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KTM 1190 RC 8 R - Moto Sport Schweiz

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16 TECHNIK<br />

<strong>KTM</strong> <strong>1190</strong> <strong>RC</strong> 8 R<br />

Die scharfe Schwest<br />

Fahrbericht Mit der R-Version der <strong>RC</strong> 8 bringt <strong>KTM</strong> das Basis-Bike für die<br />

Rennstreckenfreaks und den Einsatz in den Kategorien Superstock und<br />

Superbike. Wir fuhren sie in Portimão. Text: Markus Schmid Bilder: Montero, Barbanti, Redeye<br />

Zierlicher wirkt die neue <strong>KTM</strong> <strong>1190</strong><br />

<strong>RC</strong> 8 R in ihrer mattschwarzen<br />

Verkleidung im Vergleich zu der<br />

letzten März (MSS 5/08) vorgestellten<br />

Basisversion. Ein Effekt der weissen<br />

Startnummernfelder an der Front<br />

und der weissen seitlichen Auspuffabdeckungen,<br />

Elemente, welche die<br />

grossen Flächen auflösen. Gleichzeitig<br />

erscheint sie noch kantiger, wirkt optisch<br />

frontlastiger. Die schwarze Masse<br />

aus Seitenverkleidung, Tank, Sitzbank<br />

und anthrazitfarbenem V2-<strong>Moto</strong>r<br />

stemmt sich aufs Vorderrad. Minimalistisch<br />

verbinden wenige orangefarbene<br />

Stahlrohre die schwarze Alu-Schwinge<br />

mit <strong>Moto</strong>r und Fahrzeugfront, während<br />

sich das Heck weiss und leicht in die<br />

Höhe reckt: Angriff, Gaaas! Politisch<br />

unkorrekt und megascharf schon in<br />

der Boxengasse.<br />

Scharf im Sinn von kantig war die<br />

<strong>RC</strong> 8 schon immer. Die Kante, der Zacken,<br />

das Dreieck ist zentrales Element<br />

der Formensprache von <strong>KTM</strong>-Designer<br />

Gerald Kiska. Aber diese R-Version ist<br />

eine klare Steigerung. Nur: Ist sie auch<br />

draussen auf der Piste so viel schärfer<br />

als ihre normale Schwester? Deren<br />

Fahrdynamik erschien mir ja damals<br />

fast perfekt. Nur das hakelig zu schaltende<br />

Getriebe, das oft zwischen den<br />

Gängen in einer nicht vorgesehenen<br />

«Null» hängen blieb, die ruppige Gasannahme<br />

sowie ein nervöses Fahrverhalten<br />

bei zu hoch eingestelltem Heck<br />

in Kombination mit einem Vorderpneu<br />

mit harter und spitzer Karkasse trübten<br />

die Freude etwas.<br />

Im Moment lässt sich zur praktischen<br />

Seite dieser Fragen nichts herausfinden,<br />

denn über den spektakulären<br />

Berg-und-Tal-Circuit von Portimão<br />

(P) entleeren pechschwarze Wolken<br />

ihre Regenlast, die Asphalttemperatur<br />

beträgt nicht einmal 10 Grad. Nicht<br />

gerade die idealen Bedingungen, um<br />

mit den Pirelli Supercorsa in knackige<br />

Schräglagen zu tauchen.<br />

Die Technik<br />

Zeit, um auf der theoretisch-technischen<br />

Seite schon mal zu klären,<br />

was sich bei der serienmässigen, na-<br />

1 Mehr Dampf, Schaltung und<br />

Fahrwerk optimiert: mehr Lust!<br />

2 Auf nassem Belag wünscht<br />

sich jeder den progressiven<br />

Gasgriff für weichen<br />

Leistungseinsatz<br />

3 Cockpit mit dem von der <strong>RC</strong> 8<br />

bekannten Multifunktionsdisplay,<br />

Lenkungsdämpfer von WP.<br />

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4/2009 MOTO SPORT SCHWEIZ WWW.MOTOSPORT.CH<br />

17<br />

ter<br />

Dieses Bild auf Ihr Handy: MSSFOTO 3135 an 919 (Fr. 2.40/SMS)<br />

1<br />

AUF EINEN BLICK<br />

<strong>KTM</strong> <strong>1190</strong> <strong>RC</strong> 8 R<br />

In der Stadt<br />

Auf grosser Tour<br />

<strong>Sport</strong>lich fahren<br />

Zu zweit unterwegs<br />

Emotionen<br />

Markus Schmid,<br />

Testteam, liebt es<br />

rau und laut.<br />

Fazit<br />

★★★★★<br />

★★★★★<br />

★★★★★<br />

★★★★★<br />

★★★★★<br />

Man spürt der <strong>RC</strong> 8 R an, wozu sie<br />

gebaut wurde: als reine Racer-Basisversion.<br />

Deshalb auch die umfassenden<br />

Setup-Möglichkeiten an<br />

Fahrwerk und Sitzposition. Sie kann<br />

vieles eindeutig besser als die normale<br />

<strong>RC</strong> 8, was den Preis rechtfertigt.<br />

gelneuen, ungetunten <strong>RC</strong> 8 R direkt<br />

aus der Kiste gegenüber der normalen<br />

<strong>RC</strong> 8 geändert hat. Wenig – und doch<br />

Grundlegendes, da man nicht nur zum<br />

Spass die R racingtauglicher machte.<br />

Mit Stefan Nebel, dem Entwicklungsfahrer<br />

2008 und dreifachen Meister der<br />

IDM-Superbike (2002, 2003, 2005), und<br />

Didier Van Keymeulen, dem 14. der<br />

Supersport-WM 2008, schickt <strong>KTM</strong><br />

2009 ein Zweimannteam in das Haifischbecken<br />

der Superbike-IDM. Also<br />

musste unbedingt die konstruktive Basis<br />

geschaffen werden, um dem steifen<br />

Gegenwind dort genügen zu können<br />

und beim Fahrwerk den richtigen Einstellungsspielraum<br />

zu haben.<br />

Beginnen wir beim Antrieb. Der Gesamthubraum<br />

des 62,1 kg wiegenden<br />

V-Twin mit 75-Grad-Zylinderwinkel<br />

wurde durch Vergrössern der Bohrung<br />

um 2 mm auf 1195 cm 3 erhöht. Damit<br />

schöpft man das Superbike-Hubraumlimit<br />

fast komplett aus. Das geht ohne<br />

Änderungen an Gehäuse und Zylinderrohlingen,<br />

den zusätzlichen Millimeter<br />

Bohrungsradius holt man auf Kosten<br />

der dicken Zylinderwand. Der Kurbeltrieb<br />

bleibt gleich, die Welle wird<br />

nur in der Wuchtung den schwereren<br />

Kolben angepasst. Zylinderkopf und<br />

Ventile bleiben exakt gleich, die Kanäle<br />

werden aber alle von Hand hinter den<br />

Ventilsitzen nachgefräst. Ein Schuft,<br />

wer Schlechtes dabei denkt: Das Superstock-Reglement<br />

verbietet eine<br />

solche nachträgliche Bearbeitung zu<br />

Tuningzwecken, aber wenn die Spuren<br />

an jedem Original ab Werk schon vorhanden<br />

sind – wer will dann da noch<br />

etwas nachweisen?<br />

Neu sind Nockenwellen mit gleichem<br />

Hub, aber etwas längeren Steuerzeiten<br />

(Einlass plus 9°, Auslass plus 12°) für<br />

grössere Ventilüberschneidungen. Zusätzlich<br />

können die Nockenwellen mit<br />

ihren in Langlöchern verschraubten<br />

Zahnrädern noch weiter in Richtung<br />

Überschneidung eingestellt<br />

werden. Sinnvoll ist<br />

dies laut dem Chefentwickler<br />

für die <strong>Moto</strong>ren<br />

der Strassenmodelle,<br />

Louis Genser, in einem<br />

Bereich von maximal drei<br />

Grad. Logischerweise<br />

brauchts dazu den Spezialisten,<br />

nicht den Doit-yourself-Bastler.<br />

Auch ganz neu ist der<br />

niedrigere und deshalb<br />

trotz grösserem Durchmesser<br />

inklusive Ringen<br />

nur 45 g schwerere Dreiring-Kastenkolben,<br />

der auf dem Kolbenboden im<br />

Zentrum einen leichten Dom trägt.<br />

Dieser hilft, das Verdichtungsverhältnis<br />

von den 12,5 : 1 der Normal-<strong>RC</strong> 8 auf die<br />

STICHWORT<br />

WÄRMETAUSCHER<br />

nennt man einen Ölkühler,<br />

in dem überschüssige<br />

<strong>Moto</strong>rabwärme nicht an<br />

die Luft, sondern an den<br />

Kühlwasserkreislauf abgegeben<br />

wird, indem<br />

dessen Leitungen um die<br />

Öl führenden Kanäle gelegt<br />

sind. Die Öltemperatur<br />

bleibt so konstanter.<br />

13,5 : 1 der R zu hieven. Mittels der im<br />

Club-Racing-Kit enthaltenen 2 /10 mm<br />

dünneren Zylinderkopfdichtung langt<br />

man sogar bei richtig hohen 14,2 : 1 an.<br />

Zusammen mit der bei der R um 250/<br />

min auf 10 250/min erhöhten Nenndrehzahl<br />

ergibt das serienmässig 170<br />

PS bzw 180 PS und 138 Nm in Club-<br />

Racing-Form. Die Tuningstufe Superstock<br />

soll mit peniblem <strong>Moto</strong>raufbau<br />

im Werk und mit Massnahmen zur<br />

Reduktion der inneren Reibung für<br />

190 PS gut sein.<br />

Um die im Rennbetrieb auftretende,<br />

zusätzliche <strong>Moto</strong>rabwärme abzuführen,<br />

hat das Wasserpumpenrad eine<br />

effizientere Form erhalten, und der<br />

Wärmetauscher ist auf das doppelte<br />

Volumen angewachsen. Das bedeutet<br />

doppelte Kapazität, was jeder schätzt,<br />

dem schon einmal an einem heissen<br />

Sommertag in der Startaufstellung<br />

bei laufendem <strong>Moto</strong>r das Kühlsystem<br />

übergelaufen ist!<br />

Natürlich bestand akuter Handlungsbedarf<br />

beim Getriebe aus eingangs<br />

erwähnten Gründen. Man<br />

tauschte den Schaltstern,<br />

der bisher eigentlich<br />

ein Sechseck mit halbrunden<br />

Ausfräsungen in<br />

den Ecken war, gedacht<br />

für das Einrasten der<br />

Gänge. Wer nicht präzise<br />

schaltete, «parkierte» die<br />

Schaltwalze in einer Position<br />

irgendwo auf der<br />

Fläche zwischen zwei<br />

solchen Kuhlen im «Niemandsland».<br />

Das soll mit<br />

der jetzigen Sternform<br />

gar nicht mehr möglich<br />

sein, der Gang sei immer bombensicher<br />

drin. Davon profitieren auch<br />

Normal-<strong>RC</strong> 8-Kunden: Wer mit seiner<br />

Schaltbox nicht glücklich ist, erhält<br />

laut Genser den Schaltstern gewech-<br />

2 3<br />

04_MSSD_017_Techn 17 13.02.2009 13:27:24


18 TECHNIK<br />

➥<br />

1<br />

2<br />

<strong>KTM</strong> <strong>1190</strong> <strong>RC</strong> 8 R<br />

1 Ein progressiv wirkender Gasgriff<br />

verhilft zu sanftem Leistungseinsatz,<br />

der Wechsel dauert 5 Minuten. Der<br />

Bremshebel bietet dank Stellschraube<br />

einen riesigen Einstellbereich.<br />

2 Topware, Topleistung: Brembo-<br />

«Monoblocs», 320er-Scheiben BILD: WERK<br />

3 Neuer Schaltstern mit Spitzen, auf<br />

denen es keine Neutralposition gibt.<br />

Die richtige «Null» wird von der runden<br />

Ausfräsung der fehlenden Spitze<br />

im Vordergrund fixiert. BILD: SCHMID<br />

Ins_Skd_Room_MSD_[de]_215x148.qxp 4.2.2009 16:59 Uhr Seite 1<br />

selt. Weiter wurde die Geometrie der<br />

Schaltklauen kürzer gewählt, sodass<br />

auch diese leichter einrasten.<br />

Jetzt zum Fahrwerk. 6 mm geringerer<br />

Gabelversatz ergeben 6 mm<br />

mehr Nachlauf. Das ist im Hinblick<br />

auf den Superbike-Einsatz gut für<br />

die Stabilität. Gleichzeitig sorgen ein<br />

5 mm kürzerer Radstand<br />

und die gegenüber den<br />

Normal-<strong>RC</strong> 8-Gussrädern<br />

insgesamt über 1 kg leichteren,<br />

geschmiedeten<br />

Alu-Felgen von Marchesini<br />

für flinkes<br />

Handling. Der<br />

Verstellbereich<br />

der Heckhöhe am<br />

Exzenter beträgt jetzt<br />

nicht mehr total 5 mm,<br />

sondern 9 mm. Die Maximalhöhe<br />

blieb dabei gleich,<br />

der zusätzliche Bereich dient der 3<br />

Absenkung. Auch dies eine stabilitätsfördernde<br />

Massnahme. Dazu gibts<br />

natürlich hochwertigere, penibel und<br />

straffer abgestimmte Federelemente.<br />

Die Innenrohre der Telegabel sind für<br />

besonders feines Ansprechen TiN-beschichtet.<br />

Fahren: Gutmütige Front<br />

Die Strecke ist zwar noch nass, aber<br />

der Regen hat immerhin aufgehört. Die<br />

Maschinen sind alle gleich abgestimmt.<br />

Die Dämpfung der WP-Telegabel ist von<br />

der Standardabstimmung weg (diese<br />

ist praktischerweise serienmässig mittels<br />

Aufkleber unter dem Sitzpolster verewigt)<br />

je zwei Klicks zugedreht. Hinten<br />

ist die Vorspannung am Federbein um<br />

eine Umdrehung erhöht, der Exzenter<br />

für die Heckhöhe steht auf<br />

Mitte, die Highspeed-<br />

Dämpfung ist eine<br />

Viertelumdrehung,<br />

Lowspeed und<br />

Auswärtsdämpfung<br />

je zwei Klicks<br />

mehr zugedreht.<br />

Alles andere ist<br />

Standard. Rasten<br />

und Sitzbank sind<br />

in der oberen Position,<br />

2 cm höher,<br />

verschraubt.<br />

Nach dem Dreh am Zündschlüssel<br />

und der Zweisekundenpause, in<br />

der sich die Elektronik mit allen an<br />

Bord anwesenden Informationszulieferern<br />

bekannt macht, rappelt der<br />

V2 auf Knopfdruck hör- und fühlbar<br />

im typischen V2-Rrra-ra-ra-ra los. Die<br />

Vibrationen sind hier wie in jedem<br />

Drehzahlbereich immer fühlbar, aber<br />

nie störend – und, da jetzt keine Rückspiegel<br />

montiert sind, auch nicht von<br />

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04_MSSD_018_Techn 18 13.02.2009 13:27:29


4/2009 <strong>Moto</strong> sport schweiz www.motosport.ch<br />

19<br />

1<br />

Auge nachzuvollziehen. Raus auf die<br />

Strecke! Der Gang rastet, die Kupplung<br />

mit den stärkeren Federn ist immer<br />

noch leichtgängig genug. Beim Beschleunigen<br />

wird aus dem Rappeln<br />

erst ein tiefes Knurren. Dieses geht ab<br />

8000/min in ein hämmerndes Stakkato<br />

über, das der Drehzahlbegrenzer erst<br />

bei 10 700/min einbremst, indem er einen<br />

Zylinder abschaltet. Wer weiter am<br />

Gas bleibt, fährt bei 11 000/min sanft<br />

gegen die imaginäre Gummimatte.<br />

Die Leistungskurve ist genau wie bei<br />

der Normalversion völlig linear, die<br />

Mehrleistung ist oben deutlich fühlbar,<br />

der V2 zieht mit enormem Punch bis<br />

zur Maximalleistung bei 10 250/min<br />

und drüber. Aber Überdrehen macht<br />

null Sinn, wer hier schaltet, dem liefert<br />

der Achtventiler im nächsten Gang<br />

optimales Drehmoment.<br />

Apropos Schaltung: Während insgesamt<br />

drei Stunden Fahrzeit auf nasser,<br />

abtrocknender und trockener Piste<br />

sitzt jeder Gang immer bombensicher<br />

und glasklar, mit oder ohne Kupplung,<br />

egal wie geschaltet wird. Nicht ein<br />

Verschalter! Die Getriebemodifikation<br />

funktioniert, ein riesiger, aber auch<br />

notwendiger Fortschritt!<br />

Jetzt zum Ansprechverhalten. Auf<br />

nasser, kalter Strecke rutscht besonders<br />

das Heck bei mittleren Schräglagen<br />

rum. Scheissgrip, aber um das Einsetzen<br />

der elektronischen Einspritzung<br />

zu beurteilen, ists gerade recht.<br />

Sie stammt inklusive deren gesamter<br />

Hardware mitsamt Doppeldrosselklappen<br />

und Solo-Düse pro Zylinder aus<br />

der <strong>RC</strong> 8, nur die Abstimmung wurde<br />

optimiert. Mag sein, so viel besser erscheint<br />

sie mir nicht. Wer den V2 in<br />

Schräglage fein ans Gas nehmen will,<br />

tut gut daran, ein feines Händchen<br />

zu führen. Der erste Schlag ist zwar<br />

im Trockenen leicht zu kontrollieren,<br />

bei Nässe ist die Anlage aber nicht über<br />

alle Zweifel erhaben.<br />

Doch <strong>KTM</strong> selbst hält im Club-Racing-Kit<br />

eine in ihrer Einfachheit bestechende<br />

Lösung des Problems bereit.<br />

Dort gibts einen progressiven Gasgriff,<br />

der über einen zunächst kleinen, dann<br />

grösser werdenden Radius das Gaskabel<br />

aufrollt. Der Trick funktioniert blendend:<br />

Der erste Schlag ist eliminiert,<br />

der Weg am Gasgriff fühlt sich trotzdem<br />

nicht merklich länger an, ab Halboffen<br />

ist der Weg bis Vollgas kurz genug. Ich<br />

würde die R gleich von Beginn weg mit<br />

diesem Teil ordern.<br />

Die Front fühlt sich auf der nassen<br />

Bahn in jeder Phase vertrauenerweckend<br />

an, bleibt stabil auf dem eingeschlagenen<br />

Radius auch in den engeren<br />

Zweitgangkurven, egal ob bergauf oder<br />

bergab. Nur das Hinterrad ist ständig<br />

am Zucken und Rutschen, aber das<br />

liegt am Reifen, das Heck selbst reagiert<br />

nicht übernervös.<br />

Auf trockenem Belag verändert<br />

sich das Bild. Bei harten Beschleunigungen<br />

wird die R vorne leicht, hebt<br />

über die «Sprunghügel» von Portimão<br />

vorne regelmässig ab und schüttelt das<br />

Haupt, wenn du noch Zug am Lenker<br />

ausübst. Jetzt braucht sie den Lenkungsdämpfer!<br />

Noch etwas wird klar:<br />

Hinten steckt die straffe Dämpfung<br />

zwar Wellen in Schräglage gut weg,<br />

das Heck wird aber beim Anbremsen<br />

bergab oder über Kuppen sehr leicht<br />

und fängt bereits an zu tänzeln, wenn<br />

es am Exzenter auch nur auf mittlere<br />

Höhe angehoben ist. Mit anderen Worten:<br />

Du hast zwar genügend Spielraum<br />

fürs individuelle Rennstrecken-Setup<br />

in Richtung Handlichkeit, die Stabilisierungsmassnahmen<br />

am Fahrwerk<br />

waren aber vonnöten.<br />

Am Ende der Trockenphase dann<br />

der dritte Effekt: Wegen des zu kalten<br />

Belages reissen die Pirelli Supercorsa<br />

schon nach wenigen Runden vorne<br />

und hinten auf, danach beginnt die<br />

Rutschpartie auf Gummis, deren Flanken<br />

aussehen wie ein Flokati-Teppich.<br />

Erstaunlich nur: Die R schiebt zwar<br />

2<br />

1 R-typisch: durch Langlöcher<br />

verschraubte und damit verstellbare<br />

Nockenwellenzahnräder, optimierter<br />

rund verstärkter Kastenkolben, Stahlpleuel<br />

oben angeschrägt. Bild: Schmid<br />

2 Natürlich kommt die R mit Spiegeln,<br />

Blinkern und Kennzeichenträger.<br />

3 Ohne Seitenverkleidung und Tank:<br />

riesige Airbox, Konzentration der<br />

Massen mit dem Auspuff unter dem<br />

<strong>Moto</strong>r. BildER: WERk<br />

3 FRAGEN AN<br />

Louis Genser,<br />

<strong>Moto</strong>ren-ChefteChniker<br />

1 Reduziert das Aufbohren der Zylinder<br />

nicht die Zuverlässigkeit?<br />

Überhaupt nicht, wir haben uns bei der<br />

konstruktion der normalen Rc 8 schon<br />

was gedacht und nicht nur da, sondern<br />

überall wo nötig Reserven eingebaut.<br />

2 Ist das Bearbeiten der Übergänge<br />

in den Kanälen von Hand nicht teuer?<br />

Schon, aber auch da haben wir uns was<br />

gedacht dabei …<br />

3 Jetzt, wo es ein Supersport-ABS<br />

gibt, müsst ihr da nicht nachziehen?<br />

Wir observieren die direkte konkurrenz.<br />

Wenn die so was bringen, ziehen wir<br />

nach, nicht vorher. Und das Bremsen in<br />

kurven im Regelbereich ist nicht gelöst.<br />

3<br />

04_MSSD_019_Techn 19 13.02.2009 13:27:34


faszinierend!<br />

’09<br />

NEW<br />

YZF-R1<br />

XJ6 Diversion ABS<br />

XJ6 ABS<br />

WR 250 X/R<br />

WR 125 R/X<br />

YBR 250<br />

Neo‘s 50/50 4T<br />

VMax<br />

XVS 950 Midnight Star<br />

04_MSSD_020_Inser 20 16.02.2009 09:27:14


TECHNIK<br />

4/2009 MOTO SPORT SCHWEIZ WWW.MOTOSPORT.CH 21<br />

➥ <strong>KTM</strong> <strong>1190</strong> <strong>RC</strong> 8 R<br />

beim Einlenken hinten<br />

und vorne deutlich bis<br />

zum Scheitelpunkt, und ihr<br />

Hintern schwenkt ebenso<br />

deutlich nach aussen<br />

beim Beschleunigen,<br />

aber alles ist easy kontrollierbar<br />

und transparent,<br />

keine Reaktion kommt<br />

unangemeldet oder hart.<br />

Die für wilde Stunden<br />

Jetzt die Zwillingsschwester<br />

der R für den Gentleman<br />

mit dem etwas ausgefalleneren<br />

Geschmack. Die noch schärfere, verruchtere,<br />

im Verkehr schon illegale,<br />

die mit dem höheren Tarif. Die im<br />

Club-Racing-Outfit mit dem armdicken<br />

Akrapovic-Sammlerrohr! Vom<br />

ersten Knopfdruck weg ein Bollern<br />

aus der wunderschön verschweissten<br />

Edelstahlanlage, dass es dir bei jedem<br />

Gasstoss den Herzschlag in der Brust<br />

mit den Zündungen zu synchronisieren<br />

scheint. Auf der Strecke draussen<br />

kommts ganz klar durch: Die hier ist<br />

aggressiver, noch knackiger, der Antritt<br />

deutlich spontaner. Und sie krakeelt,<br />

ballert und röhrt, dass es dir als Reiter<br />

beim Herausbeschleunigen aus jeder<br />

Ecke das Augenwasser rausdrückt!<br />

Klar, der Club-Racing-Kit kostet<br />

nicht ganz jugendfreie drei Mille – nicht<br />

Fränkli sondern Euro! Und nicht genau,<br />

sondern ungefähr, der Preis ist<br />

noch nicht festgelegt. Eingebaut ist<br />

der Kit damit auch noch nicht. Wer<br />

will, kann das im Werk in Mattighofen<br />

machen lassen. Preis? Keine Ahnung.<br />

Aber das ist wurst. Wenn die schärfere<br />

der Schwestern einmal an dir vorbeigegröhlt<br />

ist, bist du so weit: Du musst<br />

sie haben.<br />

1<br />

2<br />

Back to earth<br />

Zurück auf dem Erdboden,<br />

also in der Boxengasse, ziehe ich<br />

Bilanz. Die <strong>RC</strong> 8 R kostet zwar mit gut 30<br />

Riesen ein kräftiges Stück mehr als die<br />

Normalversion, sie hat aber auch ein<br />

ganz klar breiteres Repertoire, das sie<br />

ohne Macken beherrscht – jedenfalls<br />

mit dem famosen progressiven Gasgriff.<br />

Und das Tüpfelchen<br />

auf dem i für jene,<br />

die doch mal ihre<br />

Partnerin mitnehmen<br />

wollen:<br />

Ohne Aufpreis<br />

werden Sozius-<br />

Sitzpolster und<br />

-Fussrastenträger<br />

mitgeliefert.<br />

Beides passt auf den<br />

unveränderten Heckrahmen<br />

der normalen <strong>RC</strong> 8. Mit<br />

190 kg möglicher Zuladung bei<br />

vollgetanktem Bike kommt man<br />

so sogar ohne Ärger mit den Kummerbuben<br />

von der Behörde durch.<br />

Die bittere Pille: Wer nur einmal mit<br />

der Club-Racing-R die Piste teilt, der<br />

entwickelt schlagartig das teure Bedürfnis<br />

nach dem Besonderen. Der Trost?<br />

Es wird nicht vielen so ergehen, weil<br />

schon die R nur in limitierter Auflage,<br />

zu deren Grösse sich der Importeur bis<br />

Redaktionsschluss noch nicht äussern<br />

wollte, in die <strong>Schweiz</strong> kommt. ■<br />

3<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

<strong>KTM</strong> <strong>1190</strong> <strong>RC</strong> 8 R<br />

<strong>Moto</strong>r Flüssigkeitsgekühlter V2-Viertakter,<br />

Kurbelwelle quer. Zylinderwinkel 75°.<br />

Je zwei oben liegende, über Zahnketten<br />

gesteuerte Nockenwellen (DOHC), je zwei<br />

Titaneinlass- und Stahlauslassventile pro<br />

Zylinder. Ventilwinkel total 17° (E 8°, A<br />

9°), Ventil-ø: E 42 mm, A 34 mm. Elektronisches<br />

<strong>Moto</strong>rmanagement mit Benzineinspritzung<br />

von Keihin (je 1 Düse<br />

und 2 Drosselklappen pro Zylinder) und<br />

elektronischer CDI-Zündung. 2-1-Edelstahlauspuff<br />

unter dem <strong>Moto</strong>r mit 3-<br />

Weg-Katalysator. Im <strong>Moto</strong>r integrierte<br />

Trockensumpfschmierung mit Wärme-<br />

tauscher-Ölkühler. E-Starter.<br />

Bohrung×Hub<br />

105×69 mm<br />

Gesamthubraum 1195 cm 3<br />

Drosselklappen-ø<br />

ø 52 mm<br />

Verdichtungsverhältnis 13,5:1<br />

Leistungsdaten Werk<br />

max. Leistung<br />

170 PS (125 kW)<br />

bei<br />

10 250/min<br />

max. Drehmoment<br />

12,5 mkg (123 Nm)<br />

bei<br />

8000/min<br />

Kraftübertragung Zahnradprimärantrieb,<br />

gerade verzahnt. Hydraulische Mehrscheiben-Nasskupplung<br />

(9 Reibscheiben).<br />

Sechsganggetriebe. Endantrieb über<br />

Dichtringkette links.<br />

Fahrwerk Gitterrohrbrückenrahmen aus<br />

Stahlrohr mit angeschraubtem Heck aus<br />

Aluminiumrohren, <strong>Moto</strong>r mittragend. Vorn<br />

Upside-down-Telegabel von WP, in Federvorspannung,<br />

Ein- und Auswärtsdämpfung<br />

einstellbar. Hinten Einarmschwinge<br />

verschweisst aus Leichtmetallgusselementen<br />

und Alu-Formblechen, aktiviert<br />

über Schubstrebe und Kipphebel das in<br />

Vorspannung (stufenlos), Ein- (Highund<br />

Low-speed) und Auswärtsdämpfung<br />

einstellbare Zentralfederbein von WP.<br />

Exzenter für Heckhöhenverstellung. Lenkungsdämpfer<br />

von WP.<br />

Gabelinnenrohr-ø<br />

43 mm<br />

Federweg vorn<br />

120 mm<br />

hinten<br />

120 mm<br />

Räder Geschmiedete Gussräder aus<br />

Leichtmetall von Marchesini. Schlauchlose<br />

Radialreifen Pirelli Diablo Supercorsa<br />

SC 1 (Test).<br />

Felgendimension vorn MT 3.50 × 17<br />

hinten MT 6.00 × 17<br />

Reifendimension vorn 120/70 ZR 17<br />

hinten 190/55 ZR 17<br />

Bremsen Brembo. Vorn zwei halb<br />

schwimmend gelagerte Stahlscheiben<br />

mit Monobloc-Vierkolbenzangen. Hinten<br />

Einzelscheibe mit Zweikolbenzange.<br />

Bremsscheiben-ø vorn<br />

320 mm<br />

hinten<br />

220 mm<br />

Abmessungen und Gewichte<br />

Radstand<br />

1425 mm<br />

Lenkkopfwinkel 66,7°<br />

Nachlauf (je nach Heckhöhe) 97 mm<br />

Sitzhöhe (je nach Heckhöhe) 805/825 mm<br />

Tankinhalt/dav. Reserve<br />

16,5/3,5 l<br />

Trockengewicht<br />

178 kg<br />

Leergewicht fahrfertig vollgetankt<br />

190 kg<br />

zul. Gesamtgewicht<br />

380 kg<br />

Preis Fr. 30 640.–, inkl. MwSt. und NK.<br />

In Schwarz-Weiss-Orange, erhältlich ab<br />

Ende Februar.<br />

CH-Import, Info <strong>KTM</strong>-Fabag<br />

Zürcherstr. 305, 8500 Frauenfeld<br />

Tel. 052 725 08 88<br />

➥ www.ktm.ch<br />

1 Das heilige Kanonenrohr von Igor:<br />

Der Racing-Auspuff bringt mit justiertem<br />

Mapping 5 PS. BILD: WERK<br />

2 Superbike-Kit: umfasst einiges,<br />

Preis noch nicht definiert. BILD: WERK<br />

3 Immer noch eine der schärfsten<br />

Heckansichten auf dem Markt – selbst<br />

mit Nummernträger, der hier demontiert<br />

ist.<br />

04_MSSD_021_Techn 21 13.02.2009 13:27:38

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