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pdfMI02S20D 02.02.2006 15:46 Uhr Seite 20<br />
reportage angola<br />
>> Die Avenida Brasil, eine breite<br />
Die Beute wird<br />
20 21<br />
Straße in Angolas Hauptstadt Luanda,<br />
ist asphaltiert. Das ist Luxus<br />
hier – der einzige Luxus, den Pedro<br />
Matias hatte. „Hier habe ich gelebt“,<br />
sagt der 13-Jährige. „Meine<br />
Arbeit war das Betteln und das<br />
Stehlen. Geschlafen habe ich dort<br />
drüben, hinter dem Geschäft in der<br />
kleinen Nische.“ Der kleine Laden<br />
hat blinde Fensterscheiben, der<br />
Händler bietet Limo-Dosen aus<br />
geteilt: Der<br />
Straßenjunge Claudio<br />
(o.) gibt seinen<br />
Freunden von den<br />
Keksen ab, die er<br />
ergattert hat. Pater<br />
Pablo schaut regelmäßig<br />
bei ihnen<br />
vorbei, um sich ihre<br />
Ängste und Sorgen<br />
anzuhören (u.).<br />
lauwarmen Kühlboxen an. An der<br />
Straßenecke geht es ins nächste<br />
Wohnviertel hinein. Hier sieht<br />
man keine geteerten Wege mehr.<br />
Sobald es regnet, verwandelt das<br />
Wasser die Lehmgassen in<br />
Schlammbahnen voll brauner Brühe,<br />
LUANDA<br />
In Angolas Hauptstadt Luanda leben etwa drei<br />
Millionen Menschen – über 80 Prozent von ihnen<br />
ohne fließendes Trinkwasser, Abwassersystem oder<br />
Elektrizität. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit<br />
müssen mehr als zwei Drittel der Einwohner vom<br />
illegalen Straßenhandel leben. Für bettelnde Kinder<br />
hat daher kaum jemand ein paar Groschen übrig.<br />
in der man bis zu den<br />
Knöcheln versinkt. Eine funktionierende<br />
Kanalisation gibt es<br />
nicht, über der Stadt hängt permanent<br />
der Gestank der Kloake.<br />
Überall wirbelt der Wind, den der<br />
Atlantik herüberweht, Müll und<br />
Staub auf. „Wenn man hier wohnt,<br />
dann braucht man andere, die zu<br />
einem halten“, sagt Pedro. „Ohne<br />
Freunde hast du verloren.“<br />
Drei Jahre lebte Pedro auf der<br />
Avenida Brasil, weil seine Familie<br />
ihn verstoßen hatte. Sie glaubte,<br />
Pedro besäße Macht über ihr<br />
Schicksal, sie glaubte, der kleine<br />
Junge könne über Leben oder Tod,<br />
Glück oder Unglück entscheiden.<br />
Sie glaubte, Pedro wäre verhext.<br />
Wenn Pedro über seinen Vater<br />
und seine Stiefmutter spricht, ist<br />
seine leise Stimme monoton. Er<br />
reiht ganz schnell Satz an Satz und<br />
lässt dabei unruhig die Beine baumeln.<br />
Statt sein Gegenüber anzublicken,<br />
beobachtet er lieber andere<br />
Kinder beim Spielen, während<br />
er seine Geschichte erzählt: „Meine<br />
Mutter starb bei der Geburt. Sie<br />
sagten mir später, dass das meine<br />
Schuld gewesen sei. Mein Vater<br />
fand eine neue Frau, aber die<br />
bekam Malaria. Da haben sie gesagt,<br />
ich sei besessen.“ Sein Vater<br />
brachte ihn zu einem Heiler, der<br />
Pedro von dem angeblichen bösen<br />
Zauber befreien sollte. Er hielt ihm<br />
ein Messer an die Kehle und drohte<br />
ihm, bis Pedro vor Angst die<br />
Hexerei gestand. „Da hatte ich<br />
keine Freunde, ich war verloren.“<br />
Sie schlugen den Jungen mit<br />
Stacheldraht. Sie tauchten seinen<br />
Kopf so lange unter Wasser, bis er<br />
würgen musste. „Ich dachte, ich