17.11.2013 Aufrufe

September 2010 - Portal Militärgeschichte

September 2010 - Portal Militärgeschichte

September 2010 - Portal Militärgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Essays<br />

10<br />

gangsleiter wiederum setzte die Vorstellungen<br />

seines Kommandeurs anders um – das<br />

Provisorische wurde zur Norm. Das Problem<br />

wurde nicht beseitigt, noch 1940 beklagten<br />

sich die Schulleiter über eine mangelnde<br />

Vorausbildung.<br />

Am 24. April 1935 begann mit 240 Junkern<br />

der erste Lehrgang an der dem SS-Hauptamt<br />

unterstellten Führerschule Braunschweig. 2<br />

Wer war für die Ausbildung zuständig und<br />

was wurde insbesondere in militärischer<br />

Hinsicht vermittelt? Unter anderem lassen<br />

sich sechs Taktiklehrer nachweisen, bei denen<br />

es sich um „alte“ Männer und Pensionäre<br />

handelte, die nur mit Widerwillen einstmals<br />

ihre Uniform abgelegt hatten und der<br />

NSDAP nahe standen. Die SS bot ihnen eine<br />

neue Heimat, Karrierechance und soziale Sicherheit.<br />

Zwischen 1871 und 1898 geboren,<br />

lag ihr Altersdurchschnitt zu Lehrgangsbeginn<br />

bei fünfzig Jahren. Sie hatten schon vor<br />

1933 mit Hitler sympathisiert, ohne allerdings<br />

zu den sog. Alten Kämpfern zu gehören.<br />

Als Taktiklehrer waren sie denkbar ungeeignet,<br />

da die militärische Entwicklung an<br />

ihnen vorbeigegangen war. Teilweise zehn<br />

und mehr Jahre nicht mehr im Militärdienst,<br />

verfügten sie nur über Weltkriegs- und Freikorpserfahrung.<br />

Den Ansprüchen an eine<br />

moderne oder gar elitäre Militärausbildung<br />

konnten sie in keiner Weise genügen.<br />

Die militärische Ausbildung kreiste mit<br />

den Fächern Taktik, Geländekunde und<br />

Waffendienst um die Praxis auf der Führungsebene<br />

des Infanteriezugs. Ziel war es,<br />

dass der Junker eine etwa dreißig Mann<br />

starke Teileinheit, die sich in drei Gruppen<br />

gliederte, im Gelände einsetzen und im Gefecht<br />

führen können sollte. Dazu gehörten<br />

normalerweise der Einsatz der schweren Infanteriewaffen<br />

sowie Grundkenntnisse im<br />

Pionier- und Fernmeldewesen. Es findet sich<br />

jedoch kein Nachweis, dass den Führerschulen<br />

für die ersten Lehrgänge überhaupt<br />

schwere Infanteriewaffen wie Maschinengewehre<br />

oder Granatwerfer zur Verfügung<br />

standen. Da die rein militärisch-handwerkliche<br />

Ausbildung sich an Reichswehrvorschriften<br />

hielt, war sie weder revolutionär<br />

oder modern, noch konnten die Absolventen<br />

daraus einen Eliteanspruch herleiten. Im<br />

Gegenteil, die Ausbildung war im Grunde<br />

unprofessionell, Bestandteil der Abschlussprüfung<br />

eine Fuchsjagd zu Pferd. Auch der<br />

Vergleich der Ausbildungszeiten der jungen<br />

SS-Führer mit einem Offiziersanwärter der<br />

Wehrmacht zeigt dies. Selbst als die Reichswehr<br />

im Zuge der Aufrüstung die Offiziersausbildung<br />

von fünf (1927) auf zwei<br />

Jahre (1933) verkürzte, erhielt jeder Offiziersanwärter<br />

eine intensivere militärische<br />

Ausbildung als die Junkerschulabsolventen.<br />

Da die nationalsozialistischen Erziehungsziele<br />

als Grundsätze der Lebensführung<br />

in allen Unterrichtsfächern vermittelt<br />

wurden, war die SS-Ideologie auch in der<br />

militärischen Ausbildung allgegenwärtig.<br />

Dies garantierten nicht nur die Weltanschauungs-,<br />

sondern auch die Fachlehrer,<br />

die samt und sonders Nationalsozialisten<br />

waren. So verband das Fach Heerwesen allgemeine<br />

militärische mit SS-spezifischen<br />

Führungs- und Verhaltensgrundsätzen. Dem<br />

angehenden Führer sollte neben dem Fachund<br />

Vorschriftenwissen, das zur Führung<br />

von Zug und Kompanie unerlässlich war,<br />

ein SS-gemäßes Führerleitbild vermittelt<br />

werden. „Heerwesen“ war in hohem Maße<br />

Teil einer fächerübergreifenden Persönlichkeitserziehung,<br />

durch die hergebrachte militärische<br />

Kenntnisse wie auch SSideologische<br />

Normen für den Truppenalltag<br />

verwertbar gemacht wurden.<br />

Neben der militärisch-fachlichen Ausbildung<br />

lag der zweite Schwerpunkt des Unterrichts<br />

auf der weltanschaulichen Erziehung.<br />

„Weltanschauung“ wurde zweimal<br />

pro Woche jeweils zwei Stunden unterrichtet.<br />

Dazu kamen – auf Anregung der Junker<br />

– abendliche Diskussionsrunden und Lehrveranstaltungen.<br />

Das Fach wurde neben<br />

dem Fach Taktik in der Gesamtnote des Abschlusszeugnisses<br />

am höchsten bewertet. Es<br />

wäre aber verfehlt, die weltanschauliche Erziehung<br />

als Indoktrination anzusehen, und<br />

die isolierte Betrachtung des Weltanschauungsunterrichts<br />

sollte nicht überbewertet<br />

werden. Vielmehr erhielt die nationalsozialistische<br />

Grundüberzeugung der Junker, z.B.<br />

ihr Antisemitismus, in pseudo-wissenschaftlichen<br />

Lehrgesprächen ein akademisch<br />

getünchtes Fundament. Die NS-Weltanschauung<br />

war die allen Junkern gemeinsame<br />

Grundüberzeugung, durch die sie überhaupt<br />

erst den Weg in die SS gefunden hatten.<br />

Der Junker musste daher nicht erst lernen,<br />

sich mit der SS und ihren Werten zu<br />

identifizieren. Ein Teil von ihnen hatte sich

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!