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Der Krautmarkt zu Brünn - Vermächtnis des deutschen Brünn

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<strong>Der</strong> <strong>Krautmarkt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Brünn</strong><br />

Eine lokalhistorische Betrachtung<br />

von Ing. Walter Opplusstil, Wien<br />

Als die Sintflut von 1945 über uns in einem beispiellosen Inferno hereinbrach, schien es<br />

als ob das Leben für uns seinen Sinn verloren hätte. Die Arbeit, der Aufbau von<br />

Generationen, Lebenswerke fleißiger Menschen waren mit einem Schlage vernichtet, die<br />

deutsche Seele unserer Vaterstadt ausgelöscht. Als Namenlose strandeten wir, an Leib<br />

und Seele gebrochen, bettelarm und verlassen in Not und Elend in einer fremden Welt.<br />

Über Nacht stempelte uns eine noch nie dagewesene Schicksalstragödie <strong>zu</strong> vogelfreien<br />

Kreaturen, die aufgehört hatten, Menschen <strong>zu</strong> sein!<br />

Das Rad der Geschichte dreht sich jedoch weiter! Heute nach 7 Jahren sieht vieles<br />

anders aus! Auch wir Überlebenden dieser Katastrophe haben Distanz <strong>zu</strong> dem<br />

furchtbaren Geschehen gewonnen. Heute ist es uns klar geworden, daß man zwar<br />

Menschen vernichten kann, nicht so ihr Werk, welches Generationen organisch<br />

aufbauten. Denn im Ablauf der Zeiten sind Jahrhunderte versunken, Geschlechterfolgen<br />

lösten einander ab. Längst sind diese Menschen vermodert, ihr Erbe aber lebt zeitlos<br />

weiter! Von ihrem Wirken, ihrem schöpferischen Geist künden bis in unsere Gegenwart<br />

herein die steinernen Bauwerke, die Städte und Dörfer die sie schufen. Es ist das<br />

<strong>Vermächtnis</strong> unserer Vorfahren, das uns eine Weiterentwicklung überhaupt ermöglichte!<br />

So können wir es heute mit Stolz verzeichnen, daß es unsere Ahnen waren, denen<br />

unsere Vaterstadt ihr Antlitz, ihre ganze Anlage <strong>zu</strong> verdanken hat! Es war ihr Können, ihr<br />

Fleiß, ihre Tüchtigkeit, die es <strong>zu</strong>wege brachte, aus der kleinen mittelalterlichen Stadt das<br />

österreichische Manchester aus<strong>zu</strong>bauen!<br />

Denken war an unsere Vaterstadt <strong>zu</strong>rück, taucht mit ihr ein trautes Bild voll heimeliger<br />

Anmut auf: der malerische <strong>Krautmarkt</strong> mit seinen alten Häusern und seinem steinernen<br />

Brunnen in der Mitte. Darüber sichtbar die beiden majestätischen Türme von St. Peter.<br />

Dieser alte <strong>Krautmarkt</strong>, der jeden von uns ans Herz gewachsen war. Denn schon von<br />

unseren Kindertagen an, war er uns ein lieber Bekannter und entzückte uns mit seinem<br />

stimmungsvollen, bunten Marktgetriebe.<br />

Blättern wir im Buche der Vergangenheit, finden wir ihn inmitten der mittelalterlichen<br />

Stadt mit ihren Wällen und Bastionen. Er war <strong>zu</strong> jener Zeit der „obere Platz" oder der<br />

„Oberring", bildete ein längliches Viereck und war umschlossen von alten Bürgerhäusern.<br />

In seiner Mitte standen ein Brunnenhaus, der Narrenkotter und der Pranger. Seine obere<br />

Südwestecke schloß das Fürst Dietrichsteinsche Palais ab, welches zeitweilig der Sitz <strong>des</strong><br />

Oberlan<strong>des</strong>gerichtes war. Später dann Sitz <strong>des</strong> Tribunals und der Landtafel. In den<br />

letzten Jahren war in diesem Gebäude das städt. Museum untergebracht. An der<br />

Südostseite <strong>des</strong> Platzes, dort wo später die „Redoute" stand, war die städtische Taverne.<br />

Hier fanden die Bälle und vormärzlichen Veranstaltungen der <strong>Brünn</strong>er Bürgerschaft statt.<br />

Schon um 1670 diente dieses Gebäude als Schauspielhaus, fiel aber wiederholt Bränden<br />

<strong>zu</strong>m Opfer.<br />

Im Jahre 1690 wurde kein Geringerer als Fischer von Erlach von einem hochlöblichen Rat<br />

der Stadt ersucht „allhier am obern Platz ein Fontanam, oder Rohrkasten sowohl <strong>zu</strong>r<br />

Notturft, als auch <strong>zu</strong>r Zierde der Statt aus guten, harten und wasserhaltenten<br />

Egenburger Stein" <strong>zu</strong> errichten. <strong>Der</strong> „Edle und Kunstreiche" Baumeister aber, hatte es<br />

gar nicht so eilig. Die <strong>Brünn</strong>er hatten ihre liebe Not mit ihm. Denn, alles ständige<br />

Mahnen, endlich <strong>zu</strong> beginnen, half nichts. Erst 5 Jahre später kam der Bau unter<br />

Mitarbeit <strong>des</strong> <strong>Brünn</strong>er Steinmetzen Bernhard Höger und der figuralen Ausschmückung<br />

durch Tobias Kracker <strong>zu</strong>stande: Herkules in der Grotte, mit einem an der Kette<br />

geführten Cerberus, ferner 4 Frauengestalten, einem Lintwurm, Flügellöwen, 1 Bären,<br />

vierköpfigen Drachen und Delphinen, der „Parnass" war endlich fertiggestellt.<br />

Um 1730 wurde am oberen Teil <strong>des</strong> Platzes die architektonisch wertvolle<br />

Dreifaltigkeitssäule errichtet. Vor ihrem Sockel pflanzte man Weinstöcke, die nach einem<br />

besonders warmen Sommer Reben <strong>zu</strong>m Reifen brachten. Den Wein kredenzte man in<br />

einer feierlichen Ratsit<strong>zu</strong>ng den Ratsherren!


Vor der Taverne standen lange Jahre die Fleischbänke, dort gab es immer großes<br />

Gedränge und dort herrschte nicht immer der feinste Ton. Am oberen Teil <strong>des</strong> Platzes<br />

wurde von den Eisenhändlern allerhand Eisenwaren feilgeboten. Auch als Heumarkt<br />

diente der „obere Platz" lange Jahre. Im Mittelalter gab es sonst Wochenmärkte. Am<br />

Mittwoch wurde ein allgemeiner Markt abgehalten. Am Freitag wurde Brot und Samstag<br />

Fleisch verkauft. Außer den reichen Tuchscherern und den großen Geschäften der<br />

Patrizier gab es überwiegend Kramläden der Kleinkrämer. In dem Teil <strong>des</strong> <strong>Krautmarkt</strong>es<br />

von der Ferdinandsgasse bis <strong>zu</strong>r „Sporergasse", der nachmaligen Rathausgasse, standen<br />

diese Kleinkramläden in dichter Reihe nebeneinander. Sie unterschieden sich von den<br />

heutigen Geschäften dadurch, daß der Händler die Ware wohl in seiner Behausung<br />

untergebracht hatte, der Verkauf der Ware jedoch vor dem Ladenfenster auf der Gasse<br />

abgewickelt wurde, so daß der Käufer das Haus überhaupt nicht betreten mußte. Das<br />

Ladenfenster hatte <strong>zu</strong> diesem Zweck ein breit ausladen<strong>des</strong> Fensterbrett auf dem die<br />

Waren ausgelegt waren und darüber ein Vordach als Regenschutz. Schon <strong>zu</strong> Beginn <strong>des</strong><br />

15. Jahrhunderts hören wir von der Abhaltung von Jahrmärkten, die sich die ganze Zeit<br />

über bis <strong>zu</strong>r Jahrhundertwende hielten. Freilich mit wechselndem Erfolg, der von der<br />

jeweiligen Wirtschaftslage abhing. Unterbrochen wurden sie nur dann, wenn Pestseuchen<br />

die Stadt bedrohten.<br />

Bei einem solchen Jahrmarkt wurden die Stadttore geöffnet und es kam viel frem<strong>des</strong><br />

Volk und fahrende Kaufleute von weit her in die Stadt. Für gewöhnlich gab es einen<br />

Frühjahrsmarkt vom 1. Fastensonntag, einen Herbstmarkt <strong>zu</strong> St. Kunigund, der den St.<br />

Aegidimarkt ablöste. Später dann kam der Dreifaltigkeitsmarkt und um 1574 ein 8-<br />

tägiger Wintermarkt, der sogenannte „Luciamarkt", der am 13. Dezember abgehalten<br />

wurde, hin<strong>zu</strong>. Im 19. Jahrhundert wurde der Beginn der Märkte am Morgen mit<br />

Trompetenblasen vom nahen Rathausturm angekündigt. Es war ein buntes, malerisches<br />

Bild — ein solcher Jahrmarkt. Die einzelnen Geschäftszweige hatten ihre Standplätze gemeinsam<br />

<strong>zu</strong>gewiesen, so daß die Schnittwarenhändler, die Kaufleute mit Galanteriewaren,<br />

die Gewürzekrämer und die Händler mit Gemischtwaren, jede Gruppe für<br />

sich gesondert, ihre Waren feilboten. Die fortschreitende Technisierung, die neuen<br />

Eisenbahnverbindungen machten die Abhaltung der Jahrmärkte unrentabel. Damit wurde<br />

der alte Platz vorwiegend Obst- und Gemüsemarkt so wie wir ihn aus unsern<br />

Kindertagen kennen.<br />

Verständlich ist es, daß auf diesem Marktplatz seit eh und je, Wirtshäuser und<br />

Kaffeeschenken gute Geschäfte machten, wir daher schon in den frühesten Zeiten auf<br />

dem „Oberring" eine ganze Menge vorfinden. Das bekannteste und eines der ältesten<br />

Wirtshäuser war der <strong>Krautmarkt</strong>keller, wo mancher Humpen schäumenden Gerstensaftes<br />

hinter die Binde gegossen wurde. Lange Zeit stand auch das Cafe Jäger am <strong>Krautmarkt</strong><br />

<strong>Krautmarkt</strong> mit Parnass, Narrenkotter,<br />

Pranger, Brunnenhaus ■ 1768


das sich großer Beliebtheit erfreute.<br />

Dieser alte Platz spiegelte <strong>zu</strong> allen Zeiten das Leben unserer Vaterstadt und seiner<br />

Menschen wieder. Immer aber strömte er einen Zauber aus, der jeden, der ihn aufsuchte<br />

gefangen nehmen mußte. Wehmut im Herzen überkommt uns, wenn wir all die<br />

unvergeßlichen Bilder an uns vorüberziehen lassen: Zur Marktzeit an Vormittagen, wenn<br />

er, von der Morgensonne verklärt, sich von seiner schönsten Seite zeigte. Mit seiner<br />

Unzahl von Buden und „Standln", den vielen Schirmen und Marktleuten, den<br />

Kumrowitzer und Alt-Tschernowitzer Baseln in ihrer kleidsamen Tracht, den biederen<br />

Gärtnern von der Neustift und Grillowitz, den feilschenden Löscherinnen und den, ihre<br />

Einkäufe besorgenden Hausfrauen. Zum Feierabend, wenn er sauber aufgeräumt still<br />

und verträumt im Sonnenuntergang vor uns lag. Abendfrieden mitten im pulsierenden<br />

Rhythmus der Großstadt. Zur Weihnachtszeit, wenn sich in der Dämmerung <strong>des</strong><br />

Wintertages frohe Menschen im grellen Licht der Acetylenlampen um die Buden<br />

drängten. Die Silberketten, der bunte Glasschmuck und all der Tand und Flitter so<br />

manches Kinderherz höher schlagen ließ. Zarte Nebelschleier den Weihnachtsmarkt im<br />

lustigen Spiel der Schneefllocken <strong>zu</strong> einem berückenden Bild voll Christnachtstimmung<br />

zauberten.<br />

So wars <strong>zu</strong> unserer Zeit und nicht anders in den Tagen verklungener Jahrhunderte: Da<br />

über das holprige Plaster <strong>des</strong> „Oberen Platzes" Urgroßmutter mit Häubchen und<br />

rauschender Krinoline ihre Einkäufe besorgte und Urgroßvater im Bratenrock, oder<br />

Schoßfrack mit buntem Zylinder die Marktbuden inspizierte, Bürger und Hausfrauen in<br />

der Tracht <strong>des</strong> Mittelalters den Platz bevölkerten. Bei diesem, unseren Sinnen taucht der<br />

ehrwürdige alte Marktplatz vor uns auf, mit den altväterlichen Bürgerhäusern jener<br />

Tage, mit seinem efeuumrankten, steinernen Brunnen, mit seinen Menschen — unseren<br />

Ahnen —! Unwillkürlich drängt sich der Gedanke auf: Was hätten sie, unsere Vorfahren<br />

<strong>zu</strong> der schaurigen Schicksalstragödie gesagt, die wir über uns ergehen lassen mußten?

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