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ausführlicher Text (.pdf) - Schweizerischer Hebammenverband

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„Es ist wichtig, wie wir geboren werden!“<br />

Die Geburtsbiographie hat einen entscheidenden<br />

Einfluss auf das Leben<br />

Alles was vor, während und nach der Geburt geschieht, prägt das Leben eines<br />

Menschen. Für die Geburtshilfe heisst das: sowohl die werdenden Eltern, als<br />

auch alle involvierten Personen müssen dem ungeborenen und dem neugeborenen<br />

Leben möglichst viel Geborgenheit und Nähe vermitteln.<br />

Die Situation dürfte den meisten von uns bekannt sein: In gewissen Momenten<br />

werden wir von immer wiederkehrenden Emotionen eingeholt. Der Grund dafür<br />

liegt in dem Umstand, dass unser Leben laufend durch Ereignisse geprägt wird,<br />

auf die wir mental und emotional reagieren. Diese Reaktionsmuster werden in<br />

unserem Gedächtnis gespeichert und wirken sich in ähnlichen Situationen auf<br />

unser Verhalten und unser Befinden aus.<br />

Das Leben beginnt bereits vor der Geburt<br />

Zahlreiche Beobachtungen aus der Psychotherapie lassen darauf schliessen,<br />

dass der Mensch aber nicht nur durch das laufende Leben, sondern auch durch<br />

vorgeburtliche, geburtliche und nachgeburtliche Erfahrungen geprägt wird. Das<br />

bedeutet: das Leben beginnt nicht erst bei der Geburt, sondern schon viel<br />

früher. Vom Moment der Zeugung an speichert das Ungeborene vorgeburtliche<br />

Erfahrungen und beginnt zu lernen. Es ist ein fühlendes, aufmerksames Wesen<br />

mit Erinnerungsvermögen und wachen Sinnen. So ist wissenschaftlich<br />

nachgewiesen, dass das ungeborene Kind sich z.B. schon früh die Stimmen<br />

seiner Eltern einprägt. Und die unbewusste Erinnerung an den Herzschlag im<br />

Mutterleib dürfte mit ein Grund dafür sein, dass sich ein Baby beruhigt, wenn<br />

es auf Herzhöhe in den Arm genommen wird.<br />

Zahlreiche Untersuchungen liefern Hinweise dafür, dass die Gefühle der Mutter<br />

wie Freude, Trauer, Angst und Zuversicht vom Ungeborenen durch das Spüren und<br />

Hören des Herzschlages und durch die hormonellen Veränderungen im<br />

Blutkreislauf der Mutter miterlebt werden. Steht eine werdende Mutter unter<br />

permanentem Stress, wird die Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin<br />

gehemmt; die Urinstinkte Flucht oder Kampf gewinnen überhand und lassen wenig<br />

oder keine Bindung zu. Gestresste Mütter bringen gestresste Kinder zur Welt –<br />

mit Langzeitfolgen für das Kind. Dieses reagiert empfindlich auf Stress und<br />

zeigt mehr Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Positive Bindungserfahrung als Startkapital<br />

Wenn die Eltern hingegen bereits vor der Geburt mit ihrem Kind in liebevollem<br />

Kontakt stehen, z.B. indem sie mit ihm sprechen oder es durch die Bauchwand<br />

hindurch berühren, kann es bereits im Mutterleib positive Bindungserfahrungen<br />

machen. Dies gibt ihm das wichtige Grundvertrauen, um sich auf den Weg der<br />

Geburt zu begeben und sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Und weil die<br />

Geburt im Leben jedes Menschen eine tiefgreifende Übergangserfahrung<br />

darstellt und prägend ist für das Erleben von späteren<br />

Veränderungssituationen, ist eine möglichst natürliche Geburt in einer


geborgenen Umgebung ein wichtiger Faktor dafür, wie ein Mensch sein Leben<br />

meistert.<br />

Stellen Sie sich vor, wie es wäre, während sechs oder sieben Monaten in einem<br />

Raum ohne emotionale Anregung eingesperrt zu sein. Nur so lässt es sich<br />

ausmalen, wie es sich für ein Ungeborenes anfühlen muss, wenn es keine<br />

liebevolle Zuwendung erlebt oder spürt, dass es unerwünscht ist.<br />

Ist das Kind geboren, sollte es schnellstmöglich wieder eine sichere Umgebung<br />

erfahren, am besten durch den Haut-zu-Haut-Kontakt mit der Mutter. So kann es<br />

die unmittelbar vor der Geburt gebildeten Stresshormone in seinem Körper<br />

abbauen und seine Angst loslassen. All seine Sinne, die bereits im Mutterleib<br />

stimuliert wurden, werden durch den Hautkontakt bestätigt und aktiviert.<br />

Gleichzeitig werden dadurch bei der Mutter die Fürsorglichkeitsinstinkte<br />

ausgelöst.<br />

Alle Personen, die in der Geburtshilfe tätig sind, aber auch die werdenden<br />

Eltern sollten sich ihrer eigenen geburtsbiographischen Prägung bewusst sein,<br />

denn unbewusst negative Prägungen oder gar Traumen können einen<br />

Geburtsverlauf mehr oder weniger stark beeinflussen.<br />

Es ist wichtig wie wir geboren werden, denn jede Handlung rund um die Geburt<br />

hat eine nachhaltige und prägende Wirkung auf das neugeborene Menschenleben!<br />

Weitere Informationen und Studienresultate unter www.hebamme.ch<br />

Der Schweizerische <strong>Hebammenverband</strong><br />

Der Schweizerische <strong>Hebammenverband</strong> (SHV) ist die älteste Berufsorganisation<br />

für Frauen. Sie wurde vor über 100 Jahren gegründet, vereinigt fast 2500<br />

Mitglieder und vertritt sowohl angestellte als auch freiberufliche Hebammen,<br />

welche sich aktiv für einen modernen und attraktiven Hebammenberuf einsetzen.<br />

Gemeinsam setzen sie sich dafür ein, dass der Verband wahrgenommen wird und<br />

seine Ziele umgesetzt werden.<br />

Weitere Informationen unter www.hebamme.ch


Literaturangaben<br />

Alberti B 2005: Die Seele fühlt von Anfang an. Wie pränatale Erfahrungen<br />

unsere Beziehungsfähigkeit prägen, Kösel, München<br />

Chamberlain D 1994: Woran Babys sich erinnern Die Anfänge unseres<br />

Bewusstseins im Mutterleib, 3. Aufl Kösel, München<br />

Janus L, Haibach S 1991: Wie die Seele entsteht. Unser psychisches Leben vor<br />

und nach der Geburt, Hoffmann und Campe, Hamburg<br />

Krüll M 1997: Die Geburt ist nicht der Anfang, Klett Cotta, Stuttgart<br />

Lipton B 2006: Intelligente Zellen, Koha Verlag, Burgrain<br />

Noble E 1996: Primäre Bindungen. Über den Einfluss pränataler Erfahrungen.<br />

Geist und Psyche Fischer, Frankfurt am Main<br />

Odent M 2006: Die Wurzeln der Liebe. Wie unsere wichtigste Emotion entsteht,<br />

2. Aufl Walter, Düsseldorf<br />

Pearce J C 1997: Der nächste Schritt der Menschheit. Die Entfaltung des<br />

menschlichen Potentials aus neurobiologischer Sicht, 2. Aufl Kösel,<br />

Kempten<br />

Verny T 1981: Das Seelenleben des Ungeborenen. Wie Mütter und Väter schon vor<br />

der Geburt Persönlichkeit und Glück ihres Kindes fördern können,<br />

Rogner & Bernhard, München<br />

Siegel D J 2006: Wie wir werden, die wir sind Junfermann, Paderborn<br />

Stäheli H 2006: Gebären in Liebe und Bewusstsein - Frauen finden in ihre<br />

Kraft, Meine Erfahrungen als Hebamme, Druckerei und Verlag<br />

Althäusern-Aristau<br />

Weblinks zur Vertiefung:<br />

www.tagesanzeiger.ch/dyn/wissen/medizin/856726.html<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Neurobiologie_der_Bindung<br />

www.dieontogenetrischeseite.de<br />

www.reich-in-bremen.de/eeh-schweiz

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