20.11.2013 Aufrufe

Referat von Enrico Morresi, Journalist, Präsident des Stiftungsrates

Referat von Enrico Morresi, Journalist, Präsident des Stiftungsrates

Referat von Enrico Morresi, Journalist, Präsident des Stiftungsrates

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

7<br />

Marketing in Politik und Wirtschaft aber auch im Journalismus den Vorrang gegenüber der<br />

Ethik beansprucht.<br />

Jürgen Habermas hat diese Entwicklung als Kolonialisierung der Öffentlichkeit bezeichnet.<br />

Die Meinungen darüber gehen auseinander, ob der Prozess unumkehrbar ist. Autoren in der<br />

Tradition <strong>von</strong> Habermas erachten die kommunikative Rationalität (bzw. die ultimative<br />

Bezugnahme <strong>des</strong> Journalismus zur polis) zwar als bedroht, aber noch nicht für endgültig<br />

verloren. Für sie hat der Journalismus nach wie vor ein enormes Emanzipationspotential. 76<br />

getötete <strong>Journalist</strong>en im Jahr 2009 haben ihr Leben primär für einen emanzipatorischen, am<br />

Gemeinsinn orientierten Journalismus geopfert und nicht für ein an ökonomischen<br />

Gesetzmässigkeiten orientiertes Mediensystem.<br />

Als Vertreter <strong>von</strong> Schulen und Bildung lege ich Ihnen <strong>des</strong>halb nahe, eine Entscheidung zu<br />

treffen: Entweder Sie intensivieren den Ethikunterricht – gerade an den Universitäten gibt es<br />

Raum für Lehre und theoretische Forschung – und bilden die künftigen <strong>Journalist</strong>innen und<br />

<strong>Journalist</strong>en auch auf diesem Gebiet à Fonds aus. Oder Sie empfehlen den künftigen<br />

Medienschaffenden, sich zuerst auf eine andere Fachrichtung zu konzentrieren – seien dies<br />

Sprachen, Recht, Geschichte, Politikwissenschaft oder Wirtschaft – und überlassen die<br />

eigentliche journalistische Ausbildung spezifischen Lehrinstitutionen. Deren Aufgabe wäre es<br />

dann, den künftigen <strong>Journalist</strong>innen und <strong>Journalist</strong>en sowohl die notwendigen theoretischen<br />

Grundlagen als auch in einer praxisorientierten Ausbildung die Rolle <strong>des</strong> Journalismus als<br />

Treuhänder <strong>des</strong> öffentlichen Diskurses zu vermitteln.<br />

Ich komme zum Schluss: «Der Presserat allein kann es nicht richten!». Damit die einzelnen<br />

<strong>Journalist</strong>innen und <strong>Journalist</strong>en und das Mediensystem insgesamt auch künftig den <strong>von</strong> der<br />

Gesellschaft erwünschten und erwarteten öffentlichen Diskurs gewährleisten, braucht es<br />

insbesondere auch Sie als Vertreter <strong>von</strong> Lehre und Forschung. Sie sollten sich <strong>des</strong>halb nicht<br />

damit begnügen, Medienethik als blosse Nebensache zu unterrichten.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!