Soziale Mobilität - Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
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4 <strong>Soziale</strong> <strong>Mobilität</strong><br />
große Ungleichheiten beim Zugang zu Kapital<br />
bzw. zu Unternehmerpositionen.<br />
Schon im ersten Drittel des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />
das eine deutliche Expansion der Angestellten-<br />
<strong>und</strong> Beamtenschaft mit sich brachte<br />
(der Anteil dieser beiden Kategorien an allen<br />
Erwerbstätigen wuchs im Deutschen Reich<br />
von gut 8% im Jahre 1895 auf r<strong>und</strong> 19% im<br />
Jahre 1939), vergrößerten sich die <strong>Mobilität</strong>sströme<br />
deutlich. Im Zeitraum von der Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />
bis in die späten 20er Jahre<br />
stieg dabei auch die Zirkulationsmobilität, so<br />
daß man von einer allmählichen Verminderung<br />
von Chancenungleichheiten sprechen<br />
kann (vgl. Kaelble 1983).<br />
Die Nachkriegsperiode ist schließlich<br />
durch eine durchgängige Tertiärisierung, also<br />
durch das Wachstum des tertiären oder Dienstleistungssektors<br />
gekennzeichnet: In Westdeutschland<br />
ging zwischen 1950 <strong>und</strong> dem<br />
Ende der 80er Jahre der Anteil der im primäragrarischen<br />
Sektor Erwerbstätigen von fast<br />
24% auf unter 4% zurück. Der sek<strong>und</strong>äre oder<br />
industrielle Sektor wuchs von etwa 43% im<br />
Jahre 1950 auf fast 50% in den 70er Jahren,<br />
verkleinerte sich dann aber auf gut 40% am<br />
Ende der 80er Jahre. Der tertiäre Sektor dehnte<br />
sich dagegen kontinuierlich von r<strong>und</strong> 33%<br />
auf mehr als 55% aus. Die Arbeiterschaft<br />
schrumpfte im gleichen Zeitraum von gut<br />
50% auf knapp 40%, während die Angestellten<br />
<strong>und</strong> Beamten von etwa 20% auf mehr als<br />
50% zunahmen (vgl. Berger 1986).<br />
Wegen der geschärften Aufmerksamkeit<br />
für Chancenungleichheiten, die dem Leistungsprinzip<br />
als zentraler Legitimationsgr<strong>und</strong>lage<br />
sozialer Ungleichheit in westlichen Gesellschaften<br />
zuwiderlaufen, kam es in der Nachkriegszeit<br />
zu einer Vielzahl international vergleichender<br />
<strong>Mobilität</strong>suntersuchungen, die<br />
sich schwergewichtig mit der intergenerationellen<br />
<strong>Mobilität</strong> beschäftigten. Dabei wurde<br />
u.a. deutlich, daß zwischen den <strong>Mobilität</strong>smustern<br />
einzelner Nationalgesellschaften z.T.<br />
erhebliche Unterschiede bestehen. Bei den in<br />
relativen <strong>Mobilität</strong>sraten gemessenen Chancenungleichheiten<br />
zeigte sich jedoch auch eine<br />
große historische Konstanz.<br />
Mit Blick auf die absoluten Raten intergenerationeller<br />
<strong>Mobilität</strong> findet man allerdings<br />
in den westeuropäischen Gesellschaften durchgängig<br />
einen Rückgang der Immobilität bei den<br />
Landwirten, einen Anstieg der <strong>Mobilität</strong> aus<br />
der Landwirtschaft in den Bereich der industriellen<br />
Arbeiterschaft <strong>und</strong> eine leichte Zunahme<br />
bei den Söhnen, deren Väter Landwirte oder<br />
Arbeiter waren <strong>und</strong> die nun in sog. „Dienstklassenpositionen“<br />
einrücken. Für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland ergibt sich aus einer vergleichenden<br />
Perspektive bei diesen beiden <strong>Mobilität</strong>spfaden<br />
bis in die frühen 70er Jahre hinein<br />
eine besonders starke Zunahme der <strong>Mobilität</strong>squoten<br />
(vgl. Erikson/Goldthorpe 1992). Im<br />
Rahmen eines internationalen Vergleichs, der<br />
35 Staaten umfaßte, konnte schließlich gezeigt<br />
werden, daß es in neuerer Zeit auch im Hinblick<br />
auf relative <strong>Mobilität</strong>sraten einen weltweiten<br />
Trend zu mehr „Offenheit“ gibt, dem<br />
die B<strong>und</strong>esrepublik in Verein mit anderen<br />
fortgeschrittenen Industriegesellschaften<br />
gefolgt ist (vgl. Ganzeboom u.a. 1989).<br />
2.2 Intergenerationelle <strong>Mobilität</strong> in der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> in der DDR<br />
Sowohl berufsstrukturelle Wandlungen in<br />
Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft<br />
wie auch die Bildungsexpansion, die zum<br />
Abbau von Chancenungleichheiten zwischen<br />
Männern <strong>und</strong> Frauen beitrug, haben in der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> vor allem in den 70er<br />
Jahren zu einer Zunahme der<br />
Aufstiegsmobilität bei einem gleichzeitigem<br />
Rückgang der Abstiege geführt: Im Rahmen<br />
einer Klassifikation nach beruflicher Stellung<br />
<strong>und</strong> gemessen in absoluten <strong>Mobilität</strong>sraten<br />
konnten z.B. von den in den 40er Jahren in<br />
den Beruf eingetretenen, westdeutschen<br />
Männern (Frauen) etwa 27% (35%) einen<br />
Aufstieg im Vergleich zur Berufsstellung der<br />
Vätergeneration vollziehen; r<strong>und</strong> 35% (40%)<br />
mußten einen Abstieg erfahren. Bei einem<br />
Berufseintritt in den 70er Jahren finden sich<br />
bei den Männern Aufstiegsquoten von etwa<br />
38% (Abstiege: r<strong>und</strong> 29%). Bei den Frauen<br />
können sogar r<strong>und</strong> 52% als Aufsteigerinnen<br />
bezeichnet werden, <strong>und</strong> etwa ein Drittel<br />
mußte Abstiege in Kauf nehmen (vgl. Berger<br />
1996: Die 181ff.). darin sich abzeichnende „Öffnung“<br />
der westdeutschen Sozialstruktur, die freilich