18-21 Gloegglifrosch - Natürlich
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Tiere NATUR<br />
Auffallend grosse Kaulquappen:<br />
Die bis neun Zentimeter langen<br />
Larven der Geburtshelferkröte<br />
leben in Bächen, Kiesgruben oder<br />
Gartenteichen.<br />
Foto: Willocx Hugo/Wildlife Pictures/SUTTER<br />
Jetzt läuten sie wieder. Wie jedes Jahr<br />
von April bis August. Das Glockengeläut<br />
ruft freilich nicht Kirchgänger<br />
zur Abendandacht, sondern lockt<br />
Weibchen der Geburtshelferkröte zur<br />
Liebeshöhle der Männchen. Diese rufen<br />
mit heller, flötenreiner Stimme. Der Balzruf<br />
eines Einzeltieres erinnert an einen Funkton;<br />
ungeübte Ohren könnten ihn mit<br />
dem Laut der Zwergohreule verwechseln.<br />
Unverwechselbar dagegen das Konzert einer<br />
Gruppe Geburtshelferkröten – es tönt<br />
wie fernes Glockengeläut. «Glögglifrosch»<br />
oder «Glögglichrott» heisst die Kröte daher<br />
treffend im Volksmund.<br />
Sobald das Weibchen den Rufer gefunden<br />
hat, umarmt dieser die Partnerin in der<br />
Lendengegend und legt seine Hinterbeine<br />
zwischen die der Geliebten. Mit den Füssen<br />
streichelt er die Geschlechtsöffnung der<br />
Braut. Derart stimuliert, macht sie bald ein<br />
Hohlkreuz und signalisiert auf diese Weise<br />
dem Partner: Laich in Sicht! Denn die Eier<br />
müssen besamt werden, sobald sie das Licht<br />
der Welt erblicken. Kommt der Mann zu<br />
spät, wird die Eihülle an der Luft undurchlässig<br />
für Spermien, die Befruchtung bleibt<br />
aus. Nach der Besamung liegen 15–60 Eier<br />
wie eine Traube zwischen den Hinterbeinen<br />
des Pärchens. Zwei Gallertschnüre halten<br />
den Laich zusammen.<br />
Eiertanz<br />
Zwei rechts, zwei links – was früher<br />
Mädchen in der Nähschule zu lernen hatten,<br />
macht die Geburtshelferkröte jetzt<br />
instinktiv. Der Krötenmann lockert die Umklammerung<br />
und stützt die Hände auf<br />
Schultern oder Kopf der Partnerin. Er hebt<br />
einen Fuss, schiebt ihn in das Gewirr der<br />
Laichschnüre, fischt ein Stück davon heraus,<br />
zieht das ganze Bein an und befördert<br />
so den Laichabschnitt auf seinen Schenkel.<br />
Mit dem anderen Fuss wiederholt er den<br />
Vorgang. Mehrmals wird links und rechts<br />
eingefädelt, zuletzt werden beide Hinterbeine<br />
gleichzeitig gespreizt und so die elastischen<br />
Eischnüre vertäut. Alsdann löst sich<br />
der Vater, geht mit den Eiern huckepack<br />
seines Weges – die Mutter hat ihre Kinder<br />
bereits vergessen.<br />
Ist die Eizahl gering, beginnt das Männchen<br />
erneut zu rufen. Es kann das Gelege<br />
eines zweiten oder gar dritten Weibchens<br />
übernehmen. Dann verzieht sich der Geburtshelfer<br />
in seine Höhle. Die nächsten<br />
3–5 Wochen ruft und frisst er kaum, konzentriert<br />
sich ganz auf den Nachwuchs.<br />
Seine Verstecke wählt er so, dass Temperatur<br />
und Luftfeuchtigkeit für die Eireifung<br />
optimal bleiben.<br />
Die Eihülle ist durchsichtig. Nach wenigen<br />
Tagen sind Augen, Herz und Blutgefässe,<br />
gegen Ende der Brutzeit Kopf und<br />
Schwanz der Kaulquappen zu erkennen.<br />
Davon sieht der Vater nichts, aber er merkt<br />
trotzdem: die Jungen sind schlüpfreif. Er<br />
begibt sich zum Laichgewässer und taucht<br />
das Hinterteil samt Eiern ins Nass; binnen<br />
weniger Minuten schlüpfen die Kaulquappen.<br />
Mit dem Abstreifen der leeren Eihüllen<br />
hat der Vater seine Hebammenpflicht erfüllt.<br />
Bis zum Ende des Sommers kann er<br />
noch zweimal Mutterstelle vertreten.<br />
Verwandlungskünstler<br />
Die Kaulquappen leben gefährlich. Im Laichgewässer<br />
lauern Molche, Libellenlarven,<br />
Wasserkäfer und Fische. Doch die Quappen<br />
sind vorsichtig, und sie können mit kräftigem<br />
Schwanz schnell schwimmen. Gerne<br />
verstecken sie sich unter Steinen, leben im<br />
<strong>Natürlich</strong> | 4-2003 19