September 2010 - Portal Militärgeschichte
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21 Wissenschaftliche Projekte<br />
für 20 Armeekorps, die kaiserliche Marine<br />
und die Schutztruppen in den Kolonien zuständig<br />
waren. Das RMG war mit 3 regulären<br />
Senaten ein relativ kleines Gericht.<br />
Zu der „normalen“ Militärgerichtsbarkeit<br />
mit ihren Vergehen (Fahnenflucht, Selbstverstümmelung,<br />
Totschlag usw.) und Strafformen<br />
(Arrest, Gefängnis, Zuchthaus oder<br />
Todesstrafe), kam noch die Ehrengerichtsbarkeit<br />
hinzu.<br />
Die Ehrengerichtsbarkeit stellte mit ihrem<br />
umfassenden Katalog von negativen und oft<br />
sehr allgemein gehaltenen Umschreibungen<br />
einer idealen Haltung und Gesinnung des<br />
Offiziers ein Normensystem dar, dass dem<br />
Offizier so gut wie keine private Existenz<br />
ließ.<br />
Dabei trat für die Entscheidungen ein Ehrenrat<br />
aus Offizieren zusammen. In Duellangelegenheiten<br />
sollte der Ehrenrat einen<br />
gütlichen Ausgleich anstreben.<br />
Kaiser Wilhelm I. berief 1872 eine Kommission<br />
ins Leben, damit diese die ehrengerichtlichen<br />
Bestimmungen von 1843 überarbeitete.<br />
Der Einfluss der Ehrengerichte vor<br />
einem Duell wurde danach noch weiter eingeschränkt.<br />
Dieser Ehrenrat war ab diesem<br />
Zeitpunkt nur noch ein Hilfsorgan des<br />
Kommandeurs. Nach Abschluss der Untersuchungen<br />
des Ehrenrats berief der Kommandeur<br />
das Ehrengericht ein. Die Ehrengerichte<br />
hatten nach der neuen Verordnung<br />
einerseits die Aufgaben, Offiziere deren Benehmen<br />
nicht dem des Offizierstandes entsprach<br />
oder die nicht das richtige Ehrgefühl<br />
besaßen, auf diesen Missstand aufmerksam<br />
zu machen und nötigenfalls aus dem Dienst<br />
zu entfernen und andererseits Offiziere von<br />
unbegründeten Verdächtigungen ihrer Ehrenhaftigkeit<br />
zu befreien, insofern andere<br />
standesgemäße Wege hierzu nicht vorhanden<br />
waren.<br />
Der Spruch des Ehrengerichtes konnte<br />
dann lauten: Freispruch, Schuldig, aber der Beschuldigte<br />
wurde im Dienst belassen, Schuldig<br />
und Entlassung aus dem Dienst mit schlichtem<br />
Abschied, Schuldig und unehrenhafte Entlassung.<br />
Aus der heutigen Sicht können manche<br />
Ehrengerichtsverfahren eher belustigend<br />
wirken, da das angezeigte Verhalten nicht<br />
mehr oder kaum noch ehrverletzend empfunden<br />
wird. Aber trotzdem spielt die Ehrengerichtsbarkeit<br />
eine wichtige Rolle in der<br />
eigentlichen Militärgerichtsbarkeit.<br />
Zum Thema „Militärgerichtsbarkeit“ gibt<br />
es noch keine allgemeine Abhandlung. Es<br />
werden aber einzelne Aspekte, wie z.B.<br />
Reichsmilitärgericht oder Militärstrafgerichtsordnung<br />
in zahlreichen Büchern behandelt.<br />
In dem Dissertationsprojekt sollen<br />
mehrere Bereiche untersucht werden:<br />
1) Wie wurde die Vereinheitlichung der Militärgerichtsbarkeit<br />
im deutschen Kaiserreich<br />
in den Einzelstaaten vor allem Bayern,<br />
Sachsen und Württemberg aufgenommen<br />
und umgesetzt?<br />
2) Wurde die Militärgerichtsbarkeit auch<br />
auf Zivilpersonen im Kaiserreich und den<br />
Kolonien angewendet?<br />
3) Wurde das damals geltende Völkerrecht<br />
von Deutschland bei Strafexpeditionen<br />
(z.B. Boxeraufstand) bzw. Kolonialkriegen<br />
(z.B. Herero-Aufstand) bzw. dann im<br />
Ersten Weltkrieg beachtet?<br />
4) Wurde die Militärgerichtsbarkeit während<br />
der Kaiserzeit in irgendeine Art und<br />
Weise reformiert?<br />
5) Sind Unterschiede zwischen Urteilen von<br />
Militärgerichten vor und während des<br />
Ersten Weltkrieges erkennbar? Wann ist<br />
es zu einer Verschärfung der Militärgerichtsbarkeit<br />
in Deutschland gekommen?<br />
6) Wie war die Militärgerichtsbarkeit in Österreich-Ungarn<br />
und Großbritannien geregelt?<br />
Die Hauptquellen sind in mehreren Archiven<br />
(Bundesarchiv Berlin, Bundarchiv-<br />
Militärarchiv Freiburg im Breisgau, Hauptstaatsarchiv<br />
Stuttgart, Bayerisches Kriegsarchiv<br />
München, Hauptstaatsarchiv Dresden)<br />
verteilt. Des Weiteren sind noch Memoiren,<br />
Feldpostbriefe und Gesetzestexte Quellen<br />
für diese Doktorarbeit.<br />
Das Dissertationsprojekt wird von Prof.<br />
Dr. Sönke Neitzel (Johannes Gutenberg Universität<br />
Mainz) betreut.<br />
Helmut Rübsam<br />
Helmut.Ruebsam@t-online.de