Bernhard Hauser: Spielen und Lernen der 4
Bernhard Hauser: Spielen und Lernen der 4
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2. Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
2.1 Evolutionäre Gr<strong>und</strong>lagen des Spiels: Das Spiel als natürlicher Lernmodus<br />
bei Säugetieren (naturwissenschaftliche Gr<strong>und</strong>lagen des Spiels)<br />
Die höheren Säugetiere entwickeln sich in einem langjährigen Lernprozess, welcher im<br />
Ernstfall des eigenständig lebensfähigen Erwachsenen gipfelt. Dabei hat die Natur sowohl<br />
bei Raubkatzen, bei Wölfen, aber auch bei Primaten wie den Schimpansen <strong>und</strong> den Menschen<br />
das Spiel als Lernmotor „erf<strong>und</strong>en“ (zur Natur des Spiels bei Menschen <strong>und</strong> Menschenaffen<br />
vgl. den aktuellen Überblick von Pellegrini & Smith, 2005).<br />
2.1.1 Das Spiel als Lerntrick <strong>der</strong> Natur<br />
Das Elegante an dieser Erfindung ist das freiwillige <strong>und</strong> lustvolle <strong>Lernen</strong>. Kin<strong>der</strong> brauchen in<br />
vielen Dingen sehr viel Übung, bis sie etwas beherrschen. Da kommt das Spiel sehr gelegen,<br />
weil es dieses oft langweilige <strong>und</strong> mühsame Wie<strong>der</strong>holen mit Freude <strong>und</strong> Lust belohnt. Es ist<br />
die Tätigkeit selbst (z.B. das Hantieren mit den medizinischen Instrumenten beim Doktorspielen),<br />
die Freude macht – <strong>und</strong> nicht in erster Linie <strong>der</strong> Zweck im Ernstfall (z.B. das Heilen<br />
des Kranken). Die Evolution erfindet normalerweise nichts Unnötiges. In den Genen verankerte<br />
Verhaltensweisen werden nur weitergegeben, wenn sie sich für das Überleben einer Art<br />
als vorteilhaft erwiesen haben. Aus dieser Sicht einer biologisch bedingten Spielmotivation<br />
ist ein Zu-viel-<strong>Spielen</strong> fast nicht möglich. Spiel ist demzufolge keine vergeudete Zeit, son<strong>der</strong>n<br />
<strong>Lernen</strong> erster Güte!<br />
2.1.2 Je anspruchsvoller die Kultur, desto weniger Spiel<br />
<strong>Lernen</strong> im Spiel-Modus hat auch Nachteile: Es braucht viel Zeit – vor allem auch deshalb,<br />
weil es den Launen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ausgesetzt ist: Wenn sie gerade keine Lust haben o<strong>der</strong> wenn<br />
die beste Fre<strong>und</strong>in gerade etwas an<strong>der</strong>es macht, dann werden oft wichtige Fähigkeiten lange<br />
nicht mehr geübt. Da ist das Pflichtlernen im Vorteil.<br />
Direkte Instruktion im Sinne von Belehren, Erklären, Vormachen usw. kommt bei nichtmenschlichen<br />
Säugern kaum bis gar nicht vor. Zielorientiertes individuelles <strong>Lernen</strong> (ohne<br />
Spiel) noch weniger. Formen <strong>der</strong> Unterweisung finden wir zwar auch schon bei Urkulturen,<br />
auch Formen des individuellen Übens ohne Spielcharakter. Beides kommt zwar vor, allerdings<br />
eher selten: „Kin<strong>der</strong> aus Jäger-Sammler-Kulturen spielen. Sie jagen nicht, sie sammeln<br />
nicht, sie bauen we<strong>der</strong> Häuser noch Obdach, sie kochen <strong>und</strong> putzen nicht. In Wahrheit, das<br />
Leben von Kin<strong>der</strong>n vor sieben Jahren ist mehrheitlich, wenn auch nicht nur, ein Leben voller<br />
Spiel“ 6 (Gosso et al., 2005, S. 240; vgl. auch Mead, 1970). Unterweisung <strong>und</strong> individuelles<br />
<strong>Lernen</strong> ohne Spielcharakter dürften – vor allem das <strong>Lernen</strong> auf Vorrat in Schulen - weitgehend<br />
kulturelle <strong>und</strong> spezifisch menschliche Erfindungen sein. Sie sind demzufolge letztlich<br />
etwas weitgehend Unnatürliches o<strong>der</strong> positiv formuliert: Sie sind eine Errungenschaft <strong>der</strong><br />
Kultur. Für die Anpassung an die Umgebung von Urmenschen waren sie jedoch nur in geringem<br />
Masse notwendig, ganz im Gegensatz zur heutigen Welt. Das könnte folgende Schluss-<br />
6 Übersetzung durch den Autor.<br />
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