Dezember 2012 Scott matthew michael maar Die USA im ... - Pony
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M ü n c h h a u s e n b y I n t e r n e t<br />
Erfundene Schicksale<br />
T h e U n f i n i s h e d S w a n<br />
Ich klecks’ mir die Welt …<br />
Elke Wittich<br />
Trolle, Mobber, Stalker – dass das Internet nicht nur von netten Menschen bewohnt<br />
wird, die sich pausenlos an den unendlichen Bildungsmöglichkeiten und<br />
den vielen Gelegenheiten, sich mit Menschen aus weit entfernten Ländern zum<br />
kreativen Austausch zu treffen, erfreuen, ist mittlerweile hinreichend bekannt.<br />
Von Münchhausen by Internet, einer Sonderform des Münchhausen-Syndroms,<br />
dürften allerdings selbst Menschen, die sich regelmäßig in Foren und sozialen<br />
Netzwerken aufhalten, kaum gehört haben. Das liegt nicht nur daran, dass diese<br />
psychische Erkrankung bislang nicht wirklich erforscht ist, sondern auch am<br />
Umstand, dass sie hauptsächlich an Orten auftritt, die der gesunde Internetnutzer<br />
kaum je besucht: Selbsthilfe-Boards, auf denen beispielsweise Krebskranke<br />
Rat, Hilfe und Zuspruch erhalten.<br />
Menschen, die an Münchhausen by Internet leiden, suchen sich genau diese<br />
Foren gezielt aus, um dort mit ihren erfundenen Geschichten über tödliche Erkrankungen,<br />
an denen sie angeblich leiden, zu punkten. Das nötige Wissen holen<br />
sie sich aus Ratgebern und Fallbeschreibungen; Fotos, mit denen ihre Stories<br />
untermauert werden, lassen sich schnell per Photoshop zu effektvollen<br />
Manifestationen eines schrecklichen Leidenswegs zusammenbasteln, und das<br />
nötige medizinische Equipment ist in Onlineshops günstig erhältlich.<br />
<strong>Die</strong> Opfer der Sucht nach Aufmerksamkeit sind dabei in aller Regel wehrlos:<br />
Wer mit den Folgen von Krebsbehandlungen kämpft, pausenlos Angst davor<br />
hat, dass neue Metastasen gefunden werden könnten oder vor der furchtbaren<br />
Entscheidung steht, ob die letzten Lebensmonate noch einmal mit einer neuen,<br />
quälenden Chemotherapie verlängert werden sollen oder nicht, hat<br />
kaum Kraft und Zeit, Geschichten von Mitleidenden auf ihre Glaubwürdigkeit<br />
hin zu überprüfen. Und eigentlich könnte es ja auch vollkommen<br />
egal sein, ob sich in einem Forum einige Personen befinden,<br />
die sich ihre Krankheiten nur ausgedacht haben – wäre da nicht<br />
das unbedingte Streben, <strong>im</strong> Mittelpunkt zu stehen.<br />
Denn das führt dazu, dass die ausgedachten Storys so fürchterlich<br />
werden, dass selbst schwer Kranke plötzlich Mitleid bekommen und<br />
alles tun, um dieser armen, nach schweren Schicksalsschlägen völlig<br />
alleinstehenden Person zu helfen, und zwar nicht nur mit Worten,<br />
sondern auch mit Besuchen und Geschenken. „Todesfälle in der<br />
Familie sind in diesen Fällen vollkommen normal“, beschreibt Psychiater<br />
Prof. Dr. Marc Feldmann von der University of Alabama, der<br />
Münchhausen by Internet seit Jahren erforscht und in den offiziellen<br />
Katalog der psychischen Erkrankungen aufnehmen zu lassen versucht. „Meistens<br />
handelt es sich um besonders grausame Todesfälle, wie Autounfälle, bei<br />
denen alle Familienmitglieder getötet wurden.“<br />
Einfach zu heilen seien an Münchhausen by Internet Leidende nicht, „es gibt<br />
keine Pille dagegen, ohne Psychotherapie kann die Krankheit nicht überwunden<br />
werden“, hat Feldmann festgestellt. Mit den Auswirkungen der Phantasiegeschichten<br />
beschäftigen sich in den <strong>USA</strong> bereits spezielle Blogs, auf denen<br />
Selbsthilfegruppen vor bekannten Münchhausen-Fällen gewarnt werden. Und<br />
auf denen krasse Geschichten publiziert werden: Eine Krebskranke verzichtete<br />
beispielsweise auf den letzten Besuch bei ihrem <strong>im</strong> Sterben liegenden Großvater,<br />
um einer jungen Frau beizustehen, die angeblich ganz allein war. <strong>Die</strong> junge<br />
Frau hat Münchhausen – nachdem sie aufflog, wechselte sie kurzerhand das Forum<br />
und machte in einer anderen Selbsthilfegruppe als Schwerkranke weiter.<br />
Florian Brauer<br />
Glücklicherweise gibt es <strong>im</strong>mer wieder mal Spiele, die neue Wege gehen und<br />
die, so gesehen, eine Antwort auf die Frage zukünftiger exper<strong>im</strong>enteller Möglichkeiten<br />
des Spielens zu geben in der Lage sind. Spiele wie „Journey“ oder<br />
„Flower“ wurden in der jüngeren Vergangenheit für ihre einzigartige Spielerfahrung<br />
gelobt, die sie ermöglichten. Künstlerisch wertvolle Beiträge, so hieß<br />
es über sie, wichtig auch für die Eigenständigkeit des Mediums Videospiel.<br />
„The Unfinished Swan“ gehört in diese Kategorie kreativer Spiele. Entwickelt<br />
wurde es von der kleinen kalifornischen Game Company Giant Sparrow, angeboten<br />
wird „The Unfinished Swan“ <strong>im</strong> Playstation Network. Allerdings sollte<br />
man vorausschicken, dass auch bei „The Unfinished Swan“ der Wiederspielwert<br />
relativ gering ist und deshalb der Preis 13,– Euro beinahe ein bisschen zu stolz.<br />
Gleichwohl bietet das Spiel Erfahrungen, die man kaum vergessen wird: „The<br />
Unfinished Swan“ ist ein Lehrstück über die Welterzeugung durch Spiele und<br />
darüber, was das alles mit dem wirklichen Leben zu tun hat.<br />
In die Rolle eines kleinen Jungen geschlüpft, bekommt man von seiner Mutter<br />
ein Bilderbuch geschenkt. Ein unvollendetes, versteht sich. Nach Art einer gehe<strong>im</strong>nisvollen<br />
Märchenstunde beginnt das Buch sich selbst umzublättern. Erzählt<br />
wird die Geschichte eines<br />
unglücklichen Königs aus<br />
einem fernen Land. Aus Kummer<br />
und Gram hat er sämtliche<br />
Farben aus seinem Reich<br />
verbannt. Dann, auf einmal,<br />
ist man selbst Teil der<br />
Geschichte, und sieht sich<br />
prompt einem vollständig<br />
weißen Bildschirm gegenüber.<br />
Erstmal ist da nichts,<br />
dann aber doch etwas: ein<br />
kleiner schwarzer Punkt in<br />
der Bildschirmmitte. Wollte<br />
man philosophieren, wäre<br />
dies der geeignete Moment.<br />
Schnell entdeckt man, dass man mit einer Taste schwarze Farbkugeln verschießen<br />
kann und dass mit einem erquicklichen „Platsch!“ ein herrlicher Klecks<br />
auf der weißen Fläche zurückbleibt. Da ist er, der Unterschied, die erste Unterscheidung<br />
zwischen Nichts und Etwas. Man kleckst also weiter, die erste<br />
Klecksfläche deutet bereits auf einen Fußboden hin, der nächste Klecks, siehe<br />
da, ist eine Wand. Boden, Wand, Decke – aha, wir stehen in einem Flur. Unsichtbare<br />
Dinge markieren und damit eine Welt erzeugen, die bislang nur als<br />
Drahtgittermodell existierte, das vom Spieler aber nicht wahrgenommen werden<br />
konnte – das also ist der zentrale Spielgedanke von „The Unfinished Swan“.<br />
Im Laufe des Spiels wird er erweitert und variiert.<br />
Um nicht noch mehr über die ungewöhnliche Spielerfahrung von „The Unfinished<br />
Swan“ zu verraten, sei an dieser Stelle lediglich die Empfehlung ausgesprochen,<br />
das Spiel auszuprobieren und sich selbst dabei zu beobachten, was<br />
es mit einem macht und wie es das tut. Sofern zuhanden, lässt sich „The Unfinished<br />
Swan“ hervorragend mit dem Move-Controller steuern. Das Farbklecksen<br />
macht dann sogar noch mehr Spaß.<br />
Kreativ-Spiel;<br />
Giant Sparrow;<br />
Playstation Network<br />
28 Digitales 29 Spiele