Handreichung - Antirassistisch-Interkulturelles Informationszentrum ...
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»Sichtbar werden« – Eine <strong>Handreichung</strong> für Lehrkräfte<br />
Hintergrundinformationen<br />
Die Rollen sind:<br />
A) Gordana Ismanovic, 48 Jahre, 2 Kinder, kein Pass. Du bist vor 10 Jahren aus Bosnien-Herzegowina (früher Jugoslawien)<br />
nach Berlin gekommen und lebst seitdem mit deinen Kindern in einem Zimmer eines Berliner Flüchtlingswohnheims.<br />
Alle 3 Monate musst Du zur Ausländerbehörde um dort Deinen Aufenthaltsstatus zu verlängern. Du bist<br />
in Deutschland seit 10 Jahren nur „geduldet“ – dass heißt, Du bekommst eigentlich keine Aufenthaltserlaubnis, nur<br />
eine „Aussetzung der Abschiebung“. Du weißt nie, ob die Behörden Dir im nächsten Monat weiterhin erlauben werden,<br />
in Deutschland zu bleiben. Jedes Mal, wenn Du kommst, fragen sie Dich aufs Neue eindringlich, was Du noch<br />
hier machst und warum Du nicht zurückgehst. Du hast miterlebt, wie Deine Nachbarn aus dem Flüchtlingswohnheim<br />
mitten in der Nacht wie Schwerverbrecher von der Polizei abgeführt worden sind.<br />
B) Jörg, 30 Jahre, Bankangestellter, deutscher Pass. Du lebst schon längere Zeit in Berlin. Geboren bist Du in einer<br />
kleineren Stadt in Brandenburg. Du hast eine eigene Wohnung. Du bist nicht reich, aber es ist auszuhalten: ein- bis<br />
zweimal im Jahr fährst Du in den Urlaub nach Italien, weil es Dir dort am besten gefällt. Du hast auch mal überlegt,<br />
länger wegzugehen, vielleicht nach Kanada. Mal sehn. Das Leben liegt ja noch vor Dir. Mit der Polizei hast Du eigentlich<br />
fast nie zu tun. Neulich musstest Du Dich mal auf Alkohol kontrollieren lassen, dummerweise war der Test positiv.<br />
Das brachte Dir ein paar Punkte in Flensburg ein. Deine Arbeit ist jetzt nicht gerade aufregend, aber vielleicht schaffst<br />
Du es ja noch, ein paar Stufen weiter hochzusteigen. Dann könntest Du in Italien vielleicht endlich mal in das richtig<br />
schicke Hotel gehen.<br />
C) Malik L., 31 Jahre, aus Togo hat in der BRD Asyl beantragt. Du bist vor 10 Monaten aus dem Land, in dem Du<br />
aufgewachsen bist, aus Togo in Westafrika, nach Deutschland gekommen. Du hast hier einen Asylantrag gestellt und<br />
lebst nun in einer Flüchtlingssammelunterkunft in Süddeutschland. Das Wohnheim ist völlig abgeschieden von der<br />
Außenwelt, der nächste Ort liegt 13 km entfernt, die Bushaltestelle 5 km. Es ist sehr schwer zu anderen Menschen,<br />
außer zu den anderen Leuten im Lager, Kontakt zu bekommen. Mit dem Bus in den Ort zu fahren ist teuer, und er<br />
fährt nur sehr selten, so dass Du nicht oft in den Ort fahren kannst. Dein kleines Taschengeld reicht für deine Ausgaben<br />
überhaupt nicht, aber arbeiten darfst Du nicht. Das Essen im Wohnheim ist nicht gut, manchmal ist das Verfallsdatum<br />
schon abgelaufen.<br />
D) Gogi Tatuchaschwili, 18, aus Moldawien sitzt in Abschiebehaft. Du bist vor mittlerweile acht Monaten von Moldawien<br />
nach Deutschland gereist, um bei der Ernte zu helfen. Kurz nach deiner Ankunft wurden Dir allerdings Deine<br />
Sachen geklaut – inklusive Deinem Visum und allen anderen Papieren. Einen Monat später wurdest Du von der Polizei<br />
kontrolliert und sitzt nun schon sechs Monate in der Abschiebehaft. Du würdest gerne nach Moldawien zurück,<br />
aber die Botschaft in Berlin stellt Dir keine Papiere aus, weil sie Dich nicht als moldawischer Staatsbürger anerkennen.<br />
Das hat damit zu tun, dass Du – als Angehöriger der russischen Minderheit – nie einen moldawischen Pass<br />
hattest. Mit Deinen Zellenmitbewohnern verstehst du dich gut. Die Polizisten in der Abschiebehaft sind aber teilweise<br />
sehr unfreundlich – manche reagieren nur, wenn man sie Meister ruft. Das Schlimmste ist jedoch das Nichtstun – der<br />
ganze Tag besteht nur aus Schlafen, Fernsehen und Warten …<br />
E) Joseph Bonanga, 35, ist als politischer Flüchtling anerkannt. Du kommst ursprünglich aus der Demokratischen<br />
Republik Kongo, wo Du Dich in der Opposition engagiert hast. Eines Tages stand allerdings die Polizei vor Deinem<br />
Haus, und Du wurdest festgenommen. Nach fünf Monaten in Haft konntest Du durch Bestechung fliehen, worauf Du<br />
nach Deutschland geflüchtet bist und hier Asyl beantragt hast. Nach eineinhalb Jahren wurdest Du offiziell als politischer<br />
Flüchtling anerkannt und genießt jetzt unbefristetes Asyl, weil du beweisen konntest, dass die Polizei im Kongo<br />
Dich immer noch verfolgt. Zunächst war es für Dich schwierig, Dich in Deutschland zu Recht zu finden. Aber mittlerweile<br />
kannst Du schon ganz gut Deutsch und hast auch eine Arbeit in einer Druckerei gefunden.<br />
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