SE P T E M B E R · A U SST E LLU N G 2 0 1 3 - Kovacek & Zetter
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Gustav Klimt gilt als Hauptvertreter des österreichischen Jugendstils. Seine Werke befinden sich in zahlreichen Museen<br />
und Sammlungen weltweit und erzielen am Kunstmarkt regelmäßig Rekordpreise.<br />
Klimt wurde 1862 in Wien geboren und wuchs in eher ärmlichen Verhältnissen auf. 1876 erhielt Klimt ein Stipendium<br />
an der neu gegründeten Kunstgewerbeschule in Wien, an der er bis 1883 studierte. Gemeinsam mit seinem Bruder<br />
Ernst, der ebenfalls die Kunstgewerbeschule besuchte, und Franz Matsch gründete Klimt eine Ateliergemeinschaft. Mit<br />
der Gestaltung der prunkvollen Treppenhäuser des Burgtheaters und des Kunsthistorischen Museums gelang es den<br />
drei Künstlern, sich zu etablieren. Der Stil Klimts war in dieser Zeit unter dem Einfluss Makarts stehend, der Malerei<br />
des Historismus verhaftet. 1891 heiratete Ernst Klimt Helene Flöge, mit deren Schwester Emilie Klimt eine lebenslange<br />
Beziehung verband. Im selben Jahr traten die Brüder der Künstlerhausgenossenschaft bei. 1892 starb Ernst Klimt überraschend<br />
im selben Jahr wie der Vater. 1894 erging der wichtige Auftrag für die Fakultätsbilder im großen Festsaal der<br />
Wiener Universität an Gustav Klimt und Franz Matsch. 1900 rief die Präsentation des Fakultätsbildes „Philosophie“ und<br />
1901 der „Medizin“ scharfe Proteste hervor. Man stieß sich an den modernen Kompositionsformen, an der Darstellung<br />
nackter Menschen ohne allegorischem Hintergrund. 1904 erhielt Klimt den Auftrag für das Fries im Speisezimmer des<br />
Palais Stoclet in Brüssel. 1905 kaufte er die umstrittenen Fakultätsbilder zurück. Im selben Jahr trat die Klimt-Gruppe aus<br />
der Secession, deren Präsident der Künstler von 1897 bis 1899 gewesen war, aus. Verstärkt stellte er nun im Ausland<br />
aus. In seinem Spätwerk widmete er sich zusehends der Landschaftsdarstellung.<br />
Vorliegende Zeichnung ist eine Studie zum Ölbild „Hoffnung I“ von 1903/04, das sich heute in der National Gallery of<br />
Canada in Ottawa befindet. Das Bild sowie die zugehörigen Studien, sollen sich 1905 laut Alice Strobl allesamt in der<br />
Sammlung Fritz Wärndorfer, dem kommerziellen Direktor und finanziellen Unterstützer der Wiener Werkstätte, befunden<br />
haben 1 . Erst 1909 wurde „Hoffnung I“ gemeinsam mit „Hoffnung II“ auf der Kunstschau in Wien ausgestellt.<br />
Zuvor war Klimt wegen der Proteste gegen die Fakultätsbilder der Wiener Universität angeraten worden, das Bild nicht<br />
in der Öffentlichkeit zu zeigen. Auch im Hause Wärndorfer war es hinter zwei Flügeln versteckt. Die Darstellung einer<br />
Schwangeren hätte einen weiteren Skandal verursacht. Bei der Figur der Schwangeren handelt es sich um eine Paraphrase<br />
auf den rechten oberen Teil des Fakultätsbildes „Medizin“. Die enge Verbundenheit mit der männlichen Gestalt steht<br />
in gedanklicher Verbindung zur Darstellung im Beethovenfries „Diesen Kuss der ganzen Welt“, ist allerdings nur in den<br />
Studien angedeutet und findet im Ölbild keinen Niederschlag mehr. Die Körper von Mann und Frau sind zu einer Einheit<br />
verbunden. Ist im Beethovenfries der Mann in Rückenansicht zu sehen und die Frau hinter ihm, so ist in den Studien zur<br />
„Hoffnung I“ das Paar von der Seite nach links gewandt dargestellt. Der Mann legt den Arm schützend um die Frau.<br />
Sie hat ihren Kopf an seine Schulter gelehnt und umfasst mit ihren Armen den schwangeren Bauch. Die Szene drückt<br />
Geborgenheit, Nähe und Vertrautheit aus. Die Umrisse der beiden Körper verschmelzen zu einer Einheit, die Figuren<br />
nehmen fast die ganze zur Verfügung stehende Fläche ein. Dadurch verankert Klimt die Bildformen fest in der Bildebene.<br />
Der Künstler hat vermutlich bereits 1902 mit der Arbeit an „Hoffnung I“ begonnen. In diesem Jahr gebar ihm Marie<br />
Zimmermann, die Mutter seines Sohnes Gustav, einen weiteren Sohn, der allerdings im Alter von nicht einmal drei Monaten<br />
starb. Dieser Umstand dürfte dazu geführt haben, dass Klimt die schwangere Frau im ausgeführten Ölbild bedroht<br />
vom Tod und einem Seeungeheuer im Bildhintergrund darstellt, der schützende Begleiter der Studien fehlt. Es gibt in<br />
der Literatur auch Vermutungen, dass es sich bei dem dargestellten Paar der Entwurfszeichnungen um Klimt selbst und<br />
seine Geliebte Marie handelt 2 .<br />
In jedem Fall gehört die Studie zu einer der wichtigsten Werkphasen im Schaffen des Künstlers und ist ein schönes<br />
Zeugnis seines hohen zeichnerischen Könnens.<br />
1<br />
Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878 – 1903, Band I, Verlag Galerie Welz, Salzburg 1980, S. 274<br />
2<br />
ebenda<br />
2<br />
Gustav Klimt<br />
(Wien 1862 – 1918 Wien)<br />
Schwangere Frau<br />
mit Mann nach links<br />
1903<br />
Studie für das Gemälde „Hoffnung I“<br />
Blauer Farbstift auf Papier<br />
44,5 x 30,3 cm<br />
Provenienz: Fritz Wärndorfer, Wien<br />
Privatbesitz Salzburg<br />
Literatur: Marian Bisanz-Prakken, Gustav<br />
Klimt. The Magic of Line, Aussstellungskatalog,<br />
The J. Paul Getty Museum,<br />
Los Angeles, Albertina, Wien 2012,<br />
Abb. S. 159;<br />
Christian M. Nebehay, Gustav Klimt.<br />
Von der Zeichnung zum Bild, 1992, S. 142,<br />
Abb. 159;<br />
Katalog, Experiment Weltuntergang.<br />
Wien um 1900, Hamburger Kunsthalle,<br />
1981, Nr. 32, m. Abb.;<br />
Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen<br />
1878–1903, Band I, Verlag Galerie<br />
Welz, Salzburg 1980, Wkv. Nr. 953,<br />
Abb. S. 277;<br />
Katalog, Gustav Klimt. Henri Matisse,<br />
Darmstadt, Mathildenhöhe, 1970, Nr. 56,<br />
m. Abb.<br />
Vgl.: Fritz Novotny, Johannes Dobai, Gustav<br />
Klimt, Verlag Galerie Welz, Salzburg<br />
1975, Nr. 129, Abb. 42, S. 329 (Ölbild<br />
„Hoffnung I“)<br />
Ausgestellt: Ch. M. Nebehay, Wien 1963;<br />
Mathildenhöhe Darmstadt, 1970;<br />
Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1981;<br />
„Gustav Klimt - The Drawings“, J. Paul<br />
Getty Museum, Los Angeles 2012