GL 1/2010 - der Lorber-Gesellschaft eV
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32 Das große Evangelium Johannes<br />
<strong>GL</strong> 1/<strong>2010</strong><br />
Spätdatierung um 140 n. Chr.). Doch gerade weil das Johannesevangelium<br />
die Gottesanwesenheit in Jesus „so unvergleichlich intensiv schil<strong>der</strong>t, steht<br />
es sachlich und zeitlich am Anfang.“ 13 Für Martin Hengel erklingt im<br />
vierten Evangelium vor allem „die Stimme eines überragenden<br />
Theologen“ 14 , während bei seinen neutestamentlichen Kollegen sonst eher<br />
die Meinung beliebt ist, dass dieses Werk in seiner Endgestalt das<br />
Erzeugnis mehrerer Personen sei.<br />
Das Große Evangelium erhellt den Weg vom irdischen Jesus, seinen<br />
Worten und Taten, zu den kanonischen Evangelien; bisher war nur <strong>der</strong><br />
umgekehrte Weg gangbar, vom Neuen Testament zu mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
sicher erschlossenen Vorstufen. Nun aber ergeben sich völlig neue<br />
Möglichkeiten, die christliche Glaubensurkunde zu verstehen. Im Großen<br />
Evangelium werden uns die ursprüngliche Gestalt und <strong>der</strong> ursprüngliche<br />
Zusammenhang <strong>der</strong> johanneischen Perikopen zugänglich. In ihrer<br />
Jetztform veröffentlicht wurden sie erst ungefähr vierzig Jahre nach den<br />
denkwürdigen Ereignissen <strong>der</strong> öffentlichen Wirksamkeit Jesu. In <strong>der</strong> Zeit<br />
zwischen <strong>der</strong> Auferstehung Jesu und <strong>der</strong> Publikation des schriftlichen<br />
Evangeliums hatte <strong>der</strong> einstige Jünger, <strong>der</strong> nun ein Gesandter des<br />
Gesandten war, ein Apostel, die Frohbotschaft vom ewigen Leben<br />
mündlich verkündigt und Gemeinden gegründet (GEJ 8,79,12-14); die<br />
Forschung spricht von johanneischen Gemeinden bzw. <strong>der</strong> johanneischen<br />
Schule (nota bene: des lebendigen Wortes). Dass es ein solches<br />
johanneisch geprägtes Christentum gab, bezeugen die Johannesbriefe, aber<br />
auch Joh. 21,24, wo uns eine Gruppe versichert, dass <strong>der</strong> Lieblingsjünger<br />
<strong>der</strong> Zeuge und Verfasser des nunmehr verschriftlichten Evangeliums sei.<br />
Wahrscheinlich hat diese Gruppe auch die Überschrift „Evangelium nach<br />
Johannes“ hinzugefügt (GEJ 1,134,9), denn <strong>der</strong> einstige Jesusjünger nannte<br />
sich selbst im Evangelium nie mit seinem Namen, son<strong>der</strong>n dort nur<br />
schlicht „<strong>der</strong> Jünger, den Jesus liebte“ (Joh 13,23 u.ö.), auf diese Weise ist er<br />
im hochsymbolischen Johannesevangelium selbst zum Symbol geworden.<br />
Das Große Evangelium belegt, dass nur „Bruchstücke“ (GEJ 1,216,11;<br />
6,148,20; Joh 20,30; 21,25) den Weg ins Johannesevangelium gefunden haben;<br />
Bruchstücke freilich, die dennoch ein Ganzes darstellen, weil ihnen ein<br />
göttlicher Plan und Gestaltungswille zugrunde liegt. In den vierzig Jahren<br />
bis zur Veröffentlichung des Evangeliums haben die Aufzeichnungen und<br />
Erinnerungen des Zebedaiden eine Vertiefung in <strong>der</strong> Erfassung des<br />
Jesusgeschehens erfahren. Joh 2,22; 12,16 und 20,9 beispielsweise geben<br />
sich eindeutig als nachösterliche Sinnaufschließungen zu erkennen. Aber<br />
auch <strong>der</strong> Prolog (Joh 1,1-18) ist wohl ein ebenso großartiger, wie