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Alex und das Frühlingsbuch

„Am verwegensten sind junge Stiere, wenn sie in Panik ge­raten.“ wusste Simone, „Du bist kein junger Stier, Alex, nicht war?“ Ihre Reaktion habe ja auch leicht panische Züge gehabt, aber ihre Verhal­tensressourcen seien darin äußerst dürftig, und einen Dolch besitze sie auch nicht, meinte Simone noch zur Problemlösung. Welche Probleme Simone und Alex noch, auch außerhalb des Frühlings zu lösen hatten, erzählt die Geschichte.

„Am verwegensten sind junge Stiere,
wenn sie in Panik ge­raten.“ wusste Simone, „Du bist kein junger Stier, Alex, nicht war?“
Ihre Reaktion habe ja auch leicht panische Züge gehabt,
aber ihre Verhal­tensressourcen
seien darin äußerst dürftig, und einen Dolch
besitze sie auch nicht,
meinte Simone noch zur Problemlösung.
Welche Probleme Simone und Alex noch,
auch außerhalb des Frühlings zu lösen hatten, erzählt die Geschichte.

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schen.<br />

Simonetta Divina<br />

<strong>Alex</strong> wollte sich nicht von der Trauer okkupieren lassen, nur die Trauer interessiert<br />

<strong>das</strong> nicht. Sie kommt, wann es ihr passt <strong>und</strong> fragt dich nicht ob es dir<br />

jetzt genehm ist. Dann starrte <strong>Alex</strong> gedankenverloren in die Gegend <strong>und</strong> seine<br />

Kehle ließ ihn wissen, <strong>das</strong>s der Weg zu Tränen nicht weit sei. Allen musste er<br />

von der w<strong>und</strong>ervollen Simone erzählen. Früher hatte er <strong>das</strong> nicht getan. Züge<br />

einer Göttin entwickelte sie in <strong>Alex</strong> Erinnerungen. Nur wenn er von Simone<br />

sprach, erweckte es nicht den Anschein, als ob er von Erinnerungen erzähle.<br />

Vielleicht war sie in seinen Gedanken immer gegenwärtig, oder erschien sie<br />

ihm ja nachts, begleitete ihn als guter Geist, wie ein Schutzengel. Weniger an<br />

Simone dachte <strong>Alex</strong> auf keinen Fall. Psychotische Züge nehme <strong>das</strong> an, meinte<br />

<strong>Alex</strong>. Er selber bekomme es nicht geregelt, sondern brauche Hilfe von einem<br />

Psychotherapeuten. Ob es <strong>das</strong> Christkindchen war, <strong>das</strong> neue Jahr sich auswirkte,<br />

oder die strenge Kälte der erste Januartage auch <strong>Alex</strong> Gemüt abkühlte, er<br />

konnte es nicht ausmachen, jedenfalls mäßigten sich seine Simone-Anwandlungen<br />

deutlich <strong>und</strong> ließen ihn wieder ein ungestörtes Leben führen. Judith traf<br />

er nur noch selten, <strong>und</strong> <strong>Alex</strong> hatte den Eindruck, <strong>das</strong>s sie auch böse auf ihn<br />

sei. <strong>Alex</strong> sprach sie darauf an. „Du hast Simone tot gemacht. Sie wird da überhaupt<br />

nicht mit fertig. Zuerst erweckte es den Eindruck, <strong>das</strong>s sie wütend sei,<br />

auf dich schimpfen könne <strong>und</strong> es dadurch bewältige. Aber du hast in ihr etwas<br />

zerstört, nur was, <strong>das</strong> sagt sie nicht. Du hast Simone die Lebenslust <strong>und</strong> Lebensfreude<br />

genommen. Nicht selten sitzt sie am Tisch <strong>und</strong> starrt gedankenverloren<br />

mit mürrischem Blick ins Leere. Simone kann nicht mehr lachen <strong>und</strong> ist<br />

nicht selten gereizt <strong>und</strong> zickig. Woher sie <strong>das</strong> nur kann, früher hat <strong>das</strong> niemals<br />

jemand bei ihr erlebt. Ich bin auch ratlos <strong>und</strong> Mutter wird fast krank daran,<br />

<strong>Alex</strong>. Ihr solltet euch wieder vertragen, aber, ich denke, der Vertrag wird mit<br />

den Zeichen dieser Welt nicht zu formulieren sein.“ sah es Judith. Daran zu<br />

denken, <strong>das</strong>s Simone litt, potenzierte <strong>Alex</strong> Trauerschmerz noch eimal. Einige<br />

Zeit später rief <strong>Alex</strong> Judith an, ob sie denn nicht nochmal versuchen könne, mit<br />

Simone zu reden, er könne es nicht ertragen, sich vorzustellen, <strong>das</strong>s es Simone<br />

quäle <strong>und</strong> sie leide. „Wer wünscht sich <strong>das</strong> mehr als ich, <strong>das</strong>s ihr beide alles<br />

klärt, <strong>Alex</strong>, aber Hoffnungen kann ich dir nicht machen. Dein Name ist tief unterm<br />

Polareis vergraben.“ erklärte Judith. <strong>Alex</strong> malte sich alles aus. Wenn Simone<br />

jetzt doch mal sagen würde: „Ja, ich will mich mit <strong>Alex</strong> treffen.“ Ein<br />

Freudenfest, drei Tage tanzen würde er. <strong>Alex</strong> stellte sich vor, Simones Stimme<br />

wieder zu hören. Die Vorstellung allein legte schon eine Glückspatina auf seine<br />

Mimik. „Nein, treffen will sie sich mit dir nicht.“ erklärte Judith am Telefon,<br />

„aber wir haben sehr lange miteinander geredet, <strong>und</strong> sie hat w<strong>und</strong>ervolle Dinge<br />

von dir erzählt. Ihr wird wohl immer deutlicher, <strong>das</strong>s sie nicht nur deine unsäglichen<br />

Worte verloren hat, sondern vieles mehr, was sie niemals verlieren<br />

wollte. Du hast ja nicht <strong>das</strong> Wissen um die geliebte Beziehung zu dir gelöscht.<br />

Die Liebe, die sie für dich empfand, kann Simone nicht aus ihrem Gedächtnis<br />

tilgen, auch wenn sie dir noch so böse ist. Das ist auch alles noch da, es verschwindet<br />

ja nicht, sondern lässt sie Traurigkeit empfinden, es verloren zu ha-<br />

<strong>Alex</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong> Frühlingsbuch – Seite 18 von 24

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