DIE GRÜNEN DAS BUCH
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22 <strong>DIE</strong> <strong>GRÜNEN</strong> & DER ZEITGEIST 23 <strong>DIE</strong> GRÜNIS SIND <strong>DAS</strong> ALLERLETZTE<br />
1983: In Iserlohn demonstrieren Jugendliche gegen<br />
a ntisemitische Schmierereien an einem Gymnasium.<br />
1985: Teilnehmer am Ostermarsch Ruhr ’85 in Dortmund.<br />
Olafs, Markus’ und Svens Schule, »überhaupt<br />
noch Problemstellungen im Unterricht zu<br />
erarbei ten. Für die Hälfte der Jugendlichen sind<br />
Sachen wie Umweltschutz und Aufrüstung inzwischen<br />
eher Namen von Popgruppen als reale<br />
Dinge. Nicht, dass sie nicht darüber Bescheid<br />
wüssten – im Gegenteil, aber sie orientieren sich<br />
an ganz anderen Dingen. Nicht nur an Mode und<br />
Kleidung, das wäre zu kurz gegriffen. Wahrscheinlich<br />
ist Gesten der richtige Ausdruck. Sie<br />
finden einen wie mich, der Problembewusstsein<br />
zu schaffen versucht und nicht allzu autoritär<br />
auftritt, einfach einen ›Laschi‹. Sie nehmen mich<br />
nicht ernst.«<br />
Eine geradezu inflationäre Lehrerklage. Sind<br />
diese Jugendlichen an »harten« Mentalitäten orientiert,<br />
suchen sie nach der starken Hand, haben<br />
sie eine »Komme-was-wolle«-Mentalität? »Alles<br />
das trifft es nicht«, meint Manfred F. »Sie haben<br />
nur das Gefühl, dass das ›Problemschinden‹, wie<br />
sie es nennen, erstens keinen Effekt hat, zweitens<br />
inzwischen benotet wird wie alles andere<br />
auch – und damit jeden Spaßeffekt verliert –<br />
und drittens der Spleen irgendeiner vergangenen<br />
Clique ist, die sie nicht kopieren wollen. Und<br />
irgendwie haben sie gar nicht so unrecht.«<br />
Irgendwie eben. Aber Cliquen wie Olafs, Svens<br />
und Marcus’ sind eine relativ kleine Minderheit,<br />
Anti-Antikulturen, wie sie im Verlauf aller<br />
Jugendlichen-Stile gegeneinander konkurrieren,<br />
quasi »dialektisch« entstehen – Punks und Popper<br />
symbolisieren eine ähnliche Extrapolierung. Lehrer<br />
wie Manfred F. jedoch sind inzwischen in der<br />
Mehrheit: Er ist einer aus jener typischen Nach-<br />
68er-Lehrergeneration, die inzwischen die »Diskussionsfächer«<br />
beherrschen: moralisch, problembewusst,<br />
kritisch und, wie man so schön sagt:<br />
solidarisch. Manfred F. weiß selbst, dass er zur<br />
Entstehung der »Neonkulturen« beigetragen hat:<br />
»Unsere Form der Pädagogik war ja immer: bildet<br />
euch selbst eine Meinung, wir machen nur wenig<br />
Vorgaben. So entstehen eigentlich keine Konflikte<br />
mehr, die Schüler können sich nirgends abarbeiten,<br />
und sie machen dann wiederum diesen<br />
kooperativen Stil selbst zum Abarbeitungspunkt.<br />
Außerdem haben sie erfahren, dass alles und jedes<br />
in der Schule zum Thema gemacht wurde,<br />
ohne dass es einen Deut verändert hat – und das<br />
lässt sie natürlich misstrauisch werden, was die<br />
Wirkung von Kritik betrifft.«<br />
Ganz so sieht das die Clique nicht. Auf die Vermutung,<br />
sie wolle mit ihren Anti-Grünen-Sprüchen<br />
nur die Lehrer ärgern, reagiert sie geradezu<br />
beleidigt. Dass die Grünen »was gegen den Staat<br />
haben«, hat Olaf jedenfalls »geschnallt«. Dagegen<br />
hat er nichts, im Gegenteil. »Aber«, sagt Sven,<br />
»die werden das härter machen als der Staat jetzt.<br />
Wenn du dir beim Zähneputzen schon Gedanken<br />
machen musst, ob du auch richtig Öko bist oder<br />
nicht, dann macht das keinen Spaß mehr. Wenn<br />
die Grünen am Drücker sind, dann wird doch<br />
alles verboten. Müll in den Wald schmeißen – ab<br />
ins Gefängnis. Motorräder gehen nur noch als<br />
Dreirad durch, und die Haare musst du dir mit<br />
rohen Eiern waschen statt mit diesem geilen grünen<br />
Shampoo!«<br />
Das hört sich nach Vorurteilen an, die irgendwo<br />
zwischen ulkiger Übersteigerung und Übernahme<br />
von Medienbildern liegen. Es könnte aber<br />
auch auf mehr hindeuten: Für viele Jugendliche<br />
sind die Grünen inzwischen Symbol für einen<br />
neuen, moralischen Konsens, einen »Rigorismus<br />
des Alltags« geworden, der gesellschaftliche Konflikte<br />
gleichsam in die Individuen hineintransportiert<br />
– so entsteht kein Raum mehr für die so<br />
notwendige Trennung von eigener Individualität<br />
und dem »fremden« gesellschaftlichen Außen.<br />
Die Muster der Rücksichtnahme auf die Natur,<br />
der »handelnden Ökologie« richten sich gegen<br />
vieles, was Jugendlichen Spaß macht – sie haben<br />
gleichzeitig ihren Protestcharakter verloren.<br />
»Mein Vater«, sagt Olaf, »ist auch ein Öko, obwohl