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Neuropsychologische Differenzialdiagnose der Demenzen

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<strong>Neuropsychologische</strong> <strong>Differenzialdiagnose</strong> <strong>der</strong> <strong>Demenzen</strong><br />

Prof.Dr.Claus-W.Wallesch<br />

BDH-Klinik Elzach<br />

Die Verdachtsdiagnose einer Demenz wird meist vom Hausarzt gestellt. In <strong>der</strong> Praxis genügen<br />

Anamnese, klinische Untersuchung und ein Screeningtest, um die Diagnose zu erhärten. Die weitere<br />

Abklärung und Betreuung erfolgt gemeinsam mit Neurologen bzw. Psychiatern, Spezialambulanzen,<br />

Kliniken und Beratungs- bzw. Hilfseinrichtungen. Die Frühdiagnose zielt vor allem darauf,<br />

behandelbare Erkrankungen auszuschließen. Eine genaue Diagnose ist die Grundlage für eine<br />

adäquate Therapie, Betreuung und Beratung.<br />

Der Begriff Demenz bezeichnet keine Krankheit. Er umfasst vielmehr Symptome, die zu einem<br />

definierten Maß an Behin<strong>der</strong>ung geführt haben. Definitionsgemäß handelt es sich um eine chronische<br />

und behin<strong>der</strong>nde Störung des Gedächtnisses und mindestens einer weiteren höheren Hirnleistung.<br />

Die Demenz kann von vielen Krankheiten verursacht werden.<br />

Epidemiologie<br />

In Deutschland haben <strong>der</strong>zeit etwa 1 Million Menschen eine Demenz. Es ist daher ein gravierendes<br />

sozialpolitisches und gesundheitsökonomisches Problem. Die Prävalenz steigt mit dem Alter. Bei den<br />

65-69-jährigen sind etwa 1,5% betroffen, bei über 90-jährigen 30%, bei über 100-Jährigen 60%. Die<br />

häufigsten <strong>Demenzen</strong> sind<br />

- die Alzheimer-Demenz (60%),<br />

- die vaskuläre Demenz (10-15%),<br />

- die Lewy-Körper-Demenz und Demenz bei M.Parkinson (10%) und<br />

- die frontotemporale Lobardegeneration (10%).<br />

Das Risiko für Frauen, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken ist etwa doppelt so hoch wie für<br />

gleichaltrige Männer. Dagegen ist das gesamte Lebenszeitrisiko für Männer, an einer vaskulären<br />

Demenz zu erkranken doppelt so hoch wie für Frauen.<br />

Klassifikation<br />

Grundlage <strong>der</strong> Demenz-Definition im ICD-10 und im DSM-IV ist die Alzheimer-Demenz (Tab. 1). Bei<br />

Morbus Alzheimer dominieren die Gedächtnisstörungen. Diese stehen aber nicht bei allen<br />

Demenzformen im Vor<strong>der</strong>grund. Daher wurden inzwischen weitere Kriterien aufgestellt, die aber noch<br />

nicht mit ICD und DSM abgestimmt sind. Eine grundlegende Revision sollte angestrebt werden.<br />

Derzeit kennen ICD-10 und DSM-IV nur die Alzheimer-Demenz, vaskuläre Demenz und die Demenz<br />

bei an<strong>der</strong>en Krankheiten. An<strong>der</strong>e Krankheiten sind z.B. Morbus Pick, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung,<br />

Chorea Huntington, Morbus Parkinson und HIV. Die Lewy-Körper-Demenz wurde mittlerweile in den<br />

ICD-10 aufgenommen (G 31.82). Die frontotemporale Demenz kann als „Pick-Krankheit“ klassifiziert<br />

werden(F 02.0).<br />

Für die Diagnose einer vaskulären Demenz wird im ICD-10 <strong>der</strong> Nachweis einer zerebrovaskulären<br />

Schädigung verlangt. Die Gefäßpathologie bei <strong>der</strong> Alzheimer-Demenz wird nicht thematisiert.<br />

ICD-10<br />

Demenzsyndrom<br />

G1.1.<br />

Abnahme des Gedächtnisses, am deutlichsten beim Lernen<br />

neuer Information.<br />

Die Beeinträchtigung betrifft verbales und nonverbales<br />

Material<br />

G1.2.<br />

Eine Abnahme an<strong>der</strong>er kognitiver Fähigkeiten, charakterisiert<br />

durch eine Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Urteilsfähigkeit und des<br />

Denkvermögens<br />

Ein Grad des Gedächtnisverlustes, <strong>der</strong> mindestens die<br />

täglichen Aktivitäten beeinträchtigt (zu G1.1) und/o<strong>der</strong> die<br />

Abnahme kognitiver Fähigkeiten beeinträchtigt die<br />

Leistungsfähigkeit im täglichen Leben (zu G1.2)<br />

DSM-IV<br />

Demenzkernsyndrom<br />

A1.<br />

Entwicklung multipler kognitiver Defizite, die sich zeigen in:<br />

einer Gedächtnisbeeinträchtigung (beeinträchtigte Fähigkeit,<br />

neue Informationen zu erlernen o<strong>der</strong> früher Gelerntes<br />

abzurufen)<br />

A2.<br />

Mindestens einer <strong>der</strong> folgenden kognitiven Störungen:<br />

Aphasie, Apraxie, Agnosie, Störung <strong>der</strong> Exekutivfunktionen<br />

B.<br />

Jedes <strong>der</strong> kognitiven Defizite aus A1 und A2 verursacht in<br />

bedeutsamer Weise Beeinträchtigungen in sozialen o<strong>der</strong><br />

beruflichen Funktionsbereichen und stellt eine deutliche


ICD-10<br />

Demenzsyndrom<br />

G2.<br />

Die Wahrnehmung <strong>der</strong> Umgebung muss ausreichend lange<br />

erhalten geblieben sein (z. B. Fehlen einer<br />

Bewusstseinsstörung). Bestehen gleichzeitig delirante<br />

Episoden, sollte die Diagnose einer Demenz aufgeschoben<br />

werden<br />

G3.<br />

Die Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Affektkontrolle, des Antriebs o<strong>der</strong> des<br />

Sozialverhaltens manifestiert sich in mindestens einem <strong>der</strong><br />

folgenden Merkmale: emotionale Labilität, Reizbarkeit,<br />

Apathie, Vergröberung des Sozialverhaltens<br />

G4.<br />

Für eine sichere klinische Diagnose sollte G1 mindestens<br />

6 Monate vorhanden sein<br />

Tab. 1<br />

Demenz-Kriterien in ICD-10 und DSM-IV<br />

DSM-IV<br />

Demenzkernsyndrom<br />

Verschlechterung gegenüber einem früheren Leistungsniveau<br />

dar<br />

Die Defizite treten nicht ausschließlich im Verlauf eines Delirs<br />

auf<br />

Die Störung kann nicht durch eine an<strong>der</strong>e Achse-1-Störung<br />

(z. B. Major-Depression, Schizophrenie) erklärt werden<br />

Diagnostik<br />

Die Diagnose Demenz ist vor allem in <strong>der</strong> Frühphase oft schwierig. In die hausärztliche Praxis<br />

kommen sowohl Patienten, die bei sich selbst eine beginnende Demenz befürchten, als auch<br />

Patienten, bei denen Angehörige bzw. <strong>der</strong> Arzt selbst Defizite bemerken. Eine möglichst frühe<br />

Diagnose ist wichtig, um behandelbare Grun<strong>der</strong>krankungen auszuschließen.<br />

<strong>Demenzen</strong> werden klinisch diagnostiziert. Die höchste Sensitivität und Spezifität, ob eine Demenz<br />

o<strong>der</strong> eine zur Demenz führende Erkrankung vorliegt, hat das Urteil eines erfahrenen Arztes.<br />

Untersuchungen sollten nach Möglichkeit ambulant erfolgen. Zur empfohlenen Basisdiagnostik<br />

gehören<br />

- Anamnese und Fremdanamnese,<br />

- neurologische und psychiatrische Beurteilung,<br />

- neuropsychologische Untersuchungen,<br />

- zerebrale Bildgebung,<br />

- Laborausschlussdiagnostik.<br />

Anamnese<br />

Typische Hinweise sind Gedächtnisstörungen und Antriebsschwäche. Häufig sind die Betroffenen<br />

wesensverän<strong>der</strong>t und ziehen sich zunehmend zurück. Gezielt sollte nach Problemen bei <strong>der</strong><br />

Alltagsbewältigung gefragt werden, aber auch nach Schwindel, Schlafstörungen, Erschöpfbarkeit und<br />

Gewichtsverlust. Die Patienten haben zunehmende Sprachprobleme, unter an<strong>der</strong>em bei <strong>der</strong><br />

Wortfindung und dem Sprachverständnis. Die Geschwindigkeit des Denkens nimmt ab.<br />

Differenzialdiagnostisch sind alle Hinweise auf neurologische, internistische o<strong>der</strong> allgemeine<br />

Beschwerden wichtig. Auch <strong>der</strong> Alkoholkonsum sollte erfragt werden, ebenso die regelmäßige<br />

Einnahme von Medikamenten.<br />

Klinische Untersuchung<br />

Bei vielen <strong>Demenzen</strong> treten neurologische Defizite auf, z.B. Inkontinenz, Myoklonien o<strong>der</strong> ein<br />

Parkinson-Syndrom. Bei <strong>der</strong> allgemeinen klinischen Untersuchung werden Symptome von Grundo<strong>der</strong><br />

Begleiterkrankungen erfasst. Im Rahmen <strong>der</strong> psychiatrischen Beurteilung sollte beson<strong>der</strong>s auf<br />

eine mögliche Depression geachtet werden.<br />

<strong>Neuropsychologische</strong> Untersuchungen<br />

<strong>Neuropsychologische</strong> Untersuchungen prüfen sehr sensitiv, ob eine Demenz vorliegt. Sie können aber<br />

die Ursache <strong>der</strong> Demenz nicht sicher identifizieren. Die Spezifität steigt erheblich, wenn die<br />

Fragestellung eingeengt wird. Es gibt valide Kriterien um z. B. bei diskreten kognitiven Defiziten die<br />

Progression zu einer Demenz vorherzusagen. Auch die Alzheimer-Demenz kann damit von einer<br />

vaskulären Demenz unterschieden werden.


In den meisten Fällen stellt <strong>der</strong> Hausarzt die Verdachtsdiagnose. Er kann selbst einen Screeningtest<br />

durchführen. Der Patient sollte aber möglichst bald von einem Facharzt für Neurologie/Psychiatrie<br />

mitbetreut werden. In <strong>der</strong> Praxis hat sich <strong>der</strong> Mini-Mental-Status-Test (MMST) bewährt.<br />

Bildgebung<br />

Bildgebende Verfahren sind in <strong>der</strong> Basisdiagnostik unverzichtbar. Die Magnetresonanztomografie<br />

(MRT) ist die Methode <strong>der</strong> ersten Wahl bei <strong>der</strong> Primärdiagnostik neuer, unklarer kognitiver Störungen<br />

und Demenz. Die zerebrale Computertomografie (cCT) ist ausreichend, wenn es keine Hinweise auf<br />

eine entzündliche, tumoröse o<strong>der</strong> metabolische Erkrankung gibt.<br />

Weitere Verfahren wie z.B. die Positronenemissionstomografie (PET), das Perfusions-SPECT (Single<br />

Photon Emission Computed Tomography) o<strong>der</strong> die Doppler-Sonografie sind nur im Einzelfall sinnvoll.<br />

Labor<br />

Als obligatorische Laborparameter gelten <strong>der</strong>zeit:<br />

- Blutbild, Differenzial-Blutbild,<br />

- Blutsenkungsgeschwindigkeit,<br />

- Serum-Elektrolyte (Na, K, Ca, Cl, Mg),<br />

- GOT, GPT, γGT, AP, Bilirubin,<br />

- Kreatinin, Harnstoff,<br />

- Glukose,<br />

- Cholesterin, Triglyzeride,<br />

- TSH,<br />

- Vitamin B12, Folsäure,<br />

- Lues- und Borreliosescreening,<br />

- Urinstatus.<br />

Weitere Diagnostik<br />

Weitere spezielle Untersuchungen wie z.B. die Liquordiagnostik o<strong>der</strong> ein EEG sollten nur in<br />

Einzelfällen erfolgen.<br />

<strong>Differenzialdiagnose</strong><br />

In erster Linie müssen behandelbare intrakranielle und internistische Erkrankungen ausgeschlossen<br />

werden, ebenso Depression o<strong>der</strong> ein Verwirrtheitszustand. Eine frühe <strong>Differenzialdiagnose</strong> <strong>der</strong><br />

degenerativen <strong>Demenzen</strong> selbst ist weniger wichtig, da es keine therapeutischen Konsequenzen gibt.<br />

Alzheimer-Demenz<br />

Die Diagnose einer Alzheimer-Demenz erfor<strong>der</strong>t eine Gedächtnisstörung plus mindestens eines <strong>der</strong><br />

folgenden Symptome:<br />

- Aphasie,<br />

- Apraxie,<br />

- Agnosie,<br />

- Störungen <strong>der</strong> Exekutivfunktionen.<br />

Klinik<br />

Die Alzheimer-Demenz beginnt schleichend. Zwischen Diagnosestellung und Tod vergehen 4-<br />

12 Jahre. Die Progression ist umso rascher, je jünger die Patienten bei Erkrankungsbeginn sind. Der<br />

Geruchssinn ist oft frühzeitig gestört. Dies trifft allerdings auch auf Patienten mit Morbus Parkinson zu.<br />

Anfänglich sind die Gedächtnis- und Wortfindungsstörungen noch diskret und können überspielt<br />

werden. Die Persönlichkeit, Emotionalität, Schwingungsfähigkeit und <strong>der</strong> Antrieb sind zunächst noch<br />

intakt. Häufig wird die Diagnose erst gestellt, wenn an<strong>der</strong>en die Gedächtnisdefizite,<br />

Orientierungsstörungen o<strong>der</strong> apraktische Handlungsstörungen auffallen. Die typische Symptom-Trias<br />

besteht aus<br />

- Neugedächtnisstörungen,<br />

- visuell-räumlichen Defiziten und<br />

- Benennstörungen.


Im fortgeschrittenen Stadium haben die Patienten oft eine visuelle Agnosie und ideatorische Apraxie.<br />

In selteneren Fällen besteht ein sogenanntes Capgras-Syndrom, bei dem die Betroffenen<br />

nahestehende Personen fälschlich als Doppelgänger mit üblen Absichten identifizieren. Die<br />

sogenannten „happy wan<strong>der</strong>er“ gehen wegen <strong>der</strong> Orientierungs- und Gedächtnisstörung öfter<br />

verloren. Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist gestört. Daneben leiden viele unter Depressionen, Wahn,<br />

Angst und Agitiertheit.<br />

Eine Variante <strong>der</strong> Alzheimer-Demenz ist die posteriore kortikale Atrophie. Hier kommt es früh zu einer<br />

Prosopagnosie und visuellen Agnosie dar, bekannt als „Der Mann, <strong>der</strong> seine Frau mit einem Hut<br />

verwechselte“. Mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Betroffenen entwickelt das Vollbild einer Alzheimer-Demenz.<br />

Diagnose<br />

In unkomplizierten Fällen genügt die Basisdiagnostik. In Zukunft werden voraussichtlich biologische<br />

Marker und spezielle Bildgebungsverfahren an Bedeutung zunehmen.<br />

Vaskuläre <strong>Demenzen</strong><br />

Die vaskuläre Demenz ist keine Erkrankung, son<strong>der</strong>n ein Oberbegriff. Sie wird durch Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> kleinen und/o<strong>der</strong> großen Gefäße im Gehirn verursacht. Die Ursache dafür können zahlreiche<br />

Erkrankungen sein. Diese Definition berücksichtigt aber nicht, dass sich zerebrovaskuläre und<br />

degenerative Erkrankungen überschneiden, beson<strong>der</strong>s bei Morbus Alzheimer. Weniger als 10% aller<br />

<strong>Demenzen</strong> dürften ausschließlich zerebrovaskulär bedingt sein. Die wichtigsten Pathomechanismen<br />

sind<br />

- Multiinfarktsyndrome,<br />

- strategische Infarkte,<br />

- mikropangiopathische Läsionen o<strong>der</strong> konfluierende Marklagerverän<strong>der</strong>ungen,<br />

- Mikrogefäßverän<strong>der</strong>ungen mit Kapillarverlust.<br />

Im Vor<strong>der</strong>grund steht die diffuse Mikroangiopathie, die subkortikale arteriopathische Enzephalopathie<br />

(SAE). Sie wird auch als Morbus Binswanger bezeichnet und meist durch eine arterielle Hypertonie<br />

verursacht.<br />

Es ist umstritten, wie häufig sich eine Demenz nach einem ersten Schlaganfall entwickelt. Dies hängt<br />

auch vom verwendeten Diagnosesystem ab. Mehrfach wurden Prävalenzen von 1/3 berichtet.<br />

Teilweise ist dies aber auf Artefakte durch die ICD- und DSM-Definitionen zurückzuführen.<br />

Klinik<br />

Häufig ist <strong>der</strong> Verlauf schrittweise mit zeitweiligen unvollständigen Verbesserungen. Typische<br />

Symptome bei <strong>der</strong> subkortikalen arteriopathischen Enzephalopathie sind Gangapraxie, imperativer<br />

Harndrang und Pseudobulbärparalyse.<br />

Diagnose<br />

In den bildgebenden Verfahren stellen sich vaskuläre Läsionen häufig gut dar. Die Befunde können<br />

aber leicht überinterpretiert werden. Für die Diagnose müssen daher klinische und anamnestische<br />

Befunde unbedingt mit einbezogen werden.<br />

<strong>Differenzialdiagnose</strong><br />

Beson<strong>der</strong>s schwierig ist die <strong>Differenzialdiagnose</strong> zum Normaldruckhydrozephalus. Das klinische Bild<br />

ähnelt <strong>der</strong> Demenz bei subkortikaler arteriopathischer Enzephalopathie sehr. Möglicherweise ist diese<br />

selbst ein Risikofaktor für den Normaldruckhydrozephalus.<br />

Lewy-Körper-Demenz<br />

Lewy-Körperchen in <strong>der</strong> Substantia nigra sind ein Charakteristikum des Morbus Parkinson. Bei <strong>der</strong><br />

diffusen Lewy-Körper-Erkrankung treten sie dicht gepackt im Neokortex auf. Patienten mit Lewy-<br />

Körper-Demenz haben außerdem häufig Alzheimer-Plaques und Neurofibrillen. Es ist bis heute<br />

umstritten, ob sich die Lewy-Körper-Demenz von Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson abgrenzen<br />

lässt. Möglicherweise ist sie nur ein Extrem eines Spektrums.<br />

Die Erkrankung betrifft sowohl das cholinerge als auch das dopaminerge System. Dies erklärt die<br />

hohe Sensitivität für Neuroleptika und die Wirksamkeit von Cholinesterasehemmern. Die Häufigkeit<br />

<strong>der</strong> Lewy-Körper-Demenz wird auf bis zu 5-10% <strong>der</strong> <strong>Demenzen</strong> geschätzt.


Klinik<br />

Der Verlauf geht über drei bis sechs Jahre, in Einzelfällen auch länger. Häufig treten Parkinson-<br />

Symptome auf. Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz haben Patienten mit Lewy-Körper-Demenz<br />

extrapyramidale Symptome, fluktuierende kognitive Defizite und visuelle o<strong>der</strong> akustische<br />

Halluzinationen. Sie neigen zu Stürzen und Synkopen. Geht über mehr als ein Jahr eine Parkinson-<br />

Symptomatik voraus, wird die Demenz als parkinsonassoziiert klassifiziert.<br />

Diagnose<br />

Die Erkrankung kann mit guter Spezifität klinisch diagnostiziert werden. In vielen Fällen wird die<br />

Diagnose aber erst nach unerwartet heftigen Reaktionen auf die Behandlung <strong>der</strong> Halluzinationen mit<br />

Haloperidol gestellt.<br />

Im Dopamin-Transporter-SPECT zeigt sich eine Hypoperfusion bzw. ein Hypometabolismus<br />

parietotemporookzipital.<br />

Frontotemporale Lobardegeneration<br />

Nach <strong>der</strong>zeitigem Wissen sind frontotemporale Lobaratrophien eine Gruppe neurodegenerativer<br />

Erkrankungen, die sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede haben. Am häufigsten ist die<br />

frontotemporale Demenz mit 70-80%. Deutlich seltener sind die semantische Demenz mit 10-20% und<br />

die primär progressive Aphasie mit 5-10%. Insgesamt stellt die Gruppe mit über 10% <strong>der</strong> <strong>Demenzen</strong><br />

die zweithäufigste Ursache degenerativer Demenzerkrankung dar. Bei Patienten unter 65 Jahren sind<br />

frontotemporale Atrophien und Alzheimer-Demenz etwa gleich häufig. Frontotemporale<br />

Lobaratrophien können familiär gehäuft auftreten.<br />

Klinik<br />

Sehr frühzeitig verän<strong>der</strong>n die Patienten ihr Wesen und verhalten sich sozial inadäquat. Bei <strong>der</strong><br />

semantischen Demenz und <strong>der</strong> primär progressiven Aphasie treten bald Sprachprobleme auf.<br />

Diagnose<br />

Die Diagnose <strong>der</strong> frontotemporalen Atrophien wird durch die Konsenskriterien erleichtert (Tab. 2). In<br />

den bildgebenden Verfahren zeigt sich die charakteristische, oft asymmetrische frontotemporale<br />

Atrophie.<br />

Erkrankung Kernsymptome stützende Symptome<br />

frontotemporale<br />

Lobardegenerationen<br />

(gemeinsam)<br />

frontotemporale Demenz<br />

semantische Demenz<br />

primär progressive Aphasie<br />

Tab. 2<br />

schleichen<strong>der</strong> Beginn<br />

langsame Progredienz<br />

Verfall des Sozialverhaltens<br />

verflachter Affekt<br />

vermin<strong>der</strong>te Krankheitseinsicht<br />

flüssige inhaltsleere Spontansprache<br />

Benennstörung mit Verlust <strong>der</strong><br />

Wortbedeutungen<br />

semantische Paraphasien<br />

wenig beeinträchtigtes Nachsprechen<br />

unflüssige Spontansprache<br />

Agrammatismus<br />

phonematische Paraphasien<br />

Wortfindungsstörungen<br />

Beginn vor dem 65. Lebensjahr<br />

positive Familienanamnese<br />

Bulbärparalyse<br />

atrophische Paresen<br />

Faszikulationen<br />

Verhaltensstörungen<br />

Perseverationen<br />

Stereotypie<br />

Utilisationsverhalten<br />

Sprech- und Sprachstörungen (vermin<strong>der</strong>ter<br />

Sprachantrieb bis zum Mutismus,<br />

Rededrang, Stereotypie, Echolalie, Palilalie)<br />

Primitivreflexe<br />

Inkontinenz<br />

Akinese, Rigor, Tremor<br />

labile Hypertonie<br />

Rededrang<br />

Oberflächendyslexie und -dysgraphie (Lesen<br />

und Schreiben ohne semantische Route)<br />

weitgehend intaktes Rechnen<br />

Verhaltensstörungen<br />

Interesseneinengung<br />

Primitivreflexe<br />

Akinese, Rigor, Tremor<br />

Stottern<br />

Sprechapraxie<br />

Nachsprechen vermin<strong>der</strong>t<br />

Schriftsprache gestört<br />

initial ungestörtes Wortverständnis<br />

Mutismus erst spät


Kriterien <strong>der</strong> frontotemporalen Lobardegeneration<br />

Demenz bei degenerativen Systemerkrankungen<br />

Der idiopathische Morbus Parkinson ist regelhaft mit neuropsychologischen Auffälligkeiten asooziiert,<br />

z.B. mit Bradyphrenie und diskreten exekutiven Störungen. Die Patienten entwickeln im Vergleich zur<br />

gesunden Bevölkerung im Fünf-Jahres-Verlauf häufiger eine Demenz.<br />

Die progressive supranukleäre Blickparese (Steele-Richardson-Olszwewski-Syndrom) ist ebenfalls<br />

eine degenerative Gehirnerkrankung. Sie ähnelt dem Morbus Parkinson. Bei <strong>der</strong> möglichen Demenz<br />

stehen Antriebs- und Aufmerksamkeitsstörungen und eine verlangsamte psychomotorische<br />

Geschwindigkeit im Vor<strong>der</strong>grund. Die Erkrankung beginnt meist vor dem 40. Lebensjahr und schreitet<br />

schrittweise voran. Typische Symptome sind die supranukleäre Blicklähmung und verlangsamte<br />

vertikale Sakkaden. Die Patienten stürzen leicht.<br />

Symptomatische <strong>Demenzen</strong><br />

Unzählige Krankheiten, Stoffwechselstörungen und Substanzbelastungen können eine Demenz<br />

verursachen. In den meisten Fällen sind Anamnese und Befund richtungsweisend. Zur<br />

<strong>Differenzialdiagnose</strong> kann die Ableitung eines EEG hilfreich sein.<br />

Fazit<br />

Die <strong>Differenzialdiagnose</strong> <strong>der</strong> degenerativen <strong>Demenzen</strong> untereinan<strong>der</strong> ist wegen fehlen<strong>der</strong><br />

therapeutischer Alternativen noch wenig bedeutsam. Das wird sich ,it <strong>der</strong> Entwicklung spezifischer<br />

Behandlungen z.B. des M.Alzheimer än<strong>der</strong>n. Wichtig ist heute vor allem <strong>der</strong> frühe Ausschluss einer<br />

behandelbaren Demenzursache.

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