Essen und Trinken bei Demenz - DVLAB
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<strong>Essen</strong> <strong>und</strong> <strong>Trinken</strong><br />
<strong>bei</strong> <strong>Demenz</strong><br />
Ges<strong>und</strong> essen, besser leben.
2<br />
Bedarfsgerechte Verpflegung<br />
<strong>bei</strong> <strong>Demenz</strong>
<strong>Demenz</strong> ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit<br />
einem Verlust von geistigen Funktionen wie Erinnern, Orientieren,<br />
Denken <strong>und</strong> Verknüpfen von Gedanken einhergehen<br />
<strong>und</strong> die dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten gar nicht mehr<br />
oder nicht mehr ausreichend eigenständig durchgeführt werden<br />
können.<br />
In Deutschland leiden zurzeit ca. 1 Million Menschen an einer<br />
<strong>Demenz</strong>. Das Erkrankungsrisiko nimmt mit steigendem Alter zu.<br />
Ca. 50 % der über 89-Jährigen leiden an <strong>Demenz</strong>. Die häufigste<br />
Form mit r<strong>und</strong> 70 % ist die Alzheimer <strong>Demenz</strong>, danach folgen<br />
vaskuläre <strong>Demenz</strong>en, die von Durchblutungsstörungen im Gehirn<br />
ausgelöst werden. Andere Formen treten in geringerer Zahl auf.<br />
Nach Vorausberechnungen, die die Bevölkerungsentwicklung<br />
berücksichtigen, wird sich die Zahl der <strong>Demenz</strong>patienten bis<br />
zum Jahre 2050 auf über 2 Millionen erhöhen.<br />
Nervenzellen im Gehirn<br />
In Folge einer <strong>Demenz</strong>erkrankung kommt es zum Abbau von<br />
Nervenzellen, der zum Verlust der kognitiven Fähigkeiten führt<br />
<strong>und</strong> von Veränderungen des emotionalen <strong>und</strong> sozialen Verhaltens<br />
begleitet wird. Die Kommunikation funktioniert immer<br />
weniger über Worte, sondern verstärkt über die emotionale<br />
<strong>und</strong> sinnliche Wahrnehmung. Die Erkrankung verläuft in Phasen,<br />
üblicherweise eingeteilt in ein leichtes, mittelschweres<br />
<strong>und</strong> schweres Stadium. Der geistige <strong>und</strong> körperliche Abbau<br />
schreitet progressiv voran <strong>und</strong> der Hilfebedarf steigt. Das klinische<br />
Erscheinungsbild einer <strong>Demenz</strong> ist anfänglich durch die<br />
Abnahme der Gedächtnisfunktionen gekennzeichnet. Mit der<br />
Zeit lässt das Denkvermögen nach <strong>und</strong> es kommen im weiteren<br />
Verlauf Veränderungen der Persönlichkeitsmerkmale hinzu. <strong>Demenz</strong><br />
ist derzeit nicht heilbar.<br />
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4<br />
Welche Auswirkungen hat<br />
die <strong>Demenz</strong> auf das Ess- <strong>und</strong><br />
Trinkverhalten?
Eine angenehme Tischgemeinschaft <strong>und</strong> entspannte Atmosphäre<br />
Die subjektive Lebenswelt der Betroffenen unterscheidet sich<br />
häufig deutlich von der von außen als real wahrgenommenen<br />
Umgebung. Menschen mit <strong>Demenz</strong> fühlen sich oft jung <strong>und</strong><br />
kompetent <strong>und</strong> haben in ihrer Gedankenwelt möglicherweise<br />
andere Dinge zu erledigen, zum Beispiel <strong>Essen</strong> für die aus der<br />
Schule kommenden Kinder kochen. Die <strong>Demenz</strong> führt <strong>bei</strong> vielen<br />
zu starker Mobilität <strong>und</strong> Unruhe, sie bleiben zum Teil nicht<br />
zum <strong>Essen</strong> am Tisch <strong>und</strong> es besteht eine hohe Ablenkbarkeit.<br />
Als Folge kann der Energiebedarf im Einzelfall stark ansteigen.<br />
Hunger- <strong>und</strong> Sättigungsgefühl verändern sich. Einige Betroffene<br />
haben andauernd Hunger, andere fühlen sich immer satt.<br />
Körpersignale wie Magenknurren oder Übelkeit werden nicht<br />
gedeutet <strong>und</strong> es fehlt die Einsicht der Notwendigkeit von <strong>Essen</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Trinken</strong>. Längeres Fasten führt sogar zu einer Stimmungsverbesserung.<br />
In diesem Fall ist es für die Erkrankten nicht nachvollziehbar,<br />
warum man ihnen andauernd etwas zu essen anbietet<br />
– möglicherweise reagieren sie dann sogar aggressiv.<br />
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6<br />
Vertraute Lebensmittel werden besonders gerne gegessen
Die neurologischen Veränderungen führen im Verlauf der Erkrankung<br />
außerdem oftmals zu Schluckstörungen, die das<br />
<strong>Essen</strong> <strong>und</strong> <strong>Trinken</strong> zusätzlich erschweren.<br />
Bei der Geschmackswahrnehmung lässt sich beobachten,<br />
dass Süßes besonders gerne gegessen wird, Saures dagegen<br />
offensichtlich bitter schmeckt <strong>und</strong> teilweise wieder ausgespuckt<br />
wird.<br />
Auch die Wahrnehmung insgesamt kann sich verändern.<br />
Speisen <strong>und</strong> Getränke werden nicht als solche erkannt, der<br />
Umgang mit Besteck ist nicht mehr präsent oder Speisen <strong>und</strong><br />
Besteck werden sogar als Gefahr gedeutet. So können grüne<br />
Erbsen möglicherweise als giftig erachtet oder Kräuter im <strong>Essen</strong><br />
als kleine Tierchen gedeutet werden. Besonders problematisch<br />
in der Gemeinschaftsverpflegung sind auch die „Tischmanieren“,<br />
sie gehen im Laufe der Erkrankung verloren. Dadurch<br />
kann es passieren, dass <strong>Demenz</strong>kranke von ihren Tischnachbarn<br />
wegen ihrer Ess-Manieren beschimpft werden <strong>und</strong> sich dadurch<br />
abgelehnt oder auch bedroht fühlen. Gefühle von Angst <strong>und</strong><br />
Bedrohung können <strong>bei</strong> <strong>Demenz</strong>kranken wiederum zu Wahnvorstellungen,<br />
Vergiftungsängsten <strong>und</strong> auch zur Ablehnung<br />
des <strong>Essen</strong>s führen.<br />
Daher sollten Sie mit darauf achten, dass dem oder den<br />
Betroffenen eine Umgebung geboten wird, die Sicherheit<br />
<strong>und</strong> Vertrauen schafft. Eine angenehme Tischgemeinschaft<br />
<strong>und</strong> entspannte Atmosphäre <strong>bei</strong>m <strong>Essen</strong> tragen<br />
ebenfalls dazu <strong>bei</strong>.<br />
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8<br />
Welche Risiken <strong>und</strong> Probleme<br />
können im Bereich der Ernährung<br />
auftreten?
Menschen mit <strong>Demenz</strong> haben ein hohes Risiko für Mangelernährung<br />
<strong>und</strong> Dehydratation (Austrocknung). Sie sollten daher<br />
auf Symptome wie Müdigkeit, Apathie <strong>und</strong> Schwäche <strong>bei</strong>m<br />
Einzelnen achten, die Anzeichen für eine Mangelernährung<br />
sein können. Senioren mit Normal- oder Übergewicht können<br />
durch einseitige Ernährung ebenso mangelernährt sein wie untergewichtige<br />
Menschen.<br />
Welches Ziel sollte in der Verpflegung <strong>bei</strong> <strong>Demenz</strong> angestrebt<br />
werden?<br />
Das Ziel sollte eine ausgewogene Ernährung sein, die den individuellen<br />
Energie- <strong>und</strong> Nährstoffbedarf deckt, den Senioren<br />
schmeckt <strong>und</strong> ihre Wünsche <strong>und</strong> Möglichkeiten berücksichtigt.<br />
Besondere Schwerpunkte der Ernährung <strong>bei</strong> <strong>Demenz</strong> sind: ausreichende<br />
Energiezufuhr, <strong>bei</strong> Bedarf die Substitution von<br />
Vitaminen <strong>und</strong> Mineralstoffen <strong>und</strong> ausreichende Flüssigkeitsversorgung,<br />
um das Gewicht zu halten <strong>und</strong> Mangelzustände<br />
zu vermeiden. Außerdem sollen die Mahlzeiten ein<br />
Stück Orientierung <strong>und</strong> Sicherheit bieten <strong>und</strong> zur Lebensqualität<br />
<strong>bei</strong>tragen.<br />
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Empfehlungen für die Praxis:<br />
Geeignete Maßnahmen<br />
zur bestmöglichen Versorgung
Speisenauswahl<br />
In der Regel werden bekannte <strong>und</strong> regionale Gerichte bevorzugt<br />
gegessen. Eine Essbiografie kann hilfreich sein,<br />
um aufgr<strong>und</strong> der Herkunft <strong>und</strong> Lebensgeschichte mögliche<br />
gern gegessene Speisen herauszufinden. Dem bevorzugten<br />
Geschmack an süßen Speisen sollten Sie entgegen kommen.<br />
Auch pikante Speisen (Möhren-Eintopf, Tomatensoße,<br />
Fischgerichte, usw.) können mit Zucker oder Süßstoff nachgesüßt<br />
werden <strong>und</strong> so den Appetit auf das Menü fördern.<br />
Bei hohem Bewegungsdrang steht im Vordergr<strong>und</strong>, dass<br />
energiereich gegessen wird <strong>und</strong> dafür auch entsprechend<br />
energiereiche Zutaten verwendet werden. Da<strong>bei</strong> ist es wichtig,<br />
dass die Lebensmittel leicht zu essen sind. Rohkost kann<br />
dazu fein geraffelt werden, Obst sollte geschnitten oder auch<br />
notfalls püriert werden. Besonders süße, reife Obstsorten werden<br />
gerne gegessen. Eingeweichte Frischkornbreie oder Müslis<br />
sowie zarte Haferflocken eignen sich gut zum Frühstück. Bei<br />
Appetitlosigkeit können Sie auch Milch-Mix-Getränke aus Milch<br />
<strong>und</strong> Fruchtsaft bzw. Nektar, Milchshakes oder Trinkjoghurts reichen.<br />
Obst- <strong>und</strong> Gemüsesäfte können mit hochwertigen Pflanzenölen<br />
(z.B. Rapsöl) angereichert werden. Zudem erhöht kräftiges<br />
Würzen <strong>und</strong> appetitliches Anrichten die Lust am <strong>Essen</strong>.<br />
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12<br />
„Finger Food“
Ist ein kompetenter Umgang mit Besteck nicht mehr möglich, kann<br />
„Finger Food“ eine gute Lösung sein, um die Selbstständigkeit<br />
<strong>bei</strong>m <strong>Essen</strong> zu erhalten. Das <strong>Essen</strong> mit den Fingern zu greifen<br />
<strong>und</strong> zum M<strong>und</strong> zu führen, regt die Sinne an <strong>und</strong> kann Senioren,<br />
die unter Appetitmangel leiden, möglicherweise wieder zum<br />
<strong>Essen</strong> motivieren. Somit kann „Finger Food“ Kompetenzen,<br />
Selbstständigkeit <strong>und</strong> Selbstbestimmung verbessern <strong>und</strong><br />
erhalten. Portionieren Sie die Speisen auf eine Größe von<br />
ein bis zwei Bissen <strong>und</strong> achten Sie darauf, dass die Portionen<br />
gut greifbar, aber gleichzeitig auch leicht zu kauen <strong>und</strong> zu<br />
schlucken sind.<br />
Umsetzung<br />
• das Brot zum Frühstück als Klappstulle anbieten,<br />
• stichfesten Milch-Pudding oder Grießbrei so portionieren,<br />
dass er mit den Fingern gegessen werden kann; Quarkspeisen<br />
durch Gelatinieren stichfest <strong>und</strong> portionierbar machen,<br />
• Fleisch: Kleine, zarte Fleischstückchen oder Buletten, die mit<br />
den Fingern gegriffen werden können,<br />
• Gemüse: Fingermöhren, Brokkoli- oder Blumenkohlröschen,<br />
Kohlrabi-Stifte, Rote Bete-Scheiben, Tomaten- <strong>und</strong> Gurkenstücke,<br />
• Kartoffeln: Kartoffelstücke oder -ecken, -kroketten,<br />
• stichfeste Gemüseaufläufe oder Nudelaufläufe,<br />
• Kuchen in Würfel schneiden.<br />
Fast alle Speisen können, <strong>bei</strong> entsprechender Anpassung<br />
der Portionsgröße <strong>und</strong> Konsistenz, auch als „Finger Food“<br />
gegessen werden.<br />
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14<br />
„Eat by walking“
Senioren mit <strong>Demenz</strong> sind teilweise sehr unruhig. Einerseits hält<br />
es sie nicht lange am Esstisch, andererseits ist durch ihre gesteigerte<br />
körperliche Aktivität der Energiebedarf erhöht. Sie profitieren<br />
von zusätzlichen Essgelegenheiten außerhalb der festen<br />
Mahlzeiten, quasi im Vorübergehen. Es bietet sich an, „Imbiss-<br />
Stationen“ einzurichten <strong>und</strong> hier Speisen als „Finger Food“<br />
anzubieten, z. B. belegte Brote, Käsewürfel, Bockwürstchen,<br />
Obststücke etc. Als Bezugsperson oder Pflegende/r sollten Sie<br />
die Essgelegenheiten einsehen können, um eingreifen zu können,<br />
wenn Schwierigkeiten <strong>bei</strong>m <strong>Essen</strong> auftreten oder der Imbiss<br />
unansehnlich wird. Die hygienischen Rahmenbedingungen<br />
dafür müssen geregelt werden, z. B. müssen die Mengen klein<br />
sein <strong>und</strong> sollten öfter ausgetauscht werden. Am besten Sie erar<strong>bei</strong>ten<br />
diese Idee gemeinsam mit der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde.<br />
Für das „Eat by walking“ eignet sich am besten leicht zu<br />
verzehrendes „Finger Food“. Die Imbissstation sollte einsehbar<br />
sein <strong>und</strong> regelmäßig kontrolliert werden.<br />
Speisen als „Finger Food“ anbieten<br />
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16<br />
Getränkeangebot
Menschen mit <strong>Demenz</strong> bevorzugen häufig süße <strong>und</strong> farbige<br />
Getränke, zum Beispiel bunte Säfte, die nicht zu kalt sind. Saure<br />
Säfte werden von vielen abgelehnt. Als Milchmix-Getränk oder<br />
durch Mischen mit Bananen- oder Pfirsichsaft kann der saure<br />
Geschmack gemildert werden. Ebenso kann es hilfreich sein,<br />
Zucker oder Süßstoff zum nachträglichen Süßen zu verwenden.<br />
Bei Schluckstörungen kann das Andicken der Getränke mit<br />
einem Andickungsmittel das <strong>Trinken</strong> erleichtern.<br />
Durch die Auswahl der richtigen Trinkgefäße (z. B. bunte Becher,<br />
Tassen mit großen Henkeln), Trinkrituale zu bestimmten<br />
Zeiten <strong>und</strong> das Getränkeangebot in Gesellschaft kann die Flüssigkeitszufuhr<br />
zusätzlich verbessert werden.<br />
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Anregung aller Sinne
Die Anregung der fünf Sinne kann helfen Orientierung zu geben,<br />
die Freude auf das <strong>Essen</strong> zu steigern <strong>und</strong> die Situation des<br />
<strong>Essen</strong>s insgesamt zu erleichtern.<br />
Durch eine aufrechte Sitzhaltung kann die Wahrnehmung der<br />
eigenen Position im Raum unterstützt werden. Dadurch ist der<br />
Senior wacher <strong>und</strong> aufmerksamer, was die Nahrungsaufnahme<br />
positiv unterstützt.<br />
Hören:<br />
Das Klappern von Geschirr <strong>und</strong> Besteck sind altbekannte Geräusche,<br />
die selbstverständlich mit <strong>Essen</strong> in Verbindung gebracht<br />
werden. Essgeräusche, wie sie <strong>bei</strong>m Ab<strong>bei</strong>ßen von Gebäck,<br />
<strong>bei</strong>m Verzehr von Salat oder Brötchen entstehen, können<br />
zum weiteren Verzehr motivieren. Negative Aussagen über das<br />
<strong>Essen</strong> hindern den Appetit <strong>und</strong> können den Senioren die Mahlzeit<br />
verderben.<br />
Sehen:<br />
Das Auge isst mit! Eine appetitliche Darreichung, farblich deutlich<br />
zu erkennende Komponenten <strong>und</strong> klare Konturen erleichtern<br />
das Erkennen der Speisen <strong>und</strong> Getränke <strong>und</strong> regen zum<br />
<strong>Essen</strong> an. Ein Glas mit Wasser ist weniger gut zu erkennen als<br />
ein farbiger Becher oder ein Glas mit einem farbigen Getränk.<br />
Wichtig ist auch, dass sich der Teller vom Tischbelag oder der<br />
Tischdecke abhebt. Teller mit farbigen Rändern auf einer weißen<br />
Tischdecke helfen die Konturen zu erkennen. Bei nachlassender<br />
Sehkraft im Alter ist eine ausreichende Beleuchtung<br />
wichtig, um die Speisen erkennen zu können.<br />
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Durch Anfassen „begreifen“
Riechen:<br />
Schon am Morgen gibt der Duft nach frischem Kaffee eine erste<br />
Orientierung für den Tag <strong>und</strong> regt zum <strong>Essen</strong> an. Ebenso regt<br />
der Duft nach Gebratenem am Mittag oder der Geruch von<br />
frisch gebackenem Kuchen oder Waffeln am Nachmittag die<br />
Sinne an <strong>und</strong> steigert die Vorfreude auf das <strong>Essen</strong>.<br />
Andererseits können einem schlechte Gerüche auch schlagartig<br />
den Appetit verderben <strong>und</strong> eine ablehnende Reaktion hervorrufen.<br />
Sollten Sie etwas Derartiges beobachten, ist es hilfreich<br />
dies gleich zu dokumentieren.<br />
Fühlen:<br />
Können Senioren aufgr<strong>und</strong> nachlassender Sehleistung oder<br />
durch demenzielle Veränderungen die Speisen nicht mehr identifizieren,<br />
kann das Anfassen helfen zu begreifen <strong>und</strong> zum <strong>Essen</strong><br />
ermuntern. Die selbstständige Bewegung <strong>und</strong> das Führen<br />
der Speisen vom Teller zum M<strong>und</strong>, ganz gleich ob mit Besteck<br />
oder Fingern, fördert das <strong>Essen</strong>. Es sollte <strong>bei</strong>m Anreichen versucht<br />
werden nur möglichst minimal <strong>und</strong> wenn möglich nur<br />
unterstützend in den Essvorgang einzugreifen, so dass dieser<br />
nur wenig gestört wird <strong>und</strong> der Senior seinen eignen Rhythmus<br />
finden kann.<br />
Schmecken:<br />
Der Geschmackssinn nimmt im Alter ab. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist<br />
es empfehlenswert, die Speisen eher kräftig zu würzen. Da<strong>bei</strong><br />
sollte nicht unbedingt verstärkt gesalzen werden, da Salz <strong>bei</strong><br />
einzelnen Menschen Bluthochdruck fördern kann. Vielmehr<br />
können Kräuter <strong>und</strong> Gewürze verwendet werden, die den Senioren<br />
aus der früheren Zeit bekannt <strong>und</strong> vertraut sind, wie z. B.<br />
Bohnenkraut, Liebstöckel, Majoran oder Rosmarin. Sie riechen<br />
gut, geben dem <strong>Essen</strong> eine frische Farbe <strong>und</strong> liefern wertvolle<br />
Vitamine. Wird das <strong>Essen</strong> geliefert, können mit dem Lieferanten<br />
diesbezüglich Absprachen getroffen werden.<br />
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Die Beteiligung an der Planung <strong>und</strong> Zubereitung kann die Freude am <strong>Essen</strong> steigern –<br />
aber beachten Sie die Hygienevorschriften
Beteiligung <strong>bei</strong> der Vor- <strong>und</strong> Zubereitung der Mahlzeiten<br />
Die meisten Menschen sind es gewohnt, zu planen, was sie essen<br />
möchten, einzukaufen, die Lebensmittel zuzubereiten, den<br />
Tisch zu decken, die Speisen zu genießen <strong>und</strong> anschließend<br />
auch aufzuräumen. Da in der ambulanten Pflege <strong>und</strong> in Senioreneinrichtungen<br />
das <strong>Essen</strong> häufig jedoch zentral zubereitet<br />
oder geliefert wird, bleibt den Senioren von diesem Prozess nur<br />
noch die Nahrungsaufnahme selbst. Orientierungshilfen, wie<br />
gemeinsames Planen, Einkaufen <strong>und</strong> Zubereiten der Speisen,<br />
so wie das gemeinsame Eindecken der Tische, können die Freude<br />
auf das <strong>Essen</strong> wesentlich steigern. Dazu kommt das gute<br />
Gefühl, sich heimisch zu fühlen, sich beteiligen zu können<br />
<strong>und</strong> eine sinnvolle Aufgabe zu haben.<br />
Gestaltung der Ess-Situation <strong>und</strong> Atmosphäre<br />
Das Gefühl von Selbstständigkeit ist auch <strong>bei</strong> einem Menschen<br />
mit <strong>Demenz</strong> wesentlich. Diese Kompetenz sollte so lange wie<br />
möglich erhalten <strong>und</strong> gefördert werden auch wenn es mehr<br />
Zeit in Anspruch nimmt. Auch <strong>bei</strong>m <strong>Essen</strong> sollte man versuchen<br />
den dementen Menschen, wenn möglich mitbestimmen zu lassen,<br />
was er essen möchte. Wenn das <strong>Essen</strong> in Schüsseln auf den<br />
Tisch kommt, kann sich jeder selber nehmen oder wenigstens<br />
mitbestimmen, was <strong>und</strong> wie viel er essen möchte.<br />
In Gesellschaft mit anderen wird oft mehr gegessen als alleine.<br />
Wenn jemand nicht weiß, was er am Tisch tun soll, kann es helfen,<br />
dass er sich von den anderen Tischgästen Abläufe abguckt<br />
<strong>und</strong> sie nachahmt. Reicht das nicht aus, oder wird jemand in<br />
der eigenen Wohnung betreut, können Sie als Betreuende oder<br />
Pflegekraft demjenigen auch einen Impuls geben, indem Sie<br />
ihm Löffel oder Gabel in die Hand geben <strong>und</strong> den Bewegungsablauf<br />
vom Teller zum M<strong>und</strong> begleiten. Der Bewegungsablauf<br />
kann dann eigenständig weitergeführt werden. Im Einzelfall<br />
kann es natürlich auch sinnvoll <strong>und</strong> gewollt sein, dass jemand<br />
für sich alleine isst.<br />
Der Tisch sollte für alle gedeckt sein, so dass sich niemand ausgeschlossen<br />
fühlt. Fehlt ein Gedeck kann der Eindruck entstehen,<br />
dass man noch auf andere warten muss oder der Tischnachbar<br />
schon fertig ist. All das kann zu Verstimmungen <strong>und</strong><br />
damit zur Verweigerung des <strong>Essen</strong>s führen.<br />
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24<br />
<strong>Essen</strong> <strong>und</strong> <strong>Trinken</strong> sollten Freude <strong>und</strong> Genuss bereiten
Auch <strong>bei</strong>m Anreichen der Speisen kann es den Senior verwirren,<br />
wenn der Teller von dem er essen soll nicht vor ihm, sondern<br />
vor dem Betreuenden steht. <strong>Demenz</strong>kranke lassen sich<br />
sehr leicht ablenken, jedoch mit aufmunternden Worten auch<br />
gut motivieren.<br />
Sie sollten die Speisen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander<br />
servieren oder servieren lassen, dann fällt die Entscheidung für<br />
einen Handlungsschritt leichter.<br />
Eine anregende Atmosphäre <strong>und</strong> angenehme Gesellschaft sind<br />
förderlich für die optimale Versorgung. Zeit, Gelassenheit <strong>und</strong><br />
die Akzeptanz von veränderten Tischmanieren tragen dazu <strong>bei</strong>,<br />
dass <strong>Essen</strong> <strong>und</strong> <strong>Trinken</strong> Freude <strong>und</strong> Genuss bereiten. Wichtiger<br />
als das „Wie“ des <strong>Essen</strong>s ist, dass überhaupt gegessen wird.<br />
Die Ess-Situation soll als stressfrei erlebt werden, damit die Lust<br />
am <strong>Essen</strong> aufrecht erhalten bleibt. Jede Hilfestellung sollte dezent<br />
<strong>und</strong> unauffällig gegeben werden. Achten Sie darauf, dass<br />
zusätzliche Reize, wie Fernseher <strong>und</strong> Radio, zu den Mahlzeiten<br />
ausgeschaltet werden. Zu viele Reize überfordern <strong>und</strong> lenken<br />
vom <strong>Essen</strong> ab. Während der Mahlzeiten sollte die Stimmung<br />
angenehm <strong>und</strong> ruhig sein. Demente Menschen können häufig<br />
keine oder nur noch selten Entscheidungen treffen. Dies ist<br />
abhängig von der Tagesform. Bei Ablehnung eines <strong>Essen</strong>s kann<br />
es hilfreich sein, wenn das möglich ist, eine zweite Mahlzeitenvariante<br />
anzubieten. Dokumentieren Sie beobachtete Vorlieben<br />
<strong>und</strong> Abneigungen zum Wohl des Seniors.<br />
Menschen mit <strong>Demenz</strong> können sich nicht „anpassen“, es<br />
ist notwendig, dass sich die Umwelt im Sinne der Betroffenen<br />
anpasst.<br />
Gleichbleibende <strong>Essen</strong>szeiten, feste Sitzplätze <strong>und</strong> ein regelmäßiger<br />
Tagesablauf helfen zur Orientierung, ebenso<br />
wie die Stimulierung aller Sinne etwa durch Küchengeräusche<br />
<strong>und</strong> <strong>Essen</strong>sgeruch.<br />
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26<br />
Welche organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen gibt es?
Für die optimale Versorgung von Menschen mit <strong>Demenz</strong> sollte<br />
ein spezielles Verpflegungskonzept entwickelt werden. Alle<br />
beteiligten Mitar<strong>bei</strong>ter müssen über die Erkrankung, die Probleme<br />
<strong>und</strong> geeignete Maßnahmen zur Verbesserung geschult<br />
werden, damit alle nach einheitlichen Gr<strong>und</strong>sätzen ar<strong>bei</strong>ten<br />
<strong>und</strong> die Betroffenen dadurch Sicherheit <strong>und</strong> Orientierung erleben.<br />
Systematische Kommunikation zwischen den beteiligten<br />
Bereichen ist ebenfalls eine wichtige Basis für die bestmögliche<br />
Verpflegung.<br />
Als Mitar<strong>bei</strong>ter/in eines ambulanten Pflegedienstes sollten Sie<br />
eng mit dem zuständigen Mahlzeitendienst zusammen ar<strong>bei</strong>ten.<br />
Der Ernährungszustand des älteren Menschen sollte dem<br />
Mahlzeitendienst bekannt sein, damit das Verpflegungsangebot<br />
entsprechend angepasst werden kann. Wird das <strong>Essen</strong> in<br />
tiefgekühlten Wochenrationen geliefert, sollten Sie beobachten,<br />
ob der ältere Mensch noch geistig <strong>und</strong> körperlich in der<br />
Lage ist, die sieben Mahlzeiten in der Woche gleichmäßig auf<br />
die Tage aufzuteilen <strong>und</strong> sie selbstständig zu erhitzen. Mahlzeitendienste<br />
sollten ein Qualitätsmanagement bieten, welches<br />
die individuellen Anforderungen berücksichtigt <strong>und</strong> die erstellten<br />
Leistungen überprüft.<br />
Quellen:<br />
aid Infodienst, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (Hrsg): Senioren in der Gemeinschaftsverpflegung,<br />
Bonn 2007.<br />
Arens-Azevêdo, U.: Fit im Alter. Welches Verpflegungskonzept für wen? Abstract des Journalistenseminars<br />
der DGE, „50plus, 70plus - na <strong>und</strong>? Länger jung <strong>und</strong> fit durch Ernährung“,<br />
Bonn, November 2006.<br />
Impressum:<br />
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE)<br />
Entwicklung, Text <strong>und</strong> Redaktion: Projekt „fit im Alter“ der DGE<br />
Fotos: CMA-Bestes vom Bauern<br />
Thomashilfen<br />
www.pixelio.de<br />
Gestaltung: U-53 Kommunikationsdesign, Köln, www.u-53.de<br />
Nachdruck – auch auszugsweise – sowie jede Form der Vervielfältigung oder die Weitergabe<br />
mit Zusätzen, Aufdrucken oder Aufklebern ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den<br />
Herausgeber gestattet. Die Ratschläge in diesem Heft sind von der DGE sorgfältig erwogen <strong>und</strong><br />
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Copyright 2007<br />
Stand: DGE 08/2007<br />
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Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.<br />
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