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Junge Bühne #4 - Mwk-koeln.de

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das junge Theatermagazin<br />

<strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bühne</strong><br />

<strong>#4</strong><br />

September 2010<br />

4. Jahrgang<br />

RUBRIK<br />

THEATERCOMIC<br />

DAS BLAUE<br />

BLAUE MEER<br />

von Nis-Momme<br />

Stockmann<br />

THEATER IN<br />

CHINA+<br />

INDIEN<br />

WIE FUNKTIONIERT<br />

IMPRO-<br />

THEATER


KINDER- UND JUGENDTHEATER<br />

SOWIE KONZERTE<br />

KRISE<br />

ALS<br />

CHANCE<br />

?<br />

SPIELZEIT 2010/2011<br />

PUNK ROCK<br />

SIMON STEPHENS<br />

Inszenierung Matthias Kaschig; ab 14 Jahre<br />

29. OKTOBER 2010, TiC FÜR KIDS<br />

DER RÄUBER HOTZENPLOTZ<br />

OTFRIED PREUSSLER<br />

Inszenierung Marcus Mislin; ab 5 Jahre<br />

18. NOVEMBER 2010, GROSSES HAUS<br />

1. KONZERT FÜR JUNGE LEUTE<br />

OPER VORGESTELLT: „DIE VERKAUFTE BRAUT“<br />

VON BEDŘICH SMETANA<br />

24. UND 25. NOVEMBER 2010, GROSSES HAUS<br />

1. KINDERKONZERT<br />

NUSSKNACKER UND MAUSEKÖNIG<br />

MUSIKALISCHES WEIHNACHTSMÄRCHEN<br />

FÜR ERZÄHLER UND ORCHESTER<br />

MIT MUSIK VON PJOTR I. TSCHAIKOWSKIJ; ab 6 Jahre<br />

4. DEZEMBER 2010, KLEINES HAUS<br />

WEITERE PROGRAMME UND TERMINE IN PLANUNG<br />

2. KONZERT FÜR JUNGE LEUTE<br />

FILMMUSIK – „ORIGINAL UND FÄLSCHUNG“<br />

MIT WERKEN VON GUSTAV HOLST, JOHN WILLIAMS U. A.<br />

20. UND 21. JANUAR 2011, GROSSES HAUS<br />

3. KONZERT FÜR JUNGE LEUTE<br />

AUFTRAGSKOMPOSITIONEN –<br />

„ … IHR GEHORSAMER DIENER …“<br />

MIT WERKEN VON WOLFGANG AMADEUS MOZART,<br />

JOSEPH HAYDN, JOHN WILLIAMS U. A.<br />

16. UND 17. FEBRUAR 2011, GROSSES HAUS<br />

NUR EIN TAG<br />

MARTIN BALTSCHEIT<br />

Inszenierung Joachim von Burchard; ab 6 Jahre<br />

26. FEBRUAR 2011, TiC FÜR KIDS<br />

4. KONZERT FÜR JUNGE LEUTE<br />

„BILDER EINER AUSSTELLUNG“<br />

VON MODEST MUSSORGSKIJ<br />

(ORCHESTERFASSUNG VON MAURICE RAVEL)<br />

30. UND 31. MÄRZ 2011, GROSSES HAUS<br />

TO DO ! JUGENDCLUBPRODUKTION<br />

Leitung Mirko Schombert<br />

29. APRIL 2011, TiC FÜR KIDS<br />

KINDEROPER<br />

DER UNSICHTBARE VATER<br />

JULIANE KLEIN; ab 8 Jahre<br />

TERMIN IN PLANUNG<br />

Gestaltung: www.nordisk-buero.com<br />

IM<br />

PRESS<br />

UM<br />

Herausgeber:<br />

Deutscher <strong>Bühne</strong>nverein<br />

Bun<strong>de</strong>sverband <strong>de</strong>r<br />

Theater und Orchester<br />

www.buehnenverein.<strong>de</strong><br />

Redaktion:<br />

Die Deutsche <strong>Bühne</strong><br />

(verantw.: Detlef Bran<strong>de</strong>nburg)<br />

www.die-<strong>de</strong>utsche-buehne.<strong>de</strong><br />

Dr. Detlev Baur<br />

Mitarbeit: Elisa Giesecke,<br />

Ulrike Lehmann, Lena Oehler,<br />

Regine Reiters, Vera Scory,<br />

Bettina Weber<br />

Grafik und Realisation:<br />

www.mwk-<strong>koeln</strong>.<strong>de</strong><br />

Druck:<br />

www.moellerdruck.<strong>de</strong><br />

Anzeigen:<br />

Monika Kusche<br />

Im Lingesfeld 42,<br />

D-47877 Willich,<br />

Telefon 02154-429051,<br />

Telefax 02154-41705,<br />

verlag.kusche@t-online.<strong>de</strong><br />

Titelbild:<br />

Figurine zum Theatercomic<br />

»Das blaue blaue Meer«,<br />

von Michael Marks<br />

Autorenfotos rechts:<br />

Privat, privat,<br />

Christian Hartmann<br />

Inhalt <strong>#4</strong><br />

Schauspieler im Gespräch ± 6<br />

Die Kölner Schauspieler Lina Beckmann<br />

und Carlo Ljubek befragt von zwei<br />

Nachwuchs-Kandidatinnen<br />

Improtheater ± 14<br />

Was ist eigentlich Improtheater?<br />

Tanz-Porträt ± 20<br />

Der Choreograf Stephan Thoss<br />

Alte junge bühne ± 24<br />

Blick zurück: In <strong>de</strong>n 1920er Jahren gab es<br />

schon einmal eine »junge bühne«...<br />

Spielzeittagebuch ± 28<br />

Die vergangene Spielzeit am Staatstheater<br />

Ol<strong>de</strong>nburg aus Sicht einer Schülerin<br />

Theatercomic ± 35<br />

Neues Drama illustriert:<br />

»Das blaue blaue Meer« von Nis-Momme Stockmann<br />

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />

Schwerpunktthema Weite Welt<br />

Begegnungen mit einem ± 42<br />

an<strong>de</strong>ren Kontinent<br />

Zum Austausch <strong>de</strong>s Mannheimer Theaters<br />

Schnawwl mit einem Theater aus Indien<br />

Von Afrika lernen! ± 50<br />

Christoph Schlingensiefs Afrika-Projekt<br />

Applaus auf Chinesisch ± 52<br />

Bericht von einem Gastspiel <strong>de</strong>r Münchner<br />

Theateraka<strong>de</strong>mie in Shanghai<br />

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -<br />

Wagner Rap ± 58<br />

Der »Rap <strong>de</strong>s Nibelungen« am Theater Freiburg<br />

Ramba Zamba ± 66<br />

Theater von und mit Menschen mit Behin<strong>de</strong>rung<br />

Beruf Maskenbildnerin ± 72<br />

Gestalter im Hintergrund<br />

Krass und Kurios ± 76<br />

Vermischte Meldungen aus <strong>de</strong>r Theaterwelt<br />

RUBRIK<br />

Mona<br />

vom Dahl<br />

Marie<br />

Jelenka<br />

Kirchner<br />

Matthias<br />

Renger<br />

± 14<br />

3<br />

± 28<br />

± 52<br />

Die junge bühne ist eine kostenlose Theaterzeitschrift für Zuschauer und Aktive ab 16 Jahre. Sie erscheint einmal im Jahr als Heft und ist ständig aktuell im Internet ± www.die-junge-buehne.dE


schon aufgeregt?<br />

starke geschichten 2010/11<br />

EDITORIAL<br />

Rico, oskaR und<br />

die TiefeRschaTTen<br />

von Andreas Steinhöfel<br />

<strong>Bühne</strong>nfassung von Felicitas Loewe<br />

PRemieRe 16. September 2010<br />

michael kohlhaas<br />

von James Saun<strong>de</strong>rs nach Heinrich von Kleist<br />

PRemieRe 07. November 2010<br />

PünkTchen und<br />

anTon<br />

nach Erich Kästner<br />

mit Lie<strong>de</strong>rn von Thomas Zaufke (Musik)<br />

und Franziska Steiof (Texte)<br />

PRemieRe 14. November 2010<br />

EinE gEmEinsamE Produktion<br />

mit dEm düssEldorfEr schausPiElhaus<br />

ehRensache<br />

von Lutz Hübner<br />

PRemieRe Februar 2011<br />

aschenbRö<strong>de</strong>l<br />

von Jewgeni Schwarz<br />

PRemieRe März 2011<br />

Das vierte Heft <strong>de</strong>r jungen bühne: Weite Welt<br />

Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r vierten Ausgabe <strong>de</strong>r jungen bühne<br />

steht das Theater im Ausland. Denn so einzigartig in<br />

ihrer Fülle und ihrem künstlerischen Reichtum die<br />

<strong>de</strong>utsche Theaterszene ist, es gibt auch ein Theaterleben<br />

außerhalb. Und das ist oft nicht nur sehr<br />

beeindruckend, son<strong>de</strong>rn kann unseren <strong>de</strong>utschen<br />

o<strong>de</strong>r mitteleuropäischen Blick auf die Welt verän<strong>de</strong>rn.<br />

Theater zu machen o<strong>de</strong>r zu sehen ist wie auf<br />

Reisen zu gehen: Bei<strong>de</strong>s bringt im besten Fall anregen<strong>de</strong><br />

Abenteuer und hilft, unseren Platz in <strong>de</strong>r Welt<br />

zu erkennen – gera<strong>de</strong> dadurch, dass wir ihn in Frage<br />

stellen. Umso mehr kann ein Reisen mit <strong>de</strong>m Theater,<br />

können Theater-Reisen unser Leben bereichern.<br />

Das wollen wir in <strong>de</strong>m Heft reflektieren.<br />

Und für alle, die es noch nicht wissen:<br />

Auf www.die-junge-buehne.<strong>de</strong> gibt es das ganze Jahr<br />

weitere Artikel und Nachrichten und unseren großen<br />

Festival-Blog. Außer<strong>de</strong>m könnt ihr die junge bühne<br />

inzwischen auch auf Twitter und Facebook besuchen<br />

und euch dort über aktuelle Themen informieren<br />

o<strong>de</strong>r aktiv an Diskussionen beteiligen. Eure Redaktion<br />

-----------------------------------------------<br />

5<br />

Dennoch vergessen wir <strong>de</strong>n heimischen Alltag nicht<br />

und blicken wie<strong>de</strong>r auf Stars auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> und<br />

Macher hinter <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>, schauen zurück in <strong>de</strong>r<br />

Geschichte, berichten von Theater ohne festen Text<br />

und haben wie<strong>de</strong>r versucht, ein Theaterstück (diesmal<br />

ein ganz neues) als Comic in Szene zu setzen.<br />

-----------------------------------------------<br />

www.junges-schauspielhaus.<strong>de</strong><br />

münsTeRsTRasse 446<br />

40470 düsseldoRf<br />

kaRTen: 0211.85 23 710


interview<br />

7<br />

6Keine<br />

Angst<br />

auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong><br />

alle fotos dieses artikels: sandra then


Interview mit <strong>de</strong>n Schauspielern<br />

Lina Beckmann und Carlo Ljubek<br />

Interview von Martina Lisiecki und Miriam Kalkreuth. Sie wollen Bei<strong>de</strong> schauspielerinnen wer<strong>de</strong>n.<br />

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Bei<strong>de</strong> sind Ensemblemitglie<strong>de</strong>r am Schauspiel Köln.<br />

Lina Beckmann wur<strong>de</strong> 1981 in Hagen geboren und<br />

kam nach Ihrer Ausbildung an <strong>de</strong>r Westfälischen<br />

Schauspielschule Bochum ans Schauspielhaus<br />

Bochum und das Schauspielhaus Zürich.<br />

Carlo Ljubek wur<strong>de</strong> 1976 in Bocholt geboren. Der<br />

Ausbildung an <strong>de</strong>r Otto-Falckenberg-Schule<br />

in München folgten Engagements an <strong>de</strong>n<br />

Münchner Kammerspielen und <strong>de</strong>m Staatstheater<br />

Wiesba<strong>de</strong>n. Auch er wechselte<br />

mit Intendantin Karin Beier 2007 ans<br />

Schauspiel Köln. www.schauspiel<strong>koeln</strong>.<strong>de</strong><br />

interview<br />

8<br />

Miriam und ich sind uns sicher, dass wir eine Schauspielausbildung<br />

machen wollen. Erinnert ihr euch daran, wie das bei euch nach <strong>de</strong>r<br />

Schulzeit war? Wusstet ihr sofort, was ihr machen wollt?<br />

Lina Beckmann: Ich habe gar kein Abi gemacht, son<strong>de</strong>rn wusste<br />

schon vorher, dass ich abgehe und Theater spielen möchte. Ich<br />

konnte nichts an<strong>de</strong>res beson<strong>de</strong>rs gut, we<strong>de</strong>r Mathe, noch Zeichnen,<br />

mir hat nur das Theaterspielen gefallen. Ich habe auch nur<br />

einmal an <strong>de</strong>r Bochumer Schauspielschule vorgesprochen und<br />

wur<strong>de</strong> gleich genommen.<br />

Wow, das spricht ja für <strong>de</strong>in Talent.<br />

Lina Beckmann: Es hat einfach gepasst. In München hätten sie mich<br />

vielleicht nicht genommen.<br />

Carlo Ljubek: Nach <strong>de</strong>m Realschulabschluss habe ich in München<br />

eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. Gearbeitet<br />

habe ich in diesem Beruf nie. Ich habe mich eigentlich schon als<br />

Fußballprofi gesehen, aber dafür hat es lei<strong>de</strong>r nicht gereicht. Dann<br />

habe ich etwas gesucht, was ähnlich intensiv ist und an das ich<br />

glauben kann. Mit Theater hatte ich bis dahin gar nichts am Hut,<br />

ich hatte vielleicht drei Aufführungen gesehen.<br />

Hast du oft vorgesprochen?<br />

Carlo Ljubek: Nein, ich habe an drei Schulen vorgesprochen, das es<br />

nur drei waren, hatte sehr viel mit Glück zu tun. Ich war so naiv,<br />

bin mit meiner Gitarre hingefahren, habe Liedchen gesungen.<br />

Natürlich hab’ ich auch Vorsprechrollen einstudiert, ohne die<br />

geht es nicht.<br />

Das wür<strong>de</strong> ich auch so machen.<br />

Carlo Ljubek: Es gibt genauso Leute, die 15-mal vorgesprochen<br />

haben und die jetzt an tollen Theatern spielen. Man sollte sich also<br />

nicht so schnell entmutigen lassen.<br />

Wie war es dann an <strong>de</strong>r Schauspielschule?<br />

Carlo Ljubek: Während <strong>de</strong>r Ausbildung arbeitet man ganz an<strong>de</strong>rs<br />

als später am Theater. Zunächst war mir das Vokabular <strong>de</strong>r<br />

Schauspieldozenten völlig fremd. Zum Beispiel hieß es »Sie<br />

müssen mehr Farben spielen« und ich habe ernsthaft darüber<br />

nachgedacht, wie man ‚blau’ o<strong>de</strong>r ‚rot’ spielt. Erst später habe ich<br />

gelernt, dass Farben spielen ja nichts an<strong>de</strong>res heißt, als dass es<br />

viele verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten gibt, ein und dieselbe Gefühlslage<br />

auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> zu zeigen. Und dieser Anspruch wächst auch<br />

nach <strong>de</strong>r Schule weiter.<br />

Ich habe gehört, dass viele nach <strong>de</strong>r Ausbildung, wenn sie nicht gleich<br />

ein Engagement bekommen, erst einmal in ein Loch fallen.<br />

Lina Beckmann: Bei mir lief das eigentlich alles reibungslos. Nach<br />

<strong>de</strong>r Schule hat mich Matthias Hartmann ans Bochumer Schauspielhaus<br />

geholt, von dort bin ich nach Zürich gegangen und<br />

danach mit Karin Beier nach Köln gekommen. Ich bin nie ohne<br />

Arbeit gewesen und hatte dadurch auch keine Zeit zu grübeln, ob<br />

das nun <strong>de</strong>r richtige Beruf ist. Ich dachte nur, es funktioniert, also<br />

ist es auch richtig. Allerdings: Umstellen musste ich mich nach <strong>de</strong>r<br />

Schauspielschule schon. Wenn man am Theater am Anfang nur<br />

eine winzige Rolle bekam, o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Regisseur nicht klar kam,<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Applaus nur mäßig war, ging man doch ziemlich geknickt<br />

nach Hause. Das kann schon frustrierend sein und ist<br />

manchmal nicht erfüllend.<br />

Gibt es auch Momente, wo ihr durchhängt, keine Lust mehr habt?<br />

Carlo Ljubek: Klar, die Arbeit besteht nicht immer nur aus Spaß.<br />

Lina Beckmann: Es gibt oft Momente, in <strong>de</strong>nen ich <strong>de</strong>nke, ich mag<br />

nicht mehr. Man weiß zwar eigentlich, das ist das Richtige, aber<br />

man begegnet auch Menschen, mit <strong>de</strong>nen es schwierig ist, muss<br />

sich so oft am Riemen reißen und sich gleichzeitig aber öffnen<br />

und so viel von sich preisgeben.<br />

Aber trotz<strong>de</strong>m zahlt es sich doch am En<strong>de</strong> aus, o<strong>de</strong>r nicht?<br />

Lina Beckmann: Nein, manchmal nicht.<br />

Gäbe es <strong>de</strong>nn überhaupt Alternativen für euch?<br />

Lina Beckmann: Für mich eben nicht, weil ich ja nichts an<strong>de</strong>res<br />

kann.<br />

Carlo Ljubek: Für mich auch nicht, aber natürlich <strong>de</strong>nkt man<br />

manchmal darüber nach, gera<strong>de</strong> wenn man frustriert ist.<br />

Wür<strong>de</strong>t ihr von euch sagen, ihr seid Rampensäue?<br />

Lina Beckmann: Ich habe keine Angst auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>, sagen wir so.<br />

Carlo Ljubek: Wenn Du’s so sagt, stimmt das auch für mich.<br />

Könnt ihr problemlos zwischen euch als Privatperson und <strong>de</strong>r Rolle<br />

trennen o<strong>de</strong>r habt ihr manchmal das Gefühl, dass etwas von einer Figur<br />

an euch hängen bleibt?<br />

Lina Beckmann: Das ist schwierig, <strong>de</strong>nn alles, was ich mache, bin<br />

ich ja. Ich versuche immer, ganz viel von mir in eine Rolle zu<br />

packen. Ich kenne dieses Trennen gar nicht. Ich löse mich aber<br />

auch nicht auf, son<strong>de</strong>rn benutze mich einfach nur für die Rolle.<br />

9


10<br />

interview<br />

Carlo Ljubek: Es gibt Erfahrungen mit Energien, wür<strong>de</strong> ich<br />

sagen. Ich weiß nicht, ob das dann die Rolle ist, die an einem<br />

kleben bleibt. Ich erinnere mich an ein Erlebnis, als ich in<br />

München an <strong>de</strong>r Schauspielschule <strong>de</strong>n Mercutio in »Romeo<br />

und Julia« geprobt hatte. Ich fuhr mit <strong>de</strong>m Fahrrad über die<br />

Donnersbergerbrücke, als mir ein Typ eine Ohrfeige angedroht<br />

hat. Ich bin von meinem Fahrrad gesprungen, auf ihn<br />

zu und habe ihn angebrüllt, was das soll. Der ist sofort abgehauen.<br />

Ich habe mich dann wie<strong>de</strong>r auf mein Fahrrad gesetzt<br />

und dachte nur: »Was war das jetzt?« Denn ich mache so<br />

etwas eigentlich nicht. Das war aber nicht die Rolle – ich<br />

glaube nicht, dass man die mitnimmt –, son<strong>de</strong>rn die Energie.<br />

Lina Beckmann: Für mich ist es nicht <strong>de</strong>r Sinn <strong>de</strong>s Schauspielerberufs,<br />

jeman<strong>de</strong>n ganz an<strong>de</strong>ren zu spielen. Das nehmen<br />

mir die Leute gar nicht ab. Wie kann ich <strong>de</strong>nn berühren mit<br />

etwas, was ich gar nicht bin.<br />

Es gibt aber sicherlich Momente auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>, die ihr selbst noch<br />

nicht erlebt habt? Wie geht man da ran?<br />

Carlo Ljubek: Das ist immer nur eine Annäherung. Man kann<br />

ja vieles, was man spielt, gar nicht aus eigener Erfahrung<br />

kennen. Es geht auch nicht darum, sich an etwas zu erinnern,<br />

ich versuche, mich diesen Situationen bzw. einem Gefühl<br />

anzunähern.<br />

Habt ihr <strong>de</strong>nn immer noch Lampenfieber vor je<strong>de</strong>r Aufführung?<br />

Carlo Ljubek: Ich glaube, ohne Aufregung wäre es komisch.<br />

Aber das hängt auch von <strong>de</strong>r Aufführung ab. Es gibt Aben<strong>de</strong>,<br />

vor <strong>de</strong>nen ich nicht aufgeregt bin, bei <strong>de</strong>nen sich die Energie<br />

erst während <strong>de</strong>r Vorstellung entwickelt. Und dann gibt es Aufführungen,<br />

die so viel Kraft kosten, die man schon <strong>de</strong>n ganzen<br />

Tag im Nacken hat und man nicht weiß, ob es auch aufgeht.<br />

Lässt es sich besser mit Kollegen spielen, <strong>de</strong>nen man nah ist o<strong>de</strong>r<br />

funktioniert es manchmal vielleicht sogar besser aus einer Distanz<br />

heraus?<br />

Lina Beckmann: Ich kann besser mit Leuten spielen, die mir<br />

nah sind.<br />

Carlo Ljubek: Bei <strong>de</strong>r Inszenierung von »Kasimir und Karoline«<br />

zum Beispiel blieb uns gar nichts an<strong>de</strong>res übrig, als zusammen<br />

zu rücken, weil wir nur zwei Wochen Probenzeit hatten. Der<br />

Regisseur Johan Simons hatte das Stück ja schon mit belgischen<br />

Schauspielern in Avignon probiert und er hat dann<br />

diese Inszenierung mit uns überarbeitet. Im Übrigen kann es<br />

aber schon zu einem Probenprozess dazu gehören, dass man<br />

auch Kämpfe austrägt. In <strong>de</strong>m Fall war das allerdings gar nicht<br />

nötig, im Gegenteil, wir waren sogar alle etwas verzaubert.<br />

www.saarlaendisches-staatstheater.<strong>de</strong> Saarländisches Staatstheater Spielzeit 2010/2011<br />

RUBRIK<br />

JUNGES SST<br />

U R AU F F Ü H R U N G<br />

ANDERSWO<br />

Jugendtanzprojekt mit Nadja Raszewski<br />

Premiere am 2. Oktober 2010<br />

Alte Feuerwache<br />

..............................................................................................................<br />

DA S W E I H N ACHTSST Ü C K I M S TA AT S T H E AT E R<br />

Otfried Preußler<br />

DER RÄUBER HOTZENPLOTZ<br />

Premiere am 7. November 2010<br />

Staatstheater<br />

..............................................................................................................<br />

U R A U F F Ü H R U N G I N D E R R E I H E < E C H T Z E I T><br />

THE YELLOW SHARK<br />

Generationenprojekt mit Musik von Frank Zappa<br />

Premiere am 19. Februar 2011<br />

Staatstheater<br />

..............................................................................................................<br />

U R AU F F Ü H R U N G<br />

PROJEKT DES<br />

JUGENDCLUBS U21<br />

Premiere im Frühjahr 2011<br />

Alte Feuerwache<br />

..............................................................................................................<br />

W I E D E R AU F N A H M E I N P L A N U N G<br />

Der unglaubliche Spotz<br />

Eine Oper für alle ab 6 Jahren<br />

von Mike Svoboda<br />

Frühjahr 2011<br />

Erna in »Kasimir und Karoline« ist ja eine ungebil<strong>de</strong>te, einfache<br />

Person, die du aber nicht billig dargestellt hast. War das schwierig,<br />

<strong>de</strong>n richtigen Grat zu erwischen?<br />

Lina Beckmann: Mir gefallen Figuren, die einfach <strong>de</strong>nken.<br />

Da ihr nur so eine kurze Probenzeit hattet, konntet ihr euch direkt<br />

in die Rollengestaltung mit einbringen? Waren die Charaktere so,<br />

wie ihr sie euch vorgestellt habt?<br />

Carlo Ljubek: Ich habe das Stück gelesen und mir sind zu <strong>de</strong>r<br />

Rolle <strong>de</strong>s Merkel Franz nur Klischees eingefallen, Abzieh-<br />

Der Jugendclub U 21 war mit »über wun<strong>de</strong>n« eingela<strong>de</strong>n<br />

zum Bun<strong>de</strong>streffen <strong>de</strong>r Jugendclubs in Leipzig 2010!


interview<br />

12<br />

bil<strong>de</strong>r. Ich habe dann gleich Johan Simons, <strong>de</strong>n Regisseur, um<br />

Hilfe gebeten, weil ich keine richtige I<strong>de</strong>e für die Figur hatte. Er<br />

hat in <strong>de</strong>r kurzen Zeit alles noch einmal überdacht, weil er erkannt<br />

hat, dass die Inszenierung in Köln ganz an<strong>de</strong>rs aussehen<br />

muss als zuvor in Avignon.<br />

Lina Beckmann: Ich hatte die Inszenierung für Avignon schon<br />

gesehen und habe dann gehofft, dass ich während <strong>de</strong>r Proben<br />

nicht immer an die Darstellung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Schauspielerin<br />

<strong>de</strong>nken muss. Es lief dann aber sehr gut und Johan Simons war<br />

offen für alles, was wir einbrachten.<br />

Macht das einen guten Regisseur aus, wenn er sich auf die Schauspieler<br />

einlässt und nicht mit einem fertigen Konzept kommt, das <strong>de</strong>m Schauspieler<br />

nicht viel Raum lässt?<br />

Lina Beckmann: Das ist natürlich angenehmer, aber wenn ein<br />

Regisseur sagt, so und so stelle ich mir das vor, kann das auch<br />

sehr spannend sein.<br />

Carlo Ljubek: Karin Beier zum Beispiel hat ein Bild im Kopf, wie<br />

eine Szene aussehen könnte. Sie macht also einen Vorschlag, <strong>de</strong>n<br />

kann man annehmen o<strong>de</strong>r man geht seinen eigenen Weg. Wenn<br />

man sie damit überzeugen kann, besteht sie nicht auf ihrer I<strong>de</strong>e.<br />

Das fin<strong>de</strong> ich sehr schön. Ich glaube auch, dass man ‚gemeinsam’<br />

immer weiter kommt.<br />

Habt ihr Lieblingstypen, die ihr beson<strong>de</strong>rs gerne spielt?<br />

Carlo Ljubek: Ich nicht. Ich fin<strong>de</strong> es reizvoll, wenn die Aufgaben<br />

abwechslungsreich sind.<br />

Wie geht ihr mit negativer Kritik in <strong>de</strong>r Presse um?<br />

Carlo Ljubek: Die lese ich nicht, das schmerzt mich zu sehr.<br />

Lina Beckmann: Ich lese es und nehme mir danach immer vor, es<br />

nicht mehr zu tun. Aber es passiert manchmal während ich<br />

spiele, dass ich an einen Satz <strong>de</strong>nke und mich frage, bin ich<br />

wirklich so schlecht.<br />

Miriam Kalkreuth (rechts im Bild), 19 Jahre alt, machte<br />

2009 ihr Abitur in Köln. Anfang 2010 absolvierte sie dort<br />

ein Praktikum an <strong>de</strong>n Städtischen <strong>Bühne</strong>n. Seit fünf<br />

Jahren spielt sie selbst Theater und wür<strong>de</strong> es gerne auch<br />

zu ihrem Beruf machen. »Deshalb war das Interview<br />

mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Schauspielern eine tolle Chance,<br />

einmal mit Profis über diesen Job re<strong>de</strong>n zu können.«<br />

Die 19-jährige Kölnerin Martina Lisiecki (links) ist Sängerin<br />

einer Rockband. Schon in <strong>de</strong>r Grundschule ent<strong>de</strong>ckte<br />

sie ihre Liebe zur <strong>Bühne</strong>, spielte in Musicals, und seit<br />

einigen Jahren im Theaterpädagogischen Zentrum<br />

Köln. Anfang <strong>de</strong>s Jahres absolvierte sie ein Praktikum<br />

am Set <strong>de</strong>r Soap »Unter Uns«. »Das Interview war sehr<br />

interessant und informativ, zumal ich zurzeit selber<br />

anstrebe an eine Schauspielschule zu gehen.«<br />

Wie schlecht muss es euch gesundheitlich gehen, damit ihr sagt, ich kann<br />

heute nicht auf die <strong>Bühne</strong>?<br />

Lina Beckmann: Ich habe schon einmal gespielt und mich zwischendurch<br />

übergeben. Es gibt auch Kollegen, die wür<strong>de</strong>n noch<br />

mit aufgeschlagenem Kopf kommen, das ist irgendwie ganz<br />

seltsam. Man möchte einfach nicht, dass eine Vorstellung wegen<br />

einem selbst abgesagt wird.<br />

Carlo Ljubek: Wenn man weiß, da machen sich so viele Leute auf<br />

<strong>de</strong>n Weg, manche reisen sogar von weit an, um diese Vorstellung<br />

zu sehen, fällt es wahnsinnig schwer zu sagen, ich kann heute<br />

nicht spielen. Die Premiere »Kasimir und Karoline« habe ich zum<br />

Beispiel mit einem Gipsarm gespielt. Ich war froh, dass das bei<br />

dieser Rolle möglich war und die Premiere nicht verschoben<br />

wer<strong>de</strong>n musste.<br />

Was ist das Beson<strong>de</strong>re an eurem Beruf?<br />

Carlo Ljubek: Das Erstrebenswerte ist nicht, vor Publikum zu<br />

stehen und gelobt zu wer<strong>de</strong>n, daran <strong>de</strong>nkt man zu Beginn einer<br />

Arbeit gar nicht. Das Tolle ist, dass man die Möglichkeit hat,<br />

Dinge zu erreichen, die man sich nicht vornehmen kann, son<strong>de</strong>rn<br />

die erst im Verlauf <strong>de</strong>r Proben entstehen.<br />

Das geht aber nur mit an<strong>de</strong>ren zusammen?<br />

Carlo Ljubek: Ja, das funktioniert nicht alleine. Deshalb fin<strong>de</strong> ich es<br />

auch so schön, gemeinsam mit <strong>de</strong>m Team irgendwo hinzukommen,<br />

etwas zu erreichen. Das ist ein bisschen wie Karussell fahren.<br />

Was wür<strong>de</strong>t ihr uns mit auf <strong>de</strong>n Weg geben?<br />

Lina Beckmann: Wenn es Spaß macht, weitermachen. Wenn es<br />

keinen Spaß macht, aufhören.<br />

Ad De Bont / Guus Ponsioen<br />

DIE BALLADE<br />

VON GARUMA<br />

ab 12 Jahren<br />

Musikalische Leitung | Kristina Šibenik<br />

Regie | Marco Štorman<br />

Premiere 30. Juni 2011<br />

Kammertheater<br />

Jonathan Dove<br />

PINOCCHIOS<br />

ABENTEUER<br />

ab 8 Jahren<br />

Musikalische Leitung | David Parry / Willem Wentzel<br />

Regie | Markus Bothe<br />

Wie<strong>de</strong>r ab 24. November 2010<br />

Opernhaus<br />

Igor Bauersima / Elena Kats-Chernin<br />

THE RAGE OF LIFE<br />

- LEBENSWUT<br />

ab 14 Jahren<br />

Musikalische Leitung | Hans Christoph Bünger<br />

Regie | Igor Bauersima<br />

Premiere 12. November 2010<br />

Kammertheater<br />

junge oper <strong>de</strong>r staatsoper stuttgart | projektbüro | oberer schlossgarten 6 | 70173 stuttgart<br />

tel. 0711. 20 32 555 | fax 0711. 20 32 472 | education@staatstheater-stuttgart.<strong>de</strong><br />

karten und informationen unter 0711. 20 20 90 o<strong>de</strong>r www.staatstheater-stuttgart.<strong>de</strong>


RUBRIK<br />

Geschichte und<br />

Geschichten zum<br />

Improvisationstheater<br />

IMPROTHEATER<br />

Die Autorin Mona vom Dahl wur<strong>de</strong> 1988 in Essen geboren und hat<br />

während ihrer Schulzeit lange selbst Improtheater gespielt. Sie<br />

studiert seit <strong>de</strong>m Wintersemester 2008/09 an <strong>de</strong>r Ruhr-Universität<br />

Bochum Theaterwissenschaft und Germanistik. Im Frühjahr<br />

2009 war sie Praktikantin bei <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bühne</strong>.<br />

Von Mona vom Dahl<br />

--------------------------<br />

14<br />

Eine Szene aus<br />

»MordArt« <strong>de</strong>r<br />

Bochumer Gruppe<br />

Hottenlotten.<br />

foto: hottenlotten e.v.<br />

Ich betrete mit einer Freundin das Kulturhaus Thealozzi in Bochum.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n freundlich begrüßt, kaufen unsere Eintrittskarten und<br />

erhalten dazu einen Kugelschreiber und einige weiße Zettelchen<br />

mit <strong>de</strong>m Hinweis: »Schreibt mal ein paar skurrile Mordarten auf«.<br />

Wir setzen uns mit zwei Tassen Tee gemütlich auf eines <strong>de</strong>r Sofas<br />

in <strong>de</strong>m kleinen, an das Foyer angrenzen<strong>de</strong>n Café und beginnen,<br />

I<strong>de</strong>en zu sammeln. Zunächst fallen uns all die Mor<strong>de</strong> ein, <strong>de</strong>rer<br />

wir in <strong>de</strong>n letzen Jahren im Kino o<strong>de</strong>r im heimischen Lesesessel<br />

Zeugen gewor<strong>de</strong>n sind. Die Verbrecher waren für unsere Zwecke<br />

aber offensichtlich nicht mit <strong>de</strong>m nötigen Einfallsreichtum gesegnet.<br />

Langsam wer<strong>de</strong>n wir kreativer und sind zum Schluss doch<br />

recht stolz auf die Mordarten, mit <strong>de</strong>nen wir unsere Zettel beschriftet<br />

haben, zumal ein Lauschen auf die Diskussionen an <strong>de</strong>n<br />

Nebentischen ergibt: Wir waren kreativer als die Nachbarn.<br />

Theater, das das Publikum schon for<strong>de</strong>rt, lange bevor es überhaupt<br />

eine <strong>Bühne</strong> zu sehen bekommt: Dazu zählen die improvisierten<br />

Krimis <strong>de</strong>r Hottenlotten, einer 1993 gegrün<strong>de</strong>ten Improvisationstheatergruppe<br />

aus Bochum. Einmal im Monat entwickeln sie eine<br />

spannen<strong>de</strong> Geschichte um einen vom Publikum ausgedachten<br />

skurrilen Mordfall. Es gibt drei Verdächtige und einen Spieler<br />

o<strong>de</strong>r eine Spielerin, <strong>de</strong>r/die ebenso wenig weiß, wer <strong>de</strong>r Mör<strong>de</strong>r<br />

ist, wie die entsprechen<strong>de</strong> Rolle – <strong>de</strong>r Kommissar o<strong>de</strong>r die Kommissarin.<br />

Der Verlauf <strong>de</strong>r Geschichte hängt nicht nur von <strong>de</strong>r<br />

Kreativität <strong>de</strong>r Spieler und Spielerinnen ab, son<strong>de</strong>rn auch von <strong>de</strong>n<br />

Einfällen <strong>de</strong>s Publikums.<br />

Hier liegt die Beson<strong>de</strong>rheit von Improvisationstheater –<br />

o<strong>de</strong>r eben Improtheater, wie es <strong>de</strong>r Alltagstauglichkeit halber<br />

in <strong>de</strong>r Regel genannt wird. Die I<strong>de</strong>e ist einfach: eine Gruppe von<br />

Spielern und Spielerinnen betritt eine <strong>Bühne</strong>, ohne die Rollen o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Szenen zu kennen, die sie wenig später darstellen<br />

wer<strong>de</strong>n. Es wird anhand weniger Vorgaben innerhalb<br />

bestimmter Regeln improvisiert.<br />

Wie diese Vorgaben und Regeln aussehen, hängt von <strong>de</strong>r<br />

jeweiligen Form <strong>de</strong>r Improvisation ab und <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Funktionen, die Spielleitung, Spieler und Spielerinnen und<br />

das Publikum darin haben. Eine Möglichkeit, wie das aussehen<br />

kann, stellt das von <strong>de</strong>r Erfurter Improtheatergruppe ImproVision<br />

entworfene Spiel »Goethestr. 450, – warm« dar: Eine Autorin, also<br />

eine Spielerin, die gleichzeitig in ihrer Rolle agiert und als Spielleiterin<br />

fungiert, die Mo<strong>de</strong>ration übernimmt, so <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>s<br />

Abends organisiert und <strong>de</strong>n Kontakt zum Publikum hält, sucht<br />

15


IMPROTHEATER<br />

Die Bochumer<br />

Hottenlotten in Aktion.<br />

fotos: hottenlotten e.v.<br />

Premieren SPielzeit 2010 | 2011<br />

30.10.2010 intO tHe WOODS – AB in Den WAlD<br />

Musical von Stephen Sondheim<br />

10.12.2010 BreitengrAD Tanztheater von<br />

Linda Kapetanea / Jozef Fruček<br />

und Johannes Wieland<br />

16<br />

nach einer Geschichte für einen Roman. Hier zeigt sich schon: In<br />

<strong>de</strong>n meisten Fällen hat die Spielleitung eine wesentlich komplexere<br />

Aufgabe, als das zum Beispiel in <strong>de</strong>r bekannten Impro-Comedy-Serie<br />

»Schillerstraße« <strong>de</strong>s Fernsehsen<strong>de</strong>rs Sat.1 <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

Schaut man Improtheater an, wird man meistens sogenannte<br />

Langformen wie die eben beschriebene o<strong>de</strong>r auch die Bochumer<br />

»MordArt«-Krimis zu sehen bekommen, bei <strong>de</strong>nen eine fortlaufen<strong>de</strong><br />

Geschichte erzählt wird. Eine an<strong>de</strong>re Möglichkeit sind mehrere<br />

Szenen, die sich aus verschie<strong>de</strong>nen Spielen ergeben. Das lässt sich<br />

dann auch als Wettstreit betreiben und bietet als Theatersport,<br />

bei <strong>de</strong>m zwei Gruppen gegeneinan<strong>de</strong>r antreten, Spielern und<br />

Publikum einen beson<strong>de</strong>ren Reiz.<br />

Ein beliebtes Improspiel, das auch zum Repertoire <strong>de</strong>r bekannten<br />

Münchener Improtheatergruppe fastfood gehört, ist das<br />

»Zappen« von Genres. Zwei Spieler beginnen auf eine bestimmte<br />

Vorgabe <strong>de</strong>s Publikums – zum Beispiel eines Objektes – hin, eine<br />

Szene um diesen Gegenstand zu entwerfen, auf Zuruf <strong>de</strong>s Spielleiters<br />

müssen sie aber das Genre wechseln. Die Szene, die als<br />

Liebeskomödie begonnen hat, muss also plötzlich in <strong>de</strong>r Manier<br />

eines Actionstreifens fortgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

----------------------------------------------<br />

… faszinieren<strong>de</strong>r, origineller und<br />

packen<strong>de</strong>r als hätte man vorausgeplant.<br />

----------------------------------------------<br />

An diesem Beispiel lässt sich leicht ablesen, wie komplex die<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Improtheaters sind: Die Spieler müssen die<br />

Vorgaben <strong>de</strong>s Publikums beachten, sich auf durch <strong>de</strong>n Spielleiter<br />

o<strong>de</strong>r das Publikum verän<strong>de</strong>rte Bedingungen in kürzester Zeit<br />

einlassen, also je<strong>de</strong>n Impuls sofort aufnehmen, um gleichzeitig eine<br />

dramaturgisch sinnvolle Szene mit einem Höhepunkt und – und<br />

das ist manchmal fast das Schwierigste – einem Schluss zu erspielen,<br />

ohne dabei je die Möglichkeit zu einer Absprache zu haben. Ein<br />

Spiel, bei <strong>de</strong>m die Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Spieler und Spielerinnen<br />

beson<strong>de</strong>rs gefor<strong>de</strong>rt ist, ist die Synchronisation, auch das ein Spiel,<br />

das zum Beispiel das fastfood-Theater im Programm hat: Je<strong>de</strong>r<br />

Spielen<strong>de</strong> stellt seine eigene Rolle lediglich pantomimisch dar und<br />

spricht dafür die eines an<strong>de</strong>ren. Dabei <strong>de</strong>n Überblick zu behalten,<br />

ist dann manchmal auch für das Publikum eine Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />

das sonst doch recht entspannt beobachten kann, wie auf <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bühne</strong> mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Aufgaben umgegangen wird.<br />

Beim Improtheater lernt man also unweigerlich, sich auf seine<br />

Mitspieler und Mitspielerinnen einzulassen und spontan<br />

und kreativ auf je<strong>de</strong> unvorhergesehene Situation zu reagieren.<br />

Das sind Fähigkeiten, die man nicht nur auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />

auch im Leben gut gebrauchen kann und so verwun<strong>de</strong>rt es nicht,<br />

dass die Form <strong>de</strong>r Improvisation auch im Bereich <strong>de</strong>r Pädagogik<br />

zunehmend Verbreitung gefun<strong>de</strong>n hat.<br />

Anja Balzer von <strong>de</strong>n Hottenlotten sagt in einem auf <strong>de</strong>r Homepage<br />

<strong>de</strong>r Gruppe veröffentlichten Text: »Improvisationstheater ist<br />

<strong>de</strong>r dauerhafte Versuch, ein perfekter Mensch zu wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>m<br />

sicheren Wissen, dass <strong>de</strong>r Versuch zum Scheitern verurteilt ist – und<br />

das ist das Wun<strong>de</strong>rbare, <strong>de</strong>nn aus Fehlern entsteht etwas ganz an<strong>de</strong>res,<br />

was man nie erwartet hätte: faszinieren<strong>de</strong>r, origineller und packen<strong>de</strong>r<br />

als hätte man vorausgeplant« – und dass Fehler Möglichkeiten<br />

bieten, ist doch nicht nur für das Leben auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> ein verlocken<strong>de</strong>r<br />

Gedanke.<br />

Auf hohem Niveau aus Fehlern gutes Theater – das machen<br />

<strong>de</strong>rzeit in Deutschland viele professionelle Improtheatergruppen<br />

(siehe Kasten auf S.19). Zu <strong>de</strong>n »Großen« <strong>de</strong>r Szene<br />

zählen zum Beispiel die Springmäuse aus Bonn, bei <strong>de</strong>nen heute<br />

vor allem aus <strong>de</strong>m Fernsehprogramm bekannte Comedians wie<br />

Dirk Bach und Bernhard Hoëcker ihre Karrieren begonnen haben.<br />

Bill Mockridge hat Springmaus 1982 gegrün<strong>de</strong>t, womit diese<br />

Improtheatergruppe zu <strong>de</strong>n ältesten in Deutschland gehört. In die<br />

Riege <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Improtheaters, gera<strong>de</strong> auch<br />

als Theatersport, gehört das Harlekin-Theater in Tübingen, das von<br />

Volker Quandt gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, beziehungsweise <strong>de</strong>ssen Vorgänger,<br />

die Serie Theatersport an <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sbühne in Tübingen. Ebenso<br />

zu nennen ist die Gruppe Emscherblut, die die erste <strong>de</strong>utsche Meisterschaft<br />

1993 organisierte.<br />

Schaut man sich das Angebot einiger bekannter Improtheatergruppen<br />

– darunter: Funshows, Unternehmenstheater,<br />

Theatersport – an, kann man leicht auf <strong>de</strong>n Gedanken kommen,<br />

das alles sei nichts als Klamauk, reine Unterhaltung, vielleicht<br />

kommerziell, mit Sicherheit keine Kunst. Tatsächlich liegt bei<br />

<strong>de</strong>n meisten Formen <strong>de</strong>r Schwerpunkt auf <strong>de</strong>r Unterhaltung.<br />

Doch abgesehen von <strong>de</strong>n enormen Anfor<strong>de</strong>rungen an die<br />

Akteure, ergibt sich allein aus <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Improtheaters,<br />

dass es dabei immer auch um mehr geht.<br />

So ist bei Kerschenzew in Moskau o<strong>de</strong>r später bei Augusto<br />

Boal in Sao Paolo die Ermächtigung <strong>de</strong>s Publikums, die<br />

<strong>de</strong>m Improtheater eingeschrieben ist, in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Theaterformen Bestandteil eines Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s gegen jegliche<br />

Unterdrückung. Ein Element, das immer wirksam wird,<br />

wenn das Publikum aktiv wer<strong>de</strong>n kann. Außer<strong>de</strong>m ist es<br />

selbstverständlich möglich, beson<strong>de</strong>rs in entsprechend<br />

angelegten Langformen, auch ernste und be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Themen<br />

in die Tiefe gehend zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Natürlich ergibt sich durch <strong>de</strong>n Animationscharakter<br />

von Improtheater leicht, dass das Publikum versucht, möglichst<br />

abstruse, obszöne, fiese Vorgaben zu machen, allein<br />

schon, weil ein Teil <strong>de</strong>r Spannung beim Improtheater sich<br />

aus <strong>de</strong>r Antizipation <strong>de</strong>s möglichen Scheiterns ergibt. Mit<br />

dieser Gefahr umzugehen, ist aber durchaus möglich und es<br />

wird je<strong>de</strong>r Spielleiter seinen persönlichen Weg fin<strong>de</strong>n, darauf<br />

zu reagieren und die Unterschreitung eines gewissen Niveaus<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn. An dieser Stelle zwei Beispiele: Andreas<br />

Wolf vom Münchener fastfood-Theater reagiert auf <strong>de</strong>n<br />

Vorschlag »Porno« als Genre schon mal mit <strong>de</strong>r Anmerkung,<br />

dass noch Statisten gesucht wer<strong>de</strong>n und in Bochum wer<strong>de</strong>n<br />

lieber zwei Zettel mit möglichen Mordfällen gezogen: »Wir<br />

wollen uns nicht ständig totficken«.<br />

Bei <strong>de</strong>n Hottenlotten darf das Publikum übrigens in <strong>de</strong>r<br />

Pause raten, wer <strong>de</strong>r Täter o<strong>de</strong>r die Täterin gewesen sein<br />

könnte und so am En<strong>de</strong> sogar noch etwas gewinnen: Eintrittskarten<br />

und Tütensuppen. Und das ist bei<strong>de</strong>s gleichermaßen<br />

schön. Über erstere freut man sich, weil Improtheater<br />

automatisch zu Vorfreu<strong>de</strong> aufs nächste Mal führt, zweitere<br />

kann man nach <strong>de</strong>r Heimfahrt bestimmt noch gebrauchen –<br />

vor allem in frostigen Winternächten. Wirklich verlieren kann<br />

man allerdings so o<strong>de</strong>r so nicht, da man für die Dauer <strong>de</strong>s<br />

Krimis viel gelacht hat, eine spannen<strong>de</strong> Geschichte gesehen<br />

und dabei vielleicht einen persönlichen Erfolgsmoment<br />

erlebt hat, wie ich und meine Freundin bei unserem letzten<br />

Besuch bei »MordArt«: die Mordwaffe, <strong>de</strong>n Zeiger einer<br />

Kirchturmuhr, hatten immerhin wir erfun<strong>de</strong>n.<br />

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06.05.2011 meDeAS kinDer<br />

von Per Lysan<strong>de</strong>r /<br />

Suzanne Osten nach Euripi<strong>de</strong>s<br />

10.06.2011 OH, tell O.! – eleCtr’OPerA®<br />

7. Theater-Jugendorchester<br />

und viele mehr<br />

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04.06.2010 12:21:18 Uhr<br />

Der Revisor GoGol r: Peter Kube<br />

ENRON Prebble DSe r: Niklas Ritter<br />

Der Turm TellkamP/Düffel r: Tobias Wellemeyer<br />

Parzival bärfuSS r: Isabel Osthues<br />

Potsdam – Kundus ua r: Clemens Bechtel<br />

My Fair Lady lerner/loewe ml: Ludger Nowak r: Matthias Brenner<br />

Romeo und Julia ShakeSPeare r: Bruno Cathomas<br />

Adams Äpfel JenSen r: Lukas Langhoff<br />

Amphitryon kleiST r: Julia Hölscher<br />

Iwanow TSchechow r: Markus Dietz<br />

Hexenjagd miller r: Ingo Berk<br />

Volpone JonSon r: Tobias Wellemeyer<br />

Eine Familie leTTS r: Barbara Bürk<br />

POTsDaMeR WINTeROPeR La Cenerentola roSSini<br />

ml: Claus efland r: Nico Rabenald<br />

für junge zuschauer Der <strong>Junge</strong> mit <strong>de</strong>m Koffer kenny DSe r:<br />

Katharina Holler Wie hoch ist oben? murray De r: andreas Rehschuh<br />

Die Schneekönigin anDerSen r: Marita erxleben Angstmän el<br />

kurDi r: aurelina Bücher Ein Schaf fürs Leben maTTer r: Kerstin<br />

Kusch Eye of the Storm way r: andreas Rehschuh<br />

hans otto Theater Gmbh Potsdam schiffbauergasse 11 / 14467 Potsdam / 2010…2011 /<br />

intendant Tobias Wellemeyer / geschäftsführen<strong>de</strong>r direktor Volkmar Raback /<br />

Ein Unternehmen <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shauptstadt Potsdam, geför<strong>de</strong>rt mit Mitteln <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shauptstadt<br />

Potsdam und <strong>de</strong>s Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

Bran<strong>de</strong>nburg


RUBRIK<br />

Musiktheater<br />

Spielzeit<br />

Spielzeit<br />

2010<br />

2010 /<br />

11<br />

11<br />

DER FREISCHÜTZ<br />

Weber<br />

DIE OMAMA IM IM APFELBAUM<br />

Naske<br />

DIE FLEDERMAUS<br />

Strauß<br />

L'ITALIANA IN IN ALGERI<br />

Rossini<br />

GRAND HOTEL<br />

Forrest / / Wright / / Yeston<br />

DER UNTERGANG<br />

DES HAUSES USHER<br />

Glass<br />

DIE LIEBE ZU ZU DEN DREI ORANGEN<br />

Prokofjew<br />

DER GEDULDIGE SOKRATES<br />

Teleman<br />

TanzTheaterMünchen<br />

KÖRPERSPRACHEN III III<br />

Spuck / / Sansano<br />

DER NUSSKNACKER<br />

Paar Paar / / Tschaikowsky<br />

DAS SCHLOSS<br />

Paar Paar / / Kafka<br />

<strong>Junge</strong>s Theater am<br />

Gärtnerplatz jtg<br />

HONK!<br />

Stiles / / Drewe, Musical Comedy<br />

<strong>Junge</strong>s Publikum<br />

willkommen!<br />

Ermäßigungen für für Kin<strong>de</strong>r, Schüler,<br />

Stu<strong>de</strong>nten: 50% 50% Ermäßigung<br />

zu zu je<strong>de</strong>r Zeit Zeit für für alle alle Plätze;<br />

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Honk! – Foto: Lioba Schöneck<br />

Honk! – Foto: Lioba Schöneck<br />

foto: maria schmidt · theater improvision e.v.<br />

ein Erfahrungsbericht<br />

Der Autor ist seit Oktober 2010 Mitglied <strong>de</strong>r<br />

Impro-Gruppe Uschis Erben am Centraltheater<br />

Leipzig. Er ist 21 Jahre alt und von Beruf Tischler.<br />

Von Matthias Sei<strong>de</strong>l<br />

--------------------------<br />

Momentaufnahme aus<br />

»Goethestr. 450,– warm«<br />

<strong>de</strong>r Erfurter Gruppe<br />

ImproVision.<br />

Ein Auftritt ist manchmal wie eine kalte Dusche,<br />

einer dreht auf und schubst mich darunter. Ich<br />

schreie und möchte ins Warme und Trockene<br />

zurück. Nach zwei Auftritten bin ich freiwillig<br />

duschen gegangen.<br />

Alle sagen, Impro-Theater sei Kunst. Kann<br />

es durchaus sein, aber eine Kunst die aus Normalität<br />

entsteht und vor allen Dingen aus Spontanität.<br />

Wenn du zu lange überlegst, bist du draußen, bzw.<br />

kommst gar nicht erst in eine Szene, weil an<strong>de</strong>re<br />

schneller waren. Du willst dich produzieren, etwas<br />

wirklich Interessantes machen, etwas Originelles,<br />

aber damit kannst du nicht punkten, weil du nicht zum Zug kommst. Es fängt schon<br />

an mit Wörtern, also gewissermaßen Vorgaben, die aus <strong>de</strong>m Publikum kommen. Bei<br />

Shows wird oft das Publikum befragt, um für eine Szene o<strong>de</strong>r ein Spiel eine Grundlage<br />

zu haben, auf welcher man aufbauen kann (z.B. einen Ort eine Beziehung usw.).<br />

Man entschei<strong>de</strong>t sich doch gern für interessante Vorlagen, etwa Orte, wie: Chemielabor<br />

o<strong>de</strong>r meinetwegen Weltraum. Die Szenen, die daraus entstehen sind aber nicht<br />

unbedingt die besten, die es im Impro-Theater gibt, nein sie sind oft unheimlich<br />

kompliziert und für <strong>de</strong>n Zuschauer, oft auch für die Spieler schwer nachzuvollziehen.<br />

Es gab für mich ein kleines Schlüsselerlebnis, nach welchem ich erst wirklich<br />

verstand, auf was es beim Impro-Theater ankommt. Meistens musste ich an <strong>de</strong>m Tag<br />

<strong>de</strong>r Probe arbeiten und immer gut vorschlafen, damit ich abends wie<strong>de</strong>r ausgeruht<br />

foto: privat<br />

In fast je<strong>de</strong>r Stadt gibt es verschie<strong>de</strong>ne Improtheatergruppen. Einige wichtige haben wir hier<br />

aufgelistet. Eine vollständige Liste bietet die Homepage www.impro-theater.<strong>de</strong>:<br />

DRAMA light · Mannheim/Hei<strong>de</strong>lberg · www.drama-light.<strong>de</strong> | Emscherblut · Schwerte ·<br />

www.emscherblut.<strong>de</strong> | fastfood theater · München · www.fastfood-theater.<strong>de</strong> | Harlekin ·<br />

Tübingen · www.harlekintheater.<strong>de</strong> | DIE HOTTENLOTTEN · Bochum · www.hottenlotten.<strong>de</strong> |<br />

ImproVision · Erfurt · www.improvision.<strong>de</strong> | Springmaus · Bonn · www.springmaus-improvisationstheater.<strong>de</strong><br />

| Theatersport Berlin · Berlin · www.theatersport-berlin.<strong>de</strong><br />

Auch in Jugendclubs an Stadttheatern (wie am Centraltheater Leipzig) gibt es Improgruppen.<br />

war. Manchmal schaffte ich das nicht und eines Abends war ich eigentlich völlig<br />

fertig und meiner Meinung nach gar nicht mehr in <strong>de</strong>r Lage zu spielen. Als die<br />

Probe dann vorbei war, merkte ich, dass ich meinen Geist gar nicht großartig bemühen<br />

brauchte, ich war dazu auch gar nicht mehr unbedingt in <strong>de</strong>r Lage. Statt<strong>de</strong>ssen<br />

habe ich einfach reagiert auf die Dinge, die geschahen, auf die Angebote, die meine<br />

Mitspieler mir machten und hab nicht lange nachgedacht, son<strong>de</strong>rn das erst beste<br />

genommen, was mir in <strong>de</strong>n Sinn kam. Und das hat funktioniert. Wir konnten einfache<br />

kleine Szenen aufbauen und die oft ad absurdum führen; ohne große Vorbereitung,<br />

son<strong>de</strong>rn einfach nur in<strong>de</strong>m wir Dinge gemacht haben, die das Publikum nicht<br />

erwarten hat, die einfach nicht normal sind o<strong>de</strong>r eben auch, die völlig normal sind.<br />

Eine Kunst <strong>de</strong>r Normalität. Bevor man sich auf eine Impro-<strong>Bühne</strong> begibt, sollte<br />

man sein Gehirn ausschalten, bis auf einen kleinen Rest, <strong>de</strong>nn es gibt ein paar Regeln.<br />

Nicht so viel erklären, eher spielen, nicht Angebote <strong>de</strong>r Mitspieler blockieren.<br />

Impro-Theater ist Kunst, und auf je<strong>de</strong>n Fall die Kunst <strong>de</strong>r Imagination.<br />

Alles, was ein Spieler auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> braucht, kann er sich herbei schaffen. Das ist<br />

etwas, das ich liebe am Impro-Theater: Alles, was gebraucht wird, wird erschaffen,<br />

vom Flugzeug bis zur Katze auf <strong>de</strong>m Arm <strong>de</strong>s Mafia-Bosses (»Ah, Luigi, kümmere<br />

dich um ihn, ich kann ihn nicht mehr gebrauchen.« und er streichelt weiter...). Man<br />

kann also in alle er<strong>de</strong>nklichen Figuren schlüpfen.<br />

Improvisationstheater macht <strong>de</strong>n Kopf frei, es ist wie ein Rockkonzert, das man<br />

gibt ohne je ein Instrument spielen gelernt zu haben, es ist ein Rausch, eine Droge,<br />

ein Adrenalin-Kick. Wie guter Sex, es stärkt das Selbstbewusstsein, weil du alles sein<br />

kannst und dich fast nichts daran hin<strong>de</strong>rn kann.<br />

J u n g e s S t a a t s t h e a t e r B e r l i n<br />

Premieren<br />

2010 / 2011<br />

Lichterloh / UA<br />

Koproduktion von UNITED PUPPETS mit <strong>de</strong>m<br />

THEATER AN DER PARKAUE<br />

Regie: Mario Hohmann<br />

Frau Jenny Treibel o<strong>de</strong>r Wo sich Herz<br />

zum Herzen find't<br />

Theodor Fontane<br />

Regie: Kay Wuschek<br />

<br />

Der Hase und <strong>de</strong>r Igel<br />

Brü<strong>de</strong>r Grimm<br />

Regie: Sascha Bunge<br />

Peter und <strong>de</strong>r Wolf<br />

Sergej Prokofjew<br />

Koproduktion von norton.comman<strong>de</strong>r.productions<br />

und THEATER AN DER PARKAUE<br />

Regie: norton.comman<strong>de</strong>r.productions<br />

Is there Anybody out there? / UA<br />

Stefan Faupel und Tim Blue<br />

Regie: Stefan Faupel und Tim Blue<br />

Das Gespenst von Canterville<br />

<br />

Oscar Wil<strong>de</strong><br />

Regie: Milan Peschel<br />

Der Schimmelreiter<br />

Theodor Storm<br />

Koproduktion <strong>de</strong>s Volkstheaters Rostock<br />

mit <strong>de</strong>m THEATER AN DER PARKAUE<br />

Regie: Kay Wuschek<br />

Radau!<br />

nach einem Hörspiel von Walter Benjamin<br />

Regie: Thomas Fiedler<br />

Bor<strong>de</strong>rlines / UA<br />

Aisha Khan im Auftrag von THEATER AN<br />

DER PARKAUE und West Yorkshire Playhouse<br />

Leeds / Fonds "Wan<strong>de</strong>rlust"<br />

Regie: Lajos Talamonti<br />

<br />

Der gol<strong>de</strong>ne Topf<br />

E.T.A. Hoffmann<br />

Regie: Sascha Bunge<br />

Ten Seconds / UA<br />

Koproduktion von Takao Baba und E-Motion<br />

mit <strong>de</strong>m tanzhaus nrw und <strong>de</strong>m THEATER<br />

AN DER PARKAUE<br />

Choreographie: TAKAO Baba und E-Motion<br />

WINTERAKADEMIE 6<br />

Sagen wir Berlin liegt am Meer<br />

31. Januar bis 5. Februar 2011<br />

Leitung: Karola Marsch / Sascha Willenbacher<br />

P r e m i e r e n u n d<br />

w e i t e r e V o r s t e l l u n g e n s t e r m i n e<br />

u n t e r<br />

w w w . p a r k a u e . d e<br />

www.gaertnerplatztheater.<strong>de</strong><br />

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Tanz-porträt<br />

Porträt <strong>de</strong>s Choreografen Stephan Thoss<br />

Von Ulrike Lehmann<br />

--------------------------<br />

Tanz ist<br />

wie Musik<br />

Als <strong>Junge</strong> konnte er kaum stillsitzen, wenn er Musik hörte. Er erfasste<br />

<strong>de</strong>n Rhythmus schnell und sprang dann durch <strong>de</strong>n Raum. Die Eltern<br />

wollten das Talent <strong>de</strong>s Sohnes unterstützen und mel<strong>de</strong>ten ihn mit<br />

10 Jahren an <strong>de</strong>r Palucca-Schule in Dres<strong>de</strong>n an. Der wird wohl bald<br />

zurückkommen, dachten sie damals.<br />

Stephan Thoss kam nicht zurück, son<strong>de</strong>rn ist einer <strong>de</strong>r wichtigsten<br />

zeitgenössischen <strong>de</strong>utschen Choreografen gewor<strong>de</strong>n.<br />

Der heute 45-Jährige ist inzwischen Ballettdirektor am<br />

Hessischen Staatstheater Wiesba<strong>de</strong>n. Und vor allem eines<br />

hat er seit damals gelernt: »Egal wie stark manchmal <strong>de</strong>r Gegenwind<br />

weht, man muss über <strong>de</strong>n eigenen Schatten springen und<br />

das tun, was zu hun<strong>de</strong>rt Prozent mit einem selbst zu tun hat.«<br />

Denn beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Kunst, im schöpferischen Prozess sei es<br />

wichtig, keine Kompromisse einzugehen. Der in Leipzig geborene<br />

Künstler benutzt im Gespräch ganz plastische Bil<strong>de</strong>r, um diese<br />

Vorstellung von seiner Arbeit zu beschreiben. »Wenn das Publikum<br />

neben meinem Kuchen auch eine Cremetorte will, dann<br />

kriegt es die. Aber es wird dann meine Cremetorte sein.«<br />

Stephan Thoss tut, was er selbst für richtig hält, das war schon<br />

während seiner Ausbildung zum Tänzer so. An <strong>de</strong>r Dresdner<br />

Schule hatte er neben klassischem Ballettunterricht auch<br />

<strong>de</strong>n so genannten Neuen Künstlerischen Tanz, <strong>de</strong>n die<br />

Grün<strong>de</strong>rin <strong>de</strong>r Schule – Gret Palucca – entwickelt hatte. Es ging<br />

dort nicht nur um körperlichen Drill, son<strong>de</strong>rn auch um die Erziehung<br />

zum selbst <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Tänzer: Improvisation gehörte zum<br />

Stun<strong>de</strong>nplan. Zusätzlich bekam Stephan Thoss dort Theorieunterricht<br />

von <strong>de</strong>m chilenischen Choreografen Patricio Bunster.<br />

21<br />

20<br />

alle fotos <strong>de</strong>s artikels: martin kaufhold<br />

Ulrike Lehmann, die Autorin dieses<br />

Beitrags, hat 2009 ihr Studium (Germanistik,<br />

Psychologie und Philosophie)<br />

been<strong>de</strong>t und ist seit<strong>de</strong>m Redakteurin<br />

bei <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bühne</strong>.<br />

Choregrafien von Stephan Thoss: »Dornröschen« (mit Yuki Mori u. Sandro Westphal),<br />

»Irr-Garten« aus <strong>de</strong>m Ballettabend »Labyrinth« (Sandro Westphal u. Emilia Giudicelli)<br />

und »Es war einmal...« (Ludmilla Komkova, Anton Rudakov u. Christian Maier).<br />

Der hatte das Talent und die wissenschaftliche Neugier seines<br />

Schützlings schnell erkannt. Oft trafen sich die bei<strong>de</strong>n heimlich<br />

nach <strong>de</strong>m Aben<strong>de</strong>ssen in <strong>de</strong>n Schulräumen und Patricio führte<br />

<strong>de</strong>n <strong>Junge</strong>n in tanztheoretische Wissensgebiete ein: Geometrie,<br />

die Lehre vom Gol<strong>de</strong>nen Schnitt o<strong>de</strong>r die von <strong>de</strong>n acht Qualitäten<br />

<strong>de</strong>r Bewegung. »Du musst es begreifen und dann alles vergessen.«,<br />

hatte sein Lehrer ihm gesagt. Als Stephan Thoss dann<br />

später begann, eigene Stücke zu choreografieren, bestätigte sich<br />

das. Die erlernten Grundlagen beeinflussten unbewusst seine<br />

Raumvorstellung.


Fotostrecke links:<br />

Stephan Thoss bei Proben.<br />

Tanz-PORTRÄT<br />

Großes Foto: Aoi Nakamura<br />

und Zen Jefferson in<br />

»Es war einmal…«.<br />

22<br />

Als Stephan Thoss seinen Abschluss machte, gab es in <strong>de</strong>r damaligen<br />

DDR Choreografen, die bei <strong>de</strong>n Prüfungen zusahen und<br />

die jungen Absolventen direkt an ihre Theater holten. So hatte er<br />

sein erstes Engagement als Tänzer an <strong>de</strong>r Dresdner Semperoper.<br />

Schon mit 17 Jahren bekam er viele solistische Aufgaben, die ihn<br />

an seine körperlichen Grenzen führten. Später ging er als Tänzer<br />

an die Komische Oper in Berlin und fing an, auch eigene Stücke zu<br />

entwickeln. Als er das Angebot bekam, nach Dres<strong>de</strong>n zurückzukehren,<br />

tat er das unter <strong>de</strong>r Bedingung, selbst choreografieren<br />

und auch woan<strong>de</strong>rs Gastspiele geben zu dürfen. Ballettdirektor<br />

wollte er da noch nicht wer<strong>de</strong>n: »Das Unangenehmste, was<br />

ich mir vorstellen konnte, war jeman<strong>de</strong>m ins Gesicht zu sagen,<br />

dass seine Fähigkeiten nicht ausreichen, ihn enttäuschen zu<br />

müssen.« So wur<strong>de</strong> er zwar Hauschoreograf, hatte aber einen<br />

Ballettdirektor über sich, <strong>de</strong>r die Auswahl <strong>de</strong>r Tänzer vornahm.<br />

Da begriff Thoss, dass er eine gewisse Macht braucht, um sein<br />

wichtigstes Material als Choreograf zu schützen: seine Tänzer.<br />

Als sich wenig später die Möglichkeit bot, Ballettdirektor am<br />

Theater Kiel zu wer<strong>de</strong>n, zögerte er nicht mehr.<br />

Elf Tänzer nahm er aus Dres<strong>de</strong>n mit, als er 1998 nach Kiel ging.<br />

Das ist üblich, <strong>de</strong>nn wenn Choreografen an einem Theater neu<br />

anfangen, ist es hilfreich, wenn einige Tänzer ihre Arbeitsweise<br />

schon kennen. Diese Truppe war die Thoss TanzKompanie, mit <strong>de</strong>r<br />

er zuvor in <strong>de</strong>n Sommerpausen <strong>de</strong>r Dresdner Semperoper Gastspielreisen<br />

quer durch die Welt gemacht hatte: Sie zeigten seine<br />

Stücke in Italien, Finnland, Frankreich, <strong>de</strong>r Schweiz, in Brasilien,<br />

Indonesien, Thailand und <strong>de</strong>n USA.<br />

-----------------------------------------------<br />

»Du musst es begreifen und<br />

dann alles vergessen.«<br />

-----------------------------------------------<br />

Ab 2001 war Stephan Thoss einige Jahre Ballettdirektor <strong>de</strong>r<br />

Staatsoper Hannover. In fünf Spielzeiten entstan<strong>de</strong>n dort knapp 20<br />

neue Choreografien, eine ausgesprochen produktive Zeit unter<br />

sehr guten Bedingungen. Wenn <strong>de</strong>r Choreograf neue Stücke<br />

erarbeitet, lässt er sich dabei vor allem von <strong>de</strong>r Musik inspirieren.<br />

Er wünscht sich, dass man <strong>de</strong>n Tanz mehr wie Musik statt wie<br />

Oper und Schauspiel behan<strong>de</strong>lte – schließlich funktioniere er auch<br />

ähnlich, nämlich ohne Text. »Die Offenheit, die <strong>de</strong>r Musik zugesprochen<br />

wird, warum gilt die nicht auch für Bewegung?« Er<br />

hasst es, seine Stücke erklären zu müssen, mag es nicht, wenn<br />

<strong>de</strong>m Zuschauer Interpretationen vorgegeben wer<strong>de</strong>n: »Ich<br />

möchte nicht in ein Stück gehen, und darin dauernd springen<strong>de</strong><br />

Rehe sehen, nur weil die Einführung mir vorher von springen<strong>de</strong>n<br />

Rehen erzählt hat.« Aber gera<strong>de</strong> die Intendanten von<br />

Theatern wollen lieber einfache Geschichten, die <strong>de</strong>r Zuschauer<br />

kennt. Sie bauen darauf, dass ein »Dornröschen« o<strong>de</strong>r ein »Schwanensee«<br />

sich besser verkauft als ein Stück mit einem abstrakten<br />

Titel wie »in between«.<br />

Stephan Thoss musste einen Weg fin<strong>de</strong>n, sich in diesen Zwängen<br />

<strong>de</strong>s Theaterbetriebes treu zu bleiben. Er machte »Dornröschen«,<br />

aber die Geschichte war verän<strong>de</strong>rt. Er choreografierte eine<br />

»Giselle« (eines <strong>de</strong>r bekanntesten romantischen Handlungsballette),<br />

aber <strong>de</strong>r Stil war nicht klassisch son<strong>de</strong>rn sein eigener Stil.<br />

Gera<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m ist er erfolgreich: 2007 wur<strong>de</strong> seine »Giselle M.«<br />

am Ballett <strong>de</strong>s Theaters Chemnitz mit <strong>de</strong>m Deutschen Theaterpreis<br />

DER FAUST ausgezeichnet. Apropos Stil: Stephan Thoss<br />

bezweifelt <strong>de</strong>n Sinn all dieser Diskussionen über Stilrichtungen:<br />

ob klassisches Ballett o<strong>de</strong>r Ausdruckstanz, ob Graham- o<strong>de</strong>r<br />

Limón-Technik. Eigentlich, sagt er, arbeitet er stilfrei. Es geht ihm<br />

nicht darum, die eine Richtung in <strong>de</strong>n Himmel zu heben und die<br />

an<strong>de</strong>re zu verneinen. Dafür hat er durch seinen Lehrer Patricio<br />

zuviel über die elementaren Gemeinsamkeiten aller Bewegungsformen<br />

begriffen. Wahrscheinlich ist es gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb so aufregend,<br />

seine Stücke anzuschauen: Weil es soviel Verschie<strong>de</strong>nes zu<br />

ent<strong>de</strong>cken gibt.<br />

Mehr als 60 Stücke hat <strong>de</strong>r Choreograf bisher geschaffen. Wie<br />

bewahrt man die, zum Beispiel für Wie<strong>de</strong>raufnahmen? Schließlich<br />

gibt es im Tanz kein Textbuch o<strong>de</strong>r keine Partitur. Manche<br />

Choreografen haben während <strong>de</strong>r Proben immer die Kamera im<br />

Saal, weil sie sehr flüchtig arbeiten. Stephan Thoss hingegen hat<br />

ein gut funktionieren<strong>de</strong>s visuelles Gedächtnis. Er könnte von<br />

Produktionen, die Jahre her sind, je<strong>de</strong> Bewegung erinnern – für<br />

ihn selbstverständlich: »Das ist ja mein eigenes Werk, hinter je<strong>de</strong>r<br />

Sequenz liegt eine Entstehungsgeschichte. Die zu vergessen,<br />

wäre ja sträflich.« Zusätzlich macht er sich in <strong>de</strong>n Pausen Notizen,<br />

kleine Strichmännchen, sein ganz eigenes System.<br />

Zurzeit ist Stephan Thoss Ballettdirektor in Wiesba<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r<br />

nächsten Spielzeit wird er dort zum Beispiel »Blaubarts Geheimnisse«<br />

choreografieren (man sieht schon: <strong>de</strong>r Titel ist wie<strong>de</strong>r etwas<br />

zum um die Ecke <strong>de</strong>nken, angelehnt an die Oper »Herzog Blaubarts<br />

Burg« von Béla Bartók). Was er sonst noch für Pläne hat?<br />

Vielleicht mal eine Oper inszenieren, das hat bisher terminlich<br />

noch nicht geklappt.<br />

23


Alte junge bühne<br />

Moriz Seeler, <strong>de</strong>r Kopf <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong> mit Szenenbil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />

Inszenierung von »Exzesse«. Die Inszenierung von 1925 am Berliner<br />

Lessingtheater war <strong>de</strong>r Höhepunkt <strong>de</strong>r Skandalbühne.<br />

Links unten: die Rezension <strong>de</strong>s berühmten Kritikers Herbert Jhering.<br />

Links oben: <strong>de</strong>r Besetzungszettel zu »Vatermord« (1922), <strong>de</strong>r ersten<br />

Inszenierung <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong>.<br />

VON Holger Zebu Kluth<br />

------------------------------<br />

foto moriz seeler: persona verlag, lisette buchholz<br />

weitere fotos: archiv aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r künste<br />

24<br />

Eine ältere junge bühne<br />

In <strong>de</strong>n 1920er Jahren gab es in Berlin<br />

schon einmal eine »junge bühne«.<br />

Das war keine Zeitschrift, son<strong>de</strong>rn<br />

ein Theater... »Vom Gange her hörte er das Dröhnen <strong>de</strong>r Stimmen von <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bühne</strong>, ein zerhacktes Schreien lei<strong>de</strong>nschaftlicher Empörung,<br />

Schüsse, Röcheln, Wahnsinnsgebrüll – dazwischen Meckern,<br />

dämonisches Pfeifen und Höllengelächter«. So heißt es in Paul<br />

Gurks Roman »Berlin«, in <strong>de</strong>m ein reales Ereignis durch die Sicht<br />

<strong>de</strong>r Hauptfigur Eckenpenn beschrieben wird: die erste<br />

Premiere <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong> am 14. Mai 1922. Eckenpenn<br />

schleicht sich in die Aufführung, die gera<strong>de</strong> zu En<strong>de</strong> geht<br />

und sieht, was da passiert: »Der Kampf <strong>de</strong>s Sohnes gegen<br />

<strong>de</strong>n Vater, <strong>de</strong>s <strong>Junge</strong>n gegen das Alte, <strong>de</strong>s Wer<strong>de</strong>ns gegen<br />

das Gewor<strong>de</strong>ne, <strong>de</strong>s Unreifen gegen das Verwesen<strong>de</strong>.« Der<br />

Sohn macht sich über <strong>de</strong>n Vater lustig, spricht ihm je<strong>de</strong> Autorität<br />

ab und Peng!, da en<strong>de</strong>t die Aufführung mit <strong>de</strong>m Vatermord.<br />

Zuerst ruft nur jemand ein »Pfui« in die Stille. Dann setzt<br />

wüten<strong>de</strong>s Klatschen ein, die jungen Leute im Saal beginnen wild<br />

auf die Lehnen zu schlagen. Ein Pfiff gellt aus einem Schlüssel,<br />

ihm antwortet eine Kin<strong>de</strong>rtrompete, begleitet vom kunstvollen<br />

Heulen auf hohlen Fäusten. Unter taktmäßigem Schlagen wird ein<br />

Name herausgebrüllt, wohl <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Schriftstellers, dagegen erschallen<br />

Rufe »Gemeinheit«, »Frechheit«, »Anmaßung«. Es bil<strong>de</strong>n<br />

sich streiten<strong>de</strong> Gruppen. Eckenpenn fühlt sich plötzlich in eine<br />

ultraradikale Volksversammlung versetzt. Auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> erscheinen<br />

nun <strong>de</strong>r Regisseur, die Schauspieler und <strong>de</strong>r Autor, »ein<br />

blasser, blon<strong>de</strong>r Jüngling, <strong>de</strong>r sich ängstlich, mit scheuen, run<strong>de</strong>n<br />

Augengläsern auf <strong>de</strong>r Nase in das Rasen hinein verbeugt...«<br />

Nach<strong>de</strong>m die Menge nach einer halben Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Saal noch<br />

immer nicht verlässt, wird die Polizei gerufen, die das Theater mit<br />

sanfter Gewalt räumt. Und mit einem <strong>de</strong>r größten Theaterskandale<br />

<strong>de</strong>r 20er Jahre <strong>de</strong>s letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts hat die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong><br />

energisch ihren Fuß in die Tür <strong>de</strong>r Theatergeschichte gestellt. Die<br />

skandalöse Premiere machte Arnolt Bronnen, <strong>de</strong>n Autor <strong>de</strong>s<br />

Stückes »Vatermord« und die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong> auf einen Schlag<br />

bekannt. 38 Kritiken erschienen u.a. in Berlin, Zürich, Prag, Wien<br />

und München. Die wichtigsten Zeitungen schrieben über die<br />

Aufführung. Die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong> wur<strong>de</strong> ausnahmslos für ihren<br />

Mut und ihr Engagement für neue Dramatik gelobt.<br />

25


fotos: archiv aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r künste<br />

Alte junge bühne<br />

Fotos links: »Exzesse« von Arnold Bronnen: Szenenfoto zur Uraufführung,<br />

<strong>de</strong>r Autor, das Ensemble samt Moriz Seeler (mit Brille).<br />

Holger Zebu Kluth, <strong>de</strong>r Autor dieses Artikels, studierte in Berlin<br />

Germanistik und Theaterwissenschaft. Er schrieb seine Magisterarbeit<br />

über Moriz Seeler und die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong>. Kluth war<br />

Dramaturg am Berliner Hebbel-Theater und Künstlerischer<br />

Leiter <strong>de</strong>s Theater am Halleschen Ufer. Seit 2004 ist er Geschäftsführer<br />

<strong>de</strong>r Hamburger Kammerspiele, <strong>de</strong>s Altonaer<br />

Theaters und <strong>de</strong>s Harburger Theaters.<br />

„Dass aus quälen<strong>de</strong>n Klassikerlektionen wun<strong>de</strong>rbare<br />

Kulturblüten erwachsen können, hat Bodo Wartke bewiesen.<br />

14 Rollen vom Hirten über Iokaste bis zu Teiresias, meistert<br />

er klar abgegrenzt und mimisch überzeugend. So entsteht<br />

Hochkomik im Geiste <strong>de</strong>r Auf klärung, wie sie lei<strong>de</strong>r selten<br />

gewor<strong>de</strong>n ist.“ Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung<br />

26<br />

Der Grün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong> war Moriz Seeler,<br />

ein jüdischer Intellektueller, <strong>de</strong>r einige Jahre zuvor<br />

aus Greifenberg in Pommern nach Berlin gekommen<br />

war. Bei <strong>de</strong>r Premiere <strong>de</strong>s »Vatermord« war er gera<strong>de</strong> 26<br />

Jahre alt. »Einer <strong>de</strong>r vornehmsten Charaktere <strong>de</strong>r Berliner<br />

Bohème. Wenn man ihn an einem <strong>de</strong>r Marmortische <strong>de</strong>s Romanischen<br />

Cafés sitzen sah, in ein <strong>Bühne</strong>nmanuskript o<strong>de</strong>r in eine<br />

Theaterkritik vertieft, so konnte man glauben, hier halte <strong>de</strong>r Junior<br />

eines patrizischen Bankhauses seine Kaffeepause ab. Seeler aber<br />

hat niemals mit Geschäftsdingen etwas zu tun gehabt – es sei<br />

<strong>de</strong>nn, er ermöglichte einem jungen literarischen Genie <strong>de</strong>n <strong>Bühne</strong>nstart.<br />

Die Matineen <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong> waren berühmt. Er war<br />

<strong>de</strong>r Schrittmacher <strong>de</strong>r jungen Dramatik; ein nobler Mann mit<br />

einem sicheren Blick für die kommen<strong>de</strong>n jungen Dichter. Auch er,<br />

wie so viele <strong>de</strong>r besten Geister <strong>de</strong>r zwanziger Jahre, fiel <strong>de</strong>m<br />

Naziterror zum Opfer«, so beschreibt ihn ein Zeitgenosse.<br />

o<strong>de</strong>r die Hinterwäldler«, das dieser später selbst so<br />

schlecht fand, dass es als einziges keinen Eingang in<br />

seine Gesammelten Werke fand.<br />

Ihren Höhepunkt als Skandalbühne erreichte die <strong>Junge</strong><br />

<strong>Bühne</strong> mit <strong>de</strong>r Uraufführung von Arnolt Bronnens Drama<br />

»Exzesse«, einem »Lust-Spiel« in 13 Bil<strong>de</strong>rn. Um Arnolt Bronnen<br />

war schon vor dieser Uraufführung ein heftiger Streit entbrannt,<br />

da er mit <strong>de</strong>m Stück »Rheinische Rebellen« auch aus nationalen<br />

und national-rechten Kreisen Applaus einheimste und bereits<br />

seine politische Odyssee zu <strong>de</strong>n Nationalsozialisten begonnen<br />

hatte, die ihn bis in <strong>de</strong>n Kreis um <strong>de</strong>n späteren Reichspropagandaminister<br />

Joseph Goebbels führen sollte. Die »Exzesse« selbst<br />

waren ein Frühwerk, unpolitisch, sexuell aufgela<strong>de</strong>n, exzessiv<br />

und <strong>de</strong>r Skandal war somit vorprogrammiert. Er kulminierte in<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Ohrfeige Seelers für einen kommunistischen<br />

Dramaturgen, <strong>de</strong>r die Aufführung von Beginn an mit<br />

--------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Moriz Seeler war <strong>de</strong>r Schrittmacher <strong>de</strong>r jungen Dramatik; ein nobler Mann<br />

mit einem sicheren Blick für die kommen<strong>de</strong>n jungen Dichter.<br />

--------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Der Kreis <strong>de</strong>r Mitstreiter <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong> rekrutierte sich aus<br />

jungen Schauspielern (wie Elisabeth Bergner o<strong>de</strong>r Agnes Straub),<br />

Autoren und Regisseuren, die nach einer Möglichkeit suchten,<br />

jenseits <strong>de</strong>s arrivierten Theaterbetriebes ihr Talent unter Beweis<br />

zu stellen und aus schon arrivierten Künstlern, die ihr Engagement<br />

und ihr Interesse am Theaterschaffen <strong>de</strong>s Nachwuchses zur<br />

<strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong> brachte. In diesem Sinne war die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong><br />

sicher auch eine <strong>de</strong>r ersten Freien Gruppen, wie sie heute<br />

ein völlig normaler Bestandteil <strong>de</strong>r Theaterlandschaft sind. Auch<br />

insofern, als sie kein Theatergebäu<strong>de</strong> fest bespielte, ähnelte sie<br />

einem Freien Theater.<br />

In <strong>de</strong>n fünf Jahren ihres Bestehens brachte die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong><br />

insgesamt elf Produktionen an <strong>de</strong>n wichtigsten Theatern Berlins<br />

heraus, u.a. im Theater am Schiffbauerdamm (heute: Berliner Ensemble),<br />

<strong>de</strong>m Theater in <strong>de</strong>r Königgrätzer Straße (Hebbel-Theater), <strong>de</strong>m<br />

Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (Konzerthaus Berlin) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

im Krieg zerstörten Lessingtheater. Neben Arnolt Bronnens »Vatermord«<br />

gibt man als weitere historische Uraufführungen Bertolt<br />

Brechts »Baal« und Marieluise Fleißers »Fegefeuer in Ingolstadt«, ein<br />

Wild-West-Drama von Carl Zuckmayer mit Namen »Pankraz erwacht<br />

einer Pfeife störte und hatte ein wochenlanges publizistisches<br />

Nachspiel. Allein 103 Zeitungsbeiträge sind heute noch zu <strong>de</strong>n<br />

»Exzessen« zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Der Treffpunkt <strong>de</strong>r Mitwirken<strong>de</strong>n war das Romanische Café an<br />

<strong>de</strong>r heutigen Gedächtniskirche im Berliner Westen. Es war ein<br />

Treffpunkt <strong>de</strong>r Berliner Bohème, ein Haifischbecken <strong>de</strong>r<br />

Kunstwelt <strong>de</strong>r 20er Jahre. Die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong> war von Beginn an als<br />

Experimentierstudio gedacht, das versuchte, die Autoren und<br />

Stücke <strong>de</strong>s ausgehen<strong>de</strong>n Expressionismus innerhalb <strong>de</strong>s bürgerlichen<br />

Geschäftstheaterbetriebes durchzusetzen. Die Matineen,<br />

zum Teil als Geschlossene Vorstellungen konzipiert, bei <strong>de</strong>nen je<strong>de</strong>r<br />

Zuschauer eine Erklärung unterschreiben musste, dass er auf die<br />

möglicherweise verwerflichen Inhalte hingewiesen wor<strong>de</strong>n sei,<br />

waren vorwiegend an die Berliner Theaterschaffen<strong>de</strong>n gerichtet.<br />

Der Versuch Seelers, <strong>de</strong>n Aufführungen ein Publikum zu verschaffen,<br />

das <strong>de</strong>n neuen Produktionen aufgeschlossen gegenüber<br />

stand und selbst Einfluss in Theaterkreisen hatte, brachte es mit<br />

sich, dass Seeler mit <strong>de</strong>m Theater kaum etwas einnahm, so dass<br />

die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong> und ihr Leiter Moriz Seeler eigentlich immer<br />

pleite waren.<br />

Und was wollte die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong> erreichen? Sie war nicht als<br />

Karrierenetzwerk gedacht, son<strong>de</strong>rn war ein radikaler Versuch,<br />

das Theater künstlerisch zu verän<strong>de</strong>rn. Das, was unter<br />

<strong>de</strong>m Begriff Schwarzer Expressionismus als Beschreibung <strong>de</strong>r<br />

Stücke, die die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong> aufführte, zusammengefasst<br />

wird, ist ein Angriff auf die künstlerischen »Väter«. Vier Jahre<br />

nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 1. Weltkrieges fand sich die Jugend vor einem<br />

moralischen Trümmerhaufen. Die »Alten« hatten ausgedient.<br />

Die jungen Dichter waren hart, zynisch, materialistisch – hätte<br />

es Punk damals schon gegeben, sie wären Punks gewesen.<br />

Brecht hatte noch nicht zum Kommunismus gefun<strong>de</strong>n, sein<br />

»Baal« ist ein zynisches, unmoralisches Monster; Arnolt<br />

Bronnen, <strong>de</strong>r später mit <strong>de</strong>m Nationalsozialismus kokettierte,<br />

war ein Radikaler, Anarchist, <strong>de</strong>r »Richard« von Hans Henny<br />

Jahnn fand sich reduziert auf Greuel, Exzesse und Gewalt – so<br />

sahen die jungen Dichter die Welt, in die sie hineinwuchsen<br />

und trafen somit genau das Lebensgefühl ihrer Zeitgenossen,<br />

die wie beim »Vatermord« einem Popkonzert gleich <strong>de</strong>n<br />

gewaltsamen Tod <strong>de</strong>r alten Generation bejubelten. Die »<strong>Junge</strong><br />

<strong>Bühne</strong>« traf genau <strong>de</strong>n Zeitgeist <strong>de</strong>r jungen Nachkriegsgeneration<br />

<strong>de</strong>s 1.Weltkrieges...<br />

Moriz Seeler blieb auch weiterhin ein Ent<strong>de</strong>cker und<br />

Wegbereiter für junge Ausnahmetalente. Nach <strong>de</strong>r Machtübernahme<br />

<strong>de</strong>r Nationalsozialisten wer<strong>de</strong>n Zeugnisse von<br />

ihm jedoch sehr spärlich. Als Ju<strong>de</strong> war ihm je<strong>de</strong> Tätigkeit am<br />

Theater untersagt. Vermutlich war er als »heimlicher Dramaturg«<br />

(Arnolt Bronnen) ab 1935 am Theater am Kurfürstendamm<br />

unter seiner Intendantin Agnes Straub tätig, die eine<br />

treue Freundin aus Zeiten <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n <strong>Bühne</strong> war.<br />

Seeler gelang die Flucht aus Deutschland nicht. Anfang<br />

1942 traf <strong>de</strong>r Schriftsteller August Schlotis auf Seeler, <strong>de</strong>r<br />

nunmehr illegal in Berlin lebte: »Als ich ihn unerwartet anre<strong>de</strong>te,<br />

erschrak er erst, erkannte mich nicht gleich, erhob sich<br />

<strong>de</strong>mütig, schaute linkisch hin, erwartungsvoll und menschenscheu,<br />

wie ein streunen<strong>de</strong>r, verprügelter Hund«, erinnert sich<br />

Schlotis. Wenige Tage später versteckt Schlotis Seeler für einige<br />

Nächte, <strong>de</strong>r dann über die holländische Grenze flüchten will.<br />

Ebenfalls 1942 traf auch <strong>de</strong>r Schauspieler Rudolf Fernau noch<br />

einmal auf Seeler. »Jemand hat mich heimlich versteckt«,<br />

flüsterte Seeler, »aber morgen fahre ich mit einem falschen<br />

Pass ins Ausland. Wünschen Sie mir Glück«. Er lächelte<br />

krampfhaft, lüftete seine Melone und verschwand im Dunkeln.<br />

Kurze Zeit danach, am 15.8.1942 wur<strong>de</strong> Moriz Seeler<br />

gefangen genommen und mit <strong>de</strong>m 18. Osttransport vom<br />

Bahnhof Grunewald ins jüdische Ghetto nach Riga verschleppt,<br />

wo er vermutlich umgekommen ist.<br />

K ö n i g<br />

Ö D I P U S<br />

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Regie: Sven Schütze<br />

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Eine Ol<strong>de</strong>nburger Schülerin schrieb für die<br />

junge bühne ein Tagebuch ihrer Begegnungen<br />

mit <strong>de</strong>m Staatstheater Ol<strong>de</strong>nburg in <strong>de</strong>r<br />

vergangenen Spielzeit<br />

Meine Spielzeit<br />

29<br />

28Meine Spielzeit<br />

Marie Jelenka Kirchner, die Autorin dieses Artikels, ist 17 Jahre alt und geht in Ol<strong>de</strong>nburg zur<br />

Schule. Sie arbeitet intensiv in <strong>de</strong>r örtlichen Amnesty International Jugendgruppe und schreibt<br />

kurze o<strong>de</strong>r längere Geschichten. Ihre Interessen sind – neben Menschenrechten und Literatur –<br />

Politik, Musik, Freun<strong>de</strong> und natürlich das Theater. http://mariejelenka.jimdo.com<br />

Wolfgang<br />

Ama<strong>de</strong>us Mozarts<br />

Oper »Don Giovanni«<br />

am Staatstheater<br />

Ol<strong>de</strong>nburg.<br />

alle fotos dieses artikels: andreas j. etter


Von Marie Jelenka Kirchner<br />

------------------------------------<br />

Meine Spielzeit<br />

Das <strong>Bühne</strong>nbild. Das Erste, was man sieht, wenn man in <strong>de</strong>n<br />

stuckverzierten Aufführungssaal spaziert und sich vorfreudig auf<br />

einen <strong>de</strong>r samtgepolsterten Theatersessel fallen lässt. Ja, das<br />

<strong>Bühne</strong>nbild. Mal so pink wie – nein pinker als das schülervz<br />

(»Madama Butterfly«). An einem an<strong>de</strong>ren Abend verführt Don<br />

Giovanni in und um einen großen weißen Setzkasten – in <strong>de</strong>r<br />

Regionalzeitung treffend als »Billyregal in groß« bezeichnet – einen<br />

Haufen attraktiver Frauen. In »La Fête« tänzeln die Darsteller<br />

um große lila Sofas. Auf <strong>de</strong>r Stairway to Heaven bzw. <strong>de</strong>r breiten<br />

weißen Treppe zur »Welt auf <strong>de</strong>m Mond« stehen plötzlich alle<br />

Schauspieler in Unterwäsche da. Weiß, vielleicht Schiesser. Aber<br />

regelmäßige Theaterbesucher schockt das nicht. Die Bässe kriegt<br />

man in annähernd je<strong>de</strong>r Oper am Staatstheater Ol<strong>de</strong>nburg<br />

in Schlüpfern zu sehen. Nun ja, das mag Ansichtssache sein.<br />

Immerhin können die vollschlanken Bässe am Staatstheater ihren<br />

Resonanzkörper gut einsetzen, sprich großartig singen.<br />

auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> einer osteuropäischen Haushaltsgehilfin in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Nachkriegszeit ihr Kind genommen wird, im Hintergrund<br />

auf einer Leinwand sich gegenseitig Ratten zerfleischen<br />

(»Die Ratten«). Während die verzweifelte »Alice im Wun<strong>de</strong>rland«<br />

weint und weint und weint, füllt sich ein Leinwandgarten mit<br />

Wasser – die <strong>Bühne</strong> bleibt trocken und das im Durchschnitt<br />

achtjährige Publikum fragte nur: »Hä?«<br />

Beson<strong>de</strong>rs interessant ist auch die Tatsache, dass ein Liebesnest<br />

stets durch pinke und rote Luftballons treffend gekennzeichnet<br />

wird. Doch viel interessanter ist, was sich hinter diesem<br />

müßig um Mo<strong>de</strong>rne besorgten <strong>Bühne</strong>nbild verbirgt. Denn während<br />

auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> alles bunt, hell (es sei <strong>de</strong>nn das Licht wird<br />

nicht eingeschaltet – siehe unten) und glatt scheint, verläuft es<br />

hinter <strong>de</strong>n Kulissen nicht immer so gradlinig. Auch be<strong>de</strong>utete in<br />

dieser Spielzeit ein Strauß roter Luftballons nicht automatisch ein<br />

Liebesnest – manchmal sogar das genaue Gegenteil.<br />

--------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Gut, dass ich beim Theater nur liebe, was heraus kommt und<br />

ich mich nicht um die Finanzierung kümmern muss.<br />

--------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

31<br />

30<br />

Doch auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> ist mehr zu sehen als fast nichts o<strong>de</strong>r nur ein<br />

großer sparsam möblierter Kasten, je<strong>de</strong>nfalls gelegentlich. Beispielsweise<br />

wur<strong>de</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s vorletzten Jahrhun<strong>de</strong>rts etwas ganz<br />

Wun<strong>de</strong>rbares entwickelt, das Film genannt wird. Fin<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>nfalls<br />

die Inszenierer in Ol<strong>de</strong>nburg. Das hat zur Folge, dass, während<br />

So war <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>r Spielzeit für die Intendanz am Staatstheater<br />

mit Stress verbun<strong>de</strong>n. Ausgehend von ver.di streikten mehrere<br />

Wochen lang knapp zwei Drittel <strong>de</strong>r Theaterangestellten hinter<br />

<strong>de</strong>n Kulissen dafür, dass in einem neu abzuschließen<strong>de</strong>n Tarifvertrag<br />

gleiches wie im alten Tarifvertrag, <strong>de</strong>r bis 2009 gültig war,<br />

steht, im Expliziten ging es um Zulagen für ungünstige Arbeitszeiten<br />

und Zusatzurlaub. Das begann am 24. August 2009 und<br />

en<strong>de</strong>te im Oktober 2009. Sprich, die erste Hälfte <strong>de</strong>r Spielzeit<br />

09/10 war geprägt durch fehlen<strong>de</strong> Schnei<strong>de</strong>rInnen, Beleuchter und<br />

MitarbeiterInnen <strong>de</strong>r Werkstätten. Und hin und wie<strong>de</strong>r war niemand<br />

da, <strong>de</strong>r die Scheinwerfer betätigen konnte, sodass das<br />

Publikum sich fragte, welche aufgehen<strong>de</strong> Sonne Cio-Cio San<br />

(»Madama Butterfly«) besang.<br />

Mehrere Wochen hielten die Streiken<strong>de</strong>n rote ver.di-Plakate<br />

vor Vorstellungsbeginn in die Höhe und sammelten mit Petitionen<br />

Unterschriften. Doch auf was wirkt sich ein solcher Streik<br />

beson<strong>de</strong>rs aus? So etwas gehe an erster Stelle auf die Qualität am<br />

Theater. Da trete dann ein Chor einfach mal nur in schwarz auf,<br />

erklärt eine <strong>de</strong>r streiken<strong>de</strong>n Requisiteurinnen im Gespräch. Und<br />

die innere Ruhe <strong>de</strong>r Schauspielerinnen und Schauspieler lei<strong>de</strong><br />

stark unter <strong>de</strong>m Streik. Weil die Intendanz versucht, Arbeitskräftemangel<br />

durch Fremdpersonal auszugleichen, fehlt das oft seit<br />

Jahren eingespielte Team.<br />

Wie ironisch, dass in dieser Spielzeit das Stück »Der nackte<br />

Wahnsinn« aufgeführt wird. Ein Theaterstück, in <strong>de</strong>m während <strong>de</strong>r<br />

Aufführung rein gar nichts klappt, und sage und schreibe <strong>de</strong>r<br />

nackte Wahnsinn ausbricht. Vor und hinter <strong>de</strong>n Kulissen. Da bricht<br />

eine Tür entzwei, die Handtaschen verschwin<strong>de</strong>n und, und, und…<br />

Zwar mussten keine Stücke ausfallen, doch eine geplante Wie<strong>de</strong>raufnahme<br />

wur<strong>de</strong> abgesagt. Noch vor einigen Jahren hat es prunkvolle<br />

<strong>Bühne</strong>nbil<strong>de</strong>r gegeben und beispielsweise »echte Wäl<strong>de</strong>r«.<br />

Ol<strong>de</strong>nburger Ballonszenen<br />

aus »Don Giovanni« (links) und<br />

»Madama Butterfly« (rechts).


32<br />

Meine Spielzeit<br />

Szene aus »Condor Unlimited«<br />

in <strong>de</strong>r Ol<strong>de</strong>nburger Exerzierhalle<br />

(mit Hanka Schmidt).<br />

Inzwischen wird eine neue, an<strong>de</strong>re, aber auf eine Art sicherlich<br />

reizvolle Linie, gefahren. Während im »Sommernachtstraum«<br />

vor ein paar Jahren unter mächtigen Bäumen hindurch geirrt<br />

wur<strong>de</strong>, fin<strong>de</strong>t »Schneewitte« die Zwergenhütte inzwischen<br />

umgeben von grünen, kunstvoll gebogenen, Metallstangen.<br />

Dynamisch tritt auch <strong>de</strong>r 36-jährige Intendant Markus Müller<br />

auf, <strong>de</strong>ssen schwarze Rollkragenpullover optimal zu <strong>de</strong>r »neuen«<br />

schlichten Linie <strong>de</strong>s Staatstheaters passen. Doch ein bisschen<br />

Mo<strong>de</strong>rne ist ja auch keinesfalls schlecht. Nur passt es manchmal<br />

einfach nicht und wirkt dann schnell zu gewollt. Beispielsweise<br />

wenn die Hochzeitsgäste einer 15-jährigen Braut im Kontext von<br />

Imperialismus und Menschenhan<strong>de</strong>l saufend vor einem<br />

Flatscreen grölten und das Kind eben dieser jungen Frau ein<br />

Barack-Obama-Shirt trägt (»Madama Butterfly«). O<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r<br />

Onkel von König Ödipus im Alt-68er-Style »Here comes the sun«<br />

trällert, während sein Neffe sich rachelüstern durch die wasserstoffblon<strong>de</strong>n<br />

schulterlangen Haare fährt. Ich sehe mir gerne<br />

mo<strong>de</strong>rn inszenierte Stücke an – doch auch in <strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnsten<br />

Stücken muss sich nach meinem Geschmack nicht min<strong>de</strong>stens ein<br />

Darsteller pro Szene ausziehen und dann alle halbe Stun<strong>de</strong> einmal<br />

markerschütternd brüllen, im Sinne von: »Huhu – wenn Sie schon<br />

eingeschlafen sind, dann wachen Sie jetzt bitte wie<strong>de</strong>r auf!«<br />

Das Problem liege nicht nur am Theater an sich, son<strong>de</strong>rn<br />

auch am Publikum, meint <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>ntechniker, mit <strong>de</strong>m ich<br />

beim Streik ins Gespräch kam, und wagt sich an einen Witz:<br />

»Was ist 14 Meter lang und hat zwei Zähne? – Die erste Reihe<br />

im Theater bei gefülltem Haus«. Natürlich heißt das nicht,<br />

dass sich partout kein Jugendlicher im Theater blicken<br />

lässt, doch sie dominieren auch keineswegs. Das Staatstheater<br />

versucht mit locken<strong>de</strong>n Angeboten (alle Schülerinnen und<br />

Schüler <strong>de</strong>r 11. Klasse bekommen alle Restkarten kostenlos)<br />

uns in die weichen roten Sessel zu bekommen.<br />

Umfragen bei Gleichaltrigen zum Staatstheater haben<br />

ergeben, was sich bei mir im Laufe <strong>de</strong>r vergangenen Spielzeit<br />

ebenfalls verfestigt hat: Mo<strong>de</strong>rne im Theater sei schon was<br />

»Cooles« und knallbunte Farbe o<strong>de</strong>r »Sex« auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> gäben<br />

<strong>de</strong>m Ganzen mehr Pfiff, nur muss die Balance gewahrt wer<strong>de</strong>n.<br />

Abschließend kann nun gesagt wer<strong>de</strong>n, dass ich – so sehr<br />

ich unser Theater liebe – etwas enttäuscht wur<strong>de</strong>. Ich war sehr<br />

erwartungsvoll in diese Spielzeit gegangen und war zunächst<br />

von <strong>de</strong>m Streik etwas überrollt wor<strong>de</strong>n. Das war ein Moment,<br />

da dachte ich zunächst noch nur »Aha. So ist das also alles«.<br />

Meine Sympathie galt <strong>de</strong>n Streiken<strong>de</strong>n. Es wird in <strong>de</strong>r Theaterlandschaft<br />

über finanzielle Probleme gejammert – das alte<br />

Lied, das sich heutzutage durch so viele Bereiche zieht. Doch<br />

meiner Meinung nach sind auch fehlen<strong>de</strong> Subventionierung,<br />

die Finanzkrise und durchwachsene Zuschauerzahlen keine<br />

Entschuldigung dafür, an Qualität zu sparen und statt<strong>de</strong>ssen<br />

möglichst viele, dafür aber schlechter ausgestattete Stücke zu<br />

zeigen. Vielleicht muss ich aber auch sagen: »Gut, dass ich<br />

beim Theater nur liebe, was heraus kommt, und ich mich<br />

nicht um die Finanzierung kümmern muss.«<br />

Doch – und das nun wirklich zum En<strong>de</strong> – auch wenn es<br />

mir oft vorkam, als wenn ich in einem kleinen Provinztheater<br />

säße, liebe ich einige Singstimmen. Einige Tänzerinnen und<br />

Tänzer. Einige Schauspielerinnen und Schauspieler. Und einige<br />

Stücke. Und noch hat das Staatstheater Ol<strong>de</strong>nburg nicht seinen<br />

Charme verloren.<br />

10/11<br />

Premieren<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

18.09.10 Ballhof Eins<br />

LittLe Boy – Big taifoon<br />

(europäische erstaufführung)<br />

Hisashi Inoue, Regie: Marc Prätsch<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die Schauspielfreun<strong>de</strong> (GFS)<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

18.–26.09.10 Ballhofplatz<br />

repuBLik freies WendLand –<br />

reaktiviert Ein soziotheatrales Experiment<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die Kulturstiftung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

19.09.10 Ballhof zwEi<br />

crux o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r heiLand unterm Bett<br />

(uraufführung) Anne Jentsch, Regie: Martin Baierlein<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die Nie<strong>de</strong>rsächsische Lottostiftung<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

24.10.10 Ballhof Eins<br />

neverLand (uraufführung)<br />

Popmärchenrecherche mit Jugendlichen aus Hannover<br />

Regie: Robert Lehniger. Kooperationspartner: enercity<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

07.01.11 Ballhof Eins<br />

kristus – monster of münster<br />

(uraufführung)<br />

Robert Schnei<strong>de</strong>r / Mirko Borscht, Regie: Mirko Borscht<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

11.02.11 Ballhof Eins<br />

cLavigo Johann Wolfgang von Goethe, Regie: Florian Fiedler<br />

Geför<strong>de</strong>rt durch die Sparkasse Hannover<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

26.02.11 Ballhof zwEi<br />

unternehmen hunger<br />

Hans-Werner Kroesinger, Regie: Hans-Werner Kroesinger<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

15.04.11 Ballhof Eins<br />

<strong>de</strong>portation cast (uraufführung)<br />

Björn Bicker, Regie: Marc Prätsch<br />

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

Karten unter (0511) 9999 1111 . infos unter (0511) 9999 2855


Städtische <strong>Bühne</strong>n Münster<br />

Spielzeit 2010|2011<br />

Intendanz Wolfgang Quetes<br />

Musiktheater<br />

Richard Wagner: Der fliegen<strong>de</strong> Hollän<strong>de</strong>r<br />

Leoš Janáček: Katja Kabanowa<br />

Johann Strauß: Die Fle<strong>de</strong>rmaus<br />

Francis Poulenc: Gespräche <strong>de</strong>r Karmeliterinnen –<br />

Die Letzte am Schafott<br />

Giuseppe Verdi: Nabucco<br />

Hans Werner Henze: Die englische Katze<br />

Schauspiel<br />

Joseph Roth: Hiob<br />

Ulla Lachauer: Paradiesstraße<br />

Aischylos/Peter Handke: Prometheus, gefesselt<br />

Harald Müller: Totenfloß<br />

»Ich wan<strong>de</strong>re durch Theresienstadt«<br />

Lie<strong>de</strong>r und Texte aus Terezín<br />

Gottfried Greifenhagen/Franz Wittenbrink:<br />

Die Comedian Harmonists<br />

John Buchan/Alfred Hitchcock: Die 39 Stufen<br />

Johann Wolfgang Goethe: Iphigenie auf Tauris<br />

Tom Lanoye: Atropa. Die Rache <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns<br />

Georg Büchner/Robert Wilson/<br />

Tom Waits/Kathleen Brennan: Woyzeck<br />

Jan Neumann: Fundament<br />

William Shakespeare: König Lear<br />

Michael Frayn: Der nackte Wahnsinn<br />

Anton Čechov: Onkel Vanja<br />

Friedrich Schiller: Don Carlos (WA)<br />

Konrad Hansen: De Lüü van’n Lehmpott<br />

Tanztheater<br />

Mark Sieczkarek: Common tones<br />

Daniel Goldin: Dichter. Liebe<br />

Daniel Goldin: Neues Stück (Arbeitstitel)<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheater<br />

Lars Norén: 20. November<br />

Susann Oberacker/Inken Rahardt:<br />

Jojo und das Geheimnis <strong>de</strong>r Oper<br />

Benjamin Britten: Noahs Flut<br />

Prasqual: Moses muss singen<br />

Gerdt von Bassewitz: Peterchens Mondfahrt<br />

Umsteigen – SpurweXel 2010<br />

Ein Kooperationsprojekt zu<br />

I<strong>de</strong>ntität und Urbanität<br />

Bruno Stori/Tonino Guerra: Die große<br />

Erzählung – Die Odyssee in einer Stun<strong>de</strong><br />

Wilfried Hiller: Das Traumfresserchen<br />

Neubrückenstraße 63 | 48143 Münster | Kasse 0251.5909-100 | www.stadttheater.muenster.<strong>de</strong>


INDIEN<br />

Das Nrityagram Dance Ensemble<br />

(vor <strong>de</strong>m Foto eines indischen<br />

Turbanträgers).<br />

Kontinental<br />

43<br />

42<br />

EINE REISE NACH INDIEN.<br />

Begegnungen mit<br />

<strong>de</strong>m indischen Theater<br />

<strong>de</strong>r Gegenwart.<br />

an<strong>de</strong>rs<br />

Andrea Gronemeyer, die Autorin dieses Textes,<br />

wur<strong>de</strong> 1962 im Emsland geboren. Seit <strong>de</strong>m Jahr 2002<br />

ist sie Direktorin <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>r- und Jugendtheaters<br />

am Nationaltheater Mannheim, <strong>de</strong>s Schnawwl.<br />

Seit 2006 leitet sie gemeinsam mit <strong>de</strong>m Operndirektor<br />

auch die <strong>Junge</strong> Oper am Nationaltheater.<br />

Sie arbeitet auch als Regisseurin und hat zahlreiche<br />

Bücher veröffentlicht.<br />

foto: nan melville


Zwei Tänzerinnen <strong>de</strong>s<br />

Nrityagram Dance Ensembles.<br />

Zum dritten Mal reise ich im Februar 2010 in <strong>de</strong>n südindischen Staat Karnataka. Inzwischen mit weniger klopfen<strong>de</strong>m Herzen als<br />

beim ersten Mal, vier Jahre zuvor, aber voll Vorfreu<strong>de</strong> und Konzentration auf das, was ich in <strong>de</strong>n nächsten zwei Wochen erreichen<br />

will: Schauspieler engagieren aus <strong>de</strong>m Pool <strong>de</strong>r Freelancer am »Ranga Shankara«, unserem Partnertheater in Bangalore,<br />

mit <strong>de</strong>m wir eine Koproduktion planen. Außer<strong>de</strong>m will ich möglichst viel über die aktuelle Theaterpraxis Südindiens lernen.<br />

INDIEN<br />

Von Andrea Gronemeyer<br />

--------------------------------<br />

44<br />

foto: nan melville<br />

Nirgendwo auf <strong>de</strong>r Welt habe ich mich bisher so fremd gefühlt<br />

wie in Indien, keine Kultur hat mich so fasziniert und neugierig<br />

gemacht. Aber ich habe auch schon ein paar Basics gelernt: zum<br />

Beispiel die Grundregeln <strong>de</strong>r Kommunikation mit <strong>de</strong>n höflichen<br />

und zurückhalten<strong>de</strong>n indischen Kollegen. Die acht Arten <strong>de</strong>s<br />

freundlich bis skeptischen Kopfwackelns, das alle Gespräche<br />

begleitet, sind mir kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Ich versuche<br />

gut zuzuhören und zwischen <strong>de</strong>n Zeilen zu lesen. Es ist wichtig zu<br />

spüren, wann ein Ja eigentlich ein Nein ist und zu wissen, wann ein<br />

Insistieren nicht nur unhöflich son<strong>de</strong>rn schlicht sinnlos wäre. Ich<br />

erkenne inzwischen, was bei einem südindischen Mittagsmenue,<br />

<strong>de</strong>m Thali, auf meinem Bananenblatt liegt, kann anständig mit <strong>de</strong>n<br />

Fingern essen und weiß, dass die Verwendung <strong>de</strong>r linken Hand<br />

dabei absolut tabu ist. Ich habe gelernt, meine Vorstellungen von<br />

Zeitmanagement und Effizienz nicht mehr für normal zu halten<br />

und gelegentlich darauf zu vertrauen, dass es auch an<strong>de</strong>re Wege<br />

zum gemeinsamen Ziel geben kann als meine. Vor allem übe ich<br />

mich darin, mich durch <strong>de</strong>n Dschungel einer indischen Großstadt<br />

zu bewegen, Straßen zu überqueren, ohne mich vom halsbrecherischen<br />

Fahrstil <strong>de</strong>r In<strong>de</strong>r einschüchtern zu lassen.<br />

Orientierung in dieser frem<strong>de</strong>n Welt, das ist immer noch eine<br />

große Herausfor<strong>de</strong>rung und das erste was mir zu Indien einfällt,<br />

wenn mich Freun<strong>de</strong> in Deutschland nach meinen Eindrücken<br />

fragen, ist tatsächlich das Bild einer Straße in Bangalore. Die<br />

Heimat unseres Partnertheaters ist eine wirtschaftliche Boom-<br />

Town, bekannt auch als Silicon Valley Indiens, <strong>de</strong>ren Einwohnerzahl<br />

sich während <strong>de</strong>r letzten Jahrzehnte etwa verdreifacht hat auf<br />

neun Millionen. Dementsprechend fahren auf <strong>de</strong>n riesigen Straßen<br />

dicke Limousinen neben Eselskarren, überfüllten Autobussen und<br />

einer Unzahl von Motorrikschas und Motorrollern, auf <strong>de</strong>nen<br />

Waren transportiert wer<strong>de</strong>n. Dazwischen schleppt ein Familienvater<br />

seinen Umzugskarren mit allerlei Hausrat und <strong>de</strong>r ganzen<br />

Familie oben drauf mit eigener Muskelkraft hinter sich her, während<br />

zahlreiche Radfahrer und Fußgänger <strong>de</strong>n oft nur im Schritttempo<br />

vorankommen<strong>de</strong>n Autoinsassen Waren und Dienstleistungen<br />

anbieten. Und nicht selten trotten auch noch freilaufen<strong>de</strong><br />

heilige Kühe und manchmal sogar ein Elefant unbeeindruckt<br />

durch <strong>de</strong>n tosen<strong>de</strong>n Lärm aus knattern<strong>de</strong>n Zweitaktmotoren und<br />

dauern<strong>de</strong>m Gehupe. In Indien, so mein Eindruck, ist alles, was die<br />

Welt heute ausmacht, gleichzeitig und auf engstem Raum zu<br />

bestaunen. Aberwitziger Luxus und bittere Armut, hochentwickelte<br />

Technik und traditionelle Arbeitsweisen, hierarchisches<br />

Miteinan<strong>de</strong>r und Individualisierung nach westlichem Vorbild.<br />

Und obwohl sich Indien rasant wie kaum ein an<strong>de</strong>res Land auf<br />

<strong>de</strong>r Welt verän<strong>de</strong>rt, scheint es – bei allen Bemühungen, <strong>de</strong>n<br />

Westen wirtschaftlich einzuholen – die eigene Kultur entschie<strong>de</strong>n<br />

gegen die Vereinnahmung und Vereinheitlichung nach europäischamerikanischem<br />

Muster zu verteidigen. So sind zum Beispiel<br />

ausländische Markennamen be<strong>de</strong>utungslos und die westliche<br />

Mo<strong>de</strong> ist weit davon entfernt, <strong>de</strong>n Sari als das bevorzugte Kleidungsstück<br />

indischer Frauen zu ersetzen. Westlicher Fastfood setzt<br />

sich ebenso wenig durch wie Hollywood, <strong>de</strong>ssen Filme noch nie<br />

mehr als 5 Prozent <strong>de</strong>s indischen Filmmarktes besetzten. Filmemacher,<br />

Schriftsteller und Theaterkünstler <strong>de</strong>s postkolonialen Indien<br />

haben die Herausfor<strong>de</strong>rung angenommen, ein neues indisches<br />

Selbstverständnis zu entwickeln. Sie suchen nach einer kulturellen<br />

I<strong>de</strong>ntität, die nicht auf Mo<strong>de</strong>llen <strong>de</strong>s Westens beruht, son<strong>de</strong>rn auf<br />

<strong>de</strong>n eigenen Wurzeln, <strong>de</strong>n Geschichten, Traditionen und Formensprachen<br />

sowie <strong>de</strong>n spezifischen Erfahrungen <strong>de</strong>r Menschen.<br />

-----------------------------------------------<br />

Ich habe gelernt, meine Vorstellungen von<br />

Zeitmanagement und Effizienz nicht mehr<br />

für »normal« zu halten ...<br />

-----------------------------------------------<br />

Meine Expedition in die indische Theaterwelt soll mich zunächst<br />

einmal mit einem Stück <strong>de</strong>r großen indischen Tradition bekannt<br />

machen und beginnt mit einer Aufführung <strong>de</strong>r klassischen südindischen<br />

Volkstheaterform Yakshagana. Es gibt kein <strong>Bühne</strong>nbild, <strong>de</strong>n<br />

Hintergrund bil<strong>de</strong>t eine Gruppe Musiker, Trommeln, Harmonium<br />

und Gesang. Nach und nach treten die Akteure auf, in farbenprächtigen<br />

Kostümen, großem Kopfputz und mit aufwändiger<br />

Gesichtsbemalung. Sie zeigen eine Episo<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m alten indischen<br />

Epos »Mahabharatha«: Es geht um die Tapferkeit eines<br />

Kin<strong>de</strong>rkriegers, <strong>de</strong>r alle möglichen Fein<strong>de</strong> besiegt, bis er letztlich<br />

<strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>ntod für die Ehre seiner Familie stirbt. In einer Mischung<br />

aus Tanz und Drama spielen die Darsteller mit großen Gesten<br />

und stilisierten Bewegungen Götter, Hel<strong>de</strong>n und schöne<br />

Frauen, kämpfen, lei<strong>de</strong>n und sterben. Sie <strong>de</strong>klamieren <strong>de</strong>n Text<br />

ohne erkennbare Zwischentöne in einem ausrufen<strong>de</strong>n Gestus. Die<br />

zahlreichen Kämpfe wer<strong>de</strong>n durch stilisierte akrobatische<br />

Sprünge und atemberauben<strong>de</strong> Pirouetten dargestellt, für die<br />

es Szenenapplaus gibt wie bei einer Eistanzshow. Im Yakshagana<br />

wer<strong>de</strong>n seit jeher auch die Frauenfiguren von Männern gespielt,<br />

bei <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Truppe Saligrama Makkala Mela han<strong>de</strong>lt es<br />

sich freilich um Knaben zwischen acht und 15 Jahren. Das Kin<strong>de</strong>r-<br />

Yakshagana erfreut sich heute beson<strong>de</strong>rer Popularität und seine<br />

min<strong>de</strong>rjährigen Darsteller, die die Spielform ab <strong>de</strong>m fünften.<br />

Lebensjahr trainieren, gelten nicht als Laien, son<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n als<br />

Profis verehrt. Das Publikum begeistert sich vor allem für <strong>de</strong>n<br />

jüngsten Darsteller <strong>de</strong>r Truppe. Der älteste, <strong>de</strong>r – wie ich später<br />

erfahre – die Truppe bald verlassen muss, quittiert diese Bevorzu-<br />

45


foto: tobias metz<br />

links: Der Schauspieler<br />

Shrunga B.V.<br />

rechts: Schulkin<strong>de</strong>r nach<br />

einem Theaterbesuch.<br />

foto: sofia stepf<br />

Wer mehr zum Thema »Indien« wissen<br />

will, kann im Internet lesen, wie <strong>de</strong>r<br />

indischer Schauspieler Shrunga B.V.<br />

die <strong>de</strong>utsche Theaterwelt erlebt:<br />

www.die-junge-buehne.<strong>de</strong><br />

unter »Text <strong>de</strong>s Monats Juli 2010«.<br />

INDIEN<br />

Die Partnerschaft <strong>de</strong>r Theater Schnawwl<br />

und Ranga Shankara ist dokumentiert auf:<br />

www.schnawwlrangashankara.blogspot.com<br />

<strong>Junge</strong>s<br />

Staatstheater<br />

Premieren 2010/2011<br />

26.09.2010 | Uraufführung<br />

Was ich vergessen habe<br />

von Edward van <strong>de</strong> Ven<strong>de</strong>l<br />

Regie: Sebastian Wirnitzer<br />

27.10.2010 | <strong>Junge</strong> Oper<br />

Das Tagebuch <strong>de</strong>r Anne Frank<br />

von Grigori Frid<br />

Musikal. Ltg.: Burkhard Bauche<br />

Regie: Rebekka Stanzel<br />

46<br />

gung mit <strong>de</strong>monstrativem Missmut. Über weite Strecken <strong>de</strong>s<br />

langen Abends genieße ich die exotische Folklore, die sich mir<br />

darbietet. Doch die steifen Kostüme, die puppenhaften Darsteller<br />

und das nach spätestens einer Stun<strong>de</strong> eher stereotyp wirken<strong>de</strong><br />

Bewegungsrepertoire distanziert mich von <strong>de</strong>r Geschichte, das<br />

ganze Unternehmen kommt mir vor wie ein kunstgewerblicher<br />

Zirkus. Was mag nur das indische Publikum so sehr begeistern?<br />

Vielleicht, so <strong>de</strong>nke ich mir, erlebe ich einfach nur, wie sich kulturelle<br />

I<strong>de</strong>ntität über die I<strong>de</strong>ntifikation mit Tradition und virtuosem<br />

Handwerk herstellt.<br />

Bevor ich in die Versuchung komme, dieses Theatererlebnis für<br />

typisch indisch zu halten, bestaune ich am nächsten Abend auf<br />

<strong>de</strong>rselben <strong>Bühne</strong> das absolute Kontrastprogramm: Ibsens »Hedda<br />

Gabler« in einer englischsprachigen Inszenierung, wie ich sie<br />

genauso gut in einem Londoner Fringe Theater o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r<br />

Studiobühne eines <strong>de</strong>utschen Stadttheaters sehen könnte. Nein,<br />

vielleicht doch nicht, <strong>de</strong>nn sie kommt dafür beinahe zu »werktreu«<br />

daher. Das historistische Kostüm verortet das Drama im Europa<br />

<strong>de</strong>s späten 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts Ibsens. Die Inszenierung <strong>de</strong>s jungen<br />

Regisseurs Rehaan Engineer kommt mit sparsamen Gesten aus und<br />

konzentriert sich ganz auf die hintergründigen Dialoge. Im differenzierten<br />

psychologischen Spiel <strong>de</strong>r Schauspieler entfaltet sich die<br />

komplexe Tragödie einer intelligenten und lei<strong>de</strong>nschaftlichen Frau,<br />

die unter <strong>de</strong>m begrenzten Aktionsradius einer Frau <strong>de</strong>r gehobenen<br />

Mittelklasse ihrer Zeit lei<strong>de</strong>t. Weil sie keinen Mut hat, ihr eigenes<br />

Schicksal in die Hand zu nehmen, maßt sie sich Macht über das<br />

Schicksal eines an<strong>de</strong>ren Menschen an und treibt mit unglaublicher<br />

Zerstörungswut <strong>de</strong>n ehemaligen Geliebten und sich selbst in einen<br />

sinnlosen Untergang. Auch wenn die bildnerischen und inszenatorischen<br />

Mittel <strong>de</strong>r Inszenierung mir eher pragmatisch gewählt und<br />

auch ein wenig nichtssagend erscheinen, gelingt es <strong>de</strong>n Schauspielern<br />

mit einer spannungsvollen Dialogführung doch, eine Geschichte<br />

zu erzählen, die mir unter die Haut geht. Das Publikum<br />

reagiert im Vergleich zum Vorabend verhalten, viele haben in <strong>de</strong>r<br />

Pause gelangweilt und vielleicht auch irritiert <strong>de</strong>n Saal verlassen,<br />

an<strong>de</strong>re freilich äußern sich nach <strong>de</strong>r Vorstellung enthusiastisch<br />

über die Ernsthaftigkeit <strong>de</strong>s Abends und die außergewöhnliche<br />

Schauspielkunst <strong>de</strong>r bekannten indischen Filmschauspielerin<br />

Sheeba Chaddha in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Hedda Gabler. Wir fragen uns, ob<br />

sich hier für das urbane indische Publikum Parallelen auftun zur<br />

schizophrenen Situation <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen gebil<strong>de</strong>ten In<strong>de</strong>rin, die in<br />

<strong>de</strong>r Geschäftswelt selbstverständlich ihren Mann steht, sich in <strong>de</strong>r<br />

Familie jedoch immer noch in einer traditionellen Rolle gefangen<br />

sieht. So könnte man diesen Theaterabend als Versuch interpretieren,<br />

eine brisante Problematik <strong>de</strong>r Gegenwart im verfrem<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Spiegel einer fernen Kultur, die die eigene freilich stark beeinflusst<br />

hat, zu analysieren.<br />

-----------------------------------------------<br />

Ich bin zutiefst berührt von <strong>de</strong>r Schönheit<br />

<strong>de</strong>s Tanzes und <strong>de</strong>r Intensität <strong>de</strong>r Empfindungen,<br />

die sich in ihm spiegeln.<br />

-----------------------------------------------<br />

Noch habe ich nicht das Gefühl, <strong>de</strong>m mo<strong>de</strong>rnen indischen Theater<br />

begegnet zu sein. Wo sind sie die fortschrittlichen Künstler,<br />

die indische Avantgar<strong>de</strong>, die jenseits von kunstgewerblicher<br />

Musealität und Adaption westlicher Theaterkunst nach neuen<br />

Wegen suchen? Eine etwa zweistündige Autoreise führt uns 35<br />

km aus Bangalore hinaus zum idyllischen Künstlerdorf Nrityagram.<br />

Es ist ein Gurukul, eine Schule, in <strong>de</strong>r Schülerinnen und<br />

Lehrerinnen zusammenleben, um sich ganz <strong>de</strong>r Tanzkunst zu<br />

weihen. Erforscht und gelehrt wird hier unter an<strong>de</strong>rem die<br />

klassische indische Tanztheaterform Odissi, die in ihren<br />

Ursprüngen auf das 2. Jhdt. v. Chr. zurückgeht. Gemeinsam mit<br />

an<strong>de</strong>ren indischen Touristen, die das Dorf besuchen, dürfen wir<br />

<strong>de</strong>n Tänzerinnen beim Proben eines Programmes zuschauen, mit<br />

<strong>de</strong>r sie kurz darauf auf eine Amerikatournee aufbrechen<br />

sollen. Während <strong>de</strong>r ersten 15 Minuten nehme ich kaum<br />

etwas an<strong>de</strong>res wahr als <strong>de</strong>n überraschen<strong>de</strong>n Kontrast<br />

zwischen <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, die die jungen Frauen beim Tanzen<br />

ausstrahlen, und <strong>de</strong>r Anstrengung, die sich bei je<strong>de</strong>r Unterbrechung<br />

auf Gesichter und Körper malt. Ich staune, wie die<br />

in Schweiß geba<strong>de</strong>ten Tänzerinnen sich so leichtfüßig unter<br />

<strong>de</strong>n Stoffmassen ihrer Saris bewegen können. Dann ziehen<br />

mich die wun<strong>de</strong>rschönen Bewegungen zum Rhythmus von<br />

Trommeln immer mehr in <strong>de</strong>n Bann. Ich könnte noch Stun<strong>de</strong>n<br />

zuschauen, wie die stampfen<strong>de</strong>n Füße <strong>de</strong>r Tänzerinnen<br />

mit ihren Schellenbän<strong>de</strong>rn zu Instrumenten wer<strong>de</strong>n, während<br />

Körper, Arme, Hän<strong>de</strong>, Finger, Gesichter und Augen <strong>de</strong>r<br />

Tänzerinnen von Liebessehnsucht, Liebeserfüllung und<br />

Liebesschmerz erzählen. Ich wun<strong>de</strong>re mich, weil es mir<br />

plötzlich vorkommt, als könne ich verstehen, wovon die<br />

Tänzerinnen in ihrer poetischen Körpersprache erzählen.<br />

Ich bin zutiefst berührt von <strong>de</strong>r Schönheit <strong>de</strong>s Tanzes<br />

und <strong>de</strong>r Intensität <strong>de</strong>r Empfindungen, die sich in ihm<br />

spiegeln. Später erfahre ich, dass die heutige Praxis <strong>de</strong>s<br />

uralten Odissi nicht auf lebendiger Überlieferung beruht.<br />

Erst seit etwa 60 Jahren wird diese Tanztheaterform aus <strong>de</strong>m<br />

Studium von Steinskulpturen und Schriften wie<strong>de</strong>r rekonstruiert.<br />

Vielleicht liegt hier <strong>de</strong>r Schlüssel, warum mich<br />

dieser Tanz so viel mehr begeistert als das folkloristische<br />

Yakshagana. Während mich <strong>de</strong>ssen Prunk und ausgestellte-<br />

Virtuosität kalt gelassen haben, erlebe ich bei <strong>de</strong>n Odissi-<br />

Tänzerinnen ein Streben nach höchster äußerlicher Präzision,<br />

mit <strong>de</strong>m auch innere Wahrhaftigkeit einhergeht. Vielleicht<br />

liegt dies daran, dass die Tänzerinnen die Tradition<br />

nicht einfach nur reproduzieren, son<strong>de</strong>rn sie im Vorgang <strong>de</strong>r<br />

Rekonstruktion auch interpretieren und mit neuem Sinn<br />

füllen müssen. Die Zeit während <strong>de</strong>r Probe vergeht wie im<br />

Fluge. Am En<strong>de</strong> küssen die Schülerinnen ihren Lehrerinnen<br />

die Füße wie es Brauch ist zwischen Guru und Schüler. Auch<br />

06.11.2010<br />

Pünktchen und Anton<br />

von Erich Kästner<br />

Regie: Robin Telfer<br />

12.02.2011<br />

Anfangen, anfangen!<br />

Theater für Zuschauer ab 2<br />

von Barbara Kölling<br />

Regie: Barbara Kölling<br />

17.02.2011<br />

Der zerbrochene Schlüssel<br />

von Bente Jonker<br />

Regie: Ulrike Hatzer<br />

01.04.2011 | Uraufführung<br />

Hotel Braunschweig<br />

von Juliane Kann. Auftragswerk<br />

Regie: Volker Schmidt<br />

03.05.2011 | <strong>Junge</strong>r Tanz<br />

Springinsfeld!<br />

von Wilfried van Poppel<br />

Choreografie: Wilfried van Poppel<br />

27.05.2011<br />

Schlachthof 5<br />

von Kurt Vonnegut<br />

Regie: Carlos Manuel<br />

www.staatstheater-braunschweig.<strong>de</strong><br />

Karten: (0531) 1234-567


SPIELZEIT 2010|11<br />

JUNGES THEATER FREIBURG<br />

JUNGES<br />

STAATS<br />

THEATER<br />

fotos: privat<br />

IN UNSERER ZUKUNFT<br />

WERDEN WIR LEBEN!<br />

Bil<strong>de</strong>r vom<br />

Atemworkshop<br />

von Veenapani<br />

Chawla.<br />

foto: fotograf<br />

DER GEWISSENLOSE MÖRDER 11+<br />

Von Henning Mankell<br />

Hasse Karlsson enthüllt die entsetzliche<br />

Wahrheit, wie die Frau über <strong>de</strong>r<br />

Eisenbahnbrücke zu To<strong>de</strong> gekommen ist.<br />

REGIE: Isabel Osthues<br />

PREMIERE: 12. SEPTEMBER 2010, STUDIO<br />

DIE SCHNEEKÖNIGIN 5+<br />

Nach <strong>de</strong>m Märchen von<br />

Hans Christian An<strong>de</strong>rsen<br />

REGIE: Oliver Wronka und Stefan Schletter<br />

PREMIERE: 14. NOVEMBER 2010,<br />

GROSSES HAUS<br />

ERSTE STUNDE 13+<br />

von Jörg Menke-Peitzmeyer<br />

Ein mobiles Klassenzimmer-Stück<br />

REGIE: Stefan Schletter<br />

ANMELDUNG UND INFORMATIONEN:<br />

m.friedrich@staatstheater–wiesba<strong>de</strong>n.<strong>de</strong><br />

Tel. 0611/132 240<br />

URAUFFÜHRUNG: DIE GLÜCKSFEE 3+<br />

nach <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>rbuch von Cornelia Funke<br />

REGIE: Oliver Wronka<br />

PREMIERE: 20. FEBRUAR 2011, STUDIOR<br />

DER SATANARCHÄOLÜGENIALKOHÖLLISCHE<br />

WUNSCHPUNSCH 7+<br />

von Michael En<strong>de</strong><br />

REGIE: Christian Bron<strong>de</strong>r<br />

PREMIERE: 13. MÄRZ 2011, STUDIO<br />

URAUFFÜHRUNG: HIDE & SEEK 13+<br />

von Esther Rölz<br />

REGIE: Stefan Schletter<br />

PREMIERE ZUR ERÖFFNUNG DER<br />

JUNGEN WOCHE: 1. MAI 2011, STUDIO<br />

LEITUNG: Stefan Schletter und Oliver Wronka<br />

INTENDANT: Manfred Beilharz<br />

Information und Kartenvorverkauf:<br />

0611/132 325 und 0611/30 1000<br />

www.staatstheater-wiesba<strong>de</strong>n.<strong>de</strong><br />

ich bin dankbar, weil ich ein wenig mehr davon verstan<strong>de</strong>n habe, wie aus <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rbelebung<br />

einer alten Form etwas äußerst Gegenwärtiges und Wahres entstehen kann.<br />

Eine ganz ähnliche Erfahrung erwartet mich in einem Forschungszentrum <strong>de</strong>r Darstellen<strong>de</strong>n<br />

Künste, <strong>de</strong>m Lebens- und Arbeitscampus <strong>de</strong>r Experimentaltheatergruppe Adhishakti nahe<br />

<strong>de</strong>r Stadt Pondicherry im Nachbarstaat Tamil Nadu. Unter <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>r Theaterlehrerin<br />

und Regisseurin Veenapani Chawla hat man sich hier ganz <strong>de</strong>m Studium traditioneller Theaterformen<br />

und -techniken verschrieben. Man will die alten Künste für ein gegenwärtiges<br />

Theater fruchtbar machen und weiterentwickeln, um <strong>de</strong>m postkolonialen Indien in <strong>de</strong>r<br />

globalisierten Welt ein eigenes kulturelles Profil zu geben. Auch die neuen Texte, die Veenapani<br />

Chawla für das Theater schreibt, sind heutige Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit Geschichten<br />

aus <strong>de</strong>n tradierten Geschichten <strong>de</strong>r Myhten »Ramayana« und »Mahabharata«. Statt einer<br />

Aufführung sehen wir eine kommentierte Arbeits<strong>de</strong>monstration <strong>de</strong>s Schauspielers Vinay<br />

Kumar. Veenapani erläutert uns Herkunft und Zweck zahlreicher Körper-, Atem- und Rhythmusübungen,<br />

die die Basis ihrer Inszenierungen bil<strong>de</strong>n. Ich bin fasziniert von <strong>de</strong>r Intensität<br />

<strong>de</strong>s spielerischen Ausdrucks, <strong>de</strong>n Vinay unmittelbar erreicht. Seine Figurenentwicklung ist<br />

expressiv körperlich, die Darstellung wirkt auf mich archaisch und zugleich gera<strong>de</strong>zu<br />

erregend lebendig. Er leuchtet von innen, ich kann meine Augen nicht von ihm lassen und<br />

lausche fasziniert <strong>de</strong>n differenzierten Farben seiner Stimme. Ausgangspunkt für Veenapanis<br />

Körperarbeit ist die tänzerische Kampfkunst Kalaripayattu, die ein vielseitiges<br />

Repertoire aus Bewegungsfolgen und Positionen bereitstellt, <strong>de</strong>ren Vorbil<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Tierreich<br />

entlehnt sind, wie die Regisseurin erläutert. Ich erkenne ohne Schwierigkeiten einen<br />

drehen<strong>de</strong>n Fisch, einen springen<strong>de</strong>n Hirschen, einen Löwen, ein Pferd, die Schlange und <strong>de</strong>n<br />

Frosch. Aneinan<strong>de</strong>rgereiht ergeben die Positionen einen rasanten Kampftanz aus dynamisch<br />

fließen<strong>de</strong>n Bewegungssequenzen, Drehungen und hohen Sprüngen. Sie erzählen von <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nen Phasen von Annäherung, Auseinan<strong>de</strong>rsetzung und Kampf. Seit 18 Jahren<br />

arbeitet Vinay bei Veenapani und trat als Protagonist in <strong>de</strong>n weltweit erfolgreichen Produktionen<br />

<strong>de</strong>r Truppe auf. Es ist bezeichnend für die Ernsthaftigkeit ihrer Theaterarbeit, dass sie<br />

wenig Interesse an weiteren Auslandsgastspielen haben, son<strong>de</strong>rn sich vor allem auf ihre<br />

künstlerische Weiterentwicklung konzentrieren wollen. Tatsächlich sind sie auch in ihrer Heimat<br />

erfolgreich genug, um sich <strong>de</strong>n Luxus sehr langer Produktionszeiten – ein Jahr pro neuer<br />

Inszenierung – und weiterer intensiver Forschungsarbeit leisten können. Im Garten <strong>de</strong>s<br />

Campus bewun<strong>de</strong>re ich die Baustelle eines Schwimmbeckens, von <strong>de</strong>ssen Einsatz in <strong>de</strong>r<br />

Probenarbeit sich Veenapani eine ganz neue Qualität für die Stimmarbeit verspricht.<br />

Meine letzte Begegnung mit südindischen Theaterkünstlern führt mich in das Attakkalari<br />

Centre for Movements Arts. Während Veenapani die klassischen Körpertheatertechniken<br />

als Ausgangsmaterial für eine sehr archaisch anmuten<strong>de</strong> Schauspielkunst nutzt, konfrontiert<br />

Jayachandran Palazhy seine Choreografien mit einem neuen künstlerischen Kontext aus<br />

technischen Medien. Aus <strong>de</strong>m Dialog mit Vi<strong>de</strong>okunst, Licht und Raum kreiert er eine neue<br />

Bewegungssprache, die er als gegenwärtigen indischen Ausdruck für die zeitgenössische<br />

Realität versteht. Es ist eine große Herausfor<strong>de</strong>rung in einem Land hochentwickelter<br />

traditioneller Tanzstile wie Bharatanatyam (<strong>de</strong>m klassichen indischen Tempeltanz), Odissi<br />

und Kalaripayattuu eine neue Tanzsprache zu suchen, die sich auch vom mo<strong>de</strong>rn dance<br />

westlicher Prägung unterschei<strong>de</strong>t. Es freut mich, dass ich bereits mit meinen geringen<br />

Kenntnissen <strong>de</strong>s indischen Tanztheaters das klassische Bewegungsvokabular ausmachen<br />

kann, das <strong>de</strong>n faszinierend neuartigen Choreografien Jaychandrans zu Grun<strong>de</strong> liegt. In<br />

Bangalore dürfen wir seine junge Kompanie bei ihrer Vorbereitung auf ein Europagastspiel<br />

beobachten. Wir sehen die nackten Choreografien ohne musikalische Begleitung, Licht,<br />

Kostüme und <strong>Bühne</strong>nbild – aber nichts scheint zu fehlen. Die Aufführung <strong>de</strong>s Stückes<br />

»Chronotopia« erleben wir dann wenige Wochen später in Frankfurt und sind erneut<br />

überrascht. Zum zeitgenössischen indischen Tanz im interaktiven <strong>Bühne</strong>nbild eines US-<br />

Amerikaners hören wir die Musik eines Franzosen. Die Vi<strong>de</strong>okunst eines Deutschen und<br />

das expressive Licht<strong>de</strong>sign eines Dänen machen die Veranstaltung zu einem wahrhaft<br />

multimedialen Kunstwerk <strong>de</strong>r Gegenwart.<br />

------------------------------------------------------------------<br />

Sie scheuen we<strong>de</strong>r große Emotionen noch große Gesten.<br />

------------------------------------------------------------------<br />

Diese vielseitigen Eindrücke aus <strong>de</strong>m zeitgenössischen indischen Theater flankieren während<br />

<strong>de</strong>r zwei Wochen unseres Aufenthaltes meine Suche nach Schauspielern für unsere<br />

Koproduktion. Ich sehe <strong>de</strong>n Stil, in <strong>de</strong>m die jungen Darsteller ihre Rollen präsentieren, in<br />

einem neuen Licht. Alle stellen in ihrem Vortrag die Expressivität <strong>de</strong>s Körpers und <strong>de</strong>r<br />

Mimik in <strong>de</strong>n Mittelpunkt. Sie agieren mit Lei<strong>de</strong>nschaft und scheuen we<strong>de</strong>r große Emotionen<br />

noch große Gesten. Bei einer Audition in Deutschland hätte ich diese wahrscheinlich<br />

als übertrieben und pathetisch wahrgenommen. In Indien erkenne ich darin nun ein an<strong>de</strong>res<br />

Theaterverständnis, einen eigenen Sinn. Ich sehe es als eine Herausfor<strong>de</strong>rung für mich als<br />

Regisseurin, <strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n Qualität <strong>de</strong>r indischen Kollegen in unserer Koproduktion Raum<br />

zu geben. Ich bin neugierig auf die Begegnung meines Mannheimer Ensembles mit Pallavi,<br />

Shrunga und Kirthana aus Bangalore, die sich am En<strong>de</strong> meiner aufregen<strong>de</strong>n Expedition ins<br />

zeitgenössische indische Theaterleben mit mir gemeinsam auf die Zusammenarbeit in<br />

Mannheim und Bangalore freuen.<br />

KOMA<br />

von V. Schmidt und G. Staudacher<br />

Jugendstück mit Schülern & Lehrern<br />

SCHWARZWALD-<br />

MÄDEL RELOADED<br />

Musiktheaterprojekt mit Schülern<br />

MYSPACE<br />

INVADERS<br />

Rollenspiele mit Online-I<strong>de</strong>ntitäten<br />

SEX<br />

Theaterprojekt<br />

von und mit Jugendlichen<br />

... und 25 weitere Projekte unter:<br />

www.theater.freiburg.<strong>de</strong>/jungestheater


AFRIKA<br />

RUBRIK<br />

Von Afrika lernen<br />

51<br />

Christoph Schlingensief<br />

in seiner letzten Produktion:<br />

»Via Intolleranza II«.<br />

foto: aino laberenz<br />

Im August 2010 starb <strong>de</strong>r Regisseur und Medienkünstler Christoph<br />

Schlingensief im Alter von 49 Jahren. Er hatte an einer Krebserkrankung<br />

gelitten und diese seit längerem in seinen Kunstwerken radikal persönlich<br />

und unverkrampft zum Thema gemacht. Als kranker und <strong>de</strong>nnoch<br />

lebenslustiger Mensch verfolgte er seit Anfang 2009 mit großer Lei<strong>de</strong>nschaft<br />

ein eigentlich verrücktes Projekt: ein Festspielhaus in Afrika.<br />

In <strong>de</strong>r Nähe von Ougadougou im westafrikanischen Staat Burkina Faso<br />

wollte Schlingensief ein Kulturzentrum errichten. Auch nach seinem<br />

Tod wird das Projekt eines afrikanischen Festspielhauses<br />

weiterverfolgt. Das Operndorf Remdoogo besteht aus mehreren<br />

kleinen Modulen, die sich kreisförmig um einen zentralen Platz<br />

herum aufbauen. Im Kern dieser Anlage steht eine <strong>Bühne</strong> mit<br />

ca. 500 Zuschauerplätzen, die für Vorstellungen und Veranstaltungen<br />

jeglicher Art genutzt wer<strong>de</strong>n kann. Aber auch eine Schule<br />

mit Film- und Musikklasse, eine Krankenstation, ein selbst geführtes<br />

Restaurant, Künstlerwerkstätten und ein digitales Archiv<br />

sollen dazu gehören. Entworfen hat <strong>de</strong>n Bau, mit <strong>de</strong>m im Januar<br />

2010 begonnen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r aus Burkina Faso stammen<strong>de</strong> Architekt<br />

Francis Kéré.<br />

Schlingensief sah das Projekt nicht als künstlerische Form <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungshilfe, son<strong>de</strong>rn hoffte ganz im Gegenteil, dass Europa<br />

von Afrika lernen wird.<br />

Mehr Informationen fin<strong>de</strong>n sich unter: www.schlingensief.com<br />

Dort könnt ihr auch das Postkartenbuch (Foto links) zum Operndorf<br />

bestellen. Es zeigt Impressionen aus Burkina Faso, fotografiert von<br />

Kin<strong>de</strong>rn zwischen 5 und 11 Jahren. Wenn ihr das Buch kauft, unterstützt<br />

ihr damit direkt das erste Afrikanische Operndorf.<br />

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Regie | Grundlagen <strong>de</strong>r Spielleitung in Theater und theaterpädagogischer Praxis | 24. - 26. September 2010<br />

Leitung: Thomas Lang<br />

Körperliche Präsenz und darstellerische Ausdruckskraft | 15. - 17. Oktober 2010 | Leitung: David Jeker<br />

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RUBRIK<br />

RUBRIK china<br />

Matthias Renger, <strong>de</strong>r Autor dieses Beitrags, wur<strong>de</strong> 1985<br />

in Meerbusch geboren. Er studiert an <strong>de</strong>r Bayerischen<br />

Theateraka<strong>de</strong>mie August Everding Schauspiel (und ist<br />

stu<strong>de</strong>ntischer Sprecher seines Schauspieljahrganges). Im<br />

Herbst 2010 tritt Matthias Renger zum Absolventenvorsprechen<br />

an. Seit 2006 spielt er parallel zum Studium in<br />

diversen Produktionen auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> und vor <strong>de</strong>r<br />

Kamera. Er arbeitet auch als Sprecher in Hörspielen, bei<br />

Filmsynchronisation und in Lesungen.<br />

53<br />

Von Matthias reNGer<br />

----------------------------<br />

foto: thomas koch<br />

52<br />

Mittwoch, 4. November 2009, wir sitzen im Flugzeug nach Shanghai. Seit Monaten<br />

hatten wir spekuliert, ob dieses Gastspiel wirklich stattfin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn es waren<br />

etliche organisatorische und finanzielle Hür<strong>de</strong>n zu überwin<strong>de</strong>n. Das Goethe-Institut,<br />

das Kunstministerium <strong>de</strong>s Freistaats Bayern und das Kulturreferat <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shauptstadt<br />

München halfen uns maßgeblich bei <strong>de</strong>r Überwindung dieser Hür<strong>de</strong>n. Und nun<br />

war erst vor wenigen Wochen aus Spekulation feste Zusage gewor<strong>de</strong>n – wenige<br />

Wochen, die wie Minuten vergingen, weil Semesterbeginn, Filmworkshop, Wie<strong>de</strong>raufnahme<br />

von Dogville und Man<strong>de</strong>rlay im Münchener Metropol-Theater und nicht<br />

zuletzt die Vorfreu<strong>de</strong> auf Shanghai wie Zeitraffer wirkten.<br />

Nun sitzen wir plötzlich im Flugzeug und <strong>de</strong>r Captain sagt, dass<br />

sich <strong>de</strong>r Start wegen technischer Probleme verzögert. Kein Grund,<br />

hysterisch zu wer<strong>de</strong>n, aber manche von uns sind noch nie geflogen,<br />

kennen solche Durchsagen nur aus Katastrophenfilmen und<br />

beruhigen sich erst nach <strong>de</strong>m Start wie<strong>de</strong>r. Wir schlafen wenig,<br />

schauen »Transformers«, »Coco Chanel« o<strong>de</strong>r »Die Entführung<br />

<strong>de</strong>r Pelham 123« an und fangen jetzt erst langsam an, zu begreifen,<br />

dass wir in ein paar Stun<strong>de</strong>n in China sind.<br />

Donnerstagnachmittag, die Fahrt vom Flughafen zum Hotel<br />

dauert so lang, dass wir die monströse Dimension dieser Stadt<br />

erstmals erahnen können. Im Bus sagt unsere Dolmetscherin, dass<br />

vielleicht Szenen in unserer »Dogville«-Inszenierung zensiert<br />

wer<strong>de</strong>n müssen. Wir sind erstaunt, <strong>de</strong>nn die Chinesen hatten<br />

eigentlich eine DVD <strong>de</strong>s Stücks erhalten und hätten uns das vor<br />

<strong>de</strong>r Reise schon mitteilen können. Jetzt sind wir einmal hier, jetzt<br />

können wir uns schlecht weigern zu spielen, wenn wir zensiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Doch genau das wer<strong>de</strong>n wir tun, wenn wir sonst tatsächlich<br />

ganze Szenen aus diesem Stück komplett weglassen müssen.


Vorige Seite und links u. rechts: Bil<strong>de</strong>r vom gemeinsamen Workshop mit Stu<strong>de</strong>nten<br />

<strong>de</strong>r Bayerischen Theateraka<strong>de</strong>mie und <strong>de</strong>r Theateraka<strong>de</strong>mie Shanghai.<br />

RUBRIK china<br />

foto: thomas koch<br />

foto: thomas koch<br />

55<br />

---------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Im Publikum sitzen zwei Beauftragte <strong>de</strong>r Zensurbehör<strong>de</strong>, die ebenfalls ständig<br />

telefonieren, um zu klären, was an unserem Stück zensiert wer<strong>de</strong>n muss.<br />

---------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Links: Eine Szene aus »Dogville«,<br />

<strong>de</strong>m Gastspiel <strong>de</strong>r Bayerischen<br />

Theateraka<strong>de</strong>mie in Shanghai.<br />

54<br />

Unser Hotel ist ein Wolkenkratzer – wie scheinbar alle Gebäu<strong>de</strong> in<br />

Shanghai – mit 342 Zimmern. Wir fühlen uns wohl, haben aber<br />

sowieso nicht vor, viel Zeit darin zu verbringen. Der erste Abend<br />

wird gleich sehr lang, wir fin<strong>de</strong>n eine Bar in Fußnähe, in <strong>de</strong>r extra<br />

für uns Rammstein aufgelegt wird (auch wenn keiner von uns<br />

Rammstein-Fan ist – es ist <strong>de</strong>utsch!) und wir Billard spielen<br />

können. Hier kommen wir noch öfter hin.<br />

Die Stimmung ist großartig, zum Glück ist unsere Gruppe sehr<br />

harmonisch. Außer uns fünf Jungs und fünf Mä<strong>de</strong>ls aus <strong>de</strong>m<br />

dritten Jahrgang <strong>de</strong>r Theateraka<strong>de</strong>mie gehören dazu: Jochen Schölch,<br />

Leiter <strong>de</strong>s Studiengangs Schauspiel und Regisseur unseres Stücks,<br />

Veronika Jabinger, seine Assistentin, Thomas Koch, <strong>de</strong>r übrigens das<br />

Gastspiel inklusive Finanzierung organisiert hat, in <strong>de</strong>r Direktion<br />

<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für Kommunikation und Internationale Beziehungen<br />

zuständig. Außer<strong>de</strong>m Friedrich Rauchbauer, Gesangsdozent<br />

<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie und Begleiter am Harmonium in Lars von Triers<br />

»Dogville«, und das eingespielte Team <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>ntechniker:<br />

Christof Schaaf, technischer Direktor <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie und Peter Platz,<br />

Light<strong>de</strong>signer und Domagoj Maslov, Inspizient <strong>de</strong>r Produktion.<br />

Auch einige Vertreter <strong>de</strong>r Presse sind mit uns gereist, um von<br />

diesem ungewöhnlichen Gastspiel zu berichten.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>m 6. November, fin<strong>de</strong>t nach einem Besuch <strong>de</strong>r<br />

französischen Konzession Shanghais (ehemals von Franzosen<br />

besetztes Stadtviertel mit vielen Gärten und Villen) die erste<br />

Probe auf unserer <strong>Bühne</strong> statt: im Grand Theatre <strong>de</strong>r Shanghai<br />

Theatre Aca<strong>de</strong>my. Platz für 900 Zuschauer, vor so vielen haben wir<br />

noch nie gespielt! Die Probe ist eine Katastrophe, ständig re<strong>de</strong>n<br />

lautstark im Hintergrund Chinesen, <strong>de</strong>ren Job uns unklar bleibt,<br />

sie telefonieren, reagieren kaum auf unsere Hinweise, dass wir<br />

Ruhe brauchen und irgendwo piept während <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r<br />

Probe ein Gerät, das piepen muss, sonst geht das Licht nicht, wie<br />

man uns sagt. Im Publikum sitzen zwei Beauftragte <strong>de</strong>r Zensurbehör<strong>de</strong>,<br />

die ebenfalls ständig telefonieren, um zu klären, was an<br />

unserem Stück zensiert wer<strong>de</strong>n muss. Wir halten uns einfach an<br />

<strong>de</strong>n Plan: in <strong>de</strong>r heutigen und morgigen Probe, wenn die Zensurleute<br />

zuschauen, spielen wir die heiklen Stellen gedämpft<br />

und leicht reduziert. Die Stellen im Stück, an <strong>de</strong>nen Grace<br />

vergewaltigt wird, wer<strong>de</strong>n wir dann auch vor Publikum so<br />

<strong>de</strong>zent zeigen. Wir wer<strong>de</strong>n nicht bildlicher als nötig, <strong>de</strong>nn<br />

Sexualität ist in China ein schambesetztes Thema. An<strong>de</strong>rs als die<br />

Massenerschießungsszene: die Brutalität dieser Racheaktion im<br />

Stück halten wir auf Ansage Jochen Schölchs bei <strong>de</strong>n Proben<br />

gering – vor Publikum wer<strong>de</strong>n wir sie voll ausspielen.<br />

In China gibt es bis heute Massenhinrichtungen, ein politisch<br />

sehr brisanter und be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Bezugspunkt unseres Stücks, und<br />

beson<strong>de</strong>rs an solchen Stellen darf Kunst nicht beschnitten wer<strong>de</strong>n.<br />

Sollte es Konsequenzen geben, ist die klare Vereinbarung, dass <strong>de</strong>r<br />

Regisseur die Verantwortung trägt. Natürlich sind wir wahnsinnig<br />

aufgeregt und fragen uns und Jochen Schölch, was im schlimmsten<br />

Fall passieren kann. Dass er verhaftet wird? Wir alle?<br />

Am Samstagabend ist die ausverkaufte Premiere und wir<br />

ziehen <strong>de</strong>n Plan durch. Unsere Nervosität wirkt zum Glück nicht<br />

lähmend, wir spielen so konzentriert und involviert wie selten.<br />

In China ist man ten<strong>de</strong>nziell eher bunt-periphere Inszenierungen<br />

gewohnt und normalerweise wird während <strong>de</strong>r Aufführungen<br />

vernehmlich mit <strong>de</strong>m Nachbarn gere<strong>de</strong>t, gegessen und<br />

zwischendurch <strong>de</strong>r Saal verlassen. Etwa 20 Minuten braucht das<br />

Publikum, um sich darauf einzustellen, dass hier etwas Ungewöhnliches<br />

auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> geschieht. Es wird still und alle folgen<br />

<strong>de</strong>m Geschehen; links und rechts <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> wer<strong>de</strong>n unsere<br />

übersetzten Texte angezeigt. Teilweise gibt es Reaktionen, die wir<br />

so aus Deutschland nicht kennen – vielleicht gibt es in <strong>de</strong>r Übersetzung<br />

einen an<strong>de</strong>ren Wortwitz? Zum Schluss kommt die Massenhinrichtung,<br />

nun wird es unruhig im Publikum. Einige verlassen<br />

<strong>de</strong>n Saal, aber das kriegen wir kaum mit.<br />

foto: hilda lobinger<br />

Als wir fertig sind, braust ein tosen<strong>de</strong>r Applaus auf, wir gehen<br />

zweimal auf die <strong>Bühne</strong> zum Verbeugen. Jochen Schölch kommt<br />

dazu, <strong>de</strong>r Applaus wird sofort tobend und ebbt fast ebenso<br />

schnell wie<strong>de</strong>r ab, nach<strong>de</strong>m wir die <strong>Bühne</strong> verlassen. Sehr an<strong>de</strong>rs<br />

als in Deutschland, aber dieser kurze heftige Beifall entspricht<br />

etwa Standing Ovations bei uns. Und es wird auch niemand<br />

verhaftet. Wir feiern in <strong>de</strong>r »Rammstein-Bar«.<br />

Tags darauf ist die zweite Vorstellung wie<strong>de</strong>r ausverkauft<br />

und unsere Erleichterung lässt uns vielleicht noch freier spielen,<br />

je<strong>de</strong>nfalls fühlen wir uns wohl und das Publikum reagiert ähnlich<br />

wie bei <strong>de</strong>r Premiere. Nach<strong>de</strong>m wir uns umgezogen haben,<br />

wer<strong>de</strong>n wir in einen Raum gebeten, <strong>de</strong>r uns sehr befrem<strong>de</strong>t: hier<br />

stehen große rote Sessel in langen Abstän<strong>de</strong>n zueinan<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n<br />

fensterlosen Wän<strong>de</strong>n. Eine Chinesin re<strong>de</strong>t mit hohem Tempo und<br />

auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n gerichteten Blick – sie dankt uns von Seiten <strong>de</strong>s<br />

China Shanghai International Arts Festival für unser Gastspiel, wie<br />

die Dolmetscherin erklärt. Als nächstes dankt <strong>de</strong>r Direktor <strong>de</strong>s<br />

Goethe-Instituts Shanghai dafür, dass wir uns <strong>de</strong>r Zensur gebeugt<br />

haben, »an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r, an<strong>de</strong>re Sitten« – anscheinend ein Missverständnis.<br />

Thomas Koch dankt stellvertretend für uns und nimmt<br />

Stellung zu dieser Äußerung. Er betont, dass die Freiheit <strong>de</strong>r<br />

Kunst ein hohes Gut ist, ebenso wie die Freiheit <strong>de</strong>r Meinungsäußerung<br />

und dass die Be<strong>de</strong>utung von Kunst in <strong>de</strong>r Gesellschaft als<br />

Einspruchsfaktor eine wichtige Aufgabe erfüllt – auch in China.<br />

Offenbar sind diese Sätze gewagt, <strong>de</strong>nn die zwei chinesischen


RUBRIK china<br />

Aus <strong>de</strong>r Kritik <strong>de</strong>r chinesischen Zeitung »Wen Hui Bao«<br />

------------------------------------------------------------------------<br />

»Schon Lars von Triers Verfilmung von ›Dogville‹ hat eine tiefsinnige Aussagekraft, dieses<br />

Stück <strong>de</strong>r Bayerischen Theateraka<strong>de</strong>mie jedoch beweist einen beson<strong>de</strong>ren Sinn für das<br />

Experiment und <strong>de</strong>n Versuch, neue Formen zu entwickeln. (...) Erzähler und Schauspieler<br />

wechseln ihre Rollen auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>. Problemlos spielen 10 Schauspieler 20 Rollen.«<br />

56<br />

Dolmetscherinnen haben plötzlich eine kurze Meinungsverschie<strong>de</strong>nheit.<br />

Später erfahren wir, dass fälschlicherweise eine <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n übersetzte, wir wür<strong>de</strong>n gerne <strong>de</strong>n Preis <strong>de</strong>r Jury für<br />

»Dogville« erhalten. Irrtum o<strong>de</strong>r Absicht? Bis heute sind einige<br />

kurze Irritationen wie diese noch nicht geklärt.<br />

Es blieb bei diesen zwei Vorstellungen von »Dogville«, insgesamt<br />

verbrachten wir neun Tage in Shanghai. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />

Tagen hatten wir die Gelegenheit, einen Bruchteil <strong>de</strong>r gigantischen<br />

Stadt und <strong>de</strong>s Umlan<strong>de</strong>s kennenzulernen. Wir wur<strong>de</strong>n vom<br />

Hofbräuhaus Shanghai zu einem großzügigen <strong>de</strong>utschen Aben<strong>de</strong>ssen<br />

eingela<strong>de</strong>n, was für einige, <strong>de</strong>nen Algen und Quallensalat,<br />

Frösche und diverse Un<strong>de</strong>finierbarkeiten schon zum Haar in <strong>de</strong>r<br />

Suppe gewor<strong>de</strong>n waren, einen echten Segen be<strong>de</strong>utete.<br />

Wir besuchten eine klassische Kun-Oper und erlebten dabei,<br />

wie sich chinesisches Publikum üblicherweise verhält, wie ungerührt<br />

<strong>de</strong>r kurze Applaus sonst ist. Wir kamen in <strong>de</strong>n Genuss<br />

wohltuen<strong>de</strong>r Ganzkörpermassagen, schmerzhafter Fußreflexzonenmassagen,<br />

ließen uns Kleidung maßschnei<strong>de</strong>rn, genossen das<br />

preiswerte Touristenleben und stellten dabei fest, dass wir<br />

ohne unsere Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Gastspiel kaum bemerkt<br />

hätten, dass China ein kommunistisch regiertes Land ist, in <strong>de</strong>m<br />

es Zensur und hohe politische Empfindsamkeiten gibt.<br />

Nicht zuletzt aber durften wir <strong>de</strong>n kulturellen Austausch in<br />

diesen Tagen noch aktiv und sehr konkret vertiefen. Das war<br />

eines <strong>de</strong>r Hauptanliegen <strong>de</strong>r Veranstalten<strong>de</strong>n und es kam uns<br />

sehr entgegen. Wir trafen auf die Schauspielstu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Theateraka<strong>de</strong>mie<br />

Shanghai zu einem Workshop! Vor <strong>de</strong>r Reise hatten wir<br />

uns für dieses Treffen überlegt, welche Elemente unseres Schauspielunterrichts<br />

wir am besten zeigen und dabei die chinesischen<br />

Stu<strong>de</strong>nten mit einbeziehen könnten, und entschie<strong>de</strong>n uns für eine<br />

sehr dynamische Gruppenübung: ein zyklisches Training, das fast<br />

als Selbstläufer mit kollektiven und individuellen Prozessen<br />

experimentiert und dabei zu kreativer Freiheit verführt.<br />

Die chinesischen Stu<strong>de</strong>nten stürzten sich in zunehmen<strong>de</strong>r<br />

Anzahl und mit so großer Verve in diese Übung, dass sie für alle<br />

Beteiligten – auch und beson<strong>de</strong>rs für uns selbst – zu einem <strong>de</strong>r stärksten<br />

Eindrücke dieser Reise wur<strong>de</strong>. Umgekehrt zeigten uns die<br />

Chinesen auch ein paar ihrer Übungen, die uns in ähnlicher Form<br />

auch vertraut sind (Sprech- und Stimmtraining, Schulung von<br />

Konzentration und Koordination, Bezug zum <strong>Bühne</strong>nobjekt<br />

herstellen usw.). Anschließend stellten wir uns gegenseitig viele<br />

Fragen zum Studium und zum Beruf <strong>de</strong>s Schauspielers, wobei wir<br />

feststellten, dass die Chancen, als Schauspieler seinen Lebensunterhalt<br />

zu verdienen, in China etwa so groß sind wie in Deutschland.<br />

Den Kontakt mit diesen wissbegierigen und sympathischen Stu<strong>de</strong>nten<br />

genossen wir sehr und hätten uns mehr davon gewünscht,<br />

aber lei<strong>de</strong>r blieb es bei einem einmaligen Treffen mit ihnen.<br />

Es gab durchaus weitere Veranstaltungen, die in <strong>de</strong>r Theorie<br />

fortsetzen sollten, was wir so begeistert in <strong>de</strong>r Praxis miteinan<strong>de</strong>r<br />

ausgetauscht hatten. Aber diese Veranstaltungen verliefen dann<br />

doch etwas an<strong>de</strong>rs. Hier saßen an<strong>de</strong>re Stu<strong>de</strong>nten, die zum Teil<br />

unser Stück nicht gesehen hatten – und wir waren aufgefor<strong>de</strong>rt,<br />

über unser Verständnis von Kunst und unsere Absichten mit<br />

Dogville zu re<strong>de</strong>n, ohne ein Blatt vor <strong>de</strong>n Mund zu nehmen. Wie<br />

das, wenn die gesamte Veranstaltung von Regierungsbeamten<br />

protokolliert wird und man auch hier wie<strong>de</strong>r offenbar absichtlich<br />

falsch übersetzt, was wir sagen. Ein chinesischer Stu<strong>de</strong>nt stand<br />

auf und sagte auf Englisch, er schreibe Drehbücher, die ihm aber<br />

zensiert o<strong>de</strong>r stark verän<strong>de</strong>rt wür<strong>de</strong>n, »the government controls<br />

us– what can we do?«.<br />

Rückblickend merken wir alle, dass uns die neun Tage wie<br />

mehrere Wochen vorkamen. So viel ist in diesen Tagen geschehen<br />

und das Meiste war sehr abenteuerlich. Die zweitgrößte chinesische<br />

Zeitung berichtete von unseren Aufführungen in <strong>de</strong>n höchsten<br />

Tönen und kritisierte sogar im Vergleich die mangeln<strong>de</strong> Aussagekraft<br />

<strong>de</strong>s eigenen Theaters. Überraschen<strong>de</strong> Töne aus einem<br />

Regime, in <strong>de</strong>m wir viele beklemmen<strong>de</strong> Vorgänge hautnah<br />

erlebten, von <strong>de</strong>nen unserer Generation sonst nur beispielsweise<br />

im Schulunterricht erzählt wur<strong>de</strong>. Niemand von uns hat ja die<br />

DDR bewusst erlebt. Zurück in <strong>de</strong>r Theateraka<strong>de</strong>mie wur<strong>de</strong> ein<br />

studiengangsübergreifen<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mietag organisiert, an <strong>de</strong>m wir<br />

allen, die nicht mitkommen konnten, von unseren Erfahrungen<br />

erzählten und darüber diskutierten.<br />

In einer <strong>de</strong>utschen Theaterlandschaft, in <strong>de</strong>r anscheinend alles<br />

auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> erlaubt ist, be<strong>de</strong>utet uns diese Reise viel mehr als wir<br />

vorher für möglich gehalten hätten. Wir haben die Be<strong>de</strong>utung von<br />

Freiheit <strong>de</strong>r Kunst erfahren, weil sie bedroht war. Dass Theater<br />

mehr sein kann, sein muss, als Unterhaltung und unser Arbeitgeber,<br />

das war uns natürlich vorher auch schon klar, aber unsere Reise<br />

nach Shanghai hat uns bestärkt, diesen I<strong>de</strong>alismus zu leben.<br />

Foto: Ludwig Olah<br />

WWW.STAATSTHEATER.NUERNBERG.DE · 0180-5-231-600<br />

(FESTNETZ 14 CT/MIN; MOBILFUNK BIS 42 CT/MIN)


wagner-rap<br />

58<br />

Wagner<br />

Rap<br />

59<br />

Alle wollen <strong>de</strong>n verfluchten Ring – und mit ihm die Weltherrschaft<br />

an sich reißen. Inmitten dieses Kampfgetümmels<br />

stehen die drei Jugendlichen Siegfried, Brünnhil<strong>de</strong> und<br />

Hagen in einem Konflikt um Liebe, Macht und das Schicksal<br />

<strong>de</strong>r eigenen Herkunft. Die HipHop-Oper »Der Rap <strong>de</strong>s<br />

Nibelungen« erzählt Richard Wagners monumentale Opern-<br />

Tetralogie neu: aus 18 Stun<strong>de</strong>n »Wagner-Ring« wird die<br />

Kurzversion »Der Rap <strong>de</strong>s Nibelungen«.<br />

Von November 2009 bis zur Premiere am 8. Juni 2010<br />

haben 35 Darsteller <strong>de</strong>r Youth Crew am Theater Freiburg<br />

geprobt. Die Wagner-Beats lieferte <strong>de</strong>r DJ Philipp Barth vom<br />

Plattenteller. Verbun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> das musikalische Cross-<br />

Over mit <strong>de</strong>n Klängen <strong>de</strong>s RapRing-Jugendorchesters aus<br />

<strong>de</strong>m Orchestergraben. Dazu rappten, sangen, spielten und<br />

tanzten die 35 Darsteller. Neben <strong>de</strong>r Youth Crew stan<strong>de</strong>n<br />

die Rapper Prinz Pi (Siegfried) und Chefkoch (Hagen), <strong>de</strong>r<br />

Rocksänger Joachim Deutschland (Alberich) und die Opernsänger<br />

Julia Thornton (Brünnil<strong>de</strong>), Yaroslava Romanova<br />

(Fricka/Erda), Jin-Seok Lee (Wotan) und Christoph Waltle<br />

(Mime) auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>.<br />

Wir haben Stimmen von Beteiligten gesammelt, einen<br />

Wagner-Kenner nach seinem Urteil zum »Rap« gefragt und<br />

zwei Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Raps gebeten, über die Inszenierung <strong>de</strong>r<br />

»Götterdämmerung« am Theater, die einige Wochen<br />

zuvor Premiere hatte, eine Kritik zu schreiben.<br />

alle fotos dieses artikels: maurice korbel


Von Larissa Schuberg & Ralph Christoph Merettig<br />

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wagner-rap<br />

Ob das mal gut geht?!<br />

Zwei Jugendliche in einer Richard Wagner Oper: »Die Götterdämmerung«,<br />

<strong>de</strong>r vierte Teil aus Richard Wagners 18 Stun<strong>de</strong>n langem Monumentalmusiktheater<br />

<strong>de</strong>s »Ring <strong>de</strong>s Nibelungen«. Bei<strong>de</strong> waren Mitglie<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Youth Crew beim »Rap <strong>de</strong>s Nibelungen«.<br />

60<br />

Die schiefen Blicke <strong>de</strong>r weiteren Zuschauer <strong>de</strong>s ausverkauften<br />

Hauses drücken Erstaunen und teilweise sogar Unverständnis<br />

aus. Sie hatten soeben zwei Jugendliche in einer Richard-Wagner-Oper<br />

ent<strong>de</strong>ckt. »Was die wohl hier suchen?«, vermochte man<br />

aus ihren Augen zu lesen. Wir müssen zugeben, dass wir uns auch<br />

etwas fehl am Platze fühlten. Zumin<strong>de</strong>st was das Wissen über die<br />

Thematik anbelangte, konnten wir problemlos mit <strong>de</strong>n Ring-Kennern<br />

konkurrieren. Schließlich hatten wir uns – mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r<br />

– exzessiv über sechs Monate hinweg mit <strong>de</strong>r Quintessenz dieser<br />

Oper auseinan<strong>de</strong>rgesetzt. Wir – Larissa Schubert, alias Gutrune &<br />

Ralph Christoph Merettig, also known as Fafner – sind ca. 5 Prozent<br />

<strong>de</strong>r Youth Crew <strong>de</strong>s »Rap <strong>de</strong>s Nibelungen«. Eine Hip H’Opera die <strong>de</strong>n<br />

gesamten Ring in 2,5 Stun<strong>de</strong>n unterbringt.<br />

Brünnhil<strong>de</strong>s (Sabine Hogrefe) Feuer umringtes Felsengefängnis<br />

wur<strong>de</strong> als Schlafzimmer und die Erscheinung ihrer Schwestern als<br />

Albtraum dargestellt. Diese Parallele zu ziehen war durchaus<br />

innovativ und wir legten unser Augenmerk auf die Schicksalsfä<strong>de</strong>n<br />

und spitzen unsere Ohren für die Klänge aus <strong>de</strong>m Orchestergraben,<br />

welche uns bei<strong>de</strong>n geläufig waren. Die Walküren<br />

wur<strong>de</strong>n zusätzlich durch Puppen personifiziert; dieses Motiv<br />

löste bei uns Assoziationen bezüglich <strong>de</strong>s Horrorfilmes »Chucky,<br />

die Mör<strong>de</strong>rpuppe« aus, was durchaus für die Maske und die<br />

<strong>de</strong>tailverliebten Requisiten spricht.<br />

Als nun Siegfried (Christian Voigt) aufstand und sich rasch<br />

umzog, um außer Haus zu gehen und weitere Hel<strong>de</strong>ntaten zu<br />

vollbringen, waren wir baff, wie emotionslos doch jetzt im Vergleich<br />

zum Rest <strong>de</strong>s Stückes die Verabschiedung von Brünnhil<strong>de</strong><br />

über die <strong>Bühne</strong> gebracht wur<strong>de</strong>. Belustigend allerdings waren die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Interpretationen <strong>de</strong>r einzelnen Charaktere, im<br />

Vergleich zu unserem Stück. Vor allem befremdlich und ungewohnt<br />

fan<strong>de</strong>n wir die doch sehr erotische und betören<strong>de</strong> Gutrune<br />

(Sigrun Schell), was jedoch ihre schauspielerische und gesangliche<br />

Leistung nicht schmälern soll. Wirklich innovativ war die aus<br />

losen Umzugskartons erbaute Gibichungenburg, welche zum<br />

Erstaunen aller später noch zum Einsturz gebracht wur<strong>de</strong>. Die<br />

ganze Szene <strong>de</strong>r Geschwister mit <strong>de</strong>r Intrigenspannung zwischen<br />

Gunther (Wolfgang Newerla) und Hagen (Gary Jankowski) war sehr<br />

abwechslungsreich und kreativ gestaltet, auch wenn <strong>de</strong>r Halbbru<strong>de</strong>r<br />

Hagen sich in <strong>de</strong>r superioren Position befand und die bei<strong>de</strong>n<br />

Geschwister lediglich als seine Handlager fungierten. Alles in<br />

allem war <strong>de</strong>r erste Akt jedoch recht langwierig und mit einer<br />

Dauer von mehr als zwei Stun<strong>de</strong>n auch rein zeitlich sehr zäh. Wir<br />

waren uns <strong>de</strong>s Sachverhaltes aber bereits vorher bewusst, weil<br />

Richard Wagner ein Faible für große Spannungsbögen hat. Allerdings<br />

machten die Sänger ihre Sache durch die Bank weg wirklich<br />

gut, sodass wir uns bereits auf <strong>de</strong>n zweiten Akt freuten.<br />

»Götterdämmerung« versus<br />

»Rap« am theater freiburg<br />

Links: »Götterdämmerung« mit Wolfgang<br />

Newerla, Sabine Hogrefe und Christian<br />

Voigt im Vor<strong>de</strong>rgrund. Rechts: Szene aus<br />

»Rap <strong>de</strong>s Nibelungen«.<br />

Dieser begann mit <strong>de</strong>r Szene Hagens an seines Vaters Alberich<br />

Totenbett. Alberich (Neal Schwantes) gefiel uns bei<strong>de</strong>n ausgesprochen<br />

gut, da er seine Rolle gut interpretierte und es fast so schien,<br />

als ob er real <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> geweiht wäre. Jedoch ging beinahe unter,<br />

dass Hagen von seinem Vater dazu angehalten wur<strong>de</strong>, seinem<br />

Vater <strong>de</strong>n Ring darzubieten. In diesem Akt wur<strong>de</strong> die ganze Klasse<br />

<strong>de</strong>s Freiburger Opernhauses sehr gut zur Geltung gebracht. Die<br />

Massengesangszenen waren sehr authentisch, imposant und<br />

verursachten ein gewisses »Gänsehaut-Feeling«.<br />

Die für uns eindruckvollste Szene <strong>de</strong>s Stückes fand ebenfalls in<br />

diesem Akt statt. Der durch <strong>de</strong>n Tarnhelm als Gunther visualisierte<br />

Siegfried brach durch die Wand in das Gemach Brünnhil<strong>de</strong>s<br />

und fiel über sie her (vollzog mit ihr die Ehe). Musikalisch,<br />

sängerisch und schauspielerisch war diese Szene am herausragendsten,<br />

da sie total überraschend kam, und blieb uns am<br />

lebendigsten in Erinnerung.<br />

Der dritte Akt war <strong>de</strong>r ausge<strong>de</strong>hnte Tod Siegfrieds, welcher an<br />

sich bereits über eine halbe Stun<strong>de</strong> in Anspruch nahm und ein<br />

schöner Ausklang <strong>de</strong>s Stückes war, in<strong>de</strong>m die ganzen Intrigen<br />

zwischen <strong>de</strong>n Liebes-, Macht- und Hassverhältnissen aufgeklärt<br />

wur<strong>de</strong>n. Am En<strong>de</strong> herrschte Aufbruchstimmung, da von <strong>de</strong>m<br />

Protagonisten bloß Gutrune, die als einzige nicht <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s<br />

Ringes zum Opfer fiel, überlebte. Im Schlussbild lag <strong>de</strong>r Fokus<br />

ebenfalls auf ihr und man fühlte sich, als ob etwas Großartiges<br />

und Neues beginnen wür<strong>de</strong>.<br />

Kurzum: Es lohnt sich durchaus – selbst für einen Jugendlichen<br />

bei schiefen Blicken – diesem epischen Werk seine Zeit zu<br />

widmen. Allein <strong>de</strong>r 15-minütige Premierenapplaus spricht für<br />

sich. Auch wenn sich sechs Stun<strong>de</strong>n sehr lang anhören, waren sie<br />

im En<strong>de</strong>ffekt voller sängerischer und schauspielerischer Impressionen<br />

und erschienen äußerst kurzweilig. Im Hiphop–Jargon<br />

wür<strong>de</strong> man sagen: »Props on that!«<br />

von Detlef Bran<strong>de</strong>nburg<br />

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Wagner fast forward<br />

Der Autor ist Chefredakteur <strong>de</strong>s Theatermagazins Die Deutsche <strong>Bühne</strong><br />

und bekennen<strong>de</strong>r Wagner-Liebhaber. Er schreibt über seinen Besuch<br />

<strong>de</strong>s »Rap <strong>de</strong>s Nibelungen«.<br />

Mit meinen 53 Jahren lag ich – geschätzt – um das Doppelte<br />

jenseits <strong>de</strong>s Durchschnittsalters, das das Publikum <strong>de</strong>r HipHop-<br />

Oper »Der Rap <strong>de</strong>s Nibelungen« am Theater Freiburg erreichte. Und<br />

mit meiner berufsbedingten Erfahrung von – ebenfalls geschätzt<br />

– an die 20 »Ring«-Produktionen kann ich womöglich genauer als<br />

die meisten im jungen Publikum beurteilen, wie »frei nach Richard<br />

Wagner« diese »Ring«-Version <strong>de</strong>nn wirklich zur Sache ging.<br />

Je<strong>de</strong>nfalls war dies keineswegs die ausgefallenste »Ring«-Version,<br />

die ich bislang zu Gesicht bekommen habe. Dieser riesige Opern-<br />

Vierling, <strong>de</strong>r in Bayreuth alljährlich Prominente und Möchtegern-<br />

Prominente, Mächtige und mächtig Reiche zu einer musikuntermalten<br />

Schwitzkur im miserabel klimatisierten Festspielhaus<br />

vereint: Er hat die Regisseure schon immer zum Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

gegen Wagners Pathos und heiligen Ernst herausgefor<strong>de</strong>rt.<br />

Wenn man beispielweise mal erlebt hat, mit welcher Berserkerwut<br />

sich <strong>de</strong>r Skandal-Choreograf Johann Kresnik vor ein paar<br />

Jahren in Bonn an Wagners Opern-Wuchtbrumme abgearbeitet<br />

hat, bringt einen ein rappen<strong>de</strong>r Siegfried o<strong>de</strong>r eine hiphopen<strong>de</strong><br />

Youth Crew aus Freiburger Jugendlichen nicht unbedingt aus <strong>de</strong>r<br />

Fassung. Der Rap-»Ring« war beim Publikum fraglos ein großer<br />

Erfolg. Und die wenigsten <strong>de</strong>r jugendlichen Besucher hätten sich<br />

wohl <strong>de</strong>m originalen Wagner zuliebe vier Aben<strong>de</strong> lang Klangmasse<br />

und Be<strong>de</strong>utungsschwere zugemutet. Trotz<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong> ich<br />

möglichst vielen von ihnen die Begegnung mit <strong>de</strong>m wirklichen<br />

»Ring« wünschen. Vielleicht geht es Ihnen dann wie mir und sie<br />

stellen fest, dass dieser »Rap« doch allzu viel von <strong>de</strong>m weglässt,<br />

was <strong>de</strong>n »Ring« erst spannend und liebenswert macht.<br />

Das betrifft gar nicht in erster Linie die Musik. Zwar war das<br />

eigens für diese Produktion zusammengestellte Rapring-Jugendorchester<br />

mit Wagners Orchestersatz, soweit er überhaupt live<br />

gespielt wur<strong>de</strong>, hörbar überfor<strong>de</strong>rt. Und was die Rapper angeht,<br />

Chefkoch als stämmig-stampftreten<strong>de</strong>r Hagen, Joachim Deutschland<br />

als Xavier-Naidoo-rastalockiger Alberich o<strong>de</strong>r Prinz Pi als hängeschultrig<br />

schwertschwingen<strong>de</strong>r Siegfried: da hatte ich, verglichen<br />

mit flüchtigen Kenntnissen aus <strong>de</strong>r Musikvi<strong>de</strong>othek meines Sohnes,<br />

<strong>de</strong>n Eindruck, dass man durchaus energetischer rappen kann.<br />

Trotz<strong>de</strong>m hatten die bei<strong>de</strong>n Arrangeure aus Originalklängen,<br />

Toneinspielungen, Samplersounds und Turntables-Scratches einen<br />

atmosphärisch fesseln<strong>de</strong>n Klangcocktail gemixt, <strong>de</strong>r sich erstaunlich<br />

genau mit Wagners musikalischen »Themen« auseinan<strong>de</strong>rsetzt und<br />

zugleich die Hiphop-Youth Crew gut unterstützt. Zu<strong>de</strong>m fand ich es<br />

beachtlich, dass Brünnhil<strong>de</strong> (Julia Thornton), Fricka (bemerkenswert<br />

gut: Yaroslava Romanova), Wotan (Jin Seok Lee) und Mime (ebenfalls<br />

sehr gut: Christoph Waltle) mit Opernsängern besetzt waren, die eben<br />

»Wagner« sangen. So wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Publikum eine intensive Begegnung<br />

mit Eindrücken <strong>de</strong>r Originalmusik zugemutet.


wagner-rap<br />

Regisseur Markus Kosuch fängt <strong>de</strong>n Abend da an, wo einem zwei<br />

Hauptfiguren unmittelbar nahe kommen: bei Siegfried und Brünnhil<strong>de</strong><br />

auf <strong>de</strong>m Walkürenfelsen, wo die Liebe noch blüht und das<br />

Glück greifbar nahe scheint: also am Beginn <strong>de</strong>r »Götterdämmerung«.<br />

Von hier aus geht es (zwei rohe Screens oben am <strong>Bühne</strong>nportal,<br />

die das Geschehen teils hübsch ironisch kommentieren, kündigen<br />

das mit <strong>de</strong>r Texteinblendung Rewind an, <strong>de</strong>r dann bei <strong>de</strong>r<br />

Rückkehr zur Haupthandlung das Fast forward folgt) in mehreren<br />

Rückblen<strong>de</strong>n zurück zu <strong>de</strong>n Schlüsselszenen aus »Rheingold«,<br />

»Walküre« o<strong>de</strong>r »Siegfried«. So wird klar, wie die Figuren gewor<strong>de</strong>n<br />

sind, was sie in <strong>de</strong>r »Götterdämmerung« sind – halbwegs je<strong>de</strong>nfalls.<br />

Die Ausstatterin Birgit Holwarth hat <strong>de</strong>n alten Kämpen Kostüme<br />

angezogen, die Vi<strong>de</strong>oclip-Ästhetik und Fantasy-Fashion keck<br />

Probe zum<br />

Freiburger »Rap <strong>de</strong>s<br />

Nibelungen«.<br />

mischen, und über Hagens und Gunthers Stierhornhelme darf man<br />

schmunzeln. Die offene <strong>Bühne</strong> mit ihrer mehrstöckigen Gitterarchitektur<br />

rechts und ihrem schrägen Kasten links schafft eine angemessen<br />

raue, düstere Atmosphäre sowohl für die furiosen Hiphop-<br />

Attacken <strong>de</strong>r Youth Group wie auch für eine Geschichte, die ja nun<br />

mal mit einem ausgewachsenen Weltuntergang en<strong>de</strong>t.<br />

Wenn das aber alles soweit OK ist, warum wer<strong>de</strong> ich mir<br />

weiterhin <strong>de</strong>n originalen Wagner antun, bis mir <strong>de</strong>r Hintern weh<br />

tut und ich vier Hem<strong>de</strong>n durchgeschwitzt habe? Vor allem <strong>de</strong>shalb,<br />

weil die Figuren so sehr viel reicher, weil die Geschichte tiefsinniger<br />

und aktueller ist, als Markus Kosuchs Konzept es auch nur<br />

ahnen lässt. Vielleicht hätte er sich doch genauer fragen sollen, ob<br />

so ein 16-Stun<strong>de</strong>n-Musikmythos, <strong>de</strong>r eine reichlich verwickelte ger-<br />

manische Göttergeschichte als Metapher <strong>de</strong>r beginnen<strong>de</strong>n<br />

Industrialisierung, <strong>de</strong>r Geldwirtschaft, <strong>de</strong>s »Kapitalismus«<br />

im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>uten will – ob ein solches Monster an<br />

Handlungs- und Be<strong>de</strong>utungskomplikationen wirklich eine<br />

gute Vorlage für eine »HipHop-Oper« ist. Denn man hat<br />

<strong>de</strong>n Eindruck, dass diese Produktion über weite Strecken<br />

damit beschäftigt ist, dieser Handlung hinterher zu hecheln;<br />

dass sie es nicht schafft, Figuren über Standard-Posen<br />

hinaus tiefer zu profilieren und sich zu fragen, was uns<br />

<strong>de</strong>nn dieser ganze Götter- und Hel<strong>de</strong>n-Aufwand sagen soll.<br />

Hier schlägt das »frei nach Wagner« nicht als Gewinn,<br />

son<strong>de</strong>rn als Verlust zu Buche. Und das kann, wer es, wie<br />

ich, an<strong>de</strong>rs kennt, bei aller Sympathie für Rap und Hiphop<br />

nicht einfach ignorieren.<br />

Eine eigene interpretieren<strong>de</strong> Haltung gegenüber<br />

Wagners »Ring« fin<strong>de</strong>t diese Hiphop-Oper nicht. Die Frage,<br />

ob es nicht tatsächlich Berührungspunkte zwischen <strong>de</strong>r<br />

Rap- und Hiphop-Kultur und Wagners Hel<strong>de</strong>n gibt (was ich<br />

mir durchaus vorstellen könnte: unangepasste Hel<strong>de</strong>n,<br />

bankrottes Establishment und aggressive Kämpfer gibt es<br />

hier wie dort) stellt sie nicht einmal. Ihre Stärke liegt in<br />

einem theaterpädagogischen Coup: Sie bringt einem<br />

Publikum, das we<strong>de</strong>r mit Wagner noch mit <strong>de</strong>ssen Vorlage,<br />

<strong>de</strong>n Götter- und Hel<strong>de</strong>nsagen <strong>de</strong>r »Edda«, viel im Sinn hat,<br />

diesen Stoff nahe. Das meinte ich mit »brav« – Regisseure<br />

eines »richtigen« »Rings« lösen sich oft viel stärker von »<strong>de</strong>r<br />

Geschichte«, um Bezüge zu unserer Gegenwart aufzu<strong>de</strong>cken<br />

– und so einem Wunsch Wagners nachzukommen, <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r alte Herr in die leutselige Auffor<strong>de</strong>rung klei<strong>de</strong>te: »Kin<strong>de</strong>r,<br />

schafft Neues«! Aber auch das kann man ja in Freiburg<br />

erleben: in Frank Hilbrichs »Ring«-Inszenierung, die im<br />

Juni bei <strong>de</strong>r »Götterdämmerung« ankam. Es gibt nicht viele<br />

Theater, die ihr Programm so klug abstimmen. Vielleicht<br />

nutzen ja ein paar von <strong>de</strong>nen, die <strong>de</strong>n Nibelungen-Rap so<br />

enthusiastisch bejubelt haben, dieses Angebot zum Opern-<br />

Crossover. Es lohnt sich!<br />

62<br />

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<strong>Junge</strong> Töne<br />

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Eine Übersicht über beson<strong>de</strong>res Musiktheater für<br />

Jugendliche in <strong>de</strong>r neuen Spielzeit (2010/2011):<br />

»Das Tagebuch <strong>de</strong>r Anne Frank« gehört zu <strong>de</strong>n bekanntesten<br />

überlieferten Büchern aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s Nationalsozialismus.<br />

Als Musiktheater für junge Menschen kommt es in dieser<br />

Spielzeit auf die <strong>Bühne</strong>n <strong>de</strong>r Theater in Gera/Altenburg (ab<br />

16.10.2010) und Braunschweig (ab 27.10.2010).<br />

Die Berliner Staatsoper spielt zur Zeit im Ausweichquartier<br />

Schillertheater. Dort hat »Schnittstelle Figaro«, ein Musiktheaterprojekt<br />

für Jugendliche ab 15 Jahren von Max Schumacher<br />

und Rainer O. Brinkmann am 17.10.2010 Premiere.<br />

Künstler aus New York, Tokio und Berlin bringen dabei 48<br />

angehen<strong>de</strong> Friseure mit Musikern, Sängern und Zuschauern in<br />

einen Dialog. Wird aus <strong>de</strong>r Frisierkabine eine Therapiecouch<br />

o<strong>de</strong>r ein Beichtstuhl?<br />

An <strong>de</strong>r Staatsoper Hannover wird es ab dieser Spielzeit<br />

eine <strong>Junge</strong> Oper geben: Am 7. 11. 2010 startet »The Beggar’s<br />

Opera«. Für dieses Musiktheater hat die Berliner Komponistin<br />

und DJ Alexandra Holtsch Pop-Melodien <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts zum<br />

Ausgangspunkt für ihre Musik genommen. Gemeinsam<br />

mit Sängern <strong>de</strong>r Staatsoper und Jugendlichen aus Hannover<br />

entwickelt Regisseurin Dagmar Schlingmann eine neue Version<br />

<strong>de</strong>s bekannten Stückes. Auch an <strong>de</strong>r Dresdner Semperoper<br />

gibt es etwas Neues: die Semperoper <strong>Junge</strong> Szene – für und<br />

mit Dresdner Schülern.<br />

Bereits zum vierten Mal fin<strong>de</strong>t an <strong>de</strong>r <strong>Junge</strong>n Oper<br />

Mannheim das Projekt »Zählen und Erzählen« nach einem<br />

Konzept von Mauricio Kagel statt. Dabei wer<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r<br />

selbst zu Regisseuren, <strong>Bühne</strong>n- und Kostümbildner und<br />

Komponisten, um ihr eigenes Musiktheaterstück zu<br />

erfin<strong>de</strong>n. Susanne Mautz wird die Mo<strong>de</strong>ration bei diesem<br />

Musiktheater für Unerwachsene übernehmen.<br />

Viele kicken<strong>de</strong> Jungs träumen von <strong>de</strong>r großen Fußballkarriere.<br />

Auch <strong>de</strong>r südamerikanische <strong>Junge</strong> Fernan<strong>de</strong>z,<br />

<strong>de</strong>r im Slum zwischen Müll und Armut aufwächst. Als<br />

er tatsächlich ent<strong>de</strong>ckt und zum Star wird, und bald all<br />

seine Freun<strong>de</strong> vergessen hat, fällt er tief... »Die Balla<strong>de</strong><br />

von Garuma« ist eine Oper für Jugendliche ab 12 Jahren<br />

von Ad <strong>de</strong> Bont und Guus Ponsioen. Premiere im<br />

Kammertheater <strong>de</strong>r Staatsoper Stuttgart ist am 30.6.2011.


wagner-rap<br />

Jan Schinzig (Youth Crew):<br />

»Ich bin beim Projekt dabei,<br />

weil ich an<strong>de</strong>ren zeigen will,<br />

dass Rap nicht nur mit Gewalt,<br />

Drogen und leichtbeklei<strong>de</strong>ten<br />

Frauen zu tun hat.«<br />

Marlene Mußotter (Youth Crew): »Beim ›Rap<br />

<strong>de</strong>s Nibelungen‹ kann ich, an<strong>de</strong>rs als bei<br />

an<strong>de</strong>ren Projekten <strong>de</strong>s <strong>Junge</strong>n Theaters, im<br />

Großen Haus auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> stehen. Außer<strong>de</strong>m<br />

konnte ich mir hier als klassische Sängerin<br />

einiges von <strong>de</strong>n Opernprofis abschauen.«<br />

Cem Bekci (Youth Crew): »Am Rap <strong>de</strong>s Nibelungen<br />

gefallen mir vor allem die Choreografien<br />

und <strong>de</strong>r Wechsel zwischen HipHop und Oper.«<br />

Programm<br />

2010 2011<br />

Niklas Melcher (Youth Crew):<br />

»Mir gefällt dieses Cross-Over-<br />

Projekt – auch weil wir die<br />

ersten sind, die sowas<br />

Beson<strong>de</strong>res machen!«<br />

Calypso Casillas (Youth Crew): «Der<br />

Applaus und das Gejubel nach <strong>de</strong>r Premiere<br />

war das schönste Gefühl meines Lebens,<br />

durch <strong>de</strong>n Rap <strong>de</strong>s Nibelungen ist ein<br />

Traum in Erfüllung gegangen!«<br />

64<br />

Rebecca Rachel Räschke-Omorogbe<br />

(Youth Crew): »Die Youth Crew ist das<br />

Beste, was mir passieren konnte. Es ist<br />

ein unglaubliches Gefühl beim ›Rap <strong>de</strong>s<br />

Nibelungen‹ auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> zu stehen.<br />

Man fühlt sich wie in einer<br />

an<strong>de</strong>ren Welt!«<br />

Maria Meier (Querflötistin im RapRing-<br />

Jugendorchester): »Im Orchestergraben<br />

ist es ziemlich warm, aber dafür entspannter<br />

als auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>. Nur blöd, dass man vom<br />

<strong>Bühne</strong>ngeschehen nur die Hälfte mitbekommt...«<br />

Viet duc Cung (Youth Crew):<br />

»Beim ›Rap <strong>de</strong>s Nibelungen‹<br />

steht <strong>de</strong>r HipHop-Tanz nicht für<br />

sich allein, son<strong>de</strong>rn ist in ein<br />

ganzes Musiktheater eingebettet<br />

– für mich als Breaker ist<br />

das neu und sehr spannend.«<br />

Mira Pauli (Geigerin im RapRing-Jugendorchester):<br />

»Ich habe im Orchester eine Menge<br />

netter Leute getroffen. Es bringt Spaß, mal<br />

was Neues auszuprobieren und aus meinem<br />

Alltag rauszukommen.«<br />

Elberfel<strong>de</strong>r Straße 65 · 58095 Hagen · Tel.: 0 23 31 / 207 - 32 18 · www.theater.hagen.<strong>de</strong>


Die kulturelle Arbeit mit behin<strong>de</strong>rten<br />

Menschen kann eine Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

sein. In <strong>de</strong>r Regel ist sie aber vor allem<br />

eines: eine Bereicherung für alle Beteiligten.<br />

Die Erfolgsgeschichte <strong>de</strong>s<br />

Berliner Ensembles Ramba Zamba<br />

beweist dies immer wie<strong>de</strong>r.<br />

Von Elisa Giesecke<br />

------------------------<br />

Für Michael läuft es heute nicht so gut. Während seine Schauspiel-Kollegen im<br />

Foyer <strong>de</strong>r Berliner Kunstwerkstatt »Sonnenuhr« an einem großen run<strong>de</strong>n Tisch<br />

genüsslich zu Mittag essen, sitzt er etwas abseits und wimmert, <strong>de</strong>n Kopf erschöpft<br />

gegen die Wand gelehnt. Dabei soll er doch am Abend auf die <strong>Bühne</strong>.<br />

Theater ungehin<strong>de</strong>rt<br />

Kunstvoll<br />

foto: ron gerlach<br />

66<br />

Elisa Giesecke, die Autorin dieses Beitrags, ist redaktionelle<br />

Mitarbeiterin <strong>de</strong>s Deutschen <strong>Bühne</strong>nvereins und u.a. mitververantwortlich<br />

für die Homepage <strong>de</strong>r jungen bühne.<br />

Die Winterreise nach <strong>de</strong>m berühmten Lie<strong>de</strong>rzyklus von Franz Schubert<br />

steht auf <strong>de</strong>m Programm <strong>de</strong>s Theaters RambaZamba. Ensemble-Chefin<br />

Gisela Höhne ist besorgt. Nicht um die Aufführung, son<strong>de</strong>rn um ihren Darsteller.<br />

Der wird nämlich immer blasser. Als sie ihn an die frische Luft führen will,<br />

fällt er auch noch um. Todkrank, <strong>de</strong>nkt man. Doch weit gefehlt. »Jetzt spielt er<br />

wie<strong>de</strong>r«, stöhnt die Regisseurin. »Keiner will so sehr spielen wie Michael, das<br />

<strong>de</strong>monstriert er auch gerne außerhalb <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>. Er kennt alle Rollen und ist<br />

je<strong>de</strong>rzeit in <strong>de</strong>r Lage, für seine Kollegen einzuspringen; manchmal bemerkt er<br />

erst kurz vor <strong>de</strong>m Auftritt, dass er das Kostüm eines an<strong>de</strong>ren noch über sein<br />

eigenes gezogen hat.« Wenn das keine Lei<strong>de</strong>nschaft ist. Und jetzt ist ausgerechnet<br />

er krank. O<strong>de</strong>r doch nicht?<br />

Im Theater RambaZamba tickt die Uhr ein wenig an<strong>de</strong>rs. Bemerkenswert<br />

an<strong>de</strong>rs. Denn das Ensemble besteht größtenteils aus Menschen mit geistiger<br />

Behin<strong>de</strong>rung. Michael beispielsweise hat das Down-Syndrom. Genauso wie<br />

Mario, Juliana, Moritz, Jan-Patrick, Jennifer, Martin, Johannes, Helmut, René,<br />

Rita und Nele (Beim Down-Syndrom han<strong>de</strong>lt es sich um eine unverän<strong>de</strong>rbare<br />

genetische Beson<strong>de</strong>rheit. Anstatt <strong>de</strong>r üblichen 23 Chromosomenpaare weisen<br />

die Zellen <strong>de</strong>r Menschen mit Down-Syndrom ein zusätzliches Chromosom<br />

auf. Das Chromosom 21 ist bei ihnen dreifach vorhan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>swegen spricht<br />

man auch von einer Trisomie 21). Einige von ihnen sind seit über zehn Jahren,<br />

teilweise sogar seit <strong>de</strong>r ersten großen Inszenierung <strong>de</strong>s Ensembles 1991, dabei.<br />

Ein großer Glücksfall für sie, <strong>de</strong>nn Gisela Höhne und Klaus Erforth, die vor<br />

zwanzig Jahren die »Sonnenuhr« für ihren mit Down-Syndrom geborenen Sohn<br />

Moritz erfan<strong>de</strong>n, haben ein Kunst-Refugium geschaffen, das seinesgleichen<br />

sucht. Die Kombination von Kunst-Atelier und Theater, bestehend aus<br />

<strong>de</strong>n Ensembles Höhne, Erforth (Kalibani) und Circus Sonnenstich macht möglich,<br />

was behin<strong>de</strong>rten Menschen im sozialen Alltag verwehrt bleibt. Hier<br />

wer<strong>de</strong>n sie nicht ständig mit ihren Grenzen konfrontiert, son<strong>de</strong>rn können sich<br />

entsprechend ihrer Fähigkeiten entfalten. Es sind wahre Meister ihres Fachs,<br />

die Abend für Abend auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> stehen und die Welt nicht nur in Frage,<br />

son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>n Kopf stellen. Absurd, lei<strong>de</strong>nschaftlich, komisch, ernst, charmant,<br />

beseelt, pfiffig, verbissen – die Klaviatur <strong>de</strong>s Lebens wird mit Lust und<br />

Fantasie bespielt. Inzwischen ist RambaZamba weit mehr als nur ein Theater<br />

für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rung. Längst gehören Gastspielreisen und<br />

Auftritte in großen Häusern zum Alltagsgeschäft <strong>de</strong>r Schauspieler. Künstlergrößen<br />

wie Frank Castorf, Meret Becker o<strong>de</strong>r Otto San<strong>de</strong>r zählen sich zu erklärten<br />

Anhängern und traten teilweise schon selbst mit <strong>de</strong>n Darstellern auf. Selbst<br />

<strong>de</strong>r Dramatiker Heiner Müller sprach seinerzeit von »einer Qualität <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>rsseins<br />

im Zeitalter <strong>de</strong>r Nivellierungen«.<br />

67


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Links und vorige Seite: »Winterreise« am<br />

Theater RambaZamba mit Juliana Götze (vorige<br />

Seite), Nele Winkler und Franziska Kleinert.<br />

DER A NFA NG IS T GEM ACH T<br />

... steigen Sie ein!<br />

foto: ron gerlach<br />

foto: theater rambazamba<br />

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Von Starallüren ist trotz einer solch prominenten Fangemein<strong>de</strong><br />

nicht viel zu spüren. Dafür ist auch gar keine<br />

Zeit. Nach <strong>de</strong>r Mittagspause ist erst einmal eine halbstündige<br />

Probe für die Abendvorstellung angesetzt. Michael<br />

wur<strong>de</strong> inzwischen von seiner Mutter abgeholt – sein mala<strong>de</strong>s<br />

Erscheinungsbild war diesmal wohl doch nicht<br />

seinem Schauspieltalent zuzuschreiben. Für Gisela Höhne<br />

be<strong>de</strong>utet das, sie muss umdisponieren. Mit zarter Strenge<br />

for<strong>de</strong>rt sie die Schauspieler auf, ihre Positionen einzunehmen,<br />

alle folgen ihrer Anweisung, nur Hans-Harald bleibt,<br />

in Gedanken versunken, stehen. Sein Hörgerät liegt noch in<br />

<strong>de</strong>r Gar<strong>de</strong>robe. Etwas verstimmt nimmt die Regisseurin die<br />

dadurch entstan<strong>de</strong>ne Verzögerung hin, doch schließlich<br />

sind alle bereit. Für frem<strong>de</strong> Augen beginnt nun ein kaum<br />

nachvollziehbares Treiben, <strong>de</strong>ssen Sinn sich nur <strong>de</strong>r Regisseurin<br />

und <strong>de</strong>n Akteuren erschließen mag. Hinter einem<br />

langen Tisch, <strong>de</strong>r beinahe die gesamte Länge <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong><br />

einnimmt, sitzen zunächst, wie Perlen an einer Schnur<br />

aufgereiht, die Darsteller. Sie re<strong>de</strong>n erst wild durcheinan<strong>de</strong>r,<br />

dann rennen sie auf <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>ren Teil <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>n und<br />

kreisen in schnellen Drehungen um die eigene Achse.<br />

Weißes Papier wird mechanisch in Fetzen gerissen, während<br />

sich die Körper hin und her wiegen o<strong>de</strong>r sich scheinbar<br />

in einem Anfall <strong>de</strong>s Schmerzes zusammen krampfen.<br />

Immer wie<strong>de</strong>r ruft die Regisseurin dazwischen, lobt o<strong>de</strong>r<br />

bittet um Konzentration und treibt diejenigen an, die gera<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>n Fa<strong>de</strong>n verloren haben. Nach einer halben Stun<strong>de</strong> ist<br />

alles vorbei. Kaum vorstellbar, dass daraus am Abend eine<br />

vollständige Aufführung entstehen soll. Dennoch ist sich<br />

Höhne sicher: »Das war keine schwierige Probe, aber da<br />

Michael nun fehlt, muss man natürlich entsprechend<br />

ausprobieren.« Aber seine Lücke wur<strong>de</strong> problemlos gefüllt.<br />

Überhaupt ist das Probieren und Improvisieren die<br />

wichtigste Metho<strong>de</strong>, die Akteure an einen Stoff heranzuführen.<br />

Dabei zeigen sie schnell, was sie spielen wollen und<br />

was nicht. »Sie mimen grundsätzlich nur das, wozu sie einen<br />

Zugang haben«, erklärt Höhne. »Es bringt daher auch nichts,<br />

sie beispielsweise eine Szene in einem Café spielen zu lassen,<br />

wenn sie noch nie in einem Café waren. Ich muss dann<br />

um<strong>de</strong>nken und eine Tür öffnen, etwa wenn ich sage, wir<br />

spielen das Café unserer Träume, in <strong>de</strong>m ihr alles sein dürft,<br />

was ihr euch wünscht. Nur so funktioniert es.«<br />

Die Stoffe, <strong>de</strong>nen auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> Leben eingehaucht wird,<br />

sind solche, die in <strong>de</strong>r Gesellschaft wurzeln, die aber gleichzeitig<br />

in engem Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten<br />

Menschen stehen. So wie »Mongopolis«, einer Inszenierung,<br />

in <strong>de</strong>r es um <strong>de</strong>n perfekten Menschen geht, um Themen<br />

wie Euthanasie und Bioethik. Dennoch ist die Theaterwissenschaftlerin<br />

Höhne sehr darauf bedacht, die Schauspieler mit<br />

solch ernsten Themen nicht zu überlasten, und sorgt daher<br />

für einen abwechslungsreichen Spielplan. Zwischen »Me<strong>de</strong>a«<br />

und »Winterreise« sind daher auch »leichtere« Stücke wie<br />

»Weiberrevue« o<strong>de</strong>r »Das Herz ist kein Fußball« zu fin<strong>de</strong>n.<br />

-------------------------------------------<br />

»Es gibt keinen besseren Ort für<br />

diese Menschen als das Theater.«<br />

-------------------------------------------<br />

Beeindruckend die Professionalität, die die Schauspieler an<br />

<strong>de</strong>n Tag legen. Keine Spur von Aufregung, dafür leuchten<br />

die Augen in <strong>de</strong>r Vorfreu<strong>de</strong> auf die Vorstellung. Mario und<br />

Grit sehen überhaupt nicht ein, warum sie nervös sein<br />

sollten. »Ist doch toll, auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> zu stehen«, sind sie sich<br />

einig. Tatsache. Doch auch ein Profi fällt nicht einfach vom<br />

Himmel. Gisela Höhnes Ton wird strenger, wenn es um<br />

dieses Thema geht: »Die Schauspieler müssen wissen, das<br />

alles wichtig ist, was auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> passiert. Je<strong>de</strong>s Detail


Kunstvoll<br />

Hans-Harald Janke<br />

in »Winterreise«.<br />

foto: fotograf<br />

Das Theatermagazin für alle Sparten<br />

------------------<br />

Winterreise<br />

------------------<br />

70<br />

Sich wehren gegen die Eiszeit unter <strong>de</strong>n Menschen und in <strong>de</strong>r<br />

Welt. Bei RambaZamba spielt Schuberts »Winterreise« in <strong>de</strong>r<br />

Anstalt. Unter <strong>de</strong>m Motto »… und sind wir selber Götter« wird<br />

aus Schuberts 180 Jahre altem Lie<strong>de</strong>rzyklus nach Texten von<br />

Wilhelm Müller etwas Heutiges. Mit Pauken und Posaunen,<br />

Streichinstrumenten und Schlagwerk, unterstützt von Bratsche,<br />

Gitarre, Percussion und Klavier, vor allem aber mit berühren<strong>de</strong>m<br />

Gesang und wil<strong>de</strong>m Geschrei kämpfen die Winterreisen<strong>de</strong>n an<br />

gegen pillengesättigte Traurigkeit, gegen eine Welt, die sie<br />

kaltzustellen versucht. www.theater-rambazamba.org<br />

muss sitzen, da bin ich gna<strong>de</strong>nlos. Erst so schafft man eine gewisse<br />

Professionalität, alles an<strong>de</strong>re ist schlechtes Theater.« Eine<br />

<strong>de</strong>utliche Entwicklung seit <strong>de</strong>n Anfängen sei insgesamt zu erkennen.<br />

»Sie spielen mittlerweile mit so viele Tiefe und Ernsthaftigkeit<br />

und wollen auch Altes gar nicht mehr wie<strong>de</strong>rholen. Wenn ich<br />

ein Stück neu aufnehmen, kann ich also auch etwas dazu tun o<strong>de</strong>r<br />

weglassen, ohne dass sie das durcheinan<strong>de</strong>r bringt.«<br />

Gute Voraussetzungen also für einen weiteren gelungenen<br />

Theaterabend. Als die Vorstellung <strong>de</strong>r »Winterreise« beginnt, liegt<br />

eine eigenartige Spannung in <strong>de</strong>r Luft, ein Flimmern, so als<br />

bestün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Raum nur noch aus <strong>de</strong>r Energie <strong>de</strong>r Schauspieler.<br />

Vom Chaos <strong>de</strong>r Nachmittagsprobe ist nichts mehr zu spüren. Die<br />

Tür öffnet sich, ein letzter Zuschauer schlüpft hindurch – es ist die<br />

berühmte Schauspielerin Angela Winkler, <strong>de</strong>ren Tochter Nele im<br />

Ensemble spielt. Man merkt, sie ist hier zuhause; <strong>de</strong>n Auftritt ihres<br />

Kin<strong>de</strong>s genießt sie hörbar, immer wie<strong>de</strong>r ist ein glockenhelles<br />

Lachen zu vernehmen. Nele ist einfach wun<strong>de</strong>rbar, ihre leicht<br />

stocken<strong>de</strong>, aber lei<strong>de</strong>nschaftliche Art zu sprechen, ihre hingebungsvolle<br />

Art zu tanzen, wie sie ihr ganzes Sein auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong><br />

zum Strahlen bringt. Joachim, einer <strong>de</strong>r Erfahreneren im Ensemble,<br />

beeindruckt mit seiner kraftvollen Präsenz und rührt zugleich mit<br />

seinem klaren, beseelten Tenor. Grit, die Unsentimentale, pfeffert<br />

ihre Worte ganz unverblümt über die <strong>Bühne</strong>, so dass man nur<br />

staunen kann angesichts <strong>de</strong>r Kraft, die aus ihr herausströmt. Und<br />

Juliana zieht mit ihrer ungeheuer liebreizen<strong>de</strong>n Ausstrahlung alle<br />

Blicke auf sich. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Darsteller imponiert mit seiner ihm<br />

eigenen Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Die anfängliche<br />

Befürchtung, die behin<strong>de</strong>rten Künstler könnten auf unangenehme<br />

Weise vorgeführt wer<strong>de</strong>n, ist mit einem Mal erloschen. Wenn das<br />

keine Kunst ist, was dann? Gisela Höhne ist überzeugt, dass man<br />

ein Projekt wie RambaZamba nur leiten kann, wenn man die<br />

Wür<strong>de</strong> dieser beson<strong>de</strong>ren Menschen zu wahren weiß. »Das, was<br />

sie sind, muss Teil <strong>de</strong>s Kunstproduktes sein. Zu zeigen, was sie<br />

alles nicht können, geht überhaupt nicht, das wäre dann ein<br />

Vorführen ihrer Behin<strong>de</strong>rung, und das wollen wir nicht. Wir<br />

haben bisher immer erreicht, dass die Zuschauer nach wenigen<br />

Sekun<strong>de</strong>n vergessen, dass die Schauspieler an<strong>de</strong>rs sind.«<br />

Auch an diesem Abend ist dieses Phänomen zu bemerken. Die<br />

Zuschauer blicken wie gebannt auf die <strong>Bühne</strong> und belohnen die<br />

Leistung <strong>de</strong>r Akteure anschließend mit tosen<strong>de</strong>m Applaus. Sofort<br />

wird klar, es gibt keinen besseren Ort für diese kreativen Menschen<br />

als das Theater. Denn als Instrument <strong>de</strong>r Verkehrung<br />

<strong>de</strong>ssen, was gemeinhin als Normalität betrachtet wird, als Ort <strong>de</strong>s<br />

Absur<strong>de</strong>n, Phantastisch-Unlogischen eröffnet es <strong>de</strong>n Akteuren in<br />

ihrem »An<strong>de</strong>rssein« ungeahnte Möglichkeiten. Logische Strukturen<br />

gibt es nicht – und gera<strong>de</strong> das macht <strong>de</strong>n Charme und die<br />

Authentizität <strong>de</strong>s Spiels aus.<br />

»Ich kann diese Energie, die zwischen Schauspielern und<br />

Publikum entsteht, nicht trainieren, ich kann nur die Voraussetzungen<br />

dafür schaffen. Das ist natürlich eine Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />

aber das ist auch das, was ich an diesem Theater so liebe«, erklärt<br />

Höhne. Dass dies auch ohne klassische Schauspielausbildung<br />

funktioniert, bestätigt sich immer wie<strong>de</strong>r. Dennoch wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

Ensemble-Mitglie<strong>de</strong>rn täglich Grundtechniken vermittelt, um das<br />

künstlerische Niveau aufrecht zu erhalten. Von Zeit zu Zeit reisen<br />

Choreografen und Sänger an, um mit ihnen Bewegungs- o<strong>de</strong>r<br />

Stimmtechniken zu erarbeiten. Und das zahlt sich aus. Was vor<br />

drei Jahren lediglich Freizeitbeschäftigung war, ist mittlerweile zu<br />

einem festen Arbeitsplatz für die professionell spielen<strong>de</strong>n<br />

Künstler gewor<strong>de</strong>n. Ein großer Erfolg für alle Beteiligten.<br />

Und die Akteure? Die sind nach <strong>de</strong>r Aufführung glücklich, aber<br />

erschöpft. Nele hat sich am Finger verletzt und möchte lieber gleich<br />

nach Hause. Joachim gönnt sich noch ein Bier und Mario lehnt sich<br />

lässig in seinem Stuhl zurück. Aber vielmehr als ein »Ist gut gelaufen!«<br />

ist auch ihm nicht mehr zu entlocken.<br />

Wir lassen<br />

euch nicht<br />

hängen!<br />

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BERUFE AM THEATER<br />

schauspieler und sänger sitzen vor einem<br />

auftritt oft lange in <strong>de</strong>r Maske – und kommen<br />

nicht unbedingt schöner raus, als sie vorher<br />

waren... wer arbeitet eigentlich am gesicht<br />

<strong>de</strong>r darsteller und was zeichnet <strong>de</strong>n beruf<br />

<strong>de</strong>s maskenbildners aus?<br />

Von VERA SCORY<br />

--------------------<br />

Maskenbildnerin Caroline<br />

Müller-Karl bei <strong>de</strong>r Arbeit.<br />

Ganz nah<br />

am Menschen<br />

foto: privat<br />

foto: peter awtukowitsch<br />

fühlt man sich doch lebendig«, schwärmt Müller-Karl. Auch für<br />

die Chefmaskenbildnerin am Aalto-Theater Essen, Doris<br />

Kallmeyer-Rauh, sind Hektik, Stress und Unruhe ganz normale<br />

Bestandteile ihres Tagesablaufs. Müller-Karl arbeitet seit 10 Jahren<br />

als Maskenbildnerin, Kallmeyer-Rauh seit 35. Bei<strong>de</strong> berichten mit<br />

<strong>de</strong>rart anstecken<strong>de</strong>r Begeisterung von ihrem Beruf, dass man am<br />

liebsten selbst zu Knüpfna<strong>de</strong>l, Stielkamm und Schminkschwamm<br />

greifen möchte, <strong>de</strong>n wichtigsten Werkzeugen eines Maskenbildners.<br />

73<br />

72<br />

Sabina Martin als<br />

sichtbar kranke Violetta in<br />

»La traviata« am Theater<br />

Plauen-Zwickau.<br />

foto: peter awtukowitsch<br />

Violetta stirbt. Die Kamera zoomt ran. Je<strong>de</strong>s Zucken ist auf <strong>de</strong>r<br />

Leinwand in Großaufnahme zu sehen, ihr kahler Kopf erzählt die<br />

Geschichte einer qualvollen Krankheit. Die Bil<strong>de</strong>r erinnern an <strong>de</strong>n<br />

englischen Big-Brother-»Star« Ja<strong>de</strong> Goody, die ihren monatelangen<br />

Krebstod medial begleiten ließ. »Der Zoom bringt mich je<strong>de</strong>s Mal<br />

ins Schwitzen, man sieht je<strong>de</strong>n Stoppelpunkt, da muss die Glatze<br />

perfekt sitzen«, sagt Chefmaskenbildnerin Caroline Müller-Karl.<br />

Am Theater Plauen-Zwickau gehört das <strong>de</strong>tailgenaue<br />

Sterben zur Inszenierung <strong>de</strong>r Oper »La traviata«. Im ersten Akt<br />

hatte Violetta noch lange glänzen<strong>de</strong> Haare, war das blühen<strong>de</strong><br />

Leben. In <strong>de</strong>r 20-minütigen Pause bekommt sie von Müller-Karl<br />

und zwei Kolleginnen eine Glatze aufgeklebt, die Kopfform muss<br />

natürlich aussehen, die Übergänge zur Haut unsichtbar sein. Je<strong>de</strong>n<br />

Abend lei<strong>de</strong>t Violetta auf <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong>, je<strong>de</strong>n Abend bringt die<br />

Maske die gleiche präzise und schnelle Leistung, die Kamera ist<br />

unerbittlich. »Natürlich ist das immer hektisch. Aber das ist das<br />

Tolle am Theater, je<strong>de</strong>n Tag wird eine neue Welt entworfen, da<br />

-----------------------------------------------<br />

»Der Mensch ist <strong>de</strong>r<br />

Ausgangspunkt je<strong>de</strong>r Maske.«<br />

-----------------------------------------------<br />

Zusammen mit <strong>de</strong>r Kostümabteilung, <strong>de</strong>r Regie und <strong>de</strong>n Künstlern<br />

erwecken Maskenbildner einen <strong>Bühne</strong>ncharakter zum Leben,<br />

arbeiten kontinuierlich am Gesamtkonzept mit. Nach Figurinenzeichnungen<br />

folgt die Umsetzung mit verschie<strong>de</strong>nsten Materialien,<br />

Farben und Stoffen. Am Theater wird das meiste noch selbst<br />

angefertigt, da bei je<strong>de</strong>r Inszenierung ganz individuell festgelegt<br />

wird, wie die Darsteller auszusehen haben. Perücken o<strong>de</strong>r Bärte<br />

wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Hand geknüpft, rund 40 Arbeitsstun<strong>de</strong>n dauert<br />

die Herstellung einer einzigen Perücke. Manchmal arbeiten die<br />

Maskenbildner lange an einem bestimmten Effekt. »Bei unserer<br />

»Elegie für junge Lieben<strong>de</strong>« musste ein Darsteller aussehen, als<br />

wäre er 40 Jahre lang im Eis eingefroren gewesen. Wir haben<br />

wochenlang probiert, bis das Eis auf seinem Körper glaubwürdig<br />

bis in die letzte Zuschauerreihe aussah und <strong>de</strong>m Scheinwerferlicht<br />

standhielt«, sagt Kallmeyer-Rauh. Das klebrige Gel, das für<br />

Ultraschalluntersuchungen verwen<strong>de</strong>t wird, erzielte in Kombination<br />

mit einer bestimmten Schminktechnik schließlich <strong>de</strong>n gewünschten<br />

Glimmer-Effekt.<br />

Als beson<strong>de</strong>rs reizvoll empfin<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Maskenbildnerinnen<br />

die Mischung zwischen hoch konzentrierter Feinarbeit, schneller<br />

Improvisation und viel Trubel. Die filigrane, fast meditative<br />

Arbeit an einer Perücke, einem Bart o<strong>de</strong>r einer Kascheemaske, am<br />

liebsten morgens ganz früh, wenn es im Theater noch still ist. Die<br />

Aufregung vor und während <strong>de</strong>r Vorstellung, wenn nachgebessert,<br />

angeklebt, umgeschminkt wer<strong>de</strong>n muss. Aber das Schönste<br />

ist die Arbeit am und mit Menschen, die Kommunikation mit


DIE RUBRIK AUSBILDUNG<br />

--------------------<br />

Ausbildungsinhalte<br />

--------------------------<br />

Bereich Haare u.a.: Historische und zeitgenössische<br />

Frisuren, Haarteile einfrisieren,<br />

Perücken und Bärte knüpfen;<br />

Bereich Make-Up u.a.: Charakterschminke,<br />

Schönschminke, Altschminke;<br />

Bereich Special Effects u.a.: Wun<strong>de</strong>n, Entstellungen,<br />

Prothesen, Maskenherstellung und Formenbau.<br />

Ausbildung<br />

---------------<br />

Dreijährige Ausbildung nach <strong>de</strong>m dualen System,<br />

d.h. an einem Theater und an einer <strong>de</strong>r staatlichen<br />

Berufsschulen in Köln, Hamburg, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n,<br />

Berlin. Die Prüfung erfolgt an <strong>de</strong>r IHK.<br />

Studium<br />

-----------<br />

Hochschule für Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Künste Dres<strong>de</strong>n<br />

Schulische Voraussetzung: Hochschulbzw.<br />

Fachhochschulreife, Studiengebühren:<br />

keine, Abschluss: Diplom.<br />

Weitere Infos unter www.hfbk-dres<strong>de</strong>n.<strong>de</strong><br />

Bayerische Theateraka<strong>de</strong>mie im<br />

Prinzregententheater München<br />

Schulische Voraussetzung: Hochschulo<strong>de</strong>r<br />

Fachhochschulreife, alternativ<br />

Mittlere Reife o<strong>de</strong>r qualifizierter Hauptschulabschluss<br />

in Kombination mit einem<br />

berufsrelevanten Ausbildungsabschluss,<br />

Studiengebühren: 400 Euro pro Semester,<br />

Abschluss: Bachelor of Arts. Weitere Infos<br />

unter www.theateraka<strong>de</strong>mie.<strong>de</strong><br />

Weitere Informationen<br />

-------------------------------<br />

Einen guten Überblick über Beruf<br />

und Berufsumfeld gibt es bei <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>svereinigung Maskenbild,<br />

bun<strong>de</strong>svereinigung-maskenbild.<strong>de</strong>,<br />

dort gibt es auch Informationen<br />

über die kostenpflichtigen<br />

Privatschulen.<br />

Außer<strong>de</strong>m gibt es Infos auf<br />

www.buehnenverein.<strong>de</strong> im Kapitel<br />

Jobs und Ausbildung. Bestellen kann<br />

man dort auch die Printbroschüre<br />

»Berufe am Theater«.<br />

In <strong>de</strong>r Masken-Werkstatt<br />

<strong>de</strong>s Essener Opernhauses.<br />

Vera Scory, die Autorin dieses Artikels, ist Referentin<br />

für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in <strong>de</strong>r Hauptgeschäftsstelle<br />

<strong>de</strong>s Deutschen <strong>Bühne</strong>nvereins.<br />

foto: aalto-theater<br />

9. 10. 2010 im Schauspielhaus/Studio<br />

Die Geschichte von Lena<br />

von Michael Ramlse<br />

und Kira Elhauge<br />

4. 11. 2010 im Schauspielhaus/Foyer<br />

Hinter <strong>de</strong>n Rosen<br />

Musiktheater von Marc Neikrug<br />

23. 11. 2010 im Opernhaus/Podium<br />

Tausendschön<br />

Ballettmärchen für Kin<strong>de</strong>r<br />

28. 11. 2010 im Opernhaus/<strong>Bühne</strong><br />

Der Räuber Hotzenplotz<br />

Märchen von Otfried Preußler<br />

16. 2. 2011 im Opernhaus/Podium<br />

Die Waldkin<strong>de</strong>r<br />

Taschenoper von Wilfried Hiller<br />

SPIE LZEIT<br />

2010<br />

2011<br />

74<br />

<strong>de</strong>nen, die sie je<strong>de</strong>n Abend verwan<strong>de</strong>ln. »Der Mensch ist <strong>de</strong>r<br />

Ausgangspunkt je<strong>de</strong>r Maske«, sagt Müller-Karl. »Künstler und<br />

Maskenbildner kommen sich sehr nahe, aber es hat nichts Grenzüberschreiten<strong>de</strong>s.<br />

Es ist eine ganz beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Intimität.<br />

Man lernt voneinan<strong>de</strong>r, man spricht viel, man schweigt miteinan<strong>de</strong>r.«<br />

Die klassischen Einstiegsfragen, wenn <strong>de</strong>r Maskenbildner<br />

<strong>de</strong>n Künstler noch gar nicht kennt, sind die nach Hautunverträglichkeiten,<br />

Kontaktlinsen, Haarproblemen. »Sänger und Schaupieler<br />

sind sehr unterschiedlich, die muss man auch unterschiedlich<br />

behan<strong>de</strong>ln,« sagt die Zwickauer Maskenbildnerin. Sie hat selbst<br />

musiziert, kann sich daher gut in <strong>de</strong>n körperlichen Zustand einer<br />

Sängerin hineinversetzen. Interesse an Menschen und an <strong>de</strong>r<br />

Kunst, Kommunikationsfähigkeit, Neugier, Offenheit und eine<br />

gewisse menschliche Reife machen einen guten Maskenbildner<br />

aus. Und natürlich eine gute Ausbildung.<br />

-----------------------------------------------<br />

»Kein Lockendrehen nach Schema-F.«<br />

-----------------------------------------------<br />

Seit 2003 gibt es eine eigenständige Ausbildung zum Staatlich<br />

Geprüften Maskenbildner (Ausbildungsinfos s. Kasten). Eine Friseurlehre<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re praktische Erfahrungen steigern allerdings die<br />

Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Am Aalto-Theater müssen<br />

Azubis vor <strong>de</strong>r Ausbildung ein Praktikumsjahr absolvieren. »In<br />

<strong>de</strong>r Maske zählen Kreativität und praktisches Talent. Da kann die<br />

Bewerbungsmappe noch so hübsch sein, je<strong>de</strong>r Ausbil<strong>de</strong>r erkennt<br />

sofort, ob du dir anhand einer Figurine eigenständig etwas erarbeitest<br />

o<strong>de</strong>r ob du für eine bestimmte Rokoko-Frisur nur nach Schema-F.-Locken<br />

drehst«, so Kallmeyer-Rauh. Sie rät dazu, sich genau<br />

zu informieren und vor Ort am Theater zu fragen, welche Schulen<br />

zu empfehlen sind. »Privatschulen lehren oft ein wenig am Berufsalltag<br />

vorbei.« Auch bei <strong>de</strong>n Studiengängen gibt es Praxisbausteine,<br />

die entschei<strong>de</strong>nd sind auf <strong>de</strong>m Weg in <strong>de</strong>n Beruf.<br />

------------------------------------------<br />

X-Men, Blut und Bürokratie<br />

------------------------------------------<br />

Die Ausbildung in Deutschland umfasst die Bereiche Make-Up,<br />

Special Effects und Haararbeiten. Special Effects wer<strong>de</strong>n in<br />

Theatermasken immer wichtiger. »Dazu gehören beispielsweise<br />

Wun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Blutfontänen. Aber auch die Filmästhetik hat einen<br />

großen Einfluss auf die visuellen Vorstellungen <strong>de</strong>r Regisseure, das<br />

müssen wir natürlich umsetzen,« sagt Kallmeyer-Rauh und zeigt<br />

geflügelte Figurinen für eine »Tannhäuser«-Produktion, die stark an<br />

»Angel« aus <strong>de</strong>m Superhel<strong>de</strong>n-Film »X-Men« erinnern. Büroarbeit<br />

gehört vor allem für Leitungspositionen zum Berufsalltag. »Die<br />

Sicherheitsauflagen sind in <strong>de</strong>n letzten Jahren strenger gewor<strong>de</strong>n,<br />

wir gehen ja täglich mit Gefahrenstoffen wie Silikon, Aceton,<br />

Spiritus, Haar- o<strong>de</strong>r Farbspray um«, so die Essener Maskenbildnerin.<br />

Ein weiteres Gesundheitsrisiko sind Rücken-schä<strong>de</strong>n durch das<br />

ständige Stehen und Arbeiten in gebückter Haltung, morgens beim<br />

konzentrierten Arbeiten in <strong>de</strong>r Werkstatt o<strong>de</strong>r beim Abenddienst.<br />

Lange Arbeitszeiten sind normal, wie für die meisten Theatermitarbeiter<br />

gilt auch für Maskenbildner selbstverständlich Dienst an<br />

Sonn- und Feiertagen und lediglich ein großer Urlaub im Jahr<br />

während <strong>de</strong>r Sommerpause.<br />

-----------------------------------------------<br />

Fest angestellt o<strong>de</strong>r frei –<br />

reich wird man nicht<br />

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Es gibt mehr weibliche als männliche Maskenbildner. Bis in die 60er<br />

Jahre war das noch an<strong>de</strong>rs, da arbeiteten aber auch mehr Männer in<br />

<strong>de</strong>n damals noch gesellschaftlich anerkannteren Berufen Friseur<br />

o<strong>de</strong>r Barbier. Müller-Karl vermutet, dass es auch am Verdienst<br />

liegt. Als Maskenbildner wird man – wie überall am<br />

Theater – nicht reich, die Bezahlung erfolgt nach Tarifvertrag,<br />

fällt aber je nach Standort o<strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>s Theaters unterschiedlich<br />

aus. Ein Jahrespraktikum wird meist nur mit 100<br />

Euro monatlich entlohnt, da geht es nicht ohne an<strong>de</strong>re Geldquellen.<br />

Beim Einstiegsgehalt kommt man auf ca. 1250 Euro<br />

brutto. Arbeitsplätze sind ebenso wie Ausbildungsplätze rar.<br />

In Essen bewerben sich auf einen Ausbildungsplatz oft 250<br />

Leute. Die Finanzkrise hinterlässt auch im Theater ihre<br />

Spuren, zurzeit stellt selbst die große Maske <strong>de</strong>r Aalto-Oper<br />

keine Azubis ein. Dort arbeiten neben <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Leitern<br />

Kallmeyer-Rauh und Frank Landau 20 Personen, beim<br />

fusionierten Theater Plauen-Zwickau sind insgesamt neun<br />

Leute für alle Sparten und bei<strong>de</strong> Standorte verantwortlich.<br />

Freie Maskenbildner arbeiten zumeist für die Werbe-, Kosmetik-<br />

o<strong>de</strong>r Filmbranche, eher selten am Theater. »Bei großen<br />

Produktionen wie <strong>de</strong>r »Evita« auf <strong>de</strong>r Freilichtbühne mit 60<br />

Perücken und 150 Personen im Extra-Chor benötigen wir<br />

manchmal Zusatzmaskenbildner, entwe<strong>de</strong>r Kollegen aus<br />

an<strong>de</strong>ren Häusern o<strong>de</strong>r Freie«, berichtet Müller-Karl.<br />

Kallmeyer-Rauh ist Prüferin bei <strong>de</strong>r Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammer<br />

(IHK) Köln, an <strong>de</strong>r durchschnittlich 15 junge Leute<br />

pro Jahr ihre Maskenbildnerprüfung ablegen, 2009 allerdings<br />

lediglich vier. Um die Qualität <strong>de</strong>s Nachwuchses macht sie<br />

sich keine Sorgen, kümmert sich auch selbst tatkräftig darum.<br />

An einem Tag <strong>de</strong>r offenen Tür brachte sie vor einigen<br />

Wochen eine Schulklasse <strong>de</strong>sinteressierter Teenies dazu, dass<br />

sie mit Begeisterung stun<strong>de</strong>nlang in <strong>de</strong>n Räumen <strong>de</strong>r Maske<br />

Filzblumen bastelten und sich die Haare hippiemäßig frisierten.<br />

»Die meisten hatten keine Ahnung von ihrer Kreativität,<br />

davon, dass sie selber etwas gestalten können.« Am Abend<br />

haben dann alle mit <strong>de</strong>n Blumen im Haar »Jesus Christ<br />

Superstar« im Aalto-Theater angeschaut. Und ganz nebenbei<br />

<strong>de</strong>n Zauber <strong>de</strong>r Maskenbildner-Welt kennen gelernt.<br />

WANN<br />

27. MAI BIS 4. JUNI 2011<br />

WO<br />

IN BERLIN<br />

EINSENDESCHLUSS<br />

bis 7. Februar 2011<br />

ANMELDUNG FACHFOREN<br />

ab Januar 2011<br />

BEWERBUNGSINFOS<br />

www.theatertreffen-<strong>de</strong>r-jugend.<strong>de</strong><br />

Theater<br />

Mag<strong>de</strong>burg<br />

Kartentelefon: (0391) 540 65 55<br />

www.theater-mag<strong>de</strong>burg.<strong>de</strong><br />

WAS<br />

AUFFÜHRUNGEN, WORKSHOPS,<br />

FACHFOREN, NETZWERK +<br />

VIELES MEHR …<br />

JETZT BEWERBEN!<br />

Jugendkulturelle Bun<strong>de</strong>swettbewerbe<br />

Berliner Festspiele, Schaperstraße 24<br />

10719 Berlin, Tel (030) 25489–213<br />

blog.theatertreffen-<strong>de</strong>r-jugend.<strong>de</strong><br />

www.facebook.com


KRASS UND kurios<br />

KRASS UND KURIOS<br />

Operntexte in neuer Form<br />

Mör<strong>de</strong>risch<br />

Wodka live<br />

RUBRIK<br />

Vermischte Meldungen aus<br />

<strong>de</strong>r Theaterwelt<br />

foto: komische oper berlin · hanns joosten<br />

In <strong>de</strong>r Oper lauscht man <strong>de</strong>m Gesang, <strong>de</strong>m<br />

Orchester – und verfolgt die Handlung. Doch bei<br />

Stücken auf italienisch o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>rer Sprache<br />

gestaltet sich letzteres mitunter schwierig. Dafür<br />

gibt es Übertitelungsanlagen, welche <strong>de</strong>n<br />

Text in <strong>de</strong>utscher Sprache über <strong>de</strong>r <strong>Bühne</strong> einblen<strong>de</strong>n.<br />

Doch <strong>de</strong>r hohe Aufwand an Konzentration<br />

und das ständige Hoch- und Runterschauen<br />

versprechen auf Dauer wenig Kurzweil. In<br />

einigen Opernhäusern hat man nun neue Anlagen<br />

installiert, die Abhilfe schaffen sollen: Der<br />

Text wird in einem kleinen Bildschirm in <strong>de</strong>r<br />

Lehne <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rsitzes eingeblen<strong>de</strong>t. Hier<br />

können bis zu 10 Sprachen eingestellt wer<strong>de</strong>n,<br />

außer<strong>de</strong>m sind die Bildschirme graphikfähig und<br />

können auf bestimmte Gäste individuell eingestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Was <strong>de</strong>r Nacken nicht mehr mitmachen<br />

muss, übernehmen jetzt die Augen – diese<br />

müssen sich im ständigen Wechsel auf Nähe<br />

und Weite einstellen.<br />

Mangeln<strong>de</strong>n Einfallsreichtum kann<br />

man <strong>de</strong>m Theater Déboulonné nicht<br />

vorwerfen. Das nordfranzösische<br />

Theater hatte an die Medien unkonventionelle<br />

Einladungen zu einer Aufführung<br />

von »Der stumme Diener« verschickt,<br />

in Form eines kleinen, schwarzen<br />

Pappsargs inklusive einer Kugel<br />

und <strong>de</strong>r schriftlichen Mitteilung: »Bald<br />

haben Sie eine Verabredung mit Ben<br />

und Gus«. Was als humorvoll-kreative<br />

Werbung gedacht war, en<strong>de</strong>te alsbald<br />

in einem Anzeigenhagel: Viele <strong>de</strong>r<br />

Empfänger verstan<strong>de</strong>n die Einladung<br />

als Morddrohung und wandten sich<br />

an die Polizei. So wur<strong>de</strong> ermittelt, bis<br />

Phillippe Habart, Leiter <strong>de</strong>s Theaters,<br />

sich entschuldigte und das Missverständnis<br />

aufklärte: »Wir sind keine<br />

Kriminellen, wir sind nicht gefährlich.«<br />

Durchaus – getrunken wird in so manchem Theaterstück. Betrunkenes Lallen und Gestolper<br />

wird anschließend gemimt. Eigentlich (siehe dazu junge bühne 2009, S. 62 ff.). In Frankfurt<br />

schritten dagegen im Januar 2010 einige Darsteller vom Schauspiel zur Tat – und betranken<br />

sich mit echtem Wodka. Eine Lesung von »Die Reise nach Petuschki« in <strong>de</strong>r »Box«, <strong>de</strong>r<br />

kleinen Experimentalbühne <strong>de</strong>s Schauspiels Frankfurt, en<strong>de</strong>te in einer Art Saufgelage. Ein<br />

Schauspieler fiel nach <strong>de</strong>r Vorstellung sogar um und musste im Krankenhaus ausnüchtern.<br />

Dass diese Reise zu weit ging, stellten auch Intendant Oliver Reese und Stefanie Eue, Sprecherin<br />

<strong>de</strong>s Schauspiels, fest. Man habe hierfür später klare Worte gefun<strong>de</strong>n.<br />

Fritten und Operntickets<br />

Das eine hat mit <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren auf <strong>de</strong>n ersten Blick nicht viel zu tun – im schwedischen<br />

Malmö allerdings schon. Hier stellt das Ganze eine ungewöhnliche Marketingstrategie<br />

<strong>de</strong>s städtischen Musiktheaters dar: Inzwischen kann man als Zuschauer nämlich seine<br />

Opernkarten an <strong>de</strong>r Imbissbu<strong>de</strong> kaufen. Ziel: Man möchte ein größeres Publikum<br />

erreichen, auch diejenigen, für die die Oper auf <strong>de</strong>n ersten Blick zu elitär ist, so ein<br />

Pressesprecher <strong>de</strong>r Oper.<br />

77<br />

spielzeit 10/11<br />

kin<strong>de</strong>r- und jugendtheater<br />

dortmund<br />

premieren<br />

prinz friedrich<br />

von homburg<br />

von Heinrich von Kleist<br />

Regie: Johanna Weißert<br />

24. September 2010<br />

räuber_spielen<br />

nach Friedrich Schillers „Die Räuber“<br />

Regie: Frank Hörner<br />

Koproduktion mit <strong>de</strong>m<br />

theaterkohlenpott Herne<br />

13. November 2010<br />

das kalte herz<br />

Weihnachtsmärchen von Andreas Gruhn<br />

Regie: Andreas Gruhn<br />

18. November 2010<br />

koma o.k.<br />

Projekt mit jungen Menschen<br />

und Schauspielern<br />

Leitung: Andreas Gruhn,<br />

Christine Köck, Isabel Stahl<br />

24. Februar 2011<br />

tintenherz<br />

von Cornelia Funke, für die<br />

<strong>Bühne</strong> bearbeitet von Robert Koall<br />

Regie: Antje Siebers<br />

15. April 2011<br />

frühstück mit wolf<br />

von Gertrud Pigor<br />

Regie: Hartmut El Kurdi<br />

10. Juni 2011<br />

wie<strong>de</strong>raufnahmen<br />

nur ein tag<br />

von Martin Baltscheit<br />

big <strong>de</strong>al?<br />

von David S. Craig<br />

ich bin ein guter vater<br />

von Jörg Menke-Peitzmeyer<br />

spatz fritz<br />

von Rudolf Herfurtner<br />

tickets 0231/50 27 222 und www.theaterdo.<strong>de</strong><br />

Foto: Stage Picture<br />

inszenierung felix strasser<br />

9/11<br />

jugendclub<br />

premiere 02.07.11


KRASS UND KURIOS<br />

DIE SPIELZEIT 10/11<br />

Kirche und Kunst<br />

Zwecks Zusammenführung <strong>de</strong>r Katholischen Kirche mit <strong>de</strong>n<br />

Kulturschaffen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zeit lud Papst Benedikt XVI. im November<br />

vergangenen Jahres eine kunterbunte Run<strong>de</strong> von 260 international<br />

erfolgreichen Künstlern zu einem Vortrag in die Sixtinische<br />

Kapelle ein: Regisseure, Sänger, Schauspieler, Maler, Komponisten,<br />

Architekten – ein spartenübergreifen<strong>de</strong>r Rundumschlag<br />

also. Immerhin: Ein Taufschein war für die Einladung nicht<br />

nötig. Die Reaktionen: durchaus unterschiedlich. Während <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utsche Theaterregisseur Peter Stein wegen <strong>de</strong>r Akustik nahezu<br />

nichts verstand, vor allem seine italienische Frau begleiten und<br />

Michelangelos Fresken betrachten wollte, waren an<strong>de</strong>re Gäste<br />

wie Andrea Bocelli tief bewegt. Gesponsert wur<strong>de</strong> das Treffen<br />

übrigens von einem Turiner Spirituosenhersteller.<br />

Elfrie<strong>de</strong> Jelinek<br />

Das Werk / Im Bus (ua) /<br />

eIn sturz (ua)<br />

Regie: Karin Beier<br />

Clemens Sienknecht<br />

söhne Des Äthers<br />

Regie: Clemens Sienknecht<br />

Wim Van<strong>de</strong>keybus<br />

monkey sanDWIch<br />

Regie: Wim Van<strong>de</strong>keybus<br />

Nach Motiven von Hans Christian An<strong>de</strong>rsen<br />

Des kaIsers neue kleIDer<br />

Regie: Schorsch Kamerun<br />

Suse Wächter und an<strong>de</strong>re<br />

agrIppIna – DIe kaIserIn aus köln<br />

Regie: Suse Wächter<br />

Anton Tschechow<br />

Der kIrschgarten<br />

Regie: Karin Henkel<br />

Iwan Alexandrowitsch Gontscharow<br />

oBlomoW<br />

Regie: Alvis Hermanis<br />

Virginia Woolf<br />

DIe Wellen<br />

Regie: Katie Mitchell<br />

Bertolt Brecht<br />

DIe DreIgroschenoper<br />

Regie: Nicolas Stemann<br />

Namenskampf<br />

Rheinische Rebellen 2.0 / Jugendclub<br />

Bau mIr eIn haus aus Den<br />

knochen von chargesheImer<br />

Szenische Leitung: Anna Horn<br />

Nikolai Wassiljewitsch Gogol / András Vinnai<br />

Der revIsor<br />

Regie: Viktor Bodó<br />

Antonio Latella<br />

mamma mafIa<br />

Regie: Antonio Latella<br />

Samuel Beckett<br />

Warten auf goDot<br />

Regie: Thomas Dannemann<br />

Rolf Dieter Brinkmann<br />

keIner WeIss mehr<br />

Regie: Stefan Nagel<br />

illustration: felix bra<strong>de</strong>n<br />

Fußballstadien wer<strong>de</strong>n ja gerne mal nach ihren Sponsoren benannt<br />

und tragen dann das Etikett großer Geldinstitute o<strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftsunternehmen. Dass dies auch bei Theatern üblich<br />

wäre, lässt sich nicht behaupten – Ausnahmen bestätigen jedoch<br />

die Regel. Nach<strong>de</strong>m die Citibank das argentinische Theaterhaus<br />

und Kino Teatro Opera gekauft und restauriert hatte, wur<strong>de</strong> es vom<br />

neuen Eigentümer kurzerhand in Citi umbenannt. Sehr zur<br />

Empörung <strong>de</strong>r Menschen vor Ort, die sogleich gegen die werbewirksame<br />

Neuerung protestierten. Das 140 Jahre alte Gebäu<strong>de</strong> in<br />

Buenos Aires steht unter Denkmalschutz. Deshalb seien etwaige<br />

Verän<strong>de</strong>rungen – wie auch die <strong>de</strong>s Namens – erst zu genehmigen,<br />

so das Argument vieler Theaterschaffen<strong>de</strong>r und Intellektueller, die<br />

jetzt <strong>de</strong>n Namen Teatro Opera zurückfor<strong>de</strong>rn.<br />

SIGNA<br />

DIe hunDsprozesse<br />

Konzept & Regie: Signa & Arthur Köstler,<br />

Thomas Bo Nilsson<br />

ANTIGONE<br />

von Sophokles<br />

Inszenierung: Jan Stephan Schmieding<br />

Premiere: 17. September 2010, Halle Beuel<br />

NATHAN DER WEISE<br />

von Gotthold Ephraim Lessing<br />

Inszenierung: Franziska Marie Gramss<br />

Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen<br />

Premiere: 22. September 2010, Werkstatt<br />

PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG<br />

von Heinrich von Kleist<br />

Inszenierung: Stefan Heiseke<br />

Premiere: 24. September 2010, Kammerspiele<br />

In Kooperation mit Les Ballets C <strong>de</strong> la B<br />

GARDENIA<br />

von Alain Platel/Frank van Laecke,<br />

I<strong>de</strong>e: Vanessa van Durme<br />

Inszenierung u. Choreografie: Alain Platel/Frank van Laecke<br />

7. und 8. Oktober 2010, Kammerspiele<br />

Familienstück<br />

PÜNKTCHEN UND ANTON<br />

von Erich Kästner<br />

Inszenierung: Frank Heuel<br />

Premiere: 6. November 2010, Kammerspiele<br />

Eine Koproduktion von THEATER BONN<br />

und <strong>de</strong>m Théâtre National du Luxembourg<br />

HEDDA GABLER<br />

von Henrik Ibsen<br />

Inszenierung: Klaus Weise<br />

Premiere: 13. November 2010, Kammerspiele<br />

Uraufführung/Auftragswerk<br />

LASST EUCH ÜBERRASCHEN!(Arbeitstitel)<br />

Ein Weihnachtsstück von Frau Berg<br />

Inszenierung: Maaike van Langen<br />

Premiere: 3. Dezember 2010, Kammerspiele<br />

Deutschsprachige Erstaufführung<br />

DAS ENDE DES REGENS<br />

von Andrew Bovell<br />

Inszenierung: Klaus Weise<br />

Premiere: 10. Dezember 2010, Halle Beuel<br />

Uraufführung/Auftragswerk<br />

EIN NEUES STÜCK<br />

von Lothar Kittstein<br />

Premiere: 26. Januar 2011, Werkstatt<br />

In Kooperation mit <strong>de</strong>n New York City Players<br />

ODE TO THE MAN WHO KNEELS<br />

von Richard Maxwell<br />

Inszenierung: Richard Maxwell<br />

Premiere: 28. Januar 2011, Halle Beuel<br />

TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN<br />

von Arthur Miller<br />

Premiere: 5. Februar 2011, Kammerspiele<br />

HERR PUNTILA<br />

UND SEIN KNECHT MATTI<br />

von Bertolt Brecht<br />

Inszenierung: Johannes Lepper<br />

Premiere: 25. März 2011, Kammerspiele<br />

GESCHICHTEN<br />

AUS DEM WIENERWALD<br />

von Ödön von Horváth<br />

Inszenierung: Klaus Weise<br />

Premiere: 1. April 2011, Halle Beuel<br />

LULU<br />

von Frank We<strong>de</strong>kind<br />

Inszenierung: Markus Dietz<br />

Premiere: 27. Mai 2011, Kammerspiele<br />

EINE FAMILIE<br />

von Tracy Letts<br />

Inszenierung: Ingo Berk<br />

Premiere: 15. Juni 2011, Werkstatt<br />

THEATERKASSE: 0221/221 28400 / WWW.SCHAuSpIELKoELN.DE<br />

Karten und Infos:<br />

0228 77 80 08 und 80 22


Betreff: Spielzeit 2010/2011<br />

Gesen<strong>de</strong>t: 10.09.2010<br />

Von: Betreff: Schauspiel Spielzeit Stuttgart 2010/2011 <br />

An: Gesen<strong>de</strong>t: Die <strong>Junge</strong> 10.09.2010 <strong>Bühne</strong> <br />

Von: Schauspiel Stuttgart <br />

An: Die <strong>Junge</strong> <strong>Bühne</strong> <br />

Metropolis.<br />

Metropolis.<br />

SchauSpiel Stuttgart<br />

Oberer Schlossgarten 6, 70173 Stuttgart<br />

SchauSpiel www.staatstheater.stuttgart.<strong>de</strong>/schauspiel<br />

Stuttgart<br />

Oberer Schlossgarten 6, 70173 Stuttgart<br />

www.staatstheater.stuttgart.<strong>de</strong>/schauspiel<br />

Seite 1<br />

w w w . s t r i c h p u n k t - d e s i g n . d e

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