Die Brünner Vorstadt Neustift
Die Brünner Vorstadt Neustift
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<strong>Die</strong> <strong>Brünner</strong> <strong>Vorstadt</strong> <strong>Neustift</strong><br />
Mit der Aufhebung der Grundherrschaft und der mit ihr erfolgten Grundablösung, fielen<br />
die letzten Schranken, welche sich bisher einer Vereinigung der Vorstädte mit der Stadt<br />
Brünn entgegenstellten. <strong>Die</strong>ser Zusammenschluß wurde im Jahre 1850 vollzogen.<br />
Es war daher 1950 ein volles Jahrhundert her, da diese Gemeinden ihre Selbständigkeit<br />
aufgaben, um des weiteren ihr Geschick in allen Belangen mit Brünn zu teilen, mit jenem<br />
Brünn, welches ihnen ein starker Schutz, mitunter aber auch die Ursache schwerer<br />
Heimsuchungen war.<br />
<strong>Die</strong>ses Jahr 1950 war aber nicht nur ein Gedenkjahr für Brünn, sondern zugleich auch<br />
die Zeitmarke des 600jährigen Bestandes einer seiner Vorstädte, der ehemaligen<br />
„hochfürstlich Liechtenstein'schen Gassen <strong>Neustift</strong>", welche im Volksmunde — heute wie<br />
ehedem — allgemein und kurz „die <strong>Neustift</strong>" genannt wird.<br />
Unsere Gemeinde umfaßte nicht nur allein die „<strong>Neustift</strong>gasse", sondern weiters die<br />
„Grillowitzgasse" von der Straßengasse ostwärts in den ungeraden, und von 30 an in den<br />
geraden Nummern, dann die Ost- und Südseite der „Straßengasse" und gegenüber einen<br />
Teil der Redlich'schen Fabrik, das Gebäude der ehemaligen Kuhn'schen Fabrik bis zum<br />
Mühlgraben (heute ein Teil der Landeskrankenanstalt), sowie die Bauten und Gründe<br />
längs des Mühlgrabens) von der Skenestraße bis zur Nordbahnstraße, die „Nordbahnstraße"<br />
selbst, einige in den Krautgärten eingestreute Häuser der „Kohlgasse", den<br />
in der Verlängerung der <strong>Neustift</strong>gasse zur Schwarzawa führenden Weg „Jägergass 1",<br />
dann die Ostseite der „Flößgasse" und schließlich die drei Binnengassen „Sackgasse",<br />
„Zwetschkengasse" und „Tuchmachergasse".<br />
Grenznachbarn der <strong>Neustift</strong> waren Ober-Gerspitz, Altbrünn, Kreuzgasse, Annagrund,<br />
Lackerwiese, Stadt Brünn, Dornrössel, Dornich, Petersgasse und Kumrowitz.<br />
Ausgenommen die in den behördlichen und herrschaftlichen Archiven befindlichen<br />
Bücher und Urkunden, sind diejenigen, welche Privatbesitz und zumeist in einer Hand<br />
waren, im Jahre 1945 wahrscheinlich der Vernichtung anheimgefallen. Es ist daher wohl<br />
mehr als nur Gefühlssache, die wenig oder gar nicht bekannten Schicksale und<br />
Begebenheiten der „<strong>Neustift</strong>" dem drohenden Vergessen und Untergange zu entreißen.<br />
Freilich beschränkt sich die Wiedergabe nunmehr einzig auf das Erinnerungsvermögen,<br />
aber die viele Jahrzehnte währende Verbundenheit mit dieser Gemeinde und Erforschung<br />
deren Geschichte verbürgen eine, wenn auch lückenhafte, so doch wahrheitsgetreue<br />
Darstellung.<br />
<strong>Die</strong> Sicherung des Schwarzawa- Überganges an der Stelle der 1492 erbauten „Lange<br />
Brücke" besorgte der „Grilhof" 1 ), dem Wirtschaftsgebäude und Grundstücke —<br />
das „Grilhofig" 2 ) — zugehörten. Für Errichtung und Schleifung dieses Schlosses zeugt<br />
keine Urkunde; am wahrscheinlichsten ist die Annahme seiner Vernichtung nach dem<br />
Ausgange der Hohenstaufen, während der folgenden Kriegswirren. Und doch besteht<br />
eine unzerstörbare und unanfechtbare Urkunde: Der Name seines nachgelassenen<br />
Besitzes ist voller Beweis seines ehemaligen Bestehens, umsomehr, als die späteren<br />
Inhaber den freien Ständen und der Kirche angehörten, ihnen demnach Teile des ledig<br />
gewordenen Gutes Grilwitz durch Kauf oder Schenkung überkamen. So wurde den<br />
<strong>Brünner</strong> Schwester-Herberg-Nonnen drei Höfe zugewiesen, den Altbrünner Cisterzien-<br />
serinnen „Maria Saal" bei der Gründung ihres Klosters unter anderem ein Hof (heute<br />
Freyschlag) und das Bierhaus „Zum blauen Löwen" eingeantwortet. Dem Leutpriester<br />
oder Pfarrer (plebanus), welcher um das Jahr 1350 zugleich Stadtschreiber in Brünn war,<br />
flössen die Einkünfte der dortigen Kirche St. Prokop zu. Ob diese Pfarrkirche St. Prokop<br />
mit der im Stadtbuche Brünns (1342) erwähnten Altbrünner Pfarrkirche St. Ulrich<br />
wesensgleich war, konnte bisher, mangels jeder weiterer Belege, nicht festgestellt<br />
werden; die Klärung der Frage bezüglich dieser Kirche und der ebenfalls verschollenen<br />
Kirche St. Katharina in Altbrünn muß — wenn noch überhaupt möglich — der späteren<br />
Forschung überlassen bleiben. Kirche und Friedhof zu St. Prokop wurden 1780 entweiht,<br />
eingeebnet und die Gebeine auf dem St. Wenzelsfriedhof beigesetzt; über ihre Gründe<br />
hinweg wurde 1830 die „Ugartestraße" zur Straßengasse durchgebrochen.<br />
Den ihm zugekommenen Anteil von Grilwitz verlieh Jan Vojna de Litava 3 ) im Jahre 1350
in Erbpacht an 32 Gärtier und wurde hiermit die Gründung der „Gassen <strong>Neustift</strong>"<br />
vollzogen.<br />
<strong>Die</strong> ausdrückliche Bezeichnung „Gartler" gibt Kunde, daß die Grundstücke schon damals<br />
hochkultiviertes Gemüse-, Obst-, Wein- und Blumenbauland war, und daß daher auch<br />
die mit den 32 Losen bedachten Gärtner wohl nicht erst berufen werden mußten,<br />
sondern aus dem bisherigen Hofgesinde des Gutsherrn gestellt wurden. Weder Landtafel<br />
noch Grundbücher der späteren Jahrhunderte weisen eine Rücknahme oder Übergabe<br />
von Gründen durch die Gutsherrschaft auf, und können wir daher mit genügender<br />
Sicherheit annehmen, daß die Realitäten, welche noch 1850 im Besitze des Grundherrn<br />
standen, auch schon bei der ursprünglichen Aufteilung in deren uneingeschränktem<br />
Nutzgenusse oder Eigenbewirtschaftung waren und zugleich die Stelle bezeichnen, wo<br />
vor 600 Jahren der Gutshof lag, — es sind die Gründe der ehemaligen Pottaschhütte und<br />
des Branntweinhauses, welche am Eingange zur <strong>Neustift</strong>gasse am Schwarzawa-<br />
Mühlgraben liegen, und von 1744 bis 1771 die Nummer 67 führten, sowie das bis zum<br />
Mühlgraben reichende Grundstück der ehemals Kuhn'schen Fabrik in der Straßengasse,<br />
welches wohl vorerst eine Mühle umfaßte und später in ein Badehaus umgewandelt<br />
wurde (im <strong>Brünner</strong> Stadtbuche als „Bad unter dem Spielberge" angeführt), doch weisen<br />
die Nachrichten, betreffend die der Herrschaft direkt verbliebenen Gründe, sehr große<br />
Lücken auf, welche weder durch Überlieferung noch durch Aufzeichnungen und Urkunden<br />
in den Archiven überbrückt werden konnten.<br />
Um das Jahr 1400 erwarb — unbestimmbar ob durch Erbschaft oder Kauf — Cenek de<br />
Nezetitz 4 ) die neue Gemeinde, um von diesem an seinen Sohn Johann, und dann<br />
weiterhin an Johann Pomyn de Nezititz vererbt zu werden. Der letztere vermachte seine<br />
Güter dem <strong>Brünner</strong> Tuchhändler Cenek de Mislokowitz 5 ), Besitzer von Slawikowitz 6 )<br />
Und Curowitz 7 ). — <strong>Die</strong>ser besaß in der Fröhlichergasse zu Brünn ein Haus und war —<br />
nach den Losungsbüchern zu schließen, ein reicher Bürger. Als er im Jahre 1450 seine<br />
Tochter Anna dem Schreiber des Kleinen Landrechtes Jeronym de Piwin 8 ) (Hieronymus<br />
Piweiner) vermählte, gab er ihr unter anderem die <strong>Neustift</strong> zur Mitgift. Jeronym wurde<br />
1452 mit dem Prädikat „von Piwin" in den erblichen Adelsstand erhoben und ihm als<br />
Wappen und Helmzier 2 gestutzte, aufrechtstehende Äste mit wechselnden Farben in<br />
rot-weiß gespaltenem Felde und rot-weißer Helmdecke verliehen, welcher Adelsbrief<br />
auch im Wiener Saalbuche verzeichnet erscheint.<br />
Ein Bild der in der Zeit des tschechisch-nationalen Königtums herrschenden Unsicherheit,<br />
zugleich aber auch die bisher erste Nennung des Namens eines <strong>Neustift</strong>er Gärtners<br />
bieten die „Půhony a nálezy" 9 ) des Landrechtes, nach welchen im Jahre 1454 Albrecht<br />
von Waldstein und Herr auf Seelowitz dem, mit 8 Scheffeln Salz auf der Wiener Straße<br />
heimfahrenden Gärtner Andreas, Ladung und Fuhrwerk abnahm und mit einer Tracht<br />
Prügel davonjagte; im nachfolgenden Gerichtsverfahren aber zu voller Genugtuung<br />
verurteilt wurde.<br />
Der einzige Sohn des Hieronymus v. Piwin, Wenzel v. Piwin erbte 1480 die Besitzungen<br />
seiner Eltern und lebte in Brünn anscheinend mit der Wirtschaftsführung seiner Güter<br />
beschäftigt, da ein sonstiger Beruf auch aus den Losungsbüchern nicht festzustellen ist.
Zu seiner Zeit — im Jahre 1504 – entschied das Gubernium (Statthalterei) Mährens,<br />
daß das zwischen den Dörnrößler 10 ) „Hausgärten" und dem <strong>Neustift</strong>er „Larer Beitel"<br />
fließende Bächlein je zur Hälfte den Anrainern zugehöre, und von diesen daher auch das<br />
Bachbett im selben Ausmaße zu reinigen und instandzuhalten sei (Urkunde im Mähr.<br />
Statthaltereiarchiv).<br />
Anscheinend unverheiratet und kinderlos starb Wenzel v. Piwin im Jahre 1506 und sein<br />
Besitz überkam als Erbe an seinen Oheim Hynek de Popuwek 11 ), welcher es 1516 an<br />
Ladislaus v. Boskowitz 12 ) verkaufte. Letzterer war nicht nur ein geistreicher Träger und -<br />
Förderer des Humanismus, sondern zugleich auch einer der reichsten und mächtigsten<br />
Angehörigen des tschechischen Hochadels. Er starb 1520 zu Brünn in seinem Hause Ecke<br />
Post- und Krapfengasse. Unter ihm und seiner direkten Nachkommenschaft wurde die<br />
„Gassen <strong>Neustift</strong>" bei der Herrschaft Mährisch-Trübau/Merherische Triba) geführt und<br />
kam — nach dem ohne Leibeserben verschiedenen Albrecht v. Boskowitz — mit dessen<br />
sämtlichen Gütern an dessen Neffen Johann Schembera Czernohorsky 13 ) von Boskowitz,<br />
welcher die <strong>Neustift</strong> zur Domäne Butschowitz schlug.<br />
Das Grundbuch der <strong>Neustift</strong> für die Zeit Von ca. 1560 bis 1576 erliegt im <strong>Brünner</strong><br />
Stadtarchive und enthält neben den Riedbenennungen viele Namen ehemaliger<br />
Gemeindemitglieder wie: Fladt, Jane, Tele, Piriknecht, Purman, Ulbrich, Christ, Hoffmann<br />
und Kniepandtl, von welcher die drei letzten bis in die jüngste Zeit erbeingesessen<br />
waren, die übrigen aber in den Wirren des 30jährigen Krieges ausschieden. <strong>Die</strong>ses Buch<br />
ist — von verschiedener Hand — deutsch geschrieben.<br />
Aus dem Jahre 1583 überkam uns die erste erhaltene Urkunde betreffend die Pflichten<br />
und Rechte der Gemeinde, als ein „Privileg" auf Pergament in tschechischer Sprache,<br />
nach welchem jede Behausung jährlich 1 Fl. rhein. als Kamingeld zu zahlen, Zug- und<br />
Handrobot bei Straßen- und Brückenbauten im Gemeindegebiete, Botengänge zu leisten,<br />
und bei Anwesenheit der Herrschaft in Brünn an deren Küche das erforderliche Gemüse<br />
und sonstige Garten-und Wirtschaftserzeugnisse zu liefern hatten. Da die jeweiligen<br />
folgenden Grundherren bei Antritt der Herrschaft ein Privileg ausstellten, welches im<br />
wesentlichen eine Abschrift dieses erstbekannten darstellte, ist mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die <strong>Neustift</strong>er bereits auch schon dem Gründer und<br />
seinen bisherigen Nachfolgern unter den gleichen, oder doch sehr ähnlichen<br />
Bedingungen Untertan waren.<br />
Johann Schembera Czemohorsky v. Boskowitz wurde in späterer Zeit, zufolge seines<br />
Auftretens und Reichtums mit einem Sagen- und Legendenkranze umwoben, wobei<br />
Wahrheit und Dichtung eng vermengt erscheinen. So tötete er im Zweikampfe auf<br />
offener Straße, vor seinem Hause in der Krapfengasse seinen Beleidiger Franz v.<br />
Zastrizl, welcher ihn im Streite einen „Zwigebenie" 14 ) gescholten hatte, welche Sache<br />
vor dem Landgericht mit den Verwandten des Getöteten zur Austragung kam. <strong>Die</strong> ihm<br />
zugeschriebene Prellung der <strong>Brünner</strong> Minoriten um die ihnen angeblich urkundlich<br />
zugedachten Erbrechte, ist in das Fabelreich zu verweisen, da er ja zwei Leibeserben —<br />
die Töchter Anna und Katharina — hatte, und Frömmigkeit kaum zu seinen großen<br />
Tugenden gerechnet werden kann; über seine spukhaften, nächtlichen Ritte aus dem<br />
„Schemberaloche" bei Obrzan in die Minoritengasse und zurück, ist-weiter kein Wort zu<br />
verlieren 15 ).<br />
Als er 1596 starb fielen seine Besitzungen an die beiden Töchter, welche mit den<br />
Brüdern Gundacker und Maximilian Grafen von Liechtenstein vermählt wahren. <strong>Die</strong><br />
<strong>Neustift</strong> kam an Maximilian, welcher sie seiner Herrschaft Bilowitz und nach 1622 seinem<br />
Gute Posorzitz einverleibte, bei welchem es bis zur Aufhebung der Grundherrschaft 1850<br />
verblieb. Aus diesem Erbe stammt der Großteil des sprichwörtlich umfangreichen<br />
Landbesitzes und Reichtums der Liechtensteiner und ward in ihrem Wappen auch jeher<br />
der Boskowitze — ein weißer, oben siebenmal gezackter Sparren in rotem Felde —<br />
eingefügt.<br />
Im Jahre 1604 stellte Maximilian v. Liechtenstein das Privileg, und zwar letztmalig, in<br />
tschechischer Sprache aus.<br />
<strong>Die</strong> Gemeindegewalt lag in den Händen des aus der Gemeinde gewählten Richters,
Bürgermeisters und 5 bis 7 Beisitzern, und war dieselbe — wie aus den „Articeln der<br />
hochfürstlichen Gassen <strong>Neustift</strong>" um 1700 hervorgeht — auf interne Gemeinde-, Polizei-<br />
und Besitzwechsel —, sowie Waisen- und Armenpflege- Angelegenheiten beschränkt,<br />
während kriminelle Verbrechen der Gerichtsbarkeit des Grundherren vorbehalten<br />
blieben.<br />
Welche Schicksale die <strong>Neustift</strong> in den Hussiten-, Religions- und Türkenkriegen zu tragen<br />
hatte ist ungewiß, doch ist anzunehmen, daß es wohl in der Hauptsache Besitzschäden<br />
und Verwüstung der Gemeinde gewesen sind, während den Bewohnern die nahe Stadt<br />
Brünn für Leib und Leben Zuflucht bot. Aber immer wieder ließ die Heimattreue der<br />
<strong>Neustift</strong>er ihre Wohnstätten neu erstehen, und bieten die Bilder Brünns mit den<br />
Vorstädten von Hufnagl und Merlan auch von unserer Siedlung eine schmucke<br />
Wiedergabe.<br />
In der Zeit der Belagerungen Brünns durch die Schweden 1643 und 1645 wurde <strong>Neustift</strong><br />
sehr schwer heimgesucht, geplündert und eingeäschert. Es ist vielleicht nur einzig das<br />
Haus <strong>Neustift</strong>gasse Nr. 24 (Hoffmanns Erben), welches die Flammen verschonten, da<br />
seine Bauart — der der Straße zugekehrte Giebel — mit der im Merianschen Stiche<br />
aufgezeigten übereinstimmt, wie es auch im Innern eine schöne Renaissance-Holzstiege<br />
aufweist und auch durch ein Stockwerk von den, nach dem 30jährigen Kriege erbauten,<br />
nur ebenerdigen Gärtnerhäusern unterscheidet. —<br />
Ebenso erging es den Bewohnern: Von den im Jahre 1576 bestandenen Familien waren<br />
1660 nur mehr die Namen Christ, Hoffmann und Kniepandtl vertreten, während sonst<br />
durchweg neue Geschlechter aufscheinen, wie Wanderstorffer, Wüdtrich, Sovva, Reißner,<br />
Reisinger, Prötner u. a. m.<br />
Im Jahre 1650 ordnete der Verteidiger Brünns gegen die Schweden, General Raduit de<br />
Souches an, daß bis auf 300 Klafter von der Stadtmauer keine Wohnhäuser errichtet<br />
werden dürften und begrenzte diese Linie in <strong>Neustift</strong> mit den jetzigen<br />
Orientierungsnummern 12 und 15. Demzufolge erbaute der <strong>Brünner</strong> Bürger und Lederer<br />
Kniepandtl 1652 ein Wohngebäude und Stadel in der Verlängerung der Grillowitz, in<br />
welchem — nach mehrfachem Besitzwechsel (unter anderen der <strong>Brünner</strong> Goldschmied<br />
Andreas Hartwig und dessen Schwiegersohn Franz v. Schlegem usf.) — zu Anfang des<br />
XIX. Jahrhunderts ein Gasthaus „zum Hirschen" errichtet wurde, welches diesem<br />
Gebäude den Namen „Hirschenstadel" eintrug, mit welchem er noch heute im<br />
Volksmunde bezeichnet wird (heute Grillowitzgasse Nr. 82), obgleich das Gasthaus<br />
schon weit über ein Jahrhundert nicht mehr besteht. — Ate die <strong>Neustift</strong>er in der Folgezeit<br />
bei Raduit de Souches um Rücknahme des 1650 erlassenen Bauverbotes bittlich wurden,<br />
erteilte er ihnen einen abschlägigen Bescheid mit dem Bemerken, ihre Wohnstätten dort<br />
zu errichten „wo der Cordnaner (= der Lederer Kniepandtl) baut". Inwieweit die<br />
Bautätigkeit dort aufgenommen wurde, ist bis heute unbekannt; möglich ist, daß Ungarn<br />
und Kumanen 1667 und Türken 1683 die <strong>Neustift</strong> neuerlich mit Brand und Verwüstung<br />
heimsuchten, und so überkam uns nur die Kunde, daß die Häuser in dem zu <strong>Neustift</strong><br />
gehörigen Teile der Grillowitzgasse in der Zeit von 1700 bis 1724 errichtet wurden.<br />
Im Jahre 1660 wurde unter dem Richter Odum (=Adam) Christ und dem Bürgermeister<br />
Michel Wanderstorffer ein neues Grundbuch angelegt, welches bis zum Jahre 1724<br />
reicht, aber in der Zeit von 1680 bis 1710 größere Lücken aufweist und dies, im Hinblick<br />
auf die große Zahl der gleichzeitig in den Registern verzeichneten Waisen, auf schwere<br />
Not, Soldatentod und großes Sterben in <strong>Neustift</strong> schließen läßt. <strong>Die</strong> Familien<br />
Wanderstorffer, Honig, Reißner u. a. m. starben aus und es erscheinen neue Namen wie<br />
Schuster, Böhm, Kronas, Schober (oder Schubert) ü. w. m.<br />
Auch die Kriege der Kaiserin Maria Theresia mit Friedrich II. von Preußen brachten neues<br />
Leid. <strong>Die</strong> vergebliche Belagerung Brünns 1742 durch die Preußen ist auch an unserer<br />
Gemeinde gewiß nicht spurlos vorübergegangen und nach diesen Wirren tauchen neue<br />
Namen wie Polzer, Wauschek, Pacofsky auf.<br />
Im Jahre 1744 erfolgte die erste Häusernumerierung, welche aber bereits im Jahre 1771<br />
erneuert und abgeändert wurde.<br />
In diesem Jahre 1771 erfolgte auch die Robotaufhebung durch Kaiser Josef II. <strong>Die</strong>se<br />
hatte aber auf das Verhältnis der <strong>Neustift</strong>er zu ihrem Grundherrn, dem Fürsten von
Liechtenstein, keinerlei Einfluß, da sich sämtliche Gemeindeinsassen vorbehaltlos für die<br />
Belassung des alten Erbpachtzustandes entschieden.<br />
--------------------------------------<br />
1) Gril, Grel = Gridl, Gredl — Grindel, Grendel = Riegel, Gitter, Sperre oder Schloß; Hof = Hoff =<br />
How = How = Ow; demnach „Grllow" = „Grilhof" = Sperrfeste, Sperre.<br />
2) Der zum Hof gehörige lebende und sachliche Besitz wurde das „Hofig" genannt. Hofig =<br />
Hoffig = Hovvig = Howig = Howic = Howich = Howisch.= Howitz = owitz, also das zum „Grilhof"<br />
gehörige Besitztum „Grilowic" oder „Grilowitz". Verstümmelung, Verstimmelung, also auch<br />
frühere Schreibwelsen ließen verschiedene Formen, wie „Grüwitz", „Grilbitz", „Grillwitz" usw.<br />
entstehen, welche allmählich Sprachzugehörigkeit, Ursache und Sinn des Namens vergessen<br />
ließen.<br />
3) Jan = Johann; Vojna Ist nicht als Familienname, sondern als Übersetzung von altfränkisch<br />
„Eller oder Edler" d. i. „Krieger" ins Tschechische aufzufassen; de (lat.) = von; Litava kann auf die<br />
Stadt Litau (lat. Litavia oder Litava), auf das kleine Dorf Litava bei Nedwieditz (Nedwied =<br />
huedwed = medvld = Bär, Nedwieditz = Bärnig = Per-nitz oder das zur Burg Pernstein<br />
Gehörige!), oder auf einen ehemals südöstlich von Brünn gelegenen Ort Litav oder Litau, welcher<br />
in den späteren Kriegen — wie so viele andere! — verwüstet wurde, und nicht wieder erstand,<br />
von dem aber noch heute der Bach Litawa oder Litawka Kunde gibt, bezogen werden. <strong>Die</strong> letzte<br />
Annahme erscheint am wahrscheinlichsten, sowohl in Anbetracht der Nähe Brünns, als auch<br />
darum, daß die folgenden Besitzer aus östlich von Brünn liegenden Ortschaften stammten. Litaw<br />
oder Litau = Lithof, Leithof, Geleithof, der Hof, welcher für Sicherung und Geleite sorgte, (ähnlich<br />
auch Kleidowka = Kleidowig — das „Geleithofig", als das zum „Geleithof" Gehörige!).<br />
4) Nezetltz, anscheinend in den Hussitenkriegen zerstört und später nurmehr als ,öde" angeführt,<br />
lag In der Wischauer Gegend und ist mit dem in Südwestböhmen gelegenen Orte gleichen<br />
Namens keinesfalls wesensgleich.<br />
5) Mislikowitz ein noch heute In der „Hanna" bestehender Ort.<br />
6) Slawikowitz bei Baußnitz, bekannt durch die Pflügung einer Ackerfurche durch Kaiser Josef II.<br />
7) Curowitz = Kurowitz, kleiner Ort In Mittel-Mähren.<br />
8) Piwin, eine südöstlich von Olmütz in der Hanna gelegene Ortschaft.<br />
9) Puhony a nälezy = Klagen und Urteile (Erkenntnisse).<br />
10) Dörnrössel, <strong>Vorstadt</strong> Brünns, östlich der <strong>Neustift</strong>, alt „Derndruzzel". „Dem" d h „Darren =<br />
Malzdörren", „Druzzel = Drleschel = ' Grundstücke, Quartier oder Viertel", demnach also das in<br />
den <strong>Brünner</strong> Stadt- und Losungsbüchern oft erwähnte „Bräuer-oder Mälzerviertel".<br />
11) Popuwek a)' Ort südlich von Brünn, b) Ort in der Hanna.<br />
12) Bo'skowitz, Stadt und Burg (-Ruine) nördlich von BrÜnn.<br />
13) Schembera = verstimmelt Schönberger; Czemohorsky = von Czernahora (Schwar-zenberg)<br />
Ortschaft nördlich von Brünn.<br />
") Zwigebenie; w =, b = u (= v = b), demnach tschechisch verstimmelt „Zigeuner". 15)<br />
vergleiche auch: Alois Schembera: <strong>Die</strong> Herren von Boskowitz<br />
------------------------------<br />
Während der Napoleonischen Kriege wurde unsere Gemeinde von Freund und Feind mit<br />
Einquartierungen, Requisitionen, Kontributionen und Plünderung arg heimgesucht, doch<br />
erholten sich die Gärtner sehr rasch, ja einige derselben waren direkt als reich<br />
anzusprechen — gab doch der Gärtner Franz Christ seiner Tochter, welche 1806 einen<br />
bekannten Tuchfabrikanten in Dornrössel heiratete, die für damalige Zeit ungeheure<br />
Summe von 100 000 Fl. rh. zur Mitgift.<br />
Mit Aufhebung der Leibeigenschaft wurden 1850 die Gründe, welche bisher in Erbpacht<br />
standen abgelöst und dem Grundherrn mit 2 Kreuzern CM für den Quadratklafter<br />
(ungefähr 3,6 m 2 ) abgegolten.<br />
Im gleichen Jahre wurde die Gemeinde <strong>Neustift</strong> bei Bildung der Großgemeinde Brünn, in<br />
das Stadtgebiet einbezogen und zu ihrer Verwaltung ein Viertelkommissär aus den<br />
Reihen der einsässigen Gärtner bestellt, bis auch dieses Amt mit der Jahrhundertwende<br />
aufgehoben und der letzte Viertelkommissär Franz Hoffmann in Ehren verabschiedet<br />
wurde.<br />
<strong>Die</strong> von Wien und dem Süden, sowie von Iglau und dem Westen der „Langen Brücke"<br />
zustrebenden Straßen fanden auch in der Gemeinde <strong>Neustift</strong> in 2 Straßenzügen ihre<br />
Fortsetzung. Bis zu ihrer Gabelung beim Ausgange der heutigen <strong>Neustift</strong>gasse führte ihr<br />
Weg gemeinsam durch die Grillowitzgasse, worauf der Hauptstrang durch die<br />
<strong>Neustift</strong>gasse dem Judentore zuging, während der andere Arm durch die verlängerte
Grillowitzgasse und die Gemüsegärten zur Petersgasse und weiter gegen Südosten den<br />
Pässen nach Ungarn zustrebte. Es ist selbstverständlich, daß diese Straßen auch den<br />
weiteren Verkehr über und von Brünn nach allen Windrichtungen vermittelten, und daß<br />
daher die ungemein rege Inanspruchnahme derselben für die <strong>Neustift</strong>er — in Ausübung<br />
der im „Privileg" übernommenen Pflicht der Straßeninstandhaltung in ihrer Gemeinde —<br />
viel Arbeit und Mühe bedeutete, ihnen aber auch, nicht zuletzt aber auch im Hinblick auf<br />
die Nähe der Stadt mit ihren Märkten, Einkünfte und Vorteile verschiedenster Art, als<br />
auch guten Absatz ihrer Er Zeugnisse sowie Erwerbung hochwertiger Kaufmannsgüter<br />
und fremder Produkte vermittelte.<br />
<strong>Die</strong> Führung der Gemeindegeschäfte, der Grundbücher, Verkehr mit Ämtern und der<br />
Gutsherrschaft, Berichte, Einhebung und Abrechnung der Gemeindegelder, der Abgaben<br />
und Umlagen, als auch der Handel mit den Erzeugnissen, Löhnung des Gesindes „Der<br />
Tobriger" d. h. der Tagewerker oder Tagelöhner usw. erforderten ein ausreichendes<br />
Können in Lesen, Schreiben und Rechnen, und daher hatte auch unsere kleine Gemeinde<br />
einen eigenen Lehrer. <strong>Die</strong> ersten uns überkommenen Nachrichten hierüber stammen aus<br />
der Zeit nach dem 30jährigen Kriege, doch kann mit Hinblick darauf, daß diese doch<br />
immerhin kostspielige Einrichtung nicht gerade in einer Notzeit geschaffen worden sein<br />
dürfte, und weiter auch auf die bereits schon vorher bestandenen Gründe ihres Einsatzes<br />
mit ziemlicher Sicherheit auf einen weit früheren Zeitpunkt der Schulerrichtung<br />
geschlossen werden.<br />
<strong>Die</strong> älteste uns bekannte Schule war bis zum Jahre 1761 i m Hause <strong>Neustift</strong>gasse<br />
Nr. 22 (letzter bekannter Besitzer Stadtbaumeister Robert Krug) untergebracht. Sie<br />
teilte das Gebäude mit der Feuerwache und den zur Bekämpfung von Feuers- und<br />
Wassersnot benötigten Geräten und Gefäßen. Auf dem Dachfirste war die Feuerglocke —<br />
zugleich Gebetglocke — angebracht. Damals inmitten der Siedlung gelegen, verschob<br />
sich mit der Verbauung der heutigen Grillowitzgasse der Gemeinde-Mittelpunkt immer<br />
mehr nach Süden, und es war hauptsächlich etwa drohende Gefahr durch Elemente und<br />
deren bessere zeitliche und räumliche Bekämpfung, welche die <strong>Neustift</strong>er bewog, ein<br />
neues Schul- und Feuerwehrgebäude zu errichten. In dem hierzu geeignetsten Raume,<br />
auf dem Platze, wo <strong>Neustift</strong>- und Grillowitzgasse zusammenkamen, und welcher mit<br />
günstigster Lage auch größte Bewegungsfreiheit und bequemsten Zugang bot, wurde<br />
1761 der Neubau, aufgeführt — jenes freistehende ebenerdige Gebäude <strong>Neustift</strong> 46,<br />
welches vor einigen Jahrzehnten bei Schaffung der Zufahrt zur neuen Schwarzabrücke<br />
eingeebnet wurde. Auch dieses Haus krönte der Stuhl einer Gebet- und Feuerglocke,<br />
welche erst 1891 einen anderen, würdigeren Platz zugewiesen bekam. <strong>Die</strong> nach den<br />
Napoleonischen Kriegen andauernde Friedenszeit, Errichtung von Fabriken und größeren<br />
Betrieben, als auch Vermehrung der Wohnbauten förderten die Zunahme der Gemeindeinsassen<br />
dermaßen, daß 1843 ein neuer Schulbau vorgenommen werden mußte, und<br />
das zweistöckige Neugebäude mit 3 Lehrzimmern, Lehrmittelräumen und<br />
Lehrerwohnungen wurde mit dem beginnenden Schuljahre 1844 seiner Bestimmung<br />
zugeführt. Unter der Or. Nr. 44 der <strong>Neustift</strong>gasse dient es heute noch seinem Zwecke,<br />
nachdem es 1897 in eine vierklassige und 1898 in eine fünfklassige Volksschule<br />
umgewandelt wurde. Zu allen Schulbauten hatte der jeweilige Fürst Liechtenstein die<br />
Baumaterialien und einen namhaften Baukostenbeitrag geleistet und seine<br />
Patronatspflichten jederzeit in großzügiger Weise ausgeübt.<br />
Neben ihrer Lehrtätigkeit halfen die Lehrer bei der Führung der Gemeindegeschäfte;<br />
ihnen oblag die Betreuung der Gebetglocke, sie waren die Vorbeter bei dem<br />
allwöchentlich am Freitag um 3 Uhr beim hl. Kreuze stattgefundenen Rosenkranzbeten<br />
und bei der alljährlich im August unternommenen Wallfahrt. Erst mit Einbezug der<br />
<strong>Neustift</strong> in den <strong>Brünner</strong> Stadtverband wurde die Lehrtätigkeit zum einzigen Arbeitsfelde.<br />
Der in der ersten Hälfte des XIX. Jahrh. wirkende Lehrer Bannert begann mit der<br />
Niederschrift einer Schulchronik, welche später von dem jeweiligen Schulleiter<br />
weitergeführt wurde; über deren Verbleib bzw. Schicksal ist derzeit nichts bekannt.<br />
Für die Ausübung seines Berufes erhielt der Lehrer von der Herrschaft jährlich 3<br />
Raumklafter Buchenscheite und Deputate an Korn- und Hülsenfrüchten, von der<br />
Gemeinde freie Wohnung im Schulgebäude, Gemüse- und Weindeputate sowie ein
kleines — für die damaligen Wertverhältnisse jedoch nicht zu unterschätzendes —<br />
Monatsgehalt. <strong>Die</strong> Nebengeschäfte wurden ihm von der Gemeinde besonders vergütet<br />
und zwar, in Geld, während ihm ußerdem von den Gärtnern vielfach Lebens- und<br />
Genußmittel, anläßlich der Hausschlachtungen, der Kirchen- und auch Familienfeste<br />
zugewendet wurden, welche ihm jedoch nicht bei entehrenden Bitt- oder Rundgängen,<br />
sondern in Form von Einladung oder Überbringung zukamen. Es lag einzig und allein an<br />
dem Lehrer selbst, seine ehrenhafte und achtbare Stelle im Gemeinwesen zu festigen<br />
oder zu untergraben.<br />
Um 1780 wurde <strong>Neustift</strong> der neuerrichteten Pfarre St. Magdalena in Brünn zugewiesen<br />
und 1908 zur neuerbauten Jubiläumskirche (60jähr. Regierungsjübiläum Kaiser Franz<br />
Josef I.) in der Kröna eingepfarrt. <strong>Die</strong> vorhergehende kirchliche Einteilung ist ziemlich<br />
unklar und die pfarramtlichen Handlungen im XVIII. Jahrh. erscheinen bald von der<br />
Pfarre St. Jakob in Brünn, bald von jener in Altbrünn getätigt, doch ist, nach<br />
Anordnungen in Testamenten zu schließen, die Altbrünner Pfarre die rechtmäßige<br />
gewesen, wo Taufakte und Sterbefälle viel zahlreicher vermerkt erscheinen. Erschwert<br />
wird die Entscheidung auch durch den Umstand, daß sämtliche in Betracht kommende<br />
Friedhöfe durchwegs aufgehoben und zur Erstellung von Anlagen oder für Wohnbauten<br />
herangezogen wurden; sind ja doch Bestattungen von <strong>Neustift</strong>er Insassen auf dem<br />
Friedhofe der Jakobskirche und dem städtischen Friedhofe (heute botanischer Garten)<br />
einerseits, und dem Friedhofe St. Prokop, dem Altbrünner Friedhofe (wo?) und jenem<br />
von St. Wenzel andererseits überliefert worden; ab 1883 kam nur der Zentralfriedhof an<br />
der Wiener Straße in Betracht.<br />
Wie auch schon früher vermerkt wurde das Gebetläuten vom Schullehrer besorgt und<br />
zwar früh um 5 Uhr (6 Uhr), mittags und abends (im Sommer um 20 Uhr und im Winter<br />
um 18 Uhr), außerdem am Freitag um 3 Uhr nachmittags, wo sich Schulkinder und<br />
Erwachsene zum Rosenkranzbeten beim hl. Kreuze auf dem späteren Schulplatze<br />
versammelten. Gleicherweise war der Schullehrer auch Vorbeter bei der alljährlich an<br />
dem, eine Woche nach dem 15. August fallenden Donnerstag unternommenen Wallfahrt.<br />
Nach den Aufzeichnungen der Pfarre Mödritz wurde die Wallfahrt der <strong>Neustift</strong>er dorthin<br />
erstmalig 1778 getätigt und zwar aus Anlaß der Gesundung des mit seinem Fuhrwerke<br />
verunglückten Sohnes des Bürgermeisters Schober. Nun erscheint aber in den ältesten<br />
erhaltenen Gemeinderechnungen aus den Jahren um 1700 (1703?), wie auch später,<br />
bereits die Entlohnung des Lehrers für seine Betätigung anläßlich „der" Wallfahrt (nicht<br />
auf eine gelegentliche, sondern auf eine bestimmte bezogen) verrechnet; die<br />
Gemeinderechnungen nach 1724 sind für jahrzehntelange Zeiträume verloren gegangen<br />
und diejenigen des dritten Viertels des XVIII. Jahrhunderts enthalten diese Post nicht, es<br />
fehlen auch wieder die Rechnungshefte für die kritische Zeit um 1778. Hierauf begründet<br />
kann nachstehende Schlußfolgerung als wahrscheinlich angenommen werden:<br />
<strong>Die</strong> <strong>Brünner</strong> unternahmen alljährlich am Maria Himmelfahrt -Tage eine — für die 1645<br />
glücklich überstandene Belagerung durch die Schweden — gelobte Wallfahrt nach<br />
Mariazeil in der Steiermark. Auch die damals in die Stadt Brünn geflüchteten <strong>Neustift</strong>er<br />
waren an diesem Gelübde beteiligt, doch wurde mit Rücksicht auf ihr Handwerk, welches<br />
ein längeres Fernbleiben von der Heimatscholle ausschloß, ein Gnadenort gewählt,<br />
dessen Entfernung von <strong>Neustift</strong> die Durchführung des Gelöbnisses an einem Tage<br />
erlaubte. Für die Zurücklegung der Wegstrecke Brünn—Mariazell benötigten die <strong>Brünner</strong><br />
eine Woche, und so wurde von den <strong>Neustift</strong>em beschlossen, ihren Gottesdienst am Tage<br />
des Einzuges der <strong>Brünner</strong> in Mariazell in ihrem Wallfahrtsorte abzuhalten und setzten<br />
hierfür, um möglichst viele Insassen teilnehmen zu lassen, den seit altersher marktfreien<br />
Donnerstag in der oben vermerkten Zeit fest. Einziehung zum Soldatendienste und<br />
allgemeine Unsicherheit zufolge der vielen Kriege im XVIII. Jahrhundert, verursachten<br />
wohl zuerst nur einen einzelnen, später häufigen und schließlich gänzlichen Ausfall der<br />
Dank- und Bittfahrt, und dieselben wurden erst wieder nach Aufrüttelung des Gewissens,<br />
vom Bürgermeister Schober neuerlich eingerichtet. Ob die ursprünglichen Wallfahrten<br />
gleichfalls nach Mödritz zielten, oder nach einem anderen, in der Nähe liegenden<br />
Gnadenorte (Wranau als Gründung und letzte Ruhestätte der Liechten steiner, Turas,<br />
Kiritein usw.) gerichtet waren, ist weder feststellbar noch abzulehnen.
An der Wegscheide, wo der von Altbrünn durch die St. Annawiesen führende Weg (um<br />
1780 als „Straßengasse" ausgebaut) in die <strong>Neustift</strong>gasse mündete und bevor letztere<br />
„das Brückl", welches das aus obiger Wiese kommende Bächlein überdeckte, überschritt,<br />
um, durch den dahinter aufgestellten Schranken zum Judentore nach rechts abzubiegen,<br />
steht eine uralte Weg- oder Totenleuchte, welche zu Anfang dieses Jahrhunderts in die<br />
Gartenmauer des Hauses <strong>Neustift</strong>gasse Nr. 2 einbezogen und bis in die letzte Zeit mit<br />
Schmuck und Leuchtöl betreut wurde. Selbe diente als Richt- und Warnungszeichen für<br />
den nächtlichen Verkehr. Ob es ein bis nun nicht festgestellter „Müller Lampel", oder<br />
diese Leuchte „Das Lampel" war, welche der „Lampelmühle" und der „Lampelbastei" den<br />
Namen gaben, ist nicht aufgeklärt.<br />
Auf dem Gemeindeplatze wo <strong>Neustift</strong>gasse und „Jägergassl" sich mit der nach Kumrowitz<br />
(das „Kummerhofische", kümmern, besorgen, bereiten, also doch zum „Bereithof"<br />
gehörige) führenden Grillowitzgasse kreuzen, steht ein, an Stelle des mehrfach<br />
erwähnten hl. Kreuzes — einem Holzkreuze — 1890 errichtete, gleichfalls mit stets<br />
betreuter Lampe versehenes Steinkreuz und eine vierkantige, im selben Jahre aber<br />
sechskantig, zierlich kapellenartig umbaute Martersäule, welche ehemals die Lampe''<br />
trug, und in deren jetzigem Dachtürmchen die, bis dahin auf dem alten Schulgebäude<br />
Nr. 46 befindliche Ave-Maria-Glocke ihren Platz gefunden und bis 1945 (seit 1844 durch<br />
einen eigens bestellten Glöckner) betreut wurde.<br />
Wo die von Grillowitz kommende Straße sich schied, um getrennt rechts nach Kumrowitz<br />
und links zum Dörnrössel zu führen, stand ein rotgestrichenes Holzkreuz, „Rotes Kreuz"<br />
genannt, welches 1898 zur alten Ulme unweit der Nordbahnstraße versetzt und an seine<br />
Stelle — anläßlich der 50jährigen Regierungszeit Kaiser Franz Josef I. — von den<br />
<strong>Neustift</strong>ern ein Steinkreuz aufgerichtet wurde. Etwas südlich hiervon wurde ein Bildstock<br />
— anscheinend anstelle eines in den Religionskriegen zerstörten —, im Jahre 1631 von<br />
der Gemeinde durch den ortsansässigen Steinmetzmeister Vinzenz Turin errichtet,<br />
welcher seines Baustoffes wegen — weißer Krinödenkalk von der Lateiner<br />
Schwedenschanze —, allgemein die „Weiße Marter" genannt wurde. <strong>Die</strong>selbe wurde nach<br />
der, in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts vorgenommenen Schwarzawa-<br />
Regulierung bis an die, dem Flusse abgewanderte Seite des Dammes, rechts der alten<br />
Straße übertragen und gründlich überholt; die in ihrer Laterne, hinter Glas und Rahmen<br />
eingelassenen Heiligenbilder wurden 1898 durch Steinrelifs ersetzt.<br />
Ob und welcher Art ein Zusammenhang der <strong>Neustift</strong> mit dem ehemaligen, nach dem<br />
30jährigen Kriege verschwundenen, angrenzenden Kloster und Kirche der Bernhardiner<br />
(auf dem heutigen Bahnhofgelände zwischen dem Petersberge und dem Mühlgraben)<br />
bestand, ist nicht mehr feststellbar, da bei ihrer 1643 erfolgten Verwüstung auch ihre<br />
gesamten Urkunden- und Schriftenbestände vernichtet erscheinen.<br />
Im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts wurde der Schwarzawa- Mühlgraben, welcher<br />
bis zu dieser Zeit bei dem Wehre begann, wo die verlängerte Fischergasse (nach den<br />
dort bestehenden Fischbehältern benannt) mit der Flurgasse (Flur=Fluer=Fluder=Wehr,<br />
also nicht „Flur" im heutigen Sinne!) zusammentreffen, bis zur Steinmühle verlängert<br />
und mit dem dortigen Mühlgraben verbunden. Das dortige Wehr wurde erneuert, das bei<br />
der Flurgasse bestandene Wehr (die alten Rammpflöcke im Flußbette noch in jüngster<br />
Zeit sichtbar!) wurde abgerissen, und ein solches — jedoch im umgekehrten Sinne vom<br />
Mühlgraben zum Flusse — mit Schleuse zum Verbindungsbette Mühlgraben— Wildfluß,<br />
neu errichtet. Im Zusammenhange mit diesen Bauten wurde auf Altbrünner Grund,<br />
knapp an der <strong>Neustift</strong>er Grenze, zwischen Flößgasse (!) und „Jägergaßl" (!), im Flusse<br />
ein Holzrechen eingebaut, um das in den Wäldern des <strong>Brünner</strong> Stadtgutes Gurein<br />
geschlagene und' geflößte Holz aufzufangen; weiters ein Wohnhaus für den die Aufsicht<br />
führenden Forstmann erstellt, welche Einrichtungen den obengenannten Gäßchen die<br />
Namen gaben. Wie auch schon früher, wurde das Holz auf dem Stadtwalle hinter dem<br />
Augustinerkloster (seit 1780 Statthalterei) aufgestapelt und durch das — da es zum<br />
Holzplatze führte so benannte — „Holztor" in der Rennergasse, je nach Bedarf in die<br />
Stadt geführt. Anläßlich der in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts erfolgten<br />
Schwarzawa- Regulierung wurde die die Uferbauten stark gefährdende Holzflößung<br />
eingestellt und der Holzrechen abgebrochen, dessen Pfahlreste jedoch erst bei Erbauung
der neuen Schwarzawabrücke zur <strong>Neustift</strong>gasse aus dem Flußbette beseitigt. Auch das in<br />
Privatbesitz übergegangene Forsthaus (Fuhrwerker Malik) war bereits vor dem ersten<br />
Weltkriege abgelöst und eingeebnet.<br />
Bei der ersten Kanalisierung der <strong>Neustift</strong>gasse wurde das aus der St. Annawiesen südlich<br />
des Mühlgrabens kommende Bächlein aufgefangen und abgeleitet. Es entfiel damit die<br />
bisher die Gemeinde <strong>Neustift</strong> und deren Herrschaft belastende Erhaltung des<br />
sogenannten „Brückl". Ob dieses Bächlein ehemals eine Abzweigung des Mühlgrabens<br />
zur Bewässerung der Gärten und Äcker war, ist nicht mehr festzustellen, da es in den<br />
zur Verfügung gestandenen alten Karten stets als selbständige Wasserader erscheint,<br />
doch läßt seine bis nun erstbekannte Bezeichnung „Graben" in der Urkunde vom Jahr<br />
1504 (später „Grobn" oder-„Pachl") auch erstere Deutung zu.<br />
Gegen das Hochwasser des Schwarzawa- Wildflusses wurde schon in den ältesten Zeiten<br />
des hiesigen Gartenbaues erfolgreich angekämpft; Uferbauten und Eindeichungen<br />
schützten das am linken Ufer gelegene Kulturland. Uralte Riednamen — „Großer Bolzen"<br />
und „Kleiner Bolzen" (jetzige Form!) — geben in der uns überlieferten alten,<br />
unverstümmelten Form „Polter" (bei „t" ähnlich „c" = „Polcer" = „Polzer" = „Kolzen" =<br />
„Bolzen", welcher Entwicklungsgang urkundlich belegt erscheint) Zeugnis für die Art der<br />
Schutzbauten. Darüber hinaus läßt diese Bezeichnung „Polder" sowie überhaupt die<br />
Mundart — und hier besonders die Aussprache des „r", „g", „k", „d" und „t" sowie die<br />
Ablaute — schließen, daß die Heimat und Wiege der ersten <strong>Neustift</strong>er Gärtner und ihres<br />
Berufes (d. h. bereits vor Gründung der selbständigen Gemeinde <strong>Neustift</strong>) die garten-<br />
reichen, und stets gegen Wassersnot kämpfenden Niederrhein und Niederlande gewesen<br />
sind. So ist z. B. auch der noch heute gebrauchte, bestimmte sächliche Artikel „es" (es<br />
Weib, es Kind, statt „das Weib", „das Kind") auf das niederländische „het"<br />
zurückzuführen. (Übrigens ist die <strong>Neustift</strong>er Mundart bereits seit vielen Jahren<br />
Gegenstand der Forschung des heimischen Dr. Leo Kazofsky). Umso ärger aber wütete<br />
das entfesselte Element rechtsseitig des Flusses, wo die Fluten alljährlich die Äcker bis<br />
gegen Ober-Gerspitz überschwemmten. Dem wurde erst durch die umfangreichen Regulierungsbauten<br />
in den Zwanzigerjähren dieses Jahrhunderts Halt geboten.<br />
Wie überall üblich, war auch in <strong>Neustift</strong> das Gemeindegebiet in Riede aufgeteilt. Über die<br />
ursprünglichen 32 Erbpächter hinaus wurden immer mehr Gründe zur Erbauung neuer<br />
Wohnhäuser herangezogen oder dem öffentlichen Verkehr zugewandt. Im selben Maße<br />
wie sich hierbei die verbaute Fläche — das „Ortsried" vergrößerte, verkleinerten sich,<br />
oder verschwanden alte Riede, die übrigen harren ihres Einbezuges in die Wohnblocks<br />
der Großstadt. An jedes Wohnhaus stößt der „Hausgarten". Das Ried gegenüber der<br />
Totenleuchte am Eingange der <strong>Neustift</strong>gasse, an der Straße zum Judentore, wo ein<br />
Schlagbaum die Straße sicherte, lag das Ried „Beim Schranken", welches heute die<br />
ersten Häuser der Straßengasse und <strong>Neustift</strong>gasse (1—15) trägt. <strong>Die</strong> St. Annawiesen, so<br />
genannt, weil sie an die Besitzungen des Klosters und Krankenhauses der<br />
Dominikanerinnen zu St. Anna — heute Landeskrankenanstalt — stieß, wird von den<br />
Häusern der Straßengasse eingenommen. <strong>Die</strong> <strong>Neustift</strong>er „Vierteln" beinhalten den<br />
Häuserblock der Grillowitzgasse zwischen Flößgasse und Jägergassl. <strong>Die</strong> letzten Häuser<br />
mit den geraden Nummern der Grillowitzgasse sowie der anschließende Teil des<br />
Eisenbahnviaduktes stehen auf dm Großteil des „Pratasch" (prat = breit, asch = Mark,<br />
Flur, also „Breitasch"), während der Rest immer mehr in den Wegkörper längs der<br />
Schwarzawa einbezogen wird. Das auf dem rechten Ufer gelegene Flurstück „Überm<br />
Wasser" ist mit einem großen Teile in den Eisenbahnanlagen aufgegangen. Auf den<br />
„Feldgarten" ist der Nordbahn-Kohlenhof errichtet (an die „Hausgärten" grenzendes nicht<br />
umzäuntes Gartenland). Der dem „Bachl" anliegende „leere Beutel" (leer = lars ledig!<br />
Beutel = verstümmelt aus „Berti" oder „Keitl" d. h. „Keil" also „lediges Keilstück" war von<br />
der Zinsung befreit, da es wegen seiner ungünstigen Lage geringe Erträge zeitigte),<br />
sowie der angrenzende „Hinteracker" (hinter den Hausgären liegend, und von diesen aus<br />
erreichbar) sind teilweise vom Nordbahn-Frachtbahnhofe und der Nordbahnstraße mit<br />
ihren Hausgärten eingenommen. Das gleiche Schicksal traf die „Scheiben" (ein<br />
unregelmäßiges, fast rundes, allseits von Rainen umgebenes Flurstück) und den „kleinen<br />
Bolzen" (wie früher!). An letzteren schlossen sich an der „Großer Bolzen", der „Hopfen-
garten" (Huppngoatn), welche an die alte Straße nach Kumrowitz grenzten, und auf der<br />
Gegenseite in „Bei der Kapelln" — heute „Bei der Weißen Marter" — und im „Gruib"<br />
(wohl Schotter- oder Sandgrube) ihre Fortsetzung finden. Mit dem einige Häuser der<br />
Dohlgasse tragenden „Vierhappl" (Frühappl = Vorhaupt oder Vorstück, Vorwerk) findet<br />
die Reihe der Riede ihren Abschluß. Heute ausschließlich dem Gemüse- und Blumenbau<br />
dienend, waren früher vielfach Obstbäume und besonders Reben anzutreffen, welche<br />
allenthalben die Raine und Wege säumten, ja sogar die einzelnen Besitzstreifen<br />
schieden. Mit dem, um die Wende des XIX. zum XX. Jahrhundert durch Einführung<br />
amerikanischer Weinstöcke bedingten — katostrophalen Auftretens der Reblaus und<br />
Pernospora fielen nicht nur alle diese Weinhecken, sondern auch die Weingärten auf dem<br />
Gelben und Roten Berge der Vernichtung anheim, und wurde letztmalig im Jahre 1912<br />
zu <strong>Neustift</strong> der selbstgefaßte Wein zum Ausschank gebracht. — Von altersher hatten die<br />
<strong>Neustift</strong>er das Recht, diesen Wein in der Zeit vom ersten Adventsonntage bis zu Pauli<br />
Bekehrung (25. Jänner) in ihren Behausungen kleinweise zu verkaufen; eine durch die<br />
Dachlucke gesteckte Stange mit angehängtem Kranze, der „Zager" (Zeiger), kündete<br />
den „Weinbeißern" von Stadt und Land, wo „ausgesteckt" sei, und waren es frohe Stunden,<br />
als sich, bunt nebeneinander, auf Stühlen, Diwan und Bettkanten sitzend, die Gäste<br />
sowohl den Wein, als auch die meist umsonst gebotenen Brote, in Asche gebratene<br />
Kartoffeln und Nüsse, wie auch mitgebrachten Imbiß trefflich schmecken ließen und<br />
hierfür manch Räuschlein nach Hause brachten; bis in die letzte Zeit bewahrten unsere<br />
Gärtner die „Zimenter" (Meßgefäße und Krüge aus Zinn) als liebe Andenken an ihre<br />
ehemaligen Rechte. Vor der Errichtung von, durch Gastwirte geführten Schenken in<br />
<strong>Neustift</strong> — das erste Gasthaus wurde dem bereits genannten Bürgermeister Lorenz<br />
Schober in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts bewilligt — waren die <strong>Neustift</strong>er<br />
verpflichtet, das herrschaftliche Bier in bestimmter Reihenfolge zum Ausschank zu.<br />
bringen.<br />
Mangel an Raum, Einrichtung und nötigem Geschirr sowie umständliche Zustreifung des<br />
Getränkes, als auch die Bedachtnahme auf Zuspruch ortsfremder Stand- oder<br />
Durchzugsgäste, lassen die Annahme wohl als berechtigt erscheinen, daß schon in<br />
frühesten Zeiten ein herrschaftliches Haus für diese Zwecke eingerichtet wurde, und dies<br />
wird — schon wegen der günstigsten Lage — das Branntweinhaus gewesen sein. Bei<br />
dem im Grundbuche 1570 erwähnten Acker „Pirhauserin" wird es sich wahrscheinlich um<br />
ein Feld der, den Altbrünner Gasthof „Blauer Löwe" bewirtschaftenden Witwe Slany<br />
handeln.<br />
Ein einziges Mal wurde eines Ackers „neben dem Spitalacker" Erwähnung getan, ohne<br />
eine nähere Angabe über die Lage dieses „Spitalacker" zu enthalten. Entweder handelt<br />
es sich bei diesem Grundstücke um einen Besitz des St. Annaklosters — also außerhalb<br />
ein der Grenze der <strong>Neustift</strong>er Gemarkung gelegen, oder aber um das Eigen eines<br />
<strong>Neustift</strong>er Armenhauses über dessen Bestand jedoch keinerlei weitere Aufzeichnungen,<br />
weder in den Gemeinderechnungen noch in sonstigen Schriften bestehen. Wenn sich<br />
auch eine solche Einrichtung in allen Belangen hätte selbst erhalten müssen, so wäre<br />
doch ein „Spitalmeister" oder „Armenpfleger" bestellt gewesen, aber auch diesbezüglich<br />
schweigen alle Quellen.<br />
Bei Hinscheiden eines Gärtners wurden seine Realitäten und Fahrnisse geschätzt und<br />
unter seinen — gewöhnlich letztwillig bestimmten — Erben aufgeteilt, wobei gewöhnlich<br />
der erstgeborene, volljährige Sohn die Behausung erhielt und die jüngern Geschwister<br />
abfinden, die Anteile der Minderjährigen aber an die „Waisenkasse" abführen mußte.<br />
Waren aber alle Kinder noch unmündig, so wurde alles verkauft und der Erlös der<br />
„Waisenkasse" überwiesen, welche diese Gelder — bei gewöhnlich 5%iger Verzinsung —<br />
auf Häuser und Grundstücke als Darlehen anlegte. Der Eingang der fälligen Zinsen und<br />
Tilgungsraten — der Wehrung — wurde von der Gemeinde unentgeltlich überwacht und<br />
verrechnet. <strong>Die</strong> Waisen wurden in Privatpflege — gewöhnlich zu Verwandten — gegeben,<br />
wo sie erzogen wurden, und mit 9 Jahren in der Wirtschaft helfen mußten, was mitunter<br />
zum harten Leidenswege für die Kinder wurde. <strong>Die</strong> erstgeborenen Söhne — auch die<br />
Waisen — waren für die Gärtnerei vorgesehen, während es den übrigen mit erreichtem
12. Lebensjahre, laut Anordnung der Herrschaft, freistand, ein anderes Handwerk oder<br />
einen anderen Beruf zu erlernen; bei Erreichung des erforderlichen Alters reihten sich die<br />
jungen Männer bei den Soldaten ein, mehrfach wurden sie eingereiht.<br />
Um die Mitte des XIX. Jahrhunderts errichtete der „<strong>Brünner</strong> wohltätige Männer-Verein"<br />
gleichzeitig in der Köffiller- und in der <strong>Neustift</strong>gasse eine Kinderbewahranstalt, welche in<br />
unserer Gemeinde im Hause <strong>Neustift</strong>gasse Nr. 30 ihre segensreiche Tätigkeit entfaltete,<br />
und der Grundstock zu den später in Brünn eingerichteten Kindergärten wurden.<br />
Noch bis in die jüngste Zeit zogen am Ostermontage die Kinder — wie von altersher<br />
gebräuchlich — mit Ruten oder „Süßholz" (Lakritzenwurzel) ausgerüstet, von einem<br />
Gärtnerhause zum andern, um „rote Eier" einzufordern. <strong>Die</strong>ser Brauch — das<br />
„Schmeckostern" (von Flämisch (!) „schmeken" = schlagen, mit Ruten streichen) wurde<br />
früher nur von Knaben und Jünglingen bei den Mädchen getätigt, nach Bildung von<br />
Groß-Brünn aber, immer mehr zu einem bloßen Sammelgange der Kleinen beider<br />
Geschlechter verflacht. Oft fand dieser Rundgang seine Fortsetzung im Brauche des<br />
„Eiertepschen", wobei die Eier mit den Spitzen oder Kehrseiten gegeneinander gestoßen<br />
wurden und das beschädigte Ei in den Besitz des anderen Spielers überging; weiters im<br />
„Eierhackeh", wobei der eine Spieler das Ei mit seiner Hand umschloß, und nur zwischen<br />
Daumen und Zeigefinger eine Lücke in Breite eines gesetzten Geldstückes — das „Ranftl"<br />
— freiließ, in welches der andere Spieler das Geldstück mit scharfem Wurfe einzuhacken<br />
versuchte, was ihm bei Gelingen das Ei, beim Mißlingen aber den Verlust des Geldes<br />
einbrachte.<br />
Am 2. August — auf „Portinucula", wanderte vormittags Alt und Jung zum<br />
„Patschunkale" auf dem Kapuzinerplatz in Brünn, wo auf fliegenden Kramen Süß-<br />
und Eßwaren, als auch Gebrauchsgegenstände und Spielzeuge feilgeboten wurden.<br />
Inwieweit dieser kleine Jahrmarkt mit Begebenheiten von <strong>Neustift</strong> zusammenhing, war<br />
bis nun nicht festzustellen.<br />
Auf den ersten Sonntag nach der Oktobermitte (bis einschließlich 20.) war „Kaiser-<br />
Kirchweih" die „Kirmeß" (von Flam. kiren, kerren, karen = reisen, fahren, und meß =<br />
Markt, also „fahrender Markt"), von der unserem Orte (seit jeher ohne Kirche!), seit<br />
langer Zeit nurmehr der Tanz verblieb, welchem aber auch nur im Hofe des<br />
„Hirschenstadl" unter einem „Maibaume" bei den Klängen einer Drehorgel gehuldigt<br />
wurde. Vielleicht war dieses Fest — wie auch der Name „Maibaum" (von malen = mähen,<br />
ernten) schließen läßt, der spärliche Rest eines ehemaligen Erntedankfestes.<br />
Der Umgang zu „Stephani" (26.12.) und der Sammelgang der „hl. 3 Könige" (6. 1.)<br />
wurden nur durch Ortsfremde ausgeführt und scheint in den Überlieferungen der<br />
Gemeinde nicht verwurzelt zu sein.<br />
Am Sonntage nach „Kunigunde" (3. 3.) fand früher bis 1850 (?) der „Umritt" statt, bei<br />
welchem die Grenzen der Gärten und Äcker und deren Marken (Steine, Grenzpfähle<br />
usw.) mit den überall gleich üblichen Gebräuchen überprüft und gegebenenfalls<br />
berichtigt wurden.<br />
Neben der Gärtnerei, welcher der, durch — bis in graue Zeiten rückgehende —<br />
Kultivierung höchstwertige Boden das beste Betätigungsfeld bot, waren in unserer<br />
Gemeinde vielerlei, mitunter auch seltenere Berufe vertreten, noch häufiger war es, daß<br />
<strong>Neustift</strong>er nach Erlernung und Meisterprüfung ihren Sitz in dem nahen, angrenzenden<br />
Brünn oder auch anderswo aufschlugen. So der 1631 erwähnte Steinmetzmeister<br />
Vinzenz Turin, 1650 der Lederer Kniepandtl, 1660 der Zimmermeister Wenzel Sovva und<br />
andere mehr. Gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts erwarben Probail und Bayer die<br />
Gründe des ehemaligen Badhauses in der Straßengasse und errichteten eine Tuchfabrik,<br />
welche als solche zuletzt im Besitze der Fa. Kuhn stand, um 1910 aber ein Raub der<br />
Flammen wurde und später mit einem Teile des Landes-Krankenhauses verbaut wurde.<br />
Während für die Frauen, wohl auch schon früher, ein dunkles Tuch als Kopfbedeckung,<br />
weite, vielfaltige Tuchröcke und enganliegende Spensen überliefert erscheinen, aber<br />
doch eine bestimmte — heute leider nicht mehr bekannte — Tracht nicht ausschließt, ist<br />
die Kleidung der verheirateten Gärtner um 1760 in einem Testamente aufgezeichnet wie<br />
folgt: schwarzer, steifer Seidenhut (Zylinder?); weißes Hemd mit Umschlagkragen,<br />
blauer „Kubatrock" mit Silberknöpfen (Langrock); buntgeblümte, weiße Weste,
aunsamtene, kurze Hose; dunkelfarbige Strümpfe, Halbschuhe mit Silberschnallen und<br />
schließlich ein Rohrstock mit Silberknauf. Jahrhunderte vergingen und kamen, mit ihnen<br />
wandelte sich die Tracht, und endlich vermischte und verschwand sie im Aufgehen in<br />
moderner Kleidung.<br />
In unvorstellbarer Rachegier und mit unsagbarer Grausamkeit wurden die friedlichen<br />
Bewohner ihrer Heimat mit den hochragenden Brunnenschwengeln beraubt und in die<br />
Fremde getrieben; ihnen verblieb nur ein Sehnen und Hoffen, die ihnen nach göttlichem<br />
und menschlichem Rechte immerwährend zugehörige Heimat und Eigen wiederzusehen<br />
und neuerlich in Besitz zu nehmen. Wildometz (BHB 1952)