Der Deutschland-Test: Die Kunst mittelbarer Außenpolitik
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Gemeinsamkeit sein. Und seine zentrale Verantwortung gebietet, daß es aktiv an dem<br />
Konsens mitschmiedet, der am Ende gemeinsame <strong>Außenpolitik</strong> werden kann.<br />
Was es dazu braucht, ist dreierlei. Zum einen die Bereitschaft, in strategischen<br />
Kategorien zu denken. Zum zweiten die Bereitschaft, die Mittel für eine europäische<br />
<strong>Außenpolitik</strong> zur Verfügung stellen. Zum dritten die Bereitschaft<br />
Führungsverantwortung zu übernehmen, damit gemeinsame europäische Politik<br />
möglich wird. In allen drei Bereichen hinkt <strong>Deutschland</strong> den Anforderungen<br />
hinterher.<br />
Das Denken in den strategischen Kategorien des 21. Jahrhunderts ist kein Merkmal<br />
der deutschen politischen Klasse. Das war in der Kaltenkriegs-Zeit anders, als unser<br />
Land an der Schnittstelle zwischen Ost und West lag, für beide Lager der strategische<br />
Angelpunkt. Damals gab es eine ganze Heerschar außenpolitischer Fachleute im<br />
Deutschen Bundestag, das Parlament war der Ort großer außenpolitischer Debatten,<br />
die in die Öffentlichkeit und die Medien ausstrahlten. Aber es war damals auch<br />
einfacher, strategisch zu denken: die Gefahr für unser Überleben war mit Händen zu<br />
greifen.<br />
Heute ist es anders. Heute verlangt strategisches Denken nicht mehr die Betrachtung<br />
deutscher Geographie, sondern das Hineindenken in internationale Zusammenhänge,<br />
das Ausloten von Gestaltungsmöglichkeiten fern unserer eigenen Nachbarschaft und<br />
den Willen, sie tatkräftig zu nutzen. <strong>Außenpolitik</strong> in diesem Sinne, ja schon das<br />
Nachdenken darüber, wie Herausforderungen von jenseits der EU bewertet und<br />
beantwortet werden sollten, ist in Parlament und Öffentlichkeit heute nur noch<br />
spärlich präsent. Zwar ist der Außenminister in allen Umfragen immer noch der<br />
populärste Politiker überhaupt. <strong>Die</strong> Zahl der Abgeordneten jedoch, die sich diesem<br />
Gebiet widmen, ist selbst in den großen Fraktionen auf eine Handvoll zusammen<br />
geschrumpft. Ein Gespür für die zentrale Funktion <strong>Deutschland</strong>s ist allenfalls bei<br />
einzelnen noch vorhanden. Zurecht klagt einer aus dieser kleinen Schar, der FDP-<br />
Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt, der deutschen <strong>Außenpolitik</strong> fehle "ein<br />
geostrategischer Entwurf", die deutschen politischen Eliten müßten sich erst noch<br />
dafür entscheiden, daß, so Gerhardt, <strong>Deutschland</strong> teilhabe und nicht ausweiche.<br />
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