Zankl wollte Gorbi wieder ausladen
Zankl wollte Gorbi wieder ausladen
Zankl wollte Gorbi wieder ausladen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6 Blick auf den Brennpunkt<br />
7<br />
„Petersburger Dialog“ in Passau +++ Hochkarätige Gäste: vom Gazprom-Vize bis Außenminister Steinmeier +++ Alle beeindruckt vom Charme der Dreiflüssestadt<br />
Blamage verhindert: OB Dupper rettet deutsch-russischen Gipfel<br />
Der große Russe lauscht bayerischer Volksmusik: Michail Gorbatschow auf<br />
dem Anlegesteg der Donau. Auf dem „Kristallschiff“ reiste die Delegation mit<br />
dem Staatsminister Eberhard Sinner nach Engelhartszell.<br />
Der Volkstanzkreis bot der russischen Delegation im Rathaus<br />
typische Passauer Folklore.<br />
Im Großen Rathaussaal lud OB Dupper alle Konferenzteilnehmer ein, sich ins Goldene Buch einzutragen. Es unterschreibt<br />
gerade die TV-Journalistin Gabriele Krone-Schmalz, die sich für HIV-infizierte Waisenkinder in Petersburg engagiert.<br />
Passau war drei Tage lang Nabel der Welt. Ehemalige und<br />
amtierende Staatspräsidenten und Minister aus Russland<br />
und Deutschland gaben sich beim „Petersburger Dialog“ die<br />
Hand. Eine persönliche Trotzreaktion hätte das glanzvolle Ereignis<br />
beinahe verhindert: Albert <strong>Zankl</strong> schickte nach seiner<br />
Wahlniederlage eine Absage nach Berlin. Nachfolger Jürgen<br />
Dupper konnte die Blamage gerade noch verhindern.<br />
Der Staatsakt mit Michail Gorbatschow<br />
drohte zu platzen, weil<br />
Vorgänger Albert <strong>Zankl</strong> nach seiner<br />
Abwahl das deutsch-russische Spitzentreffen<br />
plötzlich abgesagt hatte.<br />
Wollte er seinem Nachfolger die Ehre<br />
nicht gönnen? War es eine Rache am<br />
Passauer Volk, das ihm die „rote Karte“<br />
gezeigt hatte?<br />
Es gibt viele Eingeweihte bei diesem<br />
unerhörten Eklat. Zu ihnen<br />
gehört auch Zeitungsverlegerin Angelika<br />
Diekmann. Ihr war der Vorfall<br />
offenbar so peinlich, dass nichts<br />
darüber im Passauer Blätterwald zu<br />
lesen war.<br />
Zum erlauchten Kreis des Petersburger<br />
Dialog gehört der CSU-Politiker<br />
Reinhold Bocklet. Er wird<br />
augenzwinkernd der „bayerische<br />
Außenminister“ genannt, weil er als<br />
Erster Vizepräsident des Ausschusses<br />
der Regionen in der Europäischen<br />
Union den Einfluss Bayerns in Brüssel<br />
sicherte. Er war es, der sich für<br />
die Tagung in der niederbayerischen<br />
Grenzstadt stark machte. Passau stehe<br />
für das Tor zum Osten und für<br />
südlichen Charme, pries er an.<br />
„Es war nicht einfach, meine Kollegen<br />
für diesen Ort zu überzeugen“,<br />
sagt der ehemalige Staatsminister.<br />
Passau habe keinen Flughafen und<br />
liege „jwd“. So sagen die Berliner<br />
für „janz weit draußen“ und meinen<br />
damit das Umland jenseits der Stadtgrenze.<br />
Zeitungsverlegerin Diekmann,<br />
deren stetes Bemühen es ist, namhafte<br />
Persönlichkeiten nach Passau<br />
zu bringen, versuchte seit mehreren<br />
Jahren, OB Albert <strong>Zankl</strong> für dieses<br />
bedeutende Treffen zu begeistern.<br />
Aber die Bewerbung blieb zunächst<br />
ohne Erfolg.<br />
Es gab große Konkurrenz. 2006<br />
bekam Dresden den Zuschlag, wegen<br />
seiner 800-Jahr Feier, 2007 war Wiesbaden<br />
am Zug, weil der hessische<br />
Ministerpräsident Roland Koch „wie<br />
wild dahinter her war“.<br />
Dann war Passau endlich an der<br />
Reihe und der Zuspruch enorm. „Ich<br />
habe selbst bei der Haupttagung in<br />
St. Petersburg noch nie so viele einflussreiche<br />
Vertreter auf einmal gesehen“,<br />
sagt die Berliner Projektleiterin<br />
Marita Müller.<br />
Die mächtigsten Männer Russlands<br />
saßen im Großen Redoutensaal: Putins<br />
ehemaliger Außenminister, Vorstände<br />
der drei größten Banken, ein<br />
milliardenschwerer Unternehmer,<br />
der Vizechef des Energiekonzerns<br />
Gazprom und viele andere. Von deutscher<br />
Seite stellte sich Außenminister<br />
Frank-Walter Steinmeier dem Gespräch.<br />
Am Sonntag, den 16. März, gab sich Albert<br />
<strong>Zankl</strong> vor Kameras und Mikrofonen<br />
als guter Verlierer. Es war nur Show. Wenige<br />
Tage später diktierte er einen Brief an<br />
den deutschen Vorsitzenden des „Petersburger<br />
Dialogs“, Lothar de Maizière: Er<br />
müsse die Veranstaltung leider absagen,<br />
weil nach seine Abwahl Sponsoren abgesprungen<br />
seien.<br />
Europapolitiker Bocklet sagt heute noch<br />
entsetzt: „Erinnern Sie mich nicht an dieses<br />
Fax. Ich habe alle Hebel in Bewegung<br />
gesetzt, damit es nicht über die Grenzen<br />
hinaus geht.“ Der peinliche <strong>Zankl</strong>-Akt<br />
landete sogar auf dem Schreibtisch des Ministerpräsidenten.<br />
Bocklet nennt <strong>Zankl</strong>s<br />
Verhalten „irrational und schlicht unprofessionell“.<br />
Obwohl er noch im Amt war,<br />
hatte er seinen Eid „zum Wohle der Stadt“<br />
schon vergessen.<br />
Für OB Dupper, der von all dem erst<br />
Mitte Mai erfuhr, galt es, eine der größten<br />
Blamagen für die Stadt abzuwenden. Er<br />
sagt: „Ein solcher Staatsakt darf nicht von<br />
Sponsoren abhängig gemacht werden.“ Ob<br />
<strong>Zankl</strong> je welche gehabt hatte, ist zweifelhaft.<br />
„Darüber ist nichts aktenkundig“, erklärt<br />
Dupper. Er ließ sich vom Finanzausschuss<br />
25.000 Euro genehmigen, damit der<br />
„Petersburger Dialog“ gesichert war.<br />
Was ist der<br />
„Petersburger Dialog“?<br />
Das Forum wurde 2001 ins Leben<br />
gerufen. Die Konferenz widmet sich<br />
gesellschaftlichen Zeitfragen und Themen<br />
der deutsch-russischen Beziehungen.<br />
Die Hauptversammlungen finden<br />
einmal jährlich abwechselnd in einem<br />
der Länder statt. Davor treffen sich,<br />
wie jetzt in Passau, die Lenkungsausschüsse.<br />
www.petersburger-dialog.de<br />
Beim Festakt im Großen Rathaussaal trägt sich Michail<br />
Gorbatschow ins Goldene Buch ein. Der deutsche Vertreter<br />
Lothar de Maizière wartet hinter ihm. OB Jürgen Dupper<br />
freut sich über die honorigen Gäste und die Passauer Goldhaubenfrauen<br />
liefern den glänzenden Rahmen.<br />
<strong>Gorbi</strong> mag offenbar gerne Gartentomaten: Acht Stück löffelt<br />
er sich auf den Teller zu Hähnchenkeule, Geselchtem,<br />
Kartoffelsalat und Obatzdn. Russen lieben bekanntlich deftige<br />
Kost. Es war sein persönlicher Wunsch, dass traditionelle<br />
bayerische Gerichte serviert werden. Bei Empfang im<br />
Rathaus gab es trotz der schwülen Sommerhitze Pfannkuchensuppe<br />
und Schweinshax‘n.<br />
Photos: Hubert Denk