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Männer und Glück Nicht mit und nicht ohne

Eines Tages bat Heiner Ulrike, doch ganz zu ihm zu ziehen. Ulrike lehnte das ab. Eine Trennung von uns käme für sie nicht in Frage. Er liebe aber sie, und wolle mit ihr zusammen sein, und nicht mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn. Ulrike habe ihm darauf­hin klar gemacht, dass sie ihn zwar liebe und gern habe, ihre Tochter ihr aber noch mehr bedeute. „Dann geh doch zu deiner Tochter und vögel mit ihr.“ habe er wütend gerufen. Ulrike war aus dem Bett aufgestanden und sofort nach Hause gefahren. Sie kam heulend zu uns ins Zimmer, berichtete was sich zugetragen hatte, und verfluchte unablässig Heiner und sich selbst, dass sie sich darauf eingelassen hatte. In den nächsten Tagen rief Heiner ständig an. Wenn Ulrike seinen Namen oder seine Stimme hörte, legte sie sofort auf. Er wolle sich bei ihr entschuldigen, es täte ihm so schrecklich leid. Er könne sich selber nicht verzeihen, dass er so ausgerastet sei. Er habe Ulrike sehr tief ver­letzt, meinte ich zu ihm. Ich wisse nicht, ob er je wieder eine Chance bei ihr haben könne. Im Moment sei das jedenfalls wohl aussichtslos, eine Entschuldi­gung könne das nicht aus der Welt schaffen. Heiner rief auch dann nicht mehr an. Arme Ulrike.

Eines Tages bat Heiner Ulrike, doch ganz zu ihm zu ziehen. Ulrike lehnte
das ab. Eine Trennung von uns käme für sie nicht in Frage. Er liebe aber sie,
und wolle mit ihr zusammen sein, und nicht mit ihrer Tochter und ihrem
Schwiegersohn. Ulrike habe ihm darauf­hin klar gemacht, dass sie ihn zwar
liebe und gern habe, ihre Tochter ihr aber noch mehr bedeute. „Dann geh
doch zu deiner Tochter und vögel mit ihr.“ habe er wütend gerufen. Ulrike
war aus dem Bett aufgestanden und sofort nach Hause gefahren. Sie kam
heulend zu uns ins Zimmer, berichtete was sich zugetragen hatte, und
verfluchte unablässig Heiner und sich selbst, dass sie sich darauf eingelassen
hatte. In den nächsten Tagen rief Heiner ständig an. Wenn Ulrike seinen
Namen oder seine Stimme hörte, legte sie sofort auf. Er wolle sich bei ihr
entschuldigen, es täte ihm so schrecklich leid. Er könne sich selber nicht
verzeihen, dass er so ausgerastet sei. Er habe Ulrike sehr tief ver­letzt,
meinte ich zu ihm. Ich wisse nicht, ob er je wieder eine Chance bei ihr
haben könne. Im Moment sei das jedenfalls wohl aussichtslos, eine
Entschuldi­gung könne das nicht aus der Welt schaffen. Heiner rief auch
dann nicht mehr an. Arme Ulrike.

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Carmen Sevilla<br />

Männer <strong>und</strong> Glück<br />

<strong>Nicht</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> <strong>ohne</strong><br />

Ellis <strong>und</strong> Ulrike nie <strong>ohne</strong> Hoffnung<br />

Erzählung<br />

Les hommes sont comme des drogues –<br />

si les femmes commencent avec eux,<br />

les femmes ne peuvent pas vivre sans elle,<br />

mais pas avec eux.<br />

Eines Tages bat Heiner Ulrike, doch ganz zu ihm zu ziehen. Ulrike lehnte<br />

das ab. Eine Trennung von uns käme für sie <strong>nicht</strong> in Frage. Er liebe aber sie,<br />

<strong>und</strong> wolle <strong>mit</strong> ihr zusammen sein, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> <strong>mit</strong> ihrer Tochter <strong>und</strong> ihrem<br />

Schwiegersohn. Ulrike habe ihm daraufhin klar gemacht, dass sie ihn zwar<br />

liebe <strong>und</strong> gern habe, ihre Tochter ihr aber noch mehr bedeute. „Dann geh<br />

doch zu deiner Tochter <strong>und</strong> vögel <strong>mit</strong> ihr.“ habe er wütend gerufen. Ulrike<br />

war aus dem Bett aufgestanden <strong>und</strong> sofort nach Hause gefahren. Sie kam<br />

heulend zu uns ins Zimmer, berichtete was sich zugetragen hatte, <strong>und</strong><br />

verfluchte unablässig Heiner <strong>und</strong> sich selbst, dass sie sich darauf eingelassen<br />

hatte. In den nächsten Tagen rief Heiner ständig an. Wenn Ulrike seinen<br />

Namen oder seine Stimme hörte, legte sie sofort auf. Er wolle sich bei ihr<br />

entschuldigen, es täte ihm so schrecklich leid. Er könne sich selber <strong>nicht</strong><br />

verzeihen, dass er so ausgerastet sei. Er habe Ulrike sehr tief verletzt,<br />

meinte ich zu ihm. Ich wisse <strong>nicht</strong>, ob er je wieder eine Chance bei ihr<br />

haben könne. Im Moment sei das jedenfalls wohl aussichtslos, eine<br />

Entschuldigung könne das <strong>nicht</strong> aus der Welt schaffen. Heiner rief auch<br />

dann <strong>nicht</strong> mehr an. Arme Ulrike.<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 1 von 43


Männer <strong>und</strong> Glück - Inhalt<br />

Männer <strong>und</strong> Glück...................................................................................... 4<br />

Erinnerungen an leuchtende Tage................................................................. 4<br />

Erinnerungen an verliebte Zeiten..................................................................4<br />

Bettgeflüster <strong>mit</strong> Ulrike............................................................................... 5<br />

Gemeinsame Partnersuche.......................................................................... 6<br />

Kontaktaufnahme?..................................................................................... 7<br />

Neue Fre<strong>und</strong>e............................................................................................ 7<br />

Party bei Lehmans......................................................................................8<br />

Julies Verkupplung....................................................................................10<br />

Veränderte Ulrike..................................................................................... 11<br />

Abteilungsfète..........................................................................................12<br />

Ulrikes Fernweh....................................................................................... 14<br />

Lennies Schmerzen...................................................................................15<br />

Kontakte in der Firma............................................................................... 16<br />

Bürogespräch.......................................................................................... 16<br />

Ulrikes Amtsleiter..................................................................................... 17<br />

Cafégespräch........................................................................................... 17<br />

Zweifel....................................................................................................19<br />

Komm Lennie...........................................................................................19<br />

Lennies Heimat........................................................................................ 21<br />

Lösung von Mettmann............................................................................... 22<br />

In Bed with Lennie................................................................................... 23<br />

Stelle in Fos sur Mer................................................................................. 23<br />

Heiraten?................................................................................................ 25<br />

Auf in die Provence................................................................................... 26<br />

Neue Heimat – Neue Arbeit........................................................................27<br />

Alltagsleben.............................................................................................28<br />

Uli allein..................................................................................................28<br />

Ulrike auf dem Markt................................................................................ 29<br />

Zu Haus bei Heiner................................................................................... 30<br />

Heiners Unverschämtheiten....................................................................... 30<br />

Beschäftigung für Lennie........................................................................... 31<br />

Heiners Brief............................................................................................31<br />

Meeting Ulrike - Heiner............................................................................. 32<br />

Abgewischtes Kainsmal............................................................................. 32<br />

Heiners Pläne...........................................................................................33<br />

New Home <strong>und</strong> Ulrikes Gedanken............................................................... 34<br />

Heiner will heiraten...................................................................................35<br />

Christine................................................................................................. 35<br />

Heiners Kinder......................................................................................... 36<br />

Hochzeit <strong>mit</strong> Folgen.................................................................................. 37<br />

Ulrikes Sorge........................................................................................... 38<br />

Julies Bekanntschaft................................................................................. 38<br />

Liebesberatungen..................................................................................... 39<br />

Elterntreffen............................................................................................ 40<br />

Erics Heiratspläne.....................................................................................40<br />

Keine Reminiszenzen................................................................................ 41<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 2 von 43


Männer <strong>und</strong> Glück – <strong>Nicht</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> <strong>ohne</strong><br />

Erinnerungen an leuchtende Tage<br />

Erinnerst du dich noch, als das gleißende Sonnenlicht das Weiß der Fensterrahmen<br />

des gegenüberliegenden Instituts selbst zum Strahlen brachte, als die im<br />

leichten Wind schaukelnden Blättchen der Robinie wie von einem goldgrünen<br />

Schimmer gesprenkelt tanzten. Natürlich kannst du es erinnern. Es gab viele<br />

solcher Tage, nur dass es dich freudig stimmte, <strong>und</strong> dich offen <strong>und</strong> gelöst empfinden<br />

ließ, dieses Gefühl kannst du heute <strong>nicht</strong> zurückrufen. Es ist November<br />

geworden, <strong>und</strong> die Tage, an denen man <strong>nicht</strong> vermuten würde, dass es so etwas<br />

wie eine leuchtende Sonne gibt, sind vielzählig. Ein tiefgrauer Wolkenteppich<br />

hat sich wie triste Auslegware in einigen h<strong>und</strong>ert Metern über der Landschaft<br />

ausgebreitet, <strong>und</strong> lässt all die strahlenden Sommerfarben in fahlen, wie<br />

<strong>mit</strong> einem grauen Hauch belegten Tönen dumpf wirken. Deine Stimmung kann<br />

sich dem, was du siehst, <strong>nicht</strong> entziehen. Späße <strong>und</strong> Lust auf Ausgelassenheit,<br />

wohlige Glücksgefühle <strong>und</strong> schmunzelnde Zufriedenheit wollen sich heute <strong>nicht</strong><br />

einstellen. Du bist ernst. Vielleicht fällt dir all das ein, was dich unzufrieden<br />

macht, oder du lässt dich von Ereignissen unzufrieden stimmen, die dich gestern<br />

kaum berührt hätten. Das Wetter will dir seine Stimmung aufzwingen, in<br />

der Melancholie die Basis des Empfindens bildet.<br />

Erinnerungen an verliebte Zeiten<br />

Alle Erinnerung helfen <strong>nicht</strong>. Du kannst dich hinlegen, die Augen schließen <strong>und</strong><br />

davon träumen, aber die Realität ist, was du jetzt erlebst, was du jetzt empfindest.<br />

Träume von der Sehnsucht, von der Lust, von der Gier, die dieser Mann in<br />

dir erweckt hat, was nutzt es, wenn dich heute allein sein Anblick aggressiv<br />

macht. Rede dir ein, wie schrecklich du ihn geliebt hast, wie sehr du ihn gemocht<br />

hast, wie glücklich du <strong>mit</strong> ihm warst, es wird dein Empfinden heute<br />

<strong>nicht</strong> ändern. Es stimmt dich allenfalls traurig, dass all das vorbei ist.<br />

Er hatte <strong>nicht</strong>s gemacht, <strong>nicht</strong>s getan, war <strong>nicht</strong> <strong>mit</strong> anderen Frauen ins Bett<br />

gegangen oder Ähnliches. Eigentlich konnte ich ihm <strong>nicht</strong>s vorwerfen. Das einzige,<br />

was mich wütend, ärgerlich <strong>und</strong> enttäuscht stimmte, wenn ich ihn sah,<br />

war, dass er seit Beginn unseres Zusammenseins langsam immer mehr aufgehört<br />

hatte, mich zu lieben. Ich empfand mich unbeachtet <strong>und</strong> unerheblich für<br />

ihn. Wir fuhren auf völlig getrennten Schienen, <strong>und</strong> unsere Gleise entfernten<br />

sich immer weiter auseinander. Wozu lebte ich <strong>mit</strong> diesem Mann zusammen?<br />

Ich konnte es <strong>nicht</strong> ertragen, dass ich für diesen Untermieter, <strong>mit</strong> dem ich immer<br />

noch im gleichen Bett schlief, <strong>nicht</strong> mehr seine umworbene Partnerin, seine<br />

geliebte Fre<strong>und</strong>in, seine begehrte Frau war. Gleich bei den ersten Versuchen,<br />

darüber zu reden, vor zwei Jahren, war wahrscheinlich alles gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

falsch gelaufen. Ich hatte mich, wenn auch moderat, über sein Verhalten<br />

beklagt. Es hatte zur Folge, dass er es abzustreiten <strong>und</strong> zu entkräften versuch-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 3 von 43


te. Alle weiteren Gespräche hatten diese Basis, <strong>und</strong> John, so nannte ich meinen<br />

Partner Johannes, sah nie ein, dass in unserer Beziehung irgendetwas<br />

<strong>nicht</strong> in Ordnung sei, <strong>und</strong> er sein Verhalten überdenken müsse. Bis vor einem<br />

halben Jahr hatte mich mein Sexualtrieb immer noch <strong>mit</strong> ihm schlafen lassen,<br />

aber jetzt war es soweit, dass ich seine Berührungen <strong>nicht</strong> mehr ertragen<br />

konnte. Warum lebte ich noch <strong>mit</strong> ihm zusammen. Warum wohnte ich noch<br />

hier? Gab es irgendwelche Gründe, Verpflichtungen, Zwänge? Warum tat ich<br />

mir das an? Weil meine Erinnerungen sagten, wie bezaubernd es früher mal<br />

gewesen war, nur <strong>mit</strong> dem Leben jetzt hatte es <strong>nicht</strong>s zu tun.<br />

Weil das Haus <strong>nicht</strong> mir gehörte, zog ich zunächst mal zu meiner Mutter, die<br />

sich schon vor zehn Jahren von meinem Vater getrennt hatte, <strong>und</strong> seitdem<br />

ganz allein in ihrem Haus lebte.<br />

Bettgeflüster <strong>mit</strong> Ulrike<br />

Am Abend meines Einzugs waren wir nach dem Abendessen am Küchentisch<br />

sitzengeblieben, <strong>und</strong> hatten uns bei einigen Gläsern Rotwein bis spät in die<br />

Nacht unterhalten. Als wir endlich zu Bett gehen wollten, meinte meine Mutter:<br />

„Komm doch <strong>mit</strong> zu mir. Schlaf bei mir im Bett, da können wir uns dann noch<br />

weiter etwas erzählen.“ Also ging's gemeinsam in Mutters Ehebett, ungewöhnlich,<br />

aber ich fand's auch viel angenehmer. „Weißt du, Ellis,“ sagte Ulrike, ich<br />

hatte meine Eltern immer <strong>mit</strong> Vornamen angeredet, „im Gr<strong>und</strong>e bin ich total<br />

glücklich, dass du wieder da bist. Warum? Ich weiß das gar <strong>nicht</strong> so genau.<br />

Vielleicht, weil ich froh bin, dass die bedrückende Lage für dich zu Ende ist,<br />

vielleicht aber auch einfach nur, weil du da bist, hier bei mir. Es freut mich,<br />

dich zu sehen, <strong>mit</strong> dir zu reden, etwas dafür tun zu können, da<strong>mit</strong> du glücklich<br />

bist. Für mich bist du meine allergrößte Liebe. Die Liebe, die am nächsten an<br />

meinem Herzen ist. Andere Liebe hat eine Historie, unser Liebe ist für mich<br />

<strong>ohne</strong> Geschichte. Sie ist wie ein unveränderbares Kontinuum, das immer besteht.<br />

Sie ist etwas von mir selbst, etwas das mich glücklicher sein lässt, jeden<br />

Tag, dass bist du, meine Liebste.“ Ich konnte gar <strong>nicht</strong>s dazu sagen. Was bewegte<br />

sie zu dieser plötzlichen Liebeserklärung. Natürlich wusste ich, dass wir<br />

uns gegenseitig sehr viel bedeuten, trotzdem wärmte es mein Herz, mein Herz,<br />

das jahrelang Liebesverweigerung <strong>und</strong> Ungeliebtsein ertragen hatte. Ich beugte<br />

mich über Mom <strong>und</strong> wir küssten uns. Meinen Kopf hatte ich jetzt auf ihre<br />

Schulter gelegt, <strong>und</strong> während Uli mir durchs Haar strich, oder <strong>mit</strong> ihren Fingern<br />

in meinem Gesicht spielte, meinte ich: „Aber <strong>mit</strong> der Geschichtslosigkeit das<br />

hab' ich <strong>nicht</strong> verstanden. Wenn du das kleine Mädchen liebst, ist es doch etwas<br />

anderes, als wenn du jetzt die vierzigjährige Frau liebst.“ „Nein, nein, es<br />

geht ja <strong>nicht</strong> um dein Alter <strong>und</strong> das was du jetzt gerade machst, es geht ja um<br />

deine Person, deine Persönlichkeit, um den Menschen Ellis, ob der klein, groß,<br />

jung oder alt ist, spielt dabei keine Rolle.“ erläuterte mir Ulrike. „Und als du <strong>mit</strong><br />

mir geschimpft hast, als ich klein war, hast du mich da auch geliebt?“ fragte ich<br />

spöttelnd nach. „Wen man liebt, den züchtigt man.“ war Ulis Replik, die uns<br />

noch Anlass zu weiterem launigen Gerede gab. „Willst du dir denn eigentlich<br />

wieder einen anderen Mann zulegen?“ fragte Ulrike mich plötzlich. „Ich weiß es<br />

auch <strong>nicht</strong> genau. Prinzipiell ist das ja <strong>nicht</strong> übel, aber im Moment sehe ich in<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 4 von 43


allen Männern John, Menschen, die nach der berauschenden Zeit ihrer<br />

Sehnsüchte <strong>und</strong> Begierden, gar <strong>nicht</strong> mehr wissen, was Liebe ist. Das ist <strong>nicht</strong><br />

nur enttäuschend, sondern ich empfinde es auch für mich selbst als Person<br />

entwürdigend <strong>und</strong> erniedrigend. Nach einem halben Jahr bist du nur noch zum<br />

Ficken da, <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> der Herr Gesellschaft hat, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> so allein ist. So<br />

etwas möchte ich auf keinen Fall nochmal erleben.“ legte ich meine<br />

augenblickliche Sichtweise dar, <strong>und</strong> fragte sie selbst, „Hast du dich denn<br />

damals von Mark getrennt, <strong>und</strong> warst dir sicher, nie wieder <strong>mit</strong> einem Mann zu<br />

tun haben zu wollen?“ Ulrike lachte sich halb tot. „Ja, aber du bist doch seit<br />

dem völlig abstinent geblieben.“ schob ich nach. „Ich geh uns noch mal 'nen<br />

Wein holen.“ erklärte Ulrike, indem sie aus dem Bett sprang <strong>und</strong> in die Küche<br />

lief. „Nein, im Gegenteil.“ begann Ulrike zu erläutern als sie uns <strong>mit</strong> Wein<br />

versorgt hatte, <strong>und</strong> wieder im Bett war, „Wir haben uns ja damals <strong>nicht</strong> im<br />

Streit getrennt. Es war einfach öde <strong>und</strong> fad geworden. Wir hatten keine Lust<br />

mehr aufeinander. Die wollte ich aber haben. Nur war das <strong>nicht</strong> so leicht. Mit<br />

fünf<strong>und</strong>zwanzig da kannst du noch jeden Tag 'nen neuen Lover finden, <strong>mit</strong><br />

zwei<strong>und</strong>fünfzig gibt’s gar keine Männer mehr, die dir gefallen <strong>und</strong> frei sind. Nur<br />

mal so Sexabenteuer <strong>mit</strong> verheirateten Männern, das wollte ich ja auch <strong>nicht</strong>,<br />

ich suchte ja etwas Dauerhaftes, <strong>und</strong> da war alles mau. Zu Anfang habe ich<br />

mich noch relativ intensiv bemüht, aber dann <strong>und</strong> <strong>mit</strong>tlerweile sowieso hab<br />

ich's aufgegeben.“ „Du bist frustiert, hast resigniert, wie kommst du denn<br />

da<strong>mit</strong> klar?“ fragte ich nach. „Ach Ellis, wenn es <strong>nicht</strong>s gibt, was willst du da<br />

machen? Du bist einfach gezwungen es zu akzeptieren, <strong>und</strong> musst ab <strong>und</strong> an<br />

<strong>mit</strong> dir selber vorlieb nehmen.“ antwortete Ulrike. „Ja, machst du das noch,<br />

hast du da noch Lust drauf?“ wollte ich von ihr wissen. „Wieso denn <strong>nicht</strong>?“<br />

reagierte Uli erstaunt, „Wenn du ne alte Frau beißt, dann tut ihr das genauso<br />

weh wie einer jungen, <strong>und</strong> wenn ich mir die Clit streichle, erregt mich das<br />

genauso wie dich. Nur die Situation ob <strong>mit</strong> Mann oder alleine, ist natürlich eine<br />

völlig andere. Wenn du <strong>mit</strong> 'nem Mann fickst, dann bist du gut drauf, dann hast<br />

du Spaß, dann bist du high, <strong>und</strong> alleine machst du's meistens, wenn du den<br />

Blues hast. Ist bei mir wenigstens so.“ Dann unterhielten wir uns noch über<br />

weitere sexuelle Details, <strong>und</strong> schliefen <strong>mit</strong> der gegenseitigen Erkenntnis ein,<br />

dass wir beide unbedingt Männer brauchten, <strong>und</strong> keinen Tag mehr verstreichen<br />

lassen wollten, uns darum zu kümmern.<br />

Gemeinsame Partnersuche<br />

Nachdem wir uns kurz vor Samstag<strong>mit</strong>tag endlich aus den Federn gequält hatten,<br />

<strong>und</strong> uns am Frühstückstisch gegenüber saßen, schauten wir beide uns an,<br />

fingen an zu grinsen <strong>und</strong> platzten dann beide lachend los. „Wir machen das <strong>mit</strong><br />

den Männern, Mom, wie auch immer. Ich freu mich schon drauf. Das wird bestimmt<br />

lustig.“ versicherte ich, nachdem wir uns wieder halbwegs beruhigt hatten.<br />

Einfach so zuschauen, ob man <strong>nicht</strong> mal zufällig jemanden traf, schied wegen<br />

der minimalen Erfolgsaussichten aus. Bei der Möglichkeit, Anzeigen aufzugeben,<br />

lachten wir uns aber über die Anzeigentext Entwürfe so schlapp, dass<br />

wir wussten, so geht’s auch <strong>nicht</strong>. Es blieb einzig Partnerver<strong>mit</strong>tlungsagentur<br />

übrig. Eine schien uns am seriösesten, war allerdings auch <strong>nicht</strong> billig. Na, aber<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 5 von 43


unser Glück wollten wir uns ja schließlich schon etwas kosten lassen. Wir wurden<br />

zunächst mal durch einen psychologischen Minitest gescannt, um ein Profil<br />

zu erstellen, nachdem uns die Männer als Favoriten empfohlen wurden, die am<br />

weitgehendsten <strong>mit</strong> uns übereinstimmten. Jetzt mussten wir auf E-Mails von<br />

interessierten Herren warten, oder konnten uns natürlich auch selbst bei<br />

anderen melden. Mon dieu, die ganze Welt wollte uns heiraten. Wir hatten<br />

sofort Fotos von uns eingestellt, da<strong>mit</strong> die betreffenden eine gewisse<br />

Vorstellung von uns bekamen. Wir waren nämlich bei der Aufstellung unserer<br />

eigenen Kriterienliste zu der Ansicht gekommen, dass das Aussehen von<br />

wichtiger Bedeutung sei. Wir suchten zwar <strong>nicht</strong> unbedingt einen Adonis, aber<br />

wie sollte frau <strong>mit</strong> einem Mann ins Bett gehen, dessen Aussehen in ihr<br />

unangenehme Assoziationen weckte? Das entscheidendste Kriterium war<br />

natürlich seine Persönlichkeit, sein Charakter, sein Verhalten, aber im Bett<br />

musste er es natürlich auch noch bringen, deswegen waren wir ja darauf<br />

gekommen. Nur nette Geschichten erzählen konnten wir uns schließlich auch<br />

selbst. Dabei stellte sich natürlich die Frage, wie genau man das bei der<br />

Partnerver<strong>mit</strong>tlung herausfinden sollte. Wir meinten, man könne sich vor<br />

ersten Dates ja auch länger schreiben, <strong>und</strong> gegenseitig mehr Vertrauen<br />

entwickeln, das man auch derartige Fragen ansprechen könne. So sollte es<br />

gemacht werden. Keine schnellen Dates, sondern zunächst ausführlicher<br />

Schriftwechsel.<br />

Kontaktaufnahme?<br />

Drei<strong>und</strong>vierzig Typen hatten wir letztendlich, <strong>mit</strong> denen wir E-Mails austauschten.<br />

Ungeheuer viel Arbeit. Ulrike, die ja <strong>nicht</strong> mehr beschäftigt war, verbrachte<br />

ganze Tage da<strong>mit</strong>. Sie hatte ein System entwickelt, da<strong>mit</strong> man den Überblick<br />

behielt. Die Schreiben für meine Lover hatte sie <strong>mit</strong> übernommen. Sie<br />

schrieb einen Gr<strong>und</strong>satztext, zum Beispiel zu Ostern, oder zum Wetter oder<br />

welches Thema ihr sonst gerade einfiel, den bekamen alle gleich <strong>und</strong> dann<br />

wurde noch kurz auf die jeweils letzte E-Mail eingegangen. Dass man jemals zu<br />

einem der Briefwechselpartner direkten persönlichen Kontakt haben wollte, war<br />

völlig ins Hintertreffen geraten, im Vordergr<strong>und</strong> stand der Briefwechsel selbst,<br />

<strong>und</strong> bei so intensiver Beschäftigung hätte man ja auch gar keine Zeit für einen<br />

Mann gehabt. Wir lachten uns tot über uns selber, <strong>und</strong> waren glücklich dabei.<br />

Mit einer Fre<strong>und</strong>in war ich zur Aufführung eines Schülertheaters für die Eltern<br />

gegangen. Ihre Tochter spielte <strong>mit</strong>.<br />

Neue Fre<strong>und</strong>e<br />

Bei dem kleinen anschließenden Empfang kam ich <strong>mit</strong> einem Vater ins Gespräch,<br />

<strong>mit</strong> dem ich mich geistreich unterhalten konnte. Ich erklärte ihm, wieso<br />

ich hier sei, <strong>und</strong> kam lustig auf unsere Partnersuche zu sprechen. Wobei ich<br />

auch erzählte, dass sich dadurch bei Mutter jetzt viel mehr Interesse am Briefe<br />

schreiben als an Männern entwickelt habe. Er fand das alles so lustig <strong>und</strong> kuri-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 6 von 43


os, dass er nach weiterer amüsanter Unterhaltung meinte, die Frau würde er ja<br />

gern mal kennenlernen. Kein Problem, er wurde eingeladen, stellte aber ausdrücklich<br />

fest, dass er auf keine irgendwie geartete Weise eine neue Partnerin<br />

suche.<br />

Er war verheiratet, hieß Gerd Lehman, war fünfzig Jahre alt <strong>und</strong> hatte zwei erwachsene<br />

Kinder. Er war Leiter des städtischen Kulturamtes <strong>und</strong> war tatsächlich<br />

auf dem Weg vom Büro nach Hause bei uns vorbei gekommen. „Meine<br />

Tochter hat mir gesagt, sie wollten mich besichtigen.“ empfing ihn Ulrike lachend.<br />

„Ja, ich fand es so lustig <strong>und</strong> interessant, wie <strong>und</strong> was ihre Tochter darüber<br />

berichtet hatte, dass ich es zwar <strong>nicht</strong> so, aber so ähnlich zum Ausdruck<br />

gebracht habe. Ich fand das Gespräch <strong>mit</strong> ihrer Tochter aber so anregend <strong>und</strong><br />

unterhaltsam, dass ich dachte, sie müssten sehr interessante <strong>und</strong> glückliche<br />

Menschen sein, <strong>und</strong> es schade gef<strong>und</strong>en hätte, wenn sich unsere Bekanntschaft<br />

auf diese kurze Episode beschränkt hätte.“ Bei Kaffee <strong>und</strong> einigen Kuchenstückchen<br />

unterhielten wir uns angeregt über alle möglichen Themen,<br />

über's Älter werden, über Beziehungen <strong>und</strong> ihre Entwicklungen, über seine Arbeit<br />

im Kulturamt, nur über's Partner-Mails schreiben sprachen wir kaum. Als<br />

Herr Lehmann gehen musste, erklärte er, dass es ihm sehr gut gefallen habe,<br />

er den Kontakt gerne aufrecht halten möchte, <strong>und</strong> ob er uns nochmal besuchen<br />

dürfe. „Nein, kommen sie zu mir, dann können sie auch meine Frau kennenlernen,<br />

<strong>und</strong> sich überzeugen, dass ich niemanden von ihnen heiraten will.“<br />

forderte er uns auf. Mom erklärte das zu einer Beleidigung, schöner als wir <strong>mit</strong><br />

unseren 43 Liebhabern könne niemand sein. Frau Lehmann war ebenfalls so<br />

aufgeschlossen <strong>und</strong> lustig, wie ihr Mann, <strong>und</strong> schon bald entwickelte es sich<br />

primär zu einem Gespräch unter den drei Frauen, wir sollten zum Essen bleiben,<br />

<strong>und</strong> Gerd sollte uns etwas Leckeres zubereiten. Ulrike ging ganz selbstbewusst<br />

<strong>und</strong> offen <strong>mit</strong> ihrer Partnerver<strong>mit</strong>tlung um. Sie frage sich oft selber,<br />

warum ihr das Spaß mache, es sei einfach ein gutes Gefühl, die Bedürfnisse<br />

der Männer dirigieren zu können, die dringlich näheren Kontakt wünschten. Sie<br />

käme sich ein wenig so vor, als ob sie <strong>mit</strong> den Emotionen der Männer spielen<br />

könne. „Die meisten Frauen erfahren das über viele Jahre, oder ihr ganzes Leben<br />

umgekehrt. Ich habe auch <strong>nicht</strong> gewusst, welch gutes Gefühl von Stärke<br />

es einem ver<strong>mit</strong>teln kann, <strong>und</strong> dass man früher oft gar <strong>nicht</strong> gewusst hat, worunter<br />

man wirklich leidet. Du hast dich freiwillig selbstverständlich in eine untergeordnete<br />

Position begeben, die um Liebe, Zärtlichkeit <strong>und</strong> Anerkennung<br />

bettelt, <strong>und</strong> dankend glücklich ist, solange sie sie gnädig erhält. Du hast gemeint,<br />

du wärst verliebt, <strong>und</strong> hättest eine gleichberechtigte Partnerschaft. So<br />

etwas könnte ich mir heute gar <strong>nicht</strong> mehr vorstellen. Aber ob ich außer dem<br />

Umgang <strong>mit</strong> Briefen in der Realität je etwas anderes erhalten könnte, steht ja<br />

völlig in den Sternen. Es ist mir im Gr<strong>und</strong>e auch viel zu vage, so gefällt es mir<br />

viel besser. Außerdem ist es so auch viel prickelnder, sich <strong>mit</strong> gegenseitigen<br />

Schmeicheleien beglücken zu wollen. Wenn du einen hast, ist das Bedürfnis,<br />

der Wunsch, das Verlangen erfüllt, so fühlen wir uns, ich von 20 <strong>und</strong> Ellis von<br />

23 Männern begehrt, <strong>nicht</strong> schlecht, das gibt dir selber auch einen Wert.“ erläuterte<br />

Ulrike zwar ernst, aber wir lachten trotzdem ausgiebig. „Ja, ja, vieles<br />

fällt einem in seiner patriarchal dominierten Selbstwahrnehmung überhaupt<br />

<strong>nicht</strong> auf. Du kannst gar <strong>nicht</strong> erkennen, warum du <strong>nicht</strong> glücklich bist. Dir<br />

scheint ja alles in Ordnung. Ich glaube, ich muss auch mal versuchen, die Do-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 7 von 43


mina in mir zu entdecken.“ scherzte Renate.<br />

Party bei Lehmans<br />

Wir trafen uns jetzt häufiger, mal kam Renate allein zu uns, mal besuchten wir<br />

Lehmanns. Wir unternahmen auch öfter etwas gemeinsam, besonders besuchten<br />

wir viel häufiger kulturelle Veranstaltungen, weil Gerd oft sowieso anwesend<br />

sein musste. Auf der nächsten Geburtstagsparty waren wir selbstverständlich<br />

auch eingeladen, <strong>und</strong> die Tochter Julie, die offiziell Julia hieß, <strong>und</strong><br />

kurz vorm Abitur stand, unterhielt sich ganz besonders interessiert <strong>mit</strong> Ulrike.<br />

Es schien, als ob die beiden alles über Liebe <strong>und</strong> Beziehungen untereinander<br />

erörtern wollten. „Trotzdem,“ erklärte Julie, „wenn mich die Beziehung zu einem<br />

Mann glücklich machen soll, muss ich ihn doch haben, muss ich ihn doch<br />

anfassen, etwas <strong>mit</strong> ihm machen können. Alles andere ist doch nur wie schöne<br />

Träumerei <strong>und</strong> Wunschvorstellung.“ „Vielleicht ist das ja gerade das Schönste,<br />

es zu wünschen, das Gefühl Sehnsucht danach zu haben, deine unerfüllte Begierde,<br />

die dich beflügelt <strong>und</strong> erfüllt. Wenn alles erfüllt ist, verliert sich dieses<br />

Gefühl eventuell schnell.“ ergänzte Ulrike dazu. „Ulrike, du hast viel Ahnung,<br />

trotzdem verschafft mir der Traum von einem Mann keinen Orgasmus, <strong>und</strong> das<br />

will ich alles direkt erleben, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> sehnsüchtig herbei wünschen.“ bestand<br />

Julie auf ihrer Meinung. Ulrike gab ihr Recht, <strong>und</strong> meinte, ihre Darstellung diene<br />

nur zur Erklärung möglicher Entwicklungen in der Beziehung. „Ulrike, du<br />

braucht 'nen tatsächlichen Mann, 'nen realen.“ konstatierte Julie, „Wann willst<br />

du dir den denn suchen, wenn <strong>nicht</strong> jetzt. Was du jetzt machst, ist vielleicht<br />

ganz lustig, <strong>und</strong> erklärt dir ja auch selber vieles, aber im Gr<strong>und</strong>e ist es absurdes<br />

Theater. Unser Deutsch-Lehrer ist fast in deinem Alter, ein super Typ, ich<br />

könnte mich glatt in ihn verlieben. Er hat sich auch vor Jahren von seiner Frau<br />

getrennt. Ob er eine andere Beziehung hat, weiß ich natürlich <strong>nicht</strong>. Aber das<br />

finde ich raus, <strong>und</strong> dann werde ich euch beide verkuppeln.“ die beiden lachten,<br />

<strong>und</strong> Julie hatte offensichtlich an Ulrike starkes Interesse gef<strong>und</strong>en. Sie stellte<br />

sie den anderen als ihre Fre<strong>und</strong>in vor.<br />

Unter den anderen Partygästen hatte sich Ulrikes kuriose Beschäftigung natürlich<br />

schnell verbreitet. Kaum jemand traute sich, es bei Unterhaltungen zur<br />

Sprache zu bringen, nur Renates Bruder sprach sie direkt darauf an. Er finde<br />

das <strong>nicht</strong> in Ordnung, sie müsse doch auch mal an die armen Männer denken.<br />

„Stell dir vor, ich wäre einer von denen, würde dir immer liebe Mails schreiben<br />

<strong>und</strong> von dir erhalten. Ich wäre glücklich, weil ich dächte du würdest mich aus<br />

meiner Not befreien, wüsste aber gar <strong>nicht</strong>, dass du's gleichzeitig <strong>mit</strong> zwanzig<br />

anderen triebest. Deine Briefe <strong>mit</strong> den poetischen Formulierungen in Wirklichkeit<br />

Serienbriefe wären. Also ich halte das für gemeine Verarschungen, bei denen,<br />

die unschuldig Betroffenen überhaupt keine Chance haben, sie zu durchschauen.“<br />

„Männer sind nie unschuldig.“ entgegnete Ulrike flapsig, „Aber ich<br />

sehe schon, dass an dem, was sie sagen, etwas dran ist. Ich werde es mir<br />

noch mal durch den Kopf gehen lassen.“ Am nächsten Tag redeten wir länger<br />

darüber, <strong>und</strong> kamen zu der Entscheidung, das es ja im Gr<strong>und</strong>e <strong>nicht</strong> unsere<br />

Einstellung sei, Freude daran zu empfinden, fremden unbekannten Menschen<br />

weh zu tun, sie zu belügen <strong>und</strong> zu enttäuschen. Also alles einstellen? Wir woll-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 8 von 43


ten ja ursprünglich wirklich Männer finden, obwohl wir im Augenblick mehr das<br />

Empfinden hatten, ein Mann würde bei uns jetzt eher störend wirken. Wir<br />

konnten ja jeweils drei Kontakte, die uns am meisten zusagten, weiterhin pflegen.<br />

Für die anderen verfasste Ulrike einen Serienbrief. Die drei schauten wir<br />

uns noch einmal intensiver an. Es las sich alles ganz nett, trotzdem blieben sie<br />

sehr weit entfernt, virtuelle Männer. Es stimmte schon, was die junge Julie erklärt<br />

hatte, dass man sich erleben, sich erfahren müsse, um etwas zu entwickeln.<br />

Sollten wir die drei auch noch canceln oder sollten wir uns <strong>mit</strong> ihnen<br />

treffen. Wir waren höchst unschlüssig.<br />

Ich hielt es für müßig, langweilig <strong>und</strong> anstrengend, mich jetzt <strong>mit</strong> jemandem<br />

aus der Partnerver<strong>mit</strong>tlung zu treffen. Ich hatte überhaupt keine Lust darauf,<br />

diese dämlichen Kennenlernspielchen zu machen, <strong>und</strong> mich taxieren zu lassen.<br />

Ich wüsste gar <strong>nicht</strong>, was ich <strong>mit</strong> einem Mann, <strong>und</strong> dazu noch einem fremden<br />

jetzt sollte. Ich konnte mir <strong>nicht</strong> vorstellen, dass ich mich in so jemand verlieben<br />

würde, <strong>und</strong> hatte im Gr<strong>und</strong>e auch gar keine Lust darauf. Mir ging es gut,<br />

so wie ich lebte. Ulrike <strong>und</strong> ich mochten uns sehr, <strong>und</strong> unser Leben schien uns<br />

beide komplett glücklich zu machen. Sexuelle Bedürfnisse, die mich vielleicht<br />

intensiver an einen Mann hätten denken lassen, schienen sich bei mir seit John<br />

völlig erledigt zu haben. Ich verspürte einfach überhaupt kein Bedürfnis, kein<br />

Verlangen mehr. Sonderbar, es grenzte ja eigentlich an Körperverletzung, was<br />

er mir da angetan hatte, aber ich hatte keine Befürchtungen, das es wiederkommen<br />

würde. Ich erinnerte mich an eine frühere Trennung, nach der ich<br />

auch sehr lange Zeit benötigte, bis ich wieder das Gefühl hatte, rollig zu sein,<br />

<strong>und</strong> Verlangen nach Sex zu haben. Also ich wollte <strong>mit</strong> dem ganzen Partnerver<strong>mit</strong>tlungskram<br />

<strong>nicht</strong>s mehr zu tun haben. Aber was war denn <strong>mit</strong> unserer Diskussion<br />

in der Einzugsnacht? War das alles hinfällig? Wollten wir beide jetzt zusammenleben,<br />

<strong>ohne</strong> Männer. Oder etwa warten bis es uns <strong>mit</strong> 70 dann doch<br />

<strong>nicht</strong> mehr gefiel? Wir redeten mehrfach darüber, <strong>und</strong> Ulrike war es, der eine<br />

Beziehung <strong>mit</strong> einem Mann schon wichtiger erschien. Diese Partnerver<strong>mit</strong>tlungsgeschichten<br />

wollte sie auch abblasen. Sie sei zwar seit langen Jahren<br />

<strong>nicht</strong> mehr so erfüllt <strong>und</strong> glücklich gewesen, wie seit der Zeit, als wir zusammen<br />

wohnten, aber es gebe eben etwas, dass ich ihr <strong>nicht</strong> ver<strong>mit</strong>teln könne,<br />

<strong>und</strong> der Wunsch danach habe sich durch unser Gemeinsamkeit eher verstärkt,<br />

<strong>und</strong> habe die alte resignative Frustriertheit vertrieben. Sie fühle sich stärker,<br />

habe Lust <strong>und</strong> keine aufgegebene Hoffnung mehr. Ganz wichtig sei ihr aber,<br />

dass wir beide uns <strong>nicht</strong> mehr trennten. Dass wir beide zusammen blieben, sei<br />

für sie eine gr<strong>und</strong>legende Bedingung für alle weiteren Glückserwartungen.<br />

Julies Verkupplung<br />

Oberstufenfète in der Schule <strong>mit</strong> Lehrern <strong>und</strong> Lehrerinnen. Julie hatte Ulrike als<br />

ihre Fre<strong>und</strong>in <strong>mit</strong>geschleppt. Natürlich war der Deutsch-Pauker auch anwesend.<br />

Julie stellte beide einander vor <strong>mit</strong> überschwänglichen Lobpreisungen<br />

<strong>und</strong> einem Verweis auf ihr gegenseitiges Singleleben. Der Lehrer staunte verw<strong>und</strong>ert,<br />

<strong>und</strong> meinte, als Julie sich entfernt hatte,: „Will die kleine Hexe uns<br />

verkuppeln?“ Ulrike rettete die Situation, indem sie ganz offen sprach, <strong>und</strong> erklärte,<br />

dass Julie sehr viel von ihm hielte, ihn bew<strong>und</strong>ere, <strong>und</strong> ihn sehr möge.<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 9 von 43


Sie habe ihr von ihm vorgeschwärmt, <strong>und</strong> gemeint, dass es für sie besser sei,<br />

<strong>nicht</strong> allein zu leben, <strong>und</strong> ihr Deutschlehrer sei ein idealer Partner. Alles ganz<br />

lieb <strong>und</strong> gut gemeint gewesen, sei es von ihr. „Trotzdem möchte ich meine Beziehungsfragen<br />

schon lieber selber klären, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> von einer Schülerin organisieren<br />

lassen.“ erklärte er. „Selbstverständlich,“ meinte Ulrike, „sie meinte<br />

nur, uns beiden dadurch einen Gefallen zu tun.“ <strong>und</strong> dachte, „Julie, Julie, wenn<br />

du doch geschwiegen hättest.“, denn ein Kontakt <strong>mit</strong> dem Deutsch-Lehrer war<br />

natürlich jetzt unmöglich geworden.<br />

Veränderte Ulrike<br />

Aber Ulrike erhielt jetzt überall mehr Aufmerksamkeit bekam leichter Kontakte.<br />

Zu den Fotos für die Partnerver<strong>mit</strong>tlungsagentur war mir aufgefallen, dass sie,<br />

als ungepflegt konnte man es <strong>nicht</strong> bezeichnen, aber auf ihr äußeres Erscheinungsbild<br />

wenig Wert zu legen schien. Sie wirkte <strong>nicht</strong> attraktiv. Wahrscheinlich<br />

hatte sich diese Einstellung im Laufe der Jahre so entwickelt. Bei unseren<br />

Überlegungen zu einem neuen Outfit für attraktiv wirkende Fotos war Ulrike<br />

völlig neu gestylt worden. Sie wirkte jetzt <strong>nicht</strong> mehr, wie eine durchschnittliche<br />

ältere Frau von zwei<strong>und</strong>sechzig Jahren, sie entsprach eher dem Bild einer<br />

eleganten, schönen älteren Lady. Als ich einzog hatte ich sie als ganz normal<br />

empf<strong>und</strong>en, als so wie ich sie immer kannte. Trübsal <strong>und</strong> Enttäuschung waren<br />

ihr <strong>nicht</strong> anzusehen, aber jetzt schien sie aufgeblüht. Man hörte <strong>nicht</strong> nur häufiger<br />

ihr befreiendes Lachen, meistens umspielte auch ein fre<strong>und</strong>lich glückliches<br />

Lächeln ihre Gesichtszüge.<br />

„Es gefällt mir sehr, es ist sehr angenehm, ich komme mir vor als ob ich ein<br />

anderer Mensch geworden wäre. Sonst habe ich mich durch die Tage gemüht,<br />

jetzt genieße ich sie. Nur was bringt das alles? Einen Mann habe ich trotzdem<br />

<strong>nicht</strong> gef<strong>und</strong>en.“ schätzte Ulrike ihre Position ein. „Mom, ich sehe das genauso,<br />

wie du es einschätzt. Nur ich finde, dass ist ungeheuer viel. Das ist doch das<br />

Zentrale, wie du dich fühlst, wie du dich empfindest, ob du <strong>mit</strong> dir <strong>und</strong> deinem<br />

Leben glücklich <strong>und</strong> zufrieden bist, ein Mann wäre da ein schönes Surplus, aber<br />

doch <strong>nicht</strong> das Wesentliche, worum sich dein Leben drehen sollte. Ich denke,<br />

wir schaffen uns <strong>mit</strong> unserer Fixiertheit darauf einen Anlass für eigene Unzufriedenheit.<br />

Kann man das <strong>nicht</strong> einfach ignorieren? Zwar offen dafür sein,<br />

wenn es sich ergibt, aber dieses Suchen, dieses Männer taxieren, es nervt<br />

mich selber. Ich fühle mich dadurch in meiner Offenheit <strong>und</strong> Freiheit eher eingeschränkt.“<br />

erwiderte ich ihr. „Das machen wir dann zehn Jahre, <strong>und</strong> stellen<br />

fest, dass sich niemand in unseren offenen Armen befindet. So will ich's auch<br />

<strong>nicht</strong>.“ reagierte Ulrike. „Du schickst den Pessimismus aus deiner jahrelangen<br />

Erfahrung vorweg, aber du bist jetzt eine andere Frau. Es wird genügend Männer<br />

geben, die mehr <strong>mit</strong> dir zu tun haben möchten. Bei der Partnerver<strong>mit</strong>tlung<br />

hast du ja gesehen, wie sie dir zu Füßen lagen. Du hast <strong>und</strong> kannst alles, was<br />

einen Mann glücklich machen könnte, warum sollte sich niemand finden, den<br />

es danach verlangt?“ versuchte ich positive Erwartungen in ihr zu stärken. Wir<br />

kamen zu dem Schluss, dass wenn wir Männer suchten, es am besten sei,<br />

<strong>nicht</strong> ständig vordergründig daran zu denken.<br />

Eine andere Frau war Ulrike schon seit vielen Jahren geworden. Sie hatte das<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 10 von 43


damals verpönte Studium der kapitalistischen Betriebswirtschaft begonnen.<br />

Das große Industrieunternehmen, in dem ihr Vater beschäftigt war, hatte sie<br />

immer fasziniert. Dort hatte sie auch nach dem Studium eine Stelle bekommen,<br />

<strong>und</strong> Mark kennengelernt, der auch hier beschäftigt war. Ihre beruflichen<br />

Inhalte behandelte sie wie ihr wichtigen persönlichen Interessen, <strong>und</strong> war<br />

schon nach kurzer Zeit in der Firmen-Hierarchie aufgestiegen. Unabhängig von<br />

allen kapitalismuskritischen Gedanken machte ihr die Arbeit Spaß <strong>und</strong> sie erfuhr<br />

Bestätigung für ihre Kenntnisse <strong>und</strong> ihr Engagement. Als sie jedoch wegen<br />

Ellis nur noch <strong>mit</strong> halber St<strong>und</strong>enzahl arbeiten wollte, änderte sich alles. Sie<br />

bekam einen anderen, uninteressanteren Aufgabenbereich, war an<br />

Entscheidungsfindungen nur selten beteiligt, kam sich vor wie eine<br />

Aushilfskraft auf höherer Ebene. Sie fühlte sich an den Rand gedränt, kam sich<br />

unbeachtet vor. Sie überlegte sich, wieder voll zu arbeiten, aber wozu hatte sie<br />

eine Tochter, wenn sie einer Kinderfrau gehörte. Sie machte sich während der<br />

Jahre viel Gedanken über Aufgabe <strong>und</strong> Funktion ihrer Arbeit, <strong>und</strong> wollte, auch<br />

als sie es gekonnt hätte, gar <strong>nicht</strong> wieder voll arbeiten. Ihre Interessen hatten<br />

sich verlagert. Der früher eher vernachlässigte kulturelle Bereich war zum<br />

Schwerpunkt ihrer Interessen geworden. Sie habe das Leben entdeckt,<br />

beschrieb sie ihre gewandelten Vorlieben. Meinen Vater schien das überhaupt<br />

<strong>nicht</strong> zu tangieren. Er hatte wenig Zugang dazu, <strong>und</strong> verspürte auch kein<br />

Bedürfnis daran etwas zu ändern. Wenn er sich <strong>mit</strong> Ulrike in eine<br />

Opernaufführung schleppen ließ, ertrug er es hauptsächlich, weil man als<br />

akademisch Gebildeter so etwas ja <strong>nicht</strong> ablehnte, aber genießen konnte er<br />

<strong>nicht</strong>s daran. Mein Vater Mark hatte Ulrikes Entwicklung <strong>nicht</strong> im Geringsten<br />

<strong>mit</strong>vollzogen. Sie war <strong>nicht</strong> mehr die, die er mal geliebt hatte, <strong>und</strong> er war es<br />

<strong>nicht</strong> für sie. Sie lebten zwar zusammen, aber wussten <strong>nicht</strong>s mehr<br />

<strong>mit</strong>einander anzufangen, dass ihnen beiden Freude bereitete. So war es<br />

hauptsächlich Ulrikes Initiative zu verdanken, die sich fragte, welche<br />

Bedeutung ihr Zusammensein überhaupt noch habe, <strong>und</strong> die lieber frei <strong>und</strong><br />

ungeb<strong>und</strong>en sein wollte. Ein schönes Leben hatte sie sich für die Zukunft<br />

vorgestellt, aber auch wenn es <strong>nicht</strong> so eingetreten war, nach den alten<br />

Zuständen hatte sie sich keinen Tag zurückgesehnt. Die Basis für ein<br />

aufregendes, spannendes Leben war also schon vor zehn Jahren gelegt<br />

gewesen, nur sie hatte es <strong>nicht</strong> entwickelt, sondern immer mehr einschlafen<br />

lassen. Jetzt lebte sie wieder auf, in ihrem Leben, dass sie schon vor so vielen<br />

Jahren entdeckt hatte.<br />

Ich liebte sie umso mehr. Sie kam mir oft viel lebendiger <strong>und</strong> lebhafter vor als<br />

ich mir selber. Mir fielen dann Bilder ein aus ihrer wilden bewegten Studienzeit,<br />

von der sie mir öfter Storys erzählt hatte. Ich sah sie wie eine junge ausgelassene<br />

Studentin, die noch alles erleben wollte, <strong>und</strong> beneidete sie. Bei mir selbst<br />

hatte sich alles in relativ ruhigen, harmonischen Bahnen abgespielt. Ich hatte<br />

zwar mehrere unterschiedliche Beziehungen gehabt, aber verliebt in einen<br />

Mann, von dem ich dachte, <strong>mit</strong> ihm immer zusammenleben zu wollen, war ich<br />

– außer zu Beginn, wenn man das immer denkt – nie. Bei John war das noch<br />

am stärksten so. Möglicherweise habe ich es ja auch deshalb so lange <strong>mit</strong> ihm<br />

ausgehalten, weil ich selbst <strong>nicht</strong> wahrhaben wollte, das es <strong>nicht</strong> funktionierte.<br />

Der Wunsch, Kinder zu bekommen, hat sich bei mir nie eingestellt. Ich denke,<br />

er könnte sich allenfalls dann entwickeln, wenn ich mich sicher fühlte, <strong>mit</strong> ei-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 11 von 43


nem Mann immer glücklich zusammenleben zu können, oder es zumindest<br />

glaubte. Ich hatte nie einen Drang nach eigenen Kindern, <strong>und</strong> jetzt war es ja in<br />

einigen Jahren sowieso gr<strong>und</strong>sätzlich vorbei.<br />

Abteilungsfète<br />

Ich war Chemikerin <strong>und</strong> arbeitete in einem großen Industrieunternehmen. Eine<br />

kleine Feier fand statt, weil wir ein neues Produkt entwickelt hatten, <strong>und</strong> sofort<br />

auf dem Markt sehr erfolgreich da<strong>mit</strong> waren. Kurz nachdem die Feier begonnen<br />

hatte, war ich schon wieder zu Hause. „Was ist los? Was ist passiert?“ wollte Uli<br />

von mir wissen. Ich konnte gar <strong>nicht</strong>s sagen. Ließ mich auf einen Küchenstuhl<br />

fallen, <strong>und</strong> legte mein Gesicht in die Hände meiner auf den Tisch gestützten<br />

Unterarme. „Es ist doch was passiert. Wie siehst du denn aus, <strong>und</strong> warum bist<br />

du denn schon so früh zurück?“ bohrte Ulrike intensiver. Ich blies nur tief<br />

meine Luft zwischen den Lippen aus, <strong>und</strong> vergrub mein Gesicht in den Händen.<br />

„Ulrike, ich fass es <strong>nicht</strong>. Ich versteh es <strong>nicht</strong>. Ich bin ein absoluter Idiot.“ kam<br />

es aus mir heraus. „Was denn, sag doch endlich, was passiert ist.“ drängte Ulrike.<br />

„Ich hab' <strong>mit</strong> 'nem Angestellten aus der Firma gefickt, bei mir im Büro.<br />

Kannst du dir das vorstellen. Unmöglich! Unglaublich!“ brachte ich es endlich<br />

raus. Ulrike schmunzelte, schaute mich an, <strong>und</strong> fragte dann grinsend: „War's<br />

denn wenigstens schön?“ „Ulrike ich versteh das <strong>nicht</strong>, ich versteh das überhaupt<br />

<strong>nicht</strong>. Das ist mir in meinem ganzen Leben noch nie passiert, dass mich<br />

ein Mann ansieht, <strong>und</strong> ich hab' das Gefühl ich will den, jetzt, sofort <strong>und</strong> auf der<br />

Stelle, <strong>und</strong> wenn er <strong>nicht</strong> will, werd ich ihn vergewaltigen. So ähnlich war das<br />

zumindest. Ich unterhalte mich ganz locker <strong>mit</strong> einem Kollegen, so üblicher<br />

Smal-Talk, plötzlich sieht er mich <strong>mit</strong> ernstem Gesicht an. Es kommt mir vor,<br />

als ob sein Blick mir durch die Augen ins Gehirn greift, nein meinen ganzen<br />

Körper erfasst. Ich schau ihn auch an, <strong>und</strong> weiß, dass ich ihn jetzt unbedingt<br />

will. Alles andere ist verschw<strong>und</strong>en, darf sich gar <strong>nicht</strong> in meine Gedanken einmischen.<br />

Ich sag ihm nur: „Komm <strong>mit</strong>!“ <strong>und</strong> er folgt mir in mein Büro, wo wir<br />

beide dann sofort übereinander herfallen. Wie kann das denn, Ulrike? Seit John<br />

verspüre ich überhaupt keine sexuellen Regungen mehr, <strong>und</strong> jetzt will ich<br />

plötzlich <strong>mit</strong> einem fast fremden Mann, ich kenn nur seinen Namen, <strong>und</strong> weiß<br />

wo er arbeitet, unbedingt ganz dringend ficken. Ohne irgendetwas zu berücksichtigen.“<br />

erläuterte ich Uli die Situation dezidierter. „Ist das denn <strong>nicht</strong><br />

schön? Also ich hab' so etwas zum letzten Mal als Studentin erlebt. Ich empfand<br />

es ungeheuer erregend <strong>und</strong> himmlisch.“ meinte Ulrike dazu. „Ja aber das<br />

ist doch alles kein kurzer Traum, der nachher wieder verflogen ist. Es hat sich<br />

doch real so ereignet, <strong>und</strong> ist <strong>nicht</strong> wieder ungeschehen zu machen. Der Mann<br />

ist doch in unserer Firma, in unserer Abteilung. Ich werde ihm immer wieder<br />

begegnen. Er ist zwar <strong>nicht</strong> unsympathisch, aber ich will <strong>und</strong> werde <strong>nicht</strong>s <strong>mit</strong><br />

ihm zu tun haben, <strong>und</strong> trotzdem begegnet er mir immer wieder. Er ist jetzt ein<br />

für alle Mal <strong>nicht</strong> mehr der kaufmännische Angestellte Lennie, sondern immer<br />

jemand der seinen Schwanz in meiner Vagina gehabt, <strong>und</strong> meine Möse geküsst<br />

hat. Das will ich <strong>nicht</strong>, aber kann es <strong>nicht</strong> mehr ändern. Wenn er mich gefragt<br />

hätte, ob wir's <strong>nicht</strong> zusammen machen sollten, ich hätte mich gebogen vor<br />

Lachen. Er hat gar <strong>nicht</strong>s gesagt, keiner hat etwas gesagt, trotzdem war es<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 12 von 43


selbstverständlich, das wir beide ganz plötzlich total scharf aufeinander waren.<br />

Ich kenne solches Verhalten bei mir überhaupt <strong>nicht</strong>. Ich weiß gar <strong>nicht</strong> wo so<br />

etwas her kommt.“ versuchte ich Ulrike meine Situation zu erläutern.Sie meine,<br />

sie würde sich an meiner Stelle <strong>nicht</strong> so viele Vorhaltungen machen. Ich<br />

wüsste ja <strong>nicht</strong>, wie viele Leute im Betrieb <strong>nicht</strong> auch schon so etwas Ähnliches<br />

gemacht hätten. Das bliebe ja verborgen, <strong>und</strong> sei eine einmalige Geschichte.<br />

Sie würde eher das positive Moment, dass es für mich ja doch auch eindeutig<br />

gehabt habe, überwiegen lassen, <strong>und</strong> es als glückliche Überraschung erinnern.<br />

„Oh, Mom, trotzdem wühlt es mich ungeheuer auf. Ich brauche erst noch einen<br />

Wein. So schlafen kann ich jetzt <strong>nicht</strong>.“ reagierte ich. Wir redeten noch eine<br />

Weile. Ulrike war der Ansicht, das sich da vorher schon einiges in meinem Kopf<br />

abgespielt habe. „Ob dich jemand interessiert <strong>und</strong> sexuell reizt, entscheidest<br />

du doch <strong>nicht</strong> <strong>mit</strong> deinem Bewusstsein, da<strong>mit</strong> kannst du es nur konstatieren.<br />

Bei dir war das, was dein Unterbewusstsein möglicherweise zu diesem Lennie<br />

meinte, aber rational tubu. Wie du ihn beschreibst, ist er doch jemand, der<br />

deinem Wunschbild als Mann nahe kommt, <strong>und</strong> der Kontakt <strong>mit</strong> ihm hat dein<br />

Bedürfnis geweckt, das du aber gar <strong>nicht</strong> zulassen konntest. Sein Blick hat<br />

vielleicht nur die rationale Barriere aufgehoben.“ meinte sie, <strong>und</strong> Ulrike wollte<br />

immer mehr über Lennie wissen, aber ich wusste ja auch überhaupt <strong>nicht</strong>s von<br />

ihm, außer wo er arbeitete, wie er aussah, <strong>und</strong> wie er beim Ficken war, ich<br />

kannte noch <strong>nicht</strong> einmal seinen Nachnamen. Ich wollte das auch alles gar<br />

<strong>nicht</strong> wissen, sondern ihn so schnell wie möglich vergessen, obwohl er <strong>mit</strong> der<br />

Erinnerung an das Erlebnis wahrscheinlich immer verb<strong>und</strong>en bleiben würde.<br />

Ulrikes Fernweh<br />

Ulrike tanzte auf allen Hochzeiten, <strong>und</strong> konnte sich <strong>mit</strong>tlerweile vor amourösen<br />

Tändeleien <strong>nicht</strong> retten. Mehr wurde allerdings <strong>nicht</strong> daraus, entweder weil sie<br />

es <strong>nicht</strong> wollte, oder die Männer bremsten. Es gefiel ihr aber trotzdem <strong>nicht</strong><br />

schlecht, <strong>und</strong> sie hatte immer wieder Neues, Lustiges zu erzählen, <strong>und</strong> schien<br />

sich tatsächlich <strong>nicht</strong> mehr unter dem Zwang stehend, dringend einen Mann<br />

bekommen zu müssen, zu empfinden. Bei einem unserer Bettgespräche erklärte<br />

sie auch, dass sie sich im Gr<strong>und</strong>e ganz zufrieden fühle, es ihr gut gehe <strong>und</strong><br />

sie viel Spaß habe, aber manchmal sei sie melancholisch gestimmt. „Ellis, ich<br />

habe schon mal das Gefühl, dass meine Welt so klein, so begrenzt, so eng ist.<br />

Ich bin hier aufgewachsen, hier zur Schule gegangen, habe hier studiert, gearbeitet<br />

<strong>und</strong> gelebt. Außer im Urlaub bin ich hier nie raus gewesen. Ich kenne<br />

nur diese Stadt, <strong>und</strong> dabei kann ich noch <strong>nicht</strong> einmal sagen, dass ich sie liebe.<br />

Ich kenne <strong>nicht</strong>s anderes, ich kenne kein anderes Leben. Eigentlich habe ich<br />

das verpasst. Ich hätte schon anderswo studieren sollen. Vielleicht hätte ich<br />

mich dann auch <strong>nicht</strong> so stumpfsinnig selbstverständlich an diesen Betrieb gewandt,<br />

als ich eine Stelle suchte. Wenn ich das alles im Nachhinein betrachte,<br />

kommt es mir mürbe <strong>und</strong> platt vor. Ich habe vergessen, etwas zu erleben, ein<br />

anderes Leben kennen zu lernen. Meinst du man könnte da jetzt noch etwas<br />

dran ändern, oder ist alles zu spät?“ fragte mich Ulrike nach meiner Meinung.<br />

„Ja, da ist schon etwas dran. Auf mich trifft das ja genauso zu. Ich habe mir<br />

darüber nur noch nie Gedanken gemacht. Im Gr<strong>und</strong>e haben wir immer in dem<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 13 von 43


uns bekannten Rahmen vor uns hingemuffelt, Weltbürgerinnen sind wir jedenfalls<br />

<strong>nicht</strong>, auch wenn wir beide bei weltweit operierenden Firmen arbeiten, beziehungsweise<br />

gearbeitet haben. Ich weiß es <strong>nicht</strong>, was man da tun könnte.<br />

Ich würde sagen, verpasste Chancen.“ antwortete ich ihr. Ulrike wollte sich da<strong>mit</strong><br />

<strong>nicht</strong> abfinden,<strong>und</strong> meinte: „Wir könnten ja zum Beispiel anderswo hinziehen.<br />

Ich arbeite ja <strong>nicht</strong> mehr, <strong>und</strong> du als Chemikerin findest doch überall eine<br />

Stelle.“ „Ach Ulrike, wo willst du denn hinziehen? Wo es schöner ist, bekommen<br />

wir für den Wert unseres Hauses hier <strong>nicht</strong> mal eine Eigentumswohnung,<br />

<strong>und</strong> ich als Chemikerin <strong>mit</strong> vierzig Jahren, die in den letzten Jahren nur noch<br />

Expertisen <strong>und</strong> Anträge verfasst hat, wer will die denn? Du hast den dringenden<br />

Wunsch, hier rauszukommen, aber ich sehe da keine realistischen Möglichkeiten<br />

mehr. Es ist zu spät meine Liebe.“ versuchte ich ihr klar zu machen,<br />

aber Ulrikes Fernweh, Ulrikes Abenteuerlust schienen verbal <strong>nicht</strong> zu besänftigen.<br />

Mit einem lächelnden „Ich will aber.“ küssten wir uns, <strong>und</strong> legten uns<br />

schlafen.<br />

Lennies Schmerzen<br />

Wenn Lennie <strong>und</strong> ich uns in der Firma trafen, lächelten wir uns immer kaum<br />

merklich zu. Drei Wochen nach dem Ereignis fragte er, ob er mich mal sprechen<br />

könne. Nein, nein, nein, ich wollte <strong>nicht</strong>, sagte aber trotzdem fre<strong>und</strong>lich<br />

lächeln: „Selbstverständlich.“ Lennie druckste rum, <strong>und</strong> sagte dann, er wolle<br />

sich noch mal bedanken. „Lennie, was redest du für einen Unsinn. Wir haben's<br />

beide gewollt, haben's beide gemacht, <strong>und</strong> für beide war's o. k.. Niemand<br />

braucht sich bei dem anderen bedanken.“ entgegnete ich darauf. „Ja,“ meinte<br />

er dann, „Ich weiß <strong>nicht</strong> wie ich das sagen soll, für mich war das irgendwie<br />

mehr. Ich muss da immer dran denken.“ „Lennie, das war schön, es hat uns<br />

beiden gefallen, aber das war ein Mal. Eine schöne Episode. Es wird keine Wiederholung<br />

geben. Das steht fest <strong>und</strong> dabei bleibt es. Hast du denn keine Frau<br />

oder Fre<strong>und</strong>in?“ reagierte ich darauf. „Seit dem Abend <strong>nicht</strong> mehr.“ erklärte er.<br />

Kollegen, die meinten witzig sein zu wollen, hatten bei ihm zu Hause angerufen,<br />

<strong>und</strong> waren erstaunt, das seine Fre<strong>und</strong>in ihm das Telefon gab. Er habe immer<br />

nur gesagt, er wisse <strong>nicht</strong>, wovon sie redeten, <strong>und</strong> sie sollten sehen, dass<br />

sie wieder nüchtern würden. Sie hätten uns beide wohl gemeinsam Verschwinden<br />

sehen, <strong>und</strong> hätten wissen wollen, wie's denn gewesen wäre. Seine Fre<strong>und</strong>in<br />

habe es zwar als kurios empf<strong>und</strong>en, aber sich <strong>nicht</strong>s Konkretes gedacht. Er<br />

sei so dumm gewesen sich <strong>nicht</strong> im Bad, sondern im Schlafzimmer auszuziehen.<br />

„Du hast gefickt. Frisch gefickt. Ich riech es genau.“ habe sie ausgerufen,<br />

das Bettzeug genommen <strong>und</strong> sei in ihr Zimmer gegangen. Sie habe gar <strong>nicht</strong><br />

<strong>mit</strong> ihm darüber geredet, habe nur gesagt: „Wer so etwas einmal tut, tut es<br />

auch öfter. Das will ich <strong>nicht</strong>, <strong>und</strong> brauche ich <strong>nicht</strong>.“ dabei seien sie sechs Jahre<br />

zusammen gewesen. Sie habe in seiner Anwesenheit keine Träne vergossen<br />

<strong>und</strong> ihn zum Abschied <strong>nicht</strong> einmal geküsst, sondern nur „Mach's gut Lennie.“<br />

gesagt, wobei ihre Lippen allerdings gezittert hätten. Er hätte überhaupt keine<br />

Chance gehabt, irgendetwas zu erklären, dabei sei ihm so etwas wie <strong>mit</strong> uns<br />

auch noch nie passiert. Er könne es sich selbst gar <strong>nicht</strong> erklären. „Das ist ja<br />

sehr dumm für dich gelaufen, Lennie, trotzdem es bleibt dabei. Im Übrigen als<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 14 von 43


Ersatz für deine Fre<strong>und</strong>in zur Verfügung stehen, was mutest du mir denn zu.“<br />

machte ich ihm klar. „Nein, nein, ich habe ja auch so lange gewartet, bis ich<br />

dich anspreche. Es war einfach der Moment, wir kennen uns kaum, schauen<br />

uns an, <strong>und</strong> alles ist klar. Da läuft doch etwas in dir ab. Das machst du doch<br />

<strong>nicht</strong> <strong>mit</strong> jedem. Was ist das denn, da ist doch mehr. Das ist es was ich <strong>nicht</strong><br />

vergessen kann. Ich möchte dich öfter anschauen <strong>und</strong> von dir angeschaut werden.<br />

Wenn wir darüber geredet hätten, wäre ich nie auf die Idee gekommen.<br />

Aber in dem Augenblick habe ich <strong>nicht</strong>s anderes mehr sehen können.“ erläuterte<br />

er mir sein Verhalten, das ich ja so ähnlich von mir kannte. „Trotz alledem<br />

Lennie, ist das eigentlich dein richtiger Name?“ fragte ich ihn dabei, worauf er<br />

seinen Namen, Leonard Dykhoff, nannte, „Leonard, das finde ich viel schöner,<br />

viel erwachsener, viel männlicher, trotz allem, es wird keine Wiederholung <strong>und</strong><br />

auch keine Beziehung zwischen uns beiden geben. Ich will das <strong>nicht</strong>, <strong>und</strong> es<br />

hat auch keine Perspektive. Wir können uns ja weiterhin immer anschauen,<br />

wenn wir uns treffen, <strong>und</strong> dabei bleibt's.“<br />

Kontakte in der Firma<br />

Das taten wir natürlich. Es blieb <strong>nicht</strong> nur bei einem versch<strong>mit</strong>zten Lächeln, wir<br />

wechselten bald auch immer einige Worte. <strong>Nicht</strong> über Liebe <strong>und</strong> Beziehung,<br />

sondern über alles Mögliche. Es war fast immer fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> lustig. Ich<br />

mochte ihn ja, wenn ich ihn <strong>nicht</strong> gemocht hätte, wäre das bei der Fète bestimmt<br />

<strong>nicht</strong> passiert, nur eine Beziehung <strong>mit</strong> ihm, was sollte das denn werden.<br />

Ich wusste zwar <strong>nicht</strong>, wofür er sich interessierte, aber <strong>mit</strong> jemandem befre<strong>und</strong>et,<br />

dem es an Bildung mangelte, das konnte für mich <strong>nicht</strong> von Dauer<br />

sein. Und einfach nur <strong>mit</strong> ihm ficken? Lust hätte ich schon dazu. Als Mann war<br />

er <strong>nicht</strong> übel, das hatte ich ja erlebt. Ihn einmal in der Woche besuchen? Aber<br />

das war doch Irrsinn, da bleibst du doch <strong>nicht</strong> cool, da spielt sich doch mehr<br />

ab. Und beim Ficken cool bleiben, das konnte <strong>und</strong> wollte ich doch sowieso gar<br />

<strong>nicht</strong>. Unsere kurzen Gespräche bei zufälligen Treffen wurden immer länger,<br />

<strong>und</strong> manchmal kam Lennie direkt zu mir ins Büro. Beziehung oder gegenseitiges<br />

Verhältnis wurden nie angesprochen, er suchte meine Nähe, <strong>und</strong> mir war<br />

es angenehm. Beim Essen in der Kantine saßen wir immer zusammen, <strong>und</strong><br />

mancher vermutete sicher, dass wir mehr <strong>mit</strong>einander zu tun hätten. Wir<br />

kannten <strong>mit</strong>tlerweile unsere gegenseitigen Biographien im Detail, <strong>und</strong> Leonard<br />

beklagte sich immer noch darüber, dass seine Eltern ihn <strong>nicht</strong> wie seine<br />

Schwester zum Gymnasium, sondern zur Realschule geschickt hatten. Er habe<br />

es damals gar <strong>nicht</strong> überblicken können, <strong>und</strong> sei ganz froh gewesen, <strong>nicht</strong> so<br />

viel pauken zu müssen. Tatsächlich hätten seine Eltern ihn dadurch in eine andere<br />

gesellschaftliche Schicht katapultiert. Richtig deutlich sei ihm das erst geworden<br />

als er angefangen habe zu arbeiten, <strong>und</strong> da sei ihm alles Nachholen<br />

<strong>und</strong> Verändern zu mühselig <strong>und</strong> langfristig gewesen. Jetzt habe er sein ganzes<br />

Leben darunter zu leiden, dass er als minderbe<strong>mit</strong>telt angesehen werde. „Von<br />

dir doch auch, oder? Das ist doch <strong>mit</strong> Sicherheit dein Gr<strong>und</strong>. Wenn ich Diplom<br />

Kaufmann wäre, würde sich das für dich doch bestimmt alles ganz anders darstellen.<br />

Mich kannst du nirgendwo <strong>mit</strong> hinnehmen, mich kannst du nirgendwo<br />

vorzeigen. Das tut weh, einfach so immer weh.“ schloss er seine Darstellung.<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 15 von 43


Mir war es peinlich, in der Kantine weiter darüber zu reden, <strong>und</strong> ich bat ihn:<br />

„Lennie, lass uns das <strong>nicht</strong> hier weiter besprechen, komm zu mir ins Büro, da<br />

können wir dann weiterreden.“<br />

Bürogespräch<br />

Er ging sofort <strong>mit</strong> mir ins Büro. „Lennie, ich mag dich doch, sonst wäre das<br />

doch damals gar <strong>nicht</strong> passiert. Ich halte dich <strong>nicht</strong> für minderbe<strong>mit</strong>telt, sonst<br />

würde ich mich gar <strong>nicht</strong> immer <strong>mit</strong> dir unterhalten. Ich tue das, weil es mir<br />

gut gefällt, weil ich dich mag. Ich mag es dich zu sehen <strong>und</strong> wenn du mich besuchen<br />

kommst. Wenn ich dich für minderbe<strong>mit</strong>telt halten würde, wäre das bestimmt<br />

<strong>nicht</strong> so.“ erklärte ich ihm, <strong>und</strong> dann schilderte ich ihm meine Vorstellungen<br />

über Beziehungen. Ich sprach von den andauernden, sich immer wiederholenden<br />

Alltagsgegebenheiten, die man geregelt <strong>und</strong> bewältigt bekommen<br />

müsse, <strong>und</strong> da seien kurze Verliebtheit <strong>und</strong> schöne Betterlebnisse auf die Dauer<br />

<strong>nicht</strong> ausreichend, da erwarte man etwas von dem anderen, dass dieser<br />

auch erfüllen müsse. Wenn du den Eindruck hast, dein Partner verhält sich so,<br />

als ob er dich <strong>nicht</strong> mehr liebe, dann ist es <strong>mit</strong> deiner Liebe auch schnell vorbei.<br />

Wenn ich mich <strong>mit</strong> dir wohlfühlen möchte, indem wir uns eine Oper im<br />

Fernsehen anschauen, du willst aber lieber ein Fußballspiel anschauen, dann<br />

gefällst du mir dabei <strong>nicht</strong>. Das bezieht sich auf alle Bereiche, <strong>und</strong> Derartiges<br />

kann man <strong>nicht</strong> unbegrenzt ertragen. Dann weiß man <strong>nicht</strong> mehr, wozu man<br />

den Partner hat. „Wir mögen uns zwar gut leiden, aber als Basis für eine langfristige<br />

Beziehung reicht das <strong>nicht</strong>, Lennie. Ich denke wir werden zu viele unterschiedliche<br />

Interessen haben, <strong>und</strong> dann wird es ganz schnell <strong>nicht</strong> mehr<br />

funktionieren.“ schloss ich meine Erklärungen. Lennie hatte angestrengt zugehört,<br />

stand auf <strong>und</strong> lächelte. Ich verabschiedete ihn <strong>mit</strong> einem Kuss. Eigentlich<br />

mochte ich ihn wirklich sehr. Dieser kräftige Mann <strong>mit</strong> seinen feingeschnittenen<br />

Gesichtszügen, die beim Lächeln leichte Grübchen auf den Wangen bildeten,<br />

war allein vom Äußeren her schon für mich begehrenswert. Viel liebenswerter<br />

war mir aber, wie ich mich mich <strong>mit</strong> ihm unterhalten konnte, wie wir <strong>mit</strong>einander<br />

redeten. Unsere Kantinengespräche waren mir zu einer freudigen Erscheinung<br />

meines beruflichen Alltags geworden. Ich stellte mir vor, wie es wohl<br />

wäre, verliebt <strong>mit</strong> ihm herumzutollen.<br />

Ulrikes Amtsleiter<br />

Ulrike hatte wieder einen anderen Amtsleiter kennengelernt. Diesmal den Leiter<br />

des Chemischen Untersuchungsamtes. Als sie bei einer Unterhaltung die<br />

Darstellung seiner Tätigkeiten immer durch ironische Anfragen unterbrochen<br />

hatte, wurde er immer lebhafter <strong>und</strong> schien Gefallen an ihr zu finden. Gerd<br />

Lehman, der bei dem Empfang ebenfalls anwesend war, musste Auskunft über<br />

sie erteilen, <strong>und</strong> zum Schluss sprach der Chemiker Ulrike an, ob man sich <strong>nicht</strong><br />

mal wiedertreffen könne, da ihre Unterhaltung ihm so gut gefallen habe. Natürlich,<br />

in einem Café wollte man sich treffen, <strong>und</strong> unterhielt sich jetzt <strong>nicht</strong><br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 16 von 43


mehr über seine Lebens<strong>mit</strong>telkontrollen, sondern über sich persönlich. Ulrike<br />

fand ihn ganz sympathisch, alles andere <strong>und</strong> weitere stand für sie völlig in den<br />

Sternen. Der Amtsleiter Kurt schien sie wohl immer mehr zu mögen, aber Ulrike<br />

wartete immer noch auf ein Flämmchen oder einen Funken, der sich für ihn<br />

entzünden müsse. Sie traf sich zwar ganz gern <strong>mit</strong> ihm, <strong>und</strong> fand ihn auch<br />

ganz amüsant, aber alles weitere fehlte, sie konnte kein Verlangen empfinden.<br />

Als sie meinte, Kurt würde sich immer mehr in sie verlieben, brach sie die Beziehung<br />

ab, weil sie für sich keine Chance sah. „Uli für dein Alter bist du ganz<br />

schön wählerisch. Ein Typ, den du magst, <strong>und</strong> der dich liebt, was willst du denn<br />

mehr?“ beurteilte ich ihr Verhalten. Sie müsse sich darauf freuen können, <strong>und</strong><br />

finge <strong>nicht</strong> etwas an <strong>mit</strong> der Einstellung 'Na ja, könnt ja vielleicht etwas<br />

werden.' Das brauche sie <strong>nicht</strong>, sich mögliche Probleme ins Haus zu holen. Da<br />

ging's ihr <strong>ohne</strong> Mann besser. Das der bald auftauchen würde, dessen war ich<br />

mir bei Ulrikes derzeitiger Agilität <strong>und</strong> Außenwirkung sicher.<br />

Cafégespräch<br />

Nach einer Woche wollte Lennie mich wieder im Büro sprechen. Sonst kam er<br />

einfach so rein, jetzt fragte er vorher, ob er mich sprechen könne. Es schien<br />

Wichtigeres zu sein. Als ich nachfragte, worum es ginge, meinte er wegen unsere<br />

Gesprächs letzte Woche. Ich empfahl, uns doch dazu lieber nach der Arbeit<br />

im Café treffen, ich sei heute ziemlich beschäftigt, <strong>und</strong> darüber solle man<br />

doch lieber <strong>ohne</strong> Zeitdruck reden. Warum hatte ich mich eigentlich immer weiter<br />

auf Kontakte <strong>mit</strong> ihm eingelassen, wenn ich auf keinen Fall eine Beziehung<br />

<strong>mit</strong> ihm wollte. Im Gr<strong>und</strong>e genommen war es ja schon dazu gekommen. Wir<br />

küssten uns <strong>nicht</strong>, gingen <strong>nicht</strong> <strong>mit</strong>einander ins Bett, aber wo wir konnten, hingen<br />

wir zusammen. Mir gefiel es, <strong>und</strong> Lust auf mehr hätte ich <strong>ohne</strong> Frage gehabt.<br />

Nur die rationale Erwägung, dass eine dauerhafte Beziehung zwischen<br />

uns <strong>nicht</strong> funktionieren könne, hielt mich davon ab.<br />

Im Café erklärte mir Lennie, dass ich ja in der letzten Woche über Beziehungen<br />

gesprochen habe, <strong>und</strong> wenn er dazu etwas sagen wolle, er dies ja auch tun<br />

müsse, obwohl ich es ihm verboten hätte. „Weißt du Ellis, unser Erlebnis von<br />

damals, das steht für mich heute überhaupt <strong>nicht</strong> mehr im Vordergr<strong>und</strong>. Damals<br />

hat es mir viel bedeutet <strong>und</strong> mich fasziniert, <strong>mit</strong>tlerweile hat sich die Situation<br />

für mich völlig verändert. Du bist für mich <strong>nicht</strong> mehr eine faszinierende<br />

Frau, weil es so ein tolles Erlebnis war, <strong>mit</strong> dir zu ficken. Das ist unwichtig<br />

geworden, viel bedeutender bist du heute als Person für mich, als Mensch, den<br />

ich damals gar <strong>nicht</strong> kannte, <strong>und</strong> das ist nach <strong>und</strong> nach ein viel größeres Erlebnis<br />

für mich geworden. Was du gesagt hast über Beziehungen, dem stimme ich<br />

ja voll zu, <strong>und</strong> glaube auch, dass es sich leider sehr häufig so entwickelt, das<br />

Menschen auf verschiedenen Gleisen nebeneinander herfahren, nur ich könnte<br />

dem für mich so <strong>nicht</strong> zustimmen. Wenn wir uns liebten, wäre ich glücklich, dir<br />

jeden Wunsch von den Augen ablesen zu können. Wenn ich wüsste, dass es<br />

dich glücklich machen würde, dir eine Oper anzuschauen, machte es mich<br />

glücklich, dir den Wunsch erfüllen zu können. Es würde mich am glücklichsten<br />

machen, dich glücklich zu sehen. Dir Unangenehmes bereitet zu haben, würde<br />

mich wahrscheinlich selbst mehr kränken als dich. Ich liebe <strong>nicht</strong> mehr die<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 17 von 43


Frau, <strong>mit</strong> der ich gefickt habe, ich liebe dich, ich möchte dir zuhören, dich betrachten,<br />

in deiner Nähe sein, <strong>und</strong> vor allem mehr von dir hören, als dass du<br />

mich ganz nett findest. Das ist mein Traum, mein Wunsch <strong>und</strong> wenn das für<br />

dich auch so wäre, bedeutete es für mich das absolute Glück.“ beendete Leonard<br />

seine Liebeserklärung. Was sollte ich dazu sagen? Ich hatte es gern gehört.<br />

Es hatte mir sehr gut gefallen. Ich glaube so intensiv <strong>und</strong> deutlich hatte<br />

mir noch nie ein Mann seine Liebe erklärt. Ich wusste gar <strong>nicht</strong>, was ich tun<br />

sollte. „Leonard, gib mir einen Kuss.“ forderte ich ihn auf, <strong>und</strong> nachdem wir<br />

uns ein wenig intensiver geküsst hatten, erklärte ich: „Lennie, ich hab dich<br />

sehr, sehr gern.“ <strong>und</strong> meine Augen fingen an feucht zu werden. Warum? Ich<br />

weiß es <strong>nicht</strong>. Vielleicht weil ich mich hin <strong>und</strong> her gerissen fühlte, zwischen<br />

meinem Beschluss, keine Beziehung zu wollen <strong>und</strong> meinem derzeitigen Empfinden.<br />

Beim ersten Mal hatte mich sein Blick verführt, jetzt verführten mich<br />

seine Worte zu einem Traum von glücklichem Liebesleben. Einfach nein sagen,<br />

<strong>und</strong> meine strikte Ablehnung einer Beziehung wiederholen, konnte ich <strong>nicht</strong>.<br />

Im Moment befand ich mich ja in einem Zustand, in dem ich mir <strong>nicht</strong>s lieber<br />

wünschen würde als das. Ich wollte diesen Mann ja, sehr. Alles gefiel mir an<br />

ihm, ließ Träume in mir wach werden, <strong>und</strong> malte glückliche Bilder, nur die<br />

Angst vor einem möglichen späteren Mislingen unserer Beziehung hielt mich<br />

zurück. Mit einem gekünstelten Lächeln sagte ich: „Leonard, du hast mich verwirrt.<br />

Ich kann im Moment <strong>nicht</strong>s dazu sagen. Ich muss darüber nachdenken.“<br />

Wir gingen <strong>und</strong> verabschiedeten uns <strong>mit</strong> einer intensiven Umarmung <strong>und</strong> einem<br />

leidenschaftlichen Kuss. Es erinnerte mich an den Abend im Büro, <strong>und</strong> ich<br />

dachte schmunzelnd vor mich hin: „Mach's nochmal, Lennie.“<br />

Zweifel<br />

Auf dem Heimweg fühlte ich mich einerseits beschwingt glücklich, dann plagten<br />

mich aber auch wieder Zweifel, ob ich das denn wirklich wollte. Zu Hause beriet<br />

ich noch <strong>mit</strong> Ulrike bei mehreren Gläsern Wein am Küchentisch bis in die<br />

Nacht mein Problem. „Ulrike er sagt das jetzt, es hört sich sehr schön an, aber<br />

er spricht aus seiner unerfüllten Sehnsucht, wie wird er sprechen wenn sie erfüllt<br />

ist, wenn er hat was er begehrte.“ legte ich einen Punkt meiner Skepsis<br />

dar. „Aber das trifft doch für alle zu, dann dürftest du überhaupt keine Beziehungen<br />

mehr realisieren, weil dann das unerfüllte Verlangen immer gestillt ist.“<br />

meinte Ulrike dazu, „Also ich kann dir <strong>nicht</strong> sagen tue dies, oder tue das, aber<br />

wenn ich es selber wollte <strong>und</strong> gerne möchte, würde ich mir das doch <strong>nicht</strong> aus<br />

vagen rationalen Erwägungen verbieten. Ich kenne ihn ja <strong>nicht</strong>, aber nach dem<br />

was du erzählt hast, ist er ja ein sehr lieber sensibler Mann, da kann ich mir<br />

auch gut vorstellen, dass so etwas wie eine unerfüllte Sehnsucht, dich zu erreichen,<br />

sehr dauerhaft sein kann.“ Als wir ins Bett gingen, stand für mich fest,<br />

ich wollte es.<br />

Komm Lennie<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 18 von 43


Am nächsten Tag rief ich Lennie in seinem Büro an, bei Arbeitsende auf mich<br />

zu warten. „Was ist los?“ fragte er als ich zu ihm rein kam. „Frag' <strong>nicht</strong> so viel,<br />

komm <strong>mit</strong>.“ war meine Antwort. „Wieder in dein Büro?“ fragte er wieder. „Nein,<br />

ist da mein Büro, zu meinem Wagen.“ erwidert ich. „Was hast du vor, Ellis,<br />

sollen wir's jetzt im Auto machen?“ wollte Lennie lächeld wissen. „Red' <strong>nicht</strong> so<br />

einen Blödsinn. Du kommst <strong>mit</strong> zu mir nach Hause.“ klärte ich ihn auf. „Wieso<br />

das denn, erklär mir doch was, Ellis.“ bat er. „Ich wollte dich meiner Mutter<br />

vorstellen, <strong>und</strong> wenn die <strong>mit</strong> dir <strong>nicht</strong> einverstanden ist, kann aus uns sowieso<br />

nix werden.“ machte ich ihm lachend klar. In der Garage angekommen<br />

umarmten <strong>und</strong> küssten wir uns ausdauernd. „Lieber Leonard, ich möchte, dass<br />

du <strong>mit</strong> zu mir kommst, <strong>und</strong> das möchte ich gern in Zukunft öfter, so oft wie<br />

möglich, willst du das auch?“ fragte ich ihn <strong>mit</strong> einem schelmischen Grinsen.<br />

Lennie lächelte, als ob er gar <strong>nicht</strong> wisse wie ihm geschehe. „Ja, ja, ja, nur, soll<br />

ich denn über Nacht bleiben?“ wollte er wissen. „Wenn du so blöde Fragen<br />

stellst, werd ich mir das doch noch mal überlegen müssen.“ war meine Antwort.<br />

„Ich meine nur, weil ich ja <strong>nicht</strong>s dabei habe.“ wandte er ein. „Heute<br />

wirst du <strong>nicht</strong>s gebrauchen, komm endlich.“ forderte ich ihn auf, einzusteigen.<br />

Unterwegs alberten wir noch weiter rum, wobei ich wissen wollte, ob er's denn<br />

auch im Bett könne, oder nur auf Schreibtischen <strong>und</strong> Schreibtischsesseln. Lennie<br />

lachte immer <strong>mit</strong> einer Mischung aus Erstaunen <strong>und</strong> Glück. Ich erklärte ihm<br />

dass Ulrike eine ganz tolle Frau sei, <strong>und</strong> er sie bestimmt sehr nett finden werde.<br />

Sexuell sei sie bestimmt viel freizügiger als ich, sie habe in einer Zeit studiert,<br />

als jemand, der zweimal <strong>mit</strong> der selben pennte, schon zum Establishment<br />

gehörte. Lennie kannte den Spruch natürlich <strong>nicht</strong>, <strong>und</strong> der Erklärung<br />

folgten weitere Erläuterungen über die Zeit, die ich ja auch <strong>nicht</strong> selbst erlebt<br />

hatte. Die Ankunft zu Hause verlief lustig <strong>und</strong> scherzhaft, nach wenigen Minuten<br />

war es selbstverständlich, dass Lennie jetzt da war <strong>und</strong> dazu gehörte. Fast<br />

ständig lachten <strong>und</strong> alberten wir. Ich fühlte mich glücklich <strong>und</strong> frei, dass ich<br />

mich entschieden hatte, so entschieden hatte für Leonard, <strong>und</strong> Ulrike schien<br />

sich für mich zu freuen. Einen leicht verwirrten Eindruck machte Lennie<br />

manchmal, als ob er alles noch gar <strong>nicht</strong> fassen könne. Gestern hatte er mir<br />

seinen Traum vom Glück unterbreitet, <strong>und</strong> heute war alles Realität. Ich hatte<br />

überhaupt <strong>nicht</strong> daran gedacht, dass wir ja nur das eine große Ehebett hatten,<br />

<strong>und</strong> meins ein ganz normales schmales war. Erst Ulrike brachte mich darauf,<br />

indem sie erklärte, in meinem Zimmer schlafen zu wollen. Wir hatten zwar eine<br />

Doppelbettcouch im Gästezimmer, aber das war auch sehr wenig romantisch<br />

für unsere erste Nacht. Diesmal fielen wir <strong>nicht</strong> übereinander her wie damals<br />

im Büro. Wir zogen uns ganz langsam den anderen <strong>mit</strong> Küssen überdeckend<br />

gegenseitig aus, <strong>und</strong> auch im Bett streichelten, küssten <strong>und</strong> betasteten wir uns<br />

lange gegenseitig, als ob wir es gar <strong>nicht</strong> fassen könnten, jetzt den anderen<br />

wie einen wertvollen Edelstein neben sich im Bett liegen zu haben. Jede Stelle<br />

der Haut wurde sanft <strong>mit</strong> den Fingerspitzen gestreichelt <strong>und</strong> zart geküsst.<br />

Zwischendurch verlangten aber immer wieder unsere Lippen <strong>und</strong> Zungen nach<br />

gemeinsamem Spiel. Sie wollten es <strong>nicht</strong> auf sich begrenzen lassen, sondern<br />

verlangten immer stärker von unseren Körpern, sich einzubeziehen in die Lust<br />

<strong>und</strong> Begierde, die sie sich gegenseitig ver<strong>mit</strong>telten. Aus den betastenden <strong>und</strong><br />

zart fühlenden waren ineinander verschlungene <strong>und</strong> verkrallte Körper<br />

geworden. Ich schaute Lennie lächelnd an, als sich bei mir wieder das Gefühl<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 19 von 43


einstellte, das sich damals in Sek<strong>und</strong>en bei seinem Anblick in mir entwickelt<br />

hatte.<br />

„Stimmt, du kannst es auch auch im Bett.“ hauchte ich Lennie in sein verschwitztes<br />

Gesicht über mir, als ich erschöpft <strong>und</strong> glücklich selig auf dem<br />

Rücken lag. Ich fühlte mich so gut, dass ich gar <strong>nicht</strong> wusste, an wem ich mein<br />

Glück auslassen sollte. Lennie natürlich, ich warf ihn auf den Rücken <strong>und</strong> setzte<br />

mich auf seinen Bauch. Während bei jeder Bewegung sein Sperma zwischen<br />

meiner Vulva <strong>und</strong> seinem Bauch leichte Schmatzgeräusche vernehmen ließ,<br />

verkündete ich Lennie: „Das war jetzt schon das zweite Mal, das es nie geben<br />

sollte. Wie sähe es denn <strong>mit</strong> einem dritten Mal aus, würdest du das von deiner<br />

Seite aus völlig ablehnen?“ Lennie lachte: „Ja das käme auf den Zeitpunkt an.“<br />

bemerkt er dazu. „Natürlich <strong>nicht</strong> erst in einem halben Jahr, oder brauchst du<br />

so lange Zwischenräume?“ war meine Ergänzung. „An was hattest du denn<br />

eher gedacht, an heute Nacht?“ erk<strong>und</strong>ige sich Lennie lachend. „Also mir käm'<br />

das heute Nacht ganz gut aus, ich hätte nix dagegen.“ erklärte ich, während<br />

ich mich auf ihn fallen ließ, wir uns küssten, <strong>und</strong> ich begann, meinen Körper an<br />

ihm zu reiben. Wir waren zwar hinterher völlig entkräftet, aber einfach so einschlafen<br />

konnten wir jetzt natürlich <strong>nicht</strong>. Wir sagten uns Schmeicheleien <strong>und</strong><br />

Neckisches, <strong>und</strong> mussten zwischendurch immer wieder ein wenig balgen oder<br />

raufen. Wir freuten uns über unser neu erworbenes Glück, wie Kinder zu Weihnachten.<br />

Langsam wurden wir ruhiger. Ich hatte mich an Lennie gelegt, meinen<br />

Kopf auf seine Schulter, einen Arm <strong>und</strong> ein Bein über seinen Körper. So wollte<br />

ich jetzt jeden Abend glücklich sein, <strong>und</strong> während Lennie mich zärtlich<br />

streichelte, kam ich langsam ins Träumen <strong>und</strong> schlief selig ich ein.<br />

Am nächsten Morgen mussten wir früh raus, es war ja ein ganz normaler Arbeitstag.<br />

Ich fühlte mich zwar leicht zum Fliegen, würde das aber lieber träumend<br />

im Bett liegend durchführen. Dem Drang, unbedingt dorthin zurück zu<br />

müssen, konnte ich kaum widerstehen. Sollten wir uns krank melden. Quatsch,<br />

heute würden wir das durchstehen, morgen Abend wären wir wahrscheinlich<br />

sowieso zu müde, um endlos lange rumzuhexen, <strong>und</strong> dann wäre Freitag, Wochenend<br />

<strong>und</strong> alles offen. Uli sollte heute morgen sofort ein großes Bett besorgen,<br />

das heute noch geliefert würde. Wir wollten uns dann in Marks ehemaligem<br />

Arbeitszimmer einrichten, der größte Raum nach dem Wohnzimmer im<br />

Haus.<br />

Lennies Heimat<br />

Als ich träumend im Büro saß, <strong>und</strong> daran dachte, dass Lennie gestern um diese<br />

Zeit noch <strong>nicht</strong>s gewusst hatte, die Wahrscheinlichkeit, dass ich „No, never“<br />

sagen würde, <strong>nicht</strong> gering war, <strong>und</strong> wir uns plötzlich in die heiß geliebtesten<br />

Lover verwandelten, erschien mir das schon erstaunlich. Vielleicht hatte ich ihn<br />

doch mehr gemocht, als ich vor mir selber zugestehen konnte, <strong>und</strong> jetzt hatte<br />

ich mir selbst nur die Freiheit gegeben, dem ungehindert folgen zu können. Es<br />

kam mir vor, als ob ich meinen lang ersehnten Geliebten endlich bekommen<br />

hätte, obwohl ich mir vorgestern Morgen noch sicher war, dass es so etwas nie<br />

geben würde. Oh, Lennie du kannst mich verrückt machen, aber du machst es<br />

nie absichtlich, das ist das W<strong>und</strong>erbare daran. Heute fuhren wir beide zu Len-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 20 von 43


nies Wohnung in Mettmann, weil er einiges einpacken wollte. Mir gefiel seine<br />

Wohnung <strong>und</strong> im Schlafzimmer warf ich ihn aufs Bett. Als es intensiver wurde,<br />

stoppte ich, <strong>und</strong> meinte: „Lennie, <strong>nicht</strong> jetzt. Ich befürchte, dass wir dann gar<br />

<strong>nicht</strong> mehr zu mir kommen.“ „Nur einmal.“ bat Lennie. „Nein, ich habe keine<br />

Lust auf so etwas Halb-angezogenes. Du wirst es auch aushalten können, dein<br />

kleiner Mann wird sich wieder beruhigen.“ unterstrich ich meine Ablehnung.<br />

„Wie wird das denn eigentlich aussehen? Soll ich in Zukunft jeden Abend <strong>mit</strong> zu<br />

dir fahren?“ fragte Lennie auf dem Bett liegend. „Na, wenn man sich immer<br />

sehen will, immer in seiner Nähe wissen will, immer <strong>mit</strong>einander reden können<br />

will, wie willst du das machen? Wenn du hier für dich allein in Mettmann bist,<br />

geht das doch <strong>nicht</strong>.“ antwortete ich ihm darauf. „Das würde also bedeuten,<br />

dass wir faktisch bei dir zusammenlebten?“ wollte er sich vergewissern. Ich<br />

nickte nur ein bestätigendes „Mhm.“. „Ellis, es gibt überhaupt keine Frage,<br />

dass du mir das Allerwichtigste bist, das über allem steht, nur bis gestern habe<br />

ich <strong>ohne</strong> dich gelebt, <strong>und</strong> dieses Leben fand hier in Mettmann statt. Hier war<br />

mein Zuhause, hier habe ich Fre<strong>und</strong>e, hier bin ich im Sportverein, mein ganzes<br />

Leben war hier. Ich weiß gar <strong>nicht</strong>, wie ich da<strong>mit</strong> umgehen soll, wenn es das<br />

alles plötzlich, wie <strong>mit</strong> einem Schnitt überhaupt <strong>nicht</strong> mehr gibt.“ Ich hatte gar<br />

<strong>nicht</strong> bedacht, dass ich ihn ja fast entwurzeln würde, wenn ich Lennie einfach<br />

zu mir holte. Ich schnitt ihn ja von seinem alltäglichen Leben ab. Er sollte <strong>nicht</strong><br />

nur mein Liebster in Duisburg sein, ich wollte auch seine Fre<strong>und</strong>in in Mettmann<br />

sein. Ich überlegte, <strong>und</strong> meinte dann: „Du hast Recht Leonard, so geht das<br />

<strong>nicht</strong>, so ist das keine gute Basis für uns. Wenn du mal ganz zu mir ziehen<br />

solltest, dann muss sich das langsam entwickeln, <strong>und</strong> du musst es von dir aus<br />

wollen. Du musst dein Leben hier weiterleben können, allerdings <strong>nicht</strong> <strong>ohne</strong><br />

mich. Ich möchte auch deine Fre<strong>und</strong>e kennenlernen, <strong>mit</strong> dir in deine Stammkneipe<br />

gehen, <strong>und</strong> so weiter. Du wirst mir zeigen, wie du hier lebst, ich möchte<br />

es gern erfahren. Wir sollten uns abwechseln, denke ich, mal fahren wir zu dir<br />

<strong>und</strong> ein anderes Mal zu mir. Nur Ulrike ist dann immer allein, wenn ich bei dir<br />

bin. Mit der bin ich nämlich auch verheiratet. Wir müssen auch immer umeinander<br />

sein.“ Lennie lächelte. Seine Befürchtungen, dass ich ihn radikal aus all<br />

seinen Zusammenhängen reißen würde, schienen aber beigelegt. „Heute müssen<br />

wir das neue Bett einweihen, morgen ist Wochenende, wenn wir das bei<br />

mir erleben könnten, wäre mir das schon sehr lieb. Am nächsten Wochenende<br />

sind wir dann hier o. k.?“ schlug ich vor. Lennie schien zufrieden. Er packte einige<br />

Sachen, <strong>und</strong> wir fuhren zu mir.<br />

Lösung von Mettmann<br />

Zunächst war ich ziemlich häufig bei ihm, lernte seine Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ihre Frauen,<br />

beziehungsweise Fre<strong>und</strong>innen kennen. Alles Akademiker <strong>und</strong> Künstler, die<br />

bis auf eine Gr<strong>und</strong>schullehrerin alle in Düsseldorf beschäftigt waren. Sein bester<br />

Fre<strong>und</strong> war Museumspädagoge an einem Museum in Düsseldorf. Über ihn<br />

hatte er auch Sonja kennengelernt, <strong>und</strong> da er immer noch Kontakte zu Sonja<br />

hatte, wollte er anfangs die beiden immer wieder zusammenbringen, bis Lennie<br />

ihm deutlich erklärt habe, dass er es <strong>nicht</strong> mehr wolle. Lennie <strong>und</strong> 'geistig<br />

minderbe<strong>mit</strong>telte Schichten', was hatte er mir denn da vorgesponnen. Er habe<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 21 von 43


das auf seine Position <strong>und</strong> Situation in der Firma bezogen, meinte er. Wir gingen<br />

gemeinsam aus, <strong>und</strong> ich schaute ihm beim Handball zu. Mehr <strong>und</strong> mehr<br />

verlegte er aber seinen Aktionsradius nach Duisburg, sodass wir nur noch zu<br />

Fèten oder ähnlichen Einladungen nach Mettman fuhren. Ulrike mochte er auch<br />

sehr <strong>und</strong> sie ihn ebenso. Er schien sich bei uns eher wie zu Hause zu fühlen,<br />

während in Mettmann seine isolierte Wohnung war. Ganz zu uns ziehen, <strong>und</strong><br />

die Wohnung in Mettmann aufgeben? Lennie kam selbst auf die Idee. Wir<br />

müssten zwar Einiges umstrukturieren, aber warum <strong>nicht</strong>. Jetzt lebte Lennie<br />

voll <strong>und</strong> ganz <strong>mit</strong> mir zusammen. Ich hatte es ja schon lange erlebt, <strong>und</strong> empfand<br />

es herrlich. Ich fühlte mich so frei, wie noch nie <strong>mit</strong> einem Mann. Das unbewusste<br />

Empfinden einer gewissen Spannung in Bezug auf den Partner, bei<br />

Lennie gab es das <strong>nicht</strong>. Wie bei einer Mitschülerin aus der Schulklasse, so offen,<br />

frei <strong>und</strong> selbstverständlich war mein Empfinden gegenüber Leonard. Ich<br />

war maßlos glücklich. Bildungsunterschiede? In üblichen Beziehungen hätte es<br />

wahrscheinlich eine Rolle gespielt, aber wir gingen lächelnd da<strong>mit</strong> um. Lennie<br />

wollte ja alles wissen, alles erfahren <strong>und</strong> erleben, er war ja hungrig auf Zugänge,<br />

die ihm bislang verschlossen waren. Er meinte, durch mich <strong>und</strong> unsere Beziehung<br />

habe für ihn ein neues interessanteres, w<strong>und</strong>ervolles Leben begonnen.<br />

Vielleicht habe er das alles gespürt, als er mich damals angesehen habe. Wie<br />

es damals zustande gekommen war, blieb aber für uns beide immer ein unerklärliches<br />

W<strong>und</strong>er.<br />

In Bed with Lennie<br />

Auch im Bett hatte sich selbstverständlich meine volle Lust wiederentwickelt,<br />

mehr denn je. Wenn du <strong>mit</strong> einem Partner sehr glücklich bist, verstärkt es auch<br />

deine sexuelle Lust <strong>und</strong> Gier auf ihn. So schien es jedenfalls bei mir zu sein.<br />

Mit Lennie hatte ich <strong>nicht</strong> nur meine w<strong>und</strong>ervollste Beziehung, sondern auch<br />

meine herrlichsten Betterlebnisse. Zu Anfang wollte er immer sehr rücksichtsvoll<br />

sein. Er war mir <strong>nicht</strong> nur manchmal zu zärtlich, sondern fragte immer,<br />

ob mir etwas gefalle. „Lennie mach einfach, was du willst, wo du Lust zu<br />

hast, wenn ich es <strong>nicht</strong> möchte, werd' ich es schon sagen, <strong>und</strong> wenn ich etwas<br />

möchte, sage ich es auch. Nur ein Frage-Antwort-Spiel mag ich <strong>nicht</strong>, das<br />

stört.“ hatte ich ihm erklärt. Lennie meinte, in zehn Jahren hätten wir uns<br />

wahrscheinlich völlig verausgabt, <strong>und</strong> könnten überhaupt <strong>nicht</strong> mehr. Es habe<br />

ihn damals im Büro schon sehr fasziniert. „Ich hatte das Gefühl, zum ersten<br />

Mal Sex <strong>mit</strong> einer erwachsenen Frau gehabt zu haben. Alles frühere kam mir<br />

dagegen wie Teenie-Sex vor. Das hat mich <strong>nicht</strong> losgelassen, hat mich immer<br />

beschäftigt. Ich hatte die Vorstellung, du bist eine richtige Frau, <strong>und</strong> habe das<br />

auch auf dich insgesamt übertragen. Alle anderen erschienen mir wie Mädels,<br />

oder irgendwie unreif. Es hat mir schon sehr weh getan, dass <strong>und</strong> wie Sonja<br />

einfach gegangen ist, aber gleichzeitig hatte ich auch das Gefühl, so etwas eigentlich<br />

gar <strong>nicht</strong> mehr zu wollen, nachdem ich dich erlebt hatte. Der Traum<br />

von dir hat mir geholfen, meinen Trennungsschmerz zu überwinden. Nur das<br />

schien mir ein völlig unrealistischer Traum. Ich habe gedacht, vielleicht hättest<br />

du allenfalls noch mal Lust, <strong>mit</strong> mir zu ficken, weil's dir ja auch gut gefallen<br />

hatte. Anschauen, wie damals abends konnte ich dich aber <strong>nicht</strong>, ich wusste ja<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 22 von 43


gar <strong>nicht</strong> wie ich's gemacht hatte, was da eigentlich passiert war, <strong>und</strong> als ich<br />

<strong>mit</strong> dir reden wollte, war natürlich alles tabu. Trotz allem konnte das mein Bild<br />

von dir, <strong>nicht</strong> zerstören. Auch wenn ich überhaupt <strong>nicht</strong> da<strong>mit</strong> gerechnet habe,<br />

irgendeine Chance zu haben, bliebst du immer die unerfüllte Sehnsucht meines<br />

Traumes.“ erzählte Lennie mal lächelnd im Bett. „Diene Sehnsucht ist hier, <strong>und</strong><br />

will von dir geküsst werden, lieber Leonard.“ entgegnete ich ihm darauf. Ich<br />

wollte von ihm noch wissen, was denn der Unterschied zwischen Teenie-Sex<br />

<strong>und</strong> Sex <strong>mit</strong> einer richtigen Frau sei, aber er tat sich schwer bei der Erklärung,<br />

<strong>und</strong> meinte: „Na ja, es ist eben prof<strong>und</strong>er, f<strong>und</strong>amentaler, es ist ein anderes<br />

Erlebnis, ein volleres, umfassenderes. Es eröffnet dir tiefere Dimensionen deiner<br />

Lust, die du vorher gar <strong>nicht</strong> kanntest.“ Na, dass ich so etwas konnte,<br />

wusste ich gar <strong>nicht</strong>, aber vielleicht war es ja auch Lennie, der es in mir evozierte.<br />

Manchmal kam es mir vor, dass ich ihn <strong>nicht</strong> nur immer in meiner Nähe<br />

wissen, immer <strong>mit</strong> ihm reden können, sondern auch immer seine Haut an meiner<br />

spüren wollte. Auch sein Duft konnte mich betören, genussvoll saugte ich<br />

sein sanftes männliches Odeur in meine Nase, <strong>und</strong> ließ es <strong>mit</strong> meinen Sinnesorganen<br />

spielen. Lennie war ein Mann, wie geschaffen für diese Frau, Ellis.<br />

Stelle in Fos sur Mer<br />

So hatte ich, die gar <strong>nicht</strong> so dringend nach einem Mann suchte, trotz einiger<br />

Turbulenzen zwar, in relativ kurzer Zeit meine Erfüllung gef<strong>und</strong>en. Bei Ulrike,<br />

die viel aktiver, forscher <strong>und</strong> aufgeschlossener war, kam es über kleine unbedeutende<br />

temporäre Amouren <strong>nicht</strong> hinaus. In der Firma war eine Stelle in<br />

Frankreich ausgeschrieben. Das Werk in Fos sur Mer beschäftigte sich <strong>mit</strong> Stoffen,<br />

über die ich meine Dissertation geschrieben hatte. Französisch sprach ich<br />

fließend, da ich in der Schule für ein Jahr in Frankreich gewesen war. Wenn es<br />

<strong>nicht</strong> um spezifisch französische Angelegenheiten ging, wurden Bewerber aus<br />

dem 'Mutterland' <strong>mit</strong> guten Sprachkenntnissen bevorzugt. Man erhoffte von ihnen<br />

stärkere Identifikation <strong>mit</strong> dem Konzern. Ich sprach <strong>mit</strong> der Personalabteilung,<br />

<strong>und</strong> man meinte, auch <strong>mit</strong> vierzig Jahren habe ich sehr gute Chancen,<br />

<strong>und</strong> empfahl mir eine Bewerbung. Ich wollte Lennie <strong>nicht</strong> allein im Wagen davon<br />

erzählen, sondern es zu Hause in Ruhe auch Ulrike berichten. Ich hatte<br />

mich allerdings schon die ganze Zeit <strong>mit</strong> dem Problem Lennie gequält. Aufgeben,<br />

das war ausgeschlossen. Er war mein Leben, er war mein Glück, das gab<br />

ich doch <strong>nicht</strong> einfach für vielleicht interessante neue Erfahrungen <strong>und</strong> Erlebnisse<br />

in Frankreich auf. Ihn <strong>mit</strong>nehmen, <strong>ohne</strong> Französischkenntnisse, wie sollte<br />

das denn gehen? Ich hatte die Bewerbung für mich selbst schon so gut wie gecancelt.<br />

Leider.<br />

„Fos sur Mer?“ meinte auch Ulrike, „Ist das <strong>nicht</strong> so eine super dreckige Industriestadt?“<br />

„Ja schon,“ meinte ich, „aber es liegt in der Provence, im Département<br />

Bouches-du-Rhône, zwischen Camargue <strong>und</strong> Marseille, <strong>und</strong> man wird ja<br />

<strong>nicht</strong> gerade neben dem Werk w<strong>ohne</strong>n müssen.“ erläuterte ich. Lennie sagte<br />

<strong>nicht</strong>s. „Ich habe zwar kaum mehr als mein Schulfranzösisch, aber das würde<br />

sich ja wohl schnell ändern.“ meinte Ulrike, fiel mir um den Hals, <strong>und</strong> ergänzte<br />

sich, „Du hast es für aussichtslos gehalten, <strong>und</strong> jetzt sorgst du dafür, das ich<br />

auf meine alten Tage noch in der Provence leben kann. Ellis du bist ein unbe-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 23 von 43


schreiblicher Schatz.“ Für Ulrike hatte ich die Stelle schon bekommen, <strong>und</strong> sie<br />

genoss schon die Strahlen der südfranzösischen Sonne. „Stop, stop, stop, Ulrike,<br />

soweit ist es noch <strong>nicht</strong>.“ bremste ich sie, „Hier, <strong>ohne</strong> diesen Mann,“ wobei<br />

ich Lennie am Arm zupfte, „werde ich nirgendwo hingehen. Was soll ich in Fos<br />

sur Mer <strong>ohne</strong> Leonard? Etwas Wichtigeres gibt es für mich <strong>nicht</strong>, Ulrike, das<br />

wirst du verstehen.“ Lennies Gesichtszüge, die bislang sehr ernst <strong>und</strong> besorgt<br />

waren, hellten sich auf, <strong>und</strong> bildeten ein leichtes, fast erlöstes Lächeln. „Alles<br />

gut <strong>und</strong> schön,“ meinte er, „aber dann wäre es ja sowieso für euch gestorben.<br />

Ich bin kaufmännischer Angestellter <strong>mit</strong> <strong>mit</strong>tlerer Reife <strong>und</strong> höherer Handelsschule,<br />

<strong>und</strong> spreche außer Madame <strong>und</strong> Monsieur kein Wort Französisch, was<br />

soll ich da in Frankreich machen? Auf der Straße deutsche Klagelieder singen?<br />

Es gibt keine Chance für mich in Frankreich. Ich möchte auch <strong>nicht</strong> <strong>mit</strong> euch<br />

hier leben als jemand, der euch eueren Traum zerstört hat. Ellis, ich möchte,<br />

dass deine Träume für dich Wirklichkeit werden, <strong>und</strong> sie <strong>nicht</strong> zerstören. Da<strong>mit</strong><br />

wäre ich <strong>nicht</strong> glücklich.“ Seine Augen begannen sich <strong>mit</strong> Tränen zu füllen.<br />

„Nein, nein, nein, Lennie,“ versicherte ich ihm, „<strong>ohne</strong> dich wird es das <strong>nicht</strong> geben.<br />

Du bist mein Traum, den ich für keinen anderen aufgeben werde. Ich<br />

werde <strong>nicht</strong> das Gefühl haben, dass du mir meinen Traum zerstört hast. Völlig<br />

traumhaft wird es für mich auch <strong>nicht</strong> sein. Ich werde wieder im Labor arbeiten<br />

müssen <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> am Schreibtisch Gutachten verfassen. Mit einer völlig neuen<br />

Umgebung werde ich konfrontiert sein, in der ich mich erst werde zurecht finden<br />

müssen. Ich nehme das alles nur auf mich, weil wir beide festgestellt haben,<br />

dass wir im Gr<strong>und</strong>e <strong>nicht</strong>s von der Welt erlebt haben, dass wir mal rauskommen<br />

möchten, hungrig darauf sind, neue Erfahrungen zu machen, bevor es<br />

wirklich zu spät ist. Kannst du das nachempfinden? Verspürst du denn <strong>nicht</strong><br />

selbst auch mal Lust darauf?“ Lennie lächelt wieder, <strong>und</strong> gab mir einen Kuss,<br />

<strong>und</strong> reagierte: „W<strong>und</strong>ervoll, Ellis, ich möchte das gern <strong>mit</strong> dir erleben, nur wie<br />

soll das denn möglich sein?“ Wir beschlossen, dass Lennie jetzt auf jeden Fall<br />

<strong>und</strong> sowieso ganz schnell Französisch lernen müsse. Ich wollte nochmal Möglichkeiten<br />

<strong>mit</strong> der Personalabteilung eruieren, <strong>und</strong> Ulrike erforschte das ganze<br />

Département Bouches-du-Rhône.<br />

Heiraten?<br />

Personalabteilung: keine Chance für Lennie, das Werk bestimmte selbständig<br />

über sein Personal, auch über meine potentielle Bewerbung. Lennie war trotzdem<br />

gut gelaunt, als ob er sich darüber freue, nach Frankreich zu kommen.<br />

Nur er würde keine Beschäftigung haben. Ulrike meinte, Lennie solle doch einfach<br />

so <strong>mit</strong>kommen, weiter französisch lernen, bis er dort eine Beschäftigung<br />

finden würde. „So lange werden wir ihn schon durchfüttern können <strong>ohne</strong> zu<br />

verhungern. Warum heiratet ihr <strong>nicht</strong> einfach, da hättet ihr doch auch noch<br />

mal Vorteile durch?“ schlug sie vor. Ich musste Lachen. Heiraten, das lag mir<br />

so fern. Wenn man Kinder haben wollte, könnte man es eventuell in Erwägung<br />

ziehen, aber ich für mich, einfach so, niemals. Ich brauchte keine amtliche Bescheinigung,<br />

dass ich einen Mann sehr liebte. Es reichte mir, dass ich es selbst<br />

wusste, solange es dauerte. Das wollte ich <strong>nicht</strong> von Ämtern verwalten lassen.<br />

Ich war <strong>nicht</strong> Lennies Frau, seine Geliebte wollte ich sein. Ich sagte <strong>nicht</strong>s zu<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 24 von 43


Ulrikes Vorschlag, weil er mir für mich abstrus erschien. Daran denken musste<br />

ich aber trotzdem immer wieder. Natürlich konnte man nie ausschließen, dass<br />

es auch zwischen uns zu Ende gehen könnte, nur ich wüsste <strong>nicht</strong>, dass ich mir<br />

je so intensiv gewünscht hätte, dass sich das nie ereignen würde. In allen meinen<br />

früheren Beziehungen war es immer etwas viel näher Liegendes gewesen.<br />

In gewisser weise hatten sie immer schon von Anfang an einen temporären<br />

Aspekt. Mit Lennie war das anders. Ich lebte <strong>mit</strong> meiner vollen Person in unserer<br />

Beziehung, sie war mein Leben, ich war unsere Beziehung. Dass ich das je<br />

beenden wollte, war für mich unvorstellbar. Und Leonard? Ich erlebte ja <strong>nicht</strong><br />

seine Empfindungen, ich hörte ja nur was er sagte, <strong>und</strong> sah, wie er sich verhielt.<br />

Dass er je etwas anderes suchen, sich etwas anderes wünschen würde,<br />

ich hielt es für <strong>nicht</strong> denkbar. Wenn es faktisch so war, dass wir uns niemals<br />

wieder verlassen wollten, warum sollten wir es dann <strong>nicht</strong> bescheinigen lassen,<br />

wenn es uns Vorteile brachte. Eigentlich war es mir schon klar, aber es sträubte<br />

sich doch immer noch mein Empfinden gegen die Vorstellung, verheiratet zu<br />

sein.<br />

Am Samstagmorgen beim Frühstück forderte ich Ulrike auf, jetzt gut zuzuhören,<br />

sie sei nämlich Zeugin. Beide warteten gespannt darauf, was jetzt wohl<br />

kämme. „Herr Leonard Dykhoff, dies ist ein Heiratsantrag, ich möchte sie bitten,<br />

mich, Elisabeth Lohberg, zur Frau zu nehmen. Wäre ihnen das Recht?“ deklamierte<br />

ich. Die beiden lachten sich halb tot. „Was ist das? Was soll das? Was<br />

hat das zu bedeuten, Ellis?“ suchte Lennie nach Erklärungen. Die gab ich dann,<br />

<strong>und</strong> Lennie schaute vor sich hin. „Du musst mir sagen, ob du meinen Antrag<br />

annimmst, oder zurückweist.“ forderte ich ihn auf. „Ja, ja, natürlich,“ erklärte<br />

er als ob es das Selbstverständlichste der Welt sei, „mir fällt nur gerade alles<br />

wieder ein, mir geht alles wieder durch den Kopf, Ellis.“ <strong>und</strong> dabei kamen ihm<br />

die Tränen. „Ja, auch wenn es ja eigentlich <strong>nicht</strong>s bedeutet für uns persönlich,<br />

ob es auf dem Papier steht oder <strong>nicht</strong>, es ist doch irgendwie ganz bewegend,<br />

Ellis, ich kann einfach <strong>nicht</strong> anders.“ erklärte er immer noch unter Tränen. Ich<br />

sprang auf seinen Schoß, <strong>und</strong> küsste sie ihm ab. „So viel Rührung kann ich gar<br />

<strong>nicht</strong> ertragen,“ meinte Ulrike, „mir kommen ja selbst schon die Tränen.“ stand<br />

auf, <strong>und</strong> ging in ihr Zimmer.<br />

Auf in die Provence<br />

Jetzt war alles klar. Ich würde mich auf die Stelle in Fos sur Mer bewerben. In<br />

zwei Monaten würde ich anfangen müssen, wenn es klappte. Im Laufe des<br />

nächsten Monats würde die Entscheidung über die Bewerbung fallen. So<br />

schnell würden wir <strong>nicht</strong> alles organisiert bekommen. Ich musste ja auch noch<br />

verheiratet werden. Mit Hochzeitsfeier? Ja, mussten wir schon wegen der Eltern<br />

<strong>und</strong> Verwandten machen, aber möglichst in begrenztem Rahmen, <strong>und</strong> wir<br />

wollten keinen Aufwand da<strong>mit</strong> haben. Alles viel Geld, das wir eigentlich in<br />

Frankreich gut würden gebrauchen können. Ich bekam die Stelle, in der Firma,<br />

die Ergebnisse aus meiner Forschung geklaut hatte, <strong>und</strong> sie sich hatte patentieren<br />

lassen, <strong>und</strong> dort sollte ich jetzt im Labor arbeiten. Ich erhielt sogar ein<br />

wenig mehr Geld als zu Hause, <strong>und</strong> hatte kürzere Arbeitszeiten. Ich fuhr nach<br />

der Zusage sofort runter, wohnte im Hotel <strong>und</strong> besorgte eine Übergangswoh-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 25 von 43


nung für uns alle. Bei der Personalabteilung erk<strong>und</strong>igte ich mich nach Hilfen bei<br />

der Wohnungsbeschaffung. Man meinte, das ich ja wohl sicher keine Werkswohnung<br />

wünsche, erhielt aber persönliche Hinweise, wo <strong>und</strong> wie man gut<br />

w<strong>ohne</strong>n, <strong>und</strong> auch Häuser kaufen könne. Wichtig war, dass unser Haus sofort<br />

verkauft wurde, da<strong>mit</strong> wir möglichst schnell hier etwas kaufen konnten. Bei<br />

Lennie sah der Personalchef keine Möglichkeiten. Er könne ja <strong>nicht</strong> jemanden<br />

einstellen, der kein Französisch beherrsche. Er ließ sich genau beschreiben,<br />

welche Ausbildung er denn habe, <strong>und</strong> wo<strong>mit</strong> er zur Zeit beschäftigt sei, <strong>und</strong><br />

meinte, wenn mein Mann Französisch beherrsche, sehe er sehr gute Chancen.<br />

Er sei ja dann in gewisser weise besonders qualifiziert, da er eben auch in beiden<br />

Sprachen agieren könne. Ich solle ihn doch dann noch mal wieder ansprechen.<br />

Jeden Abend wurde alles ausgetauscht, <strong>und</strong> über Fortschritte berichtet. Besonders<br />

freute es mich, meinen Liebsten Herrn Gemahl am Telefon lachen zu hören.<br />

Ich hatte ihn gleich schon an einer Sprachschule angemeldet. Qualifizierte<br />

gab es nur in Istres, dort sollte er einen Intensivkurs belegen <strong>mit</strong> sehr guten<br />

Kenntnissen schon nach einem halben Jahr. Nachdem ich alles geregelt hatte,<br />

flog ich wieder zurück, <strong>und</strong> hatte noch knapp einen Monat bis zu meinem Arbeitsbeginn.<br />

Ich wollte gern schon früher fahren. Lennie <strong>und</strong> ich hatten noch<br />

Urlaubsgutschriften, nur unser Haus war noch <strong>nicht</strong> verkauft. In der Provence<br />

wäre es sicher eine kapitale Residenz gewesen, aber hier fanden sich keine<br />

Käufer dafür. Verschleudern wollten wir es ja auch <strong>nicht</strong>, das Geld würde uns ja<br />

unten sehr fehlen. Ulrike bot sich an, so lange hier zu bleiben, <strong>und</strong> zu warten.<br />

Der Makler meinte, sie müsse nur zur notariellen Vertragsunterzeichnung<br />

anwesend sein. Alles Übrige regele er ja sowieso. Bei Nachfragen könne er<br />

doch anrufen. „Ulrike komm <strong>mit</strong>, es ist alles w<strong>und</strong>erschön dort, wenn du <strong>nicht</strong><br />

gerade in den Raffinerien oder sonstigen Firmen steckst. Jeder Tag, den du hier<br />

geblieben bist, wird dir leid tun.“ forderte ich sie auf. Unsere Autos hatten wir<br />

bis auf das letzte Eckchen vollgestopft, <strong>und</strong> bei drei Wagen, musste das zunächst<br />

mal für unsere Wohnung zum Überleben reichen. Wir wollten einmal<br />

zwischendurch übernachten, aber Ulrike meinte, das sei doch überflüssig.<br />

1.100 Kilometer könne man doch <strong>mit</strong> entsprechenden Pausen ganz gut schaffen.<br />

Wir waren uns <strong>nicht</strong> ganz sicher. aber meinten, man könne ja dann ad hoc<br />

entscheiden. Nachdem wir um vier Uhr losgefahren waren, kamen wir 16 St<strong>und</strong>en<br />

später völlig erschöpft bei unserer neuen Behausung an. Jetzt wohnten wir<br />

in Frankreich. Unsere Wohnung befand sich in Martigues. Eine sehr schöne<br />

Stadt, die von der Industrie in Fos <strong>nicht</strong>s erkennen ließ. Sie lag zirka 10 Kilometer<br />

von Fos sur Mer entfernt, zu meinem Werk am Hafen, würde ich allerdings<br />

ein wenig weiter fahren müssen. Wir waren einfach happy, <strong>und</strong> konnten<br />

trotz der ermattenden Fahrt noch lange <strong>nicht</strong> schlafen gehen. „C'est le pied“<br />

wandte Lennie seine Französischkenntnisse an, „Das ist der Hammer,“ erklärte<br />

er Ulrike.<br />

Neue Heimat – Neue Arbeit<br />

Die nächste Zeit war's ziemlich busy. Ständig suchten wir nach Häusern, die<br />

unserer Preislage entsprechen würden, in Martigues direkt würde es für uns<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 26 von 43


<strong>mit</strong> ziemlicher Sicherheit <strong>nicht</strong>s Adäquates geben, hier dominierte der Tourismus<br />

den Markt. Unsere Wohnung wurde ja normalerweise auch als Ferienwohnung<br />

vermietet. Da sie <strong>nicht</strong> so ausgesprochen günstig lag, <strong>und</strong> ich der Vermieterin<br />

die Vorteile durch Dauervermietung an uns plausibel gemacht hatte,<br />

ließ sie sich auf meine Preisvorstellungen ein. Am Rande von Saint-Mitre-les-<br />

Remparts fanden wir schließlich etwas, das wegen fehlenden Swimmingpools<br />

relativ billig war, <strong>und</strong> von uns zu bezahlen gewesen wäre. Es wurde erst in einem<br />

halben Jahr frei, also hatten wir noch ein wenig Zeit, auf das Geld für Ulrikes<br />

Haus zu warten. Aber Saint-Mitre war kein attraktives Städtchen am<br />

Meer. Es hatte zwar alte Befestigungsbauwerke, <strong>und</strong> zum Meer konnte man<br />

auch beinahe laufen, aber dem Wunschtaum von Provence entsprach es <strong>nicht</strong><br />

gerade. Andererseits lag es direkt an der D5 zwischen Istres <strong>und</strong> Martigues,<br />

<strong>und</strong> beides war in wenigen Minuten zu erreichen. Wenn das funktionieren sollte,<br />

würden wir hier schon glücklich werden. Es funktionierte. Unser Haus fand<br />

einen Käufer, Ulrike flog zurück zur Vertragsunterzeichnung, <strong>und</strong> organisierte<br />

eine Spedition für unsere Möbel. Die Firma zahlte zwar <strong>nicht</strong> den ganzen Umzug,<br />

zeigte sich aber bei der Kostenbeteiligung relativ großzügig. Jetzt waren<br />

wir tatsächlich voll <strong>und</strong> ganz hier, nur meine Arbeit war der absolute Schweinkram.<br />

Kleine Labors <strong>und</strong> minimale Verwaltung <strong>mit</strong>ten in der stinkenden vollen<br />

Produktion. R<strong>und</strong>herum alles Petro <strong>und</strong> Stahl <strong>und</strong> gegenüber am anderen<br />

Hafenkai alles voller Container <strong>und</strong> Frachtschiffe. Das war ich <strong>nicht</strong> mehr<br />

gewohnt, eigentlich nie gewohnt. Ich hatte immer unter sauberen Bedingungen<br />

in Labors oder im Büro gearbeitet. Natürlich sah man auch die Produktion, aber<br />

ein Werk. Hier schien sich halb Europas Drecksindustrie versammelt zu haben.<br />

Ich liebte das <strong>nicht</strong>, auch wenn man mir erklärte, früher sei es noch viel<br />

schlimmer gewesen. Aber ein Zurück gab es <strong>nicht</strong> mehr. Das wollte ich auch<br />

<strong>nicht</strong>, nur freute ich mich jetzt noch viel mehr auf den Weg von der Arbeit<br />

zurück, als zu ihr hin.<br />

Alltagsleben<br />

Zu Hause lief aber auch immer volles Programm. Lennie musste viel, viel lernen,<br />

war aber immer ganz glücklich dabei, er kontrollierte sein Können immer<br />

<strong>mit</strong> mir, <strong>und</strong> wir konnten uns schon bald auf Französisch unterhalten. Für ihn<br />

war ich nur noch 'mon amour' oder 'ma chérie', <strong>und</strong> er versuchte, mir seine<br />

Liebe auf französisch zu erklären. Ich erzählte ihm von vielen w<strong>und</strong>erschönen<br />

französischen Liebesgedichten- <strong>und</strong> Liedern, ich würde mich riesig freuen, sie<br />

von ihm zu hören. Wenig später flüsterte er mir auf Französisch zu:<br />

„Viens, mon beau chat, sur mon coeur amoureux;<br />

Retiens les griffes de ta patte,<br />

Et laisse-moi plonger dans tes beaux yeux,<br />

Mêlés de métal et d'agate.“<br />

Baudelaires „Komm an mein zärtlich Herz, du schöne Katze.“, er hatte es auswendig<br />

gelernt. Er las aber <strong>nicht</strong> nur französische Liebesgedichte, sondern sie<br />

hatten bei ihm ein allgemeines Interesse an französischer Literatur geweckt.<br />

Oft fragte er mich, wenn er etwas <strong>nicht</strong> verstand, aber manchmal musste ich<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 27 von 43


feststellen, dass auch meine Kenntnisse ihre Grenzen hatten. Alle möglichen<br />

CDs <strong>mit</strong> irgendwelchen chansons d'amour oder chants d'eros wurden beschafft,<br />

<strong>und</strong> ich sollte sagen, wie sie mir gefielen, <strong>und</strong> welche ich am liebsten mochte.<br />

Leider gefielen mir meistens die traurig-wehmütigen, die von enttäuschter <strong>und</strong><br />

verlassener Liebe klagten besser als die lieblich verträumt beglückten. Sie ver<strong>mit</strong>telten<br />

meistens stärker ein Gefühl der Sehnsucht nach Liebe, für mich ein<br />

herrliches Empfinden, dass ich am liebsten immer am Leben erhalten würde.<br />

Jacques Brels von Nana Mouskouri gesungenes 'Toi qui t'en vas' ergriff mich<br />

eben tiefer als Edith Piafs 'Parlez moi d'amour'. Wenn es bei uns durch die Villa<br />

halte, konnte es mich erfassen, dass mir manchmal fast die Tränen kamen.<br />

Trotz allem war es sehr angenehm <strong>und</strong> auch lustig, eine zeitlang sich stets in<br />

die Klänge aller bekannten <strong>und</strong> unbekannten gesungenen Liebeshymnen eingebettet<br />

zu fühlen. Lennie lernte durch das Verstehen der gesungenen Texte, <strong>und</strong><br />

mir kam es vor, dass die Chansons bewirkten, unser Verhalten untereinander<br />

noch zärtlicher <strong>und</strong> empfindsamer zu gestalten. Manchmal sangen wir sogar<br />

gemeinsam, auch abends im Bett.<br />

Ulrike hatte Lennie längst überholt. Sie war neidisch, <strong>und</strong> wollte jetzt auch<br />

einen Kurs machen. Dafür kannte Ulrike jedes Dorf in der Provence, <strong>und</strong> hatte<br />

sich eine Liste aufgestellt <strong>mit</strong> Sightseeings <strong>und</strong> Events, die sie unbedingt besuchen<br />

wollte. Zwischendurch mussten wir immer noch das Haus unseren Bedürfnissen<br />

anpassen, soweit die Kohle reichte. Wir hatten noch gar keine Einweihungsfète<br />

gemacht, aber wen sollten wir denn einladen? Wir waren ja außer<br />

uns selbst völlig beziehungslos hier unten. Im Moment störte uns das<br />

<strong>nicht</strong>, aber auf die Dauer wäre das <strong>nicht</strong> richtig. Wir wollten uns schon um<br />

Kontakte bemühen. Die Einweihungsfeier fand also unter uns dreien statt.<br />

Uli allein<br />

Es tat mir immer weh, zu sehen, wie Ulrike anschließend allein ins Bett gehen<br />

musste. Das war ja jetzt schon lange so, <strong>und</strong> die gemeinsamen Bettgespräche<br />

unter uns gab es auch <strong>nicht</strong> mehr. Als ich sie mal darauf ansprach, bestätigte<br />

sie es auch direkt: „Ja meinst du das ist einfach, zu erleben wie ihr beide jetzt<br />

eure Freude haben werdet, <strong>und</strong> ich bin allein, <strong>und</strong> habe das <strong>nicht</strong>. Manchmal<br />

sind das die Momente, in denen ich mich am einsamsten fühle, obwohl ich<br />

weiß, ihr seid hier, <strong>und</strong> ich werde von euch geliebt. <strong>Nicht</strong> selten muss ich dann<br />

heulen, aber am nächsten Morgen ist alles wieder vorbei.“ Ich nahm sie in den<br />

Arm <strong>und</strong> fragte, was man denn tun könne, ich bekäme ja ein schlechtes Gewissen,<br />

wenn ich <strong>mit</strong> Lennie ins Bett ginge. Ulrike lachte, vielleicht sollten wir abwechselnd<br />

<strong>mit</strong> Lennie ins Bett gehen, eine Nacht du, die nächste Nacht ich.<br />

„Du kannst da gar <strong>nicht</strong>s tun, Ellis.“ meinte sie, „Das ist ganz allein mein Problem.<br />

Ich beneide dich ja <strong>nicht</strong> um dein Glück, ich freue mich ja darüber, nur<br />

ich habe meine Probleme. Aber ich will auch <strong>nicht</strong> jemanden neben mir im Bett<br />

liegen haben, weil er mir halbwegs sympathisch ist. Ich muss jetzt erst mal<br />

ganz dringend besser Französisch lernen. Vielleicht lerne ich ja dann einen<br />

französischen Liebhaber kennen.“<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 28 von 43


Ulrike auf dem Markt<br />

So lange sollte es <strong>nicht</strong> dauern. Ulrike lernte zwar fleißig Französisch, aber<br />

einen französischen Liebhaber hatte sie noch <strong>nicht</strong> gef<strong>und</strong>en. Sonntags fuhren<br />

wir immer zum Markt in Martigues. Am Käsestand fiel ihr ein älterer Herr auf,<br />

der <strong>nicht</strong> richtig französisch sprach. Sie fragte ihn, ob er von hier komme? Ja<br />

schon, aber er sei kein Franzose sondern Deutscher. Dann hätten sie sich kurz<br />

scherzend weiter unterhalten, <strong>und</strong> beschlossen gemeinsam einen Kaffee zu<br />

trinken. Er sei auch wohl ganz froh gewesen, dass er sich ganz normal auf<br />

Deutsch hätte unterhalten können. Er hatte seine Firma dem Sohn überlassen,<br />

<strong>und</strong> sich abgesetzt, da er sich sonst wahrscheinlich doch immer wieder eingemischt<br />

hätte. Es sei w<strong>und</strong>erschön hier, <strong>und</strong> es gefalle ihm auch gut, aber<br />

manchmal fühle er sich doch recht einsam. Er hätte gedacht, ganz gut französisch<br />

sprechen zu können, aber so sei es wohl <strong>nicht</strong>. Er empfände sich immer<br />

als Fremder, jemand der außen vor steht. Warum er denn keinen Sprachkurs<br />

besuche, habe Ulrike ihn gefragt. Dafür sei er doch zu alt, habe er gemeint.<br />

Darauf habe Ulrike ihm mal erklärt, wann man wofür zu alt sei. Sie hätten noch<br />

ein wenig weiter geredet. Als sie sich verabschieden wollten, habe er gesagt:<br />

„Sie gefallen mir sehr gut, Frau … ich kenne ihren Namen ja gar <strong>nicht</strong>, sie<br />

gefallen mir sehr gut Frau Lohberg, unser Gespräch hat mir viel gegeben, können<br />

wir das <strong>nicht</strong> fortsetzen?“ Am nächsten Sonntag, gleiche Zeit gleicher Ort.<br />

Ab jetzt ging Ulrike <strong>nicht</strong> mehr nur wegen des Marktes Sonntags nach Martigues,<br />

sondern auch wegen Heiner Poth. Als ich sie fragte, ob es <strong>mit</strong> ihm denn<br />

eine Perspektive habe, meinte sie: „Keinesfalls, der ist mir viel zu konservativ<br />

<strong>und</strong> lahm. Der lebt ja gar <strong>nicht</strong> mehr richtig.“ Und warum sie sich dann immer<br />

<strong>mit</strong> ihm träfe? „Um ihm mal klar zu machen, dass er noch <strong>nicht</strong> im Grabe<br />

liegt.“ klärte mich Ulrike auf. Herrn Poth schienen Ulrikes Instruktionen jedoch<br />

mehr <strong>und</strong> mehr zu gefallen. Er machte ihr Komplimente über Komplimente,<br />

<strong>und</strong> meinte, sie habe die Kraft, ganz neue Lebensfreude in ihm zu wecken,<br />

eine w<strong>und</strong>ervolle Frau sei sie. Zum Sprachkurs hatte er sich auch schon angemeldet<br />

<strong>und</strong> wollte <strong>mit</strong> Ulrike einen Segeltörn machen, auf seinem Boot, das er<br />

schon sehr lange hatte schlafen lassen. Ulrike stritt es immer ab, dass sich<br />

eine Beziehung ergeben würde, aber sie machte alles <strong>mit</strong>, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> <strong>ohne</strong> Gefallen<br />

daran zu finden. Natürlich duzten sie sich auch längst, <strong>und</strong> Ulrike hatte<br />

sich sein Haus in der Nähe von Martigues zeigen lassen. „Oh Ellis,“ schwärmte<br />

sie, „wie ungerecht. Der Heiner wohnt da ganz alleine, <strong>und</strong> wir müssen zusammen<br />

in einem Haus leben, das <strong>nicht</strong> halb so groß ist.“ Wenn sie sich unterhielten<br />

stritten sie sich meistens, beziehungsweise Ulrike versuchte ihm klar zu<br />

machen, dass er <strong>mit</strong> seiner Einschätzung daneben liege, aber er fand sie immer<br />

nur noch bew<strong>und</strong>ernswerter. So eine großartige Frau wie Ulrike sei ihm in<br />

seinem ganzen Leben noch <strong>nicht</strong> begegnet. Es dauerte <strong>nicht</strong> lange, <strong>und</strong> es kam<br />

eine Liebeserklärung. Ulrike hatte ihm geantwortet: „Ich weiß <strong>nicht</strong> Heiner, ich<br />

mag dich ja auch sehr, du bist mir ein liebenswerter guter Fre<strong>und</strong> geworden,<br />

aber ob es Liebe ist, was ich für dich empfinde, das weiß ich <strong>nicht</strong> so richtig.“<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 29 von 43


Zu Haus bei Heiner<br />

Als sie dann noch mal bei ihm zu Hause war, hätten sie sich umarmt <strong>und</strong> es sei<br />

zum Kuss gekommen. Sie hätten sich angeschaut, <strong>und</strong> Ulrike habe ihm das<br />

Gesicht gestreichelt. Darauf hätten sie sich noch einmal geküsst, sehr leidenschaftlich<br />

<strong>und</strong> immer wieder. Heiner habe ihr unters Kleid gefasst <strong>und</strong> in die<br />

Bluse, sie habe nur immer gesagt „Heiner, was machst du?“ habe sich aber alles<br />

gefallen lassen. Er habe sie angeschaut <strong>und</strong> gesagt: „Komm, Ulrike, wir gehen<br />

ins Bett.“ Eigentlich hätte sie das ja <strong>nicht</strong> gewollt, sie habe aber <strong>nicht</strong>s gesagt,<br />

<strong>und</strong> sei <strong>mit</strong> ins Schlafzimmer gegangen. „Ich weiß <strong>nicht</strong>, Ellis, was sich da<br />

in mir abgespielt hat. Von mir aus hätte ich's <strong>nicht</strong> gewollt, aber bereuen kann<br />

ich's auch <strong>nicht</strong>. Heiner, der gerade, mein erster Mann nach so vielen Jahren.<br />

Weißt du wie sich das anfühlt, Ellis? Eigentlich möchte ich es jetzt immer wieder,<br />

aber <strong>mit</strong> Heiner?“ erklärte Ulrike ihre Stimmungslage.<br />

Heiners Unverschämtheiten<br />

Trotzdem war sie jetzt häufig bei Heiner <strong>und</strong> blieb auch über Nacht dort. Lennie<br />

<strong>und</strong> ich waren oft allein. Ein sonderbares Gefühl für uns, wir wollten Ulrike<br />

auch. Wir trafen uns auch öfter alle Vier <strong>und</strong> unternahmen gemeinsam etwas.<br />

Heiner erschien uns aufgeschlossen <strong>und</strong> lustig, vielleicht war er das ja durch<br />

Ulrike geworden. Wir mochten ihn, <strong>und</strong> er uns auch. Eines Tages bat er Ulrike,<br />

doch ganz zu ihm zu ziehen. Ulrike lehnte das ab. Eine Trennung von uns käme<br />

für sie <strong>nicht</strong> in Frage. Er liebe aber sie, <strong>und</strong> wolle <strong>mit</strong> ihr zusammen sein, <strong>und</strong><br />

<strong>nicht</strong> <strong>mit</strong> ihrer Tochter <strong>und</strong> ihrem Schwiegersohn. Ulrike habe ihm daraufhin<br />

klar gemacht, dass sie ihn zwar liebe <strong>und</strong> gern habe, ihre Tochter ihr aber noch<br />

mehr bedeute. „Dann geh doch zu deiner Tochter <strong>und</strong> vögel <strong>mit</strong> ihr.“ habe er<br />

wütend gerufen. Ulrike war aus dem Bett aufgestanden <strong>und</strong> sofort nach Hause<br />

gefahren. Sie kam heulend zu uns ins Zimmer, berichtete was sich zugetragen<br />

hatte, <strong>und</strong> verfluchte unablässig Heiner <strong>und</strong> sich selbst, dass sie sich darauf<br />

eingelassen hatte. In den nächsten Tagen rief Heiner ständig an. Wenn Ulrike<br />

seinen Namen oder seine Stimme hörte, legte sie sofort auf. Er wolle sich bei<br />

ihr entschuldigen, es täte ihm so schrecklich leid. Er könne sich selber <strong>nicht</strong><br />

verzeihen, dass er so ausgerastet sei. Er habe Ulrike sehr tief verletzt, meinte<br />

ich zu ihm. Ich wisse <strong>nicht</strong>, ob er je wieder eine Chance bei ihr haben könne.<br />

Im Moment sei das jedenfalls wohl aussichtslos, eine Entschuldigung könne<br />

das <strong>nicht</strong> aus der Welt schaffen. Heiner rief auch dann <strong>nicht</strong> mehr an. Arme<br />

Ulrike.<br />

Beschäftigung für Lennie<br />

Lennie war <strong>mit</strong>tlerweile ziemlich perfekt geworden. Mit seinen neun<strong>und</strong>dreißig<br />

Jahren spielte er noch in Istres Handball, <strong>und</strong> hatte darüber auch Fre<strong>und</strong>e gewonnen.<br />

Ich wollte es jetzt nochmal versuchen <strong>mit</strong> seiner Anstellung in unserer<br />

Firma, wenn es da <strong>nicht</strong> funktionieren sollte, würden wir uns nach etwas Ande-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 30 von 43


em umschauen. Aber der Personalchef meinte, in einem halben Jahr könne er<br />

ihn einstellen, er müsse sich aber natürlich erst mal vorstellen. Das machte<br />

Lennie, <strong>und</strong> erhielt die Zusage für die Stelle. Wieder große Freude im Hause<br />

Lohberg – Dykhoff. Party war angesagt, aber jetzt <strong>nicht</strong> mehr allein. Mit meiner<br />

Kollegin Christine hatte ich mich angefre<strong>und</strong>et, sie war auch noch <strong>nicht</strong> lange<br />

hier beschäftigt. Wir verstanden uns sehr gut <strong>und</strong> konnten viel gemeinsam<br />

lachen. Sie hatten in der Nähe von Montpellier gewohnt, <strong>und</strong> waren jetzt nach<br />

Istres gezogen. Ihr stanken die Arbeitsbedingungen genauso wie mir. Sie hatte<br />

die Stelle angenommen, weil sie befürchte in ihrem Alter <strong>nicht</strong>s Adäquates <strong>mit</strong><br />

dem Gehalt mehr zu bekommen. Wegen ihrer beiden Kinder hatte sie längere<br />

Zeit ausgesetzt, <strong>und</strong> war jetzt wieder voll eingestiegen. Lennie kannte sie<br />

auch, weil sie schon öfter bei uns gewesen war, <strong>und</strong> wir zusammen etwas<br />

unternommen hatten. Ihr Mann war auch Chemiker bei Esso <strong>und</strong> brauchte jetzt<br />

<strong>nicht</strong> mehr so weit zur Arbeit zu fahren. Lennies Fre<strong>und</strong>e waren beide Lehrer in<br />

Istres, einer am Collège <strong>und</strong> einer am Lycée. Sie sollten auch ihre<br />

Frauen/Fre<strong>und</strong>innen <strong>mit</strong>bringen. Wir waren also zu neun Leuten bei Lennies<br />

Arbeitsbeschaffungsfète. Die Zeit reichte <strong>nicht</strong>, um alles zu besprechen, was<br />

eigentlich unbedingt untereinander hätte geklärt werden müssen. Die Erklärung,<br />

dass wir überhaupt hier seien, weil Ulrike so abenteuerlustig sei, <strong>und</strong><br />

Lennie deshalb ungeheure Strapazen auf sich genommen habe. Trug gleich zur<br />

Erheiterung aller bei. Wir lachten viel, <strong>und</strong> versprachen uns, im übernächsten<br />

Monat zu meinem Geburtstag wieder zusammenzukommen. Aber wir hatten<br />

darüber hinaus auch Kontakte untereinander, gaben uns Tips oder unternahmen<br />

gemeinsam etwas. Nur der Sonntagsmarkt in Martigues war 'No go Area',<br />

zumindest ging Ulrike <strong>nicht</strong> <strong>mit</strong>. Unser Haus war lebhaft geworden, wir hatten<br />

viel <strong>mit</strong> unseren Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten zu tun, <strong>und</strong> alle Bekannten <strong>und</strong> Verwandten<br />

aus Deutschland kamen uns natürlich auch besuchen. Vom Empfinden,<br />

einsam zu drei deutschen in der Provence zu sein, war <strong>nicht</strong> einmal die<br />

Erinnerung geblieben.<br />

Heiners Brief<br />

Etwa ein Jahr nach dem Eklat kam ein langer Brief von Heiner. Er halte es <strong>nicht</strong><br />

aus <strong>ohne</strong> Ulrike, sie sei seine Lebensfreude gewesen <strong>und</strong> er denke permanent<br />

an sie. Er wolle sich <strong>nicht</strong> entschuldigen, denn ungeschehen könne er ja <strong>nicht</strong><br />

machen, was er einmal gesagt habe. Er habe aber viel über sich selbst <strong>und</strong><br />

Ulrikes Haltung nachgedacht, <strong>und</strong> sei dadurch fast ein anderer Mensch geworden.<br />

Er habe sein Leben lang immer nur sich <strong>und</strong> sein Glück gesehen, <strong>und</strong><br />

<strong>nicht</strong> das Glück in der Gemeinschaft, <strong>und</strong> wie altruistischeres Verhalten Glück<br />

ver<strong>mit</strong>teln könne. Er sei der Ansicht, sich dadurch selbst vieler Chancen beraubt<br />

zu haben. Vielleicht sei auch dies der wesentliche Punkt, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> seine<br />

mangelnden Französischkenntnisse, weshalb er sich hier so isoliert gefühlt<br />

habe. Es gebe für ihn keinen sehnlicheren Wunsch, als wenigstens einmal noch<br />

<strong>mit</strong> Ulrike darüber sprechen zu können, <strong>und</strong> er bitte sie, ihm trotz aller zugefügter<br />

Verletzungen, dies <strong>nicht</strong> abzuschlagen. Ulrike wollte <strong>nicht</strong>s mehr <strong>mit</strong> ihm<br />

zu tun haben. Sie könne sein Gesicht <strong>nicht</strong> sehen. Wir bearbeiteten sie aber,<br />

weil wir der Ansicht seien, dass er sehr ehrlich <strong>und</strong> verständnisvoll sei, <strong>und</strong> be-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 31 von 43


euen würde er es eh allemal. Was es denn bringen solle, ins Bett gehen könne<br />

sie <strong>mit</strong> diesem Typen, von dem sie solche Worte gesagt bekommen hätte, sowieso<br />

<strong>nicht</strong> mehr. „Hör' ihm zu <strong>und</strong> sag dann was du meinst. Du vergibst dir<br />

doch <strong>nicht</strong>s dadurch.“ meinten wir, <strong>und</strong> so machte sie es dann auch.<br />

Meeting Ulrike - Heiner<br />

Heiner erklärte Ulrike seine Selbsteinsichten <strong>und</strong> seinen Wandlungsprozess,<br />

<strong>und</strong> dass er heute ein Mensch sei, dem so etwas niemals mehr passieren könne.<br />

„Wie schön für dich, Heiner, nur diese Veränderungen hättest du vorher<br />

machen sollen. Was nützen sie mir jetzt, wenn ich, deine Geliebte, sich von dir<br />

in menschenverachtender, frauenverachtender Weise beschimpfen lassen<br />

musste. Kannst du dir vorstellen, dass ich diese Lippen je wieder zärtlich streicheln,<br />

diesen M<strong>und</strong> aus dem das gekommen ist je wieder leidenschaftlich küssen<br />

könnte? Wohl kaum.“ erklärte ihm Ulrike „Ich gebe dir ja Recht Ulrike, ich<br />

kann meine Seele ändern, aber die Worte, die über meine Lippen gekommen<br />

sind, bleiben wie ein ewiges Kainsmal haften? Wenn jemand einmal etwas <strong>mit</strong><br />

einer falschen Einstellung gesagt hat, kann er seine Einstellung ändern, wie er<br />

will, die Strafe für das einmal Gesagte gilt lebenslänglich. Ulrike, es geht mir<br />

<strong>nicht</strong> darum, dass wir wieder zusammen ins Bett gehen, ich kann <strong>nicht</strong> da<strong>mit</strong><br />

leben, wenn du diese Bild von mir hast <strong>und</strong> behältst, dieses Bild bin ich <strong>nicht</strong><br />

mehr, das ist ein anderer, den es <strong>nicht</strong> mehr gibt.“ argumentierte Heiner. Es<br />

stimmte Ulrike nachdenklich, <strong>und</strong> sie meinte: „Wir sprechen noch mal darüber,<br />

Heiner.“ Die beiden, die so viele Nächte gemeinsam im Bett verbracht hatten,<br />

verabschiedeten sich <strong>mit</strong> Handschlag.<br />

Abgewischtes Kainsmal<br />

Ulrike war verwirrt. „Eigentlich hat er ja recht, aber ich muss ihn doch lieben<br />

können, ich kann das doch <strong>nicht</strong> vergessen, auch wenn man sagt, du wirst so<br />

etwas nie wieder tun.“ quälte sie sich. Wenn er wirklich ein anderer Mensch geworden<br />

sei, dann sei er ja <strong>nicht</strong> mehr der, der das gesagt habe, dann würde sie<br />

ja gegebenenfalls den neuen, den anderen Menschen lieben. Dass ich theoretisch<br />

Recht habe, gestand mir Ulrike zu, aber in der Praxis läge es doch daran,<br />

was man empfänden. Sie traf sich weiter <strong>mit</strong> Heiner <strong>und</strong> ließ sich den neuen<br />

Menschen näher erklären. Sie gingen zwar <strong>nicht</strong> wieder <strong>mit</strong>einander ins ins<br />

Bett, aber ihre Gespräche verloren die Angespanntheit. Sie trafen sich gern<br />

<strong>und</strong> konnten wieder <strong>mit</strong>einander scherzen. Heiner erklärte ihr eines Tages,<br />

dass er Ulrike gut verstanden habe, <strong>und</strong> er sich heute in einer Situation befinde,<br />

in der er viel lieber <strong>mit</strong> allen zusammen w<strong>ohne</strong>n würde, als <strong>mit</strong> Ulrike allein.<br />

„Ja aber dann müssten wir beide ja wieder zusammen ins Bett gehen,<br />

Heiner, das wolltest du doch gar <strong>nicht</strong>.“ fragte Ulrike lächelnd. Heiner druckste,<br />

<strong>und</strong> meinte das sei ja nur eine Erläuterung seiner heutigen Einstellung gewesen.<br />

„Möchtest du denn gar <strong>nicht</strong> wieder <strong>mit</strong> mir ins Bett?“ fragte Ulrike ihn.<br />

„Heiner, mein kleiner Junge, traust du dich <strong>nicht</strong> zu sagen, dass du es schön<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 32 von 43


fändest, wenn wir beide <strong>mit</strong>einander ficken würden, oder hast du wirklich keine<br />

Lust? Warum sagst du <strong>nicht</strong>s?“ fuhr sie fort zu fragen. Der drei<strong>und</strong>sechzigjährige<br />

Mann fiel Ulrike um den Hals, <strong>und</strong> weinte. „Meine allerliebste Ulrike, nie<br />

wieder werden über meine Lippen Worte kommen, die dich in irgendeiner weise<br />

beleidigen oder unzufrieden machen könnten. Diese Lippen wollen <strong>nicht</strong>s<br />

sehnsüchtiger, als dich nach deinen Wünschen fragen, um sie dir erfüllen zu<br />

können. Seit wir uns kennen halte ich es einfach <strong>nicht</strong> mehr aus <strong>ohne</strong> dich,<br />

dein Bild ist wie ein Teil von mir. Ich werde es nur pflegen <strong>und</strong> bew<strong>und</strong>ern <strong>und</strong><br />

lieben.“ Ulrike war ganz ergriffen. „Hör mal mein Süßer,“ antwortete sie ihm,<br />

„ich glaube das Kainsmal ist jetzt ganz abgewischt, ist <strong>nicht</strong>s mehr zu sehen.<br />

Ich glaube, du bist jetzt wieder ein ganz Braver. Verstehst du das?“ „Ich kann<br />

<strong>nicht</strong> in allen Einzelheiten erkennen, was es bedeutet.“ erwiderte Heiner<br />

lächelnd. „Ich liebe dich.“ sagte Ulrike nur. Diesmal verabschiedeten sie sich<br />

leidenschaftlich küssend.<br />

Heiners Pläne<br />

„Ich weiß <strong>nicht</strong> was es ist.“ rang Ulrike nach Erklärungen suchend,“man kann<br />

das doch <strong>nicht</strong> vergessen, <strong>und</strong> ich habe es ja auch <strong>nicht</strong> vergessen, nur jetzt<br />

spielt es plötzlich keine Rolle mehr. Ob er für mich auch ein anderer Mensch<br />

geworden ist? Ob ich jetzt einen anderen liebe? Ich glaube schon. So wie jetzt<br />

hat er noch nie zu mir gesprochen. Sonst haben wir uns immer nett unterhalten,<br />

<strong>und</strong> er hat mich bew<strong>und</strong>ert. Jetzt hat er mir seine Liebe erklärt. Ich glaube<br />

das hätte er damals gar <strong>nicht</strong> so gekonnt.“ Zunächst lud sie Heiner zu uns ein,<br />

aber sie konnte auch wieder zu ihm gehen. Ich riet ihr, ihn doch lieber öfter zu<br />

uns <strong>mit</strong>zubringen, dann werde ihm doch viel deutlicher, dass er sie <strong>nicht</strong> für<br />

sich allein haben könne. Heiner schien es auch richtig gut zu gefallen bei uns.<br />

Sein Haus war ja tot, bei uns war Leben, <strong>und</strong> Heiner gehörte dazu. „Wisst ihr<br />

was,“ meinte er eines Abends beim Abendbrot, „das ist doch verrückt. Ich bin<br />

am meisten <strong>und</strong> am liebsten hier bei euch, <strong>und</strong> die große Villa steht leer. Sol len<br />

wir die <strong>nicht</strong> verkaufen, <strong>und</strong> für uns alle zusammen etwas anschaffen? Ich<br />

meine, wenn ihr mich haben wollt natürlich.“ Wir schauten uns an. <strong>Nicht</strong> weil<br />

wir überlegten ob wir <strong>mit</strong> Heiner zusammen w<strong>ohne</strong>n wollten. Das war ja faktisch<br />

schon längst der Fall, <strong>und</strong> außerdem käme uns ja gar <strong>nicht</strong> die Idee, Ulrikes<br />

Lover abzulehnen, nur Heiner meinte ja wohl <strong>nicht</strong> ein Haus, wie wir es<br />

jetzt hatten in etwas größerer Ausführung. „Heiner, wie sollen wir das den annehmen,<br />

dir schwebt doch sicher <strong>nicht</strong> so etwas Kleines, Billiges vor?“ fragt ich<br />

ihn. „Einfach so,“ war seine Antwort, „ihr braucht euch <strong>nicht</strong> bei mir zu bedanken,<br />

ich muss mich bei euch bedanken. Was ihr, <strong>und</strong> besonders Ulrike, mir geschenkt<br />

habt, ist <strong>mit</strong> Geld gar <strong>nicht</strong> aufzuwiegen. Eigentlich möchte ich mein<br />

Leben, so wie ich heute bin, noch einmal neu beginnen. Dieses Leben habt ihr<br />

mir ver<strong>mit</strong>telt. Ich glaube, mir ist es noch nie in meinem Leben so gut gegangen<br />

wie heute. Ich wüsste keine Phase, in der ich mich so glücklich empf<strong>und</strong>en<br />

hätte. Wir suchen uns etwas aus, das schön <strong>und</strong> groß genug für uns alle ist,<br />

<strong>und</strong> wenn es <strong>mit</strong> dem Geld kapp wird, muss die Firma noch etwas zuschießen.<br />

Ich hab' ja schließlich jetzt Familie.“<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 33 von 43


New Home <strong>und</strong> Ulrikes Gedanken<br />

Nach einigen Monaten wohnten wir in einer w<strong>und</strong>erschönen Villa bei Martigues,<br />

<strong>mit</strong> Blick aufs Meer <strong>und</strong> riesengroßem Garten, diesmal natürlich <strong>mit</strong> Swimmingpool.<br />

Was sie gekostet hatte, wurde <strong>nicht</strong> verraten. Unser kleines Haus<br />

hatten wir vermietet. Wir sollten es behalten, für den Fall, das Heiner mal etwas<br />

zustoßen sollte. Heiner war ein w<strong>und</strong>ervoller Mensch. <strong>Nicht</strong> weil er uns die<br />

Villa geschenkt hatte, sondern in seinem Leben <strong>mit</strong> uns. Jedes Mal wenn er<br />

lustige Sachen erzählte oder machte, musste ich an Ulrikes Beschreibung ihres<br />

ersten Eindrucks denken: 'lahm' 'konservativ'. Ulrike, wie konnte man sich nur<br />

so täuschen, aber ich glaube eher, dass sie diesem anderen Menschen in ihm<br />

das Leben eingehaucht hatte. Jetzt schien er ihr total hörig, <strong>und</strong> Ulrike<br />

schwebte auf der Wolke, die die Ziffer sieben trägt durch den Palast <strong>und</strong> durch<br />

ihr Leben.<br />

„Was ist aus uns geworden, Liebes? Wir wollten nur in Duisburg <strong>mit</strong> Partneranzeigen<br />

einen Mann suchen. Und jetzt? Für mich waren das die wildesten Jahre<br />

meines Lebens. Alles hat sich verändert. Völlig verändert. Jetzt wie vor zwei<br />

Jahren noch in Duisburg leben, das könnte ich <strong>nicht</strong> mehr. Ich würde jeden Tag<br />

ausreißen. Ich habe Angst davor, ganz alt zu werden. Ich möchte das Leben<br />

genießen können so lange ich lebe. Dann könnte ja jemand kommen <strong>und</strong><br />

sagen: 'So jetzt ist es <strong>mit</strong> dem Genießen vorbei' <strong>und</strong> abschalten, aber dieses<br />

Gequäle <strong>und</strong> Geleide bis es endgültig <strong>nicht</strong> mehr geht, das will ich <strong>nicht</strong>, das<br />

macht mir Angst. Jetzt fühl ich mich besser als <strong>mit</strong> dreißig, auch wenn ich fast<br />

fünf<strong>und</strong>sechzig bin. Ich möchte das behalten. Ellis, ich glaube ich war noch nie<br />

so glücklich in meinem Leben. Doch, als du geboren bist. Ich hätte mich vor<br />

Freude totlachen können, als du endlich da warst, obwohl das ja alles so<br />

furchtbar weh tat. Was das für ein Gefühl war, kann ich heute selber gar <strong>nicht</strong><br />

mehr richtig verstehen. Mark wollte immer noch mehr oder wenigstens noch<br />

ein Kind. Ich wollte keine Serie, das hätte meinem Glücksgefühl <strong>mit</strong> dir die Einmaligkeit<br />

genommen. Du bist mir immer seit deiner Geburt das Allerwichtigste<br />

gewesen, bist es heute noch <strong>und</strong> hast mich nie enttäuscht. Dir habe ich das<br />

Glück deiner Geburt zu verdanken <strong>und</strong> mein Glück heute.“ schilderte Ulrike<br />

ihre Empfindungen. „Ulrike, ich habe doch gar <strong>nicht</strong>s gemacht. Wir beide mögen<br />

uns einfach, haben Lust aufeinander <strong>und</strong> dann ergibt sich das eben so. Na<br />

ja, bei meiner Geburt da war das vielleicht ein wenig anders, aber da konnte<br />

ich nun wirklich <strong>nicht</strong>s zu beitragen. Ich glaube schon, dass jeder sein Ding primär<br />

selber machen muss, nur wenn du <strong>nicht</strong> allein bist, <strong>und</strong> dich eingebettet<br />

fühlst, dann gibt dir das ungeheuer viel an Sicherheit, an Vertrauen, an Stärke,<br />

dann kannst du ein Anderer sein, als du alleine vielleicht wärest.“ antwortete<br />

ich ihr darauf. „Sollen wir uns jetzt mal um unsere Männer kümmern, Alte?“<br />

meinte Ulrike juxig zu mir. Ich musste sie aber erst noch in die Arme schließen,<br />

fest drücken, um sie meine Liebe spüren lassen.<br />

Heiner will heiraten<br />

„Heiner will mich heiraten.“ erklärte mir Ulrike eines Morgens im Bad. Ich<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 34 von 43


musste schrecklich lachen, <strong>und</strong> dann erzählte Ulrike mir, dass sie fast die ganze<br />

Nacht darüber geredet hätten. Sie habe das zunächst auch eindeutig zurück<br />

gewiesen, aber Heiner habe ihr immer wieder klar zu machen versucht, wie<br />

viel sie ihm bedeute, <strong>und</strong> dass sie das Wertvollste in seinem ganzen Leben sei,<br />

sie ihm dieses Leben eigentlich geschenkt habe. Er könne die Vorstellung <strong>nicht</strong><br />

ertragen, wenn ihm mal etwas zustoßen sollte, sein Sohn <strong>und</strong> seine Tochter<br />

unser Haus unter sich aufteilen würden, <strong>und</strong> ich <strong>mit</strong> <strong>nicht</strong>s auf der Straße stünde.<br />

Es gehe ihm <strong>nicht</strong> um Ehe <strong>und</strong> glückliche Familie, er könne es nur <strong>nicht</strong> er -<br />

tragen, für mich <strong>nicht</strong> gesorgt zu haben, wo ich ihm doch so unendlich viel bedeute.<br />

Und zu heiraten sei eben der einzige Weg. „Na ja, sicher, dass du ihn<br />

<strong>nicht</strong> mehr verlassen wirst, bist du ja auch, sonst hätten wir das <strong>mit</strong> der Villa<br />

doch <strong>nicht</strong> gemacht. Bei Lennie <strong>und</strong> mir war es ja so ähnlich. Wir haben ja<br />

auch gesagt, wenn's tatsächlich so ist, warum sollen wir's <strong>nicht</strong> bescheinigen<br />

lassen, wenn es Vorteile bringt.“ reagierte ich auf ihre Darstellung. „Ich, in<br />

meinem Alter heiraten. Außerdem bin ich verheiratet, wir sind ja <strong>nicht</strong> geschieden.“<br />

Ulrike darauf. „Ach, erklär mir doch noch mal, wann man in welchem Alter<br />

wofür zu alt ist, oder erklär's dir besser selber. Und Scheidung ist doch kein<br />

Problem, wenn ihr seit fast fünfzehn Jahren getrennt lebt. Wahrscheinlich muss<br />

Mark noch für deine Teilzeitbeschäftigung Rentenausgleichszahlungen leisten.<br />

Da brauchst du nur einmal zu einem Termin zum Gericht, vielleicht das noch<br />

<strong>nicht</strong> mal. Ich würde das machen, Ulrike. Stell dir mal vor, er bekommt morgen<br />

einen Herzinfarkt, dann hast du <strong>nicht</strong>s mehr, gehört alles seinen Kindern.“ riet<br />

ich ihr.<br />

Am Frühstückstisch erklärte Ulrike dann launig: „Dieser Herr Poth hier hat mir<br />

heute Nacht einen Heiratsantrag gemacht, was meint ihr dazu, kann man so<br />

etwas annehmen?“ Lennie, der von allem ja <strong>nicht</strong>s wusste, blickte erstaunt.<br />

„Dieser Heiner macht einfach Heiratsanträge, <strong>ohne</strong> bei uns um deine Hand anzuhalten.<br />

Lebt er denn überhaupt in geordneten Verhältnissen, wird er dich ernähren<br />

<strong>und</strong> sich um dein Wohlergehen kümmern können?“ wollte Lennie wissen.<br />

„Tscha,“ meinte Ulrike, „das weiß ich auch <strong>nicht</strong>. Danach hab' ich ihn gar<br />

<strong>nicht</strong> gefragt. Heiner kannst du das?“ Worauf Heiner meinte, dass es da eventuell<br />

zu Engpässen kommen könne, die aber die Liebe zu überwinden helfe. So<br />

war durch dieses launische Geplänkel schnell klar, dass Ulrike sich dafür entschieden<br />

hatte.<br />

Christine<br />

Am Abend sollte es gefeiert werden, eigentlich nur unter uns, aber die anderen<br />

hatten <strong>nicht</strong>s dagegen, wenn ich Christine fragte, ob sie <strong>nicht</strong> kommen könne.<br />

Christine war mir sehr ans Herz gewachsen, wir hatten jeden Tag bei der Arbeit<br />

<strong>mit</strong>einander zu tun,<strong>und</strong> ich glaube, ich war für sie ihre beste Fre<strong>und</strong>in, <strong>und</strong> sie<br />

meine wohl auch. Sie hatte mich immer bewegen wollen, doch noch Kinder zu<br />

bekommen, <strong>und</strong> mir von sich vorgeschwärmt, was es ihr bedeute, <strong>und</strong> bedeutet<br />

habe. Ich war tatsächlich fast so weit, das ich <strong>mit</strong> Lennie darüber gesprochen<br />

hätte. Leider war durch unser neues Zuhause die Entfernung zwischen<br />

uns weiter geworden <strong>und</strong> wir trafen uns seltener privat. Auch wenn es<br />

nur eine halbe St<strong>und</strong>e dauerte, aber früher waren es eben nur gut zehn Minu-<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 35 von 43


ten. Wir verbrachten auch öfter Wochenenden zusammen <strong>und</strong> Heiner machte<br />

<strong>mit</strong> den Jungs Segeltörns. Ich hätte mir gar <strong>nicht</strong> vorstellen können, zu einer<br />

Arbeitskollegin in Deutschland ein so inniges Verhältnis zu bekommen. Christine<br />

war eine sensible, zartfühlende, elegante, schöne Frau, deren Anwesenheit<br />

mich <strong>nicht</strong> nur erfreute, sondern auch unsere Unterhaltungen waren von Humor<br />

<strong>und</strong> gegenseitigem Verständnis dominiert. Meine früheren deutschen Kolleginnen,<br />

die ich damals gar <strong>nicht</strong> so wahrgenommen hatte, erschienen mir gegenüber<br />

Christine derb <strong>und</strong> rustikal. Christine war <strong>nicht</strong> nur die Sonne, die mir<br />

meinen rüden Arbeitsplatz ein wenig vergoldete, sie trug auch entscheidend<br />

dazu bei, dass ich mich hier so wohl, richtig zu Hause fühlte.<br />

Heiners Kinder<br />

Durch Ulrike <strong>und</strong> Heiners Hochzeitspläne hatten wir wieder Vollbeschäftigung.<br />

Ulrike machte alles ganz schnell per Telefon <strong>und</strong> Fax. Sie wollte keine Ansprüche<br />

an Mark geltend machen, <strong>und</strong> ihm eventuell die Rente kürzen, wenn sie<br />

hier von Max Kapital <strong>und</strong> in seiner Villa lebte. Zum Gerichtstermin sollte sie<br />

aber dann doch besser erscheinen. Viel komplizierter war die Entscheidung<br />

über die Hochzeit. Heiner meinte eigentlich kein schlechtes Verhältnis zu seinem<br />

Sohn <strong>und</strong> seiner Tochter zu haben, aber sie interessierten sich <strong>nicht</strong> für<br />

ihn. Sein Sohn hatte ihn erst einmal, ganz zu Anfang als er hier gewesen sei<br />

besucht, <strong>und</strong> seine Tochter sei zweimal da gewesen. Sie riefen auch <strong>nicht</strong> an,<br />

nahmen keinen Kontakt zu ihm auf, er meldete sich bei ihnen. Sein Sohn habe<br />

zu unserem Zusammenleben gesagt, sein Vater lebe jetzt in einer Anarcho-<br />

WG, habe er von anderer Seite erfahren. Ulrike galt wahrscheinlich als die<br />

Schuldige für die veränderten Einstellungen ihres Vaters. Seine Heirat würde<br />

ihnen bestimmt <strong>nicht</strong> gefallen, denn Heiner gehörte ja schließlich noch alles,<br />

<strong>nicht</strong> nur seine Villa in Martigues. Sie hatten auch am Telefon öfter gefragt, ob<br />

er Ulrike denn weniger lieben würde, wenn er <strong>nicht</strong> verheiratet sei. Sollten wir<br />

denn seine Kinder <strong>nicht</strong> zur Hochzeit ihres Vaters einladen? Heiner hatte seinen<br />

Sohn gefragt, er wolle an dem Termin heiraten, ob er dann kommen könne. Er<br />

werde keinesfalls kommen, hatte er brüsk erklärt. Seine Tochter hatte er gleich<br />

gefragt, ob sie auch <strong>nicht</strong> kommen würde, was sie bestätigt habe.<br />

Einerseits waren wir jetzt frei, <strong>und</strong> konnten unter uns Franzosen <strong>und</strong> unseren<br />

Fre<strong>und</strong>en aus Deutschland heiraten, Heiner stürzte es aber in tiefe Grübeleien<br />

über seine Kinder, sein früheres Leben <strong>mit</strong> ihnen <strong>und</strong> ihr heutiges Verhalten.<br />

Dieses unmenschliche Verhalten könne man doch <strong>nicht</strong> noch bel<strong>ohne</strong>n, weil sie<br />

eventuell ein paar Euro weniger bekommen würden, sei ihnen das Glück ihres<br />

eigenen Vaters völlig gleichgültig. „Ulrike du hast mir mein glückliches Leben<br />

gegeben, <strong>und</strong> meine Kinder gönnen es mir wegen ein wenig Geld <strong>nicht</strong>.“ erklärte<br />

Heiner. „<strong>Nicht</strong>s werden sie bekommen, keinen Cent mehr als ihnen<br />

pflichtgemäß zusteht. Was gibt es denn, für dass ich sie bel<strong>ohne</strong>n könnte. Für<br />

seine Arbeit in der Firma wird mein Sohn übermäßig belohnt, er kann sich <strong>nicht</strong><br />

beklagen, aber mein Testament werde ich sofort nach unserer Heirat ändern.“<br />

fügte Heiner dem hinzu. Ulrike schaute verwirrt. Wollte sie das denn? Dieses<br />

Haus war ja o. k., aber was hatte sie <strong>mit</strong> der Firma zu tun. „Ulrike mach dir<br />

keine Gedanken.“ beruhigte sie Heiner, „Es ändert sich ja jetzt <strong>nicht</strong>s. Nur für<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 36 von 43


den Fall dass. Du würdest ja als meine Frau auch mehr bekommen als nur das<br />

Haus, <strong>und</strong> jetzt wird es eben noch ein wenig mehr.“<br />

Hochzeit <strong>mit</strong> Folgen<br />

Das Heiraten in Frankreich war ein für uns relativ komplizierter Prozess, weil<br />

sich viele Bestimmungen von den deutschen gravierend unterschieden. Beim<br />

Generalkonsulat in Marseille erhielten die beiden umfassende Auskünfte. Heiner<br />

wollte auch <strong>nicht</strong> die im Französischen übliche Communauté légale, die Ulrike<br />

benachteiligen würde. Also musste auch noch vorm Notar ein Ehevertrag<br />

aufgesetzt werden. Heiner wollte Ulrike <strong>nicht</strong> drängen, aber er meinte es könne<br />

sich eventuell günstiger auswirken, wenn sie auch Poth hieße. Ulrike hatte<br />

<strong>nicht</strong>s dagegen, denn Lohberg war ja auch der Name ihres geschiedenen Ehemannes<br />

gewesen. Jetzt konnte gehochzeitet werden. Ulrike erhielt das eleganteste<br />

<strong>und</strong> teuerste Kleid ihres Lebens von einem Couturier aus Montpellier <strong>und</strong><br />

einen neuen Ehering, den sie sich von Heiner aufstecken ließ. Sie lächelte ständig,<br />

als ob sie sich zwischen den Gefühlen, alles für kurios zu halten <strong>und</strong> <strong>nicht</strong><br />

zu wissen, was <strong>mit</strong> ihr geschah, <strong>nicht</strong> entscheiden konnte. Bei der Hochzeitsfeier<br />

im Garten unserer Villa erklärte Heiner immer, dass er <strong>nicht</strong> nur seine Heirat<br />

<strong>mit</strong> Ulrike, sondern auch den Beginn seines zweiten Lebens feiere. Viele Fre<strong>und</strong><br />

aus Deutschland waren gekommen, obwohl die meisten wenig <strong>mit</strong> Ulrike direkt<br />

zu tun gehabt hatten, sondern mehr <strong>mit</strong> Lennie oder mir. Lennie war für seine<br />

ehemaligen Fre<strong>und</strong>e aus Mettmann zum bew<strong>und</strong>erten absoluten Glücksritter<br />

geworden, <strong>und</strong> Gerd Lehmann hatte sich einige Tage Urlaub nehmen müssen,<br />

weil Julie, die <strong>mit</strong>tlerweile studierte, <strong>und</strong> Renate ihn unerbittlich gedrängt hatten.<br />

„Ulrike, ich glaub' der Heiner ist viel besser als unser Deutsch-Pauker damals.“<br />

flüsterte Julie ihr ins Ohr, <strong>und</strong> beide lachten ausgiebig. Julie war zum<br />

ersten Mal hier, <strong>und</strong> war völlig fasziniert. Hier wollte sie auch leben, <strong>und</strong> da sie<br />

Semesterferien hatte, erk<strong>und</strong>igte sie sich, ob sie auch noch ein wenig länger<br />

bleiben könne. Aus dem wenig wurden drei Wochen, <strong>und</strong> Julie hatte <strong>mit</strong> Ulrike<br />

<strong>und</strong> Heiner fast die ganze Provence erk<strong>und</strong>et. Ihr Wunsch, hier leben zu wollen<br />

hatte sich dabei immer mehr verfestigt, <strong>und</strong> in Montpellier hatte sie sich erk<strong>und</strong>igt,<br />

ob <strong>und</strong> unter welchen Bedingungen sie schon im kommenden Semester<br />

hier studieren könne. Sie war der Ansicht, dass sie keine Zeit vergeuden solle,<br />

fuhr nach Hause, drängte Gerd, ihr ein kleines Auto zu kaufen, <strong>und</strong> war vierzehn<br />

Tage später wieder bei uns, um ihr Biologiestudium an der UM2 in Montpellier<br />

fortzusetzen. In den ersten Tagen fuhr sie täglich nach Montpellier, um<br />

die Formalitäten zu regeln, aber auch um sich ein Zimmer zu besorgen, denn<br />

eine tägliche Fahrt von Martigues war doch zu weit. Ihrem Fre<strong>und</strong> in Deutschland<br />

hatte sie klipp <strong>und</strong> klar gesagt, es handele sich um ihr Leben, er könne ja<br />

auch in Montpellier studieren. Uns sagte sie, sie habe ihn schon gemocht, aber<br />

er sei eben auch ein Teil dessen, der für sie das Leben zu Hause habe so zäh<br />

erscheinen lassen. „Ich habe Lust daran, intensiv zu arbeiten, aber die Umgebung,<br />

das Leben drum herum will ich doch auch genießen können, <strong>und</strong> darauf<br />

habe ich mich zu Hause nur selten freuen können. Ich suche keine Belustigungen<br />

<strong>und</strong> tolle Events, ich wüsche mir ein offeneres <strong>und</strong> freieres Leben insgesamt,<br />

<strong>und</strong> das sehe ich hier. Und außerdem will ich doch <strong>mit</strong> Heiner mal gern<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 37 von 43


Bötchen fahren.“ schloss Julie <strong>mit</strong> einer launigen Bemerkung. Ulrike meinte<br />

auch, dass sie eine gute Entscheidung getroffen habe. Wir hätten auch alle<br />

noch keinen Tag bereut, <strong>und</strong> Sehnsucht nach zu Hause gehabt. Duisburg sei<br />

überhaupt <strong>nicht</strong> mehr unser Zuhause, das sei hier <strong>und</strong> sonst nirgendwo.<br />

Ulrikes Sorge<br />

Heiner hatte tatsächlich am Tag nach der Hochzeit sofort bei einem Notar angerufen<br />

<strong>und</strong> einen Termin wegen des Testaments gemacht. Ulrike war jetzt<br />

<strong>nicht</strong> nur Madame Poth sondern auch Haupterbin der Poth GmbH. Heiner war<br />

glücklich <strong>und</strong> Ulrike wusste gar <strong>nicht</strong> wie sie da<strong>mit</strong> umgehen sollte. Allgemein<br />

lebten wir unser normales Leben weiter, ich als Chemikerin <strong>und</strong> Lennie als<br />

kaufmännischer Angestellter, der allerdings <strong>mit</strong>tlerweile zum stellvertretenden<br />

Leiter aufgestiegen war, nur dass wir in einem für unsere Verhältnisse völlig<br />

überdimensionierten Haus wohnten, <strong>und</strong> von unserem Geld viel mehr übrig<br />

blieb, weil Heiner vieles bezahlte. Ulrike sorgte sich sehr um Julie, sie mochten<br />

sich <strong>nicht</strong> nur, Ulrike hatte auch Sorge, dass Julie eventuell Umstellungsschwierigkeiten<br />

bekommen könne. An den Wochenenden war sie immer bei<br />

uns, <strong>und</strong> schon fast zu unserer in Montpellier studierenden Tochter geworden,<br />

aber die viereinhalb Tage zwischendurch hockte sie allein in ihrem Zimmer<br />

oder an der Uni in Montpellier. Ulrike telefonierte ständig <strong>mit</strong> ihr, <strong>und</strong> meinte,<br />

sie müsse in Montpellier Fre<strong>und</strong>e finden. Gr<strong>und</strong>sätzlich wäre das für Julie kein<br />

Problem, nur ihr Französisch war zwar <strong>nicht</strong> schlecht, aber um der schnell genuschelten<br />

Konversation unter Fre<strong>und</strong>en abends in der Kneipe folgen zu können,<br />

reichte es <strong>nicht</strong>. Ulrike meinte, Julie müsse dringend einen Intensiv-<br />

Sprachkurs besuchen. „Das kann ich doch gar <strong>nicht</strong> bezahlen.“ erklärte Julie.<br />

„Heiner, ich in der Person von Julie muss dringend einen Sprachkurs besuchen,<br />

kannst du mir das bezahlen?“ feixte Ulrike <strong>mit</strong> Heiner. Heiner, der sich über Julies<br />

Anwesenheit auch immer sehr freute, meinte: „Julie, warum sagst du denn<br />

<strong>nicht</strong>s, das regeln wir doch, gib mir mal deine Kontonummer.“ „Nein Heiner,<br />

das ist viel zu viel. Soviel kostet der Sprachkurs doch gar <strong>nicht</strong>.“ erklärte sie<br />

am nächsten Wochenende. Heiner meinte nur, dass sie ja durch die vielen<br />

Fahrten auch zusätzliche Ausgaben habe, <strong>und</strong> das Leben in Montpellier auch<br />

teurer sei, als anderswo. Ab jetzt erhielt Julie von Heiner eine monatliche Apanage,<br />

die über dem Betrag, den ihre Eltern ihr überwiesen, lag.<br />

Julies Bekanntschaft<br />

Donnerstagabend rief Julie an, <strong>und</strong> fragte, ob sie morgen jemanden <strong>mit</strong>bringen<br />

dürfe, sie habe jemanden kennengelernt, <strong>und</strong> wolle gern wissen, was wir von<br />

ihm hielten. „Aber Julie, so etwas musst du doch für dich entscheiden. Wir können<br />

doch <strong>nicht</strong> sagen, wen du zum Fre<strong>und</strong> nehmen sollst.“ erklärte ich ihr. „Ja,<br />

ich meine ja nur, ich finde ihn im Prinzip ganz nett, <strong>und</strong> da wollte ich ihn<br />

einfach mal <strong>mit</strong>bringen.“ „Natürlich, das ist doch klar, selbstverständlich kannst<br />

du jeden <strong>mit</strong>bringen.“ reagierte ich.<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 38 von 43


Freitag kam Eric, Julies Sprachlehrer. Er war selber noch Student in fortgeschrittenem<br />

Semester. Nach dem Sprachkurs hatte er sich <strong>mit</strong> Julie unterhalten,<br />

<strong>und</strong> sie zu einem Kaffee eingeladen. Das Gespräch war sehr angenehm,<br />

<strong>und</strong> Eric hatte Julie nach einem weiteren Date, außerhalb des Sprachkurses<br />

gefragt. Dabei hatten sie sich sehr viel über sich erzählt, <strong>und</strong> Eric habe sie gern<br />

am Wochenende wiedersehen wollen. Sie habe ihm erklärt, wo sie am<br />

Wochenende sei, <strong>und</strong> ihm angeboten, <strong>mit</strong>zufahren. Eric war ein junger gut<br />

aussehender Intellektueller. Ulrike schien ihn zu mögen, aber bei der Kaffeetafel<br />

auf der Terrasse sprudelte Julie völlig über. Sie musste Eric zu allen lustige<br />

Geschichten erzählen, <strong>und</strong> schien völlig happy. Eric, der Martigues überhaupt<br />

<strong>nicht</strong> kannte, war fasziniert <strong>und</strong> unterhielt sich oft <strong>mit</strong> Ulrike über die sogenannten<br />

68er Jahre <strong>und</strong> über die Grünen, Julie, die ja auch <strong>mit</strong> dem Schwerpunkt<br />

Ecologie et Biodiversité studierte, beteiligte sich eifrig daran. Sie kamen<br />

auf den Bedeutungswandel von Biologie in der Wissenschaft zu sprechen, <strong>und</strong><br />

verloren sich in Diskussionen über erkenntnistheoretische Fragen. Eric schien<br />

sich sehr wohl zu fühlen, <strong>und</strong> wollte Julie am Sonntagabend vorm Zubettgehen<br />

küssen. Nein, nein, habe sie abgewehrt, „ich mag dich sehr gut leiden, Eric,<br />

aber so weit ist es noch <strong>nicht</strong>. Vielleicht später, ich wollte dir jetzt nur zeigen,<br />

wo ich meine Wochenenden verbringe.“ Eric verbrachte ab jetzt seine<br />

Wochenenden auch bei uns. Julie hatte durch Eric in Montpellier auch viele<br />

Leute kennengelernt, hauptsachlich Literaten <strong>und</strong> philosophisch interessierte<br />

Menschen. Es gefiel ihr sehr gut, von Einsamkeit in Montpellier war <strong>nicht</strong>s mehr<br />

zu spüren. Manchmal blieb sie auch über's Wochenende, weil es eine Fète oder<br />

eine wichtige Veranstaltung gab, meistens waren die beiden aber bei uns. Julie<br />

zeigte Eric jetzt <strong>nicht</strong> nur, wie schön Martigues war, sondern auch wie schön sie<br />

küssen konnte, <strong>und</strong> bald darauf auch, was Eric <strong>mit</strong> ihr im Bett zu erleben<br />

hatte. Die beiden waren verliebt, wie verspielte Kinder. Wo sie sich trafen,<br />

mussten sie sich küssen <strong>und</strong> befummeln.<br />

Liebesberatungen<br />

„Ulrike, ich bin so happy wie nie zuvor in meinem Leben, aber ich habe das<br />

<strong>nicht</strong> vergessen, was du damals gesagt hast von der Zeit nach den erfüllten<br />

Wünsch <strong>und</strong> Sehnsüchten, ich habe Angst davor, dass es zwischen Eric <strong>und</strong> mir<br />

einmal anders werden könnte. Weißt du wie man das verhindern könnte?“ erklärte<br />

Julie ihre Befürchtungen. „Julie, ich glaube es gibt keine allgemeinen<br />

Ratschläge, was man tun muss, um immer verliebt zu bleiben. Ich meine nur,<br />

wenn der Rausch abnimmt, kommt es darauf an, wie wertvoll ihr euch gegenseitig<br />

seid. Du wirst von Eric etwas erwarten, <strong>und</strong> er muss Lust daran haben,<br />

es dir zu erfüllen. Du musst dafür sorgen, dass du für ihn das Wichtigste auf<br />

dieser Welt bist, <strong>und</strong> umgekehrt genauso. Ihr beide seid es, die sich gegenseitig<br />

die Welt schön machen. Ich würde viel über Liebe <strong>und</strong> Beziehung gemeinsam<br />

reden, immer auch wenn alles toll ist. Keine kleinen Irritationen einfach<br />

wegstecken, alles kann sich ausweiten. Bei mir haben sich unsere Welten zum<br />

Beispiel langsam auseinander entwickelt, bis wir überhaupt <strong>nicht</strong> mehr wussten,<br />

was diese verschiedenen Menschen <strong>mit</strong>einander anfangen sollten. Es gab<br />

<strong>nicht</strong>s Gemeinsames mehr außer Essen <strong>und</strong> Schlafen. Stell dir vor Eric lebt nur<br />

Männer <strong>und</strong> Glück – Seite 39 von 43


noch in irgendwelchen Literatenwelten, <strong>und</strong> du hast dich ausschließlich in die<br />

Ökologie vertieft, alles andere interessiert dich <strong>nicht</strong> mehr, ihr seid geschiedene<br />

Leute. Das Bett hält euch <strong>nicht</strong> zusammen, das Bett wird immer uninteressanter,<br />

je mehr ihr euch auseinander lebt. Je näher ihr euch <strong>mit</strong> euren Persönlichkeiten<br />

seid, um so mehr Spaß macht's im Bett. So seh' ich das.“ meinte<br />

Ulrike dazu. „Ja, ja,“ kommentierte Julie, „ich glaube, ich bin ein wenig zu<br />

leicht zu haben für ihn. Ich muss mich mal etwas wertvoller machen. Aber Ulrike,<br />

es macht mir doch auch so unheimlichen Spaß.“<br />

Elterntreffen<br />

Julie war unsere junge dritte Frau in der WG geworden, <strong>und</strong> Eric gehörte<br />

selbstverständlich <strong>mit</strong> dazu. Er hatte Julie schon seinen Eltern vorgestellt, <strong>und</strong><br />

weil wir so etwas ähnliches für Julie waren, fragte er, ob er <strong>nicht</strong> mal seine Eltern<br />

<strong>mit</strong>bringen könne. Der Vater war Professor an der Universitè Montpellier<br />

III <strong>und</strong> seine Mutter war freie Journalistin. Ulrike war am versiertesten <strong>mit</strong> ihnen<br />

interessante Gespräche zu führen. Natürlich konnte ich <strong>nicht</strong> nur etwas<br />

über Polyole erzählen, aber ich merkte doch, wie relativ begrenzt mein allgemeiner<br />

intellektueller Horizont war. Sie hatten gedacht, sie würden Julies Eltern<br />

besuchen, <strong>und</strong> waren ganz erstaunt über unsere Lebensbedingungen <strong>und</strong><br />

Biographien. Erics Mutter fand es so interessant, dass sie einen Artikel darüber<br />

schreiben wollte, <strong>und</strong> in den Augen seines Vaters hatte Julie stark an Ansehen<br />

gewonnen. Es schien ihnen gut zu gefallen, auch wenn wir <strong>nicht</strong> Julies Eltern<br />

waren. Wir versprachen sie wieder einzuladen, wenn uns Julies Eltern besuchen<br />

würden, <strong>und</strong> sie sollten dann bei uns über Nacht bleiben. Erics Mutter bemerkte<br />

noch zu Ulrike, dass Eric ja völlig vernarrt in Julie sei, <strong>und</strong> sie sich sehr<br />

freuen würde, wenn die Beziehung dauerhaft bleiben könne. Natürlich wurden<br />

Gerd <strong>und</strong> Renate sofort informiert. Sie wollten sobald wie möglich kommen,<br />

um den Fre<strong>und</strong> ihres Töchterleins kennenzulernen inclusive seiner Eltern, im<br />

späteren Herbst könne es ja auch bei uns manchmal sehr unangenehm sein.<br />

Die Eltern verstanden sich hervorragend <strong>und</strong> Gerd musste sich belehren lassen,<br />

dass Chartier, so hieß Eric <strong>mit</strong> Nachnamen, ein berühmter französischer<br />

Schriftsteller zu Anfang des fünfzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts gewesen sei. „Ja wenn<br />

ich <strong>nicht</strong> Lehmann sondern Lachmann heißen würde, wäre ich vielleicht auch<br />

Professor für Literatur geworden.“ erwiderte Gerd. Den kannte wiederum Monsieur<br />

Chartier <strong>nicht</strong>. Auch Renate legte Madame Chartier ans Herz, wie sehr sie<br />

es wünsche, dass die beiden zusammen blieben. Renate meinte, dass sie die<br />

beiden auch für ein bezauberndes Paar hielte, aber wie dauerhaft ihre Beziehung<br />

sei, das hätten die beiden schließlich ganz allein zu verantworten. Madame<br />

Chartier lobte Julie als überaus kluge, intelligente, charmante Frau, die<br />

<strong>nicht</strong> nur Eric verzaubert, sondern auch ihr Herz erobert habe. <strong>Nicht</strong>s würde sie<br />

lieber sehen, als wenn sie ihre Schwiegertochter würde. Das könnten wir <strong>nicht</strong><br />

entscheiden, da müsse man die beiden jungen erwachsenen Mensch schon selber<br />

befinden lassen, was sie wollten. Es sei ja schließlich ihr Leben, über das<br />

sie zu entscheiden hätten.<br />

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Erics Heiratspläne<br />

Eric bekam eine eigene Wohnung in einem Dorf in der Nähe von Montpellier. Er<br />

lebte dort die Woche über zusammen <strong>mit</strong> Julie, aber die Wochenenden verbrachten<br />

sie trotzdem immer lieber bei uns, <strong>und</strong> uns freute es auch. Wir wollten<br />

Julie ja <strong>nicht</strong> verlieren, auch <strong>nicht</strong> an Eric. Er wollte <strong>mit</strong> Julie besprechen,<br />

ob sie <strong>nicht</strong> heiraten sollten. Sie habe ihn dafür ganz lieb gehabt, aber gefragt,<br />

was sich dadurch für sie denn ändern würde. Er liebe sie so sehr, <strong>und</strong> wolle sie<br />

nie wieder verlieren. „Eric das lässt sich doch <strong>nicht</strong> durch einen Trauschein bewirken,<br />

ob du mich verlierst oder <strong>nicht</strong>, liegt ganz allein daran, wie sehr du<br />

mich liebst. Da kannst du noch so viele Trauscheine besitzen, die werden darauf<br />

keinen Einfluss haben. Wenn man Kinder haben will, sieht das anders aus.<br />

Oder möchtest du, dass ich jetzt Mama werde?“ habe Julie ihm geantwortet,<br />

<strong>und</strong> Eric habe gelacht. Wir meinten, dass es bei uns ja auch so eine Vorstellung<br />

gebe, dass man erst richtig zusammengehöre, wenn man verheiratet sei.<br />

Früher habe man ja auch von 'wilder Ehe' gesprochen, einer sündigen Lebensweise.<br />

Das spiele zwar heute keine direkte Rolle mehr, aber Relikte dieser alten<br />

Einstellungen schwängen sicher immer noch <strong>mit</strong>. Julie habe Eric daraufhin<br />

angesprochen, <strong>und</strong> ihm erklärt sie wolle ihn jetzt doch heiraten, aber sie wolle<br />

eine wilde Ehe, eine Mariage sauvage. Wenn sie dann mal älter <strong>und</strong> bürgerlicher<br />

geworden seien, könnten sie die ja vielleicht umwandeln in eine Mariage<br />

bourgeoise. Juilie habe es erklären müssen, da in der französischen Bezeichnung<br />

dafür <strong>nicht</strong>s <strong>mit</strong> wild vorkomme. Eric habe dem zugestimmt, so wolle er<br />

das auch, <strong>und</strong> erzähle jetzt überall lustig, dass er in einer Mariage sauvage<br />

lebe. Ulrike meinte, Julie sei wirklich eine kluge Frau. Sie habe Erics Wunsch<br />

<strong>nicht</strong> einfach zurückgewiesen <strong>und</strong> ihn enttäuscht, sondern sei auf ihn eingegangen,<br />

<strong>und</strong> habe ihn zu einer anderen Vorstellung kommen lassen. „Wenn ihr<br />

beide das immer so macht, dann wird euch so schnell <strong>nicht</strong>s auseinander bringen.“<br />

beurteilte sie Julies Verhalten.<br />

Keine Reminiszenzen<br />

Bei unserem Leben wurde das Unangenehme meiner Arbeitsbedingungen fast<br />

völlig unerheblich. Christines Anwesenheit erleichterte es, <strong>und</strong> da ich immer<br />

<strong>mit</strong> Lennie zusammen fuhr, vielen mir die hässlichen Wegstrecken auch kaum<br />

noch auf. Den Schwerpunkt meines Lebens bildete aber eindeutig, was sich außerhalb<br />

der Arbeit ereignete. Hier war meine Welt. Durch Eric <strong>und</strong> Julie hatte<br />

sich die Atmosphäre in unserem Zusammenleben sehr verändert. Literarische,<br />

politische <strong>und</strong> künstlerische Themen dominierten jetzt allmählich die Diskussionen<br />

im Haus, unsere Bibliothek wuchs schnell, <strong>und</strong> in besonderem Maße glücklich<br />

war Ulrike über diese Entwicklung. Aus Chemikern <strong>und</strong> Kaufleuten schienen<br />

Intellektuelle zu werden, die auch außerhalb des Hauses andere Veranstaltungen<br />

besuchten <strong>und</strong> andere Kontakte fanden. Eine neue Zeit war angebrochen,<br />

langsam aber deutlich.<br />

Alle Veränderungen, die ich zusammen <strong>mit</strong> Ulrike erlebt hatte, waren nie <strong>mit</strong><br />

dem Traum von früheren, schöneren Tagen behaftet. Ich brauchte mich <strong>nicht</strong><br />

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zu erinnern, an glücklichere Zeiten. Die gab es <strong>nicht</strong>. Wir schienen wie selbstverständlich<br />

unaufhörlich an unserem Glück zu arbeiten, <strong>und</strong> waren darin nach<br />

eigenen Empfinden sehr erfolgreich. Wenn ich an das Glück denke, das Ulrike<br />

<strong>und</strong> ich empfanden, wieder zusammen sein zu können, hatte es sich immer<br />

nur erweitert <strong>und</strong> gesteigert. Das war die Basis, auf der sich alles Weitere entwickelt<br />

hatte, <strong>und</strong> die immer als Gr<strong>und</strong>lage erhalten blieb. Wir hatten immer<br />

mehr erreicht, <strong>und</strong> waren glücklich darüber, aber befriedigt <strong>und</strong> satt zurückgelehnt<br />

haben wir uns nie. Das tötet <strong>und</strong> macht das Glück zu<strong>nicht</strong>e. Glücklichsein<br />

kann nur im aktiven Prozess erfahren werden, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> durch Konservierung<br />

<strong>und</strong> Reminiszenzen an schöne Tage. Wir schliefen <strong>nicht</strong>, <strong>und</strong> träumten <strong>nicht</strong>,<br />

wir lebten; jeden Tag intensiv <strong>und</strong> aufregend.<br />

FIN<br />

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Les hommes sont comme des drogues – si les femmes<br />

commencent avec eux, les femmes ne peuvent pas vivre sans<br />

elle, mais pas avec eux.<br />

Eines Tages bat Heiner Ulrike, doch ganz zu ihm zu ziehen. Ulrike lehnte das<br />

ab. Eine Trennung von uns käme für sie <strong>nicht</strong> in Frage. Er liebe aber sie, <strong>und</strong><br />

wolle <strong>mit</strong> ihr zusammen sein, <strong>und</strong> <strong>nicht</strong> <strong>mit</strong> ihrer Tochter <strong>und</strong> ihrem<br />

Schwiegersohn. Ulrike habe ihm daraufhin klar gemacht, dass sie ihn zwar<br />

liebe <strong>und</strong> gern habe, ihre Tochter ihr aber noch mehr bedeute. „Dann geh doch<br />

zu deiner Tochter <strong>und</strong> vögel <strong>mit</strong> ihr.“ habe er wütend gerufen. Ulrike war aus<br />

dem Bett aufgestanden <strong>und</strong> sofort nach Hause gefahren. Sie kam heulend zu<br />

uns ins Zimmer, berichtete was sich zugetragen hatte, <strong>und</strong> verfluchte<br />

unablässig Heiner <strong>und</strong> sich selbst, dass sie sich darauf eingelassen hatte. In<br />

den nächsten Tagen rief Heiner ständig an. Wenn Ulrike seinen Namen oder<br />

seine Stimme hörte, legte sie sofort auf. Er wolle sich bei ihr entschuldigen, es<br />

täte ihm so schrecklich leid. Er könne sich selber <strong>nicht</strong> verzeihen, dass er so<br />

ausgerastet sei. Er habe Ulrike sehr tief verletzt, meinte ich zu ihm. Ich wisse<br />

<strong>nicht</strong>, ob er je wieder eine Chance bei ihr haben könne. Im Moment sei das<br />

jedenfalls wohl aussichtslos, eine Entschuldigung könne das <strong>nicht</strong> aus der Welt<br />

schaffen. Heiner rief auch dann <strong>nicht</strong> mehr an. Arme Ulrike.<br />

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