IndienIDer Weg aus Verschuldung und Abhängigkeit - Fastenopfer
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Indien I Der <strong>Weg</strong> <strong>aus</strong> <strong>Verschuldung</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Abhängigkeit</strong>
Inhalt<br />
Länderinformationen ................................................................................................................3<br />
Das Landesprogramm Indien des <strong>Fastenopfer</strong>s ......................................................................4<br />
Indien: Daten <strong>und</strong> Fakten .........................................................................................................6<br />
Löhne <strong>und</strong> Preise in Indien.....................................................................................................15<br />
Landesprogramm Indien (Kurztext)........................................................................................16<br />
Berichte <strong>aus</strong> Indien.................................................................................................................17<br />
Erzählungen <strong>aus</strong> Indien..........................................................................................................25<br />
Gebete <strong>aus</strong> Indien ..................................................................................................................27<br />
Rezepte <strong>aus</strong> Indien ................................................................................................................29<br />
2
Länderinformationen<br />
Landesfläche 3'287’263 km 2 CH: 41'285 km 2<br />
EinwohnerInnenzahl 1.109 Milliarden CH: 7.491 Millionen<br />
Hauptstadt<br />
Staatsform<br />
Sprachen<br />
Religionen<br />
Ethnische Gruppen<br />
Neu-Delhi (9'817'439 EinwohnerInnen)<br />
Parlamentarische B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Hindi (350,3 Mio. Sprecher), Englisch sowie<br />
17 weitere Sprachen als Amtssprachen:<br />
Assamesisch (14,8 Mio.), Bengali (68,3<br />
Mio.), Gujarati (44 Mio.), Kannada (35,7<br />
Mio.), Kashmiri, Konkani, Malayalam (34,4<br />
Mio.), Manipuri, Marathi (65,8 Mio.), Nepali,<br />
Oriya (30,3 Mio.), Pandschabi (24,7 Mio.),<br />
Sanskrit, Sindhi, Tamil (59,3 Mio.), Telugu<br />
(71,9 Mio.), Urdu (46,8 Mio.); zahlreiche<br />
weitere Sprachen<br />
80,5% Hindus, 13,4% Muslime, 2,3% Christen,<br />
1,9% Sikhs, 0,8% Buddhisten, 0,4%<br />
Dschainas; 89000 Parsen<br />
fast <strong>aus</strong>schließlich Inder; Minderheiten von<br />
Tibetern, Chinesen, Europäern<br />
BNE pro Kopf 820 $ CH: 58’050 $<br />
Alphabetisierung 61% CH: 99,6%<br />
Kindersterblichkeit 7.6% CH: 0.5%<br />
Lebenserwartung<br />
Stand 2009<br />
♀ 65.57 Jahre - ♂ 63.90 Jahre<br />
CH: ♀ 83.48 Jahre<br />
♂ 77.69 Jahre<br />
3
Das Landesprogramm Indien des <strong>Fastenopfer</strong>s<br />
Ausgangslage<br />
Bisherige Tätigkeiten<br />
Zielsetzungen<br />
Zielgruppen<br />
Regionen<br />
Die Republik Indien ist gekennzeichnet durch eine enorme<br />
Vielfalt. Für die gesamte indische Gesellschaft prägend ist das<br />
Kastensystem. Obwohl durch die indische Verfassung offiziell<br />
abgeschafft, prägt dieses hochkomplexe System von Zugehörigkeit<br />
zu einer bestimmten Gesellschaftsgruppe noch immer<br />
die Lebenssituation vieler InderInnen. Stark benachteiligte<br />
Bevölkerungsgruppen wie etwa die Dalits (Kastenlose, Unberührbare)<br />
<strong>und</strong> die Adivasi (Mitglieder der Stammesgesellschaften)<br />
erfahren das Kastensystem als Instrument zur<br />
Rechtfertigung von systematischer Ausbeutung <strong>und</strong> Marginalisierung.<br />
Ein zentrales Problem dieser Bevölkerungsgruppen ist die<br />
<strong>Verschuldung</strong>. Die Folge davon sind enorme <strong>Abhängigkeit</strong>en,<br />
der Verlust des landwirtschaftlichen Landes <strong>und</strong> Formen der<br />
Schuldknechtschaft, die der Sklaverei ähnlich sind. Die Liberalisierung<br />
der Wirtschaft <strong>und</strong> die dadurch <strong>aus</strong>gelöste wirtschaftliche<br />
Dynamik verschärft die <strong>Abhängigkeit</strong>en <strong>und</strong> beschleunigen<br />
den Prozess der Enteignung.<br />
Das Kastensystem existiert auch in christlichen Religionsgemeinschaften,<br />
deren Mitglieder nur knapp drei Prozent der<br />
indischen Bevölkerung <strong>aus</strong>machen. Als Gegenmassnahme<br />
wurden kirchliche Leitungspositionen in letzter Zeit auch mit<br />
Dalits <strong>und</strong> in den Stammesgebieten mit Adivasi besetzt.<br />
Das <strong>Fastenopfer</strong> engagiert sich seit über dreissig Jahren in<br />
Indien. Zu Beginn waren die Partner hauptsächlich Diözesen<br />
<strong>und</strong> Kongregationen, denen das <strong>Fastenopfer</strong> beim Aufbau<br />
ihrer lokalen Infrastruktur half. Später kamen immer mehr<br />
nicht-kirchliche NGOs dazu, welche vor allem in ländlichen<br />
Gebieten Entwicklungsarbeit leisteten. Heute sind Pastoral<strong>und</strong><br />
Entwicklungszusammenarbeit in einem komplementären<br />
Verhältnis eng miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />
Die Projekte arbeiten mit landlosen Dalits (Kastenlose, Unberührbare)<br />
<strong>und</strong> mit in ihrer Existenz bedrohten Adivasi (Mitglieder<br />
der Stammesgesellschaften) zusammen. Unterstützt von<br />
lokalen Hilfswerken gelingt es ihnen, sich auf lokaler Ebene<br />
zusammenzuschliessen, um sich <strong>aus</strong> eigener Kraft <strong>aus</strong> der<br />
verhängnisvollen <strong>Abhängigkeit</strong> von Grossgr<strong>und</strong>besitzern,<br />
Geldverleihern <strong>und</strong> Händlern zu befreien. Im Sinne einer echten<br />
Hilfe zur Selbsthilfe werden die Zielgruppen darin bestärkt,<br />
sämtliche Initiativen in eigener Regie an die Hand zu nehmen.<br />
Die Projektarbeit basiert somit <strong>aus</strong>schliesslich auf ihrem lokal<br />
vorhandenen Potenzial <strong>und</strong> ihren lokalen Ressourcen, für deren<br />
Erhalt <strong>und</strong> Zugang sie gemeinsam kämpfen.<br />
Zielgruppen der <strong>Fastenopfer</strong> Arbeit in Indien sind die durch<br />
das Kastensystem stark diskriminierten landlosen Dalits <strong>und</strong><br />
Adivasi. Eine zentrale Rolle in den Dorforganisationen nehmen<br />
die Frauen ein.<br />
Die Projekte arbeiten vernetzt in Regionalprogrammen in<br />
neun Gliedstaaten.<br />
4
Kernthemen<br />
Gerechtigkeit leben – Gemeinschaften stärken<br />
Strategische Kernaktivitäten der Dorforganisationen bilden die<br />
selbst verwalteten Ersparniskassen <strong>und</strong> Getreidebanken. Sie<br />
stärken den Zusammenhalt der Gemeinschaften <strong>und</strong> ermöglichen<br />
eine Befreiung <strong>aus</strong> der Schuldenfalle.<br />
Frieden ermöglichen – Dialog fördern<br />
Lohnverhandlungen mit Grossgr<strong>und</strong>besitzern <strong>und</strong> der Kampf<br />
um Landrechte werden durch die untereinander vernetzten<br />
Dorforganisationen geführt.<br />
Lebensgr<strong>und</strong>lagen sichern – Ressourcenzugang fördern<br />
Mit lokalen Regierungsstellen werden Verhandlungen geführt,<br />
um Zugang zu deren Dienstleistungen <strong>und</strong> Entwicklungsprogrammen<br />
zu erhalten.<br />
Gemeinden bilden – Glauben leben<br />
Die Pastoralzusammenarbeit mit kirchlichen Partnerorganisationen<br />
konzentriert sich auf den sozio-pastoralen Bereich, d.h.<br />
auf ähnliche konkrete Projekte im Sinne der „Option für die<br />
Armen“.<br />
Nachhaltigkeit<br />
Die Ersparniskassen <strong>und</strong> die Getreidebanken basieren <strong>aus</strong>schliesslich<br />
auf dem lokal vorhandenen Potenzial, den eigenen<br />
Ressourcen der Zielgruppen. Sie ermöglichen die Befreiung<br />
<strong>aus</strong> der <strong>Abhängigkeit</strong> von Gr<strong>und</strong>besitzern <strong>und</strong> Geldverleihern<br />
<strong>und</strong> legen damit die Basis für einen eigenständig<br />
geführten Entwicklungsprozess, der eine nachhaltige Sicherung<br />
der Lebensgr<strong>und</strong>lagen zum Ziel hat. Dieser Prozess wird<br />
durch die lokalen Partnerorganisationen in direkter Zusammenarbeit<br />
mit dem <strong>Fastenopfer</strong> begleitet.<br />
Landesprogramm 2005 - 2010<br />
Budget pro Jahr (2009) Entwicklungszusammenarbeit: Fr. 636’000.-<br />
Pastoralzusammenarbeit: Fr. 264'000.-<br />
Begleitstruktur<br />
Die Hauptverantwortung für die Begleitung der <strong>Fastenopfer</strong><br />
Partnerorganisationen trägt der in Bangalore, Indien, ansässige<br />
Hauptkonsulent Ajoy Kumar. Die lokalen Partnerorganisationen<br />
arbeiten ihrerseits in Netzwerken zusammen, deren<br />
Verantwortliche in direkter Absprache mit den Hauptkonsulenten<br />
einen Teil der Begleitarbeit übernehmen. Durch regelmässige<br />
Besuche des Indien-Programms unterstützt der Programmverantwortliche<br />
in Luzern die Begleitarbeit vor Ort. Die<br />
Begleitung ist somit auf allen Ebenen sichergestellt.<br />
Programmverantwortung Tobias Buser<br />
FASTENOPFER<br />
Alpenquai 4<br />
Postfach 2856, 6002 Luzern<br />
Telefon 041 227 59 59<br />
Fax 041 227 59 10<br />
mail@fastenopfer.ch<br />
www.fastenopfer.ch<br />
Postcheck 60-19191-7<br />
5
Indien: Daten <strong>und</strong> Fakten<br />
Allgemeines<br />
Staatsname Republik Indien<br />
Hauptstadt Neu-Delhi<br />
Politik<br />
Staatsform Parlamentarische B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Unabhängigkeit 1947 (von Grossbritannien)<br />
Wahlrecht Allgemeines Wahlrecht ab 18 Jahre<br />
Wirtschaft<br />
Währung 1 Indische Rupie (R) = 100 Paise<br />
Ausgeführte Güter Bekleidung, Edelsteine, Schmuck, Erzeugnisse des Kunsthandwerks,<br />
chemische Produkte, Lederwaren, Baumwollprodukte<br />
Eingeführte Güter Erdöl <strong>und</strong> Erdölderivate, Edelsteine, Düngemittel <strong>und</strong> andere Erzeugnisse<br />
der chemischen Industrie<br />
Wichtigste Aussenhandelspartner (Export) Vereinigte Staaten von Amerika, Japan,<br />
Deutschland, Grossbritannien<br />
Wichtigste Aussenhandelspartner (Import) Vereinigte Staaten von Amerika, Deutschland,<br />
Saudi-Arabien, Grossbritannien, Belgien, Japan<br />
Industrie Herstellung von Textilien, Chemikalien, Lebensmitteln, Stahlprodukten, Fahrzeugteilen,<br />
Zement <strong>und</strong> Maschinen; Bergbau, Förderung <strong>und</strong> Verarbeitung von Erdöl<br />
Landwirtschaft Hauptanbau Produkte: Reis, Weizen, Ölsaaten, Baumwolle, Jute, Tee, Zuckerrohr,<br />
Kartoffeln; Viehhaltung: Rinder, Wasserbüffel, Schafe, Ziegen, Geflügel<br />
Rohstoffe Steinkohle (Indien verfügt über das viertgrösste Vorkommen weltweit), Eisenerz,<br />
Mangan, Glimmer, Bauxit, Titanerz, Chromerz, Erdgas, Diamanten, Erdöl, Kalkstein<br />
Die Menschen<br />
Bevölkerung<br />
Das Indus-Tal im Äussersten Norden des Indischen Subkontinents, auf dem Gebiet des heutigen<br />
Pakistan gelegen, war bis ungefähr 1750 v. Chr. für einen Zeitraum von fast 1 000 Jahren<br />
dicht besiedelt. Danach nahm die Bevölkerungszahl jedoch stark ab. Um 1500 v. Chr.<br />
kamen die Arier <strong>aus</strong> dem Iran <strong>und</strong> verdrängten die einheimischen Dravidier immer weiter<br />
nach Süden. Sie sprachen Sanskrit, <strong>und</strong> ihre vedische Religion gründete sich auf dem<br />
Brahmanismus, einer frühen Form des Hinduismus.<br />
Indien hat mit 984 Millionen Einwohner (1998 geschätzt) nach China die zweitgrösste Einwohnerzahl<br />
der Welt. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung stellen Inder; zu den<br />
stärksten ethnischen Minderheiten gehören Chinesen <strong>und</strong> Tibetaner.<br />
Sprache<br />
In Indien sind mehr als 300 bekannte Sprachen verbreitet; 24 davon werden jeweils von<br />
mindestens einer Million Menschen gesprochen. Amtssprachen sind Hindi, das vor allem in<br />
Wirtschaft <strong>und</strong> Politik angewandte Englisch sowie 13 Regionalsprachen, darunter Bengali,<br />
Tamil, Urdu, Punjabi, Telugu <strong>und</strong> Sanskrit.<br />
6
Religion<br />
Indien ist die Heimat von Hinduismus, Buddhismus, Jainismus <strong>und</strong> der Sikhreligion. Ausserdem<br />
leben zahlreiche Anhänger des Zoroastrismus sowie Muslime, Juden <strong>und</strong> Christen im<br />
Land.<br />
Etwa zwei Fünftel der Menschen sind Hindus. Der Hinduismus bildet den historischen Hintergr<strong>und</strong><br />
für die Einteilung der Gesellschaft in vier Kasten. Die jeweiligen Vertreter der einzelnen<br />
Kasten nennen sich Brahmanen (Priester), Kshatriyas (Adlige <strong>und</strong> Krieger), Vaisyas<br />
(Händler <strong>und</strong> Bauern) <strong>und</strong> Sudras (Diener). Diese gliedern sich jedoch in mehrere t<strong>aus</strong>end<br />
Untergruppen, deren unterste die von der übrigen Gesellschaft <strong>aus</strong>gestossenen “Unberührbaren”<br />
sind. Heute wird auch die Ansicht vertreten, dass die Kastenzugehörigkeit eines Menschen<br />
ursprünglich keine Frage der Geburt (Kaste der Eltern), sondern vielmehr der persönlichen<br />
Eigenschaften <strong>und</strong> Fähigkeiten war. Demnach konnte ein Mensch relativ leicht von<br />
einer Kaste in die nächste wechseln. Man nimmt allerdings an, dass die Brahmanen (höchste<br />
Kaste) das System manipulierten <strong>und</strong> den Gesellschaftsstatus zum Geburtsrecht machten.<br />
Wenngleich die Diskriminierung <strong>aus</strong> Gründen der Kastenzugehörigkeit heute nicht mehr<br />
zulässig ist, existiert sie immer noch.<br />
Die Sikhreligion entstand im frühen 16. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>aus</strong> einer Verschmelzung von Hinduismus<br />
<strong>und</strong> Islam. Auch der Buddhismus hat seine Wurzeln in Indien <strong>und</strong> breitete sich anfangs<br />
stark <strong>aus</strong>, doch inzwischen hat die Zahl seiner Anhänger stark abgenommen. Auch zum Jainismus<br />
bekannten sich früher mehr Inder als dies heute der Fall ist.<br />
Sitten <strong>und</strong> Gebräuche<br />
Familienstruktur<br />
Oftmals bestimmen auch heute noch die Eltern den Lebenspartner ihrer Kinder. Inwieweit<br />
dabei die Meinung der Betroffenen berücksichtigt wird, hängt von der jeweiligen Familie ab.<br />
Für die meisten Inder ist die eheliche Verbindung eine heilige Angelegenheit, die auch über<br />
den Tod hin<strong>aus</strong> Bestand hat. Zu einer Hochzeit gehören deshalb immer prunkvolle Zeremonien,<br />
Bankette <strong>und</strong> kostspielige Feierlichkeiten.<br />
Inder gelten als religiös <strong>und</strong> ihr Leben ist tief in Traditionen verwurzelt. Im Allgemeinen steht<br />
das Interesse der Familie über dem Interesse des Einzelnen. Kinderreiche Familien sind die<br />
Regel, dennoch setzt sich die Regierung stark für die Geburtenkontrolle ein, um das schnelle<br />
Bevölkerungswachstum einzudämmen. Grossfamilien leben oft unter einem Dach oder in<br />
unmittelbarer Nachbarschaft. Aus wirtschaftlicher Notwendigkeit gehen die meisten Frauen<br />
der unteren <strong>und</strong> mittleren Schicht einer Erwerbstätigkeit nach.<br />
Essen <strong>und</strong> Trinken<br />
Je nach Kultur <strong>und</strong> Region sind die Ernährungsweisen in Indien sehr unterschiedlich. Beispielsweise<br />
dient im Süden Reis, im Norden jedoch Roti (Weissbrot) als Hauptnahrungsmittel.<br />
Die Gerichte werden häufig stark gewürzt. Beliebt sind verschiedene Arten von Currys<br />
mit Eiern, Fisch, Fleisch oder Gemüse. Viele Menschen ernähren sich <strong>aus</strong> religiösen Gründen<br />
vegetarisch. Bei den Hindus gelten Kühe als heilig. Ebenso wie die Sikhs essen sie kein<br />
Rindfleisch. Strenggläubige Muslime verzichten generell auf den Genuss von Schweinefleisch<br />
<strong>und</strong> Alkohol.<br />
Die Essgewohnheiten sind sehr unterschiedlich. Mitglieder traditionsbewusster Familien verwenden<br />
kein Besteck, sondern die rechte Hand. Auch essen die Frauen hier oft nach den<br />
Männern bzw. den Gästen.<br />
7
Umgangsformen<br />
Namaste ist der häufigste Gruss in Indien. Dabei legt man die Handflächen aneinander, so<br />
dass die Fingerspitzen unter dem Kinn nach oben zeigen. Im Süden sagt man Namaskaram.<br />
Gegenüber Vorgesetzten oder als Respektsbek<strong>und</strong>ung wird eine leichte Verbeugung hinzugefügt.<br />
Auch ein “Hello” oder “Hi” ist gebräuchlich. Höflichkeitsformen sind Titel wie Shri für<br />
einen Mann, Shreemati für eine verheiratete Frau, Kumari für eine unverheiratete Frau oder<br />
die Endung -ji hinter dem Nachnamen. Muslime führen die typische Geste in Verbindung mit<br />
dem Salaam <strong>aus</strong>. Dabei heben sie die rechte Hand <strong>und</strong> legen den Zeigefinger auf die Stirn,<br />
so dass die übrigen Finger nach oben zeigen.<br />
Bei gesellschaftlichen Anlässen hängt der Gastgeber den Gästen oft einen Blumenkranz um,<br />
welchen diese dann zum Zeichen der Demut abnehmen <strong>und</strong> in der Hand halten. Gäste, die<br />
zum Essen kommen, überreichen ihren Gastgebern meist Süssigkeiten, Blumen oder Früchte.<br />
Gastgeber bieten ihren Gästen Tee oder Kaffee sowie Obst oder Süssigkeiten an. Tempelbesucher<br />
bekommen Safranpulver, heiliges Wasser <strong>aus</strong> dem Ganges <strong>und</strong> manchmal Speisen<br />
als Prasad oder Segen der Götter angeboten. Es gilt als unhöflich, diese Gaben abzulehnen.<br />
Frauen bedecken ihren Kopf, wenn sie einen heiligen Ort betreten.<br />
Freizeit<br />
In jeder grösseren Stadt gibt es zahlreiche modern <strong>aus</strong>gestattete Kinos. Fussball, Kricket<br />
<strong>und</strong> Hockey gehören zu den beliebtesten Sportarten. Jährlich finden zahlreiche religiöse <strong>und</strong><br />
kulturelle Feste statt, die eine wichtige Rolle im Leben der Inder spielen.<br />
Kunst<br />
Musik<br />
Die Musik Indiens wird in zwei Bereiche gegliedert, den nordindischen Hindustani <strong>und</strong> den<br />
südindischen Karnatak. Zwischen beiden bestehen Gemeinsamkeiten; sie basieren auf der<br />
Kombination melodiöser Themen oder Modi, so genannter Ragas, mit sich wiederholenden<br />
rhythmischen Zyklen, so genannten Talas. Diese Musik kann gesungen oder gespielt, als<br />
Solokonzert oder als Begleitung zu einem Varieté <strong>aus</strong> klassischem Tanz <strong>und</strong> Theater vorgetragen<br />
werden. Traditionell wird der Musiker von Trommeln <strong>und</strong> einem lang anhaltende Töne<br />
erzeugenden Summtoninstrument begleitet.<br />
Die sprachliche, religiöse <strong>und</strong> kulturelle Vielfalt spiegelt sich in einem breiten musikalischen<br />
Spektrum wider. Die indische Filmindustrie gehört zu den bedeutendsten der Welt; Filmmusik<br />
spielt daher eine wichtige Rolle.<br />
Bibliotheken <strong>und</strong> Museen<br />
Die Nationalbibliothek in Kalkutta ist eine der drei Bibliotheken, in denen ständig alle in Indien<br />
veröffentlichten Bücher <strong>und</strong> Zeitschriften bereitstehen. Zu den über 460 Museen Indiens<br />
gehören auch einige mit wichtigen historischen <strong>und</strong> archäologischen Sammlungen wie die<br />
Nationale Kunstgalerie in Madras, das Nationalmuseum in Neu-Delhi, das Sarnath-Museum<br />
in Varanasi <strong>und</strong> das Indische Museum in Kalkutta. Die Museen in Baroda, Madras, Calicut<br />
<strong>und</strong> Neu-Delhi zeigen <strong>aus</strong>sergewöhnliche Sammlungen mittelalterlicher <strong>und</strong> moderner<br />
Kunst.<br />
8
Das Land<br />
Regierung<br />
Die Republik Indien ist eine Föderation <strong>aus</strong> 25 Gliedstaaten mit jeweils eigener Gesetzgebung<br />
<strong>und</strong> einem ernannten Gouverneur. Staatsoberhaupt ist der von einem Wahlmännerkollegium<br />
gewählte Präsident. Regierungschef ist der Premierminister. Das Zweikammerparlament<br />
besteht <strong>aus</strong> dem Oberh<strong>aus</strong> (Rajya Sabha), dessen 245 Mitglieder für eine Legislaturperiode<br />
von sechs Jahren gewählt werden, <strong>und</strong> dem Unterh<strong>aus</strong> (Lok Sabha) mit 545 auf<br />
sechs Jahre gewählten Abgeordneten.<br />
Zeitgeschichte<br />
Seit 1974 wird das Staatsoberhaupt durch freie Wahlen bestimmt. Die innenpolitische Stabilität<br />
wurde während der vergangenen Jahrzehnte wiederholt durch gewalttätige Auseinandersetzungen<br />
zwischen Hindus <strong>und</strong> Muslimen sowie Christen gefährdet. Die meisten Mitglieder<br />
der muslimischen Mehrheit von Jammu <strong>und</strong> Kaschmir fordern ihre Unabhängigkeit. Die Situation<br />
wird durch separatistische Aktivitäten der Sikhs in Punjab erschwert.<br />
Bei den Wahlen im April <strong>und</strong> Mai 1996 musste die Kongresspartei mit nur 135 von 545 Sitzen<br />
im Unterh<strong>aus</strong> eine schwere Niederlage hinnehmen. Zuvor war sie seit der Unabhängigkeitserklärung<br />
Indiens von 1947 – bis auf vier Jahre – ständig Regierungspartei. Diesmal<br />
konnte keine der Parteien eine klare parlamentarische Mehrheit erringen, was zu politischer<br />
Instabilität führte. Im Juni 1996 bildete eine Koalition <strong>aus</strong> Parteien der politischen Mitte, der<br />
Linken <strong>und</strong> verschiedener Regionalparteien unter dem Namen Vereinte Front die Regierung.<br />
Am 1. Juni liess sich H. D. Deve Gowda als Premierminister vereidigen. Im April 1997 legte<br />
er sein Amt nieder, nachdem sich die Mehrheit der Abgeordneten des Parlaments bei der<br />
von ihm gestellten Vertrauensfrage gegen ihn <strong>aus</strong>gesprochen hatte. Statt dessen unterstützen<br />
sie den Inder Kumar Gujral als Premierminister <strong>und</strong> Führer der Vereinten Front. Gujral<br />
wurde offiziell von Präsident Shankar Dayal Sharma anerkannt. Er trat sein Amt als Premierminister<br />
am 21. April an. Er versprach eine Verbesserung der Beziehungen zu Pakistan<br />
sowie die Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit.<br />
Vizepräsident K. R. Narayanan wurde im Juli zum Präsidenten gewählt. Seine Wahl war von<br />
grosser sozialer Bedeutung, da er <strong>aus</strong> einer Familie kam, die traditionell der untersten Kaste<br />
Indiens angehörte. Im August 1997 feierte Indien den 50. Jahrestag der Unabhängigkeit. Im<br />
März 1998 wurde Atal Bihari Vajpayee als neuer Premierminister vereidigt. Der Führer der<br />
hindu-nationalistischen Partei Bharatiya Janata Party, Premierminister Vajpayee, bekleidete<br />
diese Position 1996 bereits für 13 Tage. Unter seiner Leitung entstand eine neue Koalitionsregierung<br />
<strong>aus</strong> 14 Parteien, die jedoch im April 1999 scheiterte. Die südindische Regionalpartei<br />
AIADMK zog sich <strong>aus</strong> der Koalition zurück, <strong>und</strong> Vajpayee wurde vom Parlament abgesetzt.<br />
Daraufhin betonte Sonia Gandhi den Anspruch ihrer Kongresspartei auf Bildung einer<br />
neuen Regierung <strong>und</strong> kündigte ihre Kandidatur an. Die indische Regierung beschloss Neuwahlen<br />
für September 1999. Das Parlament wurde aufgelöst.<br />
Indien ist in eine Reihe territorialer Auseinandersetzungen mit Pakistan <strong>und</strong> China verwickelt.<br />
Dazu gehören die Gebietsstreitigkeiten mit Pakistan um Jammu <strong>und</strong> Kaschmir sowie mit<br />
China um Arunachal Pradesh. Im Februar 1999 vereinbarte Indien mit Pakistan vertrauensbildende<br />
Massnahmen, zu denen auch die Kontrolle der Nuklearwaffen gehören soll sowie<br />
die Forcierung der Verhandlungen um die umstrittene Region Kaschmir. Dennoch testete<br />
Indien im April 1999 eine neue Mittelstreckenrakete mit Atomsprengköpfen. Mit einer Reichweite<br />
von 2 200 km kann die Rakete Ziele in Pakistan oder China zerstören. Drei Tage später<br />
testete auch Pakistan eine neue Mittelstreckenrakete, die ebenfalls eine Reichweite von<br />
r<strong>und</strong> 2 000 km besitzt. Im Mai kam es zu neuen Kämpfen im indischen Teil der Region<br />
Kaschmir zwischen moslemischen Rebellen <strong>und</strong> der indischen Armee. Indien warf Pakistan<br />
vor, die Rebellen zu unterstützen. Pakistan schoss zwei indische Kampfflugzeuge <strong>und</strong> einen<br />
indischen Kampfhubschrauber ab, nachdem die indische Luftwaffe begonnen hatte, Angriffe<br />
gegen die Guerilla-Einheiten im indischen Teil Kaschmirs zu fliegen. Dennoch betonte Pakistan,<br />
es sei an einer friedlichen Lösung des neu aufgeflammten Konflikts interessiert.<br />
9
Wirtschaft<br />
Obwohl Indien über eine der Produktions stärksten Industrien der Welt verfügt, sind fast zwei<br />
Drittel aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. Indien ist weltweit einer der führenden<br />
Produzenten von Tee, Erdnüssen, Reis, Cashewnüssen, Ölpflanzensamen, Weizen,<br />
Baumwolle, Milch, Zuckerrohr <strong>und</strong> Kautschuk. Ausserdem werden grosse Mengen Getreide,<br />
Jute <strong>und</strong> Kaffee geerntet. Zu den wichtigsten Rohstoffen gehören Kohle, Eisenerz, Erdgas,<br />
Diamanten, Rohöl, Kalkstein <strong>und</strong> andere Bodenschätze. Wichtigste Produktionsgüter sind<br />
Textilien, Nahrungsmittel, Stahl, Maschinen, Fahrzeuge, Zement, Juteartikel <strong>und</strong> Erdölprodukte.<br />
In den letzten Jahren wurde besonderer Wert auf die Förderung der Hightechindustrie<br />
gelegt. Wichtigste Exportgüter sind Edelsteine <strong>und</strong> Schmuck, technische Geräte, Bekleidung,<br />
Textilien <strong>und</strong> chemische Erzeugnisse. Auch der Tourismus entwickelt sich zunehmend zu<br />
einer wichtigen Devisenquelle.<br />
Nach der Unabhängigkeit war die Wirtschaftspolitik Indiens eher sozialistisch orientiert. Vor<br />
einigen Jahren begann die Umstrukturierung zur Marktwirtschaft. Indien verfügt über ein<br />
enormes Wirtschaftspotential, doch immer noch lebt etwa ein Drittel der rasch wachsenden<br />
Bevölkerung in ärmlichen Verhältnissen.<br />
Der Wirtschaftsboom beschleunigte sich im Berichtszeitraum weiter: 2006 wuchs die indische<br />
Volkswirtschaft um 9,2%. Das stärkste Wachstum erlebte das verarbeitende Gewerbe,<br />
der Dienstleistungssektor wuchs ebenfalls kräftig. Die starke Konsumnachfrage der indischen<br />
Mittelschichten zog weiterhin <strong>aus</strong>ländisches Kapital an. Zunehmend waren auch europäische<br />
Unternehmen bemüht, in Indien Fuß zu fassen, nachdem bislang <strong>aus</strong>ländische<br />
Investitionen in erster Linie <strong>aus</strong> den USA <strong>und</strong> dem südostasiatischen Raum stammten. Insbesondere<br />
Automobilkonzerne haben zuletzt Direktinvestitionen vorgenommen: So beschloss<br />
der VW-Konzern im September den Bau einer Autofabrik in der Nähe von Pune<br />
(Maharashtra) mit einem Investitionsvolumen von 400 Mio. €; General Motors <strong>und</strong> BMW eröffneten<br />
in der Berichtsperiode größere Produktionsstätten in Indien, Renault vereinbarte im<br />
April ein ambitioniertes Joint Venture mit dem Konzern Mahindra & Mahindra.<br />
Die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen <strong>aus</strong>ländische Konzerne wurden im Sommer 2006<br />
bestärkt, als eine wissenschaftliche Untersuchung Pestizide in den Produkten zweier amerikanischer<br />
Getränkekonzerne nachwies. Es kam daraufhin zu K<strong>und</strong>gebungen gegen Pepsico<br />
<strong>und</strong> Coca-Cola. In sechs B<strong>und</strong>esstaaten wurde der Verkauf ihrer Limonaden stark beschränkt,<br />
im kommunistisch regierten Kerala sogar zeitweise verboten. Ursache der Verunreinigung<br />
der Getränke ist die starke Belastung des Trinkwassers durch die Landwirtschaft.<br />
Den beiden Konzernen wurde der Vorwurf gemacht, hinter der Verschleppung einer schärferen<br />
Grenzwertregelung durch die Regierung zu stehen. Die US-Firmen wiesen die Vorwürfe<br />
zurück <strong>und</strong> kündigten an, gegen die Verkaufsbeschränkungen juristisch vorzugehen. Auch<br />
gegen <strong>aus</strong>ländische Saatgut- <strong>und</strong> Pflanzenschutzmittelhersteller kam es zu Demonstrationen.<br />
Ungeachtet des robusten Wachstums der Wirtschaft warnten Ökonomen vor der Überforderung<br />
der Infrastruktur. Verkehrssystem, Energiewirtschaft <strong>und</strong> Bildungswesen gelten als<br />
dringend erneuerungsbedürftig, doch ist der hoch verschuldete Staat mit diesen Aufgaben<br />
überfordert, der Investitionsbedarf bis 2012 wurde von der Zentralregierung in ihrem neuen<br />
Fünfjahresplan auf 360 Mrd. US-$ veranschlagt, die Asiatische Entwicklungsbank rechnet<br />
sogar mit 500 Mrd. US-$. Um <strong>aus</strong>ländische Investitionen, insbesondere in die Infrastruktur,<br />
anzulocken, hat die Zentralregierung zahlreiche Sonderwirtschaftszonen eingerichtet, in denen<br />
Steuerrabatte <strong>und</strong> -befreiungen, Monopolrechte <strong>und</strong> ein vereinfachtes Verfahren zur<br />
Enteignung von nicht optimal genutztem Land winken. Juristen <strong>und</strong> Ökonomen kritisierten<br />
dieses umstrittene Wirtschaftsförderungskonzept als willkürlich <strong>und</strong> unsozial, auch der Internationale<br />
Währungsfonds sprach von gravierenden Fehlanreizen; Sprecher der Bauern<br />
warnten vor einer Enteignungswelle. Die Sorge vor wachsender gesellschaftlicher Ungleichheit<br />
führte zum Stillstand in der Privatisierungspolitik: Aus Koalitionsräson stoppte Premier-<br />
10
minister Singh im Juli auf Druck einer Regionalpartei die geplante Veräußerung der Staatsanteile<br />
an zwei Unternehmen der Aluminium- <strong>und</strong> Energiebranche.<br />
Der Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre ist bislang an der Landwirtschaft, in der knapp<br />
60% der Bevölkerung beschäftigt sind, weitgehend vorbei gegangen. Eine neue Selbstmordwelle<br />
von überschuldeten Baumwollbauern im Westen Maharashtras – in den letzten<br />
sechs Jahren sollen sich etwa 8000 Bauern das Leben genommen haben –, die durch <strong>aus</strong>bleibenden<br />
Monsunregen, schlechtes Saatgut, sinkende Baumwollpreise <strong>und</strong> Zinswucher<br />
ruiniert worden waren, zwang die Zentralregierung zu handeln: Sie legte ein Sonderhilfsprogramm<br />
für die betroffenen Bauern auf. Die im Vorjahr geschaffene Arbeitslosenversicherung<br />
für die Landbevölkerung wurde im neuen H<strong>aus</strong>haltsjahr auf 330 Distrikte <strong>aus</strong>gedehnt. Die<br />
ärmeren Schichten waren von der anziehenden Inflation, insbesondere bei Gr<strong>und</strong>nahrungsmitteln,<br />
die sich 2006 um über 10% verteuerten, besonders schwer betroffen. Als wichtiges<br />
Hindernis für billigere Lebensmittel gilt der schlechte Zustand der ländlichen Transportwege<br />
<strong>und</strong> die dort fehlende Elektrizitätsversorgung, weshalb nach Schätzungen etwa 40% der Ernte<br />
verderben. Daher beschloss die Regierung umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen auf<br />
dem Land: So sollen alle Dörfer bis 2009 an das Stromnetz angeschlossen werden, die größeren<br />
sollen bis dahin auch eine befestigte Straße besitzen. In ihrem neuen Fünfjahresplan,<br />
der im H<strong>aus</strong>haltsjahr 2007/08 erstmals gilt, hat die Regierung das Leitbild des »inklusiven<br />
Wachstums« formuliert, das sich die Verbesserung der Lage der städtischen Unterschichten<br />
<strong>und</strong> der Landbevölkerung zum Ziel setzt. Die mittelfristige Finanzplanung der Zentralregierung<br />
ist von erheblichen Investitionen des Staates geprägt: Die Ausgaben für das Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
sollen danach bis 2012 auf 3% des BIP verdreifacht, die Bildungs<strong>aus</strong>gaben auf<br />
6% des BIP verdoppelt werden.<br />
Eine regelrechte Landlosenbewegung wurde am 2.10.2007, dem Geburtstag Mahatma Gandhis,<br />
in Gang gesetzt: Etwa 25000 Menschen forderten während eines dreiwöchigen Fußmarsches<br />
von Gwalior nach Neu-Delhi die Einlösung einer Bodenreform <strong>aus</strong> dem Jahr 1947.<br />
Tatsächlich gibt es laut Schätzungen heute etwa 170 Mio. Landlose, Bodenreformen sind nur<br />
in Kerala, West Bengal <strong>und</strong> Tripura verabschiedet worden. Unter den Protestierern waren<br />
zahlreiche von ihrem Besitz vertriebene Bauern vertreten. Die Organisatoren des Marsches<br />
forderten die Vergabe von Brachland <strong>und</strong> den Schutz der Bauern vor Zwangsenteignungen<br />
zugunsten industrieller Ansiedlungen. Das vom Kabinett Ende Oktober beschlossene, industriefre<strong>und</strong>liche<br />
Gesetz über den Landerwerb enttäuschte die Erwartungen der Demonstranten:<br />
Es weitet die Möglichkeiten zur Enteignung von Boden <strong>aus</strong> <strong>und</strong> impliziert nur vage eine<br />
Entschädigung der betroffenen Bauern. Das am 29.2.2008 vorgestellte Budget für das Fiskaljahr<br />
2008/2009 sieht die Entschuldung von Kleinbauern mit einem Besitz von weniger als<br />
2 ha durch den Staat vor, wofür umgerechnet etwa 15 Mrd. US-$ vorgesehen sind. Mit dieser<br />
Maßnahme versucht die Regierung im Vorfeld der anstehenden Parlamentswahlen die<br />
Selbstmordwelle überschuldeter Landwirte zu stoppen.<br />
Raumfahrt<br />
Am 10.1.2007 startete vom Raumfahrtzentrum Sriharikota im Süden des Landes erstmals<br />
eine unbemannte Raumkapsel, die am 21.1. planmäßig im Golf von Bengalen landete. Die<br />
nationale Raumfahrtagentur ISRO wertete diesen Erfolg als Bestätigung ihres Raumfahrtprogramms,<br />
das für die folgenden Jahre eine Mondlandung vorsieht. 2014 soll die erste bemannte<br />
Weltraummission starten.<br />
Energiehunger <strong>und</strong> Atomprogramm<br />
Angesichts des rasanten Wachstums der Volkswirtschaft stellt die Energieversorgung eine<br />
der größten Her<strong>aus</strong>forderungen für die indische Politik dar. Nach Schätzungen der International<br />
Energy Agency (IEA) wird sich der Energiebedarf des Landes bis 2030 mehr als verdoppeln.<br />
Dabei wird der Verbrauch fossiler Brennstoffe, insbesondere von Kohle, absolut<br />
11
gesehen am stärksten zunehmen. Um die <strong>Abhängigkeit</strong> von Energieimporten zu begrenzen,<br />
treibt die indische Regierung die Nutzung erneuerbarer Energien, die insbesondere bei der<br />
Versorgung der Dörfer eine Rolle spielen werden, mehr noch die Produktion von Atomstrom<br />
voran, die relativ den größten Zuwachs verzeichnen wird. Bislang erzeugen die indischen<br />
Kernkraftwerke nur etwa 4% des nationalen Energiebedarfs, doch ist geplant, bis 2020 ihre<br />
Kapazität von 3500 MW auf 30000 MW zu erhöhen. Angesichts dieses Programms genießt<br />
die Aufhebung des Atomembargos der Nuclear Suppliers Group (NSG) – eine Gruppe von<br />
45 Staaten, die die Weiterverbreitung von Kernwaffen unterbinden will <strong>und</strong> daher den Handel<br />
mit Uran <strong>und</strong> Atomtechnologie stark behindert – für die Regierung höchste Priorität. Wichtige<br />
Mitglieder der NSG signalisierten ihre Zustimmung zu einem Kurswechsel gegenüber Indien:<br />
Präsident Wladimir Putin erklärte bei seinem Besuch in Neu-Delhi am 21.1.2007, dass Russland<br />
die Aufhebung des Atomembargos gegen Indien in der NSG unterstützen werde –<br />
Russland ist als Exporteur von Atomtechnologie daran unmittelbar interessiert. Vorerst offen<br />
blieb die Haltung Chinas, da Präsident Hu Jintao bei seinem Besuch in Neu-Delhi im November<br />
2006 klare Festlegungen in dieser Frage vermied.<br />
Hingegen geriet der Ratifizierungsprozess des umstrittenen Nuklearabkommens mit der<br />
amerikanischen Regierung ins Stocken: Zwar stimmte der US-Senat am 17.11.2006 einer<br />
Änderung des Atomenergie-Gesetzes zu, das nun einen Export von Nukleartechnologie an<br />
Nichtzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrages zulässt, diesen aber an zwei Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />
bindet, die in Indien als inakzeptabel gelten: den rechtswirksamen Verzicht auf<br />
Nukleartests <strong>und</strong> das Verbot der Wiederaufbereitung von Brennstäben. <strong>Weg</strong>en des Vorwurfs,<br />
Indien pflege weiterhin eine enge energiewirtschaftliche <strong>und</strong> militärtechnische Zusammenarbeit<br />
mit Iran, kühlten sich die Beziehungen zu den USA weiter ab: Eine Gruppe<br />
von US-Senatoren <strong>und</strong> Abgeordneten machte im April in einem Brief an Premierminister<br />
Singh die Ratifizierung des Atomabkommens von der Einstellung der Zusammenarbeit mit<br />
Iran abhängig.<br />
Bildungswesen<br />
Die Schulpflicht in Indien beträgt 8 Jahre; der Unterricht ist kostenlos. Die schulischen Einrichtungen<br />
sind jedoch oft unzureichend <strong>aus</strong>gestattet. Die Regierung versucht, dem steigenden<br />
Bildungsbedarf gerecht zu werden. In Indien gibt es über 100 Universitäten <strong>und</strong> etwa<br />
3’000 weitere höhere Bildungseinrichtungen.<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
In Indien gibt es aufgr<strong>und</strong> von Überbevölkerung <strong>und</strong> Armut gravierende Ges<strong>und</strong>heitsprobleme.<br />
Die medizinische Versorgung ist <strong>aus</strong> Mangel an finanziellen Mitteln <strong>und</strong> wegen der grossen<br />
Bevölkerungszahl stark eingeschränkt. Besonders in ländlichen Gebieten treten Krankheiten<br />
wie Cholera, Gelbfieber, Malaria, Typhus <strong>und</strong> Hepatitis verbreitet auf. Informationskampagnen<br />
der Regierung zielen auf Verbesserung von Ernährung, Hygiene <strong>und</strong> Familienplanung.<br />
Geographische Lage<br />
Lage Südasien<br />
Benachbarte Gebiete Indien grenzt im Norden an China, Nepal <strong>und</strong> Bhutan sowie im Osten<br />
an Bangladesh <strong>und</strong> Myanmar (Birma). Es wird im Süden durch den Golf von Bengalen, die<br />
Palkstrasse, den Golf von Mannar <strong>und</strong> den Indischen Ozean begrenzt. Im Westen wird das<br />
Land von Pakistan <strong>und</strong> dem Arabischen Meer begrenzt.<br />
Klima<br />
Das Klima Indiens, das zu grossen Teilen tropisch <strong>und</strong> subtropisch ist, wird vom Monsun<br />
geprägt. Trotz der Tropenlage lassen sich vier Jahreszeiten unterscheiden, eine kühle (Januar<br />
bis März), eine heisse Vormonsunzeit (April/Mai), die Regenzeit während des Südwestbzw.<br />
Sommermonsuns (Juni bis September) <strong>und</strong> eine Nachmonsunzeit (Oktober bis Dezember).<br />
Die kühle Jahreszeit, die von Januar bis März dauert, ist im Allgemeinen extrem<br />
12
trocken <strong>und</strong> wird vom Nordostmonsun geprägt. Manchmal kommt es zu heftigen Stürmen,<br />
die in den nördlichen Ebenen von leichten Niederschlägen <strong>und</strong> im Himalaja von starken<br />
Schneefällen begleitet werden. Die Temperaturen erreichen in der heissen Vormonsunzeit,<br />
die im April beginnt <strong>und</strong> bis zum Anfang der Regenzeit andauert, ihre höchsten Werte im Mai<br />
mit Temperaturen von 30 bis 35 °C. Bei Kalkutta, im Gangesdelta, beträgt die durchschnittliche<br />
Jahrestemperatur 26 °C. An der Westküste werden im Durchschnitt 28 °C erreicht. In<br />
Madras, an der Ostküste, liegt das jährliche Mittel bei 29 °C.<br />
Umweltsituation<br />
Indien besitzt nach China die höchste Bevölkerungszahl der Welt. Dies bringt grosse Umweltprobleme<br />
mit sich. Um für beinahe eine Milliarde Menschen sorgen zu können, hat sich Indien auf<br />
einen effektiven <strong>und</strong> erfolgreichen Umweltschutz konzentriert. Die Ursache für den erzielten Erfolg<br />
liegt zum Teil daran, dass viele Inder Vegetarier sind. Sie benötigen weniger Ressourcen für<br />
die Nahrungsmittelerzeugung als z. B. Völker, die sehr viel Fleisch konsumieren. In Indien wird<br />
das Ackerland deshalb effizienter genutzt, <strong>und</strong> es können mehr Menschen damit ernährt werden.<br />
Die Bodenerosion <strong>und</strong> Versalzung stellen die grössten Probleme bei der Bewässerung des<br />
Ackerlandes dar. Weitere Umweltprobleme sind die Entwaldung, die Überweidung, die Desertifikation<br />
<strong>und</strong> die Luftverschmutzung durch Industrieemissionen <strong>und</strong> Autoabgase. Giftige Abwässer<br />
<strong>und</strong> Pestizide, die in der Landwirtschaft Verwendung finden, verschmutzen das Trinkwasser.<br />
Das Leitungswasser ist in ganz Indien nicht trinkbar. Grosse Naturkatastrophen wie<br />
Hochwasser, Erdrutsche <strong>und</strong> Erdbeben suchen das Land regelmässig heim, vor allem im Himalaja.<br />
1984 ereignete sich in Bophal einer der schwersten Industrieunfälle der Geschichte: Aus dem<br />
Chemiewerk Union Carbide entwich Methylisocyanat. Dadurch kamen mehr als 3’300 Menschen<br />
ums Leben, T<strong>aus</strong>ende wurden schwer verletzt <strong>und</strong> leiden noch heute unter den Spätfolgen.<br />
Indien verfügte als erstes Entwicklungsland über Kernenergie. Das ehrgeizige Nuklearprogramm<br />
des Landes sieht vor, bis zum Jahr 2000 zehn Prozent des Energiebedarfs durch Kernkraft zu<br />
decken. Zu den traditionellen Energiequellen gehören Brennholz, Holzkohle <strong>und</strong> Tierdung. Sie<br />
werden hauptsächlich von den Privath<strong>aus</strong>halten genutzt. Wie in vielen Entwicklungsländern wurde<br />
auch in Indien die Entwaldung grösstenteils durch das Schlagen von Brennholz vorangetrieben.<br />
Der Naturschutz, vor allem der Schutz der Wälder, existiert in Indien schon seit Jahrt<strong>aus</strong>enden.<br />
Er geht u. a. auf die Einrichtung von heiligen Hainen <strong>und</strong> Jagdrevieren zurück. Schon Mitte des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden die ersten Forstgesetze verabschiedet. Der Forstschutz spielte auch<br />
unter der britischen Kolonialherrschaft bis zur Unabhängigkeit (1947) eine wichtige Rolle. In<br />
jüngster Zeit wurde eine Reihe von Gesetzen <strong>und</strong> Vorschriften verabschiedet, die dem Umweltschutz<br />
auch in Zukunft einen hohen Stellenwert einräumen. Die Verbindung von Naturschutzgebieten<br />
mittels Schutzkorridoren ist langfristig geplant.<br />
Indien verfolgt das Ziel, wieder ein Drittel des Landes zu bewalden. Gegenwärtig ist ungefähr ein<br />
Viertel der Landesfläche mit Wäldern bedeckt, ein Prozent davon ist Urwald. 18,4% des Landes<br />
bestehen <strong>aus</strong> Feuchtgebieten, wobei die meisten als Padis genutzt werden. Indien verfügt über<br />
eine grosse Artenvielfalt <strong>und</strong> zahlreiche Ökosysteme, in denen ungefähr sechs Prozent der weltweit<br />
existierenden Pflanzenarten wachsen, wovon wiederum ein Drittel endemisch ist. Jedoch<br />
sind fast zehn Prozent - ungefähr 1’300 Arten - der Flora Indiens gefährdet, vor allem durch die<br />
Entwaldung <strong>und</strong> die intensive Landwirtschaft. Dafür ist die ständig wachsende Bevölkerung verantwortlich.<br />
Das nationale Naturschutzprogramm bildet den Rahmen für den Artenschutz. Ausserdem sieht<br />
es die Einrichtung von Naturreservaten in allen wichtigen Lebensräumen vor. Heute stehen bereits<br />
4,8% (1997) der gesamten Landesfläche unter Naturschutz. Es gibt 69 Nationalparks <strong>und</strong><br />
410 Naturreservate, die 1990 eingerichtet wurden.<br />
Indien hat die World Heritage Convention <strong>und</strong> die Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete ratifiziert.<br />
Im Rahmen des Biosphäre-Programms der UNESCO ist die Einrichtung von 13 Biosphäre-<br />
Gebieten vorgesehen. Indien ist bei der Artenerhaltung sehr erfolgreich. Weltberühmt sind das<br />
Projekt zum Schutz des Tigers, das neun gesonderte Tigerschutzgebiete geschaffen hat, <strong>und</strong> das<br />
Projekt zur Aufzucht von Krokodilen. Zurzeit ist auch ein Programm zum Schutz des Schneeleoparden<br />
im Himalaja in Planung. Viele nicht staatliche Organisationen unterstützen Indiens Engagement<br />
für den Naturschutz.<br />
13
Indien hat zahlreiche internationale Naturschutz- <strong>und</strong> Umweltabkommen ratifiziert. Diese betreffen<br />
die Artenvielfalt, die Umwelt- <strong>und</strong> Klimaveränderung, die bedrohten Arten, die gefährlichen<br />
Abfälle, den Meeresschutz, die Antarktis <strong>und</strong> die Ozonschicht. Ausserdem wurden ein Verbot der<br />
Abfallentsorgung im Meer <strong>und</strong> ein Verbot von Atomtests beschlossen.<br />
<strong>aus</strong>:Fischer Weltalmanach 2009<br />
14
Löhne <strong>und</strong> Preise in Indien<br />
Monatliches Einkommen<br />
Landwirtschaftlicher Arbeiter:<br />
• Rs 2000.--<br />
• Verschuldete Rs 400 bis 750.-- (Abhängig von den Zahlungsbedingungen)<br />
Industrie Arbeiter<br />
• Rs 5000 bis 10000.--<br />
• Ungelernte: Rs 2000 bis 4000.--<br />
Büroangestellter<br />
• Rs 6000 bis 10000.--<br />
Warenkorb<br />
Ländliches Gebiet<br />
Städtische Gebiete<br />
• Seife Rs 8.-- Rs 12.--<br />
• Soft Drink (Coca Cola) Rs 6.-- Rs 18.--<br />
• 1 Kg Reis Rs 12.-- Rs 18.--<br />
• 1 Kg Fleisch Rs 100.-- Rs 100.--<br />
• Beliebte Süssigkeiten Rs 50.--/ Kg Rs 100.-- / Kg<br />
• Kugelschreiber Rs 2.-- Rs 3.--<strong>und</strong> mehr<br />
• Beliebtes Spielzeug Rs 10 bis 50.-- Rs 50.--<strong>und</strong> mehr<br />
• Schreibblock Rs 5.-- Rs 10.--<br />
• Schuluniform Rs 100 bis 200.-- Rs 200 bis 500.--<br />
• Jährliche Schulgebühr Gratis Rs 1200.--. Primarstufe<br />
Rs 2000.--<strong>und</strong> mehr<br />
Oberstufe<br />
Wechselkurs 1CHF = 25 Rs (indische Rupien)<br />
15
Landesprogramm Indien (Kurztext)<br />
Mit Spargruppen <strong>und</strong> Geschrei gegen Sklavenarbeit<br />
«Das <strong>Fastenopfer</strong> konzentriert sich in Indien darauf, Gruppen von Dalits <strong>und</strong> Adivasi in Dörfern<br />
zu unterstützen – damit sie sich <strong>aus</strong> eigener Kraft <strong>aus</strong> ihrer Unterdrückung befreien<br />
können», erklärt Walter Ulmi, früherer Programmverantwortlicher beim <strong>Fastenopfer</strong>. «Dies<br />
gibt ihnen ihre Würde wieder zurück.» Und dann zählt er die Lebensbedingungen der sogenannten<br />
Unberührbaren, der Dalits, auf: Die Grossgr<strong>und</strong>besitzer nehmen ihnen das eigene<br />
Stück Land weg. So müssen sie als Tagelöhner zu einem erbärmlichen Lohn arbeiten. Die<br />
Folge: Es reicht nicht. Sie verschulden sich zu horrenden Zinsen – bis zu 300 Prozent pro<br />
Jahr. Diese Schulden müssen – auch von Kindern – abgearbeitet werden. 90 Prozent aller<br />
Kastenlosen auf dem Land sind in dieser Falle gefangen. Zudem werden den Adivasi,<br />
Stammesgesellschaften von Ureinwohnern, die Früchte des Urwalds verboten.<br />
Hier setzt das Landesprogramm an. 2006 hat das <strong>Fastenopfer</strong> mit 18 Partnerorganisationen<br />
73 Projekte durchgeführt. In 2’220 Dörfern legen Gruppen etwas Reis, Getreide oder auch<br />
Geld beiseite <strong>und</strong> verwalten es gemeinsam. Gerät ein Mitglied der Gruppe in Not, kann es<br />
auf die Ersparnisse zurückgreifen. Deshalb können Kinder jetzt zur Schule gehen, wer krank<br />
ist kann den Arzt bezahlen <strong>und</strong> ein Todesfall ruiniert nicht mehr die ganze Familie.<br />
Ausserdem werden in den Gruppen die anfallenden Probleme besprochen. Dorfbewohnerinnen<br />
<strong>und</strong> -bewohner prangern lautstark die katastrophalen Lebendbedingungen an, damit die<br />
Regierung Schulen, medizinische Versorgung <strong>und</strong> Trinkwasser bereit stellt. «Die Verantwortlichen<br />
schämen sich dann, weil ihre Fehler öffentlich gemacht werden. Und deshalb unternehmen<br />
sie etwas», erklärt Ajoy Kumar, Konsulent des <strong>Fastenopfer</strong>s lächelnd.<br />
Unterstützen Sie die Arbeit des <strong>Fastenopfer</strong>s in Indien<br />
Nr. 317.125857<br />
16
Berichte <strong>aus</strong> Indien<br />
Über die Unterschiede zwischen indischer <strong>und</strong> westlicher Esstradition<br />
Essen – ein Akt der Liebe oder des Kampfes?<br />
Mani Mezhukanal fragt danach, welchen Unterschied es macht mit den Händen oder<br />
mit Messer <strong>und</strong> Gabel zu essen? Welche Rolle es spielt, ob die Speisen nacheinander<br />
oder miteinander aufgetragen werden. Und wie das Essen in die religiöse Tradition<br />
Indiens eingebettet ist.<br />
Ich bin in Kerala geboren, an der südwestlichen Küste des indischen Sub-Kontinentes <strong>und</strong><br />
habe dort auch meine Kindheit <strong>und</strong> frühe Jugend verbracht. Spassvögel sagen, es gebe in<br />
Kerala drei Jahreszeiten: heiss, heisser <strong>und</strong> am heissesten! Dank zwei Monsumzeiten hat es<br />
aber reichlich Regen. Die Erde ist fruchtbar. Folglich gibt es auch grosszügige Gaben von<br />
Mutter Erde: Gewürze wie Kardamon, Pfeffer, Ingwer <strong>und</strong> Früchte, zum Beispiel Mangos,<br />
Kokosnüsse, Früchte des Brotfruchtbaumes, Ananas, Guaven, Bananen – <strong>und</strong> vieles davon<br />
sozusagen das ganze Jahr über.<br />
Frühe Erinnerungen<br />
Vor dem Essen wuschen wir uns die Hände <strong>und</strong> spülten uns den M<strong>und</strong>. Dann sassen wir auf<br />
Mutter Erdes Schoss, <strong>und</strong> ein sauberes Bananenblatt wurde vor jedes Familienmitglied gelegt.<br />
Warmer Reis wurde serviert, zusammen mit vier oder fünf hauptsächlich vegetarischen<br />
Curries. Die Bananenblätter, die Gewürze <strong>und</strong> Gemüse kamen frisch gepflückt <strong>aus</strong> unserem<br />
Garten. Wir assen mit den Fingern der rechten Hand, streichelten das Essen, fühlten seine<br />
Beschaffenheit <strong>und</strong> genossen Farbe <strong>und</strong> Geschmack der verschiedenen Gewürze. Nach<br />
dem Essen wuschen wir wieder Hände <strong>und</strong> M<strong>und</strong>, die Bananenblätter wurden zur ökologischen<br />
Wiederverwertung an die Kühe verfüttert. In Form von Milch <strong>und</strong> Dung kamen sie zurück…<br />
Als ich vierzehn war, wurde ich auf eine „westliche“ Schule geschickt. Die meisten Lehrer<br />
waren Europäer. Sie sagten uns, nur „Primitive“ würden mit den Händen essen, die Zivilisierten<br />
benützten Besteck! Auf mich wirkten diese wie Waffen: Die Gabel heftig in das Fleisch<br />
rammen <strong>und</strong> energisch das Messer schwingen, um es in Stücke zu schneiden. Das gab mir<br />
den Eindruck, ein Soldat im Kampf mit meinem Essen zu sein, statt ein Liebhaber, der es mit<br />
Respekt <strong>und</strong> Zärtlichkeit streichelt.<br />
Von den Eindrücken zu den Überlegungen<br />
Der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz stellt in seinem Buch „Licht von Indien“ fest,<br />
dass das Essen ein verlässlicher Zugang zu einem Volk <strong>und</strong> seiner Kultur ist. Als Beispiel die<br />
europäische Art zu kochen: Die Reihenfolge der Speisen ist ziemlich klar definiert. Es ist eine<br />
Küche, in der die Speisen einander in einer Art Parade folgen. Das ruft militärische Bilder<br />
wach, so wie das Essen mit Besteck an eine militärische Aktion erinnert. Könnte es sein,<br />
dass die Militanz (missionarisch, militärisch, wirtschaftlich <strong>und</strong> kulturell) der „Zivilisierten“ in<br />
einer Verbindung steht zu ihrer „militärischen“ Art zu essen? In Indien werden die verschiedenen<br />
Speisen zusammen aufgetragen. Keine Reihenfolge, sondern eine Anhäufung <strong>und</strong><br />
Überlagerung von Dingen <strong>und</strong> Geschmacksrichtungen. Eine Fusion von Aromen <strong>und</strong> Farben,<br />
von Gegensätzen wie mild <strong>und</strong> scharf, süss <strong>und</strong> sauer, von Zeiten…<br />
In der Tat gleicht die indische Küche der indischen Geschichte <strong>und</strong> Kultur. Statt eine Abfolge<br />
von Ereignissen <strong>und</strong> eine Chronik von gewonnenen <strong>und</strong> verlorenen Kriegen, ist die Geschichte<br />
Indiens eine Überlagerung von Völkern, Religionen, Institutionen <strong>und</strong> Sprachen.<br />
Das Gleiche gilt für die Religion: Nicht nur eine Vielzahl von Doktrinen, Göttern, Riten,<br />
17
Schöpfungsmythen <strong>und</strong> Sekten, sondern auch Koexistenz <strong>und</strong> Vermischung von unterschiedlichen<br />
<strong>und</strong> sogar sich widersprechenden Thesen <strong>und</strong> Theorien.<br />
Essen: eine religiöse Handlung<br />
Zurück zum Essen: Charaka, der das uralte Wissen der Ayurvedischen Heiltradition vor mehr<br />
als 2000 Jahren zusammengestellt hat, schrieb: “Das Leben aller Lebewesen ist Nahrung…<br />
Was immer zum Glück beiträgt, was immer die vedischen Opferriten betrifft, welche Handlung<br />
auch immer zur spirituellen Rettung führt, alles ist im Essen begründet“.<br />
Eines der wichtigsten Samskaras (Sakramente) in der Hindu-Tradition ist das richtige Essen.<br />
Genau wie Nahrungsmittel Opfergaben sind, ist die Köchin in einem traditionellen indischen<br />
H<strong>aus</strong>halt die Opferpriesterin. Eine gute Köchin, ein guter Koch personalisiert die Nahrungsmittel,<br />
erfüllt sie mit Liebe, tötet sie <strong>und</strong> bringt sie zurück ins Leben. Jeder Gedanke der Kochenden<br />
beeinflusst die Nahrungsmittel <strong>und</strong> so auch die Essenden. Nur eine Person, die ihre<br />
Liebe in die Nahrungsmittel hineingibt, sollte für dich kochen. Und die Essenden sollten beten,<br />
dem Schöpfer für die Nahrungsmittel danken, denn in der Nahrung opfert sich das Universum<br />
für uns. Ehrfurcht vor allen Dingen im Universum ist die gesündeste Haltung gegenüber<br />
dem Leben.<br />
Essen: eine Handlung der Verbindung<br />
So ist Essen zugleich eine religiöse Handlung. In den Worten der Tattireya Upanishad:<br />
„Brahman (der Absolute) ist Nahrung; nur, wer isst, weiss, dass er/sie Gott ist“ Essen ist ein<br />
Aust<strong>aus</strong>ch <strong>und</strong> eine Interaktion zwischen mir <strong>und</strong> dem Universum, eine kosmische Kommunion.<br />
Wer kocht, kocht Individuen zusammen in eine Familie, eine Gemeinschaft von Personen…<br />
Sogar die, die weder Zeit noch Neigung haben, Gott irgendeiner anderen Art zu verehren,<br />
können ihr Leben transformieren, wenn sie sich nur die Zeit nehmen, sich klar zu<br />
werden, was, wie <strong>und</strong> warum sie essen <strong>und</strong> dem Universum für die Versorgung mit Nahrungsmitteln<br />
zu danken. Der simple Akt, Kontrolle über das zu gewinnen, was wir essen,<br />
verschafft uns die Disziplin, viele andere Aspekte unseres Verhaltens in der Hand zu haben,<br />
weil wir sind, was wir essen. Unsere Nahrung trägt zu unserem Bewusstsein bei.<br />
Mani Mezhukanal<br />
Der Autor stammt <strong>aus</strong> Kerala, Südindien, <strong>und</strong> ist seit vielen Jahren in der Schweiz in der Erwachsenenbildung<br />
tätig.<br />
Ayurvedische Empfehlungen zum Essen<br />
- Iss an einem ruhigen Ort.<br />
- Iss nicht, wenn du verärgert, traurig bist oder unmittelbar nach einer Anstrengung<br />
- Nähre alle fünf Sinne: Schau das Essen an, geniesse sein Aussehen, atme sein<br />
Aroma ein. Höre die Musik, die es macht, besonders beim Kochen, iss mit der Hand,<br />
um dich an seiner Beschaffenheit zu erfreuen, kaue jeden Bissen gründlich, um den<br />
Geschmack her<strong>aus</strong>zuholen. Fühle Liebe <strong>und</strong> Ehrfurcht für es, denn bald wird es ein<br />
Teil von dir werden.<br />
- Gehe h<strong>und</strong>ert Schritte nach einer Mahlzeit, aber gib dich eine St<strong>und</strong>e lang weder<br />
körperlichen noch geistigen Anstrengungen, weder Schlaf noch Sex hin.<br />
18
Bild <strong>Fastenopfer</strong><br />
Bild <strong>Fastenopfer</strong><br />
19
Eine <strong>Fastenopfer</strong>geschichte <strong>aus</strong> Indien<br />
Ich werde diesen Gesichts<strong>aus</strong>druck nicht mehr vergessen. Mit seinen dunklen Augen schaute<br />
mich das kleine Mädchen an. War es bloss Neugier oder wusste es um sein eigenes Schicksal?<br />
Es war im Januar 2004. Mit meinem Mitarbeiter Lothar, dem <strong>Fastenopfer</strong>-Indienkonsulent Ajoy<br />
<strong>und</strong> mit dem lokalen Koordinator Pater Cäsar war ich unterwegs in ein kleines Dorf im Nordosten<br />
Indiens. Es war angenehm kühl für die Jahreszeit, die Reisfelder lagen brach, noch war es Winter.<br />
Als wir ins Dorf kamen, wurden wir von der ganzen Dorfgemeinschaft fröhlich empfangen.<br />
Seit knapp einem Jahr hat P. Cäsar begonnen, diese Menschen zusammen zu bringen. Inzwischen<br />
haben sie eine Reisbank gegründet, die ihr Leben verbessern soll.<br />
Nach drei Wochen <strong>und</strong> unzähligen Begegnungen in Dörfern kannte ich indessen die Situation der<br />
Adivasi-Stammesgesellschaften in diesem Gebiet. Als Kastenlose stehen sie am Rand der Gesellschaft.<br />
Sie gelten als unterentwickelt, faul <strong>und</strong> schmutzig. Als Erstes war mir aufgefallen, dass<br />
die Menschen sich in Indien nicht grüssen. Sobald wir in ein Dorf kamen, beguckten die Kinder<br />
uns wohl, ein Gruss oder gar ein Wortwechsel gab es jedoch nur ganz selten. Erst wenn sie<br />
wussten, wer wir sind, begannen sie sich zu öffnen. Er hätte 1990 ein ganzes Jahr gebraucht,<br />
erzählte mir Ajoy, der unser ganzes Indienprogramm koordiniert, bis ihm die Menschen in den<br />
Dörfern endlich erzählten, dass sie als Arbeitssklaven auf den Feldern gefangen sind. Zuvor hätten<br />
sie Angst gehabt, die Repression des Landbesitzers, des Bauern gefürchtet. Angst <strong>und</strong> Misstrauen,<br />
Klassen- <strong>und</strong> Kastenabgrenzungen sind in Indien allgegenwärtig. Deshalb grüss man sich<br />
nur innerhalb der eigenen Kaste, Familie, Gruppe.<br />
Millionen von Adivasis leben heute in Schuldknechtschaft in Indien. Als Sklaven auf ihrem eigenen<br />
Land schuften sie von morgens sechs bis abends acht für sechs bis zehn Rupien (ca. 18-30<br />
Rappen) pro Tag. Geld gibt es keines, der Lohn wird in Reis <strong>und</strong> Saatgut <strong>aus</strong>bezahlt.<br />
Warum aber sind sie Schuldknechte? Dies sei eine lange Geschichte. Einem Ausländer würden<br />
sie diese ohnehin nie erzählen. Noch vor wenigen Jahren gab es selbst in der Kirche Leute, die<br />
die Existenz der Schuldknechtschaft verneinten, sie kannten sie schlicht nicht! Das Gesetz erlaubt<br />
Sklaverei <strong>und</strong> Ausbeutung in dieser Form nicht, also kann sie nicht existieren. Nicht nur<br />
unserem Konsulenten Ajoy war schon vor Jahren klar, dass diese moderne Form der Sklaverei in<br />
Indien in grossem Ausmass existiert. Zwanzig, vielleicht fünfzig oder gar h<strong>und</strong>ert Millionen Menschen<br />
sind periodisch oder über Generationen hinweg davon betroffen. Einen Ausweg scheint es<br />
nicht zu geben.<br />
Denn sobald jemand in der Familie krank wird, wenn die Aussaat kommt, wenn jemand stirbt,<br />
dann gehen diese Menschen zum Landlord oder Geldverleiher. Er gibt ihnen Saatgut oder Reis<br />
<strong>und</strong> schreibt den entsprechenden Wert in Rupien auf. Zinssatz: 30-1500% pro Jahr, im Durchschnitt<br />
dürfte der Zins bei 100% liegen, das heisst, für einen Sack Saatgut müssen nach der Ernte<br />
zwei Säcke vergütet werden. Dies führt dazu, dass diese Familien sich immer stärker verschulden,<br />
um ihre Kredite zurückzahlen zu können. Bei einem weitern Kredit nimmt der Geldverleiher<br />
oder Gr<strong>und</strong>besitzer ihr Stück Land als Garantie. Es dauert zwei Jahre, bis auch dieses<br />
Land verloren ist. Was bleibt dann noch?<br />
Männer verdingen sich als Landarbeiter. Der Lohn wäre vielleicht zwanzig bis dreissig Rupien im<br />
Tag (der gesetzliche Minimallohn beträgt fünfzig). Ausbezahlt werden ihnen drei bis sechs, der<br />
Rest wird zur Schuldentilgung zurückbehalten. Da diese Adivasis aber kaum Lesen <strong>und</strong> Schreiben<br />
können, werden sie betrogen. Der Landbesitzer schreibt mehr auf, als er effektiv <strong>aus</strong>lieh <strong>und</strong><br />
er bestimmt, wann die Schuld abbezahlt ist. Die Erfahrung zeigt: diese Landbesitzer tun alles,<br />
damit die Schuld nie getilgt werden kann. Im Gegenteil, will die Familie einen neuen Kredit, so<br />
müssen sich auch die Frauen <strong>und</strong> die Kinder zur Arbeit verdingen <strong>und</strong> die Schuld abarbeiten.<br />
Aus diesem Teufelskreis gibt es den <strong>Weg</strong> der Reisbank. Die Frauen sparen sich täglich ein wenig<br />
Reis vom M<strong>und</strong> ab <strong>und</strong> legen ihn zur Seite. Die Männer sparen nach der Ernte vielleicht h<strong>und</strong>ert<br />
Kilo Saatgut in einem Speicher. Es wird genau Buch geführt. So wächst allmählich die Reisbank,<br />
die gemeinsam verwaltet wird. Nach ein paar Jahren ist sie gross genug, dass die Familien nicht<br />
mehr zum Geldverleiher oder Landbesitzer gehen müssen, um neue Kredite aufzunehmen.<br />
20
Eigentlich sind die alten Kredite illegal. Aber <strong>aus</strong> Furcht vor Übergriffen ziehen es die Adivasis<br />
vor, auch die alten Wucherschulden ab zu zahlen. Die Gewalt in Indien kann brutale Formen annehmen.<br />
Wenn die Mitglieder der Reisbank nun etwas brauchen, dann leihen sie es sich zu einem<br />
bescheidenen Zins <strong>aus</strong> ihrer Reisbank <strong>aus</strong>. Da sich die Menschen wöchentliche zur Aussprache<br />
treffen, passiert noch mehr. Sie beginnen zu überlegen, wie sie sich organisieren können,<br />
wie sie ihre Rechte einfordern können. Ich habe Dörfer gesehen, die nach acht, neun Jahren<br />
so stark geworden waren, dass die Landbesitzer, die ihre Arbeit brauchen, ihnen den Lohn bezahlen<br />
müssen, den die Adivasis fordern. Gemeinsam sind sie stark geworden, weil indessen in<br />
der ganzen Umgebung mehr als fünfzig Dörfer in Reisbanken organisiert sind <strong>und</strong> sich nicht mehr<br />
<strong>aus</strong>beuten lassen.<br />
Danach forderten sie von der Lokalregierung eine Schule <strong>und</strong> einen Trinkwasseranschluss. Beides<br />
steht allen Dörfern per Gesetz zu. Da aber die Entwicklungsgelder in den Taschen der Mächtigen<br />
liegen bleiben, braucht es erheblichen Druck von unten, damit sich etwas bewegt. Es dauerte,<br />
bis dieses Dorf am Ziel war. Mehrmals belagerten sie das lokale Regierungsgebäude. Dann<br />
kam das Wasser, aber nicht in ihr Dorf, sondern auf das Land des Landbesitzers. Dieser hätte<br />
ihnen das Wasser wiederum verweigert oder verkauft. So machten sie weiter Druck, bis sie endliche<br />
ihr Wasser, ihre Schule <strong>und</strong> zum Schluss auch ihr eigenes Land wieder hatten. Der <strong>Weg</strong><br />
dahin war lang. Sie mussten nicht nur sparen, sie mussten vor allem auch lernen, sich <strong>aus</strong>zudrücken,<br />
sich zu wehren. Und sie mussten lernen, solche Dinge gemeinsam zu tun, denn alleine<br />
sind sie der Gewalt der Mächtigen <strong>aus</strong>geliefert. Auf meine Frage, was sich denn verändert habe,<br />
seit sie die Reisbanken hätten, antwortete mir ein alter, greiser Adivasi: „Wir waren wie Dreschochsen.<br />
Heute wissen wir, dass wir Menschen sind, die gen<strong>aus</strong>o Anspruch auf Nahrung, Bildung<br />
<strong>und</strong> Sicherheit haben wie die Landbesitzer.“<br />
Und so kam es, dass dieses Mädchen vor mir auf dem Boden sass <strong>und</strong> ich den Animator der<br />
Reisbank fragte, ob die Familien noch verschuldet seien. Ja, sie seien es, die Reisbank habe hier<br />
erst vor zwei Monaten begonnen. Ob sie Land besässen. Ja, aber… Aus dem Getuschel wurde<br />
uns rasch klar, dass sie es an die grossen Landbesitzer verpfändet hatten <strong>und</strong> dass sie für einen<br />
Hungerlohn ihre eigenen Felder bearbeiteten.<br />
Ob die Kinder in die Schule gingen, fragte ich weiter. Erneut betretenes Schweigen. Nein, sie<br />
müssten arbeiten, um die Schulden abzuzahlen, um Essen kaufen zu können. Was das heisst,<br />
erklärte mir P. Cäsar. Ab sechs Jahren werden die Kinder zur Arbeit beim Landbesitzer geschickt.<br />
Sexuelle Ausbeutung ist sehr oft damit verb<strong>und</strong>en. Die Chance auf Befreiung besteht<br />
kaum, es sei denn… ja es sei denn, die Menschen könnten sich befreien oder würden befreit.<br />
Von Aussen wird sie nicht kommen, die Erlösung, das lehrt die Erfahrung dieser Menschen. Die<br />
Reisbanken aber sind ein Hoffnungsschimmer.<br />
Wenn es gelingt, wenn sich dieses Dorf <strong>aus</strong> der Schuldenschlinge befreien kann, dann, ja dann<br />
kann dieses Mädchen vielleicht eines Tages in die Schule gehen <strong>und</strong> selber über sein Schicksal<br />
mitbestimmen. Heute ist es noch gefangen, gefangen in der <strong>Verschuldung</strong> seiner Eltern. Ob es<br />
überhaupt realisiert, was mit ihm geschieht?<br />
Nein, ich werde dieses Gesicht nicht mehr vergessen – dieses Mädchen, das gleich alt ist wie<br />
meine älteste Tochter. Dieses eine Gesicht steht für Millionen anderer Gesichter. Und da wurde<br />
mir schlagartig bewusst: das Schicksal dieses Kindes liegt auch in deiner Hand, Gott allein weiss<br />
warum. Aber du bist heute hier als Leiter eines Hilfswerks. Und du kannst dich nicht <strong>aus</strong> der Verantwortung<br />
schleichen, sie nicht an ein Bankkonto, einen Fernsehbericht delegieren. Wenn sich<br />
dieses Dorf mit der Reisbank <strong>aus</strong> der Schuldenfasse befreien kann, dann hat dieses Kind auch<br />
eine bessere Zukunft.<br />
Indessen war es dunkel geworden. Bilder konnte ich keine mehr schiessen. Und so machen wir<br />
uns zu Fuss auf den <strong>Weg</strong> durch die Stille der Nacht bis zur nächsten Strasse. Mir war klar, diese<br />
Geschichte will ich aufschreiben. Dieser Abend hatte mich verändert.<br />
Antonio Hautle<br />
21
Indien: Der Kampf der Adivasi in Savarikadu (20.05.2009)<br />
Alagar <strong>und</strong> Kaveri strahlen, wie nur ein junges Paar es kann: In vier Monaten erwarten sie<br />
die Geburt eines Geschwisterchens für ihre zweijährige Tochter Mutramal.<br />
Der Vater des 29-jährigen Alagar war Schuldsklave: 5000 Rupien musste er dem örtlichen<br />
Landbesitzer zurückzahlen. Dafür arbeitete er ohne Lohn endlose St<strong>und</strong>en auf der Bananen-<br />
, Kaffee- <strong>und</strong> Kardamom-Plantage. Er pflanzte, jätete, wässerte <strong>und</strong> erntete. Beschimpfungen<br />
<strong>und</strong> Schläge von den Aufsehern waren an der Tagesordnung. Viele Tagelöhner überleben<br />
diese unmenschliche Arbeit nicht – so wie der Vater von Kaveri: obwohl er schwer krank<br />
war, musste er weiterarbeiten, bis er vor sechs Jahren direkt auf dem Feld starb.<br />
Auch Alagar schuldet dem Landbesitzer 3000 Rupien, weil er das H<strong>aus</strong> für seine Familie neu<br />
decken musste. Es ist nur ein kleines H<strong>aus</strong>, vielleicht drei mal vier Meter, doch hatte er keine<br />
Ersparnisse, um das Dach zu bezahlen. Der Landbesitzer verlangt 25 Prozent Zins – pro<br />
Monat. Alagar ist nicht so stark verschuldet wie sein Vater, doch erhält er, bis die Schuld<br />
abbezahlt ist, nur die Hälfte seines Tageslohns: 15 Rupien statt 30. Ein Kilo Reis kostet 20<br />
Rupien – r<strong>und</strong> 45 Rappen.<br />
Savarikadu, das kleine Dorf in den Bergen von Kodai in Tamil Nadu arbeitet seit zwei Jahren<br />
mit SEED, einer Partnerorganisation von <strong>Fastenopfer</strong> zusammen. Es brauchte eine Weile,<br />
bis die Mitarbeiter von SEED das Vertrauen der Adivasi – Angehörige der stark benachteiligten<br />
Urbevölkerung – gewonnen hatten. Doch dann gründete das Dorf eine Spar- <strong>und</strong> Kreditkasse,<br />
welche keine Zinsen verlangt. Jedes Mitglied zahlt monatlich 10 Rupien ein. Indem<br />
sie sich gegenseitig Geld <strong>aus</strong>leihen, können sie sich allmählich von den Schulden bei Arbeitgebern<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>besitzern befreien. Bei den regelmässigen Treffen mit der Partnerorganisation<br />
erfahren die Mitglieder der Spargruppe auch mehr über ihre Rechte – zum Beispiel,<br />
dass in Indien alle armen Familien Anspruch auf eine Ration Card haben, mit der man in<br />
bestimmten Länden verbilligte Lebensmittel einkaufen kann.<br />
Trotz der Fortschritte herrscht im Dorf oft Angst: Seit die Adivasi ihr Selbstwertgefühl wiedergef<strong>und</strong>en<br />
haben <strong>und</strong> wagen, sich gegen die Unterdrückung zu wehren, werden sie von den<br />
Landbesitzern brutal unter Druck gesetzt. Immer wieder werden Häuser angezündet, Frauen<br />
bedroht oder das Wasser vergiftet.<br />
Alagar ist auch der Priester des Dorfes. Palchiamman heisst die Göttin, welche von seinem<br />
Adivasi-Volk verehrt wird <strong>und</strong> den Menschen hilft, mit der Natur in Harmonie zu leben. Vor<br />
einigen Monaten hat ihr das Dorf einen kleinen Tempel gebaut. Es ist ein Ort, um neue Kräfte<br />
zu finden, ein Ort, wo die Adivasi gemeinsam Hoffnung schöpfen.<br />
22
Portrait – das Mädchen Laxmi<br />
Laxmi – ein elfjähriges Mädchen <strong>aus</strong> Indien berichtet<br />
Ich bin Laxmi. Ich bin jetzt elf Jahre alt <strong>und</strong> gehöre zu den Dalits. Meine Eltern haben vor drei<br />
Jahren von einem Landbesitzer 6'000 Rupien <strong>aus</strong>geliehen, das sind etwa 170 Franken. Weil<br />
sie ihm das Geld nicht zurück bezahlen können, müssen sie nun für ihn arbeiten. Dabei werden<br />
sie wie Sklaven behandelt, weil sie so genannte kastenlose Menschen sind. Die vielen<br />
armen, kastenlosen Menschen, die in Indien leben, dürfen nicht mit anderen Menschen zusammen<br />
sein. Sie sind Menschen, die ganz unten stehen. Beispielsweise dürfen sie nicht am<br />
selben Brunnen wie die anderen Wasser holen. Der Landbesitzer gehört einer hohen Kaste<br />
an.<br />
Ich habe noch zwei Brüder <strong>und</strong> eine Schwester. In einer Notsituation haben meine Eltern vor<br />
sechs Monaten von einem anderen Landbesitzer lumpige 500 Rupien, etwa 15 Franken,<br />
<strong>aus</strong>geliehen. Nun müssen mein 13-jähriger Bruder <strong>und</strong> ich quasi als Pfand für ihn arbeiten.<br />
Ich schufte den lieben langen Tag: Am frühen Morgen sammle ich die Kuhfladen von den<br />
Weiden ein. Diese werden als Brennmaterial verwendet. Anschliessend reinige ich den Hof<br />
<strong>und</strong> wasche sämtliches Küchengeschirr ab. Auch andere Kinder arbeiten auf dem Bauernhof.<br />
Gemeinsam bringen wir am späteren Vormittag das Vieh auf die Weide. Dort hüten wir<br />
die Tiere. Am Abend kommen wir recht spät mit dem Vieh zurück. Wir treiben es in den Stall,<br />
wo wir ihm zu trinken geben. Bevor ich nach H<strong>aus</strong>e gehen kann, muss ich in der Küche noch<br />
beim Kochen helfen.<br />
Abends komme ich so müde nach H<strong>aus</strong>e, dass ich meine Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e <strong>aus</strong> der<br />
Nachbarschaft kaum noch grüssen mag. Ich esse, was mir meine Familie übrig gelassen hat.<br />
Danach gehe ich sofort schlafen, weil ich so schrecklich müde bin.<br />
Jeder Tag ist für mich gleich. Montag, wie Mittwoch, wie Sonntag. Ich habe keine Zeit zum<br />
Spielen. Es bleibt mir keine Zeit um die Schule zu besuchen. Dort bekäme ich sogar gratis<br />
ein Mittagessen, das die Regierung den ärmsten Kindern zur Verfügung stellt.<br />
Ich muss während eines ganzen Jahres bei dieser Bauernfamilie arbeiten, weil sich meine<br />
Eltern dort das wenige Geld <strong>aus</strong>geliehen haben. Als Lohn erhalte ich einmal täglich etwas<br />
von den Essensresten der Familie, das ist alles. Oft werde ich sehr schlecht behandelt <strong>und</strong><br />
geschlagen. Die Leute glauben, ich würde deshalb noch härter <strong>und</strong> noch mehr arbeiten.<br />
Das Schlimmste für mich ist, dass ich mein Elend niemandem erzählen kann.<br />
23
Bild <strong>Fastenopfer</strong><br />
Bild <strong>Fastenopfer</strong><br />
24
Erzählungen <strong>aus</strong> Indien<br />
Das Reiskorn<br />
In einer indischen Stadt herrschte grosse Aufregung, der Rajah<br />
wurde erwartet. Ein Bettler machte sich am frühen Morgen auf<br />
den <strong>Weg</strong>, um die Prozession zu sehen. Viele Leute warteten<br />
bereits am Rand der Strasse, <strong>und</strong> in ihrer frohen Stimmung<br />
warfen sie ihm bereitwillig Hände voll Reis in seinen Korb.<br />
„Sie geben mir Reis“, sagte der Bettler bei sich,<br />
„der Rajah wird mir Gold geben.“<br />
Endlich näherte sich der Erwartete, auf einem riesigen Elefanten<br />
reitend.<br />
„Erbarmt euch meiner“, schrie der Bettler, „schenkt mir was!“<br />
Der Rajah beugte sich herab: „Gebt ihr mir etwas“, sagte er.<br />
Aber was konnte ein armer Bettler einem Rajah schenken?<br />
Ärgerlich <strong>und</strong> enttäuscht pickte der Bettler ein Reiskorn <strong>aus</strong><br />
dem Korb <strong>und</strong> reichte es mit einer bösen Miene<br />
einem Begleiter des Rajah.<br />
Die Prozession war längst vorüber, als der Bettler zufällig in<br />
seinen Korb schaute: Statt der Reiskorns lag ein ebenso grosses<br />
Stück Gold darin.<br />
„Ich Narr“, schrie er. „Warum gab ich ihm nicht alles, was ich<br />
hatte?“<br />
H.L. Gee<br />
25
Indisches Märchen<br />
Das Märchen vom Tempel der t<strong>aus</strong>end Spiegel<br />
Es war einmal ein H<strong>und</strong>. Der hatte gehört, es gäbe einen Tempel der t<strong>aus</strong>end<br />
Spiegel. Darin könne jeder die Wahrheit über sich selbst <strong>und</strong> die Welt erfahren.<br />
Und weil er gerne wissen wollte, wie die Welt in Wahrheit beschaffen sei,<br />
machte er sich auf den <strong>Weg</strong>. Er wusste nicht, was ein Spiegel war <strong>und</strong> wie er<br />
wirkte. Aber er fragte nach dem Tempel <strong>und</strong> endlich fand er ihn. Er war ein<br />
ängstlicher H<strong>und</strong>. Und weil er nicht zeigen wollte, dass er Angst hatte, fletschte<br />
er die Zähne. Und so war das erste, was er sah, als er in den Tempel kam,<br />
ein H<strong>und</strong>, der die Zähne fletschte. Er bekam Angst <strong>und</strong> fing an zu knurren.<br />
Und um ihn herum sah er lauter H<strong>und</strong>e, die knurrten. Er drohte, <strong>und</strong> um ihn<br />
herum drohten lauter H<strong>und</strong>e. Er bekam noch mehr Angst <strong>und</strong> fing an zu bellen.<br />
Und um ihn herum fingen alle H<strong>und</strong>e an zu bellen. Am Schluss lief er vor<br />
lauter Angst <strong>aus</strong> dem Tempel hin<strong>aus</strong> <strong>und</strong> sagte: „Jetzt weiss ich es bestimmt:<br />
Die Welt ist voller böser, bellender H<strong>und</strong>e!“<br />
Es gab einen anderen H<strong>und</strong>. Auch er hatte vom Tempel der t<strong>aus</strong>end Spiegel<br />
gehört, in dem jeder die Wahrheit über sich selbst <strong>und</strong> die Welt erfahren könne.<br />
Er machte sich auf den <strong>Weg</strong>, den Tempel zu suchen, obwohl er nicht<br />
wusste, was ein Spiegel war <strong>und</strong> wie er wirkte. Und endlich fand er ihn. Er war<br />
ein fre<strong>und</strong>licher H<strong>und</strong>. Und deshalb wedelte er mit dem Schwanz, als er den<br />
Tempel betrat. Und das erste, was er sah, war ein H<strong>und</strong>, der ihn fre<strong>und</strong>lich mit<br />
dem Schwanz anwedelte. Der H<strong>und</strong> freute sich <strong>und</strong> sprang in die Höhe. Und<br />
um ihn herum sprangen lauter H<strong>und</strong>e vor Freude in die Höhe. Der H<strong>und</strong> hob<br />
seine Pfoten hoch, <strong>und</strong> alle H<strong>und</strong>e hoben die Pfoten hoch, <strong>und</strong> es schien ihm,<br />
als grüssten sie ihn. Er fing an, mit den H<strong>und</strong>en zu spielen, <strong>und</strong> alle spielten<br />
mit, <strong>und</strong> es wurde ihm immer glücklicher ums Herz. Und als er genug gespielt<br />
hatte, lief er freudig zum Tempel hin<strong>aus</strong> <strong>und</strong> sagte: „Jetzt weiss ich bestimmt:<br />
die Welt ist voller kleiner, fre<strong>und</strong>licher H<strong>und</strong>e!“<br />
26
Gebete <strong>aus</strong> Indien<br />
Besinnung<br />
Sollten deine Füsse noch immer auf meinen Händen stehen, so mach du den ersten Schritt.<br />
Subhadra, indische Dichterin<br />
Er verschafft den Waisen <strong>und</strong> Witwen ihr Recht.<br />
Er liebt die Fremden <strong>und</strong> gibt ihnen Nahrung <strong>und</strong> Kleidung –<br />
auch ihr sollt die Fremden lieben,<br />
denn ihr seid Fremde in Ägypten gewesen.<br />
Deuteronomium 10, 18 <strong>und</strong> 19<br />
Wert des guten Verhaltens<br />
Wer sich gut verhält, hat nichts zu bereuen.<br />
Wer nichts zu bereuen hat, erfährt Freude.<br />
Wer Freude erfährt,<br />
dem lösen sich die körperlichen Spannungen.<br />
Wer körperlich entspannt ist, der ruht in sich.<br />
Wer in sich ruht, findet leicht in die Sammlung.<br />
Wer in der Sammlung geübt ist,<br />
sieht die Dinge so, wie sie wirklich sind,<br />
Wer die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind,<br />
den reizen sie immer weniger.<br />
Wer immer weniger Reiz an den Dingen der Welt findet,<br />
dessen Geist wird frei von den Dingen der Welt,<br />
der lebt im Glück der Stille.<br />
Gotama Buddha<br />
Das Gedicht entstammt der Publikation: Gotama Buddha.<br />
Mein <strong>Weg</strong> zum Erwachen, Benziger Verlag, Zürich/Düsseldorf 1996<br />
Es gibt so viele<br />
hungernde Menschen<br />
in der Welt,<br />
dass Gott<br />
nur in Form<br />
von Nahrung<br />
zu ihnen kommen kann.<br />
Mahatma Gandhi<br />
27
Bild <strong>Fastenopfer</strong><br />
Bild <strong>Fastenopfer</strong><br />
28
Rezepte <strong>aus</strong> Indien<br />
Chapati (Indisch)<br />
Zutaten für 6-8 Personen<br />
500 g Weissmehl (oder Chapatimehl) 3 dl heisses Wasser<br />
1 Teelöffel Salz 2 Esslöffel Milch<br />
1 Esslöffel Ghee (kann ersetzt werden durch Butterschmalz oder Kochbutter)<br />
Mehl <strong>und</strong> Salz in einer Masse mischen. Ghee dazu geben <strong>und</strong> mit den Händen verreiben bis die Masse<br />
krümelig ist. Das heisse Wasser mit der Milch vermischen. Einen Teil des Wassers zum Mehl giessen<br />
<strong>und</strong> mischen, bis sich das Mehl zu einem Stück verbindet. Dann nach <strong>und</strong> nach das restliche<br />
Wasser hinzugeben, bis der Teig weich <strong>und</strong> elastisch wird. In einer Schüssel zugedeckt bei Zimmertemperatur<br />
während 30 Min. ruhen lassen.<br />
Den Teig nochmals kneten <strong>und</strong> dann in 2 Stücke teilen. Jede Hälfte zu einer Rolle formen <strong>und</strong> diese in<br />
12 gleiche Teile schneiden. Dar<strong>aus</strong> Bällchen formen. Die Teigkugeln auf einem bemehlten Brett einzeln<br />
r<strong>und</strong> <strong>aus</strong>wallen. Die Fladen mit Ghee einpinseln <strong>und</strong> einmal falten. Wieder mit Ghee einpinseln<br />
<strong>und</strong> erneut falten. Dies einige Male wiederholen, so dass am Schluss ein Dreieck entsteht. Den Teig<br />
dazwischen immer wieder mit Mehl bestäuben.<br />
Die Bratpfanne bei mittlerer Hitze warm werden lassen. Mit etwas Ghee einpinseln. Dann die Chapati<br />
nacheinander in die Pfanne legen <strong>und</strong> bei mittlerer Hitze etwa 1 min braten. Die Oberfläche mit Ghee<br />
einpinseln, wenden <strong>und</strong> die andere Seite ebenfalls etwa 1 min braten. Den Fladen nochmals wenden.<br />
Sie sind fertig, wenn beide Seiten goldbraun sind.<br />
Tipps<br />
Das Formen des Teiges ist relativ aufwendig. Der Ablauf ist aber genau zu befolgen, weil das Brot<br />
sonst nicht die besondere Blätterteigart von Original-Chapati bekommt.<br />
Naan (Indisch)<br />
Zutaten für 6-8 Personen<br />
500 g Vollkornmehl ca. 2 Teelöffel Öl<br />
Salz<br />
2 - 2,5 dl lauwarmes Wasser<br />
Alle Zutaten mischen <strong>und</strong> einen Teig bereiten. Den Teig zu Fladen formen <strong>und</strong> backen.<br />
Linsensuppe nach indischer Art<br />
Zutaten für 8 Portionen, Zubereitungszeit ca. 1 Std.<br />
200 g kleine rote Linsen 2 Esslöffel Öl<br />
2 Zwiebeln 3-4 Esslöffel Curry<br />
5 Zehen Knoblauch Salz<br />
300 g Spinat (Tiefkühlspinat, angetaut) 1 Gemüsesuppen-Würfel<br />
1 unbehandelte Zitrone<br />
Linsen waschen (rote Linsen braucht man vor dem Kochen nicht einzuweichen), abtropfen lassen <strong>und</strong><br />
in ca. 1 l Wasser zum Kochen bringen. Evtl. aufsteigenden Schaum mit einem Siebschöpfer entfernen.<br />
Linsen zugedeckt ca. 20 Min. weichkochen, Zwiebel <strong>und</strong> Knoblauch fein hacken.<br />
Zwiebel <strong>und</strong> Knoblauch in Öl goldbraun rösten. Curry zugeben <strong>und</strong> unter Rühren kurz mitrösten. Diese<br />
Mischung in die Suppe einrühren <strong>und</strong> mit Suppenwürfel <strong>und</strong> ¼ geriebener Zitronenschale würzen.<br />
Suppe zugedeckt ca. 15 Min. köcheln. Die Linsen sollen so weich sein, dass sie ein wenig zerfallen.<br />
Angetauten Spinat ein wenig <strong>aus</strong>drücken, grob zerschneiden, in die Linsensuppe rühren <strong>und</strong> erwärmen.<br />
Suppe mit Salz <strong>und</strong> Zitronensaft würzen. Als zusätzliche Einlage kann man Naturreis verwenden<br />
<strong>und</strong> ein Schälchen mit Joghurt auf den Tisch stellen, von dem sich jeder nach Belieben in die Suppe<br />
gibt.<br />
Statt Spinat kann man auch Kartoffel-, Rüebli-, Selleriewürfel <strong>und</strong> Tomatenstückchen in der Linsensuppe<br />
mitkochen. Dann eignet sich die Suppe auch zum Aufkochen.<br />
29
Indische Erbsensuppe<br />
1 EL Bratbutter/Butterschmalz 6 dl Gemüsebrühe<br />
200 g <strong>aus</strong>gelöste grüne Erbsen 1 dl/100 g Schlagrahm/-sahne<br />
50 g geriebene Mandeln Meersalz<br />
2 TL Pfeilwurzelmehl Pfeffer <strong>aus</strong> der Mühle<br />
½ TL milder Curry<br />
2 EL fein gehackte Petersilie<br />
Wenig scharfer Curry<br />
2 EL geröstete Mandelblättchen<br />
1 Prise Paprikapulver Einige Pfefferminzblättchen<br />
1. Die Erbsen in der Butter kurz andünsten, Mandeln, Pfeilwurzelmehl <strong>und</strong> Curry unterrühren,<br />
die Gemüsebrühe angiessen, aufkochen, bei schwacher Hitze 10 Minuten köcheln<br />
lassen. Die Suppe pürieren.<br />
2. Die Suppe mit dem Rahm aufkochen, je nach Konsistenz mit Gemüsebrühe verdünnen,<br />
mit Salz <strong>und</strong> Pfeffer abschmecken.<br />
3. Die Erbsensuppe in vorgewärmten Tellern anrichten. Die gerösteten Mandelblättchen<br />
<strong>und</strong> die Petersilie darüber streuen.<br />
Indisches Gemüse-Curry<br />
2 TL Margarine oder Butter<br />
2 Zwiebeln, fein gehackt<br />
3 Knoblauchzehen, fein gehackt<br />
1 EL frischer Ingwer, geschält, fein gerieben<br />
oder gehackt<br />
1-2 EL scharfer Curry<br />
½ Zimtstange<br />
1 Lorbeerblatt<br />
100 g Bohnen<br />
300 g Kartoffeln<br />
1 kleine Aubergine<br />
1 kleiner Blumenkohl (ca. 400 g)<br />
3 dl Wasser<br />
1 TL Salz<br />
2 feste Tomaten, geschält<br />
1 Joghurt nature (180 g)<br />
In einer Pfanne warm werden lassen<br />
Alles zugeben, gut andämpfen<br />
Alles zugeben, kurz dünsten<br />
In 2 cm lange Stücke schneiden<br />
In Würfel schneiden<br />
Längs halbieren, dann in Würfel schneiden<br />
In kleine Röschen teilen, Strunk evtl. in<br />
Scheibchen schneiden, alles zum Curry geben,<br />
gut mischen<br />
Zugeben, Curry zugedeckt auf kleinem Feuer<br />
ca. 20 Minuten köcheln<br />
In Würfel schneiden, beigeben<br />
Zuletzt darunter rühren<br />
Tipps:<br />
- Zusammen mit Reis bildet dieses Gericht eine vollständige Mahlzeit<br />
- Anderes geeignetes Gemüse: Erbsli, Rüebli, Zucchini; statt Tomaten eine kleine Dose<br />
Pelati (ca. 400 g) verwenden<br />
- An Stelle von Joghurt 1 Becher Blanc battu (O%, 200 g) verwenden<br />
Das Rezept ist für 4 Personen berechnet<br />
30
Auberginen-Curry<br />
4 EL Bratbutter/Butterschmalz<br />
2 mittelgrosse Zwiebeln, fein gehackt<br />
2 EL Madras-Curry<br />
1 Kg Auberginen, in 2 cm grossen Würfeln<br />
4 dl Gemüsebrühe<br />
100 g Rosinen<br />
2 Knoblauchzehen, in Scheiben<br />
4 geschälte Tomaten, klein gewürfelt<br />
1 EL geriebener Ingwer<br />
1 unbehandelte Zitrone, abgeriebene Schale<br />
1 Becher (180 g) Naturjogurt<br />
½ B<strong>und</strong> Koriander, grob gehackt<br />
Meersalz<br />
Frisch gemahlener schwarzer Pfeffer<br />
4 EL geröstete Kürbis- oder Sonneblumenkerne<br />
1. Zwiebeln mit Curry in der heissen Bratbutter in einem Topf glasig dünsten. Auberginen<br />
zugeben, bei mittlerer Hitze unter gelegentlichem Rühren etwa 5 Minuten mitdünsten, bis alles<br />
hellbraun ist. Gemüsebrühe angiessen, Rosinen, Knoblauch, Tomaten, Ingwer <strong>und</strong> Zitronenschale<br />
zugeben, bei schwacher Hitze 10 Minuten kochen.<br />
2. Den Topf von der Wärmequelle nehmen, Jogurt <strong>und</strong> Koriander unterrühren, mit Salz <strong>und</strong><br />
Pfeffer abschmecken, mit Kürbiskernen bestreuen.<br />
Tipps:<br />
Mit Basmatireis oder einem indischen Fladenbrot servieren. Noch feiner wird der Eintopf, wenn<br />
Curryblätter (indisches Spezialitätengeschäft) mit den Rosinen zugegeben werden.<br />
Rote Linsen mit Kokosnuss<br />
4 EL Bratbutter/Butterschmalz<br />
3 entkernte rote Chilischoten, fein gehackt<br />
2 Knoblauchzehen, fein gehackt<br />
1 Zwiebel, fein gehackt<br />
1 TL Kurkuma/Gelbwurz<br />
1 TL edelsüsses Paprikapulver<br />
1,2 l Wasser<br />
300 g rote Linsen<br />
2 Lorbeerblätter<br />
200 g Kokosnussfleisch<br />
1 grosse Prise Zucker<br />
Salz<br />
1. Die Kokosnussschale kann mühelos aufgebrochen werden, wenn man die ganze Nuss für<br />
etwa 15 Minuten in den Tiefkühler legt. Dann die Nuss auf ein Blech legen <strong>und</strong> in den auf<br />
250° C vorgeheizten Backofen schieben. Sobald die Schale Risse hat, die Nuss her<strong>aus</strong>nehmen,<br />
abkühlen lassen <strong>und</strong> aufbrechen. Fruchtfleisch her<strong>aus</strong>lösen, auf Röstiraffel/Gemüsehobel<br />
raspeln.<br />
2. Chili, Knoblauch sowie Zwiebeln in einem Topf in der heissen Bratbutter andünsten, Kurkuma<br />
<strong>und</strong> Paprika mitdünsten, Wasser aufgiessen, aufkochen. Rote Linsen <strong>und</strong> Lorbeerblätter zufügen,<br />
bei schwacher Hitze garen, bis die Linsen weich sind, aber noch Biss haben. Die Lorbeerblätter<br />
entfernen. Das Kokosnussfleisch untermischen, mit Zucker <strong>und</strong> Salz abschmecken.<br />
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Gemischter Gemüse-Curry<br />
400 g Kartoffeln<br />
400 g Blumenkohl<br />
400 g Bohnen<br />
400 g Tomaten<br />
(es können auch Saison-Gemüse verwendet werden)<br />
400 g Zwiebeln<br />
2 EL Curry<br />
2 EL Koriander<br />
1 TL Turmeric<br />
1 Messerspitze Chili<br />
1 Messerspitze Knoblauchpulver<br />
6 Nelken, 6 Lorbeerblätter<br />
Salz<br />
Die geschnittenen Zwiebeln dünsten <strong>und</strong> die in Stücke gechnittenen Gemüse beifügen <strong>und</strong><br />
mitdünsten. Alle Gewürze beigeben <strong>und</strong> einige Minuten weiterdünsten. Mit 2 dl Wasser ablöschen<br />
<strong>und</strong> kochen bis das Gemüse gar ist.<br />
Kartoffel-Curry<br />
1 Kg Kartoffeln<br />
400 g Zwiebeln<br />
4 EL Curry<br />
1 TL Turmeric<br />
1 Messerspitze Chili<br />
1 Messerspitze Knoblauchpulver<br />
4 Nelken, 4 Lorbeerblätter<br />
Salz<br />
Die geschnittenen Zwiebeln dämpfen <strong>und</strong> die geschälten, in Würfel geschnittenen Kartoffeln<br />
beigeben. Alle Gewürze beifügen <strong>und</strong> mit ca. 3 dl Wasser ablöschen. Die Kartoffeln weichkochen.<br />
Dieses Gericht schmeckt sehr gut mit Reis oder mit Puris. Es kann auch als Füllung<br />
für Samosas verwendet werden.<br />
32