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Gorgi und die Geister über dem See

„Haben wir jetzt erlebt, wie ihr euch getrennt habt?“ wollte Janine wissen. „Kann ich nicht sagen. Vielleicht kommt er ja noch mal wieder.“ ich dazu. Janine machte einen fragwürdig skeptischen Mund. Das war nicht ihr Stil, mit anderen Menschen umzugehen. Meiner ja auch nicht. „Was willst du denn machen, Janine? Wochenlang diskutieren, ob ihr euch nicht mehr versteht? Ich will einfach nicht mehr. Hab' keine Lust auf den Typen mehr. Soll ich ihm sagen „Verschwinde, ich hab' dich satt.“? Ist das freundlicher? Jetzt ist er sauer auf mich. Soll er's, und ihm tut's nicht weh.“ erklärte ich. Bei Mutter, Gitti oder auch Janine war ich frei, hatte ich Lust, uneigennützig und absichtslos zu geben. Bei Thomas und den früheren Freunden? So war es da nie. Sie blieben immer in meinen kalkulatorischen Abläufen gefangen. Die Kommunikationsebenen, auf denen sich Liebe bildet, waren für fremde Männer bei mir nicht zugänglich. Erklären konnte ich es nicht, aber mit Julian hatte sich alles absolut anders entwickelt. „Ist die Sehnsucht nach Liebe, die Sehnsucht danach, die Einzigartigkeit unser Existenz vom anderen anerkannt und bewundert zu bekommen nicht gegenseitig erfüllt? Macht es uns nicht beide glücklich, dem anderen seine Liebe völlig uneigennützig und absichtslos zu schenken? Was wollen wir mehr? Wenn wir zwei Frauen oder zwei Männer wären, könnten wir uns Größeres nicht vorstellen. Du bist aber ein Mann und ich eine Frau, da reicht es nicht, da müssen wir auch zusammen ins Bett.“ erklärte ich leicht aufgebracht, aber unzufrieden war ich mit unserer Situation schon auch. Mit Männern, die ich nicht liebte, hatte ich gern Sex gehabt, aber mit Julian ging das nicht, so etwas passte nicht zu uns. „O. k., wir lieben uns, und zur Befriedigung unserer sexuellen Bedürfnisse suchen wir uns jeder einen anderen Partner.“ schlug Julian vor, ernst konnte er dabei aber auch nicht sein. Ich schaute ihn nur mit großen vorwurfsvollen Augen und einem mokanten Grinsen an. „Du kannst es nicht ertragen, nicht wahr? Fängst an völlig durchzudrehen, oder?“ kommentierte ich seinen Beitrag. Wir würden bestimmt selbst allein keine Lösung finden, da mussten wir uns schon den Geistern, die in der frühen Dämmerung über dem See schwebten, anvertrauen.

„Haben wir jetzt erlebt, wie ihr euch getrennt habt?“ wollte Janine wissen. „Kann ich nicht sagen. Vielleicht kommt er ja noch mal wieder.“ ich dazu. Janine machte einen fragwürdig skeptischen Mund. Das war nicht ihr Stil, mit anderen Menschen umzugehen. Meiner ja auch nicht. „Was willst du denn machen, Janine? Wochenlang diskutieren, ob ihr euch nicht mehr versteht? Ich will einfach nicht mehr. Hab' keine Lust auf den Typen mehr. Soll ich ihm sagen „Verschwinde, ich hab' dich satt.“? Ist das freundlicher? Jetzt ist er sauer auf mich. Soll er's, und ihm tut's nicht weh.“ erklärte ich. Bei Mutter, Gitti oder auch Janine war ich frei, hatte ich Lust, uneigennützig und absichtslos zu geben. Bei Thomas und den früheren Freunden? So war es da nie. Sie blieben immer in meinen kalkulatorischen Abläufen gefangen. Die Kommunikationsebenen, auf denen sich Liebe bildet, waren für fremde Männer bei mir nicht zugänglich. Erklären konnte ich es nicht, aber mit Julian hatte sich alles absolut anders entwickelt. „Ist die Sehnsucht nach Liebe, die Sehnsucht danach, die Einzigartigkeit unser Existenz vom anderen anerkannt und bewundert zu bekommen nicht gegenseitig erfüllt? Macht es uns nicht beide glücklich, dem anderen seine Liebe völlig uneigennützig und absichtslos zu schenken? Was wollen wir mehr? Wenn wir zwei Frauen oder zwei Männer wären, könnten wir uns Größeres nicht vorstellen. Du bist aber ein Mann und ich eine Frau, da reicht es nicht, da müssen wir auch zusammen ins Bett.“ erklärte ich leicht aufgebracht, aber unzufrieden war ich mit unserer Situation schon auch. Mit Männern, die ich nicht liebte, hatte ich gern Sex gehabt, aber mit Julian ging das nicht, so etwas passte nicht zu uns. „O. k., wir lieben uns, und zur Befriedigung unserer sexuellen Bedürfnisse suchen wir uns jeder einen anderen Partner.“ schlug Julian vor, ernst konnte er dabei aber auch nicht sein. Ich schaute ihn nur mit großen vorwurfsvollen Augen und einem mokanten Grinsen an. „Du kannst es nicht ertragen, nicht wahr? Fängst an völlig durchzudrehen, oder?“ kommentierte ich seinen Beitrag. Wir würden bestimmt selbst allein keine Lösung finden, da mussten wir uns schon den Geistern, die in der frühen Dämmerung über dem See schwebten, anvertrauen.

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der zubewegten, verunsicherte es mich leicht. „Richtig küssen?“ fragte ich<br />

noch, kurz bevor unsere Lippen zusammen kamen. Was sollte das denn? Julian<br />

<strong>und</strong> ich konnten uns doch küssen. Was verwirrte mich denn daran? Na ja, vielleicht<br />

tut man das nicht, seinen Bruder küssen, seinem Bruder gegenüber Lustgefühle<br />

entwickeln. Verdutzt schauten wir uns an. „Schön, nicht war?“ fragte<br />

ich lachend. „Oder hat's dir nicht gefallen?“ „Schon, schon, ist nur sehr komisch.<br />

Findest du nicht auch.“ meinte Julian. „Ungewohnt, haben wir ja auch<br />

noch nie gemacht.“ war meine Erklärung. „Ja, sollten wir vielleicht öfter machen,<br />

dann gewöhnen wir uns immer mehr daran.“ war Julians Reaktion. „Du<br />

meinst also <strong>die</strong> Lust könnte auch durch Gewöhnung kommen.“ so verstand ich<br />

Julian. Sein Gesicht sagte nicht, dass er das selber glaubte. „Es ist schon eine<br />

Krux mit uns. Früher hatten wir Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>in, mit denen wir ins Bett<br />

gegangen sind, <strong>die</strong> wir aber nicht lieben konnten. Jetzt lieben wir uns, können<br />

aber keine Lust aufeinander entwickeln.“ beklagte ich den Zustand unserer<br />

Beziehung. „Ich hätte ja schon Lust,“ meinte Julian, „aber mit dir kann ich mir<br />

das auch nicht vorstellen. Gorgette, es gibt überhaupt nichts, was ich an dir<br />

auszusetzen hätte, <strong>und</strong> es ist doch auch schade, dass wir uns all das<br />

W<strong>und</strong>erbare vorenthalten. Aber wir wollen es ja beide nicht, <strong>und</strong> das kann ich<br />

nicht begreifen.“ „Weißt du, Julian, so wie früher meine <strong>See</strong>le für meinen<br />

Fre<strong>und</strong> 'no go area' war, so ähnlich halten wir's jetzt mit unserer Körperlichkeit.<br />

Die Zone des körperlichen Empfindens vom jeweils anderen ist tabu. Lust<br />

durch Gewohnheit wird nicht entstehen, aber vielleicht können wir an der<br />

Tabugrenze etwas ändern. Dass ich dich gern mal Streicheln würde, könnte ich<br />

mir schon vorstellen. Wir sollten uns anders betrachten lernen. Ich sehe dir<br />

gern beim Sprechen zu, aber <strong>die</strong> Frage ob ich gern mal über <strong>die</strong>se Wange<br />

streicheln möchte, taucht nicht auf, weil sie verboten ist. Zu <strong>dem</strong> Verbot hat<br />

unser unbewusstes keine Berechtigung <strong>und</strong> wir sollten es missachten lernen.“<br />

war meine Empfehlung. Die Körperlichkeit des anderen intensiver<br />

wahrnehmen, das sollte uns zu neuen Ebenen führen. So sahen wir es.<br />

Die Strahlen der Märzensonne mit ihren vielen Rotanteilen wollten mir bis ins<br />

Herz leuchten, nur <strong>die</strong> Wärme, <strong>die</strong> sie mit sich brachten entsprach nicht ihrem<br />

prachtvollen Schein. Wir gingen mit unseren Kaffeetassen wieder ins Haus,<br />

denn auf der Terrasse konnte man es nicht lange aushalten. „Du sagst, du seist<br />

jetzt endlich richtig verliebt, aber keine Spur von Sehnsucht <strong>und</strong> Verlangen?<br />

Das ist allerdings in der Tat sonderbar.“ meinte Gitti zur Beschreibung meiner<br />

Situation. „Sonderbar ist das gar nicht. Ich liebe auch meine Mutter <strong>und</strong> dich<br />

zum Beispiel, <strong>und</strong> da ist das ja auch nicht so. Zu Julian hat sich auch Verständnis,<br />

Vertrauen <strong>und</strong> Zuneigung entwickelt, genauso, nur als Mann habe ich ihn<br />

nie wahrgenommen. Er war einer von uns, so wie seine Mutter <strong>und</strong> auch meine<br />

Mutter, Mitglied der Toscana Familie.“ erläuterte ich es. „Trotz<strong>dem</strong>,“ widersprach<br />

Gitti, „das kannst du gar nicht ausblenden. In deiner sexuellen Entwicklung<br />

hast du das für deinen Vater <strong>und</strong> deinen Bruder gelernt. Du lebtest mit ihnen<br />

<strong>und</strong> hast es unbewusst internalisiert. Bei einem fremden Mann kann das<br />

aber so nicht funktionieren, den siehst du zwangsläufig immer in seiner Rolle<br />

als Paarungspartner.“ „Vielleicht habe ich ihn ja auch nicht so gesehen, weil er<br />

gar nicht zur Verfügung stand, als wir fuhren. Zumindest war das der Gr<strong>und</strong><br />

für unseren unbeschwerten Kontakt. „Mit Julian wirst du als Mann sowieso<br />

<strong>Gorgi</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Geister</strong> über <strong>dem</strong> <strong>See</strong> – Seite 20 von 26

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