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Deutschland und der Völkermord an den Armeniern

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glaube, das Komitee war die türkische Version dessen, was später „Faschismus“ gen<strong>an</strong>nt wer<strong>den</strong><br />

würde.<br />

Einer meiner Kollegen, <strong>der</strong> in <strong>den</strong> Vereinigten Staaten türkische Geschichte lehrt (wir wollen<br />

seinen Namen nicht nennen, weil er d<strong>an</strong>n, wie ich vermute, seine Familie in <strong>der</strong> Türkei nicht<br />

mehr besuchen könnte), erzählte mir, dass er keinen Zweifel dar<strong>an</strong> habe, dass dort ein<br />

<strong>Völkermord</strong> stattgef<strong>und</strong>en hat. Ihm stellt sich nur die Frage, wie weit die Ver<strong>an</strong>twortung im<br />

Komitee reicht. Wie viele Leute waren <strong>an</strong> <strong>der</strong> Entscheidung beteiligt? Weil es eine Diktatur war.<br />

Ein interess<strong>an</strong>ter Unterschied zwischen dem <strong>Völkermord</strong> des Komitees <strong>und</strong> dem <strong>der</strong> Nazis ist,<br />

dass es im Dritten Reich niemals irgendwelche Proteste von Seiten <strong>der</strong> Amtsträger gab, als die<br />

Ju<strong>den</strong> umgebracht wur<strong>den</strong>! In <strong>der</strong> Türkei protestierten mehrere Walis (Gouverneure) <strong>und</strong><br />

niedrige osm<strong>an</strong>ische Beamte. Und bezahlten dafür. In <strong>der</strong> Türkei kritisierten m<strong>an</strong>che Kur<strong>den</strong>,<br />

Araber <strong>und</strong> sogar einige türkische Muslime diese Politik <strong>und</strong> retteten in aller Öffentlichkeit<br />

Armenier. In <strong>Deutschl<strong>an</strong>d</strong> taten es die wenigen Deutschen, die Ju<strong>den</strong> retteten, in aller<br />

Heimlichkeit. Bis auf <strong>den</strong> Aufst<strong>an</strong>d <strong>der</strong> christlichen Frauen in <strong>der</strong> Berliner Rosenstraße gegen die<br />

Deportation ihrer jüdischen Ehemänner. Und das war einzigartig. Vielleicht gibt es diesen<br />

Unterschied zur Türkei, weil <strong>Deutschl<strong>an</strong>d</strong> so ein „org<strong>an</strong>isiertes“ L<strong>an</strong>d <strong>und</strong> es viel schwerer war,<br />

mit einem Verhalten gegen die offizielle Politik davon zu kommen (zumindest haben das die<br />

Menschen vielleicht gedacht), als das in <strong>der</strong> Türkei <strong>der</strong> Fall war.<br />

K.M: Was ist mit <strong>Deutschl<strong>an</strong>d</strong> heute? Hat es die moralische Ver<strong>an</strong>twortung, <strong>den</strong> <strong>Völkermord</strong><br />

zuzuerkennen?<br />

M.A.: Unbedingt! Wie auch die Türkei. Allerdings sind die Türken mit einer bestimmten<br />

Sichtweise <strong>der</strong> Geschichte aufgewachsen. Wenn ihnen Auslän<strong>der</strong> sagen, dass sie ihr<br />

Geschichtsbild än<strong>der</strong>n müssen, stimmen sie am Ende vielleicht sogar zu – beispielsweise wenn<br />

das <strong>der</strong> Preis ist, <strong>der</strong> EU beizutreten –, aber das wird sie nicht dar<strong>an</strong> glauben lassen. Meine<br />

Hoffnung rührt daher, dass es heute in <strong>der</strong> Türkei türkische Historiker gibt, die die Wahrheit<br />

wirklich kennen. Sie trauen sich nicht immer, sie zu sagen. Doch das än<strong>der</strong>t sich. Da die Türkei<br />

immer demokratischer wird <strong>und</strong> die Armee zunehmend in Verruf gerät, wird es in <strong>der</strong> Türkei<br />

mehr Meinungsfreiheit geben. Und ich glaube, dass sich d<strong>an</strong>n die Historiker, die außerhalb <strong>der</strong><br />

Türkei glaubwürdig sein wollen, das Beweismaterial genauso <strong>an</strong>sehen wer<strong>den</strong> müssen, wie wir es<br />

tun.<br />

Aus dem Englischen von Elke Hosfeld<br />

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