Panorama 1/2013: Orange leben - Die Pilgermission St. Chrischona
Panorama 1/2013: Orange leben - Die Pilgermission St. Chrischona
Panorama 1/2013: Orange leben - Die Pilgermission St. Chrischona
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facebook<br />
Ist eine Gewissensentscheidung zum Wehrdienst legitim?<br />
«Ob man als Christ Militär- oder Zivildienst leistet, ist ein individueller Entscheid», sagte Christian <strong>St</strong>ricker, <strong>Chrischona</strong>-Pastor in<br />
Amriswil, in einem Interview mit der Thurgauer Zeitung. Eine diplomatische Aussage, die jedoch diskutiert werden kann: Wie kommt<br />
der Christ zu seinem individuellen Entscheid? Was sagt die Bibel?<br />
Auf der Facebook-Seite der <strong>Pilgermission</strong> <strong>St</strong>. <strong>Chrischona</strong> hat die<br />
Redaktion deshalb Christian <strong>St</strong>rickers Aussage unkommentiert<br />
eingestellt und zur Diskussion freigegeben. Facebook-Freund Wolfgang<br />
Lindemann und Dr. Werner Neuer, Dozent am Theologischen<br />
Seminar <strong>St</strong>. <strong>Chrischona</strong> (tsc), lieferten sich einen theologischen<br />
Disput. Inhaltlich interessant, akademisch versiert und auf zeitgemässe<br />
Art und Weise per sozialem Netzwerk. Einige gekürzte Auszüge<br />
drucken wir für Sie ab. <strong>Die</strong> ganze Diskussion können Sie online<br />
nachlesen – auf facebook.com/pilgermission<br />
Wolfgang Lindemann<br />
«<strong>Die</strong> Frage ist unsinnig: Entweder ein Krieg ist gerecht. Dann<br />
darf ein Christ daran teilnehmen. Oder er ist nicht gerecht.<br />
Dann darf kein Christ daran teilnehmen. Dazwischen eine Gewissensentscheidung<br />
zu propagieren, impliziert einen schlimmen<br />
ethischen Relativismus. Eine wichtige ethische Frage ist in<br />
das Belieben des Einzelnen gestellt und das Gewissen plötzlich<br />
über beispielsweise das Wort der Bibel gestellt, in dem wir Orientierung<br />
finden.»<br />
Dr. Werner Neuer<br />
«Es ist richtig: <strong>Die</strong> grundsätzliche biblisch begründete Bejahung<br />
des Wehrdienstes steht unter dem Vorbehalt, dass es sich um<br />
einen gerechten Krieg* handelt. Wo es sich um wirkliche Gewissensgründe<br />
gegen Kriegsdienst handelt, sind die christliche<br />
Gemeinde und der <strong>St</strong>aat jedoch genötigt, diese auch zu respektieren<br />
– ohne damit die pazifistische Position für richtig zu erklären.»<br />
Wolfgang Lindemann<br />
«Für manche Probleme ist die beste – und einzige – Lösung der<br />
mitunter bewaffnete Widerstand, angefangen von den Aufgaben<br />
der Polizei. <strong>Die</strong> Bereitschaft und Pflicht, sich nach innen<br />
und aussen gemeinschaftlich zu verteidigen, ist elementarer<br />
Teil jedes Zusammen<strong>leben</strong>s von Menschen. Eine Gesellschaft<br />
kann sonst gar nicht funktionieren.»<br />
Dr. Werner Neuer<br />
«<strong>Die</strong> Frage nach dem Recht zum Kriegseintritt ist nur ein Aspekt:<br />
Angesichts der vielen Verbrechen, die in neuerer Zeit<br />
auch in ‘gerechten’ Kriegen begangen wurden (z.B. in Hiroshima,<br />
Dresden, etc…), wird man mehr denn je das Augenmerk<br />
auf die Kriegsführung und die Notwendigkeit von soldatischen<br />
Widerstand sowie Befehlsverweigerung legen. Unzählige<br />
Kriegsverbrechen wurden von den Soldaten mit dem Argument<br />
gerechtfertigt, auf Befehl gehandelt zu haben («Befehl ist Befehl!»)<br />
– obwohl das an Christus orientierte Gewissen in einem<br />
solchen Fall zur Befehlsverweigerung hätte Anlass geben müssen.<br />
<strong>Die</strong> christliche Beteiligung an gerechten Kriegen ist nur<br />
ethisch verantwortbar mit einem ausgeprägten Ethos der Befehlsverweigerung.<br />
Hier stehen wir in der ethischen Reflexion<br />
noch am Anfang.»<br />
* Kriterien für den gerechten Krieg: 1. von staatlicher Gewalt erklärt, 2. um eine gerechte<br />
Sache geführt, 3. gegen einen ungerechten Angriff gerichtet, 4. mit Mitteln geführt,<br />
die nicht selber Unrecht schaffen und 5. Aussicht auf Erfolg haben.<br />
20 CHRISCHONA 1/<strong>2013</strong>