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Deutschland und der Völkermord an den Armeniern

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M.A.: Nun, ja. Aber 1915-16 bef<strong>an</strong>d sich <strong>Deutschl<strong>an</strong>d</strong> inmitten eines Weltkriegs, was jede<br />

Berechnung unmöglich machte. Und be<strong>den</strong>ken Sie, dass die deutsche Regierung in vielen<br />

brennen<strong>den</strong> Fragen keine einheitliche Position hatte: über die Zukunft <strong>der</strong> Ukraine, die die<br />

Deutschen 1915 besetzten, <strong>und</strong> die Zukunft Belgiens, das sie seit August 1914 besetzt hatten. Es<br />

gab keine einheitliche deutsche Haltung zu irgendeiner <strong>der</strong> zentralen Fragen über die<br />

Nachkriegsordnung. Vielmehr herrschten gewaltige Konflikte innerhalb <strong>der</strong> deutschen Regierung<br />

selbst während des Ersten Weltkriegs, als die Konservativen (ein Großteil des Militärs) <strong>und</strong> die<br />

Gemäßigten (vor allem <strong>der</strong> K<strong>an</strong>zler, Bethm<strong>an</strong>n Hollweg, <strong>und</strong> das Auswärtige Amt) um die<br />

Kontrolle <strong>der</strong> zukünftigen Politik r<strong>an</strong>gen. Also konnte das Fehlen einer einheitlichen Haltung zu<br />

<strong>den</strong> osm<strong>an</strong>ischen <strong>Armeniern</strong> nicht überraschen. Gleichwohl halte ich es auch für richtig zu sagen,<br />

dass die entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> politischen Kräfte in <strong>Deutschl<strong>an</strong>d</strong> <strong>der</strong> Überzeugung waren, dass sie<br />

einen Verbündeten hatten – die osm<strong>an</strong>ische Regierung – <strong>und</strong> dass sie nichts tun wür<strong>den</strong>, was<br />

dieses Bündnis gefähr<strong>den</strong> konnte. Auch wenn es viele Deutsche im osm<strong>an</strong>ischen Reich gab –<br />

Geschäftsleute, B<strong>an</strong>kiers, Ingenieure, Diplomaten –, die gegen die osm<strong>an</strong>ische Politik<br />

protestierten, war die Position des K<strong>an</strong>zlers zu <strong>der</strong> Zeit, als das Problem in Berlin bek<strong>an</strong>nt wurde,<br />

eindeutig: Was immer die Türken tun mögen, sie sind unsere Verbündeten <strong>und</strong> nicht die<br />

Armenier.<br />

K.M: Können wir d<strong>an</strong>n sagen, dass es in <strong>Deutschl<strong>an</strong>d</strong> eine politische Linie gab, die Ausrottung<br />

<strong>der</strong> Armenier zu leugnen?<br />

M.A.: Ja <strong>und</strong> nein. Ja, es wurde öffentlich zum Großteil geleugnet. Das war eine Politik, <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

sich <strong>an</strong><strong>der</strong>e Teile <strong>der</strong> Gesellschaft beteiligten. Ich habe mich in meiner Arbeit mit <strong>der</strong><br />

öffentlichen Meinung in <strong>Deutschl<strong>an</strong>d</strong> beschäftigt <strong>und</strong> festgestellt, dass die Eliten genau wussten,<br />

was sich abspielte. Bek<strong>an</strong>nte Orientalisten; einige Journalisten; wenigstens sechs<br />

Superinten<strong>den</strong>ten <strong>der</strong> protest<strong>an</strong>tischen Kirche; sicherlich die führen<strong>den</strong> Laien unter deutschen<br />

Katholiken (wie <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> Zentrumspartei im Parlament, Matthias Erzberger, <strong>der</strong> von<br />

rechten Schlägern nach dem Krieg ermordet wurde); <strong>der</strong> Papst; <strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> Deutschen B<strong>an</strong>k<br />

(wie Hilmar Kaiser <strong>und</strong> Gerald D. Felm<strong>an</strong> gezeigt haben); <strong>und</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>e wichtige Mitglie<strong>der</strong> des<br />

Reichstags, wie <strong>der</strong> spätere Träger des Frie<strong>den</strong>snobelpreises, <strong>der</strong> Liberale Gustav Stresem<strong>an</strong>n –<br />

sie alle wussten es. Stresem<strong>an</strong>n beschloss zu schweigen. Eine in Armenien geborene graduierte<br />

Stu<strong>den</strong>tin in Berlin, Elizabeth Khoriki<strong>an</strong>, arbeitete über die im Jahr 1915 meistverbreitete<br />

(linksliberale) Zeitung in Berlin , das Berliner Tageblatt. Diese Zeitung gab m<strong>an</strong>chmal drei o<strong>der</strong><br />

vier verschie<strong>den</strong>e Ausgaben am Tag heraus, weil sie jedes Mal, wenn es neue Kriegsnachrichten<br />

gab, eine <strong>an</strong><strong>der</strong>e Ausgabe publizierte. Und sie sah sich jede einzelne <strong>an</strong>. In allen dieser Ausgaben<br />

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