? Unter anderem lassen<br />
sich sechs Taktiklehrer nachweisen, bei denen<br />
es sich um „alte“ Männer und Pensionäre<br />
handelte, die nur mit Widerwillen einstmals<br />
ihre Uniform abgelegt hatten und der<br />
NSDAP nahe standen. Die SS bot ihnen eine<br />
neue Heimat, Karrierechance und soziale Sicherheit.<br />
Zwischen 1871 und 1898 geboren,<br />
lag ihr Altersdurchschnitt zu Lehrgangsbeginn<br />
bei fünfzig Jahren. Sie hatten schon vor<br />
1933 mit Hitler sympathisiert, ohne allerdings<br />
zu den sog. Alten Kämpfern zu gehören.<br />
Als Taktiklehrer waren sie denkbar ungeeignet,<br />
da die militärische Entwicklung an<br />
ihnen vorbeigegangen war. Teilweise zehn<br />
und mehr Jahre nicht mehr im Militärdienst,<br />
verfügten sie nur über Weltkriegs- und Freikorpserfahrung.<br />
Den Ansprüchen an eine<br />
moderne oder gar elitäre Militärausbildung<br />
konnten sie in keiner Weise genügen.<br />
Die militärische Ausbildung kreiste mit<br />
den Fächern Taktik, Geländekunde und<br />
Waffendienst um die Praxis auf der Führungsebene<br />
des Infanteriezugs. Ziel war es,<br />
dass der Junker eine etwa dreißig Mann<br />
starke Teileinheit, die sich in drei Gruppen<br />
gliederte, im Gelände einsetzen und im Gefecht<br />
führen können sollte. Dazu gehörten<br />
normalerweise der Einsatz der schweren Infanteriewaffen<br />
sowie Grundkenntnisse im<br />
Pionier- und Fernmeldewesen. Es findet sich<br />
jedoch kein Nachweis, dass den Führerschulen<br />
für die ersten Lehrgänge überhaupt<br />
schwere Infanteriewaffen wie Maschinengewehre<br />
oder Granatwerfer zur Verfügung<br />
standen. Da die rein militärisch-handwerkliche<br />
Ausbildung sich an Reichswehrvorschriften<br />
hielt, war sie weder revolutionär<br />
oder modern, noch konnten die Absolventen<br />
daraus einen Eliteanspruch herleiten. Im<br />
Gegenteil, die Ausbildung war im Grunde<br />
unprofessionell, Bestandteil der Abschlussprüfung<br />
eine Fuchsjagd zu Pferd. Auch der<br />
Vergleich der Ausbildungszeiten der jungen<br />
SS-Führer mit einem Offiziersanwärter der<br />
Wehrmacht zeigt dies. Selbst als die Reichswehr<br />
im Zuge der Aufrüstung die Offiziersausbildung<br />
von fünf (1927) auf zwei<br />
Jahre (1933) verkürzte, erhielt jeder Offiziersanwärter<br />
eine intensivere militärische<br />
Ausbildung als die Junkerschulabsolventen.<br />
Da die nationalsozialistischen Erziehungsziele<br />
als Grundsätze der Lebensführung<br />
in allen Unterrichtsfächern vermittelt<br />
wurden, war die SS-Ideologie auch in der<br />
militärischen Ausbildung allgegenwärtig.<br />
Dies garantierten nicht nur die Weltanschauungs-,<br />
sondern auch die Fachlehrer,<br />
die samt und sonders Nationalsozialisten<br />
waren. So verband das Fach Heerwesen allgemeine<br />
militärische mit SS-spezifischen<br />
Führungs- und Verhaltensgrundsätzen. Dem<br />
angehenden Führer sollte neben dem Fachund<br />
Vorschriftenwissen, das zur Führung<br />
von Zug und Kompanie unerlässlich war,<br />
ein SS-gemäßes Führerleitbild vermittelt<br />
werden. „Heerwesen“ war in hohem Maße<br />
Teil einer fächerübergreifenden Persönlichkeitserziehung,<br />
durch die hergebrachte militärische<br />
Kenntnisse wie auch SSideologische<br />
Normen für den Truppenalltag<br />
verwertbar gemacht wurden.<br />
Neben der militärisch-fachlichen Ausbildung<br />
lag der zweite Schwerpunkt des Unterrichts<br />
auf der weltanschaulichen Erziehung.<br />
„Weltanschauung“ wurde zweimal<br />
pro Woche jeweils zwei Stunden unterrichtet.<br />
Dazu kamen – auf Anregung der Junker<br />
– abendliche Diskussionsrunden und Lehrveranstaltungen.<br />
Das Fach wurde neben<br />
dem Fach Taktik in der Gesamtnote des Abschlusszeugnisses<br />
am höchsten bewertet. Es<br />
wäre aber verfehlt, die weltanschauliche Erziehung<br />
als Indoktrination anzusehen, und<br />
die isolierte Betrachtung des Weltanschauungsunterrichts<br />
sollte nicht überbewertet<br />
werden. Vielmehr erhielt die nationalsozialistische<br />
Grundüberzeugung der Junker, z.B.<br />
ihr Antisemitismus, in pseudo-wissenschaftlichen<br />
Lehrgesprächen ein akademisch<br />
getünchtes Fundament. Die NS-Weltanschauung<br />
war die allen Junkern gemeinsame<br />
Grundüberzeugung, durch die sie überhaupt<br />
erst den Weg in die SS gefunden hatten.<br />
Der Junker musste daher nicht erst lernen,<br />
sich mit der SS und ihren Werten zu<br />
identifizieren. Ein Teil von ihnen hatte sich