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Superwahljahr 2009 - DAAD-magazin

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6 Dialog<br />

„Direkt zum Regierungschef“<br />

Der mexikanische Nobelpreisträger Mario Molina engagiert sich für<br />

Klimaschutz in seinem Heimatland<br />

Einsatz sprechen, es geht ja um den gesamten<br />

Energie- und Verkehrssektor.<br />

Trotzdem wird der Kampf gegen den Klimawandel<br />

viel weniger kosten, vielleicht<br />

ein Prozent des Welteinkommens, als die<br />

Schäden, wenn wir nichts tun. Es ist also<br />

eine gute Investition für den Planeten.<br />

Klimaschutz ist das Top-Thema der Politik<br />

weltweit. Politische Entscheidungen<br />

wären undenkbar ohne die Kenntnisse<br />

von Forschern wie Mario Molina. Der Mexikaner<br />

erhielt 1995 gemeinsam mit zwei<br />

Kollegen den Chemie-Nobelpreis, weil sie<br />

die Entstehung des Ozonlochs enträtselt<br />

hatten. Molina war 1965/66 <strong>DAAD</strong>-Stipendiat<br />

in Freiburg und forscht heute am Massachusetts<br />

Institute of Technology (MIT).<br />

Zurzeit berät er die Regierung seines eigenen<br />

Landes bei einem Low-Carbon-Plan,<br />

der Mexiko-Stadt zu besserer Luft verhelfen<br />

soll. Dazu äußerte er sich im Juni in<br />

einem Interview mit der Süddeutschen<br />

Zeitung.<br />

SZ: Professor Molina, was kann ein Low-<br />

Carbon-Plan in Mexiko-Stadt bewirken?<br />

Sie ist berüchtigt für ihren Smog, der durch<br />

Millionen alte Lastwagen, Taxis, Busse und<br />

Autos entsteht.<br />

Molina: Wir sind das erste Entwicklungsland,<br />

das überhaupt einen solchen Plan aufstellt.<br />

Es geht darum, wirtschaftliches Wachstum zu<br />

ermöglichen, bei dem nur wenig Kohlenstoff<br />

aus Quellen wie Erdöl verbrannt wird. Wir<br />

fangen an mit der Energieeinsparung im<br />

Verkehr. Da gibt es Projekte, die eigentlich<br />

nichts kosten und bei denen alle gewinnen.<br />

Maßnahmen, die der Wirtschaft und dem<br />

Klima helfen. Tief hängende Trauben also.<br />

SZ: Was machen Sie zum Beispiel?<br />

Molina: Wir haben Standards für den Benzinverbrauch<br />

von Autos, und gleichzeitig<br />

überwachen wir die Verkehrssituation. Wenn<br />

wir striktere Regeln für Abgase und vor allem<br />

den Rußausstoß der Dieselmotoren durchsetzen,<br />

dann hilft das mehrere Probleme<br />

gleichzeitig zu lösen, denn auch die Luft wird<br />

besser. Sie ist schon besser geworden, obwohl<br />

die Autoflotte gewachsen ist. Die ältesten Autos<br />

dürfen nicht mehr auf die Straße zurück,<br />

wenn sie bei der Inspektion durchfallen.<br />

SZ: Geht es bei Ihrem Plan vor allem um<br />

den Verkehr?<br />

Molina: Nein, wir wollen auch bei der<br />

Stadtplanung mitreden und versuchen zu<br />

verhindern, dass weit außerhalb der Metropole<br />

neue Wohngebiete erschlossen werden,<br />

deren Bewohner dann pendeln müssen.<br />

Und neue Gebäude sollen energieeffizient<br />

gebaut werden, wobei das Warmwasser zum<br />

Beispiel mit Sonnenenergie erzeugt wird.<br />

SZ: Gibt es Widerstand von der Öl-<br />

Industrie gegen Ihren Plan?<br />

Molina: Nein, die Pemex ist zum Glück ein<br />

Monopolbetrieb und wird vom Staat kontrolliert.<br />

Es geht ja darum, den wichtigen<br />

Rohstoff Öl weiter zu nutzen, aber effektiver.<br />

SZ: Nach den tiefhängenden Trauben<br />

werden Sie Maßnahmen ergreifen müssen,<br />

die etwas kosten.<br />

Molina: Nun, erst kommen Änderungen, die<br />

kostenneutral sind. Für die dritte Kategorie<br />

hoffen wir auf Hilfe im Rahmen eines internationalen<br />

Klimaabkommens. Dann müssten<br />

uns die industrialisierten Staaten Geld zur<br />

Verfügung stellen, das wir zusammen mit<br />

eigenen Mitteln nutzen, um neue Technologie<br />

zu bezahlen. Dafür gibt es schon ein Beispiel:<br />

Das Montreal-Protokoll sah einen Fonds vor,<br />

der ärmeren Ländern beim Ausstieg aus der<br />

Produktion von Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen<br />

half. Der hat sehr gut funktioniert.<br />

SZ: Das Montreal-Protokoll ist Ihnen<br />

besonders nahe, weil es ein Abkommen<br />

zum Schutz der Ozonschicht ist. Aber<br />

kann man das mit der heutigen Situation<br />

vergleichen, mit einem Vertrag über die<br />

Reduktion von Treibhausgasen?<br />

Molina: Das Problem beim Klimawandel<br />

ist, dass wir über einen viel breiteren<br />

SZ: Gibt es über solche Fragen einen<br />

Dialog zwischen den Schwellenländern,<br />

also mit Brasilien, China und Indien?<br />

Molina: Ja, das ist ein Teil der Strategie:<br />

Mexiko ist vorausgegangen, aber<br />

wir sprechen mit anderen Ländern. Wir<br />

haben uns sogar verpflichtet, unsere<br />

Emissionen bis zum Jahr 2050 zu halbieren.<br />

So viel verlangen wir nicht von den<br />

Entwicklungsländern, die uns folgen. Sie<br />

sollen nur einen Plan für wirtschaftliches<br />

Wachstum mit geringem Kohlenstoffverbrauch<br />

aufstellen, an den sie sich halten.<br />

SZ: In Mexiko leben viele Menschen in<br />

Armut. Sehen Sie einen Widerspruch<br />

zwischen dem Kampf gegen den<br />

Klimawandel und dem gegen Armut?<br />

Molina: Wenn wir nicht gegen die Risiken<br />

kämpfen, die der Klimawandel<br />

birgt, können wir auch nicht gegen die<br />

Armut angehen. Dazu brauchen wir eine<br />

funktionierende, effektive Wirtschaft.<br />

SZ: Hilft Ihnen eigentlich der Nobelpreis,<br />

damit Ihnen die Leute zuhören?<br />

Molina: Der Preis hat mir Macht gegeben,<br />

Treffen zu arrangieren, mit den<br />

entscheidenden Leuten zu reden. Das<br />

Problem des Klimawandels ist so wichtig<br />

und die Zeit so knapp, da muss man<br />

direkt zum Regierungschef gehen.<br />

Interview: Christopher Schrader<br />

Der Text des Interviews ist aus der Süddeutschen<br />

Zeitung vom 4. Juni <strong>2009</strong> nachgedruckt.<br />

Foto: ullstein bild aslu

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