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Thomas von Aquin Die Tapferkeit [De fortitudine] - Hoye.de

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2. Warum ist <strong>Tapferkeit</strong> eine Tugend?<br />

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2 <strong>Thomas</strong> <strong>von</strong> <strong>Aquin</strong><br />

menschlichen Tugend, daß sie <strong>de</strong>n Menschen und sein<br />

Werk gemäß <strong>de</strong>r Vernunft sein läßt. – Das ist auf dreifache<br />

Weise möglich: einmal, insofern die Vernunft selbst<br />

recht ausgerichtet wird [rectificatur], was durch die verstandhaften<br />

Tugen<strong>de</strong>n geschieht; zum an<strong>de</strong>ren, insofern<br />

die Rechtheit [rectitudo] <strong>de</strong>r Vernunft im menschlichen Leben<br />

erstellt wird, was zur Gerechtigkeit gehört; drittens,<br />

insofern die Hin<strong>de</strong>rnisse zur Erstellung dieser Rechtheit<br />

im menschlichen Leben beseitigt wer<strong>de</strong>n. – Nun wird<br />

<strong>de</strong>r menschliche Wille in zweifacher Weise gehin<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>r<br />

Rechtheit [rectitudo] <strong>de</strong>r Vernunft zu folgen. Einmal dadurch,<br />

daß er <strong>von</strong> etwas Lustbringen<strong>de</strong>m zu an<strong>de</strong>rem verlockt<br />

wird, als die Rechtheit <strong>de</strong>r Vernunft es for<strong>de</strong>rt; und<br />

dieses Hin<strong>de</strong>rnis wird durch die Tugend <strong>de</strong>r Maßhaltung<br />

beseitigt. Auf an<strong>de</strong>re Weise [wird <strong>de</strong>r Wille gehin<strong>de</strong>rt]<br />

durch das, was <strong>de</strong>n Willen <strong>von</strong> <strong>de</strong>m zurückdrängt, was<br />

gemäß <strong>de</strong>r Vernunft ist, nämlich wenn eine Schwierigkeit<br />

sich in <strong>de</strong>n Weg stellt. Und zur Beseitigung dieses Hin<strong>de</strong>rnisses<br />

ist die <strong>Tapferkeit</strong> <strong>de</strong>s Geistes erfor<strong>de</strong>rlich, durch die<br />

er [<strong>de</strong>r Wille] solchen Schwierigkeiten Wi<strong>de</strong>rstand leistet,<br />

wie <strong>de</strong>r Mensch ja auch kraft körperlicher Stärke körperliche<br />

Hin<strong>de</strong>rnisse überwin<strong>de</strong>t und zurückstößt. Darum ist<br />

es offensichtlich, daß <strong>Tapferkeit</strong> eine Tugend ist, sofern sie<br />

<strong>de</strong>n Menschen gemäß <strong>de</strong>r Vernunft sein läßt.<br />

Zu 1. <strong>Die</strong> Kraft <strong>de</strong>r Seele wird nicht in <strong>de</strong>r Schwachheit<br />

<strong>de</strong>r Seele vollen<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Schwachheit <strong>de</strong>s Fleisches,<br />

<strong>von</strong> welcher <strong>de</strong>r Apostel sprach. Daß aber jemand<br />

die Schwachheit <strong>de</strong>s Fleisches tapfer ertrage, gehört zur<br />

<strong>Tapferkeit</strong> <strong>de</strong>s Geistes und ist Sache entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tugend<br />

<strong>de</strong>r Geduld o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>Tapferkeit</strong>. Und daß ein Mensch<br />

seine eigene Schwachheit erkenne, gehört zu <strong>de</strong>r Vollkommenheit,<br />

welche <strong>De</strong>mut genannt wird.<br />

3. Wie kommt es, daß Menschen gleichsam tapfer han<strong>de</strong>ln, ohne<br />

die Tugend <strong>de</strong>r <strong>Tapferkeit</strong> zu besitzen?<br />

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Zu 2. <strong>Die</strong> äußerliche Tat einer Tugend vollbringen gelegentlich<br />

einige, die die Tugend nicht besitzen, aus irgen<strong>de</strong>inem<br />

an<strong>de</strong>ren Grun<strong>de</strong> als <strong>de</strong>r Tugend. Und darum<br />

stellt Aristoteles fünf Weisen [<strong>de</strong>ssen] auf, wie Menschen<br />

auf Grund einer Ähnlichkeit tapfer genannt wer<strong>de</strong>n, die<br />

gleichsam tapfer han<strong>de</strong>ln, ohne die Tugend [<strong>de</strong>r <strong>Tapferkeit</strong><br />

zu besitzen]. Das ist auf dreifache Weise möglich.<br />

Erstens weil sie gegen das Schwierige anstürmen, als<br />

wenn es nicht schwierig wäre. Das wird in drei Arten<br />

unterteilt. Bisweilen nämlich geschieht es aus Unwissenheit,<br />

weil ein Mensch die Größe <strong>de</strong>r Gefahr nicht erfaßt.<br />

Bisweilsen aber geschieht es, weil <strong>de</strong>r Mensch guter Hoffnung<br />

ist, die Gefahren zu überwin<strong>de</strong>n, z. B., wenn er die<br />

Erfahrung gemacht hat, öfter Gefahren entgangen zu sein.<br />

Bisweilen endlich geschieht es wegen irgen<strong>de</strong>ines Wissens<br />

und einer Kunst, wie es bei Soldaten <strong>de</strong>r Fall ist, die auf<br />

Grund ihrer Waffenerfahrung und Übung die Gefahren<br />

<strong>de</strong>s Krieges nicht für schwer erachten, in <strong>de</strong>r Überzeugung,<br />

daß sie sich durch ihre Kunst dagegen verteidigen<br />

können, wie Vegetius erklärt: „Noch niemand fürchtete zu<br />

tun, was gut gelernt zu haben er vertraut.“ – Auf an<strong>de</strong>re<br />

Weise han<strong>de</strong>lt jemand tapfer ohne Tugend wegen <strong>de</strong>s

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