September 2010 - Portal Militärgeschichte
September 2010 - Portal Militärgeschichte
September 2010 - Portal Militärgeschichte
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Historische Orte / Institutionen<br />
24<br />
militärischen Leistungen bewundern Sie am<br />
meisten?“ erhielt der Leser nur in den seltensten<br />
Fällen eine Antwort mit ernst gemeinten<br />
militärhistorischen Bezügen. Die<br />
mit 30 Mal am häufigsten gegebene Antwort<br />
dieser Art bezog sich auf die Landung der<br />
Alliierten in der Normandie und die damit<br />
verbundene Befreiung von der NS-Diktatur -<br />
zuzüglich der drei Antworten, die dem<br />
Kampf der Roten Armee um Berlin einen<br />
vergleichbaren Stellenwert wie dem D-Day<br />
beimaßen. 148 Antworten bezogen sich auf<br />
militärische Leistungen, die einer Befreiung<br />
oder dem Widerstand galten. 22 Mal wurde<br />
die Befreiung vom Faschismus bzw. der Sieg<br />
über Hitlerdeutschland genannt, 15 Mal der<br />
Aufstand im Warschauer Ghetto, neun Mal<br />
die Verteidigung von Leningrad und sechs<br />
Mal der Sieg des Vietcong.<br />
Einzelne Schlachten oder Beispiele klassischer<br />
Operationsgeschichte wurden nur 109<br />
Mal genannt und dies vorwiegend von Berufshistorikern,<br />
Soldaten und Politikern. Mit<br />
weitem Abstand vorn liegt die berühmte antike<br />
Schlacht bei den Thermopylen und<br />
Hannibals Zug über die Alpen (erstere von<br />
acht Befragten angegeben, letzterer von 27<br />
Befragten). Es hat den Anschein, dass es bis<br />
auf den insgesamt 15 Mal genannten israelischen<br />
Sechs-Tage-Krieg und die von elf Befragten<br />
angeführte Befreiungsaktion von<br />
Entebbe 3 keine bewundernswerten rein militärischen<br />
Verdienste der Gegenwart gebe<br />
und dass militärische Leistungen durch das<br />
20. Jahrhundert per se fragwürdig geworden<br />
seien. Friedenserzwingende und friedensbewahrende<br />
Maßnahmen, wie etwa die<br />
SFOR-, IFOR- oder KFOR-Einsätze oder der<br />
Kosovokrieg, finden gar nicht oder kaum<br />
Erwähnung (lediglich fünf Mal). In den<br />
1980er Jahren des Kalten Krieges wurden<br />
Abrüstungsbemühungen zwischen den militärischen<br />
Blöcken 22 Mal als bewundernswerte<br />
militärische Leistung präferiert. Die<br />
Bundeswehr oder gar der Staatsbürger in<br />
Uniform finden sich in den Antworten nicht<br />
wieder.<br />
Die mit 389 Antworten bei weitem größte<br />
Gruppe lehnt alles Militärische strikt ab. Der<br />
Schriftsteller Hermann Burger stellte 1983<br />
die Gegenfrage: „Welche tödliche Krankheit<br />
möchten Sie am liebsten haben?“ und die<br />
Tagesthemenmoderatorin Gabi Bauer retournierte<br />
1998: „Ich würde bewundern,<br />
wenn Sie diese überkommene Frage bald<br />
mal streichen würden.“ Weitere 38 Befragte<br />
verweigerten jegliche Antwort. 154 Fragebogen-Ausfüller<br />
gaben ihrer Antwort eine humoristische<br />
Richtung. Etwa der Schriftsteller<br />
Friedrich Dürrenmatt, der auf die Frage<br />
nach den bewundernswerten militärischen<br />
Leistungen 1981 zur Antwort gab: „Meine<br />
Ehe, die jetzt schon länger dauert als der<br />
Dreißigjährige Krieg.“ Oder Fernsehkoch<br />
Vincent Klink 1996: „Keine, außer Huhn Marengo.“<br />
4 Zählt man alles zusammen, so äußert<br />
sich der überwiegende Teil der 1008 Befragten<br />
ablehnend oder desinteressiert gegenüber<br />
allem Militärischen und Militärhistorischen.<br />
Dieses Bild änderte sich zumindest in Bezug<br />
auf die eigenen nationalen Streitkräfte<br />
bereits in den 1990er Jahren. Als „Armee der<br />
Einheit“ erreichte die Bundeswehr gerade<br />
auch vor dem Hintergrund humanitärer und<br />
friedenserhaltender Einsätze große Zustimmung<br />
und hohes Ansehen in großen Teilen<br />
der Bevölkerung. Gleichzeitig wurde und<br />
wird aber von Politikern aller Parteien und<br />
von den Soldaten selbst eine mangelnde Anteilnahme<br />
an den Problemen der Bundeswehr<br />
und am Einsatzalltag der Soldaten<br />
festgestellt und beklagt. Dieses „freundliche<br />
Desinteresse“ weiter Teile der Bevölkerung<br />
gegenüber der Bundeswehr steht im Gegensatz<br />
zu der Bedeutung, die das Thema globaler<br />
militärischer Herausforderungen und<br />
Konfrontationen unter Beteiligung deutscher<br />
Streitkräfte in der öffentlichen Diskussion<br />
inzwischen einnimmt.<br />
Als ein wichtiges Forum der öffentlichen<br />
Auseinandersetzung mit Militär und <strong>Militärgeschichte</strong><br />
versteht sich das MHM. Auf<br />
Grundlage einer historisch-kritischen Spurensuche<br />
bietet es Raum, um über aktuelle<br />
politisch-militärische Entwicklungen fachkundig<br />
und kontrovers zu diskutieren. Das<br />
neue MHM soll über deutsche <strong>Militärgeschichte</strong><br />
informieren, zu Fragen anregen und<br />
verschiedene Sichtweisen anbieten. Das<br />
MHM wird ein Museum ohne Pathos sein,<br />
das sich bemüht, geschichtliche Besinnung<br />
mit kritischer Auseinandersetzung und Wertung<br />
zu verbinden. Es wird weniger ein<br />
Haus der Sinnstiftung als der Denkstiftung<br />
werden. Das neue MHM versteht sich nicht<br />
primär als Technikmuseum, sondern als ein<br />
historisches Museum, das mit den Fragestel-