Der Krautmarkt zu Brünn - Vermächtnis des deutschen Brünn
Der Krautmarkt zu Brünn - Vermächtnis des deutschen Brünn
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das sich großer Beliebtheit erfreute.<br />
Dieser alte Platz spiegelte <strong>zu</strong> allen Zeiten das Leben unserer Vaterstadt und seiner<br />
Menschen wieder. Immer aber strömte er einen Zauber aus, der jeden, der ihn aufsuchte<br />
gefangen nehmen mußte. Wehmut im Herzen überkommt uns, wenn wir all die<br />
unvergeßlichen Bilder an uns vorüberziehen lassen: Zur Marktzeit an Vormittagen, wenn<br />
er, von der Morgensonne verklärt, sich von seiner schönsten Seite zeigte. Mit seiner<br />
Unzahl von Buden und „Standln", den vielen Schirmen und Marktleuten, den<br />
Kumrowitzer und Alt-Tschernowitzer Baseln in ihrer kleidsamen Tracht, den biederen<br />
Gärtnern von der Neustift und Grillowitz, den feilschenden Löscherinnen und den, ihre<br />
Einkäufe besorgenden Hausfrauen. Zum Feierabend, wenn er sauber aufgeräumt still<br />
und verträumt im Sonnenuntergang vor uns lag. Abendfrieden mitten im pulsierenden<br />
Rhythmus der Großstadt. Zur Weihnachtszeit, wenn sich in der Dämmerung <strong>des</strong><br />
Wintertages frohe Menschen im grellen Licht der Acetylenlampen um die Buden<br />
drängten. Die Silberketten, der bunte Glasschmuck und all der Tand und Flitter so<br />
manches Kinderherz höher schlagen ließ. Zarte Nebelschleier den Weihnachtsmarkt im<br />
lustigen Spiel der Schneefllocken <strong>zu</strong> einem berückenden Bild voll Christnachtstimmung<br />
zauberten.<br />
So wars <strong>zu</strong> unserer Zeit und nicht anders in den Tagen verklungener Jahrhunderte: Da<br />
über das holprige Plaster <strong>des</strong> „Oberen Platzes" Urgroßmutter mit Häubchen und<br />
rauschender Krinoline ihre Einkäufe besorgte und Urgroßvater im Bratenrock, oder<br />
Schoßfrack mit buntem Zylinder die Marktbuden inspizierte, Bürger und Hausfrauen in<br />
der Tracht <strong>des</strong> Mittelalters den Platz bevölkerten. Bei diesem, unseren Sinnen taucht der<br />
ehrwürdige alte Marktplatz vor uns auf, mit den altväterlichen Bürgerhäusern jener<br />
Tage, mit seinem efeuumrankten, steinernen Brunnen, mit seinen Menschen — unseren<br />
Ahnen —! Unwillkürlich drängt sich der Gedanke auf: Was hätten sie, unsere Vorfahren<br />
<strong>zu</strong> der schaurigen Schicksalstragödie gesagt, die wir über uns ergehen lassen mußten?