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Gemeindeleitung - Biblisch-Evangelische Gemeinde OWL

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<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 1<br />

<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> 1<br />

Eine biblisch-theologische Untersuchung<br />

Von Ronald Senk (BTh, HonsBTh, MTh)<br />

Einleitung<br />

Viele Christen sind hin und hergeworfen, weil sie einerseits die biblische Lehre<br />

sehen, aber andererseits sich auch der (andersdenkenden) <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong><br />

unterordnen möchten. Um diese Frage beantworten zu können, muss die Schrift über<br />

die Autorität von <strong>Gemeinde</strong>leitern hin befragt werden.<br />

Diese praktisch-theologische Frage gehört eigentlich auch in den Bereich der<br />

Hermeneutik. Denn wenn die Entscheidung über die rechte Schriftauslegung in den<br />

Händen von den <strong>Gemeinde</strong>leitern gelegt sein soll, dann sind diese Menschen ein<br />

wichtiger Schlüssel für die „rechte Schriftauslegung“.<br />

Wir werden daher der Frage nachgehen, wie viel Lehrautorität ein heutiger<br />

<strong>Gemeinde</strong>leiter für sich in Anspruch nehmen darf und was dies konkret für den<br />

Umgang mit unterschiedlichen Ansichten bedeutet.<br />

Wie viel (Lehr-)autorität haben heutige <strong>Gemeinde</strong>leiter?<br />

Eine „göttliche Vollmacht und Autorität“ einer Person ist allein vom Wort Gottes<br />

geliehen und keine dem Menschen ontologisch-habituell gegebene „pneumatische<br />

Eigenschaft“. Verkündigt und handelt ein Ältester (oder Missionar, Evangelist,<br />

Sonntagsschulmitarbeiter usw.) in Übereinstimmung mit der Schrift, handelt er in<br />

Vollmacht. Aber nicht in eigener Vollmacht, sondern in der Vollmacht des lebendigen,<br />

mächtigen und geisterfüllten Wortes Gottes (Jes.55,10f; Jer.23,; Neh.9,30; Joh.3,34;<br />

6,63; Apg.20,32; 1.Kor.1,18.21; Röm.1,16; 1.Thes.2,13; Eph.6,17; 2.Tim.3,15-17;<br />

Hebr.4,12; Jak.1,18; 1.Petr.1,23 uva. 2 ). Besonders Apg.20,32 macht diesen<br />

Sachverhalt deutlich.<br />

Roloff kommentiert dazu:<br />

„Das Amt [des Ältesten - RS] garantiert für Lukas trotz der hohen Bedeutung, die er<br />

ihm beimißt, nicht die Wirksamkeit des Geistes, es ist vielmehr selbst der im Wort<br />

gegenwärtigen Macht des Geistes unterstellt. Das Wort Gottes allein ist mächtig, die<br />

Kirche zu ’erbauen’ - hinter dieser Wendung steht das im Neuen Testament<br />

verbreitete Bild der Kirche als der Gottestempel der Endzeit (1.Kor.3,9-14; Eph.4,12<br />

u.a.) – und das zukünftige Heil zu erschließen. (...) Lukas erweist sich als ’Theologe<br />

des Wortes’” 3<br />

Barrett sagt: „In fact it is the word of God, God in his word, who is able to build up the<br />

elders themselves and the church that they serve.” 4<br />

Menschen – auch <strong>Gemeinde</strong>leiter – haben nur in dem Maße „Autorität und<br />

Vollmacht“, wie sie sich an Gottes Wort halten. Denn nicht Menschen regieren die<br />

1<br />

Vgl. Ronald Senk. 2006. Das Israel Gottes – Die Frage nach dem Volk Gottes im Neuen Bund. RVB<br />

Hamburg. 2.ed. S.98-115<br />

2<br />

Ronald Senk. 2008. Das Schwert des Geistes – der Zusammenhang von Wort und Geist in der Heiligen<br />

Schrift. 2.ed. Betanien Oerlinghausen (siehe dazu auch die Corrigenda zur 2.Auflage auf „cbuch.de“).<br />

3<br />

Jürgen Roloff. 1981. Die Apostelgeschichte (NTD 5). Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht., S.306f<br />

4<br />

Charles K. Barrett. 1998. The Acts of the Apostles Bd.II (ICC). Edinburgh T & T Clark. S. 981


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 2<br />

<strong>Gemeinde</strong>, sondern Gott mit seinem lebendigen und pneumaerfüllten Wort. Die<br />

Aufforderungen im NT sich den <strong>Gemeinde</strong>leitern unterzuordnen und gehorsam zu<br />

sein (z.B. Hebr.13,17 u.a.) gelten nicht als „Autoritäts- Blankoscheck“. Als die<br />

Verfasser (Paulus u.a.) diese Aussagen formulierten, hatten sie konkrete Menschen<br />

vor Augen, von denen sie wussten, dass sie die rechte Lehre recht austeilten<br />

(damals hatte nicht jeder eine „Bibel“ und man war viel mehr von der Lehre anderer<br />

abhängig – daher auch mehr Verantwortung).<br />

Die Apostel haben aufs engste mit den Ältesten der <strong>Gemeinde</strong>n<br />

zusammengearbeitet und diese (durch Mitarbeiter und anhand vorgegebener<br />

Kriterien) eingesetzt (vgl. nur Apg. 15,1ff; 20,17ff; Tit.1,9; 1.Tim.5,22 u.a.). Oder sie<br />

wurden sogar direkt vom Heiligen Geist eingesetzt (vgl. Apg.20,28 mit 13,2f ). Von<br />

diesen so durch die Apostel (oder deren Mitarbeiter) bzw. den Heiligen Geist<br />

erkannten (oder den Aposteln bekannten) Ältesten konnte gesagt werden, dass man<br />

ihnen gehorchen und folgen sollte. Auch die anderen Anweisungen bzgl. der Ältesten<br />

im NT (wie z.B. die Anweisungen in 1.Tim.5,17-21 über die Anklage oder den<br />

Umgang mit Ältesten) dürfen nicht auf heutige (zumeist von der <strong>Gemeinde</strong><br />

demokratisch gewählte oder bestätigte 5 ) <strong>Gemeinde</strong>älteste oder Leiter übertragen<br />

werden, da sie alle nicht direkt von Gott eingesetzt wurden und keine<br />

„gleichwertigen“ Ältesten oder Leiter wie z.Zt. des NT sind bzw. sein können. Heute<br />

(in der nachapostolischen Zeit) gibt es keine apostolisch-pneumatisch berufenen<br />

Ältesten bzw. <strong>Gemeinde</strong>leiter mehr, wie es sie z.Zt. des NT gab. Diese<br />

neutestamentlichen Ältesten hatten eine apostolisch-göttliche Lehrautorität, die es<br />

heute nicht mehr gibt. Daher sind die Aussagen über die Ältesten bzw.<br />

<strong>Gemeinde</strong>leiter nicht auf heutige „Amtsinhaber“ übertragbar. Dies betrifft vor allem<br />

Aussagen über die Autorität und Vollmacht von Ältesten (gegen Stadelmann,<br />

5<br />

Älteste wurden nicht demokratisch gewählt, sondern anhand bestimmter apostolischen Kriterien und<br />

Auflagen erkannt und eingesetzt. Nur weil eine Anzahl oder Mehrheit von Menschen eine Person zu ihrem<br />

„Führer“ wählen, hat dies keinerlei geistliche oder theologische Bedeutung (geschweige denn „geistlichtheologische<br />

Autorität“). Es wird einem bei einer solchen Wahl oft suggeriert, dass der Heilige Geist sie<br />

dabei leiten würde. Diese Vorstellung ist schwärmerisch und nicht mit der Bibel zu begründen. Zumeist<br />

ist es eben nicht „der Heilige Geist“, sondern die Sympathie oder andere menschliche Kriterien, die die<br />

Wahl bestimmen.<br />

Vor allem im Blick auf so manche theologischen Überzeugungen und Vorstellungen mancher <strong>Gemeinde</strong>n<br />

ist eine Verbindung bzw. Ineinssetzung von „Gottes Willen“ und „Demokratischer Wahl“ unhaltbar und<br />

utopisch.<br />

Auch Apg.6,3-5 kann nicht als Beleg für die demokratische Wahl genommen bzw. als Anleitung zur<br />

heutigen Ältestenwahl herangezogen werden. Zuerst geht es hier um eine Diakonen-, nicht um eine<br />

Ältestenwahl (vgl. den ausdrücklichen Unterschied zur Lehraufgabe in V.2b). Dabei ist die Bezeichnung<br />

„Diakon“ nicht unbedingt mit einem „Leitungsamt“ der <strong>Gemeinde</strong> verbunden, sondern – wie hier in Apg.6<br />

die Verwaltung des Witwengeldes – mit einem ganz bestimmten Dienst und Auftrag (vgl. Röm.16,1, wo<br />

eine Frau einen diakonischen Dienst ausübt, obwohl nach Tit.1,5ff und 1.Tim.2,11ff den Frauen diese<br />

Dienste nicht erlaubt sind – siehe Fußnote 13). Zweitens wurde hier nicht gewählt (also demokratisch<br />

„abgestimmt“), sondern anhand von geistlichen Kriterien wurden Leute „erkannt“ (hier ist eine Analogie zu<br />

dem Vorgehen in 1.Tim.3,1-13; Tit.1,5-9 zu sehen). Danach wurden diese Leute von den Aposteln durch<br />

Handauflegung in ihrem Dienst bestätigt und eingesetzt. Auch dies ist heute in der nachapostolischen Zeit<br />

nicht mehr möglich, so dass – selbst wenn es hier in Apg.6 um den Ältestendienst gehen würde – dies<br />

nicht auf uns heute übertragbar wäre. Es ist einfach unzulässig und inkonsequent Teile eines<br />

zusammenhängenden Bibeltextes (bzw. eines zusammenhängenden Vorgangs, wie hier bei dieser<br />

„Diakonenwahl“) aufzuspalten, indem man einige Sachen daraus direkt auf heute überträgt und andere<br />

(wie die Handauflegung der Apostel) einfach in der Übertragung auf heute ignoriert – der Text bzw. hier<br />

beschriebene „Wahl und Erkennungsvorgang“ ist entweder ganz oder gar nicht (direkt) übertragbar. Dies<br />

gilt auch für viele andere Schriftaussagen (FN). Daher hat keine heutige „Ältestenerkennung“ eine (direkte)<br />

pneumatisch-apostolische Legitimation oder Autorität.


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 3<br />

Strauch, Peters 6 u.a.). Zwar hing die Vollmacht der neutestamentlichen Ältesten und<br />

<strong>Gemeinde</strong>leiter auch von deren Übereinstimmung mit der rechten (apostolischen)<br />

Lehre zusammen, doch war dies durch die apostolische Prüfung und (z.T. zusätzlich<br />

pneumatische) Berufung gegeben. Weder hat heute jemand ein „apostolisches<br />

Empfehlungsschreiben“ noch eine direkt pneumatische Berufung für sein Ältestenamt<br />

(auch wenn manche dies von sich selber behaupten). Außer auf eine theologische<br />

Ausbildung, homiletisch-rhetorische oder andere (organisatorische) Fähigkeiten,<br />

einer menschlich-demokratischen Wahl etc. kann man sich nicht berufen. Diese<br />

Dinge aber sind in keiner Weise eine Berechtigung, für sich eine besondere<br />

geistliche Vollmachts- oder Führungsautorität (in Analogie zum NT) zu<br />

beanspruchen.<br />

Aussagen wie Hebr.13,17 darf man daher nicht einfach auf heutige xbeliebige<br />

„<strong>Gemeinde</strong>leiter“ übertragen 7 , als wenn sie sozusagen qua Amt diese Lehr- (oder<br />

sonstige) Autorität hätten. In Hebr.13,7 erwähnt der Verfasser die „Führer“ (griech:<br />

ton hägoumenon), welche den Adressaten „das Wort Gottes“ verkündigt hatten. In<br />

Hebr.13,17 spricht er auch von den (neuen 8 ) „Führern“ (griech: tois hägoumenois),<br />

denen sich die Adressaten nun unterzuordnen haben und denen sie gehorchen<br />

sollen. In 13,24 lässt er diese auch ausdrücklich grüßen. Der Apostel hat hier also<br />

6<br />

„Den Ältesten der <strong>Gemeinde</strong> sollte von allen Gliedern Gehorsam und Ehrerbietung entgegengebracht<br />

werden. So biblisch das allgemeine Priestertum ist, so unbiblisch ist es, denen die Ehre und den<br />

Gehorsam zu verweigern, die einen besonderen Dienst in der <strong>Gemeinde</strong> ausüben.“ Helge Stadelmann.<br />

1985. „<strong>Gemeinde</strong>demokratie oder Führungsverantwortung der Ältesten“. In: www.efg-hohenstaufenstr.de;<br />

vgl. auch Benedikt Peters. 1996. Weder Diktatur noch Demokratie. Bielefeld CLV. S.78. Viele Menschen<br />

berufen sich dann fälschlicherweise auf eine „göttliche Autorität“, welche Gott ihnen aber nie gegeben oder<br />

zugesprochen hat. Andererseits werden viele Christen völlig unberechtigt zu einen Gehorsam „gegenüber<br />

Gott“ bzw. den „von Gott eingesetzten“ Ältesten aufgerufen und ermahnt. Ungehorsam gegenüber den<br />

„Ältesten“ wird dann nicht selten mit „Ungehorsam gegenüber Gott selber“ gleichgesetzt. Manche drohen<br />

sogar mit „Segensverlust“ oder „Fluch“. Hier werden sich eines Tages viele sog. „Ältesten“ dafür vor Gott<br />

rechtfertigen müssen.<br />

7<br />

Bei der Auslegung der Schrift ist es von enormer Wichtigkeit, die Bibel nicht wie ein „Orakelbuch“ zu<br />

behandeln, indem man z.B. (so gut wie) alle Schriftaussagen direkt auf sich überträgt bzw. anwendet. Man<br />

muss genau hinschauen, wer im Text angesprochen bzw. über wen im Text berichtet wird. Natürlich ist<br />

jeder Buchstabe der Schrift Gottes Wort für uns. Doch nicht in dem Sinne, dass man willkürlich<br />

Schriftstellen direkt auf sich bezieht. Wir lernen auch aus den indirekten und geschichtlichen Texten etwas<br />

über Gott und auch über uns und theologische und ethische Prinzipien, welche wir dann indirekt auf uns<br />

und unser Glaubensleben anwenden können (vgl. 2.Tim.3,15-17). Doch niemand steinigt heute – wie im<br />

AT vorgeschrieben – Kinder, wenn sie gegen die Eltern rebellieren (5.Mo. 21,18ff); niemand schlägt mit<br />

einem Stock an einen Stein um Wasser zu empfangen, nur weil Gott dies dem Mose so gesagt hatte;<br />

niemand darf von Gott eine direkte Führung in der Partnerwahl fordern bzw. erwarten, nur weil er dies so<br />

mit Isaak und Rebekka (u.a.) gemacht hat; niemand verkauft seine ganze Habe und geht heute mit nur<br />

„einen Unterkleid“ und ohne „Sandalen, Stab und Beutel“ durch Judäa wunderwirkend missionieren, nur<br />

weil Jesus das damals seinen Jüngern aufgetragen hatte usw.. Hier könnte man noch etliche Beispiele<br />

anführen. Man kann und darf nicht einfach bestimmte Aussagen oder Verheißungen der Bibel auf sich<br />

direkt übertragen, wenn der Text eindeutig zeigt, dass hier eine andere Heilszeit (alter Bund) oder eine<br />

bestimmte Person und Situation gemeint ist und nicht die „allgemeine Glaubensgemeinschaft“ (bzw. das<br />

ganze Volk Gottes zu allen Zeiten). Dies trifft auch für Aussagen wie z.B. Hebr.13,17 zu. Ähnliches gilt für<br />

die Empfehlungen und Autoritätsbestätigungen des Paulus für Timotheus oder anderer Mitarbeiter. Diese<br />

dürfen nicht einfach direkt auf uns übertragen werden, weil Paulus hier von konkreten Personen redet (wie<br />

in Hebr.13,17) und nicht einfach generell sagen will, dass jedem beliebigen „Ältesten“ zu gehorchen ist.<br />

Dieses hermeneutische Thema ist zu komplex, um es hier ausführlich zu behandeln (vgl. dazu Fußnote<br />

2).<br />

8<br />

Man muss bedenken, dass die „Führer“ in 13,7+17 nicht unbedingt zwei unterschiedliche Gruppen<br />

meinen. Es kann sich um eine Mehrzahl von Führern gehandelt haben, von welchen einige (die „ersten“)<br />

schon gestorben waren, aber andere davon noch leben und daher auch in V.17 gemeint sein können.


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 4<br />

ganz konkrete, bestimmte und ihm bekannte Leute vor Augen (vgl. ebenso<br />

1.Thes.5,12f 9 ; 1.Kor.16,15f 10 ).<br />

Diese Tatsache macht eine beliebige Übertragung der in Hebr.13,17<br />

ausgesprochenen Autorität auf heutige „Führer“ unmöglich. Daher hat keine heutige<br />

„Ältestenerkennung“ eine (direkte) pneumatisch-apostolische Legitimation oder<br />

Autorität 11 . Kein Ältester in der nachapostolischen Zeit kann für sich eine derartige<br />

apostolisch-pneumatische Berufung in Anspruch nehmen. Nein, ihre geliehene<br />

Autorität steht und fällt mit ihrer Haltung zum Wort Gottes und ihrer Lehre. Folgen<br />

müssen wir Gott und seinem Wort. Die Leitung hat die Aufgabe, dieses Wort an die<br />

<strong>Gemeinde</strong> weiterzugeben und auf diese Weise zu führen. Tut sie es nicht oder nicht<br />

in Übereinstimmung mit der Schrift, hat sie keinerlei Autorität und es muss ihr klar<br />

widersprochen werden. Viele <strong>Gemeinde</strong>leiter stimmen prinzipiell zu, dass allein die<br />

Heilige Schrift die Autorität für die <strong>Gemeinde</strong> ist. Doch bestimmt eben die<br />

<strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> oft selber, was biblisch ist und was nicht (bzw. bestimmt die<br />

Lehrinhalte). Damit machen sie sich praktisch unantastbar. Hier besteht dann kaum<br />

ein Unterschied zu dem katholischen Klerus, der sich in ähnlicher Weise<br />

unhinterfragbar macht. Dazu kommt noch, dass in diesen <strong>Gemeinde</strong>n die Mitglieder<br />

es oft kulturell gewöhnt sind, dem Leiter, Ältesten oder Prediger „hörig“ zu sein.<br />

Diese kulturelle Prägung der <strong>Gemeinde</strong>glieder ist natürlich ein guter „Wirt“ für Älteste,<br />

die Ihre Macht, Interessen und Lehrmonopolstellung ausleben möchten.<br />

In den <strong>Gemeinde</strong>n soll allein das klare, mächtige und geisterfüllte Wort Gottes<br />

regieren. Die von Gott berufenen Ältesten und Leiter im NT haben nichts anderes<br />

getan (Apg.20,32). Doch heute gibt es keine apostolischpneumatisch berufenen<br />

Älteste und Leiter mehr, sodass das Wort allein Regent der <strong>Gemeinde</strong> ist. Dies<br />

bedeutet nicht, dass die <strong>Gemeinde</strong> heute keine Älteste, Leiter oder Lehrer hat oder<br />

haben darf 12 . Doch dieser Dienst darf nicht als „ordiniertes Amt“ gesehen werden, bei<br />

9<br />

Es ist wohl unbestreitbar, dass der Apostel Paulus – als <strong>Gemeinde</strong>gründer (Apg.17,1ff) – diese <strong>Gemeinde</strong><br />

und deren Vorsteher kannte. Nach 1.Thes.3,1ff sandte Paulus den Timotheus sogar bald wieder nach<br />

Thessaloniki. Vielleicht hat er in dieser Zeit auch die Leitungsfrage behandelt (vgl. die Aufgaben des<br />

Timotheus und Titus – 1.Tim.2,8ff; Tit.1,5ff). Wie dem auch sei – Fakt ist jedenfalls, dass Paulus hier von<br />

ganz konkreten Menschen redet, die er persönlich kennt. Daher legt er der <strong>Gemeinde</strong> ans Herz, sich<br />

diesen Dienern im (vom Apostel zugesprochenen) Vertrauen unterzuordnen. Diesen apostolischen<br />

Vertrauenszuspruch darf niemand für sich heute beanspruchen oder einfach auf sich übertragen.<br />

10<br />

Auch hier geht es um konkrete Menschen, welche einen konkreten Dienst innehatten. Selbst wenn heutige<br />

Christen ihr „Haus“ in ähnlicher Weise der <strong>Gemeinde</strong> zur Verfügung stellen berechtigt dies nicht, dass man<br />

die paulinische Aufforderung zur Unterordnung auf diese (dem Apostel ansonsten unbekannten) Personen<br />

übertragen darf. Zudem ist auch nicht ganz eindeutig, welche Art der Unterordnung gemeint ist.<br />

Hochwahrscheinlich ist dies parallel zu Phil.2,29 zu verstehen.<br />

11<br />

Und schon damals sollte dieser Dienst der Leitung und des Ältesten ein Dienst des Vorbildes und nicht<br />

des Herrschens sein (1. Petr.5,3). Wenn schon damals die direkt apostolischpneumatische eingesetzten<br />

Leiter diese Ermahnung erhielten – obwohl sie eigentlich eine Autorität zugesprochen bekommen haben<br />

– wie viel mehr gilt diese Ermahnung heutigen Leitern, welche sich nicht auf eine direkte apostolischpneumatische<br />

Berufung und Autorität berufen können (vgl. Mk.10,43).<br />

12<br />

Manche berufen sich auf Aussagen wie Spr.11,14 oder Richter 21,25 um deutlich zu machen, dass eine<br />

Leiterschaft absolut notwendig ist. Zuerst muss man festhalten, dass es nicht Gottes Wille war, dass ein<br />

König bzw. ein menschlicher Führer über das Volk Gottes herrschte – Gott allein war ihr König (1.Sam.8,5-<br />

7; 10,19; 12,12.17). Daher sollte man mit einer derartigen Argumentation lieber zurückhaltend sein.<br />

Daneben übersieht man dabei, dass im AT eine Theokratie herrschte, in der politische und geistliche<br />

Leiterschaft nicht getrennt wurden. Dies ist für das geistliche Volk Gottes des Neuen Bundes nicht mehr<br />

so. Hier sind Staat und Kirche getrennt. Es ist eine geistliche Theokratie. Bzgl. des Staates gilt, dass die<br />

Regierung von Gott eingesetzt wurde und man sich ihr unterzuordnen hat (Röm.13,1ff; Apg.23,5). Wo eine<br />

politische Leitung fehlt, macht sich Anarchie und Chaos breit. Doch diese politische Autorität hat (für<br />

Christen) ihre Grenzen am Wort und Willen Gottes (Apg.5,29 – was auch für die geistliche „Leitung“ gilt!).


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 5<br />

der man in Analogie zum NT davon ausgeht, dass hier eine göttliche Berufung samt<br />

Autorität und Vollmacht vorliegt. Vollmacht und Autorität hat allein Gott, der diese<br />

mittels seines Wortes ausführt. Die <strong>Gemeinde</strong> hat sich unter dieses zu versammeln.<br />

Durch die Klarheit (5.Mo.4,1f; 6,4-9; 29,28; 30,11-14ff; Ps.1,2; 19,7-11; 119,130) und<br />

pneumatische Kraft (s.o. die Schriftbelege und Fußnote 2) hat das Wort Gottes die<br />

Vollmacht und Möglichkeit, die <strong>Gemeinde</strong> zu führen und zu regieren (Apg.20,32).<br />

Natürlich hat nicht jeder Bibelleser die Fähigkeit und die Erlaubnis zu lehren (für<br />

Frauen gilt noch eine besondere Einschränkung 13 ). Diese Gabe der Lehre haben alle<br />

13<br />

In 1.Tim.2,11-14 wird deutlich gesagt, dass Frauen ein Lehren untersagt wird, da sie dadurch eine<br />

Autoritätsstellung einnimmt und damit herrscht (Lehren ist an sich eine autoritative Angelegenheit und hat<br />

– wie eben auch das damals damit zusammenhängende lehrhafte Ältestenamt – mit „Herrschen“ zu tun<br />

und nicht erst, wenn eine Frau dies als negativen Zweck beabsichtigt. Es gab kein Lehren ohne<br />

„Herrschen“). Dem entgegen stellt Paulus die Schöpfungsordnung (was dieser Anordnung eine<br />

überkulturelle autoritative Bedeutung für alle Zeiten gibt), mit der er schon öfters argumentiert hat (vgl.<br />

1.Kor.11,3ff). Daneben zeigt der Sündenfall für Paulus, dass die Frau ein potentieller Angriffspunkt für<br />

Verführung zur falschen Lehre und zur Sünde ist und sie sich anscheinend eher verführen lässt (vgl.<br />

2.Kor.11,3 – obwohl eben Adam als Haupt die Verantwortung zu tragen hatte Röm.5,12ff). Paulus will<br />

zeigen was passiert, wenn die Frau die (geistliche) Leitung in die Hand nimmt. Da Lehren und Weissagen<br />

im NT nicht dasselbe meint, sondern deutlich unterschieden werden, besteht kein Widerspruch zu<br />

1.Kor.11,3f (in den Gabenlisten werden Prophetie und Lehren klar unterschieden; daneben ist Lehren die<br />

autoritative Weitergabe des Wortes Gottes: 1.Kor.12,28f; Eph.4,11; 1.Tim.2,7; 2.Tim.1,2f; 3,16; Jak.3,1;<br />

Prophetie ist das Weitergeben spontaner, situationsbezogener und zu prüfende Offenbarungen: vgl.<br />

Apg.21,12ff; 1.Thes.5,20f; in 1.Kor.14,33-37 wird der Frau das lehrhafte Beurteilen von Weissagung<br />

verboten – vgl. Eckhard J. Schnabel. 1998/99. „Urchristliche Glossolalie“. In: JETh. Wuppertal Brockhaus,<br />

S.77-95). Nirgendwo im Text wird ersichtlich, dass Paulus hier in 1.Tim.2,11-14 nur von konkreten<br />

Irrlehrerinnen in Ephesus redet ohne eine allgemeintheologische Aussage zu machen. Nicht nur die<br />

Begründung mit der Unterordnung und der Schöpfungsordnung macht diese Annahme unmöglich (vgl.<br />

1.Kor.11,3ff; Eph.5,25ff u.a.), sondern auch die Tatsache, dass an Stellen, wo Männer falsche Lehren<br />

verbreiten, nicht dann auch nur diesen Männern das Lehren untersagt wird (was sonst zu erwarten wäre).<br />

Auch die Theorie, dass Paulus in 1.Tim.2,11-14 auf die Lehren dieser Frauen konkret eingeht und diese<br />

in V.13-14 beschreibend widerlegen will (sie hätten fälschlicherweise behauptet, dass der Mann zuerst<br />

geschaffen und Adam verführt wurde etc. und Paulus würde dies dort dann widerlegen), ist am Text selber<br />

nicht festzumachen und auch sonst völlig abwegig. Denn wir können nicht wissen, ob überhaupt und<br />

geschweige denn was irgendwelche Frauen damals dort gelehrt haben sollen. Dass „gar“ (denn) in V.13<br />

macht deutlich, dass Paulus eine Begründung für sein Lehrverbot gibt und nichts widerlegen will. Daneben<br />

begründet Paulus das Verhältnis von Mann und Frau (auch in der <strong>Gemeinde</strong>) an anderen Stellen ebenfalls<br />

mit der Schöpfungsordnung etc. (1.Kor.11,3ff; 2.Kor.11,3). Es ist das Lehren allgemein untersagt, nicht<br />

nur die Ausübung des Ältestenamtes, da es in den <strong>Gemeinde</strong>n auch Lehrer gab, welche nicht Älteste<br />

waren (vgl. 1.Kor.12,28; 14,26; 2.Tim.2,2; Röm.12,7f). Auch der Versuch, an Randaussagen wie z.B. an<br />

Grußlisten ein Lehr- oder Leitungsamt für die Frau zu begründen, ist völlig unzulässig und nicht tragend.<br />

Es kann z.B. sein, dass in Röm.16,1 nur gesagt werden soll, dass Phöbe „gedient“ hat, ohne zu sagen,<br />

dass sie ein leitendes Amt inne hatte (was ja auch 1.Tim.3,12 widersprechen würde, da dort in V.11 vom<br />

Kontext her die Ehefrauen der Diakone gemeint sind, weil in V.13 wieder die Diakone angesprochen<br />

werden und es auch sonst nicht ungewöhnlich war [wie man an den Voraussetzungslisten dazu in 1.Tim.2<br />

und Tit.1 sehen kann], dass ein Leitender der <strong>Gemeinde</strong> eine vorbildliche Familie zu haben hatte). In<br />

Röm.16,7 wird nur gesagt (falls hier überhaupt eine Frau gemeint ist), dass sie unter den Apostel<br />

angesehen war – also bei ihnen einen guten Ruf hatte und nicht selber dazugehörte. Ob und inwieweit<br />

Prizilla und Aquila gemeinsam Apollos belehrt haben (Apg.18,26), ist uns nicht bekannt. So ist auch<br />

Kol.3,16 nicht im Widerspruch zu den anderen Aussagen wie z.B. 1.Tim.2,11-14 u.a. gemeint, sondern<br />

in diesem hier bereits aufgezeigten schöpfungstheologischen Rahmen zu verstehen. Gal.3,28 ist eine<br />

soteriologische und keine ekklesiologische bzw. schöpfungstheologische Aussage (denn auch der Sklave<br />

bleibt unter seinem Herrn, selbst wenn er Christ geworden ist). Natürlich lehren auch Frauen (2.Tim.1,5;<br />

3,15; Tit.2,3f), aber eben Kinder und andere Frauen und auch nur bestimmte Inhalte. Auch das Beten und<br />

Weissagen der Frau in der <strong>Gemeinde</strong> (1.Kor.11,3ff) geschah nur unter bestimmten<br />

(schöpfungs)theologischen Regeln. Dabei ist zu 1.Kor.11,3-16 zu erwähnen, dass der natürliche Sinn des<br />

Textes klarmacht, dass es hier nicht um eine stoffliche Kopfbedeckung geht, sondern um die Länge der<br />

Haare bzw. die Haartracht. So wird in V.13-15 kein neues Thema angesprochen, sondern hier folgt nach<br />

einer theologischen und schöpfungstheologischen Begründung ein weiteres Argument aufgrund des<br />

„Anstandes“ und der „Natur“. Paulus macht dann in V.15 deutlich, dass eben das lange [bzw. weiblich


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 6<br />

diejenigen, welche die Schrift und ihre Aussagen in ihrer Gesamtheit kennen und<br />

recht erkennen. Dies ist die Voraussetzung dafür, die Lehre der Bibel recht austeilen<br />

zu können. Die Gabe der Lehre wird durch Lehre empfangen. Diese Gabe ist also<br />

nicht eine homiletisch-rhetorische, sondern eine theologische Fähigkeit. Die Gabe<br />

der Lehre besteht darin, dass man die Lehre der Apostel (Schrift) gelehrt bekommt<br />

(also kennt) und theologisch richtig versteht und zuordnet. Die Gabe der Lehre kann<br />

also durch Lehre weitergegeben werden. Die, welche die (rechte) Lehre empfangen<br />

haben, indem sie das Wort in rechter Weise erklärt bekamen und verstanden, waren<br />

Lehrer (vgl. 2.Tim.1,13f; 2,2; 3,14ff; Hebr.6,12; Jak.3,1). Doch die Autorität dieser<br />

„Hirten und Lehrer“ steht und fällt mit ihrer Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift<br />

(und deren Glaubwürdigkeit mit ihrem Lebenswandel 14 ). Nicht jeder hat die Gabe der<br />

Lehre.<br />

getragene] Haar diese hier von Paulus geforderte Bedeckung ist. Eine Frau, die dies nicht akzeptiert – also<br />

kurze bzw. maskuline Haare trägt – kann dann auch gleich alle Haare abschneiden bzw. sich kahl scheren<br />

lassen (steigerndes Argument). Sie hat dann auch keine Vollmacht bzw. Berechtigung, in der <strong>Gemeinde</strong><br />

zu Beten und zu Weissagen (vgl. V.5 mit V.10 – die Engel sind vielleicht in Verbindung mit dem Gebet der<br />

<strong>Gemeinde</strong> zu verstehen - vgl. Offb.8,1-6). Die Wendung in V.4 kata kephales echon heißt wörtlich: „etwas<br />

vom Kopf herab[hängen] haben“ (vgl. Craig Blomberg. 1994. 1 Corinthians (NIVAC). Grand Rapids<br />

Zondervan, S.210f; Andreas Lindemann. 2000. Der erste Korintherbrief (HNT 9/I). Tübingen Mohr S.240).<br />

Auch dies macht deutlich, dass der Apostel von den (langen, weiblichen) Haaren spricht, die ein Mann<br />

nicht aber eine Frau sehr wohl zu tragen hat (V.13-15). Auch das äußere Auftreten der Glaubenden ist Gott<br />

wichtig. Aber auch hier darf man natürlich nicht über die Schrift hinausgehen. So bekommt keine Frau<br />

einen „geistlichen inneren Menschen“ einfach dadurch, indem sie (aufgrund einer falschen Auslegung von<br />

1.Petr.3,1ff) stupide allen Schmuck und alles Verschönerungsmaterial ablegt. Zudem verbietet die Schrift<br />

an keiner Stelle den Schmuck. So wird Sara in 1.Petr.3,6 als Vorbild genommen, obwohl in ihrer Zeit<br />

Schmuck eine Selbstverständlichkeit war (vgl. 1.Mo.24,22f u.a.). Wenn man z.B. 1.Petr.3,3 (oder<br />

1.Tim.2,9) als völliges Verbot versteht, dann müssten die Frauen nackt und ohne Kleider herumlaufen, da<br />

Petrus dies dort ausdrücklich so sagt. Nein, es geht um eine innere Haltung, welche sich auch nach außen<br />

zeigt: eine fromme Frau legt mehr Wert auf die innere als auf die äußre Schönheit, wobei das eine das<br />

andere nicht völlig ausschließt. Ein absolutes „Schmuckverbot“ ist von der Schrift also nicht begründbar.<br />

Ähnlich verhält es sich mit einem angeblichen „Hosenverbot“ für Frauen in 5.Mo.22,5. Dort geht es nicht<br />

um „Hosen“ (die es damals noch nicht gab), sondern um ein Verbot des Transvestismus und der<br />

Homosexualität (Gordon J. Wenham. 1991. „The Old Testament Attitude to Homosexuality“ In: Expository<br />

Times 102, S.362).<br />

14<br />

Man muss auch beachten, dass diese Kriterien keinen Perfektionismus meinen. Es sind grundsätzliche<br />

Voraussetzungen, bei denen es zumeist um die Treue und Glaubwürdigkeit eines Ältesten geht. Sein Ruf<br />

– nach innen und außen – musste ein guter, kein perfekter sein. So durfte er nicht geschieden und<br />

wiederverheiratet sein und musste seiner Familie gut vorstehen u.a. (kein Säufer, Verbrecher usw.).<br />

Daneben muss man den „guten Ruf nach außen“ differenziert betrachten. Denn ein Christ, welcher<br />

ungeteilt bei den Aussagen der Heiligen Schrift bleibt, wird auf jeden Fall Verfolgung und üble Nachrede<br />

erdulden müssen – und dies nicht nur von Ungläubigen (vgl. Joh.15,20; 1.Petr.2,1.12; 3,16f; 2.Tim.3,12<br />

u.a.). Schon Jesus machte seinen Jüngern deutlich, dass es ein schlechtes Zeichen sei, wenn die Leute<br />

nur „Gutes“ über einen reden – denn dies taten sie zumeist mit den falschen Propheten. Jesus macht<br />

deutlich, dass unsere Treue zu ihm und zu seinem Wort auf jeden Fall dazu führen wird, dass die Leute<br />

negativ uns gegenüber eingestellt sind und schlecht von uns reden werden (Lk.6,26; vgl. Mk.10,34-39).<br />

Jesus selber wurden immer wieder falsche Unterstellungen und Vorwürfe gemacht.<br />

Einen „schlechten Ruf“ zu haben ist nur dann problematisch (für den Leitungsdienst), wenn dieser auch<br />

der Wahrheit entspricht und tatsächlich Sünde oder andere Dinge vorliegen (Säufer, Dieb, Ehebrecher<br />

usw.). Solange dies aber nur „üble Nachrede“ ist, dienst es eher der Bestätigung des Glaubens.<br />

Wir sollen nicht darauf achten, was Menschen von uns denken oder über uns reden, sondern uns ganz<br />

und gar an die Heilige Schrift halten (Gal.1,9f) und ein gutes Gewissen vor Gott und den Menschen<br />

bewahren (Apg.24,16; 1.Petr.3,16). Dann brauchen uns die ganzen Anfeindungen und üblen Nachreden<br />

etc. nicht zu stören. Auch dürfen wir deswegen niemandem den Ältestendienst aberkennen bzw.<br />

verwehren – im Gegenteil können wir hier eine Bestätigung und Festigung des Glaubens erfahren. Der<br />

„schlechte Ruf“ kann also eine bestätigende Qualifikation für einen Lehrdienst darstellen, wenn er nicht<br />

der Wahrheit entspricht.


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 7<br />

Wir sind deshalb füreinander da, dass wir uns mit unseren Gaben gegenseitig helfen<br />

(Eph.4,11-16; 1.Petr.4,10f). Und nur eine Leitung zu haben, damit die <strong>Gemeinde</strong><br />

strukturiert und organisiert ist, kann nicht als Begründung ausreichen. Was hilft eine<br />

Leitung und Struktur, wenn sie nicht biblisch bzw. nicht mit biblischen Inhalten und<br />

Zielen gefüllt ist? Hauptsache jemand sagt mit der Bibel in der Hand wo es langgeht,<br />

auch wenn er nicht in Übereinstimmung mit der Schrift lehrt (und damit seine<br />

Richtungsanweisung eigentlich eine gefährliche ist!)? Hauptsache das Schiff wird<br />

gelenkt – egal wohin?<br />

Natürlich ist die Alternative dazu keine führerlose <strong>Gemeinde</strong>, in der Jedermann<br />

pluralistisch glaubt, lehrt oder macht was er will. Die Frage ist aber, was gefährlicher<br />

ist: eine <strong>Gemeinde</strong>, welche bewusst und praktisch ausführend das Wort der Bibel<br />

über die menschliche Leitung stellt (was zugegeben vielleicht die ein oder andere<br />

organisatorische Problematik mit sich bringt); oder eine <strong>Gemeinde</strong>, die einer Leitung<br />

„hörig“ ist, welche nicht mit der Lehre der Schrift übereinstimmt bzw. wo auch<br />

persönlicher Machtmissbrauch vorzufinden ist?<br />

Es ist das Wort Gottes, welches die <strong>Gemeinde</strong> führt und leitet. Hier ist Struktur,<br />

Führung und Organisation gegeben. Dies soll dann in dieser Haltung ausgeführt<br />

werden: Die Ältesten und <strong>Gemeinde</strong>leiter sollen die <strong>Gemeinde</strong> anhand der Heiligen<br />

Schrift führen und leiten. Dabei sind sie sich aber bewusst, dass sie nicht qua Amt<br />

eine eigene Personautorität besitzen, sondern allein durch das Wort Gottes die<br />

Autorität Christi weitergeben. Ihre Autorität ist eine geliehene Autorität. Allein mit<br />

dieser Grundhaltung ist biblische <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> möglich. Solange der<br />

<strong>Gemeinde</strong>leiter das Wort in dieser Weise und mit dieser Haltung seinem Dienst<br />

gegenüber recht austeilt, soll die <strong>Gemeinde</strong> darauf hören. Sie hören aber nicht auf<br />

den Leiter, sondern auf das Wort Gottes. Die Worte des Leiters müssen mit diesem<br />

übereinstimmen. Ist dies nicht der Fall, muss der Leiter sich anhand der Schrift<br />

korrigieren oder – bei Uneinsichtigkeit – seinen Dienst aufgeben.<br />

Weder die Diktatur, noch das monarchische Episkopat, noch die Demokratie (o.a.)<br />

Strukturen sind biblisch. Es ist Monarchie bzw. Theokratie: Gott herrscht. Dies aber<br />

tut er durch sein Wort. Freilich gebraucht er dazu Menschen wie z.B. Lehrer. Doch<br />

die Autorität liegt nicht in diesen von Gott gebrauchten Menschen, sondern in dem<br />

von ihnen verkündigten Wort Gottes.<br />

Diese Ausführungen werden sicherlich auf Protest stoßen. Vor allem bei denen, die<br />

dadurch ihre Autorität und eigenen Interessen innerhalb der <strong>Gemeinde</strong> gefährdet<br />

sehen. Schon Luther bekam aus ähnlichen Gründen einen kräftigen Gegenwind, als<br />

er dem katholischen Klerus und seiner selbsternannten theologischen<br />

Monopolstellung das sola scriptura entgegenhielt.<br />

Nicht Menschen, sondern allein die Schrift bestimmt den Glauben, die Lehre und das<br />

Leben. Daher sollten Christen sich weder durch Vorwürfe noch von einer<br />

unbegründeten „Einschüchterung“ einer anders denkenden „<strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong>“ von<br />

dem Bekennen und Glauben der biblischen Wahrheiten abhalten lassen.<br />

Hermeneutische Thesen (zur Leitung der <strong>Gemeinde</strong> durch das Wort)<br />

1. Der Literalsinn (Wortsinn): Gottes Wort meint das, was es sagt. Nicht neben,<br />

unter, über oder hinter den Buchstaben der Bibel findet sich Gottes Wort, sondern in<br />

und mit den Buchstaben redet und offenbart sich Gott. Damit ist jede Auslegung,<br />

welche nicht den Literalsinn beachtet, abzulehnen (feministische, kontextuelle,<br />

befreiungstheolgische, psychologische, allegorische, außerbiblische Typologie usw.).<br />

Der Literalsinn schließt verschiedene Schriftformen nicht aus (Prosa, Psalmen,<br />

Briefe, Geschichtstexte etc.). Zudem bedeutet die Beachtung des Literalsinns auch,<br />

dass die Bibel nicht wie ein Orakelbuch behandelt werden darf, bei dem man


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 8<br />

Aussagen aus ihren textlichen und historischen Kontexten herausreißt und willkürlich<br />

direkt auf sich bezieht, obwohl die Aussagen eigentlich zu bestimmten Personen in<br />

einer bestimmten Zeit (einmalig) getätigt wurden und nur für sie bestimmt waren. Der<br />

Kanon der Bibel ist abgeschlossen und zeigt die Grenzen des Wortes Gottes und<br />

damit des Redens des Geistes auf. Die Imperative der Schrift, an der wahren Lehre<br />

„festzuhalten“, „zu verharren“, „nicht abzuweichen“, „zu bleiben“, „nicht darüber<br />

hinaus zu gehen“ etc. machen u.a. diesen wichtigen theologischen Sachverhalt<br />

deutlich.<br />

2. Die Einheit und Vollständigkeit der Bibel: Durch die Theopneustie durch Gott bzw.<br />

seinen Geist ist allein die Bibel Gottes eigenes Wort – und damit unfehlbar und wahr<br />

wie er selbst. Daher widerspricht sich die Bibel nicht selbst oder vertritt<br />

unterschiedliche theologische Positionen und Lehren, sondern ihre Lehre und<br />

Offenbarung ist einheitlich und steht fest (ein Reich, welches mit sich selbst entzweit<br />

ist, kann nicht bestehen). Daher legt sich die Schrift auch selbst aus. Schriftwort ist<br />

mit Schriftwort auszulegen. Scheint eine Aussage schwer verständlich, wird diese<br />

durch eine klare Stelle erleuchtet. Dies ermöglicht es die Bibel zu verstehen und<br />

hütet uns sowohl vor falschen als auch vor pluralistischen Ansichten.<br />

Dabei ist das Alte Testament heilsgeschichtlich von Christus und dem Neuen<br />

Testament her auszulegen und zu verstehen, wenngleich natürlich der unmittelbare<br />

historisch-theologische und textliche Kontext eines Bibelabschnitts ernst genommen<br />

werden muss.<br />

Man kann soteriologische Aussagen von z.B. ethischen Anweisungen unterscheiden<br />

(aber nicht gegeneinander werten!), doch nie durch Sachkritik o.a. eine „Mitte der<br />

Schrift“ oder einen „Kanon im Kanon“ postulieren.<br />

3. Die Klarheit der Bibel: Gott will uns nicht im Dunkeln oder Unklaren lassen. Er will,<br />

dass wir ihn und sein Wort verstehen. Sein Wort ist klar und ein Licht auf unserem<br />

Weg. Somit ist es möglich, die Bibel als Ganzes zu verstehen. Ihre Klarheit bezeugt<br />

sie selbst an vielen Stellen. Ohne die Klarheit wäre kein echter Glaube möglich. Auch<br />

die vielen Aufforderungen zur Prüfung der Lehre wären nicht möglich. Luther<br />

unterschied hier zweierlei Klarheiten der Schrift. Die „äußere Klarheit“ meint, dass es<br />

prinzipiell jedem Menschen möglich ist, die Worte und Inhalte der Bibel zu lesen und<br />

zu verstehen – er kann alles nachsprechen. Die „innere Klarheit“ meint, dass das<br />

wirkliche Erkennen und Annehmen des Wortes Gottes nicht jedem, sondern nur den<br />

erwählten Gläubigen möglich ist (dies gilt nicht nur für den Heilsglauben, sondern<br />

auch für alle anderen theologischen Aussagen).<br />

Eine Auslegung im Rahmen der Inspiration und Einheit der Bibel schließt aber die<br />

Exegese der biblischen Texte als solche in ihrem historisch-theologischen und<br />

textlichen Kontext mit ein. Dabei ist aber zu beachten, dass historische<br />

Hintergrundinformationen nie hundertprozentig sicher sind und daher eine<br />

Schriftstelle nicht überfremden dürfen. Der Sinn der biblischen Aussage muss aus<br />

dem Wortlaut des Bibeltextes selbst erschlossen werden, weil Gott dafür gesorgt hat,<br />

dass er in diesem zu finden ist. Die Klarheit der Schrift findet sich schon im Alten<br />

Testament bezeugt (Dtn.4,1f; 6,4-9; 29,28ff; 30,11-14; 31,9ff; Ps.1,2; 19,7-11;<br />

119,130 u.a.).<br />

Das Verborgene dem HERRN, unserm Gott; aber das Offenbare <br />

uns und unsern Kindern für ewig, damit wir alle Worte dieses Gesetzes tun<br />

(Dtn.29,28).


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 9<br />

Denn dieses Gebot, das ich dir heute gebiete, ist nicht zu unbegreiflich für dich und<br />

ist nicht fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer wird<br />

für uns in den Himmel hinaufsteigen und es uns holen und es uns hören lassen, dass<br />

wir es tun? Und es ist nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer wird<br />

für uns auf die andere Seite des Meeres hinüberfahren und es uns holen und es uns<br />

hören lassen, dass wir es tun? Sondern ganz nahe ist dir das Wort, in deinem Mund<br />

und in deinem Herzen, um es zu tun (Dtn.30,11-14).<br />

Gerade diese Aussagen wenden sich gegen die Argumentation, Gottes Wort sei für<br />

den einfachen Menschen nicht zu verstehen und daher auch nicht zu praktizieren.<br />

Gott macht dadurch aber gerade deutlich, dass er diese „Ausrede“ nicht gelten lässt.<br />

Denn alles was Gott offenbart hat, ist klar und deutlich zu verstehen und zu befolgen,<br />

auch für alle späteren Generationen (d.h. „der garstige Graben der lang<br />

zurückliegenden Geschichte“, den Lessing postulierte, trifft auf das Wort Gottes nicht<br />

zu – dieses kann und soll auch Jahrhunderte später gelesen, gehört und verstanden<br />

werden). Die Dinge, die wir nicht verstehen, hat Gott uns auch nicht offenbart. Diese<br />

Aussagen gelten für das ganze Wort Gottes – für die ganze Heilige Schrift, denn<br />

warum sollte Gott die Offenbarung im Alten Testament „klarer“ dargelegt haben als<br />

die Botschaft des Neuen Testaments?<br />

Zusätzlich ist zu beachten, dass Paulus diese Verse im Neuen Testament aufgreift<br />

und auch auf die Botschaft des Evangeliums anwendet. Die Verweise auf Dtn.30,11-<br />

14 gebraucht Paulus bewusst um einiges deutlich zu machen: Die Gerechtigkeit aus<br />

dem Gesetz – aus der alttestamentlichen Heilsordnung – ist durch Christus abgelöst<br />

(Röm.10,4-5). Daher ist eine Gerechtigkeit vor Gott durch diese Dinge nicht mehr<br />

möglich – sie kann nicht (mehr) erreicht werden. An diese Stelle ist das Heil in<br />

Christus durch den Glauben getreten. Die Aussagen bzgl. der alttestamentlichen<br />

Heilsordnung aus Dtn.30,11-14 gelten auch für das Evangelium: Heil ist möglich, im<br />

Alten Bund durch (a) die Erwählung Israels durch Gott (vgl. Dtn.7,1ff und 9,6f mit der<br />

Formulierung „Sprich nicht in deinem Herzen …“ in Röm.10,6) und (b) das Gesetz<br />

(„Wort Gottes“!) und die Opfer (Röm.10,5); im Neuen Bund durch Christus und das<br />

Evangelium. In Röm.10,5ff macht der Apostel Paulus also deutlich, dass Christus<br />

und sein Heil – das menschgewordene Wort Gottes (Joh.1,1ff; Hebr.1,1f) – nicht<br />

unerreichbar im Himmel oder unzurückholbar im Abgrund verborgen sind, sondern:<br />

„… ‘Das Wort ist dir nahe, in deinem Mund und in deinem Herzen.’ Das ist das Wort<br />

des Glaubens, das wir predigen, …“ (Röm.10,8). Das Evangelium ist genauso nahe<br />

und klar, wie auch schon das Heilswort des Alten Bundes.<br />

Der Apostel Paulus stellt heraus, so wie alle anderen Autoren des Neuen Testaments<br />

auch, dass das Evangelium klar ist und jegliche Veränderung daran zur Irrlehre führt.<br />

Es ist sogar so klar, dass wenn auch ein Engel aus dem Himmel etwas anderes<br />

lehren würde, dies aufgrund der klaren Worte der Apostel (also der Schrift) abgelehnt<br />

werden könnte, ohne Angst haben zu müssen, man hätte damit ein direktes „Wort<br />

vom Himmel“ verworfen. Dies ist der Grund, warum die häufige Mahnung zur Prüfung<br />

in der Schrift zu finden ist (Gal.1,7f; 1.Joh.4,1ff; 2.Joh.9 u.v.a.). Prüfung wäre nicht<br />

möglich, wenn das Evangelium nicht klar bezeugt wäre (Röm.4,22-25; 15,4;<br />

1.Kor.10,1ff; Kol.3,16; 1.Tim.4,13; 2.Tim.3,15ff; 1.Petr.1,22ff). Auch kann es keine<br />

Wiedergeburt, keinen echten, heilbringenden Glauben geben, wenn das Evangelium<br />

nicht hundertprozentig rein gepredigt wird (1.Petr.1,23ff). Wo man also mit der<br />

Klarheit des Evangeliums (der Schrift) nicht rechnet, kann man auch nicht mit<br />

Bekehrungen und echtem Glauben rechnen. Sogar in Einzelfragen kann Paulus


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 11<br />

untrennbar verwoben, da es keine innere Klarheit geben kann ohne den Wortsinn der<br />

Schrift. Diese Klarheit oder Erkenntnis ist aber eine Gabe Gottes, die methodisch<br />

nicht zu ergreifen ist (theologisch-geistliche Erkenntnis ist immer eine Gabe Gottes<br />

des Glaubens mittels des biblischen Wortes: Spr.1,23; Ps.19,8; 119,104.130;<br />

Joh.17,8; Röm.10,17; 1.Kor.2,14; 2.Kor.4,3f; Eph.4,11; 2.Tim.3,15-17; 1.Petr.1,23ff;<br />

4,10f). Luther sagte sogar: „Lieber keine Schrift als eine unsichere! Es ist sicherer,<br />

wie die Laien ohne Bibel auszukommen, als eine unsichere zu haben“ (WA 8.113,3-<br />

5).<br />

4. Der Heilige Geist wirkt durch das Wort der Bibel: Damit wird deutlich, dass Gott<br />

durch sein machtvolles und geisterfülltes Wort rechten Glauben und rechte<br />

theologische Überzeugungen – auch in Einzelfragen – im Glaubenden schaffen<br />

kann. Gott schafft – wenn er es will – durch sein Wort einen Menschen, der recht<br />

glaubt und die Bibel recht versteht. Sein lebendiges und machtvolles Wort setzt sich<br />

gegen jegliches hinderliche Vorverständnis und auch gegen die Sündhaftigkeit des<br />

Menschen durch, so dass diese Dinge keine Hindernisse für Gott darstellen, seinen<br />

Kindern ein Verstehen seines Wortes zu sichern. Die heutige (auch bibeltreuevangelikale)<br />

Theologie traut Gott dies nicht zu (Vertreter dieser Theologie würden<br />

sagen, dass sie dies nicht dem Menschen zutrauen).<br />

Die Behauptung, der Heilige Geist müsse von innen oder neben dem Wort wirken,<br />

damit man die Schrift recht auslegt, muss abgelehnt werden. Zwar schafft der Heilige<br />

Geist rechte Überzeugungen, doch wirkt er dies nicht neben, sondern allein mit den<br />

Worten der Heiligen Schrift. Der Heilige Geist hat sich an das Wort der Bibel<br />

gebunden. Und durch diese eigene und gewollte Bindung des Geistes an das Wort<br />

Gottes behält der Geist seine Freiheit und Souveränität: Er ist dadurch frei von dem<br />

Missbrauch und der Willkür der Menschen, die sich immer wieder fälschlicher- und<br />

pseudohafterweise ihre Irrlehren mit Berufung auf den „Geist“ autorisieren wollen.<br />

5. Woran kann man erkennen, ob man die Bibel recht verstanden hat? SOLA ET<br />

TOTA SCRIPTURA! Nur die Bibel allein ist Wahrheit und Prüfstein derselben. An ihr<br />

hat sich jede Lehre oder „Meinung“ zu messen. Hält diese – egal von wem sie<br />

vertreten wird – der Prüfung anhand der Schrift nicht stand, ist sie zu verwerfen.<br />

Demut bedeutet nach der Bibel nicht den anderen mit seinen (falschen) Ansichten zu<br />

tolerieren, sondern sich unter Gottes Herrschaft und Anspruch zu stellen, auch wenn<br />

viele dies als arrogant (oder „nicht teamfähig“) bezeichnen.<br />

Gottes Wort ist nicht von Gott selbst zu trennen (das solus Christus gibt es nicht<br />

ohne das sola scriptura). Die eigentlichen Pseudo-Pharisäer und Pseudo-<br />

Schriftgelehrten sind Menschen, die das Wort Gottes mit äußerlich-frommen<br />

Begründungen (Demut, „Heiliger Geist“ etc.) außer Kraft setzen oder umdeuten (vgl.<br />

Jer.8,8; Mk.7,8-9.13). Jesus und die Apostel hielten uneingeschränkt an Gottes Wort<br />

fest – sie sind wahre Schriftgelehrte im Sinne Gottes (vgl. Mt.23,34).<br />

6. Die Gabe der Lehre: Gott hat manche Menschen dazu begabt zu lehren. Nicht<br />

jeder Bibelleser hat die Fähigkeit und die Erlaubnis zu lehren (für Frauen gilt noch<br />

eine besondere Einschränkung – 2.Tim.2,12-14; 1.Kor.14,34ff). Diese Gabe der<br />

Lehre haben alle diejenigen, welche die Schrift und ihre Aussagen in ihrer<br />

Gesamtheit kennen und recht erkennen und somit die Lehre der Bibel auch recht<br />

austeilen können. Die Gabe der Lehre wird durch Lehre empfangen. Diese Gabe ist<br />

also nicht eine homiletisch-rhetorische, sondern eine theologische Fähigkeit. Wie<br />

bereits deutlich wurde, ist theologisch-geistliche Erkenntnis immer eine Gabe Gottes<br />

des Glaubens mittels des biblischen Wortes. Daher meint „Gabe der Lehre“ auch


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 12<br />

keine habituelle (didaktische) Fähigkeit im Menschen, sondern zeigt sich in der<br />

Kenntnis und im rechten Verstehen des Wortes Gottes. Die Gabe der Lehre besteht<br />

darin, dass man die Lehre der Apostel (die Schrift) gelehrt bekommt (also kennt) und<br />

theologisch richtig versteht und zuordnet. Die Gabe der Lehre kann also durch Lehre<br />

weitergegeben werden. Diejenigen, welche die Lehre empfangen und in rechter<br />

Weise erklärt bekamen und verstanden, sind Lehrer (vgl. 2.Tim.1,13f; 2,2; 3,14ff;<br />

Hebr.6,12; Jak.3,1). Die Handauflegung in 1.Tim.4,14 bzw. 2.Tim.1,6 bedeutete zur<br />

Zeit des NT die Übertragung des Lehrauftrages durch eine autoritative Lehrperson.<br />

Wir sind deshalb füreinander da, damit wir uns mit unseren Gaben gegenseitig<br />

helfen. Nicht jeder ist ein Lehrer und deshalb darf auch nicht einfach jeder Bibelleser<br />

lehren (vgl. Jak.3,1). Schon Paulus lehrt gerade im Zusammenhang mit den Gaben,<br />

dass man sich gegenseitig helfen soll (Eph.4,11-16; 1.Petr.4,10f). Zu beachten ist<br />

aber, dass die <strong>Gemeinde</strong> allein durch das klare und machtvolle Wort Gottes regiert<br />

wird (Apg.20,32). Es sind zwar Menschen, die in der <strong>Gemeinde</strong> lehren, dennoch hat<br />

niemand in der <strong>Gemeinde</strong> in sich selber irgendeine Autorität („von Amts wegen“,<br />

theol. Qualifikation oder Sympathie etc.). Ausnahmslos alles muss von der Heiligen<br />

Schrift selber bestimmt werden. Voraussetzung dafür ist die selbstlose und demütige<br />

Unterwerfung aller <strong>Gemeinde</strong>mitglieder unter die alleinige Autorität, Kraft und Klarheit<br />

der Heiligen Schrift (die auch eine Gabe Gottes ist!). Die Autoritätszusprüche<br />

(apostolische Empfehlungsaussagen) im NT an damalige, konkrete <strong>Gemeinde</strong>leiter<br />

(z.B. Hebr.13,7.17), können und dürfen nicht auf heutige „<strong>Gemeinde</strong>leiter“ übertragen<br />

werden.<br />

7. Der Umgang mit anderen Ansichten: Es muss nun die Frage gestellt werden, wie<br />

man bei dieser hermeneutischen Sicht mit „anderen Ansichten“ umgeht, wenn man<br />

davon ausgeht, dass Gottes geisterfülltes und machtvolles Wort objektive und rechte<br />

Erkenntnis geben kann – wenn Gott dies will: Grundlage jeder Bibelauslegung ist das<br />

biblische Prinzip, dass die Heilige Schrift in sich klar ist und sich selber auslegt. Dies<br />

ist möglich und notwendig aufgrund der Einheit und Inspiration der Bibel. Der Geist<br />

Gottes wirkt durch das Wort der Schrift und schafft – trotz Sündhaftigkeit und<br />

falschen Vorverständnissen – rechten Glauben und rechte theologische Erkenntnis –<br />

wo immer Gott dies will. Themen und Fragestellungen, die nicht die „Klarheit der<br />

Schrift“ untergraben, können stehen gelassen werden. Dies sind z.B. nicht direkt in<br />

der Schrift angesprochene, sondern von außen an die Bibel herangetragene<br />

Fragestellungen (vor allem „äußerliche Formen“ betreffend wie z.B. bei der Taufe,<br />

dem Abendmahl, der Gottesdienstgestaltung, <strong>Gemeinde</strong>strukturen, Rauchen,<br />

Fernsehen u.v.a., wo man – innerhalb eines biblischen Rahmens und solang die<br />

Soteriologie unbeeinflusst bleibt – viele Dinge stehen lassen kann und muss). Hier<br />

handelt es sich um Dinge, die nicht direkt in der Schrift genannt oder vorgegeben<br />

sind. Oft kann man aus den „indirekten Aussagen der Schrift“ trotzdem biblische<br />

„Prinzipien“ entnehmen, die eine Antwort bzw. Richtlinie für solche „indirekten<br />

Themenbereiche“ geben (z.B. Röm.14,1ff und 1.Kor.8-10 zur Frage nach dem<br />

Umgang mit Alkohol, Rauchen oder dem Fernseher u.a.).<br />

Dann muss man deutlich zwischen „Sünde“ und „Irrtum in der Auslegung“<br />

unterscheiden. So ist es zwar ein exegetischer Irrtum, wenn man von einer<br />

kollektiven Bekehrung des ethnischen Israels ausgeht, doch ist dies keine (direkte 15 )<br />

15<br />

Dies möchte ich hier nur eingeschränkt betonen, da man trotzdem zu bedenken hat, dass eine falsche<br />

Auslegung auch immer eine falsche Lehre ist und damit Unwahrheit beinhaltet und transportiert. Selbst<br />

wenn die Frage nicht so „bedeutend“ ist oder nicht die Heilsfrage angreift, so handelt es sich trotzdem um<br />

Unwahrheit. Dazu kommt noch, dass man diese falsche Ansicht oft auch noch als „Wort Gottes“<br />

bezeichnet. Daher sollte eine falsche Ansicht auch für „kleinere Themen“ nicht einfach als irrelevant oder


<strong>Biblisch</strong>e <strong><strong>Gemeinde</strong>leitung</strong> © Ronald Senk 13<br />

Sünde bzw. leitet auch niemanden (direkt) zur Sünde an. Dies betrifft auch andere<br />

eschatologische Fragen u.a..<br />

Anders sieht das bei Themen und Lehren aus, die den Bereich der Sünde und des<br />

Gehorsams betreffen (Betrug, Ehescheidung und Wiederheirat, Homosexualität,<br />

falsche dogmatische Lehren u.a.). Wenn man hier falsche Lehre glaubt und<br />

vermittelt, so kann dies auf keinen Fall stehen gelassen werden.<br />

Es gibt ein „Stehenlassen“ eines Bruders (oder mehrerer Geschwister) aus Rücksicht<br />

vor ihrer „Schwachheit“ (1.Kor.8-10; Röm.14), weil sie noch keine völlige Erkenntnis<br />

haben.<br />

ungefährlich betrachtet werden. Wir sprechen hier ja nicht über eine Interpretation von irgendeinem<br />

Autoren oder irgendeiner Literatur, sondern hier geht es um Gottes Wort! Die Unterscheidung von „Irrlehre“<br />

und „Irrtum“ hilft zwar bei dieser Frage, doch muss man einfach bedenken, dass auch der (zumeist<br />

unbeabsichtigte) Irrtum Unwahrheit beinhaltet und transportiert. Zu bedenken ist auch, dass die Grenze<br />

zwischen Irrtum (z.B. die Erwartung einer kollektiven Bekehrung Israels) und Irrlehre (z.B. der Neue Bund<br />

gilt nicht für die <strong>Gemeinde</strong> oder die Wiedereinführung von Opfern etc.) oft fließend ist. Wer für seine<br />

Auslegung beansprucht, damit Gottes Wort in den Mund zu nehmen, der sollte daher genau schauen, ob<br />

das Gesagte wirklich mit der Heiligen Schrift übereinstimmt.<br />

Man muss dabei auch beachten, dass eine „deutliche“ Benennung von falschen Lehren bzw. Lehrer nicht<br />

als „lieblos“ oder „angreifend“ bezeichnet werden darf. Für Jesus scheint es kein Widerspruch zu sein auf<br />

der einen Seite die Nächstenliebe zu verlangen, aber andererseits seine theologischen Gegner als<br />

„Otternbrut, Heuchler“ oder „übertünchte Leichen“ zu bezeichnen (vgl. Mt.23,33 u.a.). Ebenso reden die<br />

Apostel von Heuchlern, faulen Bäuchen, Ohrenbläser, hohle Schwätzer (denen man den Mund stopfen<br />

muss), abscheulich, befleckt, unvernünftige Tiere (zum Einfangen und Verderben geboren), Kinder des<br />

Fluches, Hund, im Kot wälzende Sau usw. (vgl. Tit.1,10ff). Nach 2.Joh.9-11 soll man sich von falschen<br />

Lehrern distanzieren, um sich nicht zu verunreinigen. Auch die Reformatoren haben hier deutliche Worte<br />

gefunden, welche heute von der evangelikalen Welt sicherlich nicht als „gewinnend“ bezeichnet werden.<br />

Sicher sollten wir nicht beleidigend reden, doch die Klarheit der Schrift und die Treue zu Gott und seinem<br />

wahrhaftigen Wort verpflichtet uns, Klartext zu reden, damit der Glaube nicht verwirrt oder mit Grauzonen<br />

und Kompromissen vernebelt wird. Jesus und die Apostel sind uns hier auch in dieser Sache Vorbilder.<br />

Sie waren provokant und forderten die Massen mit Ihren klaren und deutlichen Lehren heraus. Diese<br />

Haltung ist in der christlichen Welt zugunsten einer angeblich „dialogisch-gewinnenden“ Haltung<br />

weitgehend verloren gegangen, indem man das „Ärgernis des Kreuzes“ und die „Torheit der Predigt“ für<br />

die Gesellschaft entschärft hat. Dies gilt auch im gewissen Sinn für die innerchristliche Welt und Ihr<br />

postmodern-pluralistischer und liberaler Umgang mit biblischen und unbiblischen Lehren.

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