Bernhard Hauser: Spielen und Lernen der 4
Bernhard Hauser: Spielen und Lernen der 4
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kleiner Kin<strong>der</strong> in Bezug auf ihre Fähigkeiten: „Offenk<strong>und</strong>ig hat Mutter Natur Kin<strong>der</strong>n einen<br />
Unbekümmertheit in die Wiege gelegt, die i.d.R. zu unrealistisch hohen Erfolgserwartungen<br />
führt“ (Hasselhorn, 2005, S. 83). Gelegentlich mag es auch ein Hinweis darauf sein, dass im<br />
Umfeld <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> kein Lern-, son<strong>der</strong>n ein Leistungsklima herrscht, in welchem das Fehlermachen<br />
mehrheitlich negativ sanktioniert wird. Ohne eine konstruktive Fehler- <strong>und</strong> Lernkultur<br />
(vgl. z.B. Spychiger et al., 1999) macht Selbstbeurteilung überhaupt keinen Sinn. Sie<br />
verkommt zur Selbstanklage, erzeugt nagendes schlechtes Gewissen <strong>und</strong> hemmt damit <strong>Lernen</strong><br />
nachhaltig.<br />
Das effiziente Abspeichern von Gedächtnisinhalten dürfte etwas vom wichtigsten sein, das<br />
Kin<strong>der</strong> im Laufe ihrer Entwicklung lernen. Das Abspeichern von Gedächtnisinhalten kann<br />
auf verschiedene Weise geschehen. Eine ganz wesentliche Strategie stellt dabei das kategoriale<br />
Organisieren dar (Hasselhorn, Mähler <strong>und</strong> Grube, 1995). Über diese Strategie verfügen<br />
Erstklässler erst zu 8%, wobei sich in den nachfolgenden Klassen <strong>der</strong> Anteil kontinuierlich<br />
erhöht (Viertklässler zu 42%). Bei Vorschulkin<strong>der</strong>n ist ein noch weitgehendes Fehlen dieser<br />
Fähigkeit anzunehmen. Gemäss einer Vielzahl von Untersuchungen scheint sich diese Lernkompetenz<br />
erst mit etwa 10 Jahren zu entwickeln. Trainingsstudien mit Acht- <strong>und</strong> Neunjährigen<br />
zeigten, dass eigentlich - zumindest zur Zeit - nur kurz- <strong>und</strong> mittelfristige Erfolge möglich<br />
sind. Ein halbes Jahr später zeigten sie wie<strong>der</strong> ähnliche Leistungen wie die Kontrollgruppen.<br />
Diese Fähigkeit wird zur Zeit offenbar mehrheitlich als stark reifungsbedingt betrachtet.<br />
Als verän<strong>der</strong>bare Elemente werden insbeson<strong>der</strong>e angesehen:<br />
• das kategoriale Wissen (!)<br />
• das Verfügen über die Strategie<br />
• die Sensitivität für den spezifischen Zusammenhang von Aufgabe <strong>und</strong> Strategie.<br />
Selbstbeurteilung scheint sich demzufolge also erst spät zu entwickeln <strong>und</strong> sollte bei Kin<strong>der</strong>n<br />
unter 7 Jahren nicht forciert werden, weil damit nur unnötig Lernzeit vertan wird.<br />
Weiter legen jüngere Forschungsergebnisse zum Gedächtnis von jungen Kin<strong>der</strong>n auf eindrückliche<br />
Weise nahe, dass gerade dem instruktional-systematischen <strong>Lernen</strong> in <strong>der</strong> frühen<br />
Kindheit enge Grenzen gesetzt sind. Danach lassen sich drei wesentliche Charakteristika<br />
feststellen: „Das allgemeine Vorherrschen eines kindlichen Überoptimismus bis etwa zum<br />
Alter von 8 Jahren, Verän<strong>der</strong>ungen in den Fähigkeitskonzepten <strong>und</strong> die Effizienzsteigerungen<br />
des Arbeitsgedächtnisses im sechsten Lebensjahr“ (Hasselhorn, 2005, S. 83). Die grosse<br />
Chance liege dabei zwischen dem 4. <strong>und</strong> dem 6. Altersjahr in dem „verfügbaren grossen Potential<br />
für implizite <strong>und</strong> inzidentelle Lernprozesse“, weil Menschen einen Grossteil dessen,<br />
was sie im Laufe ihres Lebens lernen, unbeabsichtigt <strong>und</strong> eher beiläufig lernen. Diese aus<br />
aktuellen Bef<strong>und</strong>en abgeleitete Interpretation spricht in hohem Masse für <strong>Lernen</strong> im Spiel<br />
<strong>und</strong> für <strong>Lernen</strong> aus aktuellem Anlass, jedoch weniger für eine Vorverlegung des instruktional-systematischen<br />
<strong>Lernen</strong>s: „Die Tatsache, dass <strong>der</strong> subvokale Prozess des ‚inneren Nachsprechens’<br />
im phonologischen Arbeitsgedächtnis vor dem 7. Lebensjahr bei <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> noch nicht automatisiert erfolgt, setzt für das <strong>Lernen</strong> jüngerer Kin<strong>der</strong> deutliche Grenzen.<br />
Bisherige Konzepte für schulisches <strong>Lernen</strong> bauen sehr stark auf Prozesse des expliziten<br />
<strong>und</strong> intentionalen <strong>Lernen</strong>s, die im Alter zwischen 4 <strong>und</strong> 6 Jahren nur sehr eingeschränkt umsetzbar<br />
sind.<br />
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