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Der Große Platz in Brünn - Vermächtnis des deutschen Brünn

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<strong>Der</strong> <strong>Große</strong> <strong>Platz</strong> <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>E<strong>in</strong>e lokalhistorische Betrachtung verklungener HeimatbilderVon Ing. Walter OpusstilWie Bilder e<strong>in</strong>er versunkenen Welt, so tauchen vor uns, die wir Menschen ohne Heimatgeworden s<strong>in</strong>d, die trauten Gassen und heimeligen Plätze unserer unvergeßlichenVaterstadt auf, wenn wir e<strong>in</strong> wenig bes<strong>in</strong>nliche Heimkehr halten und an unser liebes<strong>Brünn</strong> zurückdenken. Die Stätten e<strong>in</strong>er verklungenen, glücklicheren Zeit erstehen <strong>in</strong> derEr<strong>in</strong>nerung, mit ihr die vielen, teuren Menschen, die spurlos verschwunden s<strong>in</strong>d und dieuns Wegbegleiter e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>derzeit und Jugend voll Frohmut und Seligkeit waren. Das sowohlvertraute Antlitz unserer Vaterstadt zieht an uns vorüber, jener Stadt <strong>in</strong> der vorJahrhunderten schon unsere Ahnen lebten, werkten und schufen, aus der wir selbstherauswuchsen, die wir <strong>in</strong> unseren Herzen allezeit getreu weiter tragen, die uns bis zumletzten Atemzug Vaterstadt und Heimat bleiben wird!Diesmal will ich von jenem <strong>Platz</strong> erzählen, der im Wandel der Zeiten so oft se<strong>in</strong>enNamen wechseln mußte, der uns <strong>Brünn</strong>em als „<strong>Große</strong>r <strong>Platz</strong>“ zum Begriff geworden war.Zur Zeit unserer Vorfahren, es mochte so im 13. Jahrhundert gewesen se<strong>in</strong>, hieß er„Unterer R<strong>in</strong>g“, Unterr<strong>in</strong>g oder auch „Unterer Markt“. Damals freilich sah das Stadtbildganz anders aus. Von Wall und Graben umschirmt, gab es bloß enge Gäßchen undverträumte W<strong>in</strong>kel. <strong>Der</strong> Verkehrmit der Außenwelt wickelte sich <strong>in</strong>jener Zeit bloß durch die Stadttoreab: Das Mönitzer, Altbrünner,Fröhlicher, das Neu- undJudentor! Rechtschaffene Bürger,ehrsam und bieder, bevölkertendie fleißige, aufstrebende Stadt.<strong>Der</strong> Spielberg und Altbrünn lagennoch außerhalb der Stadtmauern!In grauer Vorzeit, <strong>in</strong> denAnfängen der Stadtwerdungdiente dieser <strong>Platz</strong> den Romanen,welche den Teil südlich <strong>des</strong> St.Jakobsviertels bewohnten, alsForum. Dieser untere Markt erhielt se<strong>in</strong>e dreieckige Grundrißform durch das rascheAnwachsen und damit durch den Ausbau <strong>des</strong> M<strong>in</strong>oritenviertels, wodurch der südliche Teil<strong>des</strong> <strong>Platz</strong>es immer mehr zusammengedrängt wurde.Schon <strong>in</strong> alten Aufzeichnungen f<strong>in</strong>den wir Berichte über das repräsentative Aussehen<strong>des</strong> <strong>Platz</strong>es: „von 2—3-stöckigen, schmucken und gut gebauten Häusern umgeben, fandman <strong>in</strong> den unteren Geschossen meist geschmackvoll gezierte Kaufmannsgewölbe vor..." Die Straßenzüge, welche <strong>in</strong> den unteren Markt e<strong>in</strong>mündeten, waren durchwegs engeGäßchen. Damals gab es noch ke<strong>in</strong>e Lichtenste<strong>in</strong>gasse. Bloß e<strong>in</strong> ganz enger E<strong>in</strong>schnittführte zu St. Jakob, <strong>in</strong> dem gerade e<strong>in</strong> Totenwagen durchfahren konnte, er hieß <strong>des</strong>halbTotengaßl. <strong>Der</strong> Turm von St. Jakob ragte über die Dächer der Häuser, welche die Kirchevom unteren Markt abschlossen. In e<strong>in</strong>er Mödritzer Urkunde f<strong>in</strong>den wir schon um 1231die St.-Nikolaikirche erwähnt, die bis 1870 <strong>in</strong> der Mitte <strong>des</strong> <strong>Platz</strong>es stand. St. Nikolai ware<strong>in</strong>e Tochterkirche von St. Jakob, Sitz e<strong>in</strong>es romanischen Priesters, welcher die hl. Messefür die italienischen Kaufleute las. In der joseph<strong>in</strong>ischen Zeit wurde diese Kirche mite<strong>in</strong>em angebauten Waaghaus als Magaz<strong>in</strong> benützt. Daneben befand sich e<strong>in</strong> schöner,ste<strong>in</strong>erner Brunnen. Um die Kirche herum waren kle<strong>in</strong>e Kramläden angebaut. Auch dieMilitärhauptwache war hier untergebracht. Trat die Wache ans Gewehr oder warWachablösung, waren sicherlich unsere Vorfahren <strong>in</strong>teressierte Zuschauer. E<strong>in</strong> Aquarellvon Rudolf v. Alt überlieferte uns diesen malerischen W<strong>in</strong>kel unserer Stadt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erganzen bezaubernden Anmut. Am unteren Markt stand auch der Pranger. 1680 wurde


die Mariensäule errichtet. Ihre Entstehung verdankt sie e<strong>in</strong>em Gelöbnis der <strong>Brünn</strong>erBürger, die von der Pestseuche hart bedrängt, gelobten, im Falle ihres Erlöschens, anStelle der 1658 bestehenden alten Mariensäule e<strong>in</strong>e neue, schönere zu errichten. Siezeigt <strong>in</strong> den Eckfiguren die Pestheiligen Sebastian, Rochus, Karl Borromäus und FranzXaver. An ihrer Gestaltung wirkten Pfaundler, Pröbstl und Fröbl, lauter heimischeBildhauer, mit.Die Gebäude <strong>des</strong> mittelalterlichen <strong>Platz</strong>es waren mit kunstvollen Fassadenausgestattet, hatten reliefgeschmückte Erker und reich verzierte Portale. Im Jahre 1589führte Georg Gialdi, der Erbauer der Jesuitenkirche, den Bau <strong>des</strong> sogenannten„Königshauses“ für den Grafen Berka von Dub und Lipa aus, welches später <strong>in</strong> den Besitz<strong>des</strong> Großkaufmannes Christoph Schwarz überg<strong>in</strong>g. Dieses Haus Nr. 22 blieb bis <strong>in</strong> unsereTage erhalten und wies kunstvoll ausgeführte Fresken auf, der zweistöckige Arkadenhof<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Innern war an sich e<strong>in</strong>e Sehenswürdigkeit. Dieses Haus beherbergte unteranderen auch den großen Verteidiger gegen den Schwedensturm Raduit de Souches.Weiters f<strong>in</strong>den wir die Herrenhäuser der Familien Dobritzky (Nr. 7), Herr<strong>in</strong>g (Nr. 8)und Zierot<strong>in</strong> (Nr. 9) am unteren R<strong>in</strong>g vor.An der Ecke zur Krapfengasse wurde aus e<strong>in</strong>er Stiftung der Gräf<strong>in</strong> Franziska vonMagni auf Straßnitz e<strong>in</strong> adeliges Damenstift „Maria Schul“ errichtet.Noch vor 100 Jahren bot dieses Haus e<strong>in</strong>er Oberstiftsfrau, e<strong>in</strong>er Assistent<strong>in</strong>, 7ordentlichen, 15 überzähligen, 16 <strong>in</strong>ländischen und 10 ausländischen -sowie 2bürgerlichen Jungfrauen Unterkunft.Dieser große <strong>Platz</strong> war stets e<strong>in</strong> Spiegelbild der Stadt. Se<strong>in</strong> Antlitz war bis umZusammenbruch Österreichs durchaus deutsch, aber noch bis 1945 war der Großteil deranliegenden Häuser <strong>in</strong> deutschem Besitz. In den neunziger Jahren <strong>des</strong> vorigenJahrhunderts bot er folgen<strong>des</strong> Zeitbild:Ecke Rudolfsgasse stand dasHaus Nr. 1 <strong>des</strong> Mag. Schöneich,welches später vom ApothekerSonntag erworben wurde. Indiesem Hause schrieb der ChronistLudwig 1555—1604 se<strong>in</strong>e Chronikder Stadt <strong>Brünn</strong>. Das BankhausHerr<strong>in</strong>g trug die Nummer 3. ImNachbargebäude Nr. 4 hatte dieWechselseitige Feuerversicherungihre Büros untergebracht. Das HausNr. 5 war e<strong>in</strong> langgestrecktesGebäude, bildete das Eck zumTotengaßl und gehörte demGroßkaufmann Lomarek. Esbeherbergte lange Zeit dasLan<strong>des</strong>gendarmeriekommando.Das gegenüberliegende Eckhauszum Totengaßl war Besitz der FürstSalmschen Eisenniederlage Blansko. Im Schaufenster konnte man stets e<strong>in</strong> gußeisernesRelief bewundern, welches Kaiser Joseph mit dem Pflug <strong>in</strong> Slawikowitz darstellte.Daneben stand das Haus von Wertheimer und die folgende Ecke bildete das Haus <strong>des</strong>Grafen Mitrovsky. Gegenüber befand sich das adelige Damenstift. Das KaufhausSte<strong>in</strong>brecher schloß die Ecke zur Krapfengasse ab. Dann folgte das Bankhaus Herr<strong>in</strong>g,die Escomptebank, <strong>in</strong> dem das große K<strong>in</strong>derpielzeuggeschäft „Magaz<strong>in</strong> der Wiener“etabliert war, welches stets große Anziehungskraft auf die K<strong>in</strong>derwelt ausübte.Anschließend standen zwei schmale Häuser mit dem Branntwe<strong>in</strong>laden von Franz Bauerund e<strong>in</strong>er Sodawassererzeugung. An dieser Stelle wurde später das sogenannte„Mamlassenhaus“ errichtet, e<strong>in</strong> von Säulen getragener Bau, den vier herkulische


Gestalten stützten. Dann sprang das nächste Haus beträchtlich vor, wurde daher imVolksmund „die Nase“ genannt, beherbergte das Geschäft Schwe<strong>in</strong>burg, daneben wardas Teppichhaus Ludwig. Die Häuserfront endete mit dem „Wallaschekhof“ zum Eck derJohannesgasse, dieses Gebäude gehörte dem Advokaten Dr. Wallaschek, e<strong>in</strong>em derMitbegründer der I. Mähr. Sparkasse.Die Häuserfront von der Herren- zur Schlossergasse bildete das Eckhaus <strong>des</strong>Tuchhändlers Tittl mit dem Geschäft von Deutsch & Wengraf, das weitere Gebäude mitzwei schönen Erkern war Besitz <strong>des</strong> Ritters Dr. Ullrich v. Johnsdorf,Lan<strong>des</strong>ausschußbeisitzer, von dem es der Klavierhändler Buchta erstand. Im Hof befandsich e<strong>in</strong> sehr schöner Brunnen. Das Nachbarhaus war Eigentum <strong>des</strong> Samenhändlers kais.Rat Enders. Anschließend stand das „Königshaus“, welches heute die Nr. 22 trägt undse<strong>in</strong>e Entstehung dem Grafen Berkaverdankt. Die e<strong>in</strong>mündendeSchlossergasse war flankiert vomBankhaus Urban auf der e<strong>in</strong>enSeite, auf der anderen vom Eckhaus<strong>des</strong> Ritters Dr. v. Bauer. Danebendie Eisenhandlung Eduard Till, dieDruckerei von Georg Karafiat undendete mit dem Eckhaus zurStredoniusgasse<strong>des</strong>Lampenhändlers Soukup, von demes <strong>in</strong> den Besitz <strong>des</strong> KaufmannesZöllner überg<strong>in</strong>g.An der Stelle der abgetragenenNikolaikirche wurde e<strong>in</strong>e Grünflächeangelegt. Immer aber noch bot der weite <strong>Platz</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>städtisches Bild.Mit der Jahrhundertwende sollte es anders kommen. Über Initiative Rudolf v. Rohrerswurde der Durchbruch zum Lazanskyplatz vorgenommen, die alten Eckhäuser vonKomarek und Salm zum Totengassl wurden demoliert, die Lichtenste<strong>in</strong>straße freigelegt,damit die Sicht auf St. Jakob erschlossen. <strong>Der</strong> kle<strong>in</strong>e Grünrasen verschwand, Geleisewurden verlegt und bald rollten, viel bestaunt, die ersten schmucken elektrischenStraßenbahnwagen über den großen <strong>Platz</strong>. Es waren e<strong>in</strong>schneidende Umwälzungen, dieder alte <strong>Platz</strong> erlebte. Neuemoderne Stadthäuser, so derGebäudekomplex zwischenLichtenste<strong>in</strong>-undRennergasse,dasMamlassenhaus und andereNeubauten verliehen dem<strong>Platz</strong> e<strong>in</strong> großstädtischesGepräge.Dr. Wawra stiftete dieelektrische Standuhr, e<strong>in</strong>Werk <strong>des</strong> Uhrmachers Hetterich,der große <strong>Platz</strong> konntesich sehen lassen. Gleichsamsymbolisch hielt dieUmgestaltung dieses <strong>Platz</strong>esSchritt mit dem Heranwachsen der Kle<strong>in</strong>stadt zum österreichischen Manchester.1906 wurde die Friedhofsl<strong>in</strong>ie bis zum <strong>Große</strong>n <strong>Platz</strong> verlängert. Um 1910 dasZentralk<strong>in</strong>o eröffnet, welches uns, die wir damals K<strong>in</strong>der waren, wie e<strong>in</strong> Wunder dünkte.Genau so gerne besuchten wir das Panorama im Hof <strong>des</strong> Mamlassenhauses. In denKriegsjahren <strong>des</strong> 1. Weltkrieges hämmerte jeder von uns, gegen e<strong>in</strong>en Spendenerlage<strong>in</strong>en Nagel <strong>in</strong> den hölzernen Leib <strong>des</strong> Wehrmannes, der gegenüber der SchlossergasseAufstellung fand. Ab 1919 mußte der große <strong>Platz</strong> se<strong>in</strong>en Namen ändern, hieß


„Freiheitsplatz“.Uns <strong>Brünn</strong>ern, denen unsere Stadt ans Herz gewachsen war, blieb er immer der gleichegroße <strong>Platz</strong>. Je<strong>des</strong> zünftige <strong>Brünn</strong>erk<strong>in</strong>d wuchs geradezu unter se<strong>in</strong>en Fittichen auf. Ander Rockfalte Mutters begann es. Bei den E<strong>in</strong>käufen, da wir sie als K<strong>in</strong>der begleiteten,lernten wir bald je<strong>des</strong> Geschäft, jede Auslage gründlich kennen. Als grüne Jüngl<strong>in</strong>gepromenierten wir mit der ersten Zigarette eitel und selbstbewußt auf der „A-B“, dem<strong>deutschen</strong> Korso, welcher vor dem Mamlassenhaus begann und <strong>in</strong> der Rennergasse beimCafé Margaretenhof endete. Manch lustigen Bummel <strong>in</strong> fröhlich ungebundenerStudentenzeit, den ersten heimlichen Flirt hatten wir dieser „A-B“ zu danken. Dort absolviertenwir die ersten schüchternen Gehversuche im „Nachsteigen“. Wenn es uns e<strong>in</strong>ebesonders Schöne, Wunschbild unserer Träume, angetan hatte, übten wir dann freilichfleißig weiter, bis wir es im Ansprechen und Nachsteigen zu souveräner Meisterschaftbrachten. Hold errötend empfand dort manch reizender Backfisch die ersten leisenRegungen e<strong>in</strong>er jungen Liebe. Glückstrahlend führten wir das Bräutchen über die gleiche„A-B“, um Jahre später den ersten Sprößl<strong>in</strong>g im neuen K<strong>in</strong>derwagen voll Stolz denBekannten vorzuführen. Aber auch manch gesetzter Ehemann folgte geknickt se<strong>in</strong>ergestrengen Ehehälfte, zögernd zwar, doch folgsam von Schaufenster zu Schaufenster!Dieser große <strong>Platz</strong>, er könnte mancherlei erzählen, von all dem, was sich <strong>in</strong> den Jahrhundertendort zugetragen hatte. Er war stets der ruhende Pol im Wandel der Zeiten.Die Nikolaikirche auf dem großen <strong>Platz</strong>e <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>Vor mehr als 80 Jahren zierte unseren Freiheitsplatz e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Kirche, die 1225—1231über Betreiben <strong>des</strong> e<strong>in</strong>stmaligen englischen Cisterziensermönches, nachmaligenOlmützer Bischofes Robert gebaut und von ihm selbst 1231 konsekriert wurde. DiesesKirchle<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Tochterkirche der St.-Jakobs-Kirche, diente namentlich den <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>weilenden italienischen und spanischen Kaufleuten als Gotteshaus und war demSchutzpatron der Kaufleute, dem heiligen Nikolaus geweiht, nach welchem es auh denNamen führte. Ab 1622 wurden dort auch Andachten <strong>in</strong> slawischer Sprache durchMitglieder <strong>des</strong> Jesuiten-Ordens abgehalten. Das Kirchle<strong>in</strong>, <strong>des</strong> öfteren auf Kosten derBrunner Kaufmannschaft und derfremden Handelsleute restauriertund umgebaut, wurde zumletztenmal im Jahre 1760gründlich wiederhergestellt undmit e<strong>in</strong>em Turme versehen. AufGrund der Joseph<strong>in</strong>ischenReformen auf dem Gebiete <strong>des</strong>kirchlichen Lebens wurde auchunsere Nikolaikirche 1786entweiht und von da ab vomMilitärärar als Lagerraum benützt.Um die Instandhaltung <strong>des</strong>Kirchle<strong>in</strong>s kümmerte sichnunmehr weder die Stadt nochdas Militärärar, so daß die Wände mit der Zeit Risse und Sprünge aufwiesen, das Dachbald mehr ke<strong>in</strong>e ganzen Ziegel und die gotischen Fenster ke<strong>in</strong>e ganze Glastafeln mehrzeigen konnten. Mit e<strong>in</strong>em Wort, die Kirche war baufällig geworden. Und so beeilten sichdie Militärbehörden, dieses mehr als sechs Jahrhunderte den großen <strong>Platz</strong> schmückendeKirchle<strong>in</strong> an die Geme<strong>in</strong>de zurückzugeben, was auch am 26. August 1869 nachmittagsgeschah, Die Geme<strong>in</strong>de wußte mit der Kirchenru<strong>in</strong>e auch nichts Rechtes anzufangen undso wurde der Beschluß gefaßt, dieses alte Gotteshaus niederzulegen.Am 10. November 1869, begann der Zimmermeister Peter Voith die erstenDachsparren abzubrechen und langsam verschwand e<strong>in</strong> Teil der Kirche nach demanderen, bis sie schließlich Anfang Feber 1870 vom Erdboden ganz verschwunden war.


<strong>Brünn</strong> war um e<strong>in</strong> altes Denkmal mittelalterlicher Baukunst ärmer geworden. Heuteführen über den ehemaligen Baugrund <strong>des</strong> Kirchle<strong>in</strong>s die Geleise der elektrischenStraßenbahn und nichts mehr er<strong>in</strong>nert auf dem Freiheitsplatze daran, daß <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Mittee<strong>in</strong>stmals e<strong>in</strong> Gotteshaus gestanden ist.Manches von diesem Kirchle<strong>in</strong> ist uns aber doch erhalten geblieben, nur wissen diewenigsten <strong>Brünn</strong>er, wo sich diese Reste bef<strong>in</strong>den. Es sei ihnen verraten, daß die Figurender zwei Schutzheiligen, Sct. Nikolaus und Sct, Mart<strong>in</strong>, die ehemals <strong>in</strong> zwei Nischenneben dem Haupte<strong>in</strong>gang der Kirche, der gegenüber der Schlossergasse war, standen,ihre Zuflucht vor der zerstörenden Hand <strong>in</strong> die beiden Nischen neben demStiegenaufgang zur Magdalenenkirche <strong>in</strong> der Masarykstraße fanden, woh<strong>in</strong> sie AnfangFeber 1870 übertragen wurden. Die Portalkrönung der Nikolauskirche wurde über derKapellentüre <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>museums angebracht, während zwei alte Grabste<strong>in</strong>e, vonwelchen e<strong>in</strong>er die älteste <strong>Brünn</strong>er Grabplatte darstellt, im Hofe <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>museumsAufstellung fanden. Das Weihwasserbecken sowie e<strong>in</strong>zelne Funde aus Mauernischenbef<strong>in</strong>den sich im Stadtmuseum.An der Nordseite dieser Kirche befand sich das alte Waaghaus, das ebenfalls 1870demoliert wurde. Se<strong>in</strong> Schicksal war <strong>in</strong>nig mit jenem der Kirche verknüpft. Auch dieseswurde <strong>in</strong> letzter Zeit vernachlässigt und e<strong>in</strong> Mitarbeiter <strong>des</strong> Tagesboten aus densechziger Jahren <strong>des</strong> vorigen Jahrhunderts gibt uns e<strong>in</strong> anschauliches Bild von demZustand dieses Gebäu<strong>des</strong>: „Die ehemalige Stadtwaage, die sich an die Kirche lehnt,verm<strong>in</strong>dert den E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es Trümmerhaufens nicht. Und wenn nachts der Saal, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>e Tanzschule etabliert ist, <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er zweifelhaften Beleuchtungstrahlt, so glaubt man, Geister treibendort ihren Spuk."<strong>Der</strong> Freiheitsplatz <strong>in</strong> <strong>Brünn</strong>, wie er imJahre 1854aussah.(Nach e<strong>in</strong>em Gemälde <strong>des</strong> Malers Rudolfvon Alt)Kirche, Waaghaus und e<strong>in</strong>en Teil derHauptwache am großen <strong>Platz</strong>e, diemehr „e<strong>in</strong>em Kellerhaus als e<strong>in</strong>erHauptwache" gleichsah, hat uns derAltmeister der Aquarellmalerei Rudolf von Alt im Jahre 1854 mit se<strong>in</strong>em Meisterp<strong>in</strong>selfestgehalten. Selbst der Merkurbrunnen, <strong>des</strong>sen Reste nunmehr auch im malerischenHofe <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>museums zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, der 1586 von Bildhauer Georg Gialdi errichtet,1868 aus „Passagerücksichten" kassiert wurde, ist auf dem Bilde im Vordergrund zusehen, Das Tor und die schöne schmiedeeiserne Oberlichte <strong>des</strong> Haupte<strong>in</strong>ganges <strong>des</strong>Waaghauses bef<strong>in</strong>den sich heute beim ehemaligen Portal <strong>des</strong> Gräflich MittrowskyschenPalais, das im Jahr 1923 bei der Museumsgasse am Krautmarkte aufgestellt wurde,ehedem aber das Palais am großen <strong>Platz</strong>e, Ecke Rennergasse zierte. Am längsten habensich noch die alten Kramläden, die um die Kirche herum - 28 an der Zahl - <strong>in</strong> der Zeitvon 1770 bis 1785 erbaut wurden, erhalten. Die letzten sieben Kramläden wurden imJuni 1883 beseitigt. L. K. (BHB 1953)Anmerkung: Nach der Neupflasterung <strong>des</strong> <strong>Große</strong>n <strong>Platz</strong>es im Jahre 2010 er<strong>in</strong>nern <strong>in</strong> dasPflaster e<strong>in</strong>gelegte Kupferstreifen, die den Umriß der Nikolaikirche zeigen, an diese.

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