Philosophische Gedanken für den Alltag - Internetloge.de
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ihm gehen<strong><strong>de</strong>n</strong> Freund doppelt sieht, geschweige <strong><strong>de</strong>n</strong>n zu re<strong><strong>de</strong>n</strong> von <strong>de</strong>m großen Gebiete <strong>de</strong>r<br />
Sinnestäuschung, <strong>de</strong>r Halluzinationen usw. Uns kommt es hier nur auf die Tatsache an, daß<br />
uns die ganze Außenwelt, also alle Dinge, die nicht „Ich" sind, nur durch jene Wirkungen klar<br />
wer<strong><strong>de</strong>n</strong>, die sie auf unsere körperlichen Aufnahmeapparate ausüben. Und hier nun in einem<br />
Gebiet, in <strong>de</strong>m wir wahrscheinlich unzähligen Täuschungen fortwährend ausgesetzt sind,<br />
bil<strong>de</strong>t sich im Menschen ebenfalls jene verhängnisvolle Antithese von Ich und nicht Ich als<br />
ein Gegensatz. Wer diesen <strong>Gedanken</strong> lediglich mit <strong>de</strong>r Kraft menschlichen Intellektes<br />
durch<strong><strong>de</strong>n</strong>kt, kommt zu philosophischem Pessimismus, zu jenem Gefühl trostloser Einsamkeit<br />
und zu jener Empfindung <strong>de</strong>r Feindschaft gegen alles, was fremd, angeblich an<strong>de</strong>rs, kurz, was<br />
nicht Ich ist.<br />
Die genannten Täuschungen <strong>de</strong>s Intellektes sind so vorherrschend unter <strong><strong>de</strong>n</strong> Menschen und<br />
wer<strong><strong>de</strong>n</strong> durch Erziehung und Gesellschaft mit so lauten Tönen uns täglich eingeprägt, daß es<br />
wirklich schwierig ist, sie als Täuschungen zu erkennen. Viel wichtiger als das, was unser<br />
Intellekt, <strong>de</strong>r nie aus uns selbst heraus kommt, uns erzählen kann, ist das, was ein ganz<br />
eigenartiges aber <strong>de</strong>utlich in uns leben<strong>de</strong>s und wirken<strong>de</strong>s Gefühl uns zuflüstert. Dieses Gefühl<br />
drängt nach Überwindung <strong>de</strong>r durch <strong><strong>de</strong>n</strong> Intellekt festgestellten Einsamkeit <strong>de</strong>s Ich, es sucht<br />
Verbindung, es sucht Hilfe, es sucht Bestätigung seiner selbst im Gefühl eines an<strong>de</strong>rn. Es<br />
wi<strong>de</strong>rspricht hierbei ganz entschie<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>de</strong>m egoistischen Bewußtsein <strong>de</strong>s alleinstehen<strong><strong>de</strong>n</strong> Ich.<br />
Man <strong><strong>de</strong>n</strong>ke etwa an die Liebe eines Menschen zu einem an<strong>de</strong>ren. Nicht an jene „Liebe", die<br />
nur Besitz ergreifen will, son<strong>de</strong>rn an jene, die <strong>de</strong>r Vernunft <strong>de</strong>s Egoismus wi<strong>de</strong>rsprechend<br />
schenken will, statt zu nehmen, opfern will, statt zu triumphieren, Lei<strong><strong>de</strong>n</strong> auf sich nehmen<br />
will, statt Lei<strong><strong>de</strong>n</strong> zu erzeugen. Was ist diese Liebe vor <strong>de</strong>m Richterstuhl <strong>de</strong>s Intellektes doch<br />
<strong>für</strong> ein dummes Ding! Und trotz<strong>de</strong>m ist sie <strong>de</strong>r ewigen Weisheit unendlich viel näher als <strong>de</strong>r<br />
nur Vorteil und Nachteil berechnen<strong>de</strong> Intellekt 4 .<br />
In dieser Liebe dämmert jenes wun<strong>de</strong>rbare Gefühl von <strong>de</strong>r Lebensgemeinschaft auf, die wie<br />
ein hochgewölbter Bogen über Allem steht, was lebendig ist. Ebenso wie in <strong>de</strong>r Liebe <strong>de</strong>r<br />
Geschlechter das Ich und das Du aus ihren Einsamkeiten heraus die Zweisamkeit, als eine<br />
höhere Einheit suchen und wie in <strong>de</strong>r weisen Werkstatt <strong>de</strong>r Natur die Fortsetzung <strong>de</strong>r<br />
Generationenkette im Kin<strong>de</strong> erst aus dieser körperlichen Zweisamkeit entstehen kann, genau<br />
ebenso drängt die hohe Weisheit eines Gefühls <strong><strong>de</strong>n</strong> Menschen zu allem, was lebt.<br />
Nicht nur die Erfahrung zeigt Verwandtschaftliches zwischen allem Lebendigen, auch im<br />
Erleben je<strong>de</strong>s einzelnen Menschen häufen sich die Beweise hie<strong>für</strong>. Der in Einzelhaft<br />
Gefangene schenkt dies große Irrationale <strong>de</strong>r Liebe zum Leben<strong><strong>de</strong>n</strong> in seiner Einsamkeit <strong>de</strong>r<br />
Spinne, die in seiner Zelle webt und lebt. Fast alle Menschen und je<strong><strong>de</strong>n</strong>falls die Besseren<br />
unter ihnen haben Liebe zu Tieren, Hun<strong><strong>de</strong>n</strong>, Katzen, Pfer<strong><strong>de</strong>n</strong>, aber oft auch zu <strong><strong>de</strong>n</strong> vom<br />
menschlichen Nützlichkeitssinn ausgeschalteten Lebewesen. Das zarte Gefühl beseligen<strong>de</strong>r<br />
Lebensgemeinschaft erstreckt sich auf die Pflanze. Warum zieht <strong>de</strong>r nicht vollkommen<br />
verbil<strong>de</strong>te Mensch eine einfache leben<strong>de</strong> Blume <strong><strong>de</strong>n</strong> pompösesten künstlichen Blumen vor?<br />
Warum hält sich ein Mensch, <strong>de</strong>r kaum selbst genug zu essen hat, einen Hund? Warum pflegt<br />
ein Mensch in einer Behausung, in <strong>de</strong>r er selbst kaum Platz hat, irgen<strong>de</strong>inen Blumenstock?<br />
Wenn man sich Mühe gibt, über diese Dinge nachzu<strong><strong>de</strong>n</strong>ken, an <strong><strong>de</strong>n</strong>en man lei<strong>de</strong>r Tag <strong>für</strong> Tag<br />
4 Hier schon stehen wir vor <strong>de</strong>m Tore zum Irrationalen. Schon die mo<strong>de</strong>rne Biologie gibt zu, daß bei <strong>de</strong>r<br />
Untersuchung von Lebensvorgängen ein irrationaler Rest bleibt. Wir gehen noch weiter und sagen, daß dieser<br />
Rest eben gera<strong>de</strong> das ist, was wir Leben nennen können. Er ist die Hauptsache. Friedrich Würzbach schreibt mit<br />
Recht in seinem Buche "Erkennen und Erleben" (Berlin 1932): "Der weitaus größere Teil (am Lebewesen) ist<br />
irrational und nur ein Rest, eine Oberfläche, läßt sich rational, kausal-mechanisch erklären."<br />
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